Entschließungsantrag - B9-0183/2019Entschließungsantrag
B9-0183/2019

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu aktuellen Maßnahmen der Russischen Föderation gegen litauische Richter, Staatsanwälte und Ermittler, die an der Untersuchung der tragischen Ereignisse vom 13. Januar 1991 in Vilnius beteiligt waren

25.11.2019 - (2019/2938(RSP))

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Sergey Lagodinsky, Bronis Ropė
im Namen der Verts/ALE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0182/2019

Verfahren : 2019/2938(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B9-0183/2019
Eingereichte Texte :
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B9-0183/2019

Entschließung des Europäischen Parlaments zu aktuellen Maßnahmen der Russischen Föderation gegen litauische Richter, Staatsanwälte und Ermittler, die an der Untersuchung der tragischen Ereignisse vom 13. Januar 1991 in Vilnius beteiligt waren

(2019/2938(RSP))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Russland, der Einmischung aus dem Ausland und zu den Beziehungen EU-Russland, insbesondere seine Entschließung vom 12. März 2019[1],

 unter Hinweis auf die unlängst abgehaltene Aussprache im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vom 12. November 2019[2],

 gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere deren Artikel 49,

 unter Hinweis auf die Grundprinzipien der Unabhängigkeit der Richterschaft, die in der Resolution 40/32 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 29. November 1985 und der Resolution 40/146 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 1985 verabschiedet wurden,

 unter Hinweis auf die Empfehlung CM/Rec(2010)12 des Ministerkomitees des Europarates zu dem Thema „Richter: Unabhängigkeit, Leistungsfähigkeit und Verantwortlichkeit“,

 gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass das Bezirksgericht Vilnius am 27. März 2019 in der als Rechtssache „13. Januar“ bezeichneten Rechtssache ein Urteil erließ, in dem 67 russische, belarussische und ukrainische Staatsbürger, darunter ehemalige hochrangige Amtsträger der UdSSR, wegen ihrer Mitwirkung an der am 13. Januar 1991 in Vilnius durchgeführten sowjetischen Aggression schuldig gesprochen wurden; in der Erwägung, dass bis auf zwei Angeklagte, bei denen es sich um ehemalige Offiziere der Sowjetarmee handelt, alle Angeklagten in Abwesenheit zu Haftstrafen von bis zu 14 Jahren verurteilt wurden; in der Erwägung, dass gegen diese Schuldsprüche derzeit Rechtsmittel anhängig sind;

B. in der Erwägung, dass die Schuldsprüche die tragischen Ereignisse im Anschluss an die Unabhängigkeitserklärung Litauens vom 11. März 1990 und den Einsatz militärischer Gewalt durch die UdSSR gegen Demonstranten der Unabhängigkeitsbewegung betreffen, die gewaltlos versuchten, den Sitz des staatlichen Fernsehens und den Fernsehturm in Vilnius zu verteidigen; in der Erwägung, dass die Intervention der UdSSR zum Tod von 14 Demonstranten und über 800 Verletzten geführt hat;

C. in der Erwägung, dass die russischen und belarussischen Staatsorgane die Zusammenarbeit verweigerten bzw. sich während der vorgerichtlichen Ermittlungen weigerten, auf Rechtshilfeersuchen Litauens zu reagieren;

D. in der Erwägung, dass das Untersuchungskomitee der Russischen Föderation zwischen Juli 2018 und April 2019 strafrechtliche Verfahren gegen die litauischen Richter, Staatsanwälte und Ermittler, die an der Untersuchung bzw. dem Urteil in der Rechtssache „13. Januar“ beteiligt waren, einleitete und sich dabei auf Artikel 299 und 305 des Strafgesetzbuchs der Russischen Föderation stützte, wonach strafrechtlich belangt werden kann, wer eine offensichtlich unschuldige Person strafrechtlich zur Verantwortung zieht bzw. ein unrechtmäßiges Gerichtsurteil erlässt; in der Erwägung, dass die Staatsorgane Russlands womöglich versuchen, internationale Haftbefehle gegen die angeschuldigten litauischen Amtsträger zu erwirken;

E. in der Erwägung, dass die EU eine Gemeinschaft ist, die auf einer Reihe gemeinsamer Werte beruht, zu denen Frieden, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Grund- und Menschenrechte zählen; in der Erwägung, dass diese Werte die Grundlage der Beziehungen der EU zu Dritten bilden; in der Erwägung, dass Litauen ein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und voll und ganz im Einklang mit dem Völkerrecht handelt, wenn es nach Maßgabe des Territorialitätsprinzips die Strafgerichtsbarkeit ausübt;

F. in der Erwägung, dass Russland immer häufiger das Völkerrecht verletzt und gegen seine Verpflichtungen verstößt und dass es den gutnachbarlichen Beziehungen zuwiderhandelt; in der Erwägung, dass die derzeitigen anhaltenden Spannungen und Konfrontationen zwischen der EU und Russland im Interesse keiner der beiden Parteien liegen;

G. in der Erwägung, dass die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz das Herzstück einer gewappneten demokratischen Gesellschaft bilden;

1. bekundet den von den Staatsorganen Russlands unrechtmäßig angeschuldigten litauischen Amtsträgern und Richtern seine Solidarität und unterstützt die Regierung Litauens in ihrem Bestreben, die Aufmerksamkeit auf diesen Fall zu lenken sowie den Schaden zu begrenzen und die Gefahr abzuwenden, der bzw. die jenen drohen, gegen die die Staatsorgane Russlands ermitteln;

2. betont, dass Gerichte in ihnen vorliegenden Rechtssachen unparteiisch entscheiden müssen, und zwar auf der Grundlage von Tatsachen und in Übereinstimmung mit dem Gesetz und ohne Einschränkungen, unzulässige Einflussnahme, Anreize, Druckmittel, Bedrohungen oder Einmischungen – unabhängig davon, ob dies direkt oder indirekt geschieht und durch welche Partei und aus welchem Grund auch immer dies erfolgt;

3. verurteilt die Handlungen der Staatsorgane Russlands als unrechtmäßig und als unvereinbar mit der Rechtsstaatlichkeit und erachtet sie als Eingriff in die Unabhängigkeit der litauischen Justiz; fordert die Staatsorgane Russlands auf, die Anklagen fallenzulassen und davon abzusehen, in diesem Fall – sei es über Interpol oder bilateral – internationale Haftbefehle zu beantragen;

4. legt der EU nahe, Russland auch künftig regelmäßig aufzufordern, alle mit internationalen Normen unvereinbaren Gesetze aufzuheben oder zu ändern; fordert Russland auf, die strafrechtliche Verfolgung ausländischer Staatsangehöriger umgehend einzustellen, sofern die strafrechtliche Verfolgung internationalen Rechtsvorschriften widerspricht; erachtet es als sehr wichtig, dass die EU und Russland in einer auf Regeln beruhenden Weltordnung zusammenarbeiten;

5. fordert die Mitgliedstaaten auf, auf der Ebene der EU in Bezug auf ihre Politik gegenüber Russland uneingeschränkt zusammenzuarbeiten, da mehr Geschlossenheit und bessere Abstimmung unentbehrlich sind, wenn die Politik der EU mehr Wirkung zeitigen soll, größere Anstrengungen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit zu unternehmen, und auf praktische Lösungen zur Unterstützung und Stärkung demokratischer Prozesse und einer unabhängigen Justiz hinzuarbeiten; erwartet, dass alle Organe der EU und alle Mitgliedstaaten diesen Fall in ihrem Austausch mit den Staatsorganen Russlands zur Sprache bringen;

6. fordert die Vizepräsidentin und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, dafür zu sorgen, dass diese Fälle allen Mitgliedstaaten in vollem Umfang bekannt sind und in der Tagung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) zur Sprache gebracht werden und dass den Staatsorganen Russlands in diesem wie auch in weiteren ähnlich gelagerten Fällen die Geschlossenheit und Solidarität der Europäischen Union zur Kenntnis gebracht wird;

7. fordert alle Mitgliedstaaten der EU und die sonstigen Unterzeichnerstaaten der Interpol-Statuten auf, sämtliche internationalen Haftbefehle gegen die angeschuldigten litauischen Amtsträger zu ignorieren, und fordert Interpol auf, sämtliche von Russland gestellten Anträge auf solche Haftbefehle außer Acht zu lassen;

8. fordert alle Mitgliedstaaten der EU auf, davon abzusehen, personenbezogene Daten an Russland zu übermitteln, die in strafrechtlichen Verfahren gegen litauische Richter, Staatsanwälte und Ermittler verwendet werden könnten;

9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär des Europarates sowie dem Präsidenten, der Regierung und der Staatsduma der Russischen Föderation und Interpol zu übermitteln.

 

Letzte Aktualisierung: 27. November 2019
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