Entschließungsantrag - B8-0669/2017Entschließungsantrag
B8-0669/2017

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu der Lage der Rohingya

6.12.2017 - (2017/2973(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Urmas Paet, Petras Auštrevičius, Izaskun Bilbao Barandica, Gérard Deprez, Ilhan Kyuchyuk, Patricia Lalonde, Frédérique Ries, Marietje Schaake, Jasenko Selimovic, Pavel Telička, Ivo Vajgl, Johannes Cornelis van Baalen, Hilde Vautmans, Cecilia Wikström im Namen der ALDE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0668/2017

Verfahren : 2017/2973(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B8-0669/2017
Eingereichte Texte :
B8-0669/2017
Angenommene Texte :

B8-0669/2017

Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Lage der Rohingya

(2017/2973(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Myanmar/Birma und zur Lage der muslimischen Volksgruppe der Rohingya, insbesondere die Entschließungen vom 7. Juli 2016[1], 15. Dezember 2016[2] und 14. September 2017[3], und auf seine Entschließungen vom 16. März 2017 zu den Prioritäten der EU für die Tagungen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen im Jahr 2017[4] und vom 13. Juni 2017 zur Staatenlosigkeit in Süd- und Südostasien[5],

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Juni 2016 zur Strategie der EU bezüglich Myanmar/Birma,

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) vom 1. Juni 2016 an das Europäische Parlament und den Rat mit dem Titel „Elemente einer EU-Strategie gegenüber Myanmar/Birma: eine besondere Partnerschaft für Demokratie, Frieden und Wohlstand“ (JOIN(2016)0024),

–  unter Hinweis auf die Erklärung der VP/HR vom 30. März 2016 zum Amtsantritt der neuen Regierung von Myanmar/Birma,

–  unter Hinweis auf die am 23. November 2017 von Myanmar/Birma und Bangladesch unterzeichnete Absichtserklärung über die Rückführung der Rohingya aus Bangladesch nach Myanmar/Birma,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der VP/HR vom 23. November 2017 zu der von Myanmar/Birma und Bangladesch unterzeichneten Absichtserklärung,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 4. Dezember 2015 zu Staatenlosigkeit,

–  unter Hinweis auf das Abkommen der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 und das dazugehörige Protokoll von 1967,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 und das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961,

–  unter Hinweis auf den globalen Aktionsplan 2014–2024 des Amts des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) von November 2014 zur Beendigung der Staatenlosigkeit,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–  unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Beratungskommission zum Bundesstaat Rakhaing vom 24. August 2017 mit dem Titel „Towards a peaceful, fair and prosperous future for the people of Rakhine“ (Auf dem Weg zu einer friedlichen und fairen Zukunft in Wohlstand für die Bevölkerung von Rakhaing),

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966,

–  unter Hinweis auf die Charta des Verbands südostasiatischer Nationen (ASEAN),

–  gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass im Bundesstaat Rakhaing in Myanmar/Birma etwa eine Million Rohingya leben, eine vorrangig muslimische Minderheit, die unterdrückt wird und deren Menschenrechte kontinuierlich erheblich verletzt werden, unter anderem durch die Bedrohung ihres Lebens und ihrer Sicherheit, Tötungen, die Verweigerung des Rechts auf Gesundheitsversorgung und Bildung, Zwangsarbeit, sexuelle Gewalt und Beschränkungen ihrer politischen Rechte;

B.  in der Erwägung, dass die Rohingya seit Erlass des Gesetzes von Myanmar/Birma über die Staatsbürgerschaft von 1982 offiziell staatenlos sind, wodurch ihre Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt wurde und sie in Lagern leben müssen;

C.  in der Erwägung, dass die Rohingya in einem grausamen System gefangen sind, in dem sie Opfer von staatlich finanzierter, institutionalisierter Diskriminierung sind, die einer Segregation gleichkommt und jetzt in ethnische Säuberung übergeht; in der Erwägung, dass auf die Rohingya gesonderte Rechtsvorschriften angewandt werden, wodurch die Tätigkeiten des täglichen Lebens wie Arbeit, Eheschließung, Reisen und der Zugang zur Gesundheitsversorgung behindert werden;

D.  in der Erwägung, dass die Regierungen von Myanmar/Birma und Bangladesch in Naypyidaw eine nicht verbindliche Absichtserklärung unterzeichnet haben; in der Erwägung, dass mit dieser Absichtserklärung die sichere Rückkehr der Rohingya sichergestellt werden sollte, die in den letzten Jahren aus Myanmar/Birma nach Bangladesch geflohen sind; in Erwägung, dass darauf hingewiesen worden ist, dass die Rohingya nicht in ihre Dörfer rückgeführt werden, sondern in Flüchtlings- bzw. Gefangenenlager in Myanmar/Birma gebracht werden;

E.  in der Erwägung, dass bei der lokalen Bevölkerung und den Binnenvertriebenen im Bundesstaat Rakhaing sowie den Flüchtlingen in Bangladesch – wie im Abschlussbericht der von Kofi Annan geleiteten Beratungskommission zum Bundesstaat Rakhaing vom 24. August 2017 hervorgehoben wird – die Gefahr einer Radikalisierung besteht;

F.  in der Erwägung, dass die Ermordungen, Vergewaltigungen und das Niederbrennen von Dörfern der Rohingya als Mittel eingesetzt wird, um das soziale Gefüge der Rohingya dauerhaft zu schädigen und die Bevölkerung zu traumatisieren; in der Erwägung, dass mit diesem entsetzlichen Vorgehen beabsichtigt wird, die Rohingya aus ihren Dörfern und dem Land zu verdrängen und mentale und physische Hindernisse für ihre Rückkehr zu errichten; in der Erwägung, dass die Grenze zwischen Myanmar/Birma und Bangladesch jetzt militarisiert ist und Minen gelegt wurden, um die Menschen am Grenzübertritt zu hindern;

G.  in der Erwägung, dass Human Rights Watch und Amnesty International betonen, dass die Sicherheitskräfte von Myanmar/Birma seit dem 25. August 2017 als Teil einer Kampagne der ethnischen Säuberung gegen die muslimische Volksgruppe der Rohingya im Bundesstaat Rakhaing ein große Anzahl von Frauen und Mädchen systematisch vergewaltigt haben; in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) die Regierung von Myanmar/Birma aufgefordert hat, bis zum 28. Mai 2018 Informationen über eine Reihe von Fragen vorzulegen, die sich in den letzten Monaten im Zusammenhang mit Fällen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die im Norden des Bundesstaates Rakhaing verübt worden sein soll, gestellt haben;

H.  in der Erwägung, dass die VP/HR die Unterzeichnung der Absichtserklärung über die Rückführung als wichtigen und begrüßenswerten Schritt hin zur Bewältigung einer der schlimmsten humanitären Krisen und Menschenrechtskrisen unserer Zeit begrüßt hat;

I.  in der Erwägung, dass Myanmar/Birma derzeit im Rahmen der Initiative „Alles außer Waffen“ im Allgemeinen Präferenzsystem (APS) vorgesehene Handelspräferenzen gewährt werden und der Wert der Ausfuhren des Landes in die EU im Jahr 2016 830 Mio. EUR erreichte; in der Erwägung, dass das derzeitige repressive Vorgehen gegen die Rohingya als „schwerwiegende und systematische“ Verletzung der Verpflichtungen von Myanmar/Birma aus mindestens einer der in der Verordnung EU Nr. 978/2012 (APS-Verordnung) aufgeführten wesentlichen Übereinkommen zu Menschenrechten und Arbeitnehmerrechten gelten kann;

1.  fordert die Streitkräfte und die Sicherheitskräfte nachdrücklich auf, das Töten, die Einschüchterung und die Vergewaltigung der Rohingya sowie das Niederbrennen ihrer Häuser unverzüglich zu beenden;

2.  fordert die Regierung von Myanmar/Birma auf, unverzüglich unparteiische, unabhängige und wirksame Untersuchungen in Bezug auf sämtliche glaubwürdigen Vorwürfe, es sei zu Verstößen gegen die internationalen Menschenrechtsnormen und zu Verbrechen im Sinne des Völkerrechts gekommen, einzuleiten; fordert, dass bei Vorliegen von ausreichend zulässigen Beweisen für von Einzelpersonen begangene Verbrechen, mit denen gegen die internationalen Menschenrechtsnormen verstoßen wurde, die Verantwortlichen strafrechtlich verfolgt werden, und zwar im Rahmen von fairen Verfahren vor unabhängigen zivilen Gerichten, wobei nicht die Todesstrafe verhängt werden darf;

3.  fordert die Regierung von Myanmar/Birma nachdrücklich auf, die Bewegungsfreiheit der Rohingya zu achten und unabhängig von ihrem Aufenthaltsort für ihre Sicherheit zu sorgen; fordert die Regierung von Myanmar/Birma auf, unverzüglich sämtliche Minen an der Grenze zu Bangladesch zu räumen; fordert die Regierung von Myanmar/Birma auf, die Reisebeschränkungen, die für humanitäre Organisationen gelten, unverzüglich aufzuheben;

4.  bekräftigt außerdem die Aufforderungen des Rates, der in seinen Schlussfolgerungen zum Aufbau wirksamer demokratischer Einrichtungen und einer starken Zivilgesellschaft, zur Achtung der Grundrechte und -freiheiten und zur Förderung einer demokratischen Staatsführung aufgefordert hat;

5.  fordert, dass die Absichtserklärung unmittelbar umgesetzt wird und das Recht der Rohingya auf eine freiwillige, sichere und würdevolle Rückkehr an ihre Herkunftsorte geachtet wird, und zwar ohne Diskriminierung jedweder Art; fordert die Regierung von Myanmar/Birma auf, für die Rohingya dauerhaft sichere und menschenwürdige Lebensbedingungen sicherzustellen;

6.  fordert die Regierung von Myanmar/Birma nachdrücklich auf, gegen die seit Langem anhaltende und systematische Diskriminierung und Segregation der Rohingya und weiterer Muslime im Bundesstaat Rakhaing vorzugehen und dafür Sorge zu tragen, dass sie Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie zu Bildung und weiteren Dienstleitungen haben;

7.  erklärt sich besorgt angesichts der von terroristischen Vereinigungen und insbesondere von Al-Qaida und vom „IS“ verfolgten Absichten, die Rohingya-Krise auszunutzen, um in Myanmar/Birma Fuß zu fassen und ihren Einfluss in der gesamten Region auszuweiten; betont, dass einige Rohingya-Flüchtlinge und Aufständische der Rebellengruppe ARSA (Arakan Rohingya Salvation Army) anfällig für die Rekrutierung durch extremistische Bewegungen sein könnten;

8.  fordert die Regierung von Myanmar/Birma auf, den Organisationen der Vereinten Nationen, weiteren internationalen und lokalen humanitären Organisationen und nationalen und internationalen Medien uneingeschränkten Zugang zu allen Teilen des Landes zu gewähren; betont, dass der Informationsfluss nur durch den uneingeschränkten Zugang der Medien und vollständige Transparenz gefördert werden kann und er eine Voraussetzung ist, wenn es darum geht, sich ein genaues Bild von den Ereignissen in der Region zu machen;

9.  ist zutiefst enttäuscht von der Regierung von Myanmar/Birma und Aung San Suu Kyi, da sie sich weigern, das Problem in Angriff zu nehmen, und weil sie die Gräueltaten leugnen und sich an ihnen beteiligen; fordert Aung San Suu Kyi nachdrücklich auf, sich gegen die Gräueltaten auszusprechen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, mit denen den Rohingya geholfen wird;

10.  fordert China und alle weiteren internationalen und regionalen Akteure nachdrücklich auf, alle verfügbaren bilateralen, multilateralen und regionalen Plattformen zu nutzen, damit ein Ende der Gräueltaten gefordert und eine friedliche Lösung herbeigeführt wird;

11.  bedauert, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen keine Resolution zur Lage der Rohingya angenommen hat;

12.  nimmt die Erklärungen der VP/HR zur Kenntnis; ist jedoch der Auffassung, dass ein umfassenderes Engagement erforderlich ist; fordert die VP/HR und die EU-Mitgliedstaaten erneut auf, erheblich stärkeren Druck auf die Regierung von Myanmar/Birma auszuüben;

13.  fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, das bestehende Waffenembargo gegen Myanmar/Birma auf alle Formen der militärischen Unterstützung auszuweiten und gegen hohe Beamte, die für schwerwiegende Verstöße verantwortlich sind, gezielt finanzielle Sanktionen zu verhängen;

14.  fordert alle Staaten nachdrücklich auf, ihre humanitären Bemühungen zur Unterstützung der Vertriebenen in Myanmar und weiteren Ländern, darunter Bangladesch, zu verstärken und Frauen, Kinder und weitere von sexueller Gewalt, Menschenhandel und ähnlichen Vergehen bedrohte Personengruppen zu schützen;

15.  fordert die VP/HR auf, gemeinsam mit dem für Handel zuständigen Mitglied der Kommission für die Aussetzung der Handelspräferenzen zu sorgen, die Myanmar im Rahmen der Initiative „Alles außer Waffen“ immer noch gewährt werden, und der Regierung von Myanmar/Birma mitzuteilen, dass die Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zwischen der EU und Myanmar/Birma ausgesetzt werden könnten;

16.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Regierung und dem Parlament von Myanmar/Birma, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär des Verbandes südostasiatischer Nationen (ASEAN), der zwischenstaatlichen Menschenrechtskommission des ASEAN, der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zur Menschenrechtslage in Myanmar/Birma, dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.