ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Russland: Vergiftung von Alexei Nawalny
14.9.2020 - (2020/2777(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Anna Fotyga, Witold Jan Waszczykowski, Ryszard Czarnecki, Jadwiga Wiśniewska, Alexandr Vondra, Bogdan Rzońca, Assita Kanko, Joanna Kopcińska, Elżbieta Kruk, Ruža Tomašić
im Namen der ECR-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0280/2020
B9-0283/2020
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Russland: Vergiftung von Alexei Nawalny
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV),
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Russland,
– unter Hinweis auf die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention),
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR), zu deren Vertragsparteien die Russische Föderation gehört,
– unter Hinweis auf die Verfassung der Russischen Föderation, insbesondere deren Kapitel 2 über die Rechte und Freiheiten des Menschen und Bürgers,
– unter Hinweis auf die Aussprache des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten vom 10. September 2020,
– unter Hinweis auf das Chemiewaffenübereinkommen,
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass am 20. August 2020 der Vorsitzende der Partei Russland der Zukunft, Alexei Nawalny, ins Krankenhaus eingeliefert wurde und sich seither in einem ernsten, aber stabilen Zustand befindet, nachdem er bei einem vermutlich politisch motivierten Angriff eine Vergiftung erlitten hatte;
B. in der Erwägung, dass Alexei Nawalny am 22. August 2020 auf einem medizinischen Evakuierungsflug nach Berlin verlegt und in ein medizinisch induziertes Koma versetzt wurde;
C. in der Erwägung, dass die deutsche Regierung nach einem klinischen und toxikologischen Screening bekannt gab, dass Alexei Nawalny mit einem Nervenkampfstoff in Militärqualität vergiftet wurde;
D. in der Erwägung, dass ein Kampfstoff derselben Familie im EU-Gebiet verwendet wurde, um Sergei Skripal und Julia Skripal zu vergiften; in der Erwägung, dass die britischen Behörden zwei russische Staatsbürger, die die Namen Alexander Petrow und Ruslan Boschirow verwendeten, als Verdächtige identifizierten, die hinter der Vergiftung der Skripals standen, und behaupteten, sie seien aktive Offiziere in Russlands militärischem Geheimdienst (GRU);
E. in der Erwägung, dass sich die Russische Föderation gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie als Vollmitglied des Europarates und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa dazu verpflichtet hat, die Grundsätze der Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit sowie die Grundfreiheiten und die Menschenrechte zu achten;
F. in der Erwägung, dass der Einsatz chemischer Waffen unabhängig davon, durch wen und unter welchen Umständen, vollkommen inakzeptabel ist und einen eindeutigen Verstoß gegen das Chemiewaffenübereinkommen, einen Verstoß gegen das Völkerrecht und eine Sicherheitsbedrohung für uns alle darstellt und die regelbasierte internationale Ordnung untergräbt;
G. in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane und die politische Führung ihr repressives und autoritäres Regime gegen ihre eigenen Bürger, die Zivilgesellschaft, die politische Opposition und Medienschaffende fortsetzen, die häufig Schikanen, Observierungen, physischen Angriffen, Drohungen, Razzien und Durchsuchungen ihrer Büros und Wohnungen, Verleumdungskampagnen, gerichtlichen Schikanen, willkürlichen Festnahmen und Misshandlungen sowie Verstößen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit ausgesetzt sind;
H. in der Erwägung, dass sich Russlands Abgleiten in eine autoritäre Herrschaft negativ auf die Beziehungen zwischen der EU und Russland und auf die Stabilität in Europa und der Welt ausgewirkt und die EU und die Mitgliedstaaten gezwungen hat, gegenüber Putins Russland einen stärker von Gemeinsamkeit geprägten, strategischen Ansatz zu verfolgen;
I. in der Erwägung, dass die Vergiftung von Alexei Nawalny ein Verhaltensmuster von Putins Russland darstellt, dem mehrere führende Oppositionelle, Journalisten, Aktivisten und führende ausländische Persönlichkeiten, darunter Boris Nemzow (Oppositionspolitiker), Anna Politkowskaja (Journalistin und Bürgerrechtlerin), Sergei Protasanow (Mitarbeiter einer Oppositionszeitung), Alexander Litwinenko (Überläufer) und Wiktor Juschtschenko (dritter Präsident der Ukraine) zum Opfer gefallen sind;
J. in der Erwägung, dass in staatlichem Auftrag begangene Morde und die physische Eliminierung führender Oppositioneller wie etwa im Fall Boris Nemzow ungestraft blieben und dass Personen, die beschuldigt waren, diese ungeheuerlichen Verbrechen begangen zu haben, vom Kreml ausgezeichnet wurden;
K. in der Erwägung, dass die Reaktionen westlicher Demokratien auf diese Morde und andere aggressive Handlungen der Russischen Föderation nicht ausreichten, um den Kreml davon abzuschrecken, seine feindselige und repressive Politik fortzusetzen;
L. in der Erwägung, dass der HR/VP festgestellt hat, dass die Europäische Union die Vergiftung aufs Schärfste verurteilt, während die NATO Russland aufgefordert hat, sein Programm mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok gegenüber internationalen Beobachtern offenzulegen, und darauf beharrte, dass Russland seinen im Rahmen des Chemiewaffenübereinkommens eingegangenen Verpflichtungen einhält;
1. verurteilt nachdrücklich die gegen den führenden russischen Oppositionellen, Alexei Nawalny, gerichtete Gewalt;
2. spricht der Familie Alexei Nawalnys sein Mitgefühl und seine Hoffnung auf seine rasche und vollständige Genesung aus;
3. betrachtet seine Vergiftung als einen Angriff gegen die Demokratie und die politische Vielfalt in der Russischen Föderation;
4. fordert eine gemeinsame und angemessene internationale Reaktion auf diesen Fall; betont, dass die Vergiftung von Alexei Nawalny nicht als innere Angelegenheit der Russischen Föderation eingestuft werden kann, da dieses Verbrechen gegen das Völkerrecht verstößt;
5. verurteilt den offensiven Einsatz jedes von Russland entwickelten Nervenkampfstoffs in Militärqualität und betont, dass dies nicht das erste Mal in den letzten Jahren ist, dass Russland Nervenkampfstoffe gegen Dissidenten und Oppositionelle eingesetzt hat;
6. fordert den Europäischen Rat nachdrücklich auf, restriktive Maßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die für den Einsatz und die Verbreitung chemischer Waffen verantwortlich sind;
7. bedauert und verurteilt die hybride Kriegsführungstaktik des Kreml und fordert den Rat auf, den Zugang Russlands zum SWIFT-System zu sperren und weitere gezielte Sanktionen zu verhängen;
8. bekräftigt seinen Standpunkt zu der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2, bei der es sich um ein politisches Projekt handelt, mit dem die Abhängigkeit der EU von russischen Gaslieferungen verstärkt werden soll und die den Binnenmarkt der EU gefährdet, da sie weder mit der Energiepolitik der EU noch mit unseren strategischen Interessen im Einklang steht, und die daher gestoppt werden muss; fordert die Organe der EU und die Mitgliedstaaten, insbesondere diejenigen, die an der umstrittenen Pipeline beteiligt sind, auf, diesem Standpunkt in einem Geiste der Solidarität und der Ablehnung der aggressiven Politik Russlands gerecht zu werden und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dieses strategische Projekt des Kreml zu blockieren;
9. ist besorgt über die Verfassungsänderungen, die kürzlich in einem fragwürdigen Referendum angenommen wurden; ist der Auffassung, dass solche Änderungen an der Verfassung der Russischen Föderation eine weitere besorgniserregende Entwicklung darstellen, die beweist, dass der Kreml mit seiner Politik die russische Zivilgesellschaft weiterhin unterdrücken wird, und darauf ausgelegt ist, seine Vorherrschaft über die postsowjetische Welt zu verfestigen;
10. ist der Auffassung, dass der demokratische Westen seine Politik stärken und entschlossenere Maßnahmen ergreifen sollte, um den Herausforderungen, vor denen wir stehen, angemessen zu begegnen, da die Russische Föderation ihre repressive Innenpolitik und ihre aggressiven Maßnahmen weltweit, auch in der Ukraine, in Belarus, Georgien, Syrien und Libyen, fortsetzt;
11. fordert eine internationale Untersuchung der Vergiftung unter der Leitung der Internationalen Partnerschaft gegen Straflosigkeit beim Einsatz chemischer Waffen und bekräftigt, dass die Russische Föderation die Verantwortung dafür trägt, transparente, rasche und wirksame Unterstützung bei der Ermittlung in der Frage zu leisten, wer für den Angriff verantwortlich ist, und alle notwendige Unterstützung bereitzustellen, damit die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden;
12. fordert die russischen Staatsorgane nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Rechenschaft abgelegt wird, nicht nur im Fall Alexei Nawalny, sondern auch Fällen, in denen der Verdacht besteht, dass Menschen durch Putins Regime vergiftet oder ermordet wurden;
13. fordert die internationale Gemeinschaft auf, mit Blick auf das Magnitski-Gesetz die geeigneten rechtlichen Schritte zu unternehmen und alle verfügbaren rechtlichen Instrumente zu nutzen, um die Angriffe gegen Oppositionspolitiker und Zivilaktivisten zu verhindern und zu beenden;
14. ist der Ansicht, dass mit solchen Maßnahmen wahrscheinlich bezweckt wird, bürgerlichen und politischen Aktivismus in der Russischen Föderation auszurotten;
15. bekräftigt, dass die EU uneingeschränkt mit der russischen Zivilgesellschaft solidarisch sein und die europäische Sanktionsregelung für Menschenrechtsverletzungen nutzen sollte, um Personen, die schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben, zu bestrafen, und fordert den Rat auf, seine Arbeit hierzu unverzüglich fortzusetzen; betont, dass Personen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, weder EU-Visa erteilt werden sollten noch der Besitz von Vermögenswerten in den Mitgliedstaaten gestattet werden sollte;
16. fordert die Russische Föderation nachdrücklich auf, die von der internationalen Gemeinschaft aufgeworfenen Fragen umgehend anzugehen und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen ihr Nowitschok-Programm unverzüglich, uneingeschränkt und vollständig offenzulegen;
17. fordert den HR/VP auf, die Vergiftung Alexei Nawalnys und ihre Folgen in Russland weiterhin genau zu verfolgen, bis die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden;
18. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Präsidialverwaltung, dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der Russischen Föderation und der russischen Staatsduma zu übermitteln.