ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu einer europäischen Regelung für Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte
12.3.2019 - (2019/2580(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Charles Tannock, Ryszard Czarnecki, Anna Elżbieta Fotygaim Namen der ECR-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0177/2019
B8-0179/2019
Entschließung des Europäischen Parlaments zu einer europäischen Regelung für Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Beschluss des Rates vom 10. Dezember 2018, mit dem die Kommission beauftragt wurde, Vorschläge für eine europäische Regelung für Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte vorzulegen,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen, in denen ein unionsweiter Mechanismus für die Verhängung gezielter Sanktionen gegen Einzelpersonen gefordert wurde, die an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren, insbesondere seine Empfehlung vom 2. April 2014 an den Rat zur Einführung gemeinsamer Visabeschränkungen gegen Amtsträger aus Russland, die im Fall Sergei Magnitski mitverantwortlich sind[1],
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Russland, insbesondere seine Entschließung vom 14. Februar 2019 zur Lage in Tschetschenien und zum Fall Ojub Titijew[2],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. März 2019 zum Stand der politischen Beziehungen zwischen der EU und Russland[3],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Dezember 2018 zu dem Jahresbericht 2017 über Menschenrechte und Demokratie in der Welt und der Politik der Europäischen Union in diesem Bereich[4],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. September 2017 zu Korruption und Menschenrechten in Drittstaaten[5],
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 30. Oktober 2018 mit dem Titel „Sergei Magnitsky and beyond – fighting impunity by targeted sanctions“ (Sergei Magnitski und andere – Bekämpfung der Straflosigkeit durch gezielte Sanktionen),
– unter Hinweis auf die Leitlinien zur Umsetzung und Evaluierung restriktiver Maßnahmen, die vom Rat 2003 angenommen und 2005, 2009, 2012 und 2017 überarbeitet wurden,
– unter Hinweis auf seine Studie vom April 2018 mit dem Titel „Targeted sanctions against individuals on grounds of grave human rights violations – impact, trends and prospects at EU level“ (Gezielte Sanktionen gegen Einzelpersonen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen – Auswirkungen, Entwicklungen und Aussichten auf EU-Ebene),
– unter Hinweis auf den Vorschlag vom 14. November 2018 für einen europäischen Ausschuss für Einreiseverbote im Zusammenhang mit Menschenrechten,
– unter Hinweis auf Artikel 215 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Annahme von Sanktionen gegen Drittländer und natürliche Personen sowie Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die niederländische Regierung mit Unterstützung Deutschlands und Frankreichs im November 2018 unter den EU-Mitgliedstaaten eine Diskussion über eine unionsweite Regelung für gezielte Sanktionen bei Menschenrechtsverletzungen anstieß, die weltweit angewendet werden soll; in der Erwägung, dass der Rat die Kommission am 10. Dezember 2018 beauftragte, Vorschläge für eine europäische Regelung für Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte vorzulegen;
B. in der Erwägung, dass Estland, Lettland, Litauen, das Vereinigte Königreich, Kanada und die Vereinigten Staaten „Magnitski-Gesetze“ verabschiedet haben, die es ihren Regierungen ermöglichen, gegen Personen, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen oder davon profitieren, gezielte Sanktionen wie Visumsperren und das Einfrieren von Vermögenswerten zu verhängen; in der Erwägung, dass das Parlament wiederholt die Einführung einer entsprechenden unionsweit geltenden Regelung gefordert hat;
C. in der Erwägung, dass die „Magnitski-Gesetze“ nach Sergei Magnitski, einem russischen Steuerexperten und Wirtschaftsprüfer, der 2009 in Untersuchungshaft in Russland getötet wurde, benannt wurden; in der Erwägung, dass Sergei Magnitski wegen erheblichen Steuererstattungsbetrugs in Bezug auf den russischen Staatshaushalt ermittelt hatte, der über den Missbrauch von Investitionsinstrumenten des Unternehmens von William Browder, einem Mandanten Magnitskis, von Straftätern begangen worden war, die von Absprachen mit korrupten Polizei- und Steuerbeamten profitierten;
D. in der Erwägung, dass gezielte Sanktionen normalen Bürgern keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten bereiten, sondern dass es dabei um die Rechenschaftspflicht von Einzelpersonen geht, die erwiesenermaßen unmittelbar für die zur Last gelegten Handlungen verantwortlich sind; in der Erwägung, dass viele Kritiker der Sanktionen in Kanada und anderswo schließlich mit dem Argument überzeugt werden konnten, dass man solchen Einzelpersonen im Grunde zu ihren strafbaren Handlungen Beihilfe leistet oder ihnen dabei hilft, von den Erträgen ihrer Straftaten zu profitieren, wenn man ihnen die Einreise in unsere Länder und die Nutzung unserer Einrichtungen, insbesondere von Banken, gestattet; in der Erwägung, dass diese Personen in den Worten der britischen Premierministerin Theresa May in unseren Ländern „nicht willkommen“ sind;
E. in der Erwägung, dass mithilfe derartiger Gesetze gegen Straflosigkeit und Korruption vorgegangen werden könnte, die als Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit angesehen werden; in der Erwägung, dass die Ausrichtung der Magnitski-Rechtsvorschriften auf die Bekämpfung von Korruption eine Rechtsgrundlage für die Erstellung schwarzer Listen von in Korruptionsfälle verwickelten Personen bieten würde; in der Erwägung, dass die Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche Ziele sind, denen in den Rechtsakten der Länder, die diesbezüglich bereits Rechtsvorschriften angenommen haben, eine genauso große Bedeutung eingeräumt wird wie dem Vorgehen gegen Menschenrechtsverletzungen;
F. in der Erwägung, dass es einigen einzelstaatlichen Strafverfolgungsbehörden nicht gelungen ist, die Urheber von Straftaten zur Rechenschaft zu ziehen; in der Erwägung, dass unionsweit geltende Regeln zu gezielten Sanktionen in solchen Fällen äußerst wirksam wären;
1. verurteilt sämtliche Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt aufs Schärfste; fordert die Kommission auf, vor dem Ende der laufenden Wahlperiode einen Legislativvorschlag für eine unionsweit geltende Regelung für Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte vorzulegen, in deren Rahmen Visumsperren und gezielte Sanktionen verhängt werden können, etwa das Einfrieren von Vermögensgegenständen und Vermögensinteressen im Hoheitsgebiet der EU bei einzelnen öffentlichen Bediensteten oder in amtlicher Eigenschaft handelnden Personen sowie staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren und Einrichtungen, die für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind;
2. ist fest davon überzeugt, dass eine solche Regelung eine sinnvolle Erweiterung des bestehenden Instrumentariums der EU für Menschenrechte und Außenpolitik darstellen und die Rolle der EU als weltweit auftretender Menschenrechtsakteur stärken würde, insbesondere, wenn es um die Bekämpfung von Straflosigkeit und Korruption, die als Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit angesehen werden, und um die Unterstützung von Opfern von Verstößen und von Menschenrechtsverteidigern auf der ganzen Welt geht;
3. betont, dass diese Regelung die Verhängung restriktiver Maßnahmen, insbesondere das Einfrieren von Vermögenswerten und EU-Einreiseverbote, gegen natürliche oder juristische Personen ermöglichen sollte, die für die Planung, Steuerung oder Begehung schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen oder entsprechender Verstöße verantwortlich sind, daran beteiligt waren oder diese unterstützt, finanziert oder dazu beigetragen haben; fordert daher nachdrücklich, dass eindeutig definiert wird, was als Verstoß gilt, um in der aktuellen Situation Abhilfe zu schaffen;
4. besteht darauf, dass Beschlüsse über die Aufnahme von natürlichen oder juristischen Personen in Listen und ihre Streichung daraus zur Gewährleistung einer gründlichen gerichtlichen Prüfung auf klaren und eindeutigen Kriterien beruhen und einen direkten Zusammenhang mit der verübten Straftat aufweisen sollten;
5. betont, dass alle Mitgliedstaaten die Anwendung von Sanktionen in der gleichen kohärenten Weise auslegen müssen; fordert die Mitgliedstaaten auf, zusammenzuarbeiten, um entsprechende Zielpersonen zu ermitteln, und zwar u. a. unter Nutzung der einschlägigen Mechanismen der Union und durch den Austausch von Informationen über Personen, die in Sanktionslisten aufgenommen wurden, und darüber, wieso die berechtigte Vermutung besteht, dass diese Personen für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind; betont, dass Sanktionen gegen Menschenhändler, die einen Nutzen aus Migrationsströmen ziehen, im Rahmen einer derartigen Regelung verhängt werden sollten;
6. fordert alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, „Magnitski-Gesetze“ zu erlassen; fordert alle Mitgliedstaaten auf, Visumsperren gegen Einzelpersonen zu verhängen, die in zuvor angenommenen „Magnitski-Gesetzen“ aufgeführt sind, um ein Zeichen der Solidarität mit diesen EU-Mitgliedstaaten zu setzen und um die EU auf eine Stufe mit ihren transatlantischen Partnern, nämlich den Vereinigten Staaten und Kanada, zu stellen, die bereits ähnliche Rechtsvorschriften erlassen haben;
7. fordert alle Mitgliedstaaten auf, die gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren angenommenen Beschlüsse des Rates über restriktive Maßnahmen gegen natürliche und juristische Personen umzusetzen, insbesondere im Hinblick auf das Einfrieren von Vermögenswerten von in Listen aufgeführten Einzelpersonen und die Beschränkungen der Einreise in ihre jeweiligen Hoheitsgebiete aufgrund von Menschenrechtsverletzungen;
8. betont, dass die strafrechtliche Verfolgung von Personen, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen haben, durch einzelstaatliche oder internationale Gerichte das vorrangige Ziel aller Bemühungen bleiben sollte, die die EU und ihre Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Straflosigkeit unternehmen; fordert den Rat auf, grenzüberschreitende Verletzungen in den Geltungsbereich dieser Regelung aufzunehmen;
9. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, verstärkt gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung vorzugehen, Steuerparadiesen in der EU ein Ende zu setzen, Justizreformen in Ländern zu unterstützen, deren Justizbehörden bei der Bekämpfung von Korruption nicht kooperieren, und – als vorbeugende Maßnahme – bei strafbaren Handlungen ausländischer korrupter Beamter und krimineller Regime keine Beihilfe zu leisten, indem diesen die Nutzung der Einrichtungen unserer Länder gestattet und ihnen dabei geholfen wird, von ihren unrechtmäßig erzielten Gewinnen zu profitieren;
10. fordert die Kommission auf, angemessene Ressourcen und Fachkenntnisse einzusetzen, um diese Regelung zu stärken und zu überwachen, sobald sie in Kraft ist, und der öffentlichen Kommunikation über die Listen sowohl in der EU als auch in den betroffenen Ländern besondere Aufmerksamkeit zu widmen;
11. unterstützt die Bemühungen zivilgesellschaftlicher Aktivisten um die Einführung einer solchen Regelung und plädiert dafür, dass über den Vorschlag diskutiert wird, gegebenenfalls einen unabhängigen beratenden Ausschuss auf EU-Ebene einzurichten;
12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Generalsekretär des Europarates zu übermitteln.
- [1] ABl. C 408 vom 30.11.2017, S. 43.
- [2] Angenommene Texte, P8_TA(2019)0115.
- [3] Angenommene Texte, P8_TA(2019)0157.
- [4] Angenommene Texte, P8_TA(2018)0515.
- [5] ABl. C 337 vom 20.9.2018, S. 82.