ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Venezuela nach dem Versuch der unrechtmäßigen Wahl des neuen Vorsitzes und des neuen Präsidiums der Nationalversammlung („parlamentarischer Staatsstreich“)
13.1.2020 - (2020/2507(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Kati Piri, Javi López
im Namen der S&D-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0048/2020
B9-0050/2020
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Venezuela nach dem Versuch der unrechtmäßigen Wahl des neuen Vorsitzes und des neuen Präsidiums der Nationalversammlung („parlamentarischer Staatsstreich“)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Venezuela, insbesondere diejenigen vom 27. Februar 2014 zur Lage in Venezuela[1], vom 18. Dezember 2014 zur Verfolgung der demokratischen Opposition in Venezuela[2], vom 12. März 2015 zur Lage in Venezuela[3], vom 8. Juni 2016 zur Lage in Venezuela[4], vom 27. April 2017 zur Lage in Venezuela[5], vom 8. Februar 2018 zur Lage in Venezuela[6], vom 3. Mai 2018 zu der Wahl in Venezuela[7], vom 5. Juli 2018 zur Migrationskrise und humanitären Lage in Venezuela und an dessen Landesgrenzen zu Kolumbien und Brasilien[8], vom 25. Oktober 2018 zur Lage in Venezuela[9], vom 31. Januar 2019 zur Lage in Venezuela[10], vom 28. März 2019 zur Notlage in Venezuela[11]und vom 18. Juli 2019 zur Lage in Venezuela[12],
– unter Hinweis auf die von der Sprecherin am 5. Januar 2020 abgegebene Erklärung zu den Ereignissen in der Nationalversammlung und die vom Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) am 9. Januar 2020 im Namen der EU abgegebene Erklärung zu den jüngsten Entwicklungen rund um die Nationalversammlung,
– unter Hinweis auf die von der internationalen Kontaktgruppe für Venezuela am 9. Januar 2020 abgegebene Erklärung,
– unter Hinweis auf die Entschließung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) vom 10. Januar 2020 zu den aktuellen Ereignissen in Venezuela,
– unter Hinweis auf die von der Lima-Gruppe am 5. Januar 2020 abgegebene Erklärung,
– unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2019/1893 des Rates vom 11. November 2019 zur Änderung des Beschlusses (GASP) 2017/2074 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela[13], durch den die aktuell bestehenden gezielten restriktiven Maßnahmen bis zum 14. November 2020 verlängert werden,
– unter Hinweis auf die Verfassung von Venezuela,
– unter Hinweis auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH),
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die EU, ihre Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament bekräftigt haben, dass die Nationalversammlung das einzige rechtmäßige und demokratisch gewählte Organ in Venezuela ist; in der Erwägung, dass es in Artikel 194 der Verfassung von Venezuela heißt: „Die Nationalversammlung wählt aus ihrer Mitte für die Amtszeit von einem Jahr einen Präsidenten und zwei Vizepräsidenten sowie einen Staatssekretär und einen Unterstaatssekretär, die keine Mitglieder der Versammlung sind“; in der Erwägung, dass diese Wahl am 5 Januar 2020 stattfinden sollte;
B. in der Erwägung, dass der rechtmäßig und demokratisch gewählte Präsident der Nationalversammlung, Juan Guaidó, am 23. Januar 2019 im Einklang mit Artikel 233 der Verfassung Venezuelas als Interimspräsident Venezuelas vereidigt wurde; in der Erwägung, dass er von über 50 Staaten, darunter die meisten EU-Mitgliedstaaten, sowie von der EU selbst als Interimspräsident Venezuelas anerkannt wird;
C. in der Erwägung, dass die Sicherheitskräfte des Regimes von Nicolás Maduro am 5. Januar 2020 verhinderten, dass sich die Mitglieder der Nationalversammlung zur Umbildung des Vorsitzes der Nationalversammlung versammeln konnten; in der Erwägung, dass die Umgebung des Parlamentsgebäudes vollständig militarisiert wurde und Kontrollposten den Zugang blockierten; in der Erwägung, dass in der Umgebung tätige bewaffnete Colectivos Mitglieder der Nationalversammlung, Journalisten und diplomatische Vertreter angriffen und schikanierten;
D. in der Erwägung, dass in einer chaotischen und turbulenten Sitzung Abgeordnete der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) gemeinsam mit einer Reihe von Dissidenten der Opposition Luis Parra zum neuen Präsidenten der Nationalversammlung wählten und dabei eindeutig gegen die demokratischen Normen verstießen; in der Erwägung, dass die EU der Auffassung ist, dass die Abstimmung, bei der Luis Parra gewählt wurde, nicht rechtmäßig war, da weder die in den Vorschriften festgelegten ordnungsgemäßen Verfahren wie die Erreichung des Quorums noch die demokratischen Verfassungsgrundsätze geachtet wurden;
E. in der Erwägung, dass Juan Guaidó gewaltsam daran gehindert wurde, den Plenarsaal zu betreten‚ und daraufhin am Sitz der Zeitung El Nacional eine Sondersitzung der Nationalversammlung stattfand; in der Erwägung‚ dass er in dieser Sitzung von 100 Abgeordneten als Präsident der Nationalversammlung wiedergewählt wurde, wodurch das Quorum von 84 Stimmberechtigten deutlich überschritten wurde; in der Erwägung, dass die Abgeordneten Juan Pablo Guanipa und Carlos Berrizbeitia zum ersten und zweiten Vizepräsidenten gewählt wurden und Angelo Palmeri zum Generalsekretär ernannt wurde;
F. in der Erwägung, dass Nicolás Maduro gleichzeitig Luis Parra als rechtmäßigen Präsidenten der Nationalversammlung anerkannte und Gespräche ankündigte, um bei der Bildung eines neuen nationalen Wahlrats Fortschritte zu erzielen, damit bald eine Parlamentswahl ausgerufen wird; in der Erwägung, dass diese Ereignisse rasch von der Lima-Gruppe verurteilt wurden und die OAS, die Vereinigten Staaten, Kanada, Brasilien, Ecuador, Bolivien, Kolumbien, Paraguay, Panama, Costa Rica, Chile, Guatemala, Uruguay und Argentinien Luis Parra nicht anerkannt haben und bekräftigten, dass sie Juan Guaidó als rechtmäßigen Präsidenten anerkennen; in der Erwägung, dass lediglich Russland Luis Parra als rechtmäßigen Präsidenten der Nationalversammlung anerkennt;
G. in der Erwägung, dass durch diese Ereignisse die Polarisierung und die politische Krise, unter der das Land leidet, weiter verschärft wird und weitere Hindernisse für die Bemühungen um eine friedliche und demokratische Lösung der Krise geschaffen werden; in der Erwägung, dass es in Venezuela jetzt Folgendes gibt: eine Nationalversammlung mit einem ordnungsgemäß gewähltem Vorsitz, einen von der PSUV und einer Minderheit der Opposition unterstützten parallelen Vorsitz der Nationalversammlung, eine unrechtmäßige verfassungsgebende Versammlung, die sich der Aufgaben der Nationalversammlung bemächtigt hat, einen Obersten Gerichtshof, der von dem Regime mit unrechtmäßig ernannten Richtern besetzt wurde, eine Gruppe von Richtern, die von der Nationalversammlung ernannt wurden und einen „Obersten Gerichtshof im Exil“ gebildet haben, Juan Guaidó als Interimspräsidenten und Nicolás Maduro, der behauptet, der Staatschef zu sein;
H. in der Erwägung, dass die EU weiterhin überzeugt ist, dass eine friedliche politische und demokratische Lösung der einzige dauerhafte Ausweg aus der Krise in Venezuela ist, und über die internationale Kontaktgruppe mit internationalen und regionalen Partnern zusammenarbeitet; in der Erwägung, dass die bisherigen Versuche, die Krise im Wege von Verhandlungen und des Dialogs zu bewältigen, nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt haben;
1. bekundet seine Solidarität mit der Bevölkerung Venezuelas, die unter den Folgen einer schweren humanitären und politischen Krise leidet, und bringt seine uneingeschränkte Unterstützung für sie zum Ausdruck;
2. bekräftigt seine uneingeschränkte Unterstützung für die Nationalversammlung, die derzeit das einzige rechtmäßige demokratische Organ Venezuelas ist und deren Befugnisse, einschließlich der Vorrechte und der Sicherheit ihrer Mitglieder, wiederhergestellt und geachtet werden müssen; bekundet seine uneingeschränkte Unterstützung für Juan Guaidó als einzigen rechtmäßigen Präsidenten der Nationalversammlung;
3. lehnt die Verletzungen der demokratischen, verfassungsmäßigen und transparenten Arbeitsweise der Nationalversammlung sowie die ständige Einschüchterung, Bestechung, Erpressung und Gewalt und die willkürlichen Entscheidungen gegen die Mitglieder der Nationalversammlung entschieden ab;
4. bekräftigt seine früheren Standpunkte, wonach einzig eine friedliche, demokratische und alle Seiten einbeziehende Lösung auf Dauer einen Ausweg aus der derzeitigen politischen Sackgasse und der daraus erwachsenen schweren sozialen und humanitären Krise bietet;
5. fordert den Rat erneut auf, zusätzliche Sanktionen zu verhängen, die auf diejenigen Stellen der De-facto-Regierung ausgerichtet sind, die für Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung verantwortlich sind; unterstützt die diesbezügliche Erklärung der EU;
6. fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen; wiederholt seine früheren Forderungen an die Regierung Venezuelas, die Unterdrückung der politischen Führung, der Journalisten und der Mitglieder der Opposition unverzüglich einzustellen;
7. fordert, dass der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) im Rahmen der internationalen Kontaktgruppe weiterhin darauf hinarbeitet, dass im Wege einer freien und fairen Präsidentschaftswahl eine friedliche und demokratische Lösung gefunden wird;
8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem rechtmäßigen Interimspräsidenten Venezuelas und Präsidenten der Nationalversammlung der Bolivarischen Republik Venezuela, den Regierungen und Parlamenten der Länder der Lima-Gruppe, der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika sowie dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten zu übermitteln.
- [1] ABl. C 285 vom 29.8.2017, S. 145.
- [2] ABl. C 294 vom 12.8.2016, S. 21.
- [3] ABl. C 316 vom 30.8.2016, S. 190.
- [4] ABl. C 86 vom 6.3.2018, S. 101.
- [5] ABl. C 298 vom 23.8.2018, S. 137.
- [6] ABl. C 463 vom 21.12.2018, S. 61.
- [7] Angenommene Texte, P8_TA(2018)0199.
- [8] Angenommene Texte, P8_TA(2018)0313.
- [9] Angenommene Texte, P8_TA(2018)0436.
- [10] Angenommene Texte, P8_TA(2019)0061.
- [11] Angenommene Texte, P8_TA(2019)0327.
- [12]Angenommene Texte, P9_TA(2019)0007.
- [13]ABl. L 291 vom 12.11.2019, S. 42.