ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Russland: Vergiftung von Alexei Nawalny
14.9.2020 - (2020/02777(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Idoia Villanueva Ruiz
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
B9-0279/2020
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Russland: Vergiftung von Alexei Nawalny
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Chemiewaffenübereinkommen, CWÜ),
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass klinische und toxikologische Befunde deutscher medizinischer Sachverständiger und eines Speziallabors der deutschen Bundeswehr festgestellt haben, dass Alexei Nawalny, ein russischer Oppositionspolitiker, Opfer eines Angriffs mit einem chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe geworden ist, einer Substanz, die nach dem Chemiewaffenübereinkommen auf die Liste der verbotenen Substanzen gesetzt wurde; in der Erwägung, dass er auf russischem Staatsgebiet vergiftet und mit Zustimmung der russischen Staatsorgane in ein Berliner Krankenhaus verlegt wurde, wo er sich nach wie vor in der Intensivpflege befindet;
B. in der Erwägung, dass auf der 24. Konferenz der Vertragsstaaten des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) am 28. November 2019 vereinbart wurde, die Liste der durch das Übereinkommen verbotenen Liste-1-Chemikalien durch Aufnahme der als Nowitschok bekannten modernen Nervenkampfstoffe in diese Liste zu aktualisieren;
C. in der Erwägung, dass im Chemiewaffenübereinkommen eindeutig festgelegt ist, wie in Fällen mutmaßlicher Verstöße gegen das Übereinkommen vorzugehen ist, auch in Fällen, in denen anstelle einseitiger Maßnahmen einzelner Staaten oder einer Gruppe von Staaten die Bestimmungen des Übereinkommens angewandt werden müssen;
D. in der Erwägung, dass Russland Vertragspartei des Chemiewaffenübereinkommens ist;
1. begrüßt die Nachricht, dass Alexei Nawalny aus seinem Koma aufgewacht ist, hofft, dass er sich vollständig und rasch erholt, und bekundet seine Solidarität mit seiner Familie;
2. betont, dass der Einsatz von nach dem Chemiewaffenübereinkommen verbotenen Kampfstoffen unabhängig davon, wo, durch wen und unter welchen Umständen er erfolgt, einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt und dass ein solches Verbrechen transparent aufgeklärt werden muss und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden müssen; fordert Russland auf, seinen Verpflichtungen aus dem Chemiewaffenübereinkommen nachzukommen und mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) zusammenzuarbeiten; fordert die OVCW und ihre Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit den Bestimmungen des CWÜ zu handeln;
3. fordert die Regierung der Russischen Föderation nachdrücklich auf, in Zusammenarbeit mit der OVCW eine gründliche, transparente und unvoreingenommene Untersuchung der Vergiftung von Alexei Nawalny durchzuführen, der OVCW jegliche für ihre Arbeit relevanten Informationen offenzulegen, die Ergebnisse ihrer Untersuchungen öffentlich zu machen und diejenigen, die für den Einsatz von nach dem Chemiewaffenübereinkommen verbotenen Kampfstoffen verantwortlich sind, vor Gericht zu stellen;
4. fordert die deutschen Behörden auf, eng mit den russischen Behörden und der OVCW zusammenzuarbeiten, um die Untersuchungen zum Erfolg zu führen;
5. ist beunruhigt über die Zahl der Fälle von Vergiftungen oder anderen Formen gezielter Ermordung derzeitiger und ehemaliger russischer Staatsbürger, sei es innerhalb Russlands oder auf ausländischem Boden, während der letzten beiden Jahrzehnte; betont, dass es schwer zu erklären oder zu rechtfertigen ist, dass es in vielen Fällen nicht gelingt, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen und den Opfern und ihren Familien Gerechtigkeit zu verschaffen; fordert Russland auf, der Straflosigkeit für solche Fälle unverzüglich ein Ende zu setzen und die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten;
6. bekundet seine große Sorge darüber, dass der Mordversuch an Alexei Nawalny die großen Spannungen zwischen Russland und der EU zusätzlich verstärkt und dazu benutzt wird, die schwierigen Beziehungen weiter zu verschlechtern; stellt mit Sorge fest, dass Politiker und Medien stereotype Feindbilder geschaffen haben und dass sich die Eskalation der Rhetorik gefährlich auf die Gesellschaften der EU und Russlands auswirkt;
7. betont, dass die derzeitige Konfrontation zwischen der EU und Russland nicht im Interesse der beiden Partner, ihrer Bürgerinnen und Bürger oder ihrer Volkswirtschaften liegt; unterstreicht, dass es konkreter Anstrengungen bedarf, um die erneute konfrontative Spaltung des europäischen Kontinents zu überwinden; betont, dass die einzige Möglichkeit, die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen auf beiden Seiten zu wahren, darin besteht, die Differenzen durch Dialog und Verhandlungen beizulegen;
8. betont, dass parlamentarischer Dialog keine Belohnung ist, sondern ein Instrument, um Anliegen zu äußern, Argumente auszutauschen und wechselseitiges Verständnis und Vertrauen zu fördern; weist darauf hin, dass das Parlament selbst dieses Instrument in seinen Beziehungen zu vielen anderen Partnern nutzt, mit denen nach wie vor erhebliche Differenzen bestehen; stellt fest, dass die interparlamentarischen Beziehungen zur russischen Duma seit über sechs Jahren eingefroren sind, und vertritt die Auffassung, dass dieser Mangel an Dialog zum gegenseitigen Misstrauen beigetragen hat; fordert, dass die normale Arbeitsweise des interparlamentarischen Dialogs zwischen der russischen Duma und dem Parlament wiederhergestellt wird;
9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.