ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Venezuela
5.2.2018 - (2018/2559(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Charles Tannock, Karol Karski, Monica Macovei, Ruža Tomašić, Anna Elżbieta Fotyga, Pirkko Ruohonen-Lerner, Angel Dzhambazki, Jan Zahradil, Jana Žitňanská, Arne Gericke, Hans-Olaf Henkel, Valdemar Tomaševski, Branislav Škripek im Namen der ECR-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0078/2018
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine zahlreichen vorangegangenen Entschließungen zur Lage in Venezuela,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, dem Venezuela als Vertragspartei angehört,
– unter Hinweis auf die am 11. September 2001 verabschiedete Interamerikanische Demokratische Charta,
– unter Hinweis auf die Verfassung Venezuelas, insbesondere auf die Artikel 72 und 233,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 13. November 2017 zur Lage in Venezuela und insbesondere das Embargo für Rüstungsgüter und für zu interner Repression verwendbare Ausrüstung sowie den Rechtsrahmen für gezielte restriktive Maßnahmen;
– unter Hinweis auf die Tagung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) vom 22. Januar 2018 und dessen Beschluss, restriktive Maßnahmen gegen sieben Personen zu erlassen, die ein öffentliches Amt in Venezuela innehaben;
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR), Federica Mogherini, vom 26. Januar 2018 zu der Verschlechterung der Lage in Venezuela,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die Lage in Venezuela seit April 2017 weiter verschlechtert, insbesondere im Zusammenhang mit der Ankündigung von Präsident Nicolás Maduro vom 10. Dezember 2017, die Oppositionsparteien, die die Kommunalwahl boykottiert hätten, seien nicht mehr Teil der politischen Landschaft und dürften nicht an der Präsidentschaftswahl im April 2018 teilnehmen;
B. in der Erwägung, dass die wenige Tage zuvor auch im Dezember 2017 durchgeführte Kommunalwahl von Protesten geprägt war, die von den Sicherheitskräften Venezuelas gewaltsam niedergeschlagen wurden; in der Erwägung, dass Präsident Maduro am 11. Dezember förmlich verkündete, dass die regierende Sozialistische Partei über 90 % der zur Wahl stehenden Bürgermeisterposten gewonnen habe; in der Erwägung, dass überhaupt nicht erwiesen ist, dass die Wahl frei und fair war;
C. in der Erwägung, dass die Regierung von Präsident Maduro in dem Versuch, die gegenwärtig gegen Venezuela verhängten finanziellen Sanktionen zu umgehen, eine digitale Kryptowährung eingeführt hat, die sich auf die Erdölreserven des Landes stützt, wobei die Wirksamkeit dieser Maßnahme im Hinblick auf die Linderung der Wirtschaftskrise des Landes allerdings noch abzuwarten bleibt;
D. in der Erwägung, dass die Nationalversammlung Venezuelas formell ihrer Befugnisse beraubt und im August 2017 durch die zuvor gewählte Verfassunggebende Versammlung Venezuelas ersetzt wurde, wobei deren Wahl von Protesten geprägt war, die von den Sicherheitskräften Venezuelas gewaltsam niedergeschlagen wurden; in der Erwägung, dass die Verfassunggebende Versammlung als allmächtiges Legislativorgan konzipiert ist, das befugt ist, Präsident Maduro zu ermächtigen, die Verfassung umzuschreiben und die von der Opposition beherrschte Nationalversammlung zu übergehen;
E. in der Erwägung, dass das unter dem Namen „Mesa de la Unidad Democrática“ bekannte Oppositionsbündnis Venezuelas in der aus einer Kammer bestehenden Nationalversammlung 112 der 167 Sitze innehat, was im Vergleich zu den 55 Sitzen der regierenden Sozialistischen Partei einer überwältigenden Mehrheit entspricht;
F. in der Erwägung, dass die Wahl, in der die Verfassunggebende Versammlung an die Macht gelangte, von der Europäischen Union nicht anerkannt wird, da sie von Gewalt, Instabilität und undemokratischen Praktiken geprägt war und sich der Zustand der Staatsführung und der demokratischen Rechtsstaatlichkeit in Venezuela in der Folge beträchtlich verschlechtert hat;
G. in der Erwägung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika Sanktionen gegen Präsident Maduro verhängt und mehrere Mitgliedstaaten die Verhängung ähnlicher Sanktionen durch die EU gefordert haben, um so auf die fortdauernde Inhaftierung von Dissidenten und Mitgliedern der politischen Opposition, die Handlungen der Verfassunggebenden Versammlung und die generelle Verschlechterung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in Venezuela zu reagieren;
H. in der Erwägung, dass über hundert Mitglieder der politischen Opposition sowie Journalisten, Aktivisten und Demonstranten nach wie vor aus Gewissensgründen in Venezuela inhaftiert sind, darunter wichtige politische Führungspersönlichkeiten wie Leopoldo López, Antonio Ledezma, Daniel Ceballos und Yon Goicoechea;
I. in der Erwägung, dass die Sicherheitskräfte Venezuelas, zu denen auch die Nationalgarde, die Bundespolizei und irreguläre bewaffnete Gruppen zählen, seit Beginn der Proteste im Jahr 2016 bis einschließlich Dezember 2017 mehrmals brutale Gewalt gegen friedliche Demonstranten, darunter auch Mitglieder der Nationalversammlung, anwandten und dabei viele von ihnen festnahmen und dass dabei zudem über 20 Personen zu Tode kamen und viele weitere verletzt wurden;
1. verurteilt mit aller Schärfe die fortgesetzten Verstöße gegen die demokratische Ordnung Venezuelas, vor allem die gesetzeswidrige Entmachtung der Nationalversammlung und deren Ersetzung durch die Verfassunggebende Versammlung, wodurch es zu einer verfassungswidrigen Machtkonzentration kommt und die Unabhängigkeit der Staatsgewalten ausgehebelt wurde; lehnt die Schaffung der Verfassunggebenden Versammlung nachdrücklich ab und erachtet sie als von Grund auf undemokratisch;
2. bedauert, dass Präsident Maduro ankündigte, die Oppositionsparteien von der im April 2018 anstehenden Präsidentschaftswahl auszuschließen; weist erneut darauf hin, dass freie, faire und transparente Wahlen der Eckpfeiler einer demokratischen Gesellschaft sind;
3. hält es für entscheidend, dass die Regierung Venezuelas für die uneingeschränkte Wiederherstellung der demokratischen Ordnung sorgt, die Trennung und Unabhängigkeit der Staatsgewalten wiederherstellt, einer ausgewogenen und repräsentativen Nationalversammlung, der Mitglieder aller Parteien angehören, ihre Befugnisse per Erlass zurückgibt und überdies den Verfassungsrang der Nationalversammlung in vollem Umfang wiederherstellt; weist erneut darauf hin, dass es ein wesentlicher Grundsatz demokratischer und rechtsstaatlich verfasster Staaten ist, dass die Staatsgewalten voneinander getrennt sind und auf gegenseitige Einflussnahme verzichten;
4. fordert die Regierung Venezuelas auf, alle politischen Gefangenen unverzüglich und bedingungslos freizulassen; weist erneut darauf hin, dass die Freilassung der politischen Gefangenen von der früheren Nationalversammlung durch das Gesetz über die nationale Aussöhnung gebilligt worden war; betont, dass es auf lange Sicht keine dauerhafte friedliche Lösung für Venezuela geben kann, solange es dort noch politische Gefangene gibt;
5. verurteilt mit aller Schärfe die Entscheidung der „Contraloría General de la República“ (der zur Bürgergewalt zählenden Aufsichtsbehörde für Amtsträger), Oppositionsführer Henrique Capriles für 15 Jahre die Ausübung öffentlicher Ämter zu untersagen; fordert die Regierung Venezuelas auf, der Praxis ein Ende zu setzen, Oppositionsführer auszugrenzen, indem sie ihnen ihre politischen Rechte aberkennt;
6. begrüßt die Resolution des Ständigen Rates der Organisation Amerikanischer Staaten vom 3. April 2017 und fordert die VP/HR auf, diese Resolution und den von vielen Ländern der Region geäußerten Wunsch zu unterstützen, einer Vermittlungstätigkeit Raum zu geben, in deren Rahmen auf eine Vereinbarung für ganz Venezuela hingewirkt wird; fordert die VP/HR außerdem auf, tatkräftig und in Zusammenarbeit mit internationalen und regionalen Organisationen weitere Maßnahmen zu prüfen, mit denen die EU Venezuela dabei behilflich sein kann, die Demokratie uneingeschränkt wiederherzustellen;
7. begrüßt den Beschluss des Rates (Auswärtige Angelegenheiten), restriktive Maßnahmen gegen sieben Personen zu erlassen, die ein öffentliches Amt in Venezuela innehaben;
8. missbilligt das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte Venezuelas und irregulärer bewaffneter Gruppen gegen friedliche Demonstranten, bei dem über 20 Personen zu Tode kamen sowie viele Verletzte und Festnahmen zu beklagen waren;
9. fordert die Regierung Venezuelas auf, diese Todesfälle, für die das Militär verantwortlich ist, zu untersuchen und das verfassungsmäßige Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln, zu achten und zu garantieren; fordert die Staatsorgane Venezuelas auf, die Sicherheit und die freie Ausübung der Rechte aller Bürger, insbesondere von Menschenrechtsverfechtern, Journalisten, politischen Aktivisten und Mitgliedern unabhängiger nichtstaatlicher Organisationen, zu garantieren, da diese Personen einem größeren Risiko ausgesetzt sind, Übergriffen zum Opfer zu fallen und willkürlich verhaftet zu werden, und alle Todesfälle zu untersuchen;
10. fordert die Staatsorgane Venezuelas auf, dringend benötigte humanitäre Hilfe in das Land zu lassen und den internationalen Organisationen, die den am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen helfen wollen, Zugang zu gewähren;
11. bekräftigt seine dringliche Forderung, dass so bald wie möglich eine Delegation des Europäischen Parlaments nach Venezuela entsandt wird, um einen Dialog mit allen Konfliktparteien zu führen;
12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela, der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika und dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten zu übermitteln.