Entschließungsantrag - B8-0177/2019Entschließungsantrag
B8-0177/2019

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu einer europäischen Regelung für Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte

11.3.2019 - (2019/2580(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Heidi Hautala, Barbara Lochbihler, Judith Sargentini, Margrete Auken, Jordi Solé, Martin Häusling, Molly Scott Cato, Klaus Buchner, Florent Marcellesi, Reinhard Bütikofer, Bodil Valero, Tilly Metzim Namen der Verts/ALE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0177/2019

Verfahren : 2019/2580(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B8-0177/2019
Eingereichte Texte :
B8-0177/2019
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Angenommene Texte :

B8-0177/2019

Entschließung des Europäischen Parlaments zu einer europäischen Regelung für Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte

(2019/2580(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen, in denen ein EU-weiter Mechanismus für die Verhängung gezielter Sanktionen gegen Einzelpersonen gefordert wurde, die in schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren, einschließlich seiner Entschließung vom 11. März 2014 zur weltweiten Abschaffung der Folter[1],

–  unter Hinweis auf die Erklärung Nr. 25 des Vertrags von Lissabon, wonach der Rechtschutz von Einzelpersonen oder Einrichtungen, die von restriktiven Maßnahmen oder von Maßnahmen der EU zur Terrorismusbekämpfung betroffen sind, gebührend gewahrt werden muss,

–  unter Hinweis auf den Strategischen Rahmen der EU für Menschenrechte und Demokratie und den dazugehörigen Aktionsplan (2015–2020),

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) im Anschluss an die Tagung des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ im Dezember 2018,

–  unter Hinweis auf die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 22. Januar 2019 zu Sergei Magnitski und darüber hinaus sowie zur Bekämpfung der Straflosigkeit durch gezielte Sanktionen,

–  unter Hinweis auf die Studie mit dem Titel „Targeted sanctions against individuals on grounds of grave human rights violations – impact, trends and prospects at EU level“ (Gezielte Sanktionen gegen Einzelpersonen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen – Wirkung, Trends und Aussichten auf EU-Ebene), die am 26. April 2018 von seiner Generaldirektion für externe Politikbereiche veröffentlicht wurde[2],

–  unter Hinweis auf die Initiative der Regierung der Niederlande vom November 2018 zur Unterstützung einer globalen Regelung der EU bei Verstößen gegen die Menschenrechte,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag für einen europäischen Ausschuss für aufgrund von Menschenrechtsverletzungen erteilte Einreiseverbote, der seitens verschiedener Gruppen der Zivilgesellschaft am 14. November 2018 unterbreitet wurde,

–  gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass restriktive Maßnahmen der EU – besser bekannt als „Sanktionen“ – in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein fester Bestandteil des Instrumentariums der EU für auswärtige Beziehungen geworden sind, wobei derzeit 40 unterschiedliche restriktive Maßnahmen bestehen, die sich gegen 34 Länder richten und vielfach eine direkte Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sind;

B.  in der Erwägung, dass die EU zusätzlich zu den länderspezifischen Sanktionen, vor Kurzem horizontale restriktive Maßnahmen, die sich gegen die Verbreitung und den Einsatz chemischer Waffen richten, und spezifische Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung eingeführt hat;

C.  in der Erwägung, dass sich die bestehende EU-Sanktionen sowohl gegen staatliche als auch nichtstaatliche Akteure richten, wie etwa Da´esh und Al-Qaida;

D.  in der Erwägung, dass schätzungsweise zwei Drittel der länderspezifischen Sanktionen der EU verhängt wurden, um Ziele im Bereich der Menschenrechte und der Demokratie zu unterstützen;

E.  in der Erwägung, dass das Europäische Parlament wiederholt die Einrichtung einer globalen Regelung der EU für Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte (ursprünglich als globale Magnitski-Liste der EU bezeichnet) gefordert hat;

F.  in der Erwägung, dass in einigen Ländern menschenrechtsspezifische Sanktionsregelungen angenommen wurden, darunter in den USA, in Kanada, in Estland, in Litauen und im Vereinigten Königreich; in der Erwägung, dass im Recht der USA kein Verfahren der gerichtlichen Überprüfung vorgesehen ist;

G.  in der Erwägung, dass die Regierung der Niederlande im November 2018 eine Diskussion unter den Mitgliedstaaten der EU zu der Frage eingeleitet hat, ob eine Regelung mit gezielten Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte auf der Ebene der EU politisch machbar ist; in der Erwägung, dass derzeit im Rat Vorgespräche in Arbeitsgruppen laufen;

1.  fordert, dass rasch eine autonome, flexible und reaktive EU-weite Sanktionsregelung geschaffen wird, die es ermöglicht, weltweit Personen ins Visier zu nehmen, die für schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und entsprechende Verstöße verantwortlich oder an ihnen beteiligt sind;

2.  ist fest davon überzeugt, dass eine solche Regelung eine sinnvolle Erweiterung des bestehenden Instrumentariums der EU für Menschenrechte und Außenpolitik darstellen und die Rolle der EU als weltweit auftretender Menschenrechtsakteur stärken würde, insbesondere, wenn es um ihre Unterstützung von Opfern und Menschenrechtsverteidigern auf der ganzen Welt geht;

3.  ist von der potentiellen Wirksamkeit einer derartigen Regelung überzeugt und davon, dass sie das Verhalten der betreffenden Personen und Einheiten beeinflussen kann und als effektives Abschreckungsmittel und symbolträchtig wirken wird, da gefährdete Aktivisten der demokratischen Opposition und Menschenrechtsverteidiger in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt werden;

4.  verfolgt mit verhaltenem Optimismus die Vorgespräche, die zu dieser Thematik im Rat durchgeführt werden; fordert die HR/VP und ihre Dienststellen auf, einen konstruktiven und handlungsorientierten Ansatz in diesem Verfahren zu verfolgen, und erwartet, dass sie regelmäßig über die bei diesen Gesprächen erzielten Fortschritte berichtet;

5.  betont, dass diese Regelung die Verhängung restriktiver Maßnahmen, insbesondere das Einfrieren von Vermögenswerten und EU-Einreiseverbote, gegen Einzelpersonen oder Einheiten ermöglichen sollte, die für die Planung, Steuerung oder Begehung schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen oder entsprechender Verstöße verantwortlich sind, daran beteiligt waren oder diese unterstützt, finanziert oder dazu beigetragen haben; fordert den Rat auf, grenzüberschreitende Verletzungen in den Geltungsbereich der Regelung aufzunehmen;

6.  betont, dass die Regelung mit der bestehenden EU-Politik und den bestehenden länderspezifischen und horizontalen restriktiven Maßnahmen vereinbar sein und ergänzend wirken muss; besteht in diesem Zusammenhang darauf, dass die neue Regelung nicht den Menschenrechtsaspekt derzeitiger länderspezifischer Maßnahmen ersetzen darf; ist darüber hinaus der Auffassung, dass jede künftige Regelung den internationalen Sanktionsrahmen umfassend ergänzen und sich nahtlos darin einfügen muss, was insbesondere mit Blick auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gilt;

7.  betont, dass die Regelung aus rechtlicher Sicht eine solide Grundlage aufweisen und den höchstmöglichen Standards umfassend gerecht werden muss, was den Rechtsschutz der betreffenden Einzelpersonen und Einheiten angeht; besteht in dieser Hinsicht darauf, dass Beschlüsse über die Aufnahme von Personen in Verzeichnisse und ihre Streichung zur Gewährleistung einer gründlichen gerichtlichen Überprüfung auf klaren und eindeutigen Kriterien beruhen müssen;

8.  betont, dass die strafrechtliche Verfolgung von Personen, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen haben, durch einzelstaatliche oder internationale Gerichte nach wie vor das vorrangige Ziel aller Bemühungen sein sollte, die die EU und ihre Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Straflosigkeit unternehmen; weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass die Staaten grundsätzlich dafür verantwortlich sind, in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter zur Rechenschaft zu ziehen;

9.  gibt zu bedenken, dass die politische Legitimität der Regelung im hohen Maß davon abhängen wird, ob der Rat festlegen kann, dass die Aufnahme in die Verzeichnisse strikt aufgrund von Menschenrechtserwägungen und nicht aufgrund geostrategischer oder sonstiger Erwägungen erfolgt; legt dem Rat in diesem Zusammenhang nahe, zu erwägen, ob für Zwecke der Erstellung dieser Verzeichnisse eine Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit durchgeführt werden sollte;

10.  vertritt die Ansicht, dass die Regelung die Möglichkeit bieten sollte, Einzelpersonen, die sowohl auf staatliche als auf nichtstaatliche Akteure oder Einheiten zurückgehen, ins Visier zu nehmen;

11.  geht davon aus, dass die Aufnahme in entsprechende Verzeichnisse, die sich künftig im Rahmen dieser Regelung ergeben wird, auf harten Fakten und ausschließlich auf Informationen aus offenen Quellen, die etwa von Organisationen der Zivilgesellschaft bereitgestellt werden, beruhen wird; erwartet, dass ein eindeutiger und direkter Zusammenhang zwischen der Aufnahme einer Einzelperson in die Verzeichnisse und ihrer Straftat besteht;

12.  vertritt die Ansicht, dass bei der neuen Regelung der Schwerpunkt auf Tätern liegen sollte, bei denen eine direkte und unmittelbare Verbindung zu der Straftat vorliegt, etwa bei Personen aus den Reihen der Sicherheitskräfte und der Justiz, wobei aber auch die Möglichkeit bestehen sollte, gegebenenfalls Personen in die Verzeichnisse aufzunehmen, die an der Spitze der Befehlskette stehen;

13.  vertritt die Auffassung, dass schwerpunktmäßig eine begrenzte Auswahl von einschlägigen Verletzungen betrachtet werden sollte, etwa die unmittelbare Beteiligung an Folter, Verschwindenlassen, Menschenhandel und Inhaftierungen aus politischen Gründen; fordert, dass die Sanktionsregelung ebenso Personen erfassen sollte, die sich an Geschäften beteiligen, welche unmittelbar zu schweren Menschenrechtsverletzungen beitragen, wobei es sich beispielsweise um Geschäfte im Zusammenhang mit konfliktverstärkendem Waffenhandel, weit verbreitetem Landraub oder Ökozid handeln kann;

14.  fordert die Mitgliedstaaten auf, für eine ordnungsgemäße Umsetzung und Durchsetzung der Sanktionsregelung zu sorgen, sobald diese eingerichtet wurde; fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die Kommission auf, ihrerseits in angemessenem Umfang Mittel und Sachverstand bereitzustellen, um die Umsetzung der neu eingerichteten Regelung zu überwachen und besonderes Augenmerk auf die öffentliche Kommunikation über die Aufnahme in die entsprechenden Verzeichnisse sowohl in der EU als auch in den betreffenden Ländern zu legen;

15.  fordert, dass das Mandat des Europäischen Bürgerbeauftragten auf die Sanktionsregelungen der EU sowie auch auf Menschenrechte ausgeweitet wird oder dass alternativ das Amt eines speziellen EU-Bürgerbeauftragter für Sanktionen eingerichtet wird;

16.  besteht darauf, dass das Parlament die Tätigkeit des Rates im Rahmen der künftigen Sanktionsregelung genau kontrolliert, vor allem im Hinblick auf die Definition und Änderung der Kriterien für eine Aufnahme in die entsprechenden Verzeichnisse und die Änderung dieser Verzeichnisse;

17.  würdigt die Bemühungen der Aktivisten der Zivilgesellschaft, die sich unermüdlich für die Einführung von Sanktionen gegen die einzelnen Täter einsetzen; empfiehlt, dass auf der Ebene der EU ein Beratungsausschuss eingesetzt wird, der aus Sachverständigen und Vertretern der Zivilgesellschaft besteht und einen Beitrag zu den laufenden Erörterungen im Rat über eine künftige Regelung für Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte leisten würde; fordert nachdrücklich, dass bei der künftigen Regelung eine enge Zusammenarbeit mit diesem Ausschuss vorgesehen sein muss;

18.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Generalsekretär des Europarates zu übermitteln.

Letzte Aktualisierung: 11. März 2019
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