ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu der Umsetzung der Assoziierungsabkommen sowie der vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen mit Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine
15.1.2016 - (2015/3032(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Cristian Dan Preda, Elmar Brok, Jacek Saryusz-Wolski, Andrej Plenković, Sandra Kalniete, Jerzy Buzek, David McAllister, Michael Gahler, Daniel Caspary, Iuliu Winkler, Andrzej Grzyb, Tunne Kelam, Jaromír Štětina, Alojz Peterle, Davor Ivo Stier, László Tőkés, Jarosław Wałęsa, Bogdan Andrzej Zdrojewski, Mariya Gabriel, Fernando Ruas, Siegfried Mureşan, Agnieszka Kozłowska-Rajewicz, Dariusz Rosati, Ramón Luis Valcárcel Siso im Namen der PPE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0068/2016
B8-0069/2016
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Umsetzung der Assoziierungsabkommen sowie der vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen mit Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Assoziierungsabkommen sowie die vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen (AA/DCFTA) zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine andererseits,
– unter Hinweis auf die Ratifizierung dieser Abkommen durch das Europäische Parlament im September (Ukraine), November (Republik Moldau) und Dezember (Georgien) 2014,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Georgien, zur Republik Moldau und zur Ukraine sowie auf seinen jüngsten Bericht über die Überprüfung der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) und die Östliche Partnerschaft,
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung des Gipfeltreffens zur Östlichen Partnerschaft, welches vom 21. bis 22. Mai 2015 in Riga stattfand,
– in Kenntnis der gemeinsamen Mitteilung der Kommission und der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HV) vom 18. November 2015 zur Überprüfung der ENP,
– unter Hinweis auf den Fortschrittsbericht über die Umsetzung des Aktionsplans zur Visaliberalisierung vom 18. Dezember 2015 durch Georgien und die Ukraine,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Georgien, die Republik Moldau und die Ukraine Länder der Östlichen Partnerschaft sind, die sich für den Weg einer engeren politischen Assoziierung und wirtschaftlichen Integration mit der EU durch die am weitesten fortgeschrittene Generation von Assoziierungsabkommen, die zur Einrichtung von vertieften und umfassenden Freihandelszonen (AA/DCFTA) führen, sowie für eine Reformagenda auf der Grundlage der gemeinsamen Werte wie Demokratie, guter Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Grundfreiheiten entschieden haben;
B. in der Erwägung, dass die EU die europäischen Bestrebungen dieser drei Länder anerkennt und den Mehrwert der Assoziierungsabkommen in ihren Reformprozessen hervorhebt;
C. in der Erwägung, dass die AA/DCFTA mit Georgien und der Republik Moldau am 1. September 2014 vorläufig in Kraft traten;
D. in der Erwägung, dass die vorläufige Anwendung der Assoziierungsabkommen am 1. November 2014 begann und dass das vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen mit der Ukraine erst ab 1. Januar 2016 in Kraft trat;
E. in der Erwägung, dass visafreies Reisen zwischen der EU und der Republik Moldau im April 2014 eingeführt wurde, und in der Erwägung, dass die letzten Kommissionsberichte vom Dezember 2015 darauf hinweisen, dass Georgien und die Ukraine die in den Aktionsplänen zur Visaliberalisierung festgelegten Anforderungen nun erfüllen;
F. in der Erwägung, dass das Engagement der EU gegenüber den Ländern der Östlichen Partnerschaft auf heftigen Widerstand und aggressive Reaktionen der Russischen Föderation gestoßen ist, beispielsweise Vergeltungsmaßnahmen gegen die Assoziierungsländer; in der Erwägung, dass die DCFTA nicht gegen die Interessen von Dritten gerichtet sind, und in der Erwägung, dass die EU erheblichen guten Willen und Bemühungen gezeigt hat, um jegliche Zweifel hinsichtlich der Folgen der Umsetzung dieser Abkommen zu zerstreuen;
1. begrüßt die bisherigen Fortschritte bei der Umsetzung der AA/DCFTA; erinnert daran, dass die genaue und rechtzeitige Umsetzung dieser AA/DCFTA und der diesbezüglichen Assoziierungsagenda weiterhin eine langfristige Priorität für die EU und die drei Partner darstellen muss; erinnert die Kommission an die Notwendigkeit, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die vollständige und erfolgreiche Umsetzung der AA/DCFTA in allen drei Ländern zu unterstützen;
2. weist darauf hin, dass der Erfolg der Umsetzung der AA/DCFTA von einem stabilen politischen Umfeld, konkreten Plänen für die Reform der Handelspolitik, institutioneller Kapazität mit einer klaren Aufteilung der Zuständigkeiten, strategischem Denken, der Einbindung der Zivilgesellschaft sowie finanzieller und technischer internationaler Hilfe abhängt;
3. stellt fest, dass sich alle drei Länder ähnlichen Herausforderungen gegenübersehen, was ihre territoriale Unversehrtheit betrifft, und innenpolitisch Druck durch politische, soziale und wirtschaftliche Reformen ausgesetzt sind; betont, dass ihre Strukturreformen der Konsolidierung der Demokratie, der Ausmerzung der Korruption und der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit Vorrang einräumen sollten;
4. bekräftigt seine nachdrückliche Unterstützung der Souveränität und territorialen Unversehrtheit Georgiens innerhalb seiner international anerkannten Grenzen;
5. betont die Tatsache, dass sich die Assoziierungsländer frei entschieden haben, eine tiefere Beziehung mit der Europäischen Union einzugehen, und dass ihre Entscheidung umfassend respektiert werden und frei von Druck von dritter Seite sein muss; diese Beziehung dient dazu, die Stabilität, die Modernisierung und die Diversifizierung der Wirtschaft, den Wohlstand und die Demokratie in diesen Ländern auf der Grundlage der Achtung der Menschenrechte, einer guten Regierungsführung und der Rechtsstaatlichkeit zu fördern;
6. begrüßt die positive Beurteilung durch die Kommission, was die Visaliberalisierung für die Ukraine und Georgien anbelangt, in der letzten Überprüfung der Umsetzung der Aktionspläne für die Visaliberalisierung mit den beiden Ländern; erwartet vom Rat und der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die beiden Länder unverzüglich eine Regelung für den visafreien Reiseverkehr bekommen; ist davon überzeugt, dass eine Regelung für den visafreien Reiseverkehr von den Bürgern beider Länder als greifbarer Vorteil ihrer Entscheidung für Europa gesehen werden wird und auch persönliche Kontakte zwischen EU-Unternehmen, der Zivilgesellschaft und den Bürgern mit den entsprechenden Partnern in den Ländern der Östlichen Partnerschaft befördern wird;
7. betont, dass eine tiefverwurzelte Korruption sowie die Politisierung und die fehlende Unabhängigkeit des Justizsystems, die die sozioökonomische Entwicklung der Assoziierungsländer ernsthaft behindern, weiterhin eine gemeinsame Herausforderung für die entschlossenen Reformbemühungen der drei Assoziierungsländer im Einklang mit dem Geist und dem Buchstaben der AA/DCFTA darstellen werden;
8. unterstreicht die Tatsache, dass die Hauptziele der vertieften und umfassenden Freihandelszone auf Mikroebene darin bestehen, greifbare und nachhaltige Verbesserungen der Lebensbedingungen der Normalbürger zu erreichen, indem für Stabilität gesorgt wird sowie Chancen für KMU und Arbeitsplätze geschaffen werden, und auf Makroebene Wachstum erzeugt wird und Reformen gefördert werden, einschließlich durch Bekämpfung der Korruption, die Bedingungen für die Entwicklung des Handels und von Investitionen verbessert werden, die Annäherung des Regelungsrahmens und die schrittweise wirtschaftliche Integration der Partner in den EU Binnenmarkt begünstigt werden sowie ein günstiges und vorhersehbares Geschäftsklima geschaffen wird;
9. fordert die Kommission auf, jedes Jahr detailliert über die Umsetzung der DCFTA mit Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine Bericht zu erstatten, insbesondere über das Verfahren zur Bekämpfung von Umgehungspraktiken für Georgien und das Verfahren zur Bekämpfung von Umgehungspraktiken und die Schutzklausel im Fall der Republik Moldau;
10. betont, wie wichtig die Bestimmungen der AA/DCFTA über die Zusammenarbeit im Energiebereich für die Versorgungssicherheit und die Entwicklung von wettbewerbsfähigen, transparenten und nicht diskriminierenden Energiemärkten im Einklang mit EU-Normen und -Standards sowie auch für erneuerbare Energie und Energieeffizienz sind; unterstützt die Absicht der EU, die umfassende Integration des Energiemarktes mit der Republik Moldau, der Ukraine und Georgien durch die Energiegemeinschaft zu verbessern;
11. weist darauf hin, wie wichtig es ist, der Bevölkerung der Assoziierungsländer die Vorteile der Umsetzung der AA/DCFTA zu erklären und jegliche Mythen zu entlarven; fordert die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) auf, die diesbezüglichen Bemühungen der Zivilgesellschaft und der Medien zu unterstützen, und begrüßt die vom East StratCom Team zu diesem Zweck geleistete Arbeit;
Georgien
12. betont, wie notwendig es ist, ein politisches Umfeld zu gewährleisten, das ruhig und respektvoll ist, und für die Achtung der Unabhängigkeit und Wirksamkeit der Institutionen Sorge zu tragen, die die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte in Georgien garantieren; unterstreicht die Tatsache, dass die Existenz einer funktionsfähigen politischen Opposition von zentraler Bedeutung für ein ausgewogenes und reifes politisches System ist; verurteilt alle angezeigten Gewaltakte gegen die Mitglieder jeder politischen Partei und betont, dass solche Taten ausnahmslos unverzüglich und gründlich untersucht werden sollten;
13. ist der Auffassung, dass die Verfolgung des ehemaligen Präsidenten Georgiens Micheil Saakaschwili und die Verhaftung und Inhaftierung von Beamten, die unter Vorgängerregierungen dienten, und von Mitgliedern der derzeitigen Opposition flagrante Beispiele selektiver Justiz sind; äußert sich zutiefst besorgt über die Indienstnahme der Justiz zur Schwächung politischer Gegner, wodurch der von Georgien verfolgte europäische Kurs und die Bemühungen der staatlichen Stellen Georgiens im Bereich der demokratischen Reformen konterkariert werden; erinnert an den Fall des früheren Bürgermeisters von Tiflis Gigi Ugulawa, der innerhalb von 23 Stunden nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis verhaftet wurde, nachdem das Verfassungsgericht seine verlängerte Untersuchungshaft für nicht verfassungsgemäß und illegal erklärt hatte; fordert die georgischen politischen Eliten auf, die Zukunft ihres Landes in den Mittelpunkt zu stellen und die politische Polarisierung zu entschärfen;
14. hebt hervor, dass Strafverfolgung transparent, unparteiisch, faktengestützt, verhältnismäßig und frei von politischem Einfluss sein sowie streng nach ordnungsgemäßen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren erfolgen muss und dabei die Grundsätze eines fairen Gerichtsverfahrens gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention in vollem Umfang einzuhalten sind;
15. zeigt sich besorgt angesichts der jüngsten Versuche, die Eigentumsverhältnisse und die Sendepolitik des populärsten unabhängigen Fernsehsenders Georgiens, Rustavi 2, zu verändern; fordert, dass diese politisch motivierte Einschüchterung aufhört; wiederholt, dass dies einen besonders störenden Rückfall in die Beschneidung der Medienfreiheit darstellt, gravierend gegen Geist und Buchstabe der AA/DCFTA verstößt und überdies Georgiens europäischen Weg gefährdet;
16. fordert die georgische Regierung, insbesondere im Hinblick auf die Parlamentswahlen 2016, auf, ein günstiges Umwelt für freie Medien zu schaffen, das die Freiheit der Meinungsäußerung und den Medienpluralismus fördert, und den Medien zu ermöglichen, frei von politischem oder ökonomischem Druck unabhängig und objektiv zu berichten;
17. fordert die Kommission und den EAD auf, eine Expertendelegation von hochrangigen Beratern, darunter pensionierte Richter des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, zu entsenden, um dem aktuellen Fall in Bezug auf Rustavi 2 nachzugehen;
18. wiederholt seine entschlossene Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit Georgiens innerhalb seiner international anerkannten Grenzen und zeigt sich erneut besorgt über die fortgesetzte Besetzung georgischer Gebiete in Abchasien und Zchinwali/Südossetien durch russische Streitkräfte; verurteilt nachdrücklich die Fortsetzung und Ausweitung des von Russland betriebenen Prozesses der Errichtung von Grenzanlagen entlang der Verwaltungsgrenzlinie, die verherende humanitäre Folgen hat; ermuntert Georgien, seine Bemühungen, seine Bevölkerungsgruppen über sein ganzes Territorium hinweg zu erreichen, beizubehalten;
Republik Moldau
19. zeigt sich ernsthaft besorgt über die systemimmanente politische Instabilität, die seit den letzten Parlamentswahlen vom 30. November 2014 faktisch angedauert hat; bedauert, dass es dem Parlament der Republik Moldau und den in ihm vertretenen politischen Parteien noch nicht gelungen ist, eine neue Regierung zu bilden, seitdem das Misstrauensvotum vom 29. Oktober 2015 zum Rücktritt der Regierung unter Ministerpräsident Valeriu Streleț geführt hat; nehmt die fehlgeschlagenen Versuche, am 4. und am 13. Januar eine neue Regierung zu bilden, zur Kenntnis;
20. ist der Auffassung, dass die derzeitige politische Sackgasse in der Republik Moldau ihren kritischen Punkt erreicht hat, was einer weiteren Destabilisierung des Landes und seiner bereits schwachen Institutionen Vorschub leistet und die Wirtschaft gefährdet, insbesondere durch einen Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen und der Steuereinnahmen;
21. fordert alle pro-europäischen politischen Parteien in der Republik Moldau auf, ihre Differenzen beizulegen und ihre Verantwortung zu übernehmen, ernsthaft in Verhandlungen einzutreten und diese Krise zu beenden sowie eine Mehrheit zu finden, um eine stabile Regierung zu bilden, die bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode des Parlaments amtiert und unverzüglich daran geht, alle notwendigen Reformen mit eindeutigen Ergebnissen und einem genauen Zeitplan für die Umsetzung energisch anzupacken;
22. fordert alle pro-europäischen Parteien auf, die verheerenden geopolitischen Folgen einzuräumen, sollten ihre Bemühungen, eine neue Regierung zu bilden, bis zur durch das Urteil des Verfassungsgerichts gesetzten Frist vom 29. Januar 2016 scheitern, was zu vorgezogenen Wahlen führen würde; betont die möglicherweise negativen Folgen, die eine vorgezogene Wahl für die Stärke der pro-europäischen Parteien haben würde, wie auch eine mögliche/realistische Verlagerung in der geopolitischen Richtung und eine weitere Destabilisierung des Landes;
23. weist darauf hin, dass die notwendigen Reformen in der Republik Moldau beinhalten, die systemimmanente Korruption auszumerzen, die Unterwanderung des Staates rückgängig zu machen, eine unabhängige, unparteiische und entpolitisierte Justiz zu schaffen, die Wirtschaft im Einklang mit den Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu stabilisieren und eine wirksame Aufsicht über den Bankensektor sicherzustellen; bedauert, dass aufgrund der politischen Instabilität, der Unfähigkeit der moldauischen Institutionen zu liefern sowie der fehlenden Einigung mit dem IWF die finanzielle Unterstützung der EU seit Anfang 2015 ausgesetzt wurde; macht auf eine mögliche Zahlungsunfähigkeit Anfang 2016 aufmerksam, sollte die derzeitige politische Krise andauern;
24. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, unter Befolgung des Vorbilds der EU-Unterstützungsgruppe für die Ukraine sämtliches notwendiges technisches Know-how und die gesamte finanzielle Unterstützung auf die künftige Regierung der Republik Moldau auszuweiten, einschließlich durch die Entsendung von Fachleuten und Beamten aus Brüssel und den Hauptstädten der Mitgliedstaaten und ihre Einbeziehung in die moldauische Verwaltung, so dass sie die Umsetzung der Reformen vor Ort und von Tag zu Tag begleiten und überwachen können;
25. weist erneut auf die Notwendigkeit hin, alles daran zu setzen und politischen Willen und Mut an den Tag zu legen, um den Korruptionsskandal, der zur Entwendung von ca. 1 Milliarde € (entspricht ungefähr 18 % des örtlichen BIP) aus dem Bankensektor geführt hat, und auf die Notwendigkeit, die dafür Verantwortlichen vor Gericht zu bringen und die gestohlenen Mittel wieder zu beschaffen; sämtliche oben genannten Maßnahmen würden einen wichtigen Schritt der politischen Klasse darstellen, um das Vertrauen der Gesellschaft wiederzuerlangen;
Ukraine
26. begrüßt das Inkrafttreten des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens EU-Ukraine zum 1. Januar 2016; verurteilt jedoch die Tatsache, dass die Russische Föderation ihr Freihandelsabkommen mit der Ukraine einseitig aufgehoben hat, die Exporte der Ukraine nach Russland mit schweren Handelseinschränkungen belastet hat und den Transit von Waren nach Drittländern behindert und dadurch die Vereinbarungen der Welthandelsorganisation und andere bilaterale Handelsvereinbarungen verletzt, was negative Auswirkungen auf die Wirtschaft der Ukraine und ihren Außenhandel hat; fordert den Rat auf, Maßnahmen zu ergreifen, die Russland veranlassen, diese Maßnahmen zu korrigieren und abzuschaffen; äußert seine Absicht, mit der Angelegenheit des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens EU-Ukraine in den einschlägigen Gremien des Europäischen Parlaments befasst zu bleiben;
27. betont die anderthalb Jahre währende beispiellose Offenheit und die Anstrengungen der Kommission, um alle Zweifel auf russischer Seite hinsichtlich der Auswirkungen der Umsetzungen des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens zu zerstreuen und praktische Lösungen zu finden; bedauert die Unfähigkeit der russischen Seite, konkrete Beispiele anzuführen, wie ihr eigener Markt und Handel durch das Inkrafttreten des DCFTA beeinträchtigt würden; bekräftigt, dass Russland im Zuge der Umsetzung des AA/DCFTA von verstärktem Handel und verstärkter Wirtschaftsaktivität in einer stabileren Nachbarschaft profitieren könnte;
28. verurteilt erneut aufs Schärfste die aggressive und expansionistische Politik Russlands, durch die die Einheit, die territoriale Unversehrtheit und Unabhängigkeit der Ukraine und auch die Europäische Union selbst bedroht ist, das militärische Eingreifen Russlands und die Besetzung ukrainischen Hoheitsgebiets, einschließlich der rechtswidrigen Annexion der Krim, die einen Verstoß gegen das Völkerrecht und die internationalen Verpflichtungen Russlands nach der Charta der Vereinten Nationen, der Schlussakte von Helsinki der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und dem Budapester Memorandum vom 5. Dezember 1994 darstellt;
29. zeigt sich ernsthaft besorgt über die Umsetzung der Minsker Abkommen bis zur ursprünglich vereinbarten Frist vom 31. Dezember 2015; erinnert daran, dass die russischen Staatsorgane diesbezüglich eine besondere Verantwortung tragen; weist erneut darauf hin, dass seit Mitte Oktober Verstöße gegen den Waffenstillstand zugenommen haben, Beobachter der OSZE-Sonderbeobachtungsmission weiterhin Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit erleben, die Wiederherstellung der ukrainischen Kontrolle über die Gesamtlänge ihrer Grenze zu Russland nicht verwirklicht wurde, keine Vereinbarung über die Modalitäten der Kommunalwahlen in den zeitweilig besetzten Gebieten von Lugansk und Donezk erreicht wurde und nicht alle Gefangenen und illegal verhafteten Personen wie Nadija Sawtschenko oder Oleg Sentsow freigelassen wurden;
30. begrüßt den Beschluss des Rates vom 21. Dezember 2015, die Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation infolge ihrer Nichterfüllung der Minsker Abkommen zu verlängern; weist erneut darauf hin, dass die lückenlose Umsetzung der Minsker Abkommen eine Voraussetzung für die Aufhebung der Sanktionen ist;
31. beglückwünscht die Ukraine zu ihrem positiven endgültigen Fortschrittsbericht über die Umsetzung des Aktionsplans für die Visaliberalisierung, der im Dezember 2015 von der Kommission veröffentlicht wurde; erwartet von der ukrainischen Führungsriege, dass sie ihren Antikorruptionsverpflichtungen im ersten Quartal 2016 nachkommt; begrüßt die fortgesetzten Bemühungen der ukrainischen Behörden, den Aktionsplan für die Visaliberalisierung einzuhalten; vertraut darauf, dass die rasche Einführung einer Regelung für den visafreien Reiseverkehr vom Großteil der Bevölkerung der Ukraine als ein greifbarer Vorteil ihrer Entscheidung für Europa gesehen werden wird; erwartet einen konkreten Legislativvorschlag von der Kommission, der die Ukraine in die Liste der Drittländer aufnimmt, deren Staatsangehörige von der Visumspflicht befreit sind;
32. betont, dass die größte einzelne Herausforderung der Reformbemühungen die tiefverwurzelte Korruption ist; fordert die ukrainischen staatlichen Stellen nachdrücklich auf, sich zu verpflichten, die Korruption in dem Land auszumerzen; begrüßt die bisher getroffenen Entscheidungen wie die Einführung von Antikorruptionsgesetzen, Institutionen (nationales Antikorruptionsbüro, nationale Agentur für die Verhütung von Korruption, ein spezieller Antikorruptionsstaatsanwalt) und Mechanismen zur Bekämpfung von Korruption; ermuntert nachdrücklich dazu, die politische Unabhängigkeit zu wahren ebenso wie ausreichende finanzielle und andere Ressourcen sicherzustellen, die es den staatlichen Stellen ermöglichen, ihren Pflichten nachzukommen und dadurch den Erwartungen sowohl der internationalen Gemeinschaft und an erster Stelle der Bürger der Ukraine in vollem Umfang Rechnung zu tragen; betont insbesondere, dass die Einrichtungen zur Bekämpfung der Korruption politisch unabhängig und mit ausreichend Befugnissen und Ressourcen ausgestattet sein müssen, um ihren Auftrag ordentlich zu erfüllen; fordert die Behörden nachdrücklich auf, in diesem Bereich keinerlei Kompromisse einzugehen und sich gegen eigennützige Interessen zu stellen, da sowohl die internationale Gemeinschaft, die die Ukraine unterstützt, und die Bürger der Ukraine selbst rasche spürbar greifbare Ergebnisse im Kampf gegen die Korruption erwarten; Fortschritte werden nur auf der Grundlage von Ergebnissen und nicht von guten Absichten bemessen;
33. erwartet von den ukrainischen Staatsorganen die reibungslose und genaue Umsetzung der Bestimmungen des DCFTA und der Assoziierungsagenda; zeigt Verständnis, dass die Kriegslage im Osten der Ukraine diese Anstrengung erheblich behindert; macht jedoch deutlich, dass der Erfolg und die Widerstandsfähigkeit der Ukraine gegenüber jedem äußeren Feind von der Gesundheit ihrer Wirtschaft und dem Rechtsrahmen, einer vorbildlich funktionierenden Demokratie und wachsendem Wohlstand abhängen;
34. wiederholt, dass die vollständige Umsetzung des AA/DCFTA zu mehr Stabilität, nachhaltigem Wachstum, Zugang zu neuen Märkten und Annäherung an die Regeln und Normen der EU führen wird, was dem Wirtschaftsklima zugutekommen und die Entscheidungsfindung beispielsweise in Vergabeverfahren transparenter machen wird und damit die postsowjetische oligarchische Praxis von wirtschaftlichen Hintertürgeschäften überwindet; sie wird den Normalbürgern greifbare Ergebnisse bringen, Arbeitsplätze schaffen und ihnen ermöglichen, in einem Land mit gesunden und starken Institutionen zu leben, die diesen Normalbürgern Achtung und Würde verleihen;
35. ist der Auffassung, dass die Reform der Justiz und der Staatsanwaltschaft, um das uneingeschränkte Vertrauen des ukrainischen Volkes in die Lauterkeit der Reformanstrengungen der gegenwärtigen ukrainischen Behörden wiederherzustellen, als langfristige Prioritäten behandelt werden müssen; diese Reformen sollten eine neue Generation von unabhängigen Fachleuten gewährleisten, die ihre Ämter auf der Grundlage von unparteiischen, wettbewerbsorientierten Auswahlverfahren antreten; betont, dass der Generalstaatsanwalt das Vertrauen der Bevölkerung wiedergewinnen sollte, indem er die für die Ermordung der Euromaidan-Demonstranten Verantwortlichen vor Gericht bringt; die Unabhängigkeit der Justiz, transparente Verfahren und Entpolitisierung sind von überragender Bedeutung; ein wirklich wirksamer Rechtsstaat muss eingerichtet werden; betont, dass Fortschritte sichtbar werden, sobald es einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit gibt und die Normalbürger wissen, dass die Justiz auf ihrer Seite und nicht auf der Seite derjenigen steht, die sie kaufen können, wie es in den letzten beiden Jahrzehnten der Fall war;
35. begrüßt den laufenden Prozess einer Verfassungsreform in den Bereichen Dezentralisierung und Rechtsprechung; erinnert daran, dass die Venedig-Kommission des Europarats positive Empfehlungen zu beiden Serien von Verfassungsänderungen ausgesprochen hat; betont, dass die Annahme der Änderungen am Justizwesen den Weg für eine umfassende Reform des Justizsystems bahnen wird, und begrüßt daher den kürzlich vom ukrainischen Parlament gemachten Schritt, diese Änderungsanträge an das Verfassungsgericht zu überweisen; unterstreicht die Tatsache, dass die Änderungsanträge zur Dezentralisierung nicht nur eine Anforderung der Minsker Abkommen widerspiegeln, sondern auch entscheidend zur Modernisierung des Landes beitragen werden; fordert daher das ukrainische Parlament auf, diese Änderungsanträge in zweiter Lesung rasch zu anzunehmen;
36. zeigt sich besorgt über den Zustand der ukrainischen Wirtschaft und der finanziellen Gesamtsituation des Landes; nimmt die Berichte über geringe Fortschritte bei der Stabilisierung der Wirtschaftsleistung zur Kenntnis; lobt den von der Ukraine mit ihren Gläubigern im September 2015 erreichten entscheidenden Schuldenerlass; erinnert daran, dass die internationale Gemeinschaft, insbesondere die EU, in Europa ansässige internationale Finanzinstitute, der IWF und einzelne Geberländer einen beispiellosen Betrag in Höhe von ungefähr 20 Milliarden € versprochen haben; seine Auszahlung muss an greifbare Fortschritte bei Reformen, Benchmarks und Fristen bei der Umsetzung geknüpft werden; Deregulierung und Entmonopolisierung der Wirtschaft müssen weiterhin eine Priorität darstellen ebenso wie weitergehende Reformen der Rechtsvorschriften, echte Privatisierung, Steuerreformen, Erhöhung der Transparenz und Schaffung eines günstigen Investitionsklimas; begrüßt das vor kurzem eingerichtete Büro für eine bessere Rechtsetzung, das diesem Zweck dienen soll; fordert die aktive Einbindung von Sachverständigen aus der Ukraine und der EU, die einen Beitrag zum Reformprozess leisten könnten, indem sie ihre unabhängige Expertise bereitstellen und die Umsetzung der Reformen beobachten;
37. würdigt die effektive und dynamische Arbeit des Parlamentarischen Assoziationsausschusses EU-Ukraine bei der Beobachtung der Sicherheit sowie der politischen und ökonomischen Situation in der Ukraine wie auch sein Engagement und seine Unterstützung hinsichtlich der Verbesserung sämtlicher von den ukrainischen staatlichen Stellen eingeleiteten EU-orientierten Reformprozesse; erinnert an die von der Werchowna Rada der Ukraine und dem Europäischen Parlament 2015 unterzeichnete Vereinbarung über die Errichtung eines gemeinsamen Rahmens für die parlamentarische Unterstützung und den Kapazitätsaufbau zwischen den beiden Parlamenten; weist darauf hin, dass derzeit eine Mission zur Bedarfsbeurteilung dabei ist, die Modalitäten der vom Europäischen Parlament an die Werchowna Rada der Ukraine zu leistende Unterstützung festzulegen;
38. betont, dass die Zivilgesellschaft der Ukraine gestärkt werden muss, so dass sie die Staatsorgane beraten und dabei unterstützen kann, ihre Reformversprechen auch einzulösen, und eine wirksame Kontrolle ausüben und als Informant fungieren kann; begrüßt die effektive Zusammenarbeit zwischen der Gruppe der Sachverständigen und der Werchowna Rada in dem Reformprozess und bei der Umsetzung des AA/DCFTA; ist erfreut über die Tatsache, dass die Prioritäten der Werchowna Rada durch einen umfassenden Dialog mit der Zivilgesellschaft konzipiert werden; verlangt eine gezieltere Herangehensweise, um das Bewusstsein, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, für die besonderen Chancen zu schärfen, die das AA/DCFTA bietet; lädt andere staatliche Institutionen ein, sich mit der Zivilgesellschaft abzustimmen, da die Umsetzung des AA/DCFTA die echte Unterstützung und Akzeptanz durch die Gesellschaft benötigt, die allein durch Dialog und einen Meinungsaustausch erreicht werden können;
39. zeigt sich zutiefst besorgt über die Menschenrechtsverletzungen in der Ostukraine und auf der Krim, die von der Russischen Föderation unrechtmäßig annektiert wurde und wo die Krimtataren und andere Minderheiten, insbesondere religiöse Minderheiten, infolge des totalen Zusammenbruchs von Recht und Gesetz Opfer gezielter Menschenrechtsverletzungen sind;
40. betont, dass die EU gemeinsam mit den Staatsorganen der Ukraine der humanitären Krise in der Ukraine größere Aufmerksamkeit widmen und angesichts der katastrophalen humanitären Lage – insbesondere der Lage der Binnenvertriebenen – für Abhilfe sorgen muss; begrüßt die zu diesem Zweck von den ukrainischen Staatsorganen, der Kommission, den Mitgliedstaaten und der internationalen Gemeinschaft insgesamt unternommenen Anstrengungen; wiederholt seine früheren Aufforderungen an die Kommission, die Sichtbarkeit der humanitären Hilfe der EU zu vergrößern, und betont, dass auf diese spürbare Weise die Herzen und Köpfe der Menschen in den betroffenen Gebieten gewonnen werden können; betont, dass die EU der Ukraine weitere Finanzhilfe leisten muss, damit das Land die furchtbare humanitäre Krise bewältigen kann;
41. äußert sich zutiefst besorgt über die Umstände im Kontext des bevorstehenden niederländischen Referendums über das AA/DCFTA EU-Ukraine; vertraut darauf, dass die Entscheidung des niederländischen Volkes auf der Grundlage der Verdienste des Abkommens getroffen werden wird, unter Anerkennung der greifbaren Auswirkungen, die es auf die EU und besonders auf die Niederlande hat; bittet die niederländische Regierung um Klarstellung, wie sie das Ergebnis des Referendums weiter zu behandeln gedenkt;
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42. betont, dass die Unterzeichnung und Ratifizierung der Assoziierungsabkommen kein Endziel in den Beziehungen zwischen der EU und Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine darstellt, und hebt hervor, dass Georgien, die Republik Moldau und die Ukraine – wie jeder andere europäische Staat – gemäß Artikel 49 EUV eine europäische Perspektive haben und beantragen können, Mitglied der Europäischen Union zu werden, sofern sie sich an die Grundsätze der Demokratie halten, die Grundfreiheiten, die Menschen- und die Minderheitenrechte achten und die Rechtsstaatlichkeit gewährleisten;
43. beauftragt seinen Präsidenten, die Entschließung den Präsidenten, Ministerpräsidenten und Sprechern von Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine, dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem Präsidenten der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie dem Außenminister der Niederlande zu übermitteln.