Entschließungsantrag - B8-0574/2015Entschließungsantrag
B8-0574/2015

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu aktuellen Enthüllungen von Korruptionsfällen auf hoher Ebene bei der FIFA

8.6.2015 - (2015/2730(RSP))

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Laura Ferrara, Isabella Adinolfi, Ignazio Corrao, Rolandas Paksas, Marco Valli, Marco Zanni im Namen der EFDD-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0548/2015

Verfahren : 2015/2730(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B8-0574/2015
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B8‑0574/2015

Entschließung des Europäischen Parlaments zu aktuellen Enthüllungen von Korruptionsfällen auf hoher Ebene bei der FIFA

(2015/2730(RSP))

Das Europäische Parlament,

–       unter Hinweis auf den aktuellen Korruptionsskandal, der verschiedene ranghohe Funktionäre der FIFA (Fédération Internationale de Football Association – Fußball-Weltverband) betrifft,

–       unter Hinweis auf seine Entschließung vom 2. Februar 2012 zu der europäischen Dimension des Sports[1],

–       unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2013 zu Ergebnisabsprachen und Korruption im Sport[2],

–       unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2013 zu organisiertem Verbrechen, Korruption und Geldwäsche: Empfohlene Maßnahmen und Initiativen[3],

–       in Erwägung der Mitteilung der Kommission über die Korruptionsbekämpfung in der EU vom 3. Februar 2014 (COM(2014)0038),

–       unter Hinweis auf das Weißbuch Sport der Kommission vom 11. Juli 2007 (COM(2007)0391),

–       unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 18. Januar 2011 mit dem Titel „Entwicklung der europäischen Dimension des Sports“ (COM(2011)0012),

–       in Kenntnis des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2003 gegen Korruption,

–       unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor[4],

–       unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 6. Juni 2011 mit dem Titel „Korruptionsbekämpfung in der EU“ (COM(2011)0308),

–       unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2008/841/JI des Rates zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität[5],

–       unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats vom 18. September 2014 über die Manipulation von Sportwettkämpfen,

–       unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 2. März 2015 für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des Übereinkommens des Europarats gegen die Manipulation von Sportwettbewerben in Bezug auf Aspekte, die nicht materielles Strafrecht und nicht die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen betreffen (COM(2015)0084),

 

–       unter Hinweis auf die Äußerung des Mitglieds der Kommission Navracsics vom 3. Juni 2015 im Anschluss an den Rücktritt des FIFA-Präsidenten,

–       unter Hinweis auf das neue Sportprogramm im Rahmen von Erasmus+, zu dessen Zielen es gehört, grenzübergreifenden Bedrohungen gegen die Integrität des Sports – beispielsweise Doping, Spielabsprachen und Gewalt und allen Formen der Intoleranz und Diskriminierung – zu begegnen und einen soliden Ordnungsrahmen beim Sport zu unterstützen und zu fördern,

–       unter Hinweis auf die Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 21. Mai 2014 zu dem Arbeitsplan der Europäischen Union für den Sport (2014–2017)[6],

–       unter Hinweis auf das „Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger“,

–       unter Hinweis auf die Einigung über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (Vierte Richtlinie zur Bekämpfung der Geldwäsche – COM(2013)0045),

–       unter Hinweis auf die Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“) in Bezug auf die Geldwäsche,

–       unter Hinweis auf die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 23. April 2015 über die Reform des Ordnungsrahmens für den Fußball,

–       gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.     in der Erwägung, dass das US-Justizministerium am 27. Mai 2015 in Zusammenarbeit mit der Regierung der Schweiz neun ranghohe FIFA-Funktionäre und fünf Führungskräfte von Sportmarketingorganisationen wegen Schutzgelderpressung, Verschwörung zur Geldwäsche, Korruption und Betrug angeklagt hat;

B.     in der Erwägung, dass davon ausgegangen wird, dass diese Angeklagten an einem 24 Jahre währenden Komplott beteiligt waren, um sich durch Korruption im internationalen Fußball zu bereichern;

C.     in der Erwägung, dass die angeklagten Führungskräfte aus dem Sportmarketing bezichtigt werden, weit über 150 Mio. USD an Bestechungs- und Schmiergeldern gezahlt bzw. zugesagt zu haben, um lukrative Medien- und Marketingrechte an internationalen Fußballturnieren zu erwerben und Wettbewerber aus dem Feld zu schlagen, indem ungleiche Bedingungen für die entsprechenden Interessenvertreter geschaffen wurden;

D.     in der Erwägung, dass die gesamten Ermittlungen darüber hinaus eine grassierende, systematische und tief verwurzelte Korruption zutage gefördert haben, die sich über zwei Generationen von Fußballfunktionären erstreckt, die ihre Vertrauensposition dazu missbraucht haben, Millionen von US-Dollar einzustecken;

E.     in der Erwägung, dass FIFA-Präsident Joseph Blatter – obwohl er auf dem FIFA-Kongress vom 29. Mai 2015 für eine 5. Amtszeit zum FIFA-Präsidenten wiedergewählt worden war – am 2. Juni 2015 seinen Rücktritt ankündigte, während gerade eine Untersuchung mutmaßlicher finanzieller Straftaten in Bezug auf weitere ranghohe FIFA-Funktionäre durchgeführt wird;

F.     in der Erwägung, dass die FIFA und ihre sechs Kontinentalverbände zusammen mit den nationalen und regionalen angegliederten und Mitgliedsverbänden einen Konzern bestehend aus Rechtssubjekten bilden, dessen Hauptzweck die Regelung und Förderung des Fußballs in der ganzen Welt ist;

G.     in der Erwägung, dass gemäß Artikel 2 der FIFA-Statuten Zweck der FIFA unter anderem ist, „Integrität, Ethik und Fairplay zu fördern und dadurch zu verhindern, dass Methoden oder Praktiken wie Korruption, Doping oder Spielmanipulation vorkommen, die die Integrität der Spiele, Wettbewerbe, Spieler, Offiziellen und Mitglieder gefährden oder zu Missbräuchen des Association Football führen könnten“,

H.     in de Erwägung, dass laut dem FIFA-Finanzbericht 2014 70 % der Gesamteinnahmen aus der Zeit von 2011 bis 2014 in Höhe von 5,7 Mrd. USD aus dem Verkauf von Fernseh- und Marketingrechten an der Fußballweltmeisterschaft 2014 stammten;

I.      in der Erwägung, dass die Parlamentarische Versammlung des Europarates bereits am 23. April 2013 zu dem Schluss gekommen war, dass die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2022 an Katar durch illegale Zahlungen massiv befleckt war, sodass die FIFA eine erneute Abstimmung in einem sauberen Verfahren durchführen sollte,

J.      in der Erwägung, dass alle Sportorganisationen und –verbände für eine wirksame Förderung, Gewährleistung und den Schutz der Grundrechte sorgen müssen, wie sie im Völkerrecht und den Menschenrechten verankert sind;

K.     in der Erwägung, dass die Sportverbände die Verantwortung dafür tragen, den Missbrauch und Verstöße gegen interne Regeln, die von ihnen unterstehenden Personen begangen wurden, festzustellen und zu sanktionieren;

L.     betont, dass zahlreiche Mitgliedstaaten abgesehen von den Korruptionsfällen von Spielabsprachen und anderen finanziellen Straftaten betroffen sind, die oft mit kriminellen Vereinigungen zusammenhängen, die sich im internationalen Maßstab betätigen;

M.    betont, dass Korruption und Geldwäsche untrennbar miteinander verbunden sind;

N.     in der Erwägung, dass einige Spielergewerkschaften darauf hinweisen, dass diese kriminellen Handlungen ferner ein Problem darstellen, was mögliche Einschüchterungen und die Erpressung von Spielern anbelangt;

O.     in der Erwägung, dass dem Sport wichtige bildungsrelevante und gesellschaftliche Werte innewohnen und dass ein solider Ordnungsrahmen von Sportverbänden von grundlegender Bedeutung ist, wenn es darum geht, demokratische Grundsätze in unseren Gesellschaften zu fördern;

1.      bekräftigt, dass Korruption einen schwerwiegenden Grundrechtsverstoß und eine Bedrohung für die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit darstellt; betont, dass Wirtschaftskorruption eine Bedrohung für die Integrität des Systems zur Bekämpfung der Geldwäsche insbesondere beim Eintritt in den Geldwäschekreislauf darstellt;

2.      verurteilt in aller Schärfe jegliche Form der Korruption und des Fehlverhaltens im Fußball und allgemein im Sport; fordert alle Sportverbände auf, in dieser Hinsicht eine Null-Toleranz-Politik einzuführen;

3.      verlangt, dass bei der Führung aller Sportverbände die Demokratie, Transparenz, Ethik, das finanzielle Fairplay, die Einhaltung von Recht und Gesetz sowie die Menschenrechte in höchstem Maße geachtet werden sollten;

4.      fordert umfassende Transparenz bei Entscheidungsfindungsprozessen, da von Sportverbänden eingeführte Geheimhaltungsregelungen der Korruption und der Veruntreuung von Finanzmitteln Vorschub leisten können;

5.      betont, wie wichtig eine ausreichende Beteiligung aller maßgeblichen Interessenvertreter, einschließlich zivilgesellschaftlicher Organisationen, an Entscheidungsfindungsprozessen in Sportverbänden ist;

6.      ist der Auffassung, dass die Ethik- und Justizkommissionen von Sportverbänden völlig unabhängig sein müssen, damit sie wirksam alle Anstrengungen zur Sicherstellung der Integrität, Glaubwürdigkeit und Rechenschaftspflicht in der gesamten internen Führung der jeweiligen Organisation unterstützen können;

7.      weist mit Besorgnis auf Mängel in den Vorkehrungen von Sportverbänden zur Verhinderung und Sanktionierung aller Verstöße gegen die ethischen Regeln des Sports hin;

8.      ist fest davon überzeugt, dass sich die FIFA einem umfassenden Strukturreformprozess unterziehen muss, wozu die Überarbeitung ihrer Statuten, Strukturen, Reglements und operativen Strategien und Verfahren gehört, damit die Integrität, Demokratie und Transparenz in der Organisation gestärkt werden;

9.      ist der festen Überzeugung, dass der Verhaltenskodex der FIFA dahingehend geändert werden muss, dass gewährleistet ist, dass alle Anschuldigungen wegen schwerwiegender Verstöße untersucht werden sowie angemessene und ausreichende Sanktionen zur Anwendung kommen, wenn man solche Verstöße feststellt;

10.    fordert alle Sportverbände nachdrücklich auf, einen wirksamen Regelungsrahmen aufzustellen, um es leichter zu machen, Hinweise zu geben, und die Hinweisgeber zu schützen;

11.    betont, dass alle Länder, die sich um die Austragung großer Sportveranstaltungen bewerben, die internationalen Menschenrechtsnormen einschließlich der Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) in vollem Maße einhalten müssen;

12.    ist der festen Überzeugung, dass die Fußballverbände zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit und höherer ethischer Standards eine Obergrenze für Geschäfte mit Fußballspielern sowie für die Gehälter des Führungspersonals und von Fußballspielern einführen und gelichzeitig für ein finanzielles Fairplay und Transparenz sorgen sollten;

13.    fordert alle Sportverbände auf, eine Obergrenze von zwei Mandaten bei der Entlastung des Amtes des Präsidenten und der Mitgliedschaft im Führungs- und Justizgremium der Organisation einzuführen;

14.    fordert die Sportverbände auf, Bildungsprogramme einzuführen bzw. zu verbessern, die Verpflichtungen für Ligen und Vereine insbesondere im Hinblick auf Minderjährige enthalten;

15.    fordert die Mitgliedstaaten und Sportverbände auf, die Sportler und Bürger bereits ab einem jungen Alter und auf allen Ebenen des Sports (im Profi- und Amateurbereich) ausreichend zu informieren und zu erziehen, da Bildung für die Förderung der Integrität im Sport von außerordentlicher Bedeutung ist;

16.    fordert die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten auf, den Empfehlungen der Mitteilung der Kommission über die Korruptionsbekämpfung Folge zu leisten und den Regelungsrahmen sowie die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu verbessern und die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, insbesondere mittels Europol, Eurojust und der nationalen Strafverfolgungs- und Justizbehörden, zu intensivieren;

17.    fordert die Mitgliedstaaten und die EU-Organe auf, mögliche Anzeichen für Korruption von FIFA-Funktionären im EU-Hoheitsgebiet zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen;

18.    fordert die Mitgliedstaaten auf, die Zusammenarbeit in Europa im Bereich der Rechtsdurchsetzung durch gemeinsame Ermittlungsgruppen und eine Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden auszubauen; betont, dass Maßnahmen eingeführt und wirksam durchgesetzt werden müssen, um rechtswidrige Tätigkeiten im Sport zu bekämpfen und die Integrität ihrer Leitungsverbände in der Praxis zu gewährleisten;

19.    fordert die Kommission auf zu prüfen, ob die kürzlich erfolgte Einigung über EU-Rechtsvorschriften über Geldwäsche ausreicht, um Geldwäsche durch in der EU registrierte Führungsgremien des Sports und ihre Offiziellen zu bewältigen, und ob es einer Anpassung bedarf, um eine ausreichende Prüfung ihrer Bankkonten zu ermöglichen;

20.    fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz von Hinweisgebern zu ergreifen, die auf rechtswidrige Handlungen aufmerksam machen, was für die Verhütung von Korruption und ihren verheerenden Folgen von wesentlicher Bedeutung ist;

21.    fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, weitere Maßnahmen für einen soliden Ordnungsrahmen innerhalb des Arbeitsplans der EU für den Sport zu ergreifen und die nationalen und regionalen Verbände in vollem Maße in die Bemühungen um einen besseren Ordnungsrahmen auf europäischer und internationaler Ebene einzubinden;

22.    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Fédération Internationale de Football Association (FIFA), der Union des Associations Européennes de Football (UEFA), den nationalen Fußballverbänden, der Association of European Professional Football Leagues (Verband europäischer professioneller Fußballligen – EPFL), der European Club Association (Interessenvertretung der europäischen Fußballvereine – ECA) und der Fédération Internationale des Associations de Footballeurs Professionnels (weltweit tätige Vertretung von Profifußballern – FIFPro) zu übermitteln.