Entschließungsantrag - B8-0057/2016Entschließungsantrag
B8-0057/2016

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Anwendung der Beistandsklausel (Artikel 42 Absatz 7 EUV)

14.1.2016 - (2015/3034(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Sabine Lösing, Neoklis Sylikiotis, Rina Ronja Kari, Fabio De Masi, Marina Albiol Guzmán, Martina Anderson, Sofia Sakorafa, Lynn Boylan, Matt Carthy, Liadh Ní Riada, Kostas Chrysogonos, Stelios Kouloglou, Kostadinka Kuneva, Dimitrios Papadimoulis, Javier Couso Permuy im Namen der GUE/NGL-Fraktion

Verfahren : 2015/3034(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B8-0057/2016
Eingereichte Texte :
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B8-0057/2016

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Anwendung der Beistandsklausel (Artikel 42 Absatz 7 EUV)

(2015/3034(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),

–  unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen,

–  gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass der Islamische Staat/Da'isch in Paris am 13. November 2015 mehrere Terroranschläge verübt hat, bei denen 130 Menschen ums Leben gekommen sind und 352 Personen verletzt wurden, wobei viele der Verletzten ihr Leben lang gezeichnet sein werden und viele der Betroffenen psychologische Unterstützung benötigen;

B.  in der Erwägung, dass Frankreich nach diesen Anschlägen auf der Tagung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) der EU am 17. November 2015 um Anwendung von Artikel 42 Absatz 7 EUV ersucht hat; in der Erwägung, dass das das erste Mal war, dass Artikel 42 Absatz 7 EUV in Anspruch genommen wurde;

C.  in der Erwägung, dass die EU-Verteidigungsminister ihre einhellige und uneingeschränkte Unterstützung für Frankreich und ihre Bereitschaft, gemäß Artikel 42 Absatz 7 EUV alle erforderliche Hilfe und Unterstützung zu leisten, bekundet und darauf hingewiesen haben, dass für die Gewährung gegenseitigen Beistands rechtlich keine förmliche Entscheidung oder Schlussfolgerung des Rates erforderlich ist;

D.  in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit anschließend auf der bilateralen, zwischenstaatlichen Ebene fortgesetzt wurde und dass auf dieser Ebene weder der Rat noch die Kommission einbezogen werden müssen; in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten Frankreich bereits ihre Unterstützung zugesagt haben, dass in anderen Mitgliedstaaten dazu noch die Zustimmung des Parlaments erforderlich ist, während es auch Mitgliedstaaten gibt, die in dieser Richtung noch nicht tätig geworden sind;

E.  in der Erwägung, dass der Terrorismus, die Zerstörung von Staaten und die Zahl der Todesopfer durch den sogenannten „Krieg gegen den Terror“, der seit 2001 von den Vereinigten Staaten, der NATO und ihren Verbündeten geführt wird, noch zugenommen haben;

F.  in der Erwägung, dass das Parlament in Bezug auf die Anwendung von Artikel 42 Absatz 7 keine rechtliche Handhabe zur Ausübung der parlamentarischen Kontrolle hat;

G.  in der Erwägung, dass Frankreich sowohl um Unterstützung bei seinen Operationen in Irak und Syrien – durch Bündelung und gemeinsame Nutzung der Kapazitäten – als auch um Unterstützung in anderen Gebieten ersucht hat, in denen französische Streitkräfte stationiert sind, damit die Möglichkeit zu einer Umstrukturierung besteht;

H.  in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten nach Artikel 42 Absatz 7 verpflichtet sind, einem Mitgliedstaat im Falle eines bewaffneten Angriffs auf sein Hoheitsgebiet Unterstützung zu leisten; in der Erwägung, dass diese Unterstützung auf der Ebene der zwischenstaatlichen bilateralen Zusammenarbeit geleistet wird und im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen erfolgen sollte;

I.  in der Erwägung, dass Artikel 42 Absatz 7 keine Überschrift trägt und es sich bei der Bezeichnung „Beistandsklausel“ demnach um keinen Rechtsausdruck handelt;

J.  in der Erwägung, dass Artikel 42 Absatz 7 auf Artikel 5 des Vertrags über die Westeuropäische Union (Brüsseler Vertrag) zurückgeht und erst durch den Vertrag von Lissabon 2009 in den EUV aufgenommen wurde;

1.  lehnt die Anwendung von Artikel 42 Absatz 7 EUV ab, da die Europäische Union damit zu einem Militärbündnis umgewandelt wird; warnt davor, dass damit kein Präzedenzfall für die Zukunft geschaffen werden sollte;

2.  spricht sich energisch gegen die Auslegung dieses Artikels als Verpflichtung zur militärischen Unterstützung Frankreichs bei Militäroperationen oder als Rechtfertigung für bzw. zur Legitimierung von laufenden oder bereits geplanten militärischen Maßnahmen aus; kritisiert darüber hinaus, dass die Anschläge von Paris zu einem kriegerischen Akt erklärt wurden, um eine militärische Reaktion zu legitimieren, und hebt hervor, dass der sogenannte Islamische Staat/Da'isch nach internationalem Recht kein Staat ist;

3.  betont, dass Militäroperationen den Terrorismus bisher nie aufgehalten oder beseitigt haben, sondern im Gegenteil zum Anstieg der Opferzahlen und Verwerfungen sowie zu einer Verschlechterung der Lage der betroffenen Bevölkerungsteile geführt haben; fordert, dass der sogenannte „Krieg gegen den Terror“ eingestellt wird, und fordert nachdrücklich, dass mit rechtsstaatlichen Mitteln, d. h. durch polizeiliche Ermittlungen und Strafverfolgung, gegen terroristische Aktivitäten vorgegangen wird; hebt hervor, dass die Terrorismusbekämpfung in keinem Fall als Vorwand für eine Beschneidung der persönlichen Freiheiten und Grundrechte dienen sollte, und lehnt politische Maßnahmen ab, die zur Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsteile aufgrund ihrer Herkunft oder Religion führen;

4.  fordert, dass das internationale Recht streng befolgt wird, d. h. keine militärischen Interventionen oder sonstige Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten stattfinden und Konflikte friedlich gelöst werden;

5.  fordert, dass die EU-Politik im Bereich Außenpolitik dahingehend überarbeitet wird, dass militärische Interventionen und Maßnahmen völlig ausgeschlossen sind und die Außenpolitik allein auf zivile Maßnahmen, die Linderung und die Beseitigung der Ursachen der Armut, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung sowie symmetrische Zusammenarbeit ausgerichtet ist;

6.  fordert, dass der EU-Waffenhandel und die Ausfuhr von Waffen und Militärausrüstung in Konfliktgebiete eingestellt werden;

7.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Rat und der Kommission zu übermitteln.