ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Konferenz über die Zukunft Europas
9.1.2020 - (2019/2990(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Zdzisław Krasnodębski
im Namen der ECR-Fraktion
B9-0038/2020
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Konferenz über die Zukunft Europas
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den in den politischen Leitlinien für die neue Kommission enthaltenen Vorschlag der Präsidentin der Kommission, eine Konferenz über die Zukunft Europas zu organisieren;
– unter Hinweis auf Artikel 48 Absatz 4 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Organe der Europäischen Union sich den Bürgern der Mitgliedstaaten wieder annähern und deren Bedenken hinsichtlich der Ausrichtung und der Tätigkeiten der EU ausräumen müssen;
B. in der Erwägung, dass es dringend einer eingehenden Neubewertung der Tätigkeiten der EU und einer umfassenden Reform bedarf, damit sie besser dazu beitragen kann,
die Bürger und die Grenzen zu schützen;
die Rechte und die Souveränität ihrer Mitgliedstaaten zu achten, insbesondere ihr Recht, ihre nationalen Traditionen, ihre Kultur und ihr gemeinsames christliches Erbe zu schützen;
Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen;
eine realistische nachhaltige Wirtschaft zu entwickeln;
ihre Effizienz und Wirksamkeit zu verbessern;
mit globalen Partnern zusammenzuarbeiten;
1. ist der Ansicht, dass ein wahrhaft offener Konferenzablauf hilfreich sein könnte, um eine Debatte über die Zukunft Europas zu fördern, da sich die EU offensichtlich weit von den Bürgern ihrer Mitgliedstaaten entfernt hat; betont jedoch, dass die Konferenzinitiative diesen Hoffnungen nur dann gerecht werden kann, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind und wichtige Grundsätze für die Regelung ihres Ablaufs festgeschrieben sind;
2. betont, dass bei der Konferenz, die als „Konferenz über die Zukunft der Europäischen Union“ bezeichnet werden sollte, nicht von vornherein davon ausgegangen werden sollte, dass der einzige Zweck darin besteht, verschiedene Optionen für eine weitergehende europäische Integration zu erörtern, während der derzeitige gemeinschaftliche Besitzstand als selbstverständlich angesehen wird;
3. fordert, dass im Vorfeld der Konferenz eine unabhängige Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands durchgeführt wird, die eine gründliche Prüfung des EAD und eine Kosten-Nutzen-Analyse der Programme und Agenturen der EU umfasst;
4. hegt schwerwiegende Bedenken, dass Mitglieder einer föderalistischen Fraktion, die in Brüssel und den EU-Organen gut vertreten ist, versuchen werden, die Konferenz zu dominieren, indem sie die Kontrolle über ihre Agenda und ihren Ablauf übernehmen, um die Konferenz so zu manipulieren, dass sie ihren Zielen zugutekommt;
5. beharrt darauf, dass die Organisation der Konferenz daher auf drei zentralen Grundsätzen beruhen muss, damit sie Erfolge zeitigen kann:
Pluralismus und Vielfalt;
Anerkennung der demokratischen Legitimität der nationalen Institutionen;
Achtung der konstitutionellen Demokratie;
Pluralismus und Vielfalt
6. betont, dass die Konferenz angesichts ihrer Verpflichtung zu Pluralismus nicht nur dazu genutzt werden darf, die integrationsorientierte Orthodoxie der EU zu fördern, sondern auch Gelegenheit bieten sollte, andere, abweichende Vorschläge gleichberechtigt zu erörtern;
7. stellt fest, dass es andere gleichwertige Alternativen zur traditionellen föderalistischen Orthodoxie gibt, wie etwa Vorschläge zur Rückkehr der Union zu einer europäischen Gemeinschaft souveräner Staaten auf der Grundlage des eurorealistischen Konzepts eines konföderalen Europas, das die Rechte und die demokratische Legitimität der Mitgliedstaaten achtet; fordert, dass diese und viele andere Optionen auf der Konferenz und den damit verbundenen öffentlichen Sitzungen gleichberechtigt und fair erörtert werden;
8. fordert daher mit Nachdruck, dass die Teilnehmer der Konferenz und der damit zusammenhängenden Sitzungen eine faire Gelegenheit erhalten müssen, Themen wie die folgenden zu erörtern:
ob und in welchen Bereichen die europäische Integration zu weit gegangen ist;
ob einige Zuständigkeiten an die Mitgliedstaaten zurückgegeben werden sollten;
ob die Mehrheitsbeschlussfassung in einigen Bereichen nicht mehr das Standardverfahren sein sollte;
ob die bestehenden nationalen Vetorechte durch die Formalisierung des Luxemburger Kompromisses ausgeweitet werden könnten, damit nationale Vetos wieder geltend gemacht werden können, um „sehr wichtige nationale Interessen“ zu verteidigen;
ob das Abstimmungsverfahren im Rat überarbeitet werden sollte (insbesondere nach dem Brexit);
ob die nationalen Parlamente die Möglichkeit haben sollten, sich auf das Subsidiaritätsprinzip zu berufen, um bestimmt Legislativvorschläge mittels eines effektiven Verfahrens der roten Karte zu blockieren;
ob der Vorrang des EU-Rechts vor dem nationalen Verfassungsrecht überdacht werden sollte;
ob das Recht auf Gesetzgebungsinitiative auf die nationalen Parlamente ausgeweitet werden sollte;
ob die jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten der Mitgesetzgeber einer Klarstellung bedürfen;
Demokratische Legitimität der nationalen Institutionen
9. erinnert daran, dass die Institutionen mit der größten demokratischen Legitimität in der EU diejenigen der Mitgliedstaaten sind; betont, dass das Parlament keine einzigartige oder besondere Legitimität in Bezug auf europäische Fragen besitzt, die es rechtfertigen würde, dass es die Kontrolle über die Konferenz übernimmt, und dass man sich stets bewusst machen muss, dass eine Wahl zum Europäischen Parlament ein Zusammenfallen separater nationaler Wahlen ist, bei denen es hauptsächlich um nationale Fragen geht, und nicht eine einzige Wahl zur Zukunft Europas; fordert ferner nachdrücklich, dass bei der Konferenz eine korporatistische Vorgehensweise vermieden wird und sichergestellt wird, dass die demokratisch gewählten Institutionen der Mitgliedstaaten im Mittelpunkt des Prozesses stehen;
10. weist erneut darauf hin, dass die Befugnisse der Europäischen Union nicht wie die eines Staates inhärent sind, sondern durch die Verträge übertragen werden müssen; betont, dass die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit die Ausübung der Zuständigkeiten der EU bestimmen, um sicherzustellen, dass die Ausübung der Befugnisse gemäß dem in Artikel 10 Absatz 3 EUV verankerten Grundsatz der Nähe so bürgernah wie möglich erfolgt; ist der Ansicht, dass sich die Union auf die Bewältigung wichtiger Herausforderungen konzentrieren muss, bei denen sie einen Mehrwert erbringen kann; betont, dass die Ressourcen begrenzt sind und dass unbedingt darüber nachgedacht werden muss, welchen Tätigkeiten Vorrang eingeräumt werden muss und wie die verfügbaren Ressourcen effizienter genutzt werden können;
Konstitutionelle Demokratie
11. besteht darauf, dass von Anfang an und von allen Beteiligten anerkannt werden muss, dass öffentliche Konsultationen wie diese Konferenzinitiative, unabhängig davon, wie gut sie strukturiert und organisiert sind, die demokratische Legitimität der verfassungsmäßig geschaffenen parlamentarischen Institutionen nicht ersetzen und daher nicht infrage stellen können; betont daher, dass es kein demokratisches Argument für eine automatische Umsetzung irgendwelcher Schlussfolgerungen der Konferenz geben kann; schlägt stattdessen vor, dass die Schlussfolgerungen dem Europäischen Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission förmlich vorgelegt werden, damit alle drei eine offizielle Antwort und Folgemaßnahmen ausarbeiten können, die sie für angemessen halten, um die Debatte voranzubringen;
12. betont, dass die einzige Konferenz, auf der formell Änderungen der Verträge vorgeschlagen werden können, eine „Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten“ im Sinne von Artikel 48 Absatz 4 EUV ist und dass solche Änderungen gemäß diesem Artikel erst in Kraft treten können, „nachdem sie von allen Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert worden sind“;
Organisatorisches
13. schlägt vor, dass die Plenarversammlung der Konferenz etwa 200 ordentliche Mitglieder umfassen sollte, die ein demokratisches Mandat innehaben und sich wie folgt zusammensetzen:
ein Vertreter jedes Mitgliedstaats;
120 von den Mitgliedstaaten benannte Abgeordnete (mit nationalen Delegationen, die zwischen zwei und 15 Mitgliedern umfassen);
60 Mitglieder des Europäischen Parlaments;
und 50 Beobachter mit uneingeschränktem Rederecht, aber ohne Stimmrecht:
27 Mitglieder der Europäischen Kommission;
der Präsident des Europäischen Rates;
11 vom Ausschuss der Regionen benannte Mitglieder;
11 vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss benannte Mitglieder;
14. schlägt vor, dass weitere Teilnehmer je nach Bedarf eingeladen werden können, um als Sachverständige an bestimmten Plenartagungen teilzunehmen, ohne Mitglieder oder Beobachter der Konferenz zu sein;
15. empfiehlt, dass zur Vorbereitung der Konferenz ein frühzeitiges Treffen der Präsidenten der nationalen Parlamente eine nützliche Gelegenheit für einen Meinungsaustausch darüber bieten könnte, wie eine möglichst umfassende Einbeziehung der nationalen Abgeordneten erreicht werden kann; betont in diesem Zusammenhang, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, im Einklang mit ihrem Verfassungsrecht zu entscheiden, wer ihre nationalen Parlamente vertritt; stellt insbesondere fest, dass im Einklang mit der Erklärung 51 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Parlamente der Gemeinschaften und Regionen als Bestandteil des Systems des nationalen Parlaments oder als Kammern des nationalen Parlaments handeln können; schlägt vor, dass auch die Mitglieder der Konferenz der Ausschüsse für Unionsangelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union (COSAC) umfassend in die Vorbereitung der Konferenz einbezogen werden;
16. schlägt vor, dass es ein einziges Gremium für die Durchführung der Konferenz geben sollte, das im Vorfeld eingerichtet wird, aber unter seinen Voll- und Beobachtermitgliedern ausgewählt wird und als „Lenkungsausschuss“ bezeichnet wird; fordert nachdrücklich, dass die Zusammensetzung dieses Lenkungsausschusses pluralistisch ist und Abgeordnete der Organe der Mitgliedstaaten sowie der EU-Organe umfasst; empfiehlt, dass diesem Lenkungsausschuss etwa 40 Mitglieder angehören, darunter:
drei Mitglieder des Rates als Vertreter des Dreiervorsitzes;
drei Mitglieder der Kommission;
vierzehn Mitglieder des Europäischen Parlaments (zwei von jeder Fraktion);
je ein Abgeordneter aus jedem der 27 nationalen Parlamente;
die Ko-Vorsitzenden der Konferenz;
17. schlägt vor, dass der Lenkungsausschuss die uneingeschränkte Verantwortung für politische Entscheidungen über die Arbeit der Konferenz innehaben sollte, darunter:
die Organisation von Bürgerforen in Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten;
die Auswahl der Themen, Gegenstände, Programme, Redner und Podiumsdiskussionen;
die zu veröffentlichenden Unterlagen;
die Beauftragung von Meinungsumfragen;
18. betont, dass der Lenkungsausschuss zwar Arbeitsgruppen einsetzen kann, die sich auf spezifische organisatorische Fragen konzentrieren, dass diese Gruppen jedoch nicht über eine unabhängige Entscheidungsbefugnis verfügen sollten, sondern nur über Zuständigkeiten, die ihnen vom Lenkungsausschuss übertragen wurden;
19. schlägt vor, drei Ko-Vorsitzende der Konferenz wie folgt zu benennen: zwei vom Europäischen Rat benannte nationale Abgeordnete und ein vom Europäischen Parlament benanntes MdEP; besteht darauf, dass bei der Benennung der Kandidaten auf politische und geografische Ausgewogenheit geachtet wird; schlägt vor, dass die drei Ko-Vorsitzenden dem Lenkungsausschuss angehören;
20. erachtet es als wichtig, dass durch die Konferenz Solidarität zwischen den Generationen sichergestellt wird, und erinnert daran, dass eine Gesellschaft eine Partnerschaft aller ihrer Mitglieder – ehemaliger, derzeitiger und zukünftiger – ist; betont, dass bei den Bürgerforen in Verbindung mit der Konferenz in Bezug auf Alter, Vielfalt, Geografie sowie sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund der Teilnehmer unbedingt für Ausgewogenheit und Repräsentativität gesorgt werden muss; stellt fest, dass allerdings einige spezifische Bürgerbegegnungen zu bestimmten Themen stattfinden könnten, bei denen von diesem Grundsatz abgewichen wird, wenn dies angemessen ist, wie etwa Jugendtreffen oder Treffen zu spezifischen Themen (z. B. Probleme städtischer oder ländlicher Gemeinschaften);
21. fordert nachdrücklich, dass Bürgerforen in erster Linie auf nationaler Ebene organisiert werden und dass die Debatten auf nationaler Ebene durch thematische länderübergreifende Bürgerkonferenzen zusammengefasst werden; betont, dass die Auswahl der Teilnehmer an allen derartigen Sitzungen in völliger Unabhängigkeit und ohne politische Einflussnahme erfolgen muss; fordert, dass die Teilnehmer durch etablierte und anerkannte Meinungsforschungsinstitute mit einschlägigem Fachwissen ausgewählt werden;
22. besteht darauf, dass bei allen öffentlichen Konsultationen im Zusammenhang mit dem Konferenzprozess – unabhängig davon, ob es sich um tatsächliche Sitzungen oder andere Formen der Konsultation wie Meinungsumfragen oder Initiativen für Engagement in den sozialen Medien handelt – für Pluralismus gesorgt werden muss; betont, dass dies bedeutet, dass alle Programme, Rednerlisten, Podiumsdiskussionen, Veröffentlichungen und Dokumente usw. ausgewogen sein müssen und dafür gesorgt sein muss, dass eine große Vielfalt unterschiedlicher Standpunkte präsentiert wird, die die Meinungsvielfalt in Europa widerspiegeln, um eine intensive Debatte anzuregen;
23. schlägt vor, dass die Mitglieder des Konferenzplenums bei der Veröffentlichung von Minderheitenberichten über die gleichen Möglichkeiten und die gleiche Unterstützung verfügen wie bei Mehrheitsberichten;
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24. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.