ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu den laufenden Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean
18.11.2019 - (2019/2832(RSP))
gemäß Artikel 136 Absatz 5 der Geschäftsordnung
Tomas Tobé
im Namen des Entwicklungsausschusses
B9-0175/2019
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den laufenden Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, das am 23. Juni 2000 in Cotonou unterzeichnet wurde („Cotonou-Abkommen“)[1], und auf seine überarbeiteten Fassungen von 2005 und 2010[2],
– unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission vom 12. Dezember 2017 für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Ländern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean[3],
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 4. Oktober 2016 zur Zukunft der Beziehungen zwischen den AKP-Staaten und der EU nach 2020[4] und vom 14. Juni 2018 zu den anstehenden Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean[5],
– unter Hinweis auf die Anfrage an den Rat und die Kommission zu den laufenden Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (O-000000/2019 – B9-0000/2019),
– gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Entwicklungsausschusses,
A. in der Erwägung, dass die Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean noch laufen und voraussichtlich länger dauern werden als ursprünglich geplant;
B. in der Erwägung, dass die Stärke des Cotonou-Abkommens sowie sein Besitzstand auf einer Reihe von einzigartigen Merkmalen beruhen, die aufrechterhalten und gestärkt werden müssen;
C. in der Erwägung, dass die Beziehungen zwischen den AKP-Staaten und der EU gerade zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem das multilaterale System unter Druck steht und in Frage gestellt wird, von großer Bedeutung sind; in der Erwägung, dass das Cotonou-Abkommen aufgrund der Zahl der Staaten, die es vereint, sowie des Inhalts und der Struktur der Partnerschaft ein wesentliches Instrument des multilateralen Systems ist und dass die Präsenz und Sichtbarkeit der Partnerschaft innerhalb der Vereinten Nationen und anderer globaler Foren verbessert werden müssen; in der Erwägung, dass die internationale Gemeinschaft im Jahr 2015 grundlegende globale Verpflichtungen im Rahmen der Agenda 2030 und der Ziele für nachhaltige Entwicklung, des Übereinkommens von Paris und der Agenda von Addis Abeba eingegangen ist und dass die Zusammenarbeit zwischen den AKP-Staaten und der EU bei der Verwirklichung dieser globalen Ziele entscheidend sein wird;
D. in der Erwägung, dass die Stärkung der parlamentarischen Dimension zwischen der EU und der AKP-Gruppe im Wege der Verbesserung ihrer Effektivität und Repräsentativität ein Schlüsselelement der neuen AKP-EU-Partnerschaft sein sollte;
E. in der Erwägung, dass die Häufigkeit und Vielfalt der Sitzungen der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU (im Folgenden „PPV AKP-EU“) im Laufe der Jahre einen kohärenten Dialog ermöglicht und dadurch wirksam zur Stärkung der parlamentarischen Diplomatie beigetragen hat; in der Erwägung, dass das derzeitige internationale Umfeld die AKP-Staaten und die EU veranlassen sollte, diesen parlamentarischen Dialog fortzusetzen und seine Wirksamkeit zu verbessern;
1. begrüßt die bei den Verhandlungen über die strategischen Prioritäten des Grundlagenteils und der Arbeit an den Regionalprotokollen bislang erzielten Fortschritte;
2. nimmt zur Kenntnis, dass mehr Zeit benötigt werden wird, um die verbleibenden Teile des Abkommens auszuhandeln, und dass die Verhandlungen nicht wie ursprünglich vorgesehen bis Ende Oktober 2019 abgeschlossen worden sind;
3. begrüßt mit Blick auf das Auslaufen des Cotonou -Abkommens im Februar 2020 den Beschluss des AKP-EU-Ministerrates, dem AKP-EU-Botschafterausschuss die Befugnis zu übertragen, Übergangsmaßnahmen bis zum Inkrafttreten der neuen AKP-EU-Partnerschaft zu erlassen;
4. bekräftigt nachdrücklich den Standpunkt, den es in seinen beiden im Oktober 2016 bzw. im Juni 2018 angenommenen Entschließungen zu der Zeit nach dem Auslaufen des Cotonou-Abkommens zum Ausdruck gebracht hat, und ist der Ansicht, dass einige wesentliche Aspekte des Cotonou-Abkommens nachdrücklich bekräftigt werden müssen, damit sie während der verbleibenden Verhandlungen in vollem Umfang berücksichtigt werden können;
5. bekräftigt, wie wichtig es ist, die parlamentarische Dimension des künftigen Abkommens zu stärken, was die Sicherstellung einer demokratischen Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen erfordert; betont, dass der institutionelle Rahmen eine PPV AKP-EU umfassen sollte; ist der Ansicht, dass diese Forderung nicht verhandelbar ist, wenn das Europäische Parlament dem künftigen Abkommen zustimmen soll;
6. weist darauf hin, dass der PPV AKP-EU eine wichtige Rolle zukommt, wenn es darum geht, die demokratische Kontrolle des künftigen Abkommens sicherzustellen, und bekräftigt seine Forderungen nach einer Stärkung der Beratungs- und Kontrollfunktion der PPV; ist überzeugt, dass regelmäßige Treffen auf der Ebene der AKP-Staaten und der EU erforderlich sind, um eine starke Partnerschaft sicherzustellen;
7. vertritt die Auffassung, dass die PPV AKP-EU bei der Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung und der Bewertung der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung eine Schlüsselrolle einnimmt; ist überzeugt, dass die PPV einen Beitrag zum Austausch über globale Herausforderungen wie Menschenrechte, Demokratie, verantwortungsvolle Staatsführung, Gleichstellung der Geschlechter, Frieden und Sicherheit sowie Klima, Umwelt und biologische Vielfalt leistet;
8. bekräftigt sein Bekenntnis zum Multilateralismus und fordert insbesondere im Rahmen der PPV eine Abstimmung mit dem Ziel, in den internationalen Foren eine zwischen der EU und den AKP-Staaten abgestimmte Position zu vertreten; betont, dass im Vorfeld der multilateralen Verhandlungen weiterhin mit anderen internationalen Partnern sowie mit der Zivilgesellschaft zusammengearbeitet werden muss;
9. ist der Ansicht, dass sich die PPV aus der jeweils gleichen Anzahl von Vertretern der EU und der AKP-Staaten zusammensetzen und zweimal jährlich im Plenum zusammentreten sollte, und zwar abwechselnd in der Europäischen Union und in einem AKP-Staat;
10. betont, dass die parlamentarischen Ausschüsse für die Regionalpartnerschaft einmal jährlich in jeder Region zusammenkommen müssen und nicht davon abhängig sein sollten, dass der Ministerrat für die Regionalpartnerschaft zusammentritt; betont ferner, dass die Regionalisierung der Partnerschaft AKP-EU im Rahmen des neuen Abkommens, das als Anreiz für eine verstärkte regionale Integration zwischen den AKP-Staaten gedacht ist, nicht zulasten der übergeordneten gemeinsamen Ziele des Abkommens erfolgen sollte;
11. weist erneut darauf hin, dass einige der einzigartigen Merkmale des Cotonou-Abkommens – und zwar die Achtung der Menschenrechte, die Demokratie, die Grundfreiheiten, die verantwortungsvolle Staatsführung und die Rechtsstaatlichkeit – beibehalten und gestärkt werden müssen;
12. beharrt darauf, dass das neue Abkommen die Idee einer gleichberechtigten Partnerschaft weiter stärken und gleichzeitig den jeweiligen Besonderheiten sowie der Zusammenarbeit zwischen den AKP-Staaten und der EU als vereinte und sich gegenseitig unterstützende Partner innerhalb des multilateralen Systems Rechnung tragen sollte; weist darauf hin, dass es das neue Abkommen daher ermöglichen muss, die einfache Geber-Empfänger-Beziehung hinter sich zu lassen;
13. weist erneut darauf hin, wie wichtig der politische Dialog sowohl zur Verteidigung der gemeinsamen Werte als auch als fester Bestandteil der Partnerschaft ist, und fordert, dass der politische Dialog systematisch sowie wirksamer und auf proaktivere Weise zur Verhütung politischer Krisen eingesetzt wird;
14. bedauert, dass der Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft in einigen Ländern immer kleiner wird, und bekräftigt, dass das künftige Abkommen eine stärkere Rolle der Zivilgesellschaft – einschließlich nichtstaatlicher Organisationen, Menschenrechtsgruppen, kommunaler Gruppen, Diasporagemeinschaften, Kirchen, religiöser Vereinigungen und Gemeinschaften und Vertreter von jungen Menschen und Frauen, die sich insbesondere für den Schutz der Interessen von Menschen mit Behinderungen einsetzen, sowie sozialer Bewegungen und Gewerkschaften, indigener Bevölkerungsgruppen und Stiftungen sowie Vertretungen schutzbedürftiger und ausgegrenzter Bevölkerungsgruppen, die diskriminiert werden – vorsehen sollte, und dass dies im politischen Dialog und auf allen Ebenen verwirklicht werden sollte;
15. fordert, dass die Beseitigung von Armut und die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung im Einklang mit dem Grundsatz, dass niemand zurückgelassen wird, die übergeordneten Ziele der Zusammenarbeit zwischen den AKP-Staaten und der EU darstellen; weist erneut darauf hin, dass die Bekämpfung von Ausgrenzung, Diskriminierung und Ungleichheiten im Mittelpunkt dieses Abkommens stehen muss;
16. weist erneut darauf hin, dass der Teil des künftigen Abkommens über Menschenrechte ausdrückliche Formulierungen zur Bekämpfung von Diskriminierung aus jeglichem Grund, einschließlich der sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität, sowie zur Bekämpfung der Diskriminierung von Kindern, Migranten, älteren Menschen oder Menschen mit Behinderungen enthalten sollte;
17. betont, wie wichtig die Gleichstellung der Geschlechter und die Teilhabe von Frauen als Triebkräfte für Entwicklung sind, und fordert die EU und die AKP-Staaten auf, die Gleichstellung der Geschlechter als Querschnittsthema in das Abkommen aufzunehmen; betont, wie wichtig es ist, dass die Parteien sich zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und den damit verbundenen Rechten bekennen und sich zur vollständigen Umsetzung des Aktionsprogramms der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung verpflichten;
18. erwartet, dass die EU den politischen Maßnahmen und Herausforderungen ihrer Partnerländer bei der Zuweisung von Finanzhilfen gebührend Rechnung trägt, insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass die meisten Migrationsbewegungen zwischen den AKP-Staaten selbst stattfinden; bekräftigt, dass mit dem künftigen Abkommen die Aufnahmegemeinschaften, die mit großen Zahlen von Vertriebenen konfrontiert sind, unterstützt werden müssen und auf umfassende und rechtebasierte Weise gegen die Ursachen von Vertreibung vorgegangen werden muss;
19. begrüßt, dass die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung als wesentliches Ziel des künftigen Abkommens angesehen wird, und bekräftigt seine Forderung nach der Schaffung starker Überwachungsmechanismen, um sicherzustellen, dass die Umsetzung des Abkommens wirksam zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung beiträgt und sie fördert; betont, dass Querschnittsthemen wie ökologische Nachhaltigkeit, Klimaschutzziele, geschlechterspezifische Fragen und soziale Gerechtigkeit bei sämtlichen Maßnahmen, Plänen und Interventionen im Rahmen des künftigen Abkommens durchgängig berücksichtigt und in diese eingebunden werden müssen;
20. bekräftigt, dass das zentrale Ziel der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) in der Förderung der langfristigen Entwicklung und der regionalen Integration besteht; hebt hervor, dass Handelsabkommen die nachhaltige Entwicklung sowie die Menschenrechte fördern sollten, und beharrt darauf, dass diese Aspekte integraler Bestandteil des künftigen Abkommens sein sollten;
21. fordert, dass durchsetzbare Bestimmungen über nachhaltige Entwicklung und Menschenrechte systematisch in alle derzeit ausgehandelten und künftigen WPA einbezogen werden und dass die Auswirkungen der WPA auf die lokalen Volkswirtschaften und den intraregionalen Handel eingehend analysiert werden, um den Bedenken, was die Umsetzung der WPA im Hinblick auf die regionale Integration und Industrialisierung betrifft, Rechnung zu tragen;
22. ist der Ansicht, dass die Umsetzung der Agenda 2030 und der Ziele für nachhaltige Entwicklung eine starke Beteiligung der lokalen Behörden und der nichtstaatlichen Akteure erfordert, damit die demokratische Eigenverantwortung gestärkt wird; ist der Ansicht, dass für die Verwirklichung dieses Ziels ein Mechanismus der gegenseitigen Beobachtung, Rechenschaftspflicht und Überprüfung zwischen den AKP-Staaten und der EU wertvoll wäre, in den Vertreter von nationalen, regionalen und lokalen Behörden, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft einbezogen werden, die für die Ausarbeitung jährlicher Schlussfolgerungen und Empfehlungen für Folgemaßnahmen zuständig sind,
23. bekräftigt, dass im künftigen Abkommen klare Bestimmungen enthalten sein müssen, durch die die Rolle und die Verantwortlichkeiten des Privatsektors geregelt werden; betont insbesondere, dass an Entwicklungspartnerschaften beteiligte Unternehmen während der gesamten Laufzeit der Projekte die Grundsätze der sozialen Verantwortung der Unternehmen befolgen müssen, auch indem dem Globalen Pakt der Vereinten Nationen, den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation, den Umweltnormen und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption Rechnung getragen wird;
24. fordert die Verhandlungsparteien erneut auf, ehrgeizige Bestimmungen zur Bekämpfung von illegalen Finanzströmen und Steuerhinterziehung in das neue Abkommen aufzunehmen und finanzielle und technische Hilfe für Entwicklungsländer bereitzustellen, damit sie neue globale Standards bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung einhalten können, darunter der automatische Informationsaustausch sowie Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen und über öffentliche länderbezogene Berichterstattung über multinationale Unternehmen, um die Aushöhlung der Bemessungsgrundlage sowie Gewinnverlagerungen auf der Grundlage der G20- und OECD-Modelle zu beenden;
25. bekräftigt, dass es nicht mit den vereinbarten Grundsätzen einer wirkungsvollen Entwicklungszusammenarbeit vereinbar ist, wenn Hilfszuweisungen von der Zusammenarbeit mit der EU bei Migrationsfragen abhängig gemacht werden;
26. verweist darauf, dass das Europäische Parlament im Einklang mit Artikel 218 Absatz 10 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in allen Phasen des Verhandlungsverfahrens unverzüglich und umfassend unterrichtet werden muss, und bekräftigt, dass verbesserte praktische Regelungen für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch während des gesamten Lebenszyklus von internationalen Abkommen vereinbart werden müssen;
27. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem AKP-Ministerrat, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Kommission der Afrikanischen Union, dem Panafrikanischen Parlament und dem Präsidium der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU zu übermitteln.
- [1]ABl. L 317 vom 15.12.2000, S. 3.
- [2] ABl. L 287 vom 4.11.2010, S. 3.
- [3] COM(2017)0763.
- [4] ABl. C 215 vom 19.6.2018, S. 2.
- [5] Angenommene Texte, P8_TA(2018)0267.