ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Erfordernis eines vordringlichen Aktionsplans der EU zur Sicherstellung der Ernährungssicherheit inner- und außerhalb der EU in Anbetracht des russischen Einmarschs in die Ukraine
16.3.2022 - (2022/2593(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Veronika Vrecionová, Bert‑Jan Ruissen, Zbigniew Kuźmiuk, Krzysztof Jurgiel, Ladislav Ilčić, Nicola Procaccini
im Namen der ECR-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0160/2022
B9‑0166/2022
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Erfordernis eines vordringlichen Aktionsplans der EU zur Sicherstellung der Ernährungssicherheit inner- und außerhalb der EU in Anbetracht des russischen Einmarschs in die Ukraine
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. März 2022 zu Russlands Aggression gegen die Ukraine[1],
– unter Hinweis auf Artikel 39 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Russische Föderation und die Ukraine Nettoexporteure landwirtschaftlicher Erzeugnisse sind und beide eine führende Rolle bei der Versorgung auf den globalen Lebensmittel-, Düngemittel- und Energiemärkten spielen;
B. in der Erwägung, dass der russische Einmarsch in die Ukraine eine unmittelbare Bedrohung für die weltweite Ernährungssicherheit darstellt, in erster Linie wegen der Unterbrechung der Nahrungsmittelversorgung der ukrainischen Bevölkerung und auch anderer Länder, die in hohem Maße vom Anbau von Grundnahrungsmittelpflanzen in der Ukraine abhängig sind, was die Gefahr einer geopolitischen Instabilität heraufbeschwört;
C. in der Erwägung, dass es aufgrund des Stopps der ukrainischen Ausfuhren, in Verbindung mit der zerstörten Infrastruktur und der Blockade der Schwarzmeerhäfen, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Engpässen bei mehreren landwirtschaftlichen Grunderzeugnissen und Energielieferungen kommen wird, und zwar vor allem in der EU und auf den benachbarten Kontinenten;
D. in der Erwägung, dass durch den Konflikt der Bedarf an humanitärer Hilfe in der Ukraine steigen und die Zahl der Millionen von Menschen, die bereits vor seiner Eskalation aufgrund des seit mehr als acht Jahren andauernden Konflikts im östlichen Teil des Landes vertrieben wurden oder Hilfe benötigten, weiter zunehmen wird;
E. in der Erwägung, dass der Bedarf an humanitärer Hilfe in den Nachbarländern, in denen Flüchtlinge Zuflucht suchen, ebenfalls zunehmen wird;
F. in der Erwägung, dass der Agrarsektor seit Monaten mit extrem hohen Betriebsmittelpreisen konfrontiert ist und diese Produktionskosten am Ende der Wertschöpfungskette nicht wieder hereinholen kann;
G. in der Erwägung, dass die EU-Märkte seit über einem Jahr mit einer Energiepreiskrise zu kämpfen haben; in der Erwägung, dass Russland aktiv zur Vertiefung dieser Krise beigetragen hat, vor allem durch die Einstellung der Befüllung von Speicheranlagen, die Gazprom gehören oder von Gazprom geleast sind, in bestimmten EU-Ländern, das mangelnde Interesse am Verkauf von Rohöl an europäischen Börsen und die Einstellung der Buchung zusätzlicher Kapazitäten in ausgewählten Fernleitungen für den Export;
H. in der Erwägung, dass landwirtschaftliche Flächen bereits eine sehr wertvolle Ressource sind und ihr Wert weiter ansteigen wird, da sie benötigt werden, um ausreichend Lebens- und Futtermittel für die Ernährung der Bürger in der EU, der Ukraine und weltweit zu erzeugen;
I. in der Erwägung, dass sich der Fischereisektor seit Monaten in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet, da die Gas- und Strompreise sowie die Logistikkosten stark gestiegen sind;
1. verurteilt aufs Schärfste den rechtswidrigen, grundlosen und ungerechtfertigten militärischen Überfall der Russischen Föderation auf die Ukraine und ihren Einmarsch in das Land sowie die Beteiligung von Belarus an diesem Angriffskrieg; fordert die Russische Föderation auf, alle militärischen Handlungen in der Ukraine unverzüglich einzustellen; betont, dass der russische Einmarsch in die Ukraine eine unmittelbare Bedrohung für die weltweite Ernährungssicherheit darstellt, was in erster Linie auf die Unterbrechung der Nahrungsmittelversorgung der ukrainischen Bevölkerung und auch anderer Länder zurückzuführen ist, die in hohem Maße vom Anbau von Grundnahrungsmittelpflanzen in der Ukraine abhängig sind, was die unmittelbar drohende Gefahr einer geopolitischen Instabilität zur Folge hat;
2. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, einen Beitrag zur Sicherung der bevorstehenden Aussaat in der Ukraine in jeder möglichen Weise zu leisten; weist darauf hin, dass humanitäre Hilfe benötigt wird, um unmittelbare, lebensbedrohliche Situationen wie die, mit der die Ukraine gegenwärtig konfrontiert ist, zu bewältigen;
3. ist der Auffassung, dass es in der derzeitigen Lage besonders wichtig ist, die in der EU-Politik dargelegten Umweltziele im Hinblick auf ihre kumulativen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit der EU und die wirtschaftliche Stabilität des Agrarsektors zu überprüfen;
4. fordert die Kommission auf, eine umfassende kumulative Folgenabschätzung der Ziele des Grünen Deals durchzuführen, in der die potenziellen Folgen des russischen Einmarschs in die Ukraine für die europäische und weltweite Ernährungssicherheit zusammen mit dem prognostizierten Rückgang der Lebensmittelproduktion infolge der Ziele des Grünen Deals berücksichtigt werden;
5. fordert die Kommission auf, alle Initiativen im Rahmen des Grünen Deals auszusetzen, die sich negativ auf die Lebensmittelerzeugung auswirken;
6. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass landwirtschaftliche Flächen in erster Linie nur für die Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln und keinesfalls für die Herstellung von Biokraftstoffen genutzt werden, damit die Ernährungssicherheit nicht nur für die EU-Bürger, sondern auch für Millionen ukrainischer Flüchtlinge in der EU und weltweit gewährleistet ist;
7. fordert die Kommission auf, unverzüglich außerordentliche Unterstützungsmaßnahmen für die Agrarsektoren der EU vorzusehen, die von den Folgen des russischen Einmarschs in die Ukraine auf funktionierende Lieferkette oder den Folgen der gegen Russland verhängten Sanktionen betroffen sind; fordert die Kommission nachdrücklich auf, zu diesem Zweck die verfügbaren Haushaltsspielräume zu nutzen, auf die EU-Krisenreserve jedoch erst als letztes Mittel zurückzugreifen, da sich die Inanspruchnahme dieser Reserve unmittelbar negativ auf die Einkommensstützung aller Landwirte auswirken würde;
8. fordert die Kommission auf, in ihrem Aktionsplan Maßnahmen zur Steigerung der Lebensmittelerzeugung in der EU Vorrang einzuräumen, unter anderem durch die Änderung der nationalen Strategiepläne mit dem Ziel, die Anbauflächen in der EU zu vergrößern;
9. fordert die Kommission auf, die landwirtschaftliche Erzeugung in als ökologische Vorrangflächen ausgewiesenen Flächen sowie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf diesen Flächen zuzulassen, damit stabile Erträge sichergestellt werden; fordert die Kommission auf, die Vorschriften über die Anbaudiversifizierung auszusetzen, damit die Landwirte Kulturpflanzen anbauen können, bei denen Engpässe zu erwarten sind;
10. fordert die Kommission nachdrücklich auf, den Mitgliedstaaten vollständige Klarheit in Bezug auf die Höhere-Gewalt-Klausel in der derzeitigen und der neuen GAP sowie in weiteren Rechtsvorschriften zu verschaffen;
11. erkennt zwar an, dass es unmöglich ist, Kunstdünger vollständig zu ersetzen, betont jedoch, dass zur Verringerung der Abhängigkeit der EU von chemischer Düngung möglichst bald alternative organische Nährstoffquellen genutzt werden sollten; fordert die Kommission auf, sich mit den rechtlichen und praktischen Hindernissen für die Umsetzung dieser Lösung für die Abhängigkeit von importierten Düngemitteln zu befassen; fordert insbesondere, dass die Verwendung von Produkten aus Klärschlamm und Dung als Alternative zu chemischen Düngemitteln in der Nitrat-Richtlinie zugelassen wird, wenn dabei die von der Gemeinsamen Forschungsstelle festgelegten RENURE-Kriterien eingehalten werden;
12. betont, dass ein integraler Bestandteil des EU-Aktionsplans zur Sicherstellung der Ernährungssicherheit der EU eine Strategie zur Erhöhung der Energieunabhängigkeit der EU von russischen Lieferungen sein muss, einschließlich der vollständigen Aufgabe des Projekts Nord Stream 2, wobei gleichzeitig die Energieversorgungssicherheit der EU gewahrt werden muss;
13. fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Integrität des EU-Binnenmarkts gebührend zu wahren und Ausfuhrverbote einzelner Mitgliedstaaten gegenüber anderen Mitgliedstaaten oder sonstige Hindernisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts auszuschließen;
14. fordert die Kommission auf, die Ausfuhren aus der EU und die Menge der Grundnahrungsmittel in den Lagern der EU zu überwachen;
15. fordert die Kommission auf, alle Instrumente im Zusammenhang mit dem Grünen Deal zu überdenken und auszusetzen, die den Handel mit Drittländern behindern oder in naher Zukunft behindern werden, insbesondere mit der Ukraine, die nicht in der Lage sein wird, alle Umwelt- und Klimastandards der EU einzuhalten;
16. hebt hervor, dass die politischen Maßnahmen länderspezifisch, bedarfsorientiert und kontextbezogen sein müssen, da die Lebensmittelsysteme sehr unterschiedlich sind;
17. weist darauf hin, dass die Auswirkungen des russischen Einmarschs in die Ukraine auf die Rohstoffpreise zusätzlich zur anstehenden Erholung des Marktes nach der Pandemie ein erhebliches Problem für die Erzeugung von Meeresfrüchten durch die Fischereiindustrie darstellen; betont, dass dies zu einer Situation geführt hat, in der es für viele Fischereifahrzeuge unmöglich geworden ist, in See zu stechen und Einnahmen zu erzielen, die höher sind als die Kosten ihrer Fischereitätigkeit; fordert die Kommission auf, Sofortmaßnahmen vorzuschlagen, damit die wirtschaftliche Lage der Fischereiunternehmen verbessert, die Nutzung von Innovationen ermöglicht und das Risiko auf den Märkten angegangen wird;
18. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik,
dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P9_TA(2022)0052.