Entschließungsantrag - B8-1232/2016Entschließungsantrag
B8-1232/2016

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Belarus

16.11.2016 - (2016/2934(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Heidi Hautala, Rebecca Harms, Bronis Ropė, Igor Šoltes im Namen der Verts/ALE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-1232/2016

Verfahren : 2016/2934(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B8-1232/2016
Eingereichte Texte :
B8-1232/2016
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Angenommene Texte :

B8-1232/2016

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Belarus

(2016/2934(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Belarus,

–  unter Hinweis auf die Parlamentswahl vom 11. September 2016 sowie die Präsidentschaftswahl vom 11. Oktober 2015,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Diensts vom 12. September 2016 zu der Parlamentswahl in Belarus,

–  unter Hinweis auf die vorläufige Erklärung des BDIMR der OSZE, der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) vom 12. September 2016 zur Parlamentswahl in Belarus,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 15. Februar 2016 zu Belarus,

–  gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass das BDIMR der OSZE in seinem Abschlussbericht über die Präsidentschaftswahl 2015 in Belarus gemeinsam mit der Venedig-Kommission des Europarats eine Reihe von Empfehlungen ausarbeitete, die Belarus bis zur Parlamentswahl 2016 umsetzen sollte;

B.  in der Erwägung, dass die Wahl 2016 von einigen positiven Tendenzen geprägt war, z. B. dass die Staatsorgane die Sammlung von Unterschriften für die Nominierung von Kandidaten und die Durchführung von Wahlkampfaktivitäten nicht wesentlich einschränkten und nur einem geringen Prozentsatz der vorgeschlagenen Vereinigungen und Kandidaten die Registrierung verweigert wurde; in der Erwägung, dass laut der Bewertung des BDIMR der OSZE die Parlamentswahl 2016 effizient organisiert war;

C.  in der Erwägung, dass einige seit längerem zu beobachtende systematische Mängel fortbestehen, etwa Einschränkungen des Rechtsrahmens, was politische Rechte und Grundfreiheiten anbelangt; in der Erwägung, dass es bei der Auszählung der abgegebenen Stimmen und deren Erfassung erhebliche Verfahrensmängel gab und an Transparenz mangelte; in der Erwägung, dass die Staatsorgane von Belarus die meisten Empfehlungen des BDIMR der OSZE, die sich aus der Beobachtung vorangegangener Wahlgänge ergeben hatten, nicht berücksichtigten und dass die wenigen tatsächlich vorgenommenen Änderungen nicht geeignet waren, die Wahl ihrem Wesen nach demokratischer und transparenter zu machen;

D.  in der Erwägung, dass in Belarus seit 1994 keine freien und fairen Wahlen gemäß einem Wahlgesetz im Einklang mit den international anerkannten Normen des BDIMR der OSZE mehr durchgeführt worden sind; in der Erwägung, dass erstmals seit 20 Jahren wieder eine demokratische Opposition im Parlament von Belarus vertreten ist;

E.  in der Erwägung, dass die EU im Februar 2016 als Zeichen ihres guten Willens die fünf Jahre zuvor ergriffenen Sanktionen gegen Belarus aufhob, um das Land dazu zu bewegen, dass es seine Bilanz in Bezug auf Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verbessert;

F.  in der Erwägung, dass die beiden belarussischen Wahlbeobachtungsgruppen „Menschenrechtsverfechter für freie Wahlen“ und „Recht auf Wahl – 2016“ die vergangene Wahl verurteilt haben, weil dabei mehrere internationale Normen nicht eingehalten worden seien und der Wille der Bürger von Belarus nicht glaubwürdig zum Ausdruck gekommen sei;

G.  in der Erwägung, dass die belarussischen Beobachtungsgruppen konkrete Anhaltspunkte dafür fanden, dass in dem fünftägigen Zeitraum für die vorzeitige Stimmabgabe (6. bis 10. September 2016) und am Wahltag (11. September 2016) landesweit massiv versucht wurde, die Wahlbeteiligung in die Höhe zu treiben;

H.  in der Erwägung, dass die Mitte-Rechts-Kräfte der belarussischen Opposition erstmals am 18. November 2015 eine gemeinsame Kooperationsvereinbarung über eine vereinte Kandidatur für die Parlamentswahl 2016 vorstellten;

I.  in der Erwägung, dass am 18. und 19. Juni 2015 in Minsk der erste offizielle Besuch der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu Belarus seit 2002 stattfand; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament derzeit keine offiziellen Beziehungen zum belarussischen Parlament unterhält;

J.  in der Erwägung, dass Belarus konstruktiv daran mitwirkte, eine Vereinbarung über eine Waffenruhe in der Ukraine herbeizuführen;

K.  in der Erwägung, dass angesichts des Konflikts in der Ukraine Befürchtungen in der belarussischen Gesellschaft verschärft wurden, die innere Lage könnte infolge eines Machtwechsels instabil werden;

L.  in der Erwägung, dass Belarus das einzige Land in Europa ist, das nach wie vor die Todesstrafe vollstreckt; in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof von Belarus am 4. Oktober 2016 das gegen Sjarhej Wostrykau verhängte Todesurteil bestätigte; in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof von Belarus damit zum vierten Mal im Jahr 2016 ein Todesurteil bestätigte;

M.  in der Erwägung, dass die belarussischen Staatsorgane nach wie vor repressiv gegen die politische Opposition vorgehen, wobei friedliche Demonstranten weiterhin verwaltungsrechtlich haften müssen, weitere zivile und politische Rechte eingeschränkt werden und es in dem Land neue politische Gefangene gibt; in der Erwägung, dass die belarussischen Staatsorgane insbesondere auf legislativer Ebene bislang keine Maßnahmen ergriffen haben, um systematische qualitative Veränderungen im Bereich der Menschenrechte zu bewirken;

N.  in der Erwägung, dass die Beziehungen zwischen der EU und Belarus nur dann verbessert werden können, wenn Meinungs- und Medienfreiheit erheblich verbessert, die politischen Rechte von einfachen Bürgern und Oppositionellen gleichermaßen geschützt sowie Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte geachtet werden; in der Erwägung, dass sich die Europäische Union nach wie vor entschieden für die Verteidigung der Menschenrechte und die Meinungs- und Medienfreiheit in Belarus einsetzt;

O.  in der Erwägung, dass sich nach dem neuen Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zur Lage der Menschenrechte in Belarus, Miklós Haraszti, die Menschenrechtsverletzungen in dem Land verschärfen, was sich vor allem darauf bezieht, dass die Menschenrechte unverändert systematisch rechtlich und verwaltungstechnisch beschränkt werden;

P.  in der Erwägung, dass Belarus am 25. Oktober 2016 seinen ersten nationalen Aktionsplan für Menschenrechte annahm, der mit einer Entschließung des Ministerrates gebilligt wurde; in der Erwägung, dass den belarussischen Staatsorganen zufolge mit diesem Plan die Handlungsschwerpunkte bei der Umsetzung der Menschenrechtsverpflichtungen des Landes bestimmt werden;

Q.  in der Erwägung, dass Belarus weiterhin nicht eingeladen werden kann, sich der Parlamentarischen Versammlung Euronest anzuschließen, die im Mai 2011 als parlamentarisches Gremium der Östlichen Partnerschaft eingerichtet wurde;

R.  in der Erwägung, dass sich jedes Land, das Kernkraft entwickelt, strikt an die internationalen Anforderungen an und Normen für die nukleare Sicherheit und den Umweltschutz halten muss; in der Erwägung, dass die Regierung von Belarus, die ausschließlich für die Sicherheit der kerntechnischen Anlagen auf ihrem Hoheitsgebiet verantwortlich ist, ihren Pflichten gegenüber ihren Bürgern und den Nachbarländern nachkommen muss; in der Erwägung, dass die Grundsätze der Offenheit und Transparenz der zentrale Hintergrund für den Aufbau, den Betrieb und die Stilllegung sämtlicher kerntechnischer Anlagen sein müssen;

1.  würdigt die Fortschritte, die Belarus bei der Abhaltung der Parlamentswahl 2016 im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen erzielt hat; stellt fest, dass die Opposition zwei Vertreter in das neu gewählte Parlament entsendet;

2.  bedauert jedoch, dass bei der Wahl einige grundlegende internationale Vorgaben für demokratische und freie Wahlen bzw. die Wahlgesetze des Landes nicht eingehalten wurden; betont insbesondere, dass nicht alle Kandidaten in gleichem Maße Zugang zu staatlichen Medien erhielten, die Wahlausschüsse nicht unbefangen waren, in einigen Fällen Verwaltungsmittel missbräuchlich zugunsten regierungstreuer Kandidaten verwendet wurden, zahlreiche Wähler zur vorzeitigen Stimmabgabe gezwungen wurden und bestimmte Wahlverfahren für die Beobachter intransparent waren;

3.  fordert die Staatsorgane von Belarus auf, die Arbeit an einer umfassenden Reform des Wahlsystems im Rahmen einer breiter angelegten Demokratisierung und in Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern unverzüglich wiederaufzunehmen; betont, dass die Empfehlungen des BDIMR der OSZE rechtzeitig vor den Kommunalwahlen im März 2018 umgesetzt werden müssen; erachtet dies als entscheidend dafür, das Potenzial der Beziehungen zwischen der EU und Belarus voll auszuschöpfen;

4.  fordert die belarussischen Staatsorgane erneut auf, dafür zu sorgen, dass die demokratischen Grundsätze, die Menschenrechte und die Grundfreiheiten gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und den von Belarus ratifizierten internationalen und regionalen Menschenrechtsübereinkünften unter allen Umständen gewahrt werden;

5.  begrüßt in diesem Zusammenhang, dass der Ministerrat von Belarus den Aktionsplan für die Umsetzung der Empfehlungen der Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen für die allgemeine regelmäßige Überprüfung angenommen hat, und geht davon aus, dass er in vollem Umfang durchgeführt wird; sieht der Gründung einer nationalen Menschenrechtsinstitution erwartungsvoll entgegen und hofft, dass sie ihre Tätigkeit so rasch wie möglich in vollem Umfang aufnehmen und uneingeschränkt wirksam arbeiten kann; fordert die belarussischen Staatsorgane auf, das Mandat des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zur Lage der Menschenrechte in Belarus anzuerkennen und umfassend mit ihm zusammenzuarbeiten, indem ein substanzieller und konstruktiver Dialog aufgenommen und ein Besuch in dem Land ermöglicht wird;

6.  fordert die Regierung von Belarus auf, die freigelassenen politischen Gefangenen zu rehabilitieren und ihnen ihre bürgerlichen und politischen Rechte vollständig zurückzugeben;

7.  ist besorgt darüber, dass seit 2000 in Belarus keine neue Partei registriert worden ist; fordert, dass in dieser Frage weniger restriktiv vorgegangen wird;

8.  hegt die Erwartung, dass die Staatsorgane der Praxis, unabhängige Medien aus politischen Gründen zu schikanieren, ein Ende setzen; fordert mit Nachdruck, die Praxis zu beenden, dass freie Journalisten wegen der Zusammenarbeit mit nicht akkreditierten ausländischen Medien verwaltungsrechtlich belangt werden, wobei willkürlich auf Artikel 22.9 Absatz 2 des Verwaltungsgesetzbuchs zurückgegriffen wird, durch den das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Verbreitung von Informationen eingeschränkt werden;

9.  nimmt zur Kenntnis, dass die belarussische Regierung beabsichtigt, die mögliche Abschaffung der Todesstrafe eingehender zu prüfen; fordert Belarus – das einzige Land in Europa, das nach wie vor die Todesstrafe anwendet – nachdrücklich auf, sich in einem ersten Schritt zur dauerhaften Abschaffung der Todesstrafe einem weltweiten Moratorium für deren Vollstreckung anzuschließen; weist erneut darauf hin, dass die Todesstrafe unmenschlich und entwürdigend ist und keine nachweislich abschreckende Wirkung hat und dass Justizirrtümer im Fall der Vollstreckung unumkehrbar sind;

10.  fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die Kommission auf, neue Möglichkeiten für die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen in Belarus zu prüfen; betont in diesem Zusammenhang, dass alle unabhängigen Informationsquellen der belarussischen Gesellschaft unterstützt werden müssen, darunter auch Sendungen in belarussischer Sprache und im Ausland produzierte Sendungen;

11.  nimmt zur Kenntnis, dass im Januar 2014 Verhandlungen über Visaerleichterungen mit dem Ziel eingeleitet wurden, zwischenmenschliche Kontakte zu verbessern und das Entstehen einer Zivilgesellschaft zu fördern; betont, dass in diesem Bereich rascher Fortschritte erzielt werden müssen;

12.  unterstützt die Politik der Kommission, kritische Gespräche mit den Staatsorganen von Belarus zu führen, und bringt seine Bereitschaft zum Ausdruck, hierzu auch über seine Delegation für die Beziehungen zu Belarus beizutragen, sofern sich die belarussische Seite ernsthaft, offen und ergebnisorientiert engagiert; fordert in diesem Zusammenhang den EAD auf, kurz- bis mittelfristig Mindestvorgaben festzulegen, anhand deren sich messen lässt, inwiefern die belarussischen Staatsorgane bereit sind, die Zusammenarbeit mit der EU auszubauen;

13.  legt großen Wert darauf, dass Belarus der Parlamentarischen Versammlung Euronest in Einklang mit deren Gründungsakte beitritt, sobald die politischen Bedingungen erfüllt sind, da hierdurch die Einbindung von Belarus in die multilaterale Zusammenarbeit im Rahmen der Östlichen Partnerschaft auf natürliche Weise ausgeweitet würde, und sieht dem Beitritt erwartungsvoll entgegen;

14.  betont, dass dringend dafür gesorgt werden muss, dass das Vorhaben des Kernkraftwerks Astrawez auf europäischer und internationaler Ebene geprüft wird, und pocht darauf, dass a) das belarussische Kernkraftwerk einem Belastungstest unterzogen wird, wie mit der Kommission am 23. Juni 2011 durch die Unterzeichnung der Erklärung zu Belastungstests vereinbart, b) die Mission der IAEO zu dem Standort und der Auslegung gegen äußere Ereignisse (SEED) vollständig durchgeführt wird, damit der Standort Astrawez, alternative Standorte und die Standortauswahlkriterien unabhängig bewertet werden, und c) dafür gesorgt wird, dass die Durchführung des Vorhabens des belarussischen Kernkraftwerks international kontrolliert wird, damit möglichen Störfällen und Unfällen vorgebeugt wird; fordert daher die belarussischen Staatsorgane eindringlich auf, den Bau des Kernkraftwerks mit sofortiger Wirkung auszusetzen, bis die genannten Schritte und Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt worden sind;

15.  fordert den Rat und die Kommission nachdrücklich auf, die Makrofinanzhilfe der EU für Belarus damit zu verknüpfen und sie davon abhängig zu machen, dass substanzielle Fortschritte bei der Achtung der bürgerlichen Freiheiten und Grundrechte erzielt werden und dass Belarus konstruktive Maßnahmen im Hinblick auf die Sicherheit des Kernkraftwerks Astrawez ergreift;

16.  bekräftigt seine Zusage, sich für die Bevölkerung von Belarus zu engagieren, ihre Bestrebungen und Initiativen für die Demokratie zu unterstützen und zu einer stabilen, demokratischen und erfolgreichen Zukunft des Landes beizutragen;

17.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR), dem Europäischen Auswärtigen Dienst, dem Rat, der Kommission und den Mitgliedstaaten sowie dem BDIMR der OSZE, dem Europarat und den Staatsorganen von Belarus zu übermitteln.