ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu der Notwendigkeit einer europäischen Reindustrialisierungspolitik vor dem Hintergrund der aktuellen Fälle Caterpillar und Alstom
28.9.2016 - (2016/2891(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Françoise Grossetête, David Casa, Seán Kelly, Pascal Arimont, Georges Bach, Ivo Belet, Deirdre Clune, Lara Comi, Krišjānis Kariņš, Jeroen Lenaers, Verónica Lope Fontagné, Elisabeth Morin-Chartier, Claude Rolin, Massimiliano Salini, Anne Sander, Sven Schulze, Csaba Sógor, Romana Tomc, Tom Vandenkendelaere, Lorenzo Cesa, Antonio Tajani im Namen der PPE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-1051/2016
B8-1051/2016
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Notwendigkeit einer europäischen Reindustrialisierungspolitik vor dem Hintergrund der aktuellen Fälle Caterpillar und Alstom
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Ankündigung der Schließung des Caterpillar-Werks in Belgien, durch die über 2000 Arbeitnehmer auf einmal entlassen werden und weitere 4000 bis 7000 Arbeitsplätze bei Zulieferern und auf demselben Gebiet tätigen KMU in der Region bedroht sind, sowie auf die Bekanntmachung der Schließung des Caterpillar-Werks in Monkstown in Newtownabbey (Nordirland), mit der bis zu 250 Arbeitsplätze verloren gehen könnten,
– unter Hinweis auf die Ankündigung von Alstom, die Zugproduktion in seinem Werk in Belfort (Frankreich) einzustellen und mehr als 400 Arbeitsplätze an andere Standorte zu verlegen, sowie auf den mit der Umstrukturierung des ehemaligen Alstom-Werks in Sesto San Giovanni (Italien) einhergehenden Stellenabbau,
– unter Hinweis auf die Tatsache, dass sich die Hersteller von Schwermaschinen seit 2012 in wichtigen Regionen und Wirtschaftszweigen mit einer ganzen Reihe schwieriger Marktbedingungen konfrontiert sehen,
– unter Hinweis auf die steigende Anzahl von Berichten über die Verlagerung arbeitsintensiver vorgelagerter Tätigkeiten in nichteuropäische Länder, wobei es sich um einen Trend handelt, der in zahlreichen Ländern Europas zur Abnahme der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe und in vielen Industriezweigen führt und sich negativ auf die soziale und wirtschaftliche Struktur insgesamt auswirkt,
– unter Hinweis auf die anhaltend hohe Arbeitslosenquote in Europa und die Veränderungen in Bezug auf Produktionspatente,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Unterrichtung und die Anhörung von Arbeitnehmern zentrale Aspekte des europäischen Sozialmodels sind;
B. in der Erwägung, dass die Kommission im Jahr 2012 eine neue Strategie ankündigte, die auf eine „neue industrielle Revolution“, mit der die Industrietätigkeit, die damals noch knapp über 15 % des Bruttoinlandsprodukts der EU ausmachte, bis 2020 auf 20 % erhöht werden sollte, sowie auf eine Rückkehr zu dem Stand vor der Rezession abzielte;
C. in der Erwägung, dass sich die EU-Industrie mit einem harten globalen Wettbewerb konfrontiert sieht, in dessen Rahmen nicht alle Akteure dieselben Standards und Vorschriften befolgen, und die Mitgliedstaaten daher die richtigen Voraussetzungen für die Industrie schaffen müssen, um bestehende Arbeitsplätze zu erhalten und die Schaffung neuer zu ermöglichen;
D. in der Erwägung, dass das Wirtschaftswachstum sowohl auf weltweiter als auch auf europäischer Ebene verhalten bleibt und nicht ausreicht, um Verbesserungen in der Bau- und Infrastrukturindustrie, der Forschungsindustrie sowie im Energie- und Transportsektor herbeizuführen;
E. in der Erwägung, dass Caterpillar derzeit davon ausgeht, dass der Umsatz und die Erträge im Jahr 2016 um 40 % unter dem Stand von 2012 liegen werden, was bedeuten würde, dass der Umsatz und die Erträge erstmals in der 90-jährigen Geschichte des Unternehmens im vierten Jahr in Folge zurückgingen;
F. in der Erwägung, dass die Ankündigung einer umfassenden industriellen Umstrukturierung für die betroffenen Arbeitnehmer, ihre Familien und die Gemeinschaften, in denen Unternehmen ansässig sind, einen harten Schlag bedeutet;
1. bekundet seine Unterstützung für alle beteiligten Arbeitnehmer und ihre Familien und bedauert die schädliche Wirkung, die solche Schließungen auf lokale Wirtschaften haben;
2. erinnert daran, dass Europa eine soziale Marktwirtschaft ist, deren vorrangiges Ziel in der Schaffung eines dynamischen Arbeitsmarkts, effizienter Systeme der sozialen Sicherheit und nachhaltigen Wirtschaftswachstums für die Bürger Europas besteht;
3. fordert die multinationalen Unternehmen auf, bei der Prüfung von Möglichkeiten zur Erhöhung der Kosteneffizienz die rechtlichen, sozialen und moralischen Verpflichtungen, die sie gegenüber ihren Arbeitnehmern und den Regionen, in denen sie tätig sind, haben, zu berücksichtigen;
4. fordert alle einschlägigen Behörden auf, dafür zu sorgen, dass die einzelstaatlichen und europäischen Rechtsvorschriften zur Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern – vor allem im Zuge einer Umstrukturierung – von allen beteiligten Akteuren uneingeschränkt eingehalten werden;
5. hebt jedoch hervor, dass die Fälle Caterpillar und Alstom lediglich Negativbeispiele eines viel größeren Problems sind, mit dem die europäische Industrie konfrontiert ist; ist der Ansicht, dass die Anstrengungen, die bislang unternommenen worden sind, um die sich der EU-Industrie stellenden Probleme zu beheben, nicht ausreichen; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass bei den politischen Strategien der EU zur Förderung der Reindustrialisierung der Grundsatz der Dringlichkeit angewandt und demnach schnellstmöglich eine Lösung für die andauernden Probleme gefunden werden sollte;
6. hebt hervor, dass die Unternehmen den rechtlichen Verpflichtungen nachkommen müssen, die ihnen gemäß europäischem und nationalem Recht auferlegt sind, und dabei der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sowie der Möglichkeit der Überprüfung der von den Sozialpartnern vorgeschlagenen Alternativen Vorrang einräumen müssen;
7. besteht darauf, dass die Verwaltung von Caterpillar den Alternativen, die von den Arbeitnehmern im Rahmen des Renault-Verfahrens vorgeschlagen werden, gebührend Rechnung trägt;
8. erinnert daran, dass die Verwaltung von Caterpillar 2013 bereits eine Umstrukturierung des Werks in Gosselies veranlasste, im Zuge derer über 1600 Stellen abgebaut und den verbleibenden Arbeitnehmern beispiellose Anstrengungen abverlangt wurden, um den Standort in Gosselies langfristig aufrechtzuerhalten;
9. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, auf einen wettbewerbsorientierten Binnenmarkt hinzuarbeiten, der über das Potenzial verfügt, private Investitionen anzuziehen und aufrechtzuerhalten, den Erhalt stabiler EU-Wertschöpfungsketten zu unterstützen und Arbeitsplätze zu schaffen;
10. fordert die Rechtsetzungsinstanzen auf, die richtigen Voraussetzungen für den Erfolg der europäischen Baumaschinenindustrie zu schaffen und zu diesem Zweck für eine hohe interne Nachfrage nach Bau- und Infrastrukturvorhaben und eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie auf dem Weltmarkt zu sorgen;
11. weist darauf hin, dass es in der Verantwortung der politischen Entscheidungsträger liegt, die Ziele der Strategie Europa 2020 zu verwirklichen, die darin bestehen, Europa zu der wettbewerbsfähigsten Region der Welt zu machen und intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum voranzutreiben;
12. fordert die Kommission und die Europäische Investitionsbank auf, den am stärksten von der Deindustrialisierung betroffenen Regionen besondere Aufmerksamkeit zu widmen und die Unterstützung für Projekte in diesen Regionen dringend zu beschleunigen;
13. fordert die Kommission auf, eine solide Langzeitstrategie für die Industrie in Europa auszuarbeiten, mit der das in der Strategie Europa 2020 enthaltene Ziel, dass 20 % des Bruttoinlandsprodukts auf die Industrie entfallen sollen, verwirklicht werden kann;
14. hebt hervor, dass das Reindustrialisierungsziel von 20 % unbedingt Hand in Hand mit den Klima- und Energiezielen der EU gehen muss und dass die Bestimmungen zur Verlagerung von CO2-Emissionen dahingehend ausgearbeitet werden müssen, dass energieintensive Industrien nicht dazu gezwungen werden, Europa zu verlassen, und neue Investitionen in der EU bleiben;
15. fordert die Kommission auf, rasch alle verfügbaren Mittel, darunter insbesondere Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung, mit dem Ziel zu mobilisieren, die bei Caterpillar Gosselies und Alstom sowie bei ihren Zulieferern entlassenen Arbeitnehmer schnellstmöglich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihnen erforderlichenfalls angemessene Unterstützung für den Erwerb neuer Kompetenzen bereitzustellen;
16. begrüßt die von der Kommission eingesetzte Task Force, die als Schnittstelle zwischen den belgischen Behörden und der Kommission fungieren wird;
17. fordert die Arbeitsvermittlungen der Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sich sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene um eine bessere Zusammenarbeit zu bemühen, um die Informationskanäle zu verbessern und das Beschäftigungsangebot stärker an die Nachfrage anzupassen;
18. fordert, dass die Arbeitskräftemobilität in Europa gefördert wird und dass zu diesem Zweck durch eine verbesserte grenzübergreifende Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen und eine Verbesserung der Sprachkenntnisse für eine erhöhte Beschäftigungsfähigkeit gesorgt wird;
19. ist der Ansicht, dass unter anderem der Zugang zu Finanzmitteln in der EU die Industrie im internationalen Wettbewerb vor bedeutende Herausforderungen stellt; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, den Unternehmen in der EU, vor allem Klein-, Mittel- und Kleinstunternehmen, den Zugang zu Mitteln zu erleichtern, wodurch ihre Leistungsfähigkeit für die Umsetzung von Projekten erhöht und ihnen ein besserer Zugang zu Beratungsdienstleistungen und technischer Unterstützung ermöglicht würde;
20. erachtet das Zusammenspiel zwischen Forschung und Entwicklung als ausschlaggebend für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in der EU; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Forschungszentren, Hochschuleinrichtungen und Unternehmen aktiv zu fördern und zu unterstützen, was auch ein Mehr an Innovation und Wirtschaftswachstum mit sich bringen wird;
21. fordert, dass das Forschungsumfeld verbessert wird, indem die für Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationstätigkeiten vorgesehenen Mittel aufgestockt, die Beziehungen zur Industrie gestärkt und die einzelnen europäischen und nationalen Finanzierungsprogramme besser koordiniert werden;
22. begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1316/2013 und (EU) 2015/1017 im Hinblick auf die Verlängerung der Laufzeit des Europäischen Fonds für strategische Investitionen sowie die Einführung technischer Verbesserungen für den Fonds und die Europäische Plattform für Investitionsberatung;
23. hält eine bessere Abstimmung zwischen den Lehrplänen der allgemeinen und beruflichen Bildung und den Bedürfnissen der sich verändernden Arbeitswelt für erforderlich; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, die allgemeine und berufliche Bildung im Bereich der IKT und in den MINT-Fächern zu verbessern, um die Erwerbstätigen von heute und morgen mit den einschlägigen IKT-Kompetenzen auszustatten;
24. hält den Aufbau technischer Fähigkeiten – insbesondere in der verarbeitenden Industrie – für dringend erforderlich, und erkennt an, dass der Schwerpunk seit einigen Jahren auf der Hochschulbildung liegt, wodurch Zweifel an dieser Aussage aufkommen; fordert daher, dass Ausbildungssysteme entwickelt und ausgeweitet werden, und unterstreicht die Notwendigkeit, den Wert qualifizierter Techniker herauszustellen;
25. fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine proaktive EU-Handelspolitik sicherzustellen, die mit den industriellen Zielsetzungen vereinbar ist; bekräftigt die Notwendigkeit, in Bezug auf das „internationale Instrument über öffentliche Aufträge“ und die Überarbeitung der Verordnungen zu handelspolitischen Schutzinstrumenten zu einer raschen Einigung zu gelangen; fordert die Kommission auf, einen wesentlich besseren Marktzugang für europäische Wirtschaftsbereiche sicherzustellen; fordert die Kommission auf, zu berücksichtigen, welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industriezweige es hätte, wenn staatlich gelenkten Wirtschaften oder anderen Nicht-Marktwirtschaften ein Marktwirtschaftsstatus zuerkannt würde;
26. fordert die Kommission im Hinblick auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf, weiterhin in großen Fragen Größe und Ehrgeiz zu zeigen und sich in kleinen Fragen durch Zurückhaltung und Bescheidenheit auszuzeichnen sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität uneingeschränkt einzuhalten, um das Potenzial des Binnenmarkts, des Wachstumsmotors der EU, auszuschöpfen, ohne dass zusätzliche Kosten anfallen;
27. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.