ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Venezuela nach der unrechtmäßigen Wahl des neuen Vorsitzes und des neuen Präsidiums der Nationalversammlung („parlamentarischer Staatsstreich“)
13.1.2020 - ((2020/2507(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Jordi Cañas, Dita Charanzová, Andrus Ansip, Malik Azmani, Phil Bennion, Stéphane Bijoux, Izaskun Bilbao Barandica, Gilles Boyer, Sylvie Brunet, Catherine Chabaud, Olivier Chastel, Engin Eroglu, Fredrick Federley, Christophe Grudler, Bernard Guetta, Ivars Ijabs, Irena Joveva, Ondřej Kovařík, Ilhan Kyuchyuk, Karen Melchior, Javier Nart, Jan-Christoph Oetjen, Urmas Paet, Samira Rafaela, Frédérique Ries, María Soraya Rodríguez Ramos, Susana Solís Pérez, Nicolae Ştefănuță, Ramona Strugariu, Hilde Vautmans, Marie-Pierre Vedrenne, Chrysoula Zacharopoulou
im Namen der Renew-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0048/2020
B9-0053/2020
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Venezuela nach der unrechtmäßigen Wahl des neuen Vorsitzes und des neuen Präsidiums der Nationalversammlung („parlamentarischer Staatsstreich“)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Venezuela, insbesondere die vom 27. Februar 2014 zur Lage in Venezuela[1], vom 18. Dezember 2014 zur Verfolgung der demokratischen Opposition in Venezuela[2], vom 12. März 2015 zur Lage in Venezuela[3], vom 8. Juni 2016 zur Lage in Venezuela[4], vom 27. April 2017 zur Lage in Venezuela[5], vom 8. Februar 2018 zur Lage in Venezuela[6], vom 3. Mai 2018 zu den Wahlen in Venezuela[7], vom 5. Juli 2018 zur Migrationskrise und zur humanitären Lage in Venezuela und an dessen Landgrenzen zu Kolumbien und Brasilien[8]‚vom 25. Oktober 2018 zur Lage in Venezuela[9], vom 31. Januar 2019 zur Lage in Venezuela[10], vom 28. März 2019 zur Lage in Venezuela[11] und vom 18. Juli 2019 zur Lage in Venezuela[12],
– unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) zu Venezuela vom 10. Januar 2019, 26. Januar 2019, 24. Februar 2019, 28. März 2019, 4. April 2019, 30. April 2019, 18. Juni 2019, 16. Juli 2019, 13. August 2019, 27. September 2019, des HR/VP zu Venezuela vom 21. Dezember 2019 und 9. Januar 2020, auf die Erklärungen der Sprecherin bzw. des Sprechers der HR/VP vom 17. September 2019 und auf die Erklärungen der Sprecherin bzw. des Sprechers des HR/VP vom 16. Dezember 2019 und 5. Januar 2020,
– unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2019/1893 des Rates vom 11. November 2019 zur Änderung des Beschlusses (GASP) 2017/2074 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela[13], durch den die aktuell bestehenden gezielten restriktiven Maßnahmen bis zum 14. November 2019 verlängert werden,
– unter Hinweis auf die Verfassung Venezuelas,
– unter Hinweis auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH),
– unter Hinweis auf den Bericht der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR) vom 4. Juli 2019 zu Venezuela,
– unter Hinweis auf das V. Internationale technische Treffen des Quito-Prozesses am 14. und 15. November 2019 in Bogotà,
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Parlamentarier gemäß der venezolanischen Verfassung jedes Jahr am 5. Januar für eine Amtszeit von einem Jahr einen Präsidenten wählen;
B. in der Erwägung, dass die Ereignisse im Zusammenhang mit der geplanten Wahl des Präsidenten der Nationalversammlung Venezuelas am 5. Januar 2020 einem vom Maduro-Regime inszenierten parlamentarischen Staatsstreich und einem Angriff auf die demokratische und verfassungsmäßige Arbeitsweise der Nationalversammlung gleichkamen;
C. in der Erwägung, dass der Präsident der Versammlung, Juan Guaidó, von Sicherheitskräften brutal daran gehindert wurde, den Vorsitz der Tagung zu führen, dass mehrere Mitglieder der Opposition die Nationalversammlung nicht betreten durften und der Zugang zu dem Gebäude auch für die Presse gesperrt wurde;
D. in der Erwägung, dass sich Luis Parra, der kürzlich wegen Korruptionsvorwürfen aus einer Oppositionspartei ausgeschlossen wurde, zum Präsidenten der Nationalversammlung erklärt und an einer improvisierten und unrechtmäßigen Vereidigungszeremonie teilgenommen hat;
E. in der Erwägung, dass die Wahl von Luis Parra ungültig war, da die Tagung nie offiziell eröffnet, keine Beschlussfähigkeit erreicht und keine förmliche Abstimmung gefordert wurde; in der Erwägung, dass die die Mandate sämtlicher Abgeordnete über eine Stunde lang von Militärangehörigen überprüft wurden, um den Ablauf der Tagung zu verzögern und zu verhindern, dass die Versammlung beschlussfähig wird;
F. in der Erwägung, dass eine Mehrheit der Abgeordneten einige Stunden später am Sitz der Oppositionszeitung El Nacional eine Notsitzung abhielt, bei der 100 der 167 Mitglieder der Versammlung für die Wiederwahl von Juan Guaidó zum Präsidenten für das letzte Jahr der Wahlperiode 2015–2020 stimmten;
G. in der Erwägung, dass die formelle Sitzung der Nationalversammlung vom 7. Januar 2020 mit der Vereidigung Juan Guaidós als Präsident abgeschlossen wurde, obwohl bewaffnete Kräfte des Maduro-Regimes versuchten, die Abhaltung der Sitzung zu verhindern, unter anderem indem sie den Eingang zum Gebäude blockierten und den Strom im Gebäude abstellten;
H. in der Erwägung, dass bei der Präsidentschaftswahl am 20. Mai 2018 die internationalen Mindeststandards für ein glaubwürdiges Verfahren nicht eingehalten wurden; in der Erwägung, dass die EU genau wie andere regionale Organisationen und demokratische Länder weder die Wahl noch die aus diesem unrechtmäßigen Verfahren hervorgegangene Regierung anerkannt hat;
I. in der Erwägung, dass sich Nicolás Maduro am 10. Januar 2019 vor dem Obersten Gerichtshof widerrechtlich und entgegen der verfassungsmäßigen Ordnung die Präsidialgewalt angeeignet hat; in der Erwägung, dass der rechtmäßig und demokratisch gewählte Präsident der Nationalversammlung, Juan Guaidó, am 23. Januar 2019 im Einklang mit Artikel 233 der Verfassung Venezuelas als Interimspräsident Venezuelas vereidigt wurde;
J. in der Erwägung, dass nahezu 60 Länder sowie das Europäische Parlament Juan Guaidó als rechtmäßigen Interimspräsidenten Venezuelas anerkannt haben;
K. in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof Venezuelas und die nicht anerkannte Verfassungsgebende Versammlung am 16. Dezember 2019 vier weiteren Mitgliedern der Nationalversammlung – Jorge Millán, Hernán Alemán, Carlos Lozano und Luis Stefanelli – ihrer verfassungsmäßige Immunität entzogen haben, wodurch die Zahl der Parlamentarier, deren Immunität aufgehoben wurde, auf 26 erhöht wurde; in der Erwägung, dass diese Entscheidung, die auf Antrag des Obersten Gerichtshofs auf der Grundlage von Vorwürfen der Generalstaatsanwaltschaft ergangen ist, ein schwerwiegender Verstoß gegen die Bestimmungen der Verfassung, die Rechtsstaatlichkeit und den demokratischen Grundsatz der Gewaltenteilung ist;
L. in der Erwägung, dass die laufenden Maßnahmen gegen Mitglieder der Nationalversammlung, darunter die Schikanierung und Einschüchterung von 59 Mitgliedern durch irreguläre Gruppen und Sicherheitsorgane, 29 willkürliche Inhaftierungen und 27 Zwangsexilierungen, die verfassungsmäßige Arbeit der Nationalversammlung behindern;
M. in der Erwägung, dass sich die Lage der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in Venezuela seit vielen Jahren erheblich verschlechtert hat, insbesondere seit Nicolás Maduro nach einer umstrittenen Wahl im Jahre 2013 an die Macht gekommen ist; in der Erwägung, dass sich die politische, wirtschaftliche, institutionelle, soziale und multidimensionale humanitäre Krise in dem Land erheblich verschärft; in der Erwägung, dass der zunehmende Mangel an Arznei- und Nahrungsmitteln, massive Verstöße gegen die Menschenrechte, eine Hyperinflation, politische Unterdrückung, Korruption und Gewalt das Leben der Menschen gefährden und sie zwingen, aus dem Land zu fliehen;
1. verurteilt nachdrücklich den parlamentarischen Staatsstreich des Maduro-Regimes und die Tatsache, dass die Nationalversammlung als rechtmäßiges demokratisches Organ Venezuelas daran gehindert wird, das ihr vom venezolanischen Volk verliehene Mandat auszuüben;
2. bedauert diese schwerwiegenden Verstöße, die mit dem rechtmäßigen Verfahren der Wahl des Präsidenten der Nationalversammlung unvereinbar sind und einen weiteren Schritt zur Verschärfung der venezolanischen Krise darstellen;
3. beglückwünscht Juan Guaidó zu seiner Wiederwahl zum Präsidenten der Nationalversammlung trotz aller Hindernisse und Blockaden bei der förmlichen Sitzung am 7. Januar, zu denen auch zählte, dass Guaidó gemeinsam mit anderen Mitgliedern den Zutritt zum Gebäude erzwingen musste;
4. bekräftigt seine uneingeschränkte Unterstützung für Juan Guaidó als rechtmäßigen Interimspräsidenten Venezuelas im Einklang mit Artikel 233 der venezolanischen Verfassung;
5. bekräftigt seine uneingeschränkte Unterstützung für die Nationalversammlung, die derzeit das einzige rechtmäßig gewählte demokratische Organ Venezuelas ist und deren Befugnisse, einschließlich der Vorrechte und der Sicherheit ihrer Mitglieder, wiederhergestellt und geachtet werden müssen;
6. besteht darauf, dass eine friedliche und politische Lösung nur erreicht werden kann, wenn die Nationalversammlung, das einzige demokratisch gewählte Organ in Venezuela, uneingeschränkt geachtet wird und ihre Mitglieder ihre verfassungsmäßigen Vorrechte frei ausüben können;
7. weist darauf hin, dass sich jeder Dialog auf den Fahrplan stützen muss, der von der Nationalversammlung von Venezuela angenommen wurde; besteht darauf, dass der Hauptzweck des Dialogs ein friedlicher Übergang zur Demokratie durch die Schaffung von Bedingungen sein muss, die zu freien, transparenten und glaubwürdigen Präsidentschaftswahlen auf der Grundlage eines festgelegten Zeitplans, fairen Bedingungen für alle Akteure, Transparenz und der Anwesenheit glaubwürdiger internationaler Beobachter führen;
8. weist erneut darauf hin, dass es für eine dauerhafte Lösung in Venezuela unerlässlich ist, dass freie und glaubwürdige international überwachte Präsidentschaftswahlen abgehalten und die staatlichen Institutionen, einschließlich des Nationalen Wahlrats (CNE) und des Obersten Gerichtshofs, demokratisch erneuert werden;
9. betont, dass die Nationalversammlung unbedingt einen neuen, unabhängigen und transparenten Nationalen Wahlrat (CNE) einsetzen muss, in dem eine Vertretung und Zusammensetzung sichergestellt ist, die alle Seiten in vollem Umfang einbezieht und ausgewogen ist;
10. verweist darauf, dass die Achtung der demokratischen Institutionen und Grundsätze sowie die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit grundlegende Voraussetzungen dafür sind, dass eine friedliche und nachhaltige Lösung der Krise in Venezuela im Interesse der Bevölkerung des Landes erzielt werden kann;
11. bekräftigt, dass die EU bereit ist, einen echten Prozess zu unterstützen, der zu einer friedlichen und demokratischen Lösung der Krise führt;
12. fordert den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) auf, die Bemühungen der EU um die Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela zu verstärken, und zwar unter anderem, indem die gezielten Sanktionen gegen Einzelpersonen, die für Menschenrechtsverletzungen und Repression verantwortlich sind, ausgeweitet und auch gegen deren Familienangehörige verhängt werden;
13. vertritt die Auffassung, dass die von Juan Guaidó als rechtmäßiger Interimspräsident Venezuelas benannte diplomatische Vertretung die einzige von der EU anerkannte Vertretung sein sollte; fordert daher, dass alle diplomatischen Mandate von Missionen Nicolás Maduros und seiner antidemokratischen Regierung ausgesetzt werden;
14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem rechtmäßigen Interimspräsidenten Venezuelas und der Nationalversammlung der Bolivarischen Republik Venezuela, den Regierungen und Parlamenten der Länder der Lima-Gruppe, der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika sowie dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten zu übermitteln.
- [1] ABl. C 285 vom 29.8.2017, S. 145.
- [2] ABl. C 294 vom 12.8.2016, S. 21.
- [3] ABl. C 316 vom 30.8.2016, S. 190.
- [4] ABl. C 86 vom 6.3.2018, S. 101.
- [5] ABl. C 298 vom 23.8.2018, S. 137.
- [6] ABl. C 463 vom 21.12.2018, S. 61.
- [7] Angenommene Texte, P8_TA(2018)0199.
- [8] Angenommene Texte, P8_TA(2018)0313.
- [9] Angenommene Texte, P8_TA(2018)0436.
- [10] Angenommene Texte, P8_TA(2019)0061.
- [11] Angenommene Texte, P8_TA(2019)0327.
- [12] Angenommene Texte, P9_TA(2019)0007.
- [13] ABl. L 291 vom 1.1.2014, S. 42.