ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Eritrea
2.3.2016 - (2016/2568(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Davor Ivo Stier, Lars Adaktusson, Lara Comi, Agustín Díaz de Mera García Consuegra, Michael Gahler, György Hölvényi, Roberta Metsola, Maurice Ponga, Cristian Dan Preda, Fernando Ruas, Antonio Tajani, Bogdan Brunon Wenta, Joachim Zeller im Namen der PPE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0318/2016
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine Aussprache vom 27. Mai 2015 zur EU-Entwicklungshilfe für Eritrea angesichts der dokumentierten Menschenrechtsverletzungen,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage in Eritrea, Sheila B. Keetharuth, am 28. Oktober 2015 während der 70. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf den Bericht des Untersuchungsausschusses der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Eritrea vom 4. Juni 2015,
– unter Hinweis auf die Resolution 1907 (2009) des VN-Sicherheitsrates, mit der ein Waffenembargo gegen Eritrea und Reiseverbote gegen führende Persönlichkeiten des Landes verhängt wurden und beschlossen wurde, die Vermögenswerte einiger der politischen und militärischen Führer des Landes einzufrieren, nachdem die Regierung von Eritrea beschuldigt wurde, Al-Schabab in Somalia zu unterstützen, und sich Berichten zufolge geweigert haben soll, Truppen von der umstrittenen Grenze zu Dschibuti abzuziehen,
– unter Hinweis auf die Resolution 2023 (2011) des VN-Sicherheitsrates, mit der die Sanktionen gegen Eritrea verschärft wurden,
– unter Hinweis auf die Resolution 2244 (2015) des VN-Sicherheitsrates, mit der die gegen Somalia und Eritrea verhängten Waffenembargos verlängert wurden,
– unter Hinweis auf den Beschluss 2010/127/GASP des Rates vom 1. März 2010 über restriktive Maßnahmen gegen Eritrea[1], der durch den Beschluss 2010/414/GASP des Rates vom 26. Juli 2010[2] und erneut durch den Beschluss 2012/632/GASP des Rates vom 15. Oktober 2012[3] geändert wurde,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 667/2010 des Rates vom 26. Juli 2010 über bestimmte restriktive Maßnahmen gegen Eritrea[4],
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 18. September 2014 zu politischen Gefangenen in Eritrea,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zu Migration vom 18. Februar 2016,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Gipfeltreffens in Valetta vom 12. November 2015,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Europäische Union auf einer nachdrücklichen Verpflichtung zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit weltweit gegründet ist, und in der Erwägung, dass diese Grundsätze in den Gründungsverträgen der EU verankert sind;
B. in der Erwägung, dass die Union sich gemäß Artikel 21 des Vertrags über die Europäische Union bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen leiten lässt, die für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren und denen sie auch weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen will: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, die Grundsätze der Gleichheit und der Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts;
C. in der Erwägung, dass es dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage in Eritrea zufolge drei Bereiche gibt, die besonderen Anlass zur Sorge geben, nämlich die Wahrnehmung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, einschließlich des Rechts auf angemessenen Wohnraum, Schleuseraktivitäten und Menschenhandel sowie die zunehmende Zahl unbegleiteter Minderjähriger, die zu den mehr als 5 000 Menschen gehören, die jeden Monat aus dem Land fliehen;
D. in der Erwägung, dass der Hauptgrund für die Flucht weiterhin der Wehrdienst ist, der in Wirklichkeit Zwangsarbeit gleichkommt; in der Erwägung, dass unverhältnismäßige Strafen für geringfügige Vergehen ebenso dazu zählen wie die Befürchtung, jahrzehntelang im Wehrdienst gefangen zu sein; in der Erwägung, dass die Regierung den Vorwand nutzt, die Integrität des Staates und die nationale Autonomie sichern zu wollen;
E. in der Erwägung, dass die Bedrohung des Rechts auf angemessenen Wohnraum durch Zwangsräumungen in Eritrea seit Anfang 2015 gestiegen ist; in der Erwägung, dass etwa 800 Häuser in Asmara und mehreren anderen Dörfern in der Umgebung von Asmara sowie in anderen Städten wie Adi Keyh abgerissen wurden; in der Erwägung, dass etwa 3 000 Menschen durch Zwangsräumungen und Abrissarbeiten obdachlos geworden sind;
F. in der Erwägung, dass am 26. Juni 2015 Hunderte von eritreischen Flüchtlingen vor dem Hauptsitz der Afrikanischen Union protestiert haben und gefordert haben, dass die regionale Organisation sich für demokratische Reformen in ihrem Heimatland einsetzt; in der Erwägung, dass die Protestierenden den langjährigen Präsidenten Eritreas Isaias Afewerki beschuldigt haben, ein Diktator zu sein, und die Afrikanische Union nachdrücklich aufgefordert haben, aktiv zu werden;
G. in der Erwägung, dass dem Untersuchungsausschuss der Vereinten Nationen zur Menschenrechtslage in Eritrea zufolge von der Regierung Eritreas systematische, weit verbreitete und eklatante Menschenrechtsverletzungen begangen werden und sie von niemandem zur Verantwortung gezogen wird; in der Erwägung, dass die Wahrnehmung der Rechte und Freiheiten in einem Umfeld, in dem es völlig an Rechtsstaatlichkeit fehlt, stark eingeschränkt ist; in der Erwägung, dass darüber hinaus die Verstöße in den Bereichen außergerichtliche Hinrichtungen, Folter (einschließlich sexueller Folter), Wehrdienst und Zwangsarbeit möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen;
H. in der Erwägung, dass laut dem Bericht des Programms für den Sicherheitssektor der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung (IGAD) und der in Nairobi ansässigen SAHAN-Stiftung mit dem Titel „Human Smuggling and Trafficking on the Horn of Africa-Central Mediterranean Route“ (Menschenschmuggel und Menschenhandel am Horn von Afrika und der zentralen Mittelmeerroute) eritreische Politiker und führende Persönlichkeiten des Staates am Roten Meer massiv in Menschenhandel und ‑schmuggel am Horn von Afrika verwickelt sind;
I. in der Erwägung, dass Reporter ohne Grenzen Eritrea in Bezug auf Pressefreiheit 2015 als weltweit schlechtestes Land hinter Nordkorea eingestuft hat;
J. in der Erwägung, dass Human Rights Watch betont, dass es in Eritrea keine Religionsfreiheit gibt; in der Erwägung, dass die Regierung Bürger, die eine andere als die von ihr anerkannten vier Religionen praktizieren, stark schikaniert; in der Erwägung, dass sich die Regierung auch im Fall der anerkannten Religionen in die Ausübung der Religion durch die Menschen einmischt;
K. in der Erwägung, dass die EU anfänglich im März 2010 Sanktionen gegen Eritrea verhängt hat, um die Resolution 1907 (2009) des VN-Sicherheitsrates umzusetzen, und in der Erwägung, dass diese Sanktionen ein Waffenembargo, Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Vermögenswerten von Menschen, die eine Bedrohung für Frieden und nationale Aussöhnung darstellen, umfassten;
L. in der Erwägung, dass der Minister für nationale Entwicklung Eritreas und der EU-Delegationsleiter am 28. Januar 2016 im Rahmen des 11. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) in Asmara das nationale Richtprogramm (NRP) unterzeichnet haben, das 200 Mio. EUR für die nächsten fünf Jahre umfasst; in der Erwägung, dass die Maßnahmen sich insbesondere auf erneuerbare Energien, Regierungsführung und die Verwaltung der öffentlichen Finanzen im Energiesektor konzentrieren sollten;
M. in der Erwägung, dass der Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst am 13. November 2015 aufgefordert hat, die dem EEF-Ausschuss übermittelten Schlussfolgerungen zum Entwurf des nationalen Richtprogramms für Eritrea zu berücksichtigen, in denen auf den Umfang und die Schwere der Menschenrechtsverletzungen durch das Regime von Eritrea, die mangelnde Verlässlichkeit dieses Regimes als Partner bei der Entwicklungszusammenarbeit, die allgegenwärtige Korruption und das praktisch vollständige Fehlen von Transparenz bei der Verwaltung der öffentlichen Finanzen des Landes sowie das Risiko eines Missbrauchs der EEF-Mittel für Migrationssteuerung hingewiesen wurde; in der Erwägung, dass der Entwicklungsausschuss den EEF-Ausschuss aufgefordert hat, das NRP vorbehaltlich weiterer Gespräche nicht anzunehmen;
N. in der Erwägung, dass der EEF-Ausschuss das NRP für Eritrea am 19. November 2015 einstimmig ohne größere Änderungen am ursprünglichen Vorschlag der Kommission angenommen hat;
O. in der Erwägung, dass die Regierungen in Europa Schwierigkeiten haben, mit der wachsenden Zahl von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten, die über das Mittelmeer und andere illegale Routen einreisen, fertigzuwerden; in der Erwägung, dass laut Schätzungen der Vereinten Nationen schon 9 % der 4,5 Millionen Menschen umfassenden Bevölkerung von Eritrea aus dem Land geflohen sind; in der Erwägung, dass Eritreer 2015 die viertgrößte Gruppe von Asylbewerbern nach Syrern, Irakern und Afghanen gestellt haben;
1. fordert die Regierung von Eritrea auf, alle politischen Gefangenen freizulassen, den Wehrdienst zu reformieren und zu kürzen, allen Zwangsräumungen und Abrissarbeiten ein Ende zu setzen und die Bereitstellung von sozialem Wohnraum zu verbessern; betont das Eritrea das Recht auf Bildung ohne Zwang achten und umsetzen muss, dessen Nichtbeachtung so viele junge Eritreer zur Flucht veranlasst;
2. betont, dass dem Vorgehen gegen das Demokratiedefizit und für eine demokratische Regierungsführung und die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit Vorrang eingeräumt werden muss, indem der autoritären Machtausübung durch Angst vor unbefristeter Einberufung, willkürlicher Haft und Isolationshaft, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen ein Ende gesetzt wird;
3. ist zutiefst besorgt über das Fehlen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und die Tatsache, dass es immer noch politische Gefangene gibt, die entgegen den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit festgehalten werden; fordert die sofortige Freilassung des schwedisch-eritreischen Journalisten Dawit Isaak, der seit September 2001 unter schweren Bedingungen und ohne Gerichtsverfahren inhaftiert ist; betont nachdrücklich die Dringlichkeit der Angelegenheit;
4. verweist darauf, dass die Religionsfreiheit ein Grundrecht ist, und verurteilt scharf jegliche Gewalt oder Diskriminierung aus Gründen der Religion;
5. betont, dass es nachhaltigen Frieden, Entwicklung und Wohlstand nicht ohne Achtung der Menschenrechte geben kann; fordert die Mitgliedstaaten, die EU und andere internationale Geber nachdrücklich auf, im Zusammenhang mit der Entwicklungszusammenarbeit für die angemessene Sorgfalt in Bezug auf die Menschenrechte zu sorgen;
6. verweist darauf, dass die Achtung der Menschenrechte einer der zentralen Werte der EU-Außenpolitik und des umfassenden Ansatzes der EU in Bezug auf das Horn von Afrika ist und dass sie daher ein regulärer Bestandteil des Dialogs mit Eritrea sein sollte; ist in diesem Zusammenhang davon überzeugt, dass die Grundprinzipien des EU-Ansatzes gegenüber dieser anfälligen Region in Afrika durch die Bedingungslosigkeit der vor kurzem zwischen der EU und Eritrea vereinbarten Entwicklungshilfe in Frage gestellt werden;
7. ist der Ansicht, dass der EEF-Ausschuss die Empfehlungen des Entwicklungsausschusses, den NRP nicht anzunehmen und weitere Gespräche zu führen, hätte berücksichtigen sollen; ist der Ansicht, dass der Beschluss, den NRP für Eritrea trotz des Widerstands des Europäischen Parlaments anzunehmen, Anzeichen für ein Demokratiedefizit ist und die Rolle des Europäischen Parlaments bei der Sicherstellung der wirksamen Umsetzung der EU-Entwicklungsziele untergräbt; fordert in diesem Zusammenhang, dem Parlament mittels einer verbindlichen interinstitutionellen Vereinbarung gemäß Artikel 295 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Kontrollbefugnisse über die EEF zu übertragen; betont, dass die Schlussfolgerungen des Entwicklungsausschusses zu Entwürfen von Programmplanungsdokumenten von der Kommission automatisch an die Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten übermittelt werden sollten;
8. betont, dass eine demokratische Regierungsführung und die sozioökonomische Entwicklung von Eritrea entscheidend dafür sind, Armut durch die Steigerung der Produktivität, die Förderung von Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen und Geschäftschancen zu beseitigen; fordert die EU nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass die vor kurzem vereinbarte Hilfe an Auflagen gebunden ist und dass der NRP Eritrea dabei unterstützt, einen wesentlichen Wandel in seiner Energiepolitik zu vollziehen, um Energie für alle zugänglich zu machen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, in denen es derzeit immer noch keinen Strom gibt; ist außerdem davon überzeugt, dass der Aspekt der Regierungsführung im NRP stärker darauf ausgerichtet sein sollte, die Empfehlungen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung zu Menschenrechten unter der Leitung der Vereinten Nationen umzusetzen;
9. fordert die Einhaltung internationaler Menschenrechtsnormen und ‑standards in Bezug auf Flüchtlinge; ist der Ansicht, dass Flüchtlingen aus Eritrea, die vor Menschenrechtsverletzungen fliehen, weiterhin internationaler Schutz gewährt werden sollte;
10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Präsidenten und der Regierung von Eritrea, den Organen der Afrikanischen Union, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Generalversammlung der Vereinten Nationen, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU sowie dem Panafrikanischen Parlament (PAP) zu übermitteln.