Entschließungsantrag - B9-0169/2020Entschließungsantrag
B9-0169/2020

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu dem Gesetz der VR China über die nationale Sicherheit in Bezug auf Hongkong und dem notwendigen Eintreten der EU für Hongkongs hohes Maß an Autonomie

10.6.2020 - (2020/2665(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Hilde Vautmans, Abir Al Sahlani, Petras Auštrevičius, José Ramón Bauzá Díaz, Izaskun Bilbao Barandica, Engin Eroglu, Bernard Guetta, Moritz Körner, Nathalie Loiseau, Javier Nart, Frédérique Ries, María Soraya Rodríguez Ramos, Nicolae Ştefănuță, Marie Pierre Vedrenne, Charles Goerens
im Namen der Renew-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0169/2020

Verfahren : 2020/2665(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B9-0169/2020
Eingereichte Texte :
B9-0169/2020
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Angenommene Texte :

B9-0169/2020

Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Gesetz der VR China über die nationale Sicherheit in Bezug auf Hongkong und dem notwendigen Eintreten der EU für Hongkongs hohes Maß an Autonomie

(2020/2665(RSP))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Juli 2019 zur Lage in Hongkong[1],

 unter Hinweis auf die am 29. Mai 2020 im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) zu Hongkong,

 unter Hinweis auf das Grundgesetz („Basic Law“) der Sonderverwaltungsregion Hongkong vom 4. April 1990, das am 1. Juli 1997 in Kraft getreten ist,

 unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Regierung der Volksrepublik China vom 19. Dezember 1984 zur Hongkong-Frage, auch bekannt als chinesisch-britische gemeinsame Erklärung,

 gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass der Beschluss des chinesischen Nationalen Volkskongresses vom 28. Mai 2020, ein neues Gesetz über die nationale Sicherheit für Hongkong einzuführen, wobei das eigene Gesetzgebungsverfahren Hongkongs völlig umgangen wurde, der jüngste und eklatanteste Versuch Pekings im Rahmen seiner jahrelangen Kampagne ist, die Freiheit und die Autonomie Hongkongs sowie die bürgerlichen Freiheiten seiner Bürger einzuschränken;

B. in der Erwägung, dass das Grundgesetz der Sonderverwaltungsregion Hongkong Bestimmungen enthält, die die Autonomie der Sonderverwaltungsregion Hongkong bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung (Artikel 14) und beim Erlass eigener Gesetze zum Verbot von Verrat, Abspaltung, Aufruhr oder Subversion gegen die Zentralregierung der VR China (Artikel 23) gewährleisten;

C. in der Erwägung, dass Peking im April und Mai 2020, als ein Großteil der Aufmerksamkeit der Welt auf die dramatische Zahl der Todesopfer der COVID-19-Pandemie gerichtet war, die Krise ausgenutzt hat, um seine Bemühungen zu verdoppeln, seine Herrschaft gegenüber Hongkong durchzusetzen und Hunderte prodemokratischer Aktivisten und Oppositionsgruppen zum Schweigen gebracht, verhaftet und strafrechtlich verfolgt hat; in der Erwägung, dass der Ständige Ausschuss des chinesischen Volkskongresses die neuen Regeln eigenständig festlegt, ohne die Parlamentarier Hongkongs zu konsultieren, obwohl dies nach dem Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ erforderlich ist;

D. in der Erwägung, dass gemäß dem vorgeschlagenen nationalen Sicherheitsplan Aktionsgruppen verboten und strafrechtlich verfolgt werden könnten, Gerichte lange Gefängnisstrafen für Verstöße gegen die nationale Sicherheit verhängen könnten, die chinesischen Sicherheitskräfte offen in der Stadt tätig sein könnten und dass ein neues Verbot des Terrorismus den chinesischen Staatsorganen, den Sicherheitskräften und den Streitkräften weitgehende und unkontrollierte Befugnisse einräumen wird, in Hongkong zu agieren, was einen eindeutigen Verstoß gegen das Grundgesetz des Landes darstellt;

E. in der Erwägung, dass die Regierungschefin Hongkongs, Carrie Lam, die von Peking vorgeschlagenen Rechtsvorschriften verteidigt und eingeräumt hat, dass in Hongkong keine öffentliche Konsultation zum Sicherheitsplan stattfinden wird und außerdem bekräftigt hat, dass Rechte und Freiheiten nicht absolut sind;

F. in der Erwägung, dass die Justiz in Festlandchina nicht unabhängig von der Regierung und der Kommunistischen Partei Chinas ist und für willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen, schwere Verletzungen der Rechte auf einen fairen Prozess, die Praxis des Verschwindenlassens und verschiedene Systeme der Isolationshaft ohne Gerichtsverfahren bekannt ist;

G. in der Erwägung, dass mehr als 360 prodemokratische Aktivisten in Hongkong am 27. Mai 2020 bei Demonstrationen gegen das chinesische Gesetz zur Bekämpfung von Aufruhr festgenommen wurden, mit dem die Verhöhnung der chinesischen Nationalhymne unter Strafe gestellt wird;

H. in der Erwägung, dass die Polizei Hongkongs Maßnahmen zur Sicherstellung der sozialen Distanzierung im Zusammenhang mit COVID-19 als Vorwand genutzt hat, um unnötige und übermäßige Gewalt gegen die meistens friedlichen Demonstranten auszuüben, indem sie Tränengas, Gummigeschosse, Beanbag-Geschosse und Pfefferspray eingesetzt hat;

I. in der Erwägung, dass eine parteiübergreifende internationale Koalition unter der Leitung des ehemaligen Gouverneurs von Hongkong, Lord Patten, der sich bisher 893 Parlamentarier und politische Entscheidungsträger aus 42 Ländern angeschlossen haben, eine Erklärung abgegeben hat, in der die „einseitige Einführung nationaler Sicherheitsvorschriften in Hongkong“ durch Peking kritisiert wird und wohlgesinnte Regierungen aufgefordert werden, sich gegen diesen „eklatanten Verstoß gegen die chinesisch-britische gemeinsame Erklärung“ zusammenzuschließen;

J. in der Erwägung, dass die direkte Durchsetzung nationaler Sicherheitsvorschriften in Hongkong durch die staatlichen Stellen in Peking die Autonomie Hongkongs erheblich untergräbt; in der Erwägung, dass dies in direktem Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen Chinas steht, die sich aus der rechtsverbindlichen, bei den Vereinten Nationen hinterlegten chinesisch-britischen gemeinsamen Erklärung ergeben;

K. in der Erwägung, dass das vorgeschlagene Gesetz den Rahmen „Ein Land, zwei Systeme“ radikal untergraben würde, wodurch die Wahrscheinlichkeit, wegen politischer Straftaten in Hongkong strafrechtlich verfolgt zu werden, erhöht und die geltenden Verpflichtungen zum Schutz der Rechte der Bevölkerung Hongkongs untergraben würden, einschließlich der Verpflichtungen, die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte niedergelegt sind;

1. verurteilt aufs Schärfste, dass China sich ständig und immer stärker in die inneren Angelegenheiten Hongkongs einmischt;

2. betont, dass die EU die Bedenken der Bürger Hongkongs in Bezug auf das vorgeschlagene nationale Sicherheitsgesetz teilt; unterstreicht, dass das Gesetz weitreichende Folgen für Hongkong und seine Bevölkerung, für EU- und ausländische Bürger hat, das Vertrauen der Unternehmen in Hongkong schädigen und die Zukunftsperspektiven für internationale Unternehmen gefährden wird;

3. schließt sich der Einschätzung des Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) an, dass eine neue und konsequentere Strategie für den Umgang mit einem selbstbewussteren China unter der Führung eines autoritären Regimes sowie ein offener und ehrlicher Dialog erforderlich sind; fordert den Rat und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) nachdrücklich auf, einen entschlosseneren Standpunkt zur Unterstützung der weiteren rechtlichen Autonomie Hongkongs einzunehmen; betont, dass dies von entscheidender Bedeutung ist, damit die Befürworter der Demokratie in Hongkong und die internationale Gemeinschaft im weiteren Sinne wissen, dass die EU an ihren Grundwerten der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit festhalten wird;

4. betont, dass die internationale Gemeinschaft eng zusammenarbeiten muss, um Druck auf Peking auszuüben, damit seine Maßnahmen im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen stehen, die das Land im Rahmen der chinesisch-britischen gemeinsamen Erklärung von 1984 eingegangen ist;

5. betont, dass der Wohlstand und die Attraktivität Hongkongs für internationale Investoren von der Rechtsstaatlichkeit abhängen, die im Grundgesetz des Landes verankert ist; ist daher zutiefst besorgt darüber, dass ein dauerhafter Verstoß gegen den autonomen Regierungsrahmen Hongkongs erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes und sein internationales Image haben wird;

6.  fordert den Rat nachdrücklich auf, Fortschritte beim EU-Menschenrechtsrahmen zu erzielen – unter Verwendung eines ähnlichen Modells wie beim „Magnitsky Act“ der USA –, um gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen und Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die beschuldigt werden, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, einschließlich des Einfrierens von Vermögenswerten und Reiseverboten; ist der Ansicht, dass dieser Menschenrechtsrahmen genutzt werden könnte, um gegen die führenden Politiker, die für dieses harte Vorgehen gegen Hongkong und seine Bevölkerung und für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, Sanktionen zu verhängen, die vergleichbar mit denen sind, die im „Magnitsky Act“ vorgesehen sind; betont, dass solche Sanktionen mit demokratischen Verbündeten wie Australien, Kanada, den USA, Japan und Südkorea erörtert und nach Möglichkeit koordiniert werden sollten;

7. betont, dass die EU Chinas wichtigstes Ausfuhrziel ist; ist der Ansicht, dass die EU ihren wirtschaftlichen Einfluss nutzen sollte, um die schwerwiegenden Verstöße Chinas gegen die Menschenrechte anzuprangern;

8. fordert den bevorstehenden deutschen Ratsvorsitz der Europäischen Union auf, die Lage in Hongkong auf dem nächsten Gipfeltreffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Leipzig zu einer Priorität zu machen;

9. betont, dass es aufgrund der derzeitigen Lage in seiner Überzeugung bestärkt wird, dass die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ein wichtiger Bestandteil der Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China sein muss;

10. fordert die Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong auf, die friedlichen Demonstranten und all jene, die während oder im Vorfeld der Proteste aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Rechtes auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurden, umgehend freizulassen und sämtliche gegen sie gerichtete Anklagepunkte fallenzulassen;

11. fordert, dass der Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten durch die Polizei Hongkongs unabhängig, unparteiisch, effizient und zügig untersucht wird;

12. befürwortet die Idee, einen Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zu ernennen, der für die Bewertung der Lage der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Hongkong zuständig ist, und fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, diesbezüglich tätig zu werden;

13. hofft, dass sich die EU und ihre Mitgliedstaaten der Initiative zur Einrichtung einer internationalen Kontaktgruppe anschließen, die die Lage in Hongkong beobachten und gemeinsame Maßnahmen koordinieren soll;

14. bringt seine große Besorgnis über die stetige Verschlechterung der Bürgerrechte, der politischen Rechte und der Pressefreiheit zum Ausdruck; ist zutiefst besorgt über den bislang beispiellosen Druck gegenüber Journalisten und über die sich bei ihnen häufende Selbstzensur, insbesondere wenn es um die Berichterstattung über sensible Themen geht, die Festlandchina oder die Regierung Hongkongs betreffen;

15. fordert die Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong auf, die freie und faire Wahl des Legislativrats im September 2020 sicherzustellen; fordert China nachdrücklich auf, sich nicht in den Ablauf der Wahl in der Sonderverwaltungsregion Hongkong einzumischen; vertraut darauf, dass die EU eine Wahlbeobachtungsmission zur Sonderverwaltungsregion Hongkong entsenden wird; 

16. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, konkrete Maßnahmen in Betracht zu ziehen, um Aktivisten und prodemokratischen Gruppen, die von den chinesischen Staatsorganen verfolgt werden, Asyl und Schutz zu bieten;

17. fordert die EU, ihre Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, zu prüfen, wie sie geeignete Mechanismen der Ausfuhrkontrolle und Technologien der digitalen Überwachung wirksam einsetzen können; fordert die Mitgesetzgeber in diesem Zusammenhang auf, sich auf einen gemeinsamen Standpunkt zur Reform der Verordnung über Güter mit doppeltem Verwendungszweck zu einigen; betont, dass das Parlament den Vorschlag der Kommission zur Einführung strenger Ausfuhrkontrollen für verzeichnete und nicht verzeichnete Technologien der digitalen Überwachung weiterentwickelt und verschärft hat;

18. weist darauf hin, dass es darauf hinarbeitet, dass geeignete Mechanismen der Ausfuhrkontrolle eingeführt werden, um China den Zugang zu Technologien zu verwehren, die bei der Verletzung der Menschenrechte zum Einsatz kommen;

19. fordert den HR/VP, den EAD und die Mitgliedstaaten auf, diese Bedenken konsequent zur Sprache zu bringen und einen Dialog mit der Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong und der Regierung Chinas sicherzustellen;

20. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem VP/HR, der Regierung und dem Parlament der Volksrepublik China sowie der Regierungschefin und der Gesetzgebenden Versammlung der Sonderverwaltungsregion Hongkong zu übermitteln.

 

Letzte Aktualisierung: 15. Juni 2020
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