ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Myanmar
8.2.2021 - (2021/2540(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Marisa Matias
im Namen der Fraktion The Left
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0116/2021
B9-0116/2021
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Myanmar
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Myanmar und der Lage der Rohingya,
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Streitkräfte von Myanmar am 31. Januar 2021 die gesamte Macht im Staat an sich rissen und die Herrschaft über die Legislative, Judikative und Exekutive übernahmen; in der Erwägung, dass die Streitkräfte die Führungspersönlichkeiten der zivilen Regierung festnahmen, darunter die Staatsberaterin Aung San Suu Kyii, Präsident U Win Myin und die Chefminister U Phyo Min Thein, Dr. Zaw Myint Maung, Dr. Aung Moe Nyo, Daw Nan Khin Htwe Myint und U Nyi Pu;
B. in der Erwägung, dass für ein Jahr der Notstand ausgerufen wurde und der Vizepräsident und ehemalige Generalleutnant Myint Swe als kommissarischer Präsidenten eingesetzt wurde, und dass dieser die Macht sofort an den Oberbefehlshaber und Vorsitzenden der Militärjunta Min Aung Hlaing übergab; in der Erwägung, dass eine Erkundungsmission der Vereinten Nationen für Myanmar im Jahr 2018 forderte, gegen den Vorsitzenden der Militärjunta Min Aung Hlaing zu ermitteln und ihn wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu anzuklagen;
C. in der Erwägung, dass die Streitkräfte Dutzende von Aktivisten und Amtsträgern der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) ohne Kontakt zur Außenwelt festhalten, so dass Befürchtungen über mögliche Misshandlungen der Inhaftierten entstehen;
D. in der Erwägung, dass Internet- und Telefonverbindungen im ganzen Land unterbrochen wurden und dass Demokratieaktivistinnen und -aktivisten willkürlich festgenommen wurden, wobei mehr und mehr Berichte über Festnahmen nach außen dringen; in der Erwägung, dass immer wieder gepanzerte Fahrzeuge mit Soldaten durch Naypyitaw und Rangun fahren und so Angst vor tödlicher Gewalt aufkommen lassen;
E. in der Erwägung, dass am Wochenende in der größten Demonstration seit 2007 Zehntausende in Myanmar auf die Straße gingen und ein Ende des Staatsstreichs und die Freilassung von Aung San Suu Kyi forderten;
F. in der Erwägung, dass die von Aung San Suu Kyi angeführte NLD als Siegerin aus der Parlamentswahl am 8. November 2020 hervorging und mehr als 80 % der zur Wahl stehenden Sitze erlangte und damit ihre Mehrheit im Parlament ausbaute; in der Erwägung, dass es in den Jahren der demokratisch gewählten zivilen Regierung zwar zu vielen schweren Verletzungen der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit kam, dass aber die jüngsten Ereignisse das Land in die Zeit der repressiven direkten Militärherrschaft zurückwerfen könnten;
G. in der Erwägung, dass die Regierung von Myanmar in der Vergangenheit immer wieder grundlegende Bürgerrechte sowie politische und soziale Rechte verletzte und nicht imstande war, die Sicherheitskräfte des Landes für gegen ethnische Minderheiten zur Rechenschaft zu ziehen;
H. in der Erwägung, dass die Konferenz der Präsidenten als Reaktion auf die fehlende Reaktion Aung San Suu Kyis auf die Verbrechen gegen die Rohingyas und ihr Einverständnis mit diesen Verbrechen im September 2020 den Beschluss fasste, sie offiziell von allen Aktivitäten der Gemeinschaft des Sacharow-Preises auszuschließen;
I. in der Erwägung, dass Berichten zufolge von den 600 000 Rohingyas, die im Bundesstaat Rakhaing verblieben sind, 120 000 in Lagern eingesperrt sind und dort kaum Zugang zu den einfachsten medizinischen und schulischen Einrichtungen haben und sich auch nicht frei bewegen können; in der Erwägung, dass die Streitkräfte während der Kämpfe mit bewaffneten Gruppierungen ethnischer Minderheiten in den Bundesstaaten Chin, Kachin, Karen, Rakhaing und Shan immer wieder Gräueltaten an der Zivilbevölkerung begehen; in der Erwägung, dass die Regierung von Myanmar keine ernsthaften Bemühungen unternahm, die dafür verantwortlichen Befehlshaber oder Soldaten zur Rechenschaft zu ziehen;
J. in der Erwägung, dass Gambia im Jahr 2019 vor dem Internationalen Gerichtshof Anklage gegen Myanmar wegen mutmaßlicher Verletzungen der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes erhoben hat; in der Erwägung, dass der Gerichtshof Myanmar im Januar 2020 einstimmig dazu aufforderte, einen Völkermord an den Rohingya zu verhindern;
K. in der Erwägung, dass die staatlichen Stellen in Myanmar übermäßig breit und unpräzise formulierte Gesetze nutzen, um unter anderem Dutzende von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Journalistinnen und Journalisten für Kritik an der Regierung und den Streitkräften oder für die Teilnahme an friedlichen Protesten zu inhaftieren und anzuklagen;
L. in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie die Krise für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Industriebetrieben in Rangun verschärft hat, da die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Gewerkschaften systematisch bekämpfen und Massenentlassungen durchführten;
M. in der Erwägung, dass der Rat am 23. April 2020 das EU-Waffenembargo gegen Myanmar verlängerte und die Bereitstellung von militärischer Ausbildung für die Armee von Myanmar und die militärische Zusammenarbeit mit dieser verbot; in der Erwägung, dass die EU individuelle Sanktionen gegen 14 Personen verhängte, die für schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die Bevölkerungsgruppe der Rohingya, gegen einer ethnischen Minderheit angehörende Dorfbewohner oder gegen Zivilpersonen in den Bundesstaaten Rakhaing, Kachin und Shan verantwortlich sind oder an diesen beteiligt waren;
1. verurteilt den Staatsstreich der Streitkräfte in Myanmar und die mit diesem in Zusammenhang stehende Gewalt; fordert die unverzügliche Aufhebung des Notstands und die Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in dem Land;
2. fordert den Oberbefehlshaber und die Streitkräfte auf, die Ergebnisse der Wahl vom 8. November 2020 anzuerkennen; fordert die Anerkennung des gewählten Parlaments von Myanmar und fordert nachdrücklich, dass die gewählten Abgeordneten nicht daran gehindert werden sollten, zusammenzutreten und ihr Mandat auszuüben;
3. fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung von Aung San Suu Kyi, den Ministern der Regierung und den Chefministern der Regionen sowie von Demokratieaktivistinnen und -aktivistinnen und allen anderen Angehörigen der Zivilbevölkerung, die im Zuge des Staatsstreichs inhaftiert wurden;
4. fordert auf, dass die Verantwortlichen für die Niederschlagung des Übergangs Myanmars zur Demokratie zur Rechenschaft zu ziehen;
5. fordert die Verhängung eines allgemeinen umfassenden Waffenembargos gegen Myanmar, mit dem die Lieferung, den Verkauf oder die Weitergabe, einschließlich der Durchfuhr und Umladung, aller Arten von Waffen und Munition sowie anderen Militär- und Sicherheitsgütern auf direktem oder indirektem Wege sowie das Angebot von Ausbildung oder anderen Formen der militärischen und sicherheitstechnischen Unterstützung in allen Fällen ausgesetzt wird;
6. äußert tiefes Bedauern, dass bei der Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen lediglich festgestellt wurde, dass ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Lage in Myanmar bestehen; fordert den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, eine wirksame Reaktion auf den Staatsstreich der Streitkräfte zu beschließen, etwa ein umfassendes Waffenembargo gegen Myanmar und gezielte finanzielle Sanktionen gegen den Oberbefehlshaber der Streitkräfte von Myanmar, General Min Aung Hlaing, und andere Führungspersönlichkeiten der Streitkräfte, die für grauenhafte Verbrechen gegen die Rohingya und andere ethnische Minderheiten im ganzen Land verantwortlich sind;
7. fordert die EU auf, neben dem bestehenden Waffenembargo zusätzliche gezielte Sanktionen gegen Unternehmen der Streitkräfte und militärisches Material zu verhängen, die für den Staatsstreich der Streitkräfte verantwortlich sind;
8. verurteilt erneut auf das Schärfste alle früheren und gegenwärtigen Menschenrechtsverletzungen und die systematischen und weit verbreiteten Angriffe, darunter Morde, Schikanierungen, Vergewaltigungen und die Zerstörung von Eigentum, die nach den Berichten der UNIFFM und des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen, die die Streitkräfte gegen die Bevölkerungsgruppe der Rohingya begehen;
9. äußert sich zutiefst besorgt angesichts der weiter bestehenden Diskriminierung und der starken Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der 600 000 verbliebenen Rohingya, die gezwungen sind, in Lagern und Dörfern im Bundesstaat Rakhaing zu verbleiben, und angesichts des Fehlens an grundlegenden staatlichen Leistungen für diese Menschen; fordert die staatlichen Stellen von Myanmar auf, alle Angehörigen der Zivilbevölkerung ohne jegliche Diskriminierung zu schützen und die willkürlichen Angriffe und andere Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts nicht fortzusetzen; weist darauf hin, dass Myanmar verpflichtet ist, der einstweiligen Verfügung des Internationalen Gerichtshofs Folge zu leisten;
10. fordert die staatlichen Stellen von Myanmar auf, umfassend mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten (etwa mit dem Unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Myanmar, der Erkundungsmission der Vereinten Nationen für Myanmar, dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage in Myanmar und dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte), auch indem ihnen ungehinderter Zugang zum gesamten Staatsgebiet gewährt wird, damit sie allen Berichten über mutmaßliche Verstöße gegen das Völkerrecht sowie Verstöße gegen die Menschenrechte nachgehen können;
11. hebt hervor, dass sich die Bedingungen im Bundesstaat Rakhaing und im gesamten Land nicht für sichere, freiwillige und nachhaltige Rückführungen unter Wahrung der Menschenwürde eignen und dass der Grundsatz der Nichtzurückweisung unter allen Umständen gewahrt werden muss; fordert, dass Ortschaften, die Flüchtlinge aus dem Bundesstaat Rakhaing aufnehmen, zusätzliche internationale Unterstützung erhalten, indem unter anderem gegen gesellschaftliche, bildungsbezogene, wirtschaftliche und gesundheitsbezogene Probleme im eigenen Land vorgegangen wird;
12. verurteilt Einschüchterung, Repressalien oder Einschränkungen der Meinungsfreiheit jeglicher Art, insbesondere durch die Streitkräfte und Sicherheitskräfte von Myanmar sowie durch andere staatliche Stellen; betont, dass Medienfreiheit und kritischer Journalismus wesentliche Grundpfeiler der Demokratie und unabdingbar für die Förderung einer verantwortungsvollen Staatsführung sowie von Transparenz und Rechenschaftspflicht sind;
13. fordert die staatlichen Stellen von Myanmar erneut auf, für die Sicherheit und den Schutz von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die Todesdrohungen erhalten und auch anderen Formen der Belästigung und Einschüchterung ausgesetzt sind, zu sorgen;
14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung von Myanmar, den Mitgliedstaaten des Verbandes südostasiatischer Nationen, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu übermitteln.