ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Erholung der Kultur in Europa
9.9.2020 - (2020/2708(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Tomasz Frankowski
im Namen der PPE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0246/2020
B9-0249/2020
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Erholung der Kultur in Europa
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 6 und Artikel 167 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und auf Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 22,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 22. Mai 2018 mit dem Titel „Eine neue europäische Agenda für Kultur“ (COM(2018)0267),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Dezember 2016 zu einer kohärenten Politik der EU für die Kultur- und Kreativwirtschaft[1],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen[2],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Juni 2020 zu Verkehr und Tourismus im Jahr 2020 und darüber hinaus[3],
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1295/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Einrichtung des Programms Kreatives Europa (2014–2020) und zur Aufhebung der Beschlüsse Nr. 1718/2006/EG, Nr. 1855/2006/EG und Nr. 1041/2009/EG[4],
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17., 18., 19., 20. und 21. Juli 2020,
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Kultur ein strategischer Sektor für die Europäische Union und ein wichtiger Teil unserer Wirtschaft ist, unsere gemeinsamen europäischen Werte widerspiegelt und in Traditionen, Geschichte und Lebensweise jüdisch-christlichen Ursprungs verwurzelt ist;
B. in der Erwägung, dass die europäischen Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft die kulturelle und sprachliche Vielfalt in Europa bewahren und fördern und zur Stärkung einer europäischen Identität auf allen Ebenen beitragen; in der Erwägung, dass diese Akteure eine unschätzbare Antriebskraft für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten und eine wichtige Basis für globale Wettbewerbsfähigkeit sind;
C. in der Erwägung, dass Eurostat zufolge auf die europäische Kultur- und Kreativwirtschaft etwa 4 % des europäischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entfallen und der Branche in Europa 8,7 Millionen Arbeitsplätze zuzurechnen sind;
D. in der Erwägung, dass die Kultur eine wichtige Rolle bei der Förderung des Tourismus in Europa spielt; in der Erwägung, dass nach Angaben von Eurostat zwei Drittel der Europäer der Ansicht sind, dass die Wahl ihres Urlaubsziels durch etwaiges Kulturerbe beeinflusst wird; in der Erwägung, dass Europa nach wie vor das weltweit beliebteste und bedeutendste Ziel des Kulturtourismus ist;
E. in der Erwägung, dass die europäischen Kultur- und Kreativschaffenden mit am stärksten von der COVID-19-Pandemie getroffen wurden; in der Erwägung, dass das Herunterfahren der Kultur- und Kreativwirtschaft Auswirkungen auf andere Wirtschaftszweige wie Verkehr und Tourismus hatte;
F. in der Erwägung, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft auf der Grundlage spezifischer Wirtschaftsmodelle mit Akteuren unterschiedlicher Größe betrieben wird, wobei jedoch kleine Strukturen, etwa kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Selbstständige, dominieren, dass das Einkommen häufig unregelmäßig ist und aus gemischten Quellen wie öffentlichen Subventionen, privatem Sponsoring, publikumsabhängigen Einnahmen und Urheberrechten stammt und in die Branche ein höherer Anteil junger Menschen als in den meisten anderen beschäftigt ist und diese die in Krisenzeiten besonders bedroht sind;
G. in der Erwägung, dass die COVID-19-Krise bereits jetzt langfristige nachteilige Auswirkungen auf die Produktion kultureller und kreativer Inhalte und die damit verbundenen Einnahmen hervorgerufen hat und auch in Zukunft noch hervorrufen wird, worunter auch die kulturelle Vielfalt Europas leiden wird;
H. in der Erwägung, dass Theater, Kinos, Festivals, Konzerthallen, Museen und Kulturerbestätten aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu den ersten Einrichtungen gehörten, die ihre Türen geschlossen haben, und zu den letzten, die wieder geöffnet wurden; in der Erwägung, dass zahlreiche kulturelle und künstlerische Veranstaltungen wie Messen, Festivals, Konzerte und Darbietungen abgesagt oder auf einen viel späteren Zeitpunkt verschoben wurden; in der Erwägung, dass die Veranstaltungsorte aufgrund der Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen, die zur Verhinderung eines neuen Ausbruchs ergriffen wurden, in absehbarer Zukunft nicht voll ausgelastet sein werden, und dass durch diese Maßnahmen der kreative Prozess vieler Veranstaltungen behindert wird, was zu weiteren Einkommensverlusten führt;
I. in der Erwägung, dass sich viele Europäer während der Pandemie in einer Situation der Isolation befunden haben, was bedeutet, dass sich die Möglichkeiten des Zugangs zum kulturellen Online-Angebot vervielfacht haben, wodurch Kultur zugänglicher und oftmals kostenlos geworden ist; in der Erwägung, dass der wesentliche Beitrag der Kultur für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen in schwierigen Zeiten umso wichtiger ist;
J. in der Erwägung, dass die aufeinanderfolgenden Haushaltsvorschläge für das Programm „Kreatives Europa“ im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) ganz klar weder den Erwartungen der Branche noch den Erwartungen des Parlaments gerecht werden und dass das Parlament eine notwendige Verdoppelung seiner Mittel im Vergleich zu dem im MFR 2014–2020 vorgesehenen Betrag gefordert hat;
K. in der Erwägung, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft auch in Zukunft angemessen finanziert werden, als sichere Anlage gelten und für den im europäischen Grünen Deal skizzierten Übergang hin zu einem CO2-neutralen Kontinent gerüstet sein muss;
1. bekundet seine aufrichtige Solidarität mit den Künstlern, Urhebern, Autoren, Verlegern, ihren Unternehmen und anderen in der europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft tätigen Arbeitnehmern und Akteuren, die von der COVID‑19-Pandemie schwer getroffen wurden, und würdigt ihr Engagement in dieser schwierigen Zeit, die Millionen Europäer durchleben;
2. hält es für grundlegend, die von den europäischen Organen ergriffenen historischen Wirtschaftsmaßnahmen mit weitreichenden und raschen Maßnahmen zur Unterstützung der kulturellen und kreativen Kräfte Europas zu kombinieren;
3. begrüßt die Bemühungen der Kommission und des Europäischen Rates um die Ausarbeitung des Aufbauinstruments „Next Generation EU“ und insbesondere die Schaffung der Aufbauhilfe REACT-EU, mit der die Bereitstellung zusätzlicher Finanzierungsmittel für stark betroffene Wirtschaftszweige, darunter die Kultur, angestrebt wird; ist jedoch beunruhigt darüber, dass kein gesonderter Betrag eindeutig für die Kultur- und Kreativwirtschaft vorgesehen ist; besteht in diesem Zusammenhang darauf, dass die Akteure der Kultur- und Kreativbranche einen klaren Schwerpunkt der gezielten Maßnahmen der Mitgliedstaaten bilden und ihnen die im Rahmen des Europäischen Konjunkturprogramms bereitgestellten Mittel und Instrumente in großem Umfang und rasch zugutekommen;
4. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Kultur- und Kreativbranche im Rahmen des Europäischen Konjunkturprogramms als strategisch wichtigen Wirtschaftszweig anzusehen und ein klares Budget und rasche und konkrete Maßnahmen zur Förderung der Erholung der Branche vorzusehen, die all ihren Interessenträgern zugutekommen sollten; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die spezifischen nationalen Vorschriften in den Bereichen Soziales, Steuern und Wirtschaft, die üblicherweise für Akteure der Kultur- und Kreativbranche gelten, während und in der Zeit nach der Krise ausgeweitet werden können; fordert die Mitgliedstaaten auf, die KMU der Kultur- und Kreativbranche in ihre nationalen KMU-Sanierungspläne, die sie bereits umgesetzt haben, aufzunehmen; fordert die Mitgliedstaaten auf, eine finanzielle Unterstützung von Kulturstätten und -veranstaltungen in Erwägung zu ziehen, wenn sie neue Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen einführen;
5. fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten weiterhin bei ihrer Hilfe für die Kultur- und Kreativwirtschaft zu unterstützen; begrüßt die Bemühungen der Kommission zur Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft, beispielsweise durch Kampagnen wie #CreativeEuropeAtHome;
6. begrüßt die Schaffung des Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE), mit dem die von den Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf KMU und Selbstständige ergriffenen Kurzarbeitsmaßnahmen unterstützt werden sollen; ist der Ansicht, dass die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft dank dieses Instruments in ihrem Tätigkeitsbereich verbleiben und gleichzeitig ihre Einkommensverluste ausgleichen können; fordert die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, ausreichende Garantien zu liefern, damit SURE möglichst bald einsatzbereit ist;
7. weist darauf hin, dass das Programm „Kreatives Europa“ und sein Unterprogramm MEDIA sowie der Aktionsbereich Kultur und der branchenübergreifende Aktionsbereich von entscheidender Bedeutung sind, wenn es darum geht, durch den Zugang zu Fördermitteln der EU für ein angemessenes Maß an Stabilität in der Branche zu sorgen, bis sich der Kulturmarkt erholt; weist darauf hin, dass das Parlament eine Verdopplung der Haushaltsmittel für dieses Programm im nächsten MFR gefordert hat; fordert die Kommission auf, die Kultur- und Kreativwirtschaft im gesamten MFR durchgängig zu berücksichtigen; bekräftigt daher nachdrücklich seinen Standpunkt zur Mittelbereitstellung im Rahmen des MFR zu diesem Zweck und zu den Mitteln für andere europäische Programme, die der Unterstützung der Kultur- und Kreativwirtschaft und der Kulturschaffenden dienen; hält es für äußerst wichtig, dass die Programme möglichst bald finalisiert und verabschiedet werden, damit ein reibungsloser Übergang ausgehend von den Vorgängerprogrammen sichergestellt werden kann;
8. fordert die Kommission auf, mit den Kulturhauptstädten Europas zusammenzuarbeiten, um ihnen dabei zu helfen, die durch die Pandemie verursachte Störung mithilfe eines eingehenden Dialogs mit den Organisatoren so weit wie möglich zu begrenzen, wobei es insbesondere um jene Städte geht, die den Titel 2020 und 2021 tragen; erklärt seine Bereitschaft, rasch vorzugehen, um eine neue, ausgewogene und angepasste Agenda zu erstellen;
9. fordert die Kommission auf, ein breites Spektrum gemischter Finanzierungsquellen zu ermitteln, die der Kultur- und Kreativwirtschaft zugutekommen können; ist der Ansicht, dass die am Europäischen Innovations- und Technologieinstitut angesiedelte künftige Wissens- und Innovationsgemeinschaft für die Kultur- und Kreativwirtschaft in diesem Zusammenhang eine führende Rolle spielen sollte; fordert die Kommission auf, im Rahmen des Programms „Horizont Europa“ Mittel für die Kultur- und Kreativschaffenden bereitzustellen, die in den Bereichen kulturelle Experimente, Innovation und künstlerische Forschung tätig sind;
10. begrüßt die neuen Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen der Garantiefazilität für die Kultur- und Kreativbranche, mit denen der Zugang zu erschwinglicher Fremdfinanzierung für KMU aus der Kultur- und Kreativwirtschaft verbessert werden soll; fordert im Interesse einer größeren Flexibilität für die Kultur- und Kreativwirtschaft den verstärkten Einsatz dieser Garantiefazilität im Rahmen des Programms „InvestEU“;
11. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass KMU der Kultur- und Kreativwirtschaft im Rahmen der künftigen Garantiefazilitätsinstrumente des Programms „InvestEU“ für den Zeitraum 2021–2027 mehr Unterstützung in Bezug auf die Fremdfinanzierung erhalten;
12. fordert die Kommission auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die sich verschärfenden Auswirkungen der Krise auf die Kultur- und Kreativwirtschaft in einer Zeit abzumildern, in der große Festivals und Kulturveranstaltungen nach wie vor abgesagt werden, was verheerende Folgen insbesondere für die darstellenden Künste mit sich bringt; ist der Ansicht, dass spezielle europäische Digitalplattformen für darstellende Künste eingerichtet werden sollten, damit möglichst viele europäische Kulturinhalte und Kreativprodukte eine Verbreitung erfahren; fordert, dass bei der Gestaltung solcher Plattformen auf die faire Vergütung von Künstlern, Kulturschaffenden und Unternehmen geachtet wird;
13. weist die Mitgliedstaaten darauf hin, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft auch mit andere Maßnahmen unterstützt werden kann, damit sie sich von der Krise erholt, etwa ermäßigten Mehrwertsteuersätzen für alle Kulturgüter und -dienstleistungen, einer besseren Bewertung immaterieller Vermögenswerte und Steuergutschriften für die kulturelle Produktion;
14. weist darauf hin, dass auf den Tourismus 10,3 % des BIP der EU entfallen, wovon 40 % auf das kulturelle Angebot zurückzuführen sind; ist der Ansicht, dass die allmähliche Erholung der Tourismusbranche die Gelegenheit bietet, die europäische Kultur und das europäische Kulturerbe aktiv zu fördern und gleichzeitig den Grundstein für einen nachhaltigen europäischen Tourismus zu legen; fordert in diesem Zusammenhang die Einführung eines jährlichen Programms zur Valorisierung des europäischen Kulturerbes, das die kulturelle Vielfalt Europas widerspiegelt; fordert, dass bei den Strukturfonds im Rahmen der von ihnen unterstützten Projekte die Erhaltung von Kulturgütern und das künstlerische Schaffen eine möglichst weitgehende Berücksichtigung erfahren;
15. ist der Ansicht, dass diese Gelegenheit genutzt werden sollte, um europäische Kulturinhalte weltweit zu fördern, indem die europäische Produktion gefördert wird und europäische Sendenetze aufgebaut werden; fordert die Kommission auf, mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um eine möglichst reibungslose Umsetzung der einschlägigen Rechtsvorschriften wie etwa der Neufassung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste[5], der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt[6] und der Satelliten- und Kabelrichtlinie[7] sicherzustellen;
16. fordert die Kommission auf, die Kollektivverfahren beizubehalten und zu fördern, mit denen sichergestellt wird, dass die einzelnen Urheber bei der Umsetzung früherer Rechtsvorschriften und künftiger Legislativvorschläge angemessen geschützt werden;
17. fordert die Kommission auf, eine ambitionierte und inklusive Kommunikations- und Förderpolitik für die Kultur in Europa vorzuschlagen, die es ermöglichen würde, europäischen Kulturinhalten, Veranstaltungen und Veranstaltungsorten europa- und weltweit Bedeutung zu verleihen; fordert die Kommission auf, auf den positiven Ergebnissen des Europäischen Jahres des Kulturerbes aufzubauen und eine ähnliche Initiative für Kultur und ihre Rolle in Europa auszuarbeiten;
18. ist der Ansicht, dass die kulturelle Dimension Teil des Dialogs mit den Bürgern sein muss, insbesondere im Rahmen der bevorstehenden Konferenz zur Zukunft Europas;
19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- [1] ABl. C 238 vom 6.7.2018, S. 28.
- [2] Angenommene Texte, P9_TA(2020)0054.
- [3] Angenommene Texte, P9_TA(2020)0169.
- [4] ABl. L 347 vom 1.1.2014, S. 221.
- [5] ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 69.
- [6] ABl. L 130 vom 17.5.2019, S. 92.
- [7] ABl. L 248 vom 6.10.1993, S. 15.