ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Patentierbarkeit von Pflanzen und im Wesentlichen biologischen Verfahren
16.9.2019 - (2019/2800(RSP))
gemäß Artikel 136 Absatz 5 der Geschäftsordnung
Jan Huitema, Hilde Vautmans, Liesje Schreinemacher, Karen Melchior, Frédérique Ries, Catherine Chabaud, Vlad-Marius Botoş, Jérémy Decerle, Ulrike Müller
im Namen der Renew-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0040/2019
B9-0047/2019
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Patentierbarkeit von Pflanzen und im Wesentlichen biologischen Verfahren
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 2015 zu Patenten und den Rechten von Pflanzenzüchtern[1],
– unter Hinweis auf die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen[2], insbesondere auf Artikel 4, wonach Erzeugnisse, die mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren gewonnen werden, nicht patentierbar sind,
– unter Hinweis auf das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) vom 5. Oktober 1973, insbesondere auf Artikel 53 Buchstabe b und Artikel 33 Buchstabe b,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 8. November 2016 über bestimmte Artikel der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen[3],
– unter Hinweis auf den Beschluss des Verwaltungsrates der Europäischen Patentorganisation vom 29. Juni 2017 zur Änderung der Regeln 27 und 28 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) (CA/D 6/17),
– unter Hinweis auf die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) in der Sache T 1063/18 über die Patentierbarkeit von Pflanzen vom 18. Dezember 2018, in der die Möglichkeit der Patentierung natürlicher Merkmale von Pflanzen festgestellt wird,
– unter Hinweis auf die Tatsache, dass der Präsident des EPA im März 2019 die Große Beschwerdekammer des EPA um ein endgültiges Urteil ersuchte, um diese Angelegenheit abzuschließen;
– unter Hinweis auf die zahlreichen anhängigen Sachen (etwa 250 Patentanmeldungen und vier Widersprüche), über die die Große Beschwerdekammer des EPA noch eine Entscheidung treffen muss;
– unter Hinweis auf die Ausführungsordnung zum EPÜ, insbesondere auf Regel 26, wonach für europäische Patentanmeldungen und Patente, die biotechnologische Erfindungen zum Gegenstand haben, die Richtlinie 98/44/EG als ergänzendes Auslegungsmittel heranzuziehen ist,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, insbesondere auf Artikel 15 Buchstaben c und d[4],
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Februar 2017 über die Patentierbarkeit von Pflanzen,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums einschließlich des Handels mit nachgeahmten Waren (TRIPS), insbesondere Artikel 27 Absatz 3,
– unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission zur Patentierbarkeit von Pflanzen und im Wesentlichen biologischen Verfahren (O‑000026/2019 – B9‑0051/2019),
– gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der barrierefreie Zugang zu Pflanzenmaterial für die Innovationsfähigkeit der Pflanzenzuchtunternehmen in der Union, deren weltweite Wettbewerbsfähigkeit und die Entwicklung neuer Sorten von wesentlicher Bedeutung ist;
B. in der Erwägung, dass der Zugang zu Grundressourcen in der Landwirtschaft eine wesentliche Voraussetzung für die Nahrungsmittelerzeugung, die Ernährungssicherheit in Europa und die Entscheidungsfreiheit der Landwirte und Züchter ist; in der Erwägung, dass barrierefreier Zugang zu Pflanzenmaterial eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung neuer Sorten ist, die in der Lage sind, landwirtschaftlichen Bedingungen, die sich infolge des Klimawandels verändern, standzuhalten;
C. in der Erwägung, dass Beschränkungen oder Versuche zur Behinderung des Zugangs zu genetischen Ressourcen zu einer übermäßigen Marktkonzentration im Bereich Pflanzenzucht führen können, was dem Wettbewerb auf dem Markt, den Verbrauchern und dem europäischen Binnenmarkt zum Nachteil gereicht;
D. in der Erwägung, dass Pflanzenzucht ein innovatives Verfahren ist, das seit der Entstehung der Landwirtschaft von Landwirten und bäuerlichen Gemeinschaften angewandt wird; in der Erwägung, dass nicht patentierte Sorten und Zuchtverfahren für die genetische Vielfalt wichtig sind;
E. in der Erwägung, dass Rechte des geistigen Eigentums von grundlegender Bedeutung sind, um wirtschaftliche Anreize für die Entwicklung neuer Pflanzenerzeugnisse aufrechtzuerhalten und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern;
F. in der Erwägung, dass in der Richtlinie 98/44/EG biotechnologische Erfindungen geregelt werden, insbesondere Gentechnik;
G. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrer Mitteilung vom 8. November 2016 eindeutig darauf hinwies, dass weder sie noch das Parlament jemals beabsichtigten zu gestatten, dass natürliche Merkmale, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren – etwa Kreuzung und Selektion – in Pflanzen eingeführt werden, patentiert werden;
H. in der Erwägung, dass durch Patente auf Erzeugnisse aus herkömmlicher Züchtung oder auf genetisches Material, das für die konventionelle Züchtung notwendig ist, die Ausnahme im Sinne von Artikel 53 Buchstabe b des EPÜ und Artikel 4 der Richtlinie 98/44/EG ausgehöhlt werden kann;
I. in der Erwägung, dass der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation am 29. Juni 2017 die Regeln 27 und 28 der Ausführungsordnung zum EPÜ[5] änderte und dabei bestätigte, dass Patente auf Pflanzen und Tiere verboten sind;
J. in der Erwägung, dass der Verwaltungsrat mit diesen neuen Regeln die europäische Patentpraxis mit der von der Kommission beigesteuerten Auslegung in Einklang gebracht hat; in der Erwägung, dass die Regeln von den 38 Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation fast einstimmig gebilligt wurden;
K. in der Erwägung, dass die neue Regel 28 Absatz 2 mit Artikel 53 Buchstabe b EPÜ im Einklang steht, da der Ausschluss im Wesentlichen biologischer Verfahren für die Pflanzenerzeugung vollkommen unwirksam gemacht würde, wenn Patente auf mittels solcher Verfahren gewonnene Erzeugnisse gestattet würden, womit die Absicht des Gesetzgebers, Patente aus herkömmlicher Züchtung auszuschließen, vereitelt und untergraben würde;
L. in der Erwägung, dass die neue Regel 28 Absatz 2 dem Wortlaut des EPÜ zu Klarheit verhilft, ohne es auszulegen oder ihm zu widersprechen, und darin eindeutig erklärt wird, dass auf Pflanzen und Tiere, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnen werden, keine Patente erteilt werden dürfen;
M. in der Erwägung, dass die Technische Beschwerdekammer des EPA am 5. Dezember 2018 erklärte, dass die neue Regel 28 Absatz 2 der Ausführungsordnung zum EPÜ für weitere Entscheidungen der Europäischen Patentorganisation nicht verbindlich sei, mit denen die Möglichkeit eingeräumt wird, auf Erzeugnisse aus im Wesentlichen biologischen Verfahren Patente zu erteilen[6];
N. in der Erwägung, dass der Präsident des EPA im März 2019 die Große Beschwerdekammer mit zwei Fragen zur Patentierbarkeit von mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren gewonnenen Pflanzen und Tieren befasste;
O. in der Erwägung, dass nach der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des EPA zahlreiche anhängige Sachen (etwa 250 Patentanmeldungen und vier Widersprüche) einer Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des EPA harren;
P. in der Erwägung, dass ein Grundprinzip des auf dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV-Übereinkommen) von 1991 beruhenden internationalen Sortenschutzes und der auf die Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates gestützten EU-Regelung besagt, dass der Inhaber eines Sortenschutzrechts andere nicht daran hindern kann, eine patentrechtlich geschützte Pflanze für weitere Züchtungen zu verwenden;
1. bekräftigt, dass mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren gewonnene Pflanzen nicht patentierbar sind;
2. vertritt die Auffassung, dass durch Versuche, Erzeugnisse aus herkömmlicher Züchtung oder genetisches Material, das für die konventionelle Züchtung notwendig ist, patentieren zu lassen, die Ausnahme im Sinne von Artikel 53 Buchstabe b EPÜ und Artikel 4 der Richtlinie 98/44/EG ausgehöhlt wird;
3. ist zutiefst besorgt darüber, dass in der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des EPA vom 5. Dezember 2018 zur Patentierbarkeit von Pflanzen (T 1063/18) die Möglichkeit festgestellt wurde, dass Patente auf natürliche Merkmale erteilt werden, die mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren wie Kreuzung und Selektion in neue Sorten eingebracht werden;
4. fordert die Kommission auf, die angebrachten Bemerkungen und Erklärungen einzureichen, um in der Großen Beschwerdekammer des EPA zu bekräftigen, dass Erzeugnisse, die mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren wie etwa Kreuzung und Selektion gewonnen werden – etwa natürliche Merkmale, die mittels solcher Verfahren in Pflanzen eingebracht werden –, nicht patentierbar sein sollten;
5. fordert die Kommission auf, die Innovationsfähigkeit der Pflanzenzüchtungsunternehmen in der Union und das allgemeine öffentliche Interesse in der Großen Beschwerdekammer des EPA zu schützen und dem Parlament regelmäßig über die jüngsten Entwicklungen Bericht zu erstatten;
6. fordert die Große Beschwerdekammer des EPA auf, im Interesse der Nutzer des europäischen Patentsystems und der Öffentlichkeit die Rechtssicherheit wiederherzustellen;
7. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Union auch künftig den garantierten Zugang zu und die Verwendung von Material, das mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren gewonnen wurde, für die Pflanzenzucht aufrechterhält, damit – falls anwendbar – die Praxis der Gewährung der Ausnahme für Züchter fortgeführt werden kann;
8. fordert die Mitgliedstaaten auf, die politische Botschaft auszusenden, dass die innerstaatlichen Patentbehörden der EU keine Patente auf Erzeugnisse erteilen dürfen, die mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren gewonnen werden;
9. fordert die Kommission auf, bei der Aushandlung von Handels- und Partnerschaftsabkommen bei Drittländern konkret dafür einzutreten, dass im Wesentlichen biologische Verfahren und mittels derartiger Verfahren gewonnene Erzeugnisse von der Patentierbarkeit ausgeschlossen bleiben;
10. fordert die Kommission auf, über die Entwicklung und die Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Bio- und Gentechnologie Bericht zu erstatten, wie es gemäß Artikel 16 Buchstabe c der Richtlinie 98/44/EG vorgeschrieben ist und es das Parlament in seiner Entschließung vom 17. Dezember 2015 zu Patenten und den Rechten von Pflanzenzüchtern gefordert hat;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und dem Europäischen Patentamt zu übermitteln.