Entschließungsantrag - B9-0212/2020Entschließungsantrag
B9-0212/2020

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu der humanitären Lage in Venezuela und der Migrations- und Flüchtlingskrise

6.7.2020 - (2019/2952(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Manu Pineda
im Namen der GUE/NGL-Fraktion

Verfahren : 2019/2952(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B9-0212/2020
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B9-0212/2020

Entschließung des Europäischen Parlaments zu der humanitären Lage in Venezuela und der Migrations- und Flüchtlingskrise

(2019/2952(RSP))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf die Verfassung der Bolivarischen Republik Venezuela,

 unter Hinweis auf den Grundsatz der Nichteinmischung im Sinne der Charta der Vereinten Nationen,

 unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

 unter Hinweis auf die Erklärung der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 8. August 2019 zu den gegen Venezuela verhängten Sanktionen,

 unter Hinweis auf die Studie des Center for Economic and Policy Research vom April 2019 mit dem Titel „Economic Sanctions as Collective Punishment: The Case of Venezuela“ (Wirtschaftssanktionen als kollektive Bestrafung: der Fall Venezuelas),

 unter Hinweis auf die Tatsache, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen am 14. Juli 2019 eine Resolution angenommen hat, die von der Bolivarischen Republik Venezuela im Rahmen ihres Vorsitzes in der Bewegung blockfreier Staaten vorgelegt wurde und in der zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte aufgerufen wird, um den negativen Folgen einseitiger Zwangsmaßnahmen zu begegnen, die nichts anderes als Sanktionen sind,

 unter Hinweis auf Artikel 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und auf Artikel 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, in denen es heißt, dass alle Völker „das Recht auf Selbstbestimmung“ haben und dass sie „kraft dieses Rechts [...] frei über ihren politischen Status [entscheiden] und [...] in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung [gestalten]“,

 unter Hinweis auf die Forderung der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 24. März 2020, vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie die Sanktionen zu lockern,

 unter Hinweis auf das nach dem Telefongespräch zwischen dem Hohen Vertreter, Josep Borrell, und dem Minister Jorge Arreaza veröffentlichte gemeinsame Kommuniqué vom 2. Juli 2020,

 gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass sich die innere wirtschaftliche und soziale Lage in Venezuela infolge der zunehmenden wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen der Vereinigten Staaten und der EU und der daraus resultierenden Hyperinflation und zunehmenden Armut sowie dem daraus resultierenden Mangel an Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung verschlechtert hat;

B. in der Erwägung, dass nach Angaben des UNHCR 4,5 Millionen venezolanische Bürger in Drittländer migriert sind;

C. in der Erwägung, dass das Außenministerium der Vereinigten Staaten Venezuela nach wie vor weitere Sanktionen androht, die weitere Auswirkungen auf die Lage der venezolanischen Bevölkerung hätten;

D. in der Erwägung, dass einseitige Zwangsmaßnahmen dem anerkannten Völkerrecht zuwiderlaufen; in der Erwägung, dass dies von den Vereinten Nationen und insbesondere von deren Sonderberichterstatterin für die negativen Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen auf die Ausübung der Menschenrechte wiederholt hervorgehoben wurde; in der Erwägung, dass Sanktionen jedem Land Schaden zufügen und dass sie, wenn sie die Wirtschaft beeinträchtigen, verheerende Auswirkungen auf die Bevölkerung von Entwicklungsländern haben können;

E. in der Erwägung, dass die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte erklärt hat, dass die gegen Venezuela verhängten Sanktionen dazu führen, dass der Bevölkerung ihre grundlegenden Menschenrechte einschließlich ihrer wirtschaftlichen Rechte und ihres Rechts auf Nahrung und Gesundheit verweigert werden, und dass sie eine politische Lösung der Situation gefordert hat;

F. in der Erwägung, dass der Rat am 29. Juni 2020 elf weitere venezolanische Personen in seine Sanktionsliste aufgenommen hat, die nun 36 Personen umfasst;

G. in der Erwägung, dass die Einmischung von außen, Destabilisierung, Desinformationskampagnen, Manipulation der öffentlichen Meinung und Gewalt, die von einigen Teilen der Opposition mit Unterstützung der USA, der EU und der sogenannten Lima-Gruppe gefördert werden, die anhaltende soziale Krise entfacht haben;

H. in der Erwägung, dass die venezolanischen Behörden die Operation Gideon, die am 3. und 4. Mai 2020 stattfand, gestoppt haben; in der Erwägung, dass 13 Söldner – darunter US-Bürger, die dem privaten Militärunternehmens Silvercorp USA angehörten – in La Guaira verhaftet wurden, als sie versuchten, in das Land einzudringen und – wie sie erklärten – die Kontrolle über strategische Standorte zu übernehmen und den Sturz von Präsident Maduro herbeizuführen; in der Erwägung, dass Nachforschungen einschließlich der Recherchen des Wall Street Journal zeigen, dass die Operation Gideon von Leopoldo López geplant wurde;

I. in der Erwägung, dass die USA im April 2020 mehr als 6 500 Soldaten für eine Reihe militärischer Übungen vor der venezolanischen Küste entsandt haben; in der Erwägung, dass die venezolanische Regierung und führende Oppositionsvertreter diese Übungen als unverantwortliche Provokation durch die Regierung Trump erachteten;

J. in der Erwägung, dass der Dialog und die Achtung des Völkerrechts einschließlich des Grundsatzes der Nichteinmischung in allen Ländern die Grundlage für die friedliche Beilegung von Konflikten und die friedliche Regelung innerstaatlicher Angelegenheiten bilden;

K. in der Erwägung, dass Vertreibung ein Problem ist, von dem die gesamte Region Lateinamerikas betroffen ist; in der Erwägung, dass Kolumbien mit mehr als 7,6 Millionen Binnenvertriebenen weltweit die höchste Zahl an Binnenvertriebenen aufweist; in der Erwägung, dass die Zahl der Menschen, die Guatemala, El Salvador und Honduras in den sogenannten Migrantenkarawanen verlassen, weiter zunimmt;

L. in der Erwägung, dass das Recht auf internationalen Schutz ein im Völkerrecht verankertes grundlegendes Menschenrecht ist, das weder instrumentalisiert noch politischen Auflagen unterworfen werden sollte;

M. in der Erwägung, dass im Jahr 2019 Schätzungen zufolge 1 246 Menschen bei dem Versuch, in die Europäische Union zu gelangen, ums Leben kamen; in der Erwägung, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten derzeit Menschen in Länder zurückschicken, in denen anhaltende bewaffnete Konflikte herrschen; in der Erwägung, dass mehrere internationale Organisationen Fälle von Zurückweisungen an den Außengrenzen der Europäischen Union und von Rückführung von Menschen ohne gebührende Achtung ihres Rechts auf internationalen Schutz dokumentiert haben;

1. bekundet seine Solidarität mit dem venezolanischen Volk angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen es konfrontiert ist;

2. spricht den Angehörigen und Freunden der 54 Menschen, die in Venezuela an COVID-19 gestorben sind, sein Beileid aus;

3. bedauert, dass der Internationale Währungsfonds nicht auf die Forderung der venezolanischen Regierung reagiert hat, die Bedarf an einem Notfalldarlehen in Höhe von 5 Mrd. USD angemeldet hatte, mit dem das öffentliche Gesundheitssystems Venezuelas in die Lage versetzt werden sollte, besser auf die COVID-19-Pandemie zu reagieren;

4. begrüßt, dass mehrere venezolanische Konten im Ausland freigegeben wurden, um Mittel für die Bekämpfung der Pandemie zu mobilisieren; fordert, dass sämtliche Mittelbestände und Vermögenswerte der Bolivarischen Republik Venezuela außerhalb des Landes und insbesondere jene in der EU unverzüglich freigegeben werden;

5. verurteilt die Verhängung von Sanktionen durch die EU und die USA und fordert dringend deren Aufhebung; stellt fest, dass seit 2017 Schätzungen zufolge mehr als 40 000 Menschen infolge der verhängten Sanktionen, durch die der Zugang Venezuelas zu den internationalen Lebensmittel- und Arzneimittelmärkten eingeschränkt wurde, ums Leben gekommen sind;

6. betont, dass die gegen Venezuela verhängten Sanktionen dem Leben und der Gesundheit von Menschen nach wie vor sehr schwer schaden; ist der Auffassung, dass diese Sanktionen der Definition der kollektiven Bestrafung der Zivilbevölkerung entsprechen, wie sie in den internationalen Übereinkommen – sowohl in den Genfer Konventionen als auch in den Haager Übereinkommen – dargelegt ist, was bedeutet, dass die Sanktionen nach dem Völkerrecht und den internationalen Verträgen rechtswidrig sind;

7. verurteilt die Drohungen seitens des US-Außenministeriums und der Regierungen einiger Mitgliedstaaten der EU, wie die Forderung der Trump-Regierung nach der Verhängung weiterer Sanktionen, die die politische Lage in Venezuela verschärft haben;

8. unterstützt die Bemühungen der demokratischen Kräfte, der Regierung Venezuelas und des venezolanischen Volkes, selbst Antworten auf ihre politischen und wirtschaftlichen Probleme zu finden und die Stärkung des nationalen Dialogs in Venezuela zu fördern;

9. fordert den Hohen Vertreter und die Mitgliedstaaten auf, in einen konstruktiven Dialog mit der venezolanischen Regierung unter der Führung von Präsident Nicolás Maduro Moros einzutreten; fordert den Hohen Vertreter und die Mitgliedstaaten auf, die Bemühungen des Runden Tisches für den nationalen Dialog zu unterstützen, an dem demokratische Parteien der venezolanischen Regierung und der Opposition zusammenkommen, um im Rahmen der venezolanischen Verfassung eine friedliche Lösung für die derzeitige Situation zu finden;

10. begrüßt die nach dem Dialog zwischen dem venezolanischen Minister für auswärtige Angelegenheiten, Jorge Arreaza, und dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, getroffene Vereinbarung, die diplomatischen Kontakte zwischen der Europäischen Union und Venezuela zu fördern;

11. erwartet, dass sich die Unterstützung der EU an den Bedürfnissen der Bevölkerung und nicht an geopolitischen Interessen orientiert; fordert die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf, Menschen, die vor Situationen fliehen, in denen Leib und Leben stark gefährdet sind, unabhängig von ihrer Herkunft zu schützen;

12. erinnert an die Zusagen der Europäischen Union gegenüber Binnenvertriebenen in Kolumbien im Zusammenhang mit den Friedensabkommen; ruft die humanitäre Lage in anderen Ländern der Region wie Haiti in Erinnerung;

13. fordert die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf, den Forderungen des UNHCR nach einer angemessenen Finanzierung nachzukommen;

14. fordert die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf, das Recht auf internationalen Schutz zu verteidigen und zu fördern – beginnend mit ihrem eigenen Hoheitsgebiet und ihren eigenen Rechtsvorschriften; fordert ein sofortiges Ende der Rückführungen, die Öffnung sicherer und legaler Migrationswege in die Europäische Union und die Umsetzung eines Neuansiedlungsprogramms für Menschen aus Gebieten, die von bewaffneten Konflikten und humanitären Notsituationen betroffen sind;

15. nimmt die Auswirkungen externer Sanktionen auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Bolivarischen Republik Venezuela zur Kenntnis; fordert die Generalversammlung der Vereinten Nationen daher auf, das Stimmrecht der Bolivarischen Republik Venezuela gemäß Artikel 19 der Charta der Vereinten Nationen wiederherzustellen, wonach den Mitgliedern die Ausübung des Stimmrechts gestattet werden kann, wenn der Zahlungsverzug auf Umständen beruht, die dieses Mitglied nicht zu vertreten hat;

16. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, der Regierung Venezuelas sowie der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika zu übermitteln.

 

 

Letzte Aktualisierung: 8. Juli 2020
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