ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu Maßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen der WTO-Entscheidung im Airbus-Streit auf die europäische Landwirtschaft
25.11.2019 - (2019/2895(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Benoît Biteau
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
B9-0204/2019
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Maßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen der WTO-Entscheidung im Airbus-Streit auf die europäische Landwirtschaft
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Entscheidung des Schiedsgremiums der Welthandelsorganisation (WTO) im Airbus-Subventionsstreit (DS316) vom 2. Oktober 2019, mit der US-Gegenmaßnahmen gegen EU-Ausfuhren im Wert von 7,5 Mrd. USD (6,8 Mrd. EUR) genehmigt wurden,
– unter Hinweis auf den förmlichen Beschluss des Streitbeilegungsgremiums der WTO vom 14. Oktober 2019, in dem grünes Licht für diese Sanktionen gegeben wurde,
– unter Hinweis auf die Entscheidung der USA, ab dem 18. Oktober 2019 einen neuen Ad-valorem-Zoll in Höhe von 25 % auf einige landwirtschaftliche Erzeugnisse und in Höhe von 10 % auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse einzuführen,
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass 2018 7,0 % der von der EU-28 ausgeführten Waren auf landwirtschaftliche Erzeugnisse entfielen[1]; in der Erwägung, dass in Bezug auf den Wert die wichtigste Kategorie der ausgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse Getränke, Spirituosen und Essig waren, deren Ausfuhren sich auf 31 Mrd. EUR beliefen[2];
B. in der Erwägung, dass die USA das wichtigste Ziel von Agrarausfuhren der EU-28 sind, die sich im Jahr 2018 auf 22,3 Mrd. EUR beliefen[3]; in der Erwägung, dass diese Ausfuhren dazu beitragen, eine positive Bilanz im Handel mit den USA aufrechtzuerhalten; in der Erwägung, dass diese Ausfuhren 16,2 % des gesamten Extra-EU-Handels mit Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen ausmachen;
C. in der Erwägung, dass Agrar- und Lebensmittelausfuhren der EU im Wert von 4,3 Mrd. EUR (60 % des Gesamtwerts der Gegenmaßnahmen) von den neuen Zöllen betroffen sein werden, die eine Höhe von 1,1 Mrd. EUR erreichen werden;
D. in der Erwägung, dass das Vereinigte Königreich, Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland und Irland in dieser Reihenfolge die am stärksten von der Entscheidung der USA betroffenen Länder sind, aus denen 97 % der gesamten Ausfuhren stammen, für die die neuen Zölle gelten; in der Erwägung, dass auch die Agrar- und Lebensmittelsektoren anderer EU-Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft gezogen werden;
E. in der Erwägung, dass die wichtigsten Agrarerzeugnisse, die von den WTO-Sanktionen betroffen sind, hochwertige EU-Erzeugnisse sein werden (Scotch-Whisky, Wein und Milchprodukte wie Butter und Käse sowie Olivenöl);
F. in der Erwägung, dass Landwirte und Unternehmer in der Agrar- und Lebensmittelkette Opfer eines Handelskonflikts sind, dessen Ursache in einem transatlantischen Konflikt über Industriesubventionen für Airbus und Boeing liegt; in der Erwägung, dass einige der Mitgliedstaaten, die von den Sanktionen betroffen sind, wie etwa Italien und Irland, nicht einmal dem Airbus-Konsortium angehören;
G. in der Erwägung, dass die Entscheidung der USA für einige Sektoren, wie etwa den Olivenölsektor, die ohnehin schon fragile Lage des Binnenmarkts weiter schwächen wird und dass für einige Sektoren, die bereits gut funktionieren, wie etwa Wein, die Gefahr besteht, dass sie schwerwiegende Störungen des Marktes insgesamt verursacht;
H. in der Erwägung, dass die Gegenmaßnahmen der USA die Instabilität des EU-Binnenmarkts verstärken werden, der bereits mit den Störungen des russischen Embargos zurechtkommen muss und auf dem man sich auf die wirtschaftlichen Folgen eines potenziellen Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU vorbereiten muss;
I. in der Erwägung, dass der derzeitige Schwerpunkt der Ausfuhren der EU zu einer systematischen Überproduktion und niedrigen Preisen ab Hof führt, die erheblich zu der anhaltenden Instabilität in bestimmten Sektoren beitragen;
J. in der Erwägung, dass im Programmplanungszeitraum 2014–2018 mehr als 1 094 Mio. EUR für die Absatzförderung im Rahmen nationaler Stützungsprogramme für den Weinsektor vorgesehen waren[4], was 18 % der Mittelausstattung entspricht; in der Erwägung, dass Medienberichten zufolge ein erheblicher Anteil der GAP-Ausgaben im Wege von Absatzförderungskampagnen zur Unterstützung der von großen multinationalen Unternehmen in Drittländern durchgeführten Werbemaßnahmen verwendet wird;
K. in der Erwägung, dass bei der Ausarbeitung und Umsetzung einer kohärenten Agrar- und Lebensmittelpolitik die menschliche Gesundheit als ein Schlüsselfaktor berücksichtigt werden sollte und bei der Gestaltung sämtlicher Werbemaßnahmen, bei denen EU-Mittel eingesetzt werden, ernährungsbezogene Verbesserungen, die von Bedeutung für den europäischen Raum sind, in dem schlechte Ernährung, Übergewicht und Fettleibigkeit zu den wichtigsten Gesundheitsbedenken zählen und ernährungsbedingte nicht übertragbare Erkrankungen immer häufiger auftreten, berücksichtigt werden sollten[5];
L. in der Erwägung, dass sich der EU-Agrarhandel in bestimmten Aspekten vom Handel in anderen Sektoren unterscheidet, insbesondere weil angemessene Ernährung ein im Völkerrecht verankertes Recht ist[6] und weil Agrarausfuhren und -einfuhren derzeit auch den Handel mit sowie den Transport von lebenden Tieren umfassen, die als fühlende Wesen anerkannt sind;
1. betont, dass diese Zölle negative Auswirkungen auf die betroffenen Mitgliedstaaten und Erzeugnisse sowie negative Auswirkungen auf die Beschäftigung in der Agrar- und Lebensmittelkette und im EU-Agrarsektor insgesamt haben werden, was sich auch auf die Landwirte und deren Familien negativ auswirken wird;
2. bedauert, dass die USA nicht auf die Bemühungen der EU eingegangen sind, rechtzeitig vor der Anwendung der Zölle eine Verhandlungslösung zu finden, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, sich weiterhin um eine rasche Lösung und den Abbau der Handelsspannungen zwischen den beiden Parteien zu bemühen;
3. fordert die Kommission auf, den EU-Markt entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette genau zu überwachen, um Störungen festzustellen, die sich aus der Anwendung dieser Sanktionen und der Ausstrahlungswirkung von Erzeugnissen, die vom Markt verdrängt wurden, auf die Lebensmittelversorgungskette ergeben;
4. fordert die Kommission nachdrücklich auf, im Einklang mit den WTO-Regeln geeignete GAP-Instrumente und einschlägige Maßnahmen zur Bewältigung von Störungen im Binnenmarkt zu nutzen, und zwar sowohl im Wege der zügigen Umsetzung der in der Verordnung über die einheitliche GMO[7] vorgesehenen Mechanismen zur Marktregulierung als auch im Wege eines langfristigen Wandels hin zu einer Produktion, die an der Nachfrage in der EU ausgerichtet ist;
5. fordert die Kommission nachdrücklich auf, ausgehend von ihrer Überwachung des EU-Marktes die Mobilisierung der Krisenreserve zur Unterstützung der betroffenen Landwirte in Betracht zu ziehen;
6. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, im Einklang mit den WTO-Regeln geeignete GAP-Instrumente und einschlägige nationale Instrumente zu nutzen, um die betroffenen Landwirte und Landarbeiter zu unterstützen, und – sofern die Kriterien erfüllt sind – die Mobilisierung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zu beantragen;
7. weist erneut darauf hin, dass Instrumente zur Marktregulierung rechtzeitig genutzt werden müssen, damit das Angebot in der EU besser überwacht und besser auf die Nachfrage in der EU abgestimmt werden kann;
8. verweist darauf, dass die Preise in mehreren Sektoren dauerhaft unter den Produktionskosten liegen und sich die betreffenden Sektoren daher in einer dauerhaft fragilen Lage befinden; betont, dass die Gefahr besteht, dass sich die Instabilität weiter verschärft, wenn ein Schwerpunkt auf Ausfuhren in Außenmärkte gelegt wird;
9. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, kürzeren Lieferketten sowie der lokalen und regionalen Produktion Vorrang einzuräumen und insbesondere Unterstützungs- und Beratungsdienste anzubieten, um die Landwirte bei der Diversifizierung der Produktion und der Entwicklung kurzer Lieferketten zu unterstützen;
10. fordert die Mitgliedstaaten, die dem Airbus-Konsortium angehören, auf, mittels der Umsetzung von Maßnahmen für Solidarität zwischen dem Luftfahrtsektor und denjenigen im Agrarsektor, die von den Gegenmaßnahmen der USA betroffen sind, zu sorgen und Letztere finanziell zu unterstützen;
11. vertritt die Ansicht, dass EU-finanzierte Absatzförderungskampagnen neu gestaltet werden sollten, damit für die Unterstützung je Antragsteller eine Obergrenze gilt und ein stärkeres Augenmerk auf lokalen Bedürfnissen liegt – etwa der Entwicklung kürzerer Lieferketten, der Stärkung der Position der Erzeuger in der Lieferkette, der Förderung einer gesunden Ernährung, der Erhaltung vernachlässigter bzw. unzureichend genutzter Sorten und einer größeren genetischen Vielfalt bei Nutzpflanzen oder der Erhaltung ökologisch nachhaltiger landwirtschaftlicher Methoden, die für ländliche Gebiete von Bedeutung sind;
12. betont, dass die Kommission sicherstellen sollte, dass die Landwirtschaft nicht länger als Druckmittel in der Handelspolitik missbraucht wird, und zwar weder in den Verhandlungen über neue Freihandelsabkommen noch bei der Beilegung von Streitigkeiten, die andere Sektoren betreffen; fordert die EU auf, Ungleichgewichte in ihrer eigenen Handelsordnung zu beheben, indem insbesondere die Kosten, der Nutzen und die Risiken bewertet werden, die aufgrund der Handelspolitik der EU für kleinere Landwirtschaftsbetriebe und Kleinerzeuger entstehen;
13. fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen zur Unterstützung der Reform der WTO fortzusetzen, insbesondere im Hinblick darauf, diese an die aktuellen Herausforderungen und Verpflichtungen – etwa den Klimawandel und das Übereinkommen von Paris, die Achtung der Menschenrechte und die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung –, bei denen die Landwirtschaft eine wesentliche Rolle spielt, anzupassen;
14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
- [1] Europäische Kommission, „Monitoring Agricultural Policy – MAP 2019-1“ (Überwachung der Agrarpolitik), https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/food-farming-fisheries/news/documents/agri-food-trade-2018_en.pdf, S. 5.
- [2] Europäische Kommission, „Extra EU trade in agricultural goods“ (Extra-EU-Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen), Daten abgerufen im März 2019, https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Extra-EU_trade_in_agricultural_goods#Context.
- [3] Europäische Kommission, GD Handel, „Country Overview USA“ (Länderspezifischer Überblick – USA), 3. Juni 2019, https://webgate.ec.europa.eu/isdb_results/factsheets/country/overview_usa_en.pdf.
- [4] Europäische Kommission, „Wine CMO: Financial Exekution of the national support programme 2014–2018“ (GMO für Wein: Finanzielle Abwicklung des nationalen Stützungsprogramms 2014–2018), Stand 1. März 2018, https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/food-farming-fisheries/farming/documents/wine-programming-annex-4-2014-2018_en.pdf.
- [5] WHO, „Prevention and Control of noncommunicable diseases in the European Region: a progress report“ (Prävention und Kontrolle nicht übertragbarer Erkrankungen im europäischen Raum: Ein Fortschrittsbericht), http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0004/235975/Prevention-and-control-of-noncommunicable-diseases-in-the-European-Region-A-progress-report-Eng.pdf, S. 1.
- [6] Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte: https://www.ohchr.org/en/professionalinterest/pages/cescr.aspx.
- [7] Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671).