Entschließungsantrag - B9-0438/2022Entschließungsantrag
B9-0438/2022

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu Russlands Eskalation seines Angriffskriegs gegen die Ukraine

3.10.2022 - (2022/2851(RSP))

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Michael Gahler, Andrius Kubilius, Rasa Juknevičienė, Željana Zovko, David McAllister, Vangelis Meimarakis, Siegfried Mureşan, Paulo Rangel, Jerzy Buzek, Traian Băsescu, Vladimír Bilčík, Vasile Blaga, Daniel Buda, Daniel Caspary, Peter van Dalen, Gheorghe Falcă, Tomasz Frankowski, Andrzej Halicki, Mircea‑Gheorghe Hava, Sandra Kalniete, Arba Kokalari, Ewa Kopacz, Andrey Kovatchev, David Lega, Miriam Lexmann, Antonio López‑Istúriz White, Elżbieta Katarzyna Łukacijewska, Aušra Maldeikienė, Lukas Mandl, Marian‑Jean Marinescu, Gabriel Mato, Liudas Mažylis, Francisco José Millán Mon, Janina Ochojska, Radosław Sikorski, Michaela Šojdrová, Eugen Tomac, Inese Vaidere, Loránt Vincze, Isabel Wiseler‑Lima, Alexander Alexandrov Yordanov, Milan Zver
im Namen der PPE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0430/2022

Verfahren : 2022/2851(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B9-0438/2022
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B9-0438/2022
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B9‑0438/2022

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Eskalation des Angriffskriegs gegen die Ukraine durch Russland

(2022/2851(RSP))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Ukraine und zu Russland,

 unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention,

 unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,

 unter Hinweis auf die Haager Übereinkommen,

 unter Hinweis auf die Genfer Konventionen und ihre Zusatzprotokolle,

 unter Hinweis auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs,

 unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Ukraine vom 30. Mai 2022,

 unter Hinweis auf die Berichte des Menschenrechtskommissars des ukrainischen Parlaments,

 unter Hinweis auf die im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung des Hohen Vertreters vom 28. September 2022,

 unter Hinweis auf die im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung des Hohen Vertreters vom 29. September 2022 zu den von Russland durchgeführten illegalen Scheinreferenden in den Regionen Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja

 unter Hinweis auf die Presseerklärung von Kommissionspräsidentin von der Leyen vom 29. September 2022 zu einem neuen Paket restriktiver Maßnahmen gegen Russland,

 unter Hinweis auf die im Namen der Europäischen Union abgegeben Erklärung des Hohen Vertreters vom 22. September 2022 zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine,

 gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die Russische Föderation am 24. Februar 2022 einen nicht provozierten, ungerechtfertigten und rechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen hat; in der Erwägung, dass der von Russland in der Ukraine geführte Krieg auf Betreiben Russlands immer weiter eskaliert; in der Erwägung, dass der russische Diktator Wladimir Putin Drohungen gegen Länder ausgestoßen hat, die die Ukraine unterstützen, zu denen die EU-Mitgliedstaaten, gehören;

B. in der Erwägung, dass Russland vom 23. bis 27. September 2022 Scheinreferenden bezüglich der Annexion der besetzten Gebiete Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja durchgeführt hat; in der Erwägung, dass Russland keines der vier Gebiete vollständig unter seiner Kontrolle hat; in der Erwägung, dass Russland am 30. September 2022 die förmliche Annexion dieser Gebiete verkündet hat;

C. in der Erwägung, dass Wladimir Putin am 21. September 2022 eine „Teilmobilmachung“ verkündet hat; in der Erwägung, dass Medienberichten zufolge von der Mobilmachung zwischen 300 000 und 1,2 Millionen Reservisten der russischen Streitkräfte betroffen sind, die zu den Waffen gerufen wurden; in der Erwägung, dass man diese neu einberufenen Soldaten angeblich zunächst ausbildet, bevor sie in ihre Einheiten eingegliedert und an die Front geschickt werden; in der Erwägung, dass es jedoch Berichte darüber gibt, dass neue Rekruten nahezu sofort an die Front geschickt werden; in der Erwägung, dass sich Berichten zufolge an die 300 000 russische Bürger dafür entschieden haben, aus dem Land zu fliehen, um einer Einberufung zu entgehen;

D. in der Erwägung, dass die russischen Streitkräfte das Kernkraftwerk von Saporischschja weiterhin besetzt halten; in der Erwägung, dass Ihor Muraschow, der Generaldirektor des Kernkraftwerks von Saporischschja, am 30. September 2022 von den russischen Streitkräften verschleppt wurde; in der Erwägung, dass das Kernkraftwerk von Saporischschja das größte Atomkraftwerk in Europa ist und sein letzter Reaktor Anfang September aufgrund der Kämpfe in und um das Kraftwerk abgeschaltet wurde;

E. in der Erwägung, dass Wladimir Putin in einer Fernsehansprache am 21. September 2022 damit gedroht hat, im Falle einer Bedrohung der territorialen Unversehrtheit Russlands „mit Sicherheit alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um Russland und unser Volk zu schützen. Dies ist kein Bluff“; in der Erwägung, dass es sich bei den Worten „alle uns zur Verfügung stehenden Mittel“ um einen unverhohlenen Erpressungsversuch mit Atomwaffen handelt;

F. in der Erwägung, dass an den Erdgasleitungen „Nord Stream 1“ und „Nord Stream 2“ am 26. September und 27. September 2022 ein dramatischer Druckanfall infolge von durch Unterwasserexplosionen verursachte Lecks zu beobachten war; in der Erwägung, dass sich Spekulationen verdichten, wonach dies auf russische Sabotageakte zurückzuführen ist;

G. in der Erwägung, dass Russland seit Beginn des Krieges massive und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begeht; in der Erwägung, dass Russland seit Beginn seiner umfassenden Invasion der Ukraine Kriegsverbrechen begeht – darunter Massenmorde an Zivilisten und Kriegsgefangenen, Folter, sexuelle Gewalt, Verschwindenlassen, Zwangsdeportationen, Plünderungen sowie die Unterbindung von Evakuierungen und Behinderung von humanitären Hilfskonvois –, die allesamt nach dem Völkerrecht verboten sind und strafrechtlich verfolgt werden müssen;

H. in der Erwägung, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 30. September 2022 bekanntgegeben hat, dass die Ukraine offiziell die Mitgliedschaft in der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) mittels eines beschleunigten Verfahrens beantragt hat;

1. bekräftigt die  unverbrüchliche Unterstützung der Europäischen Union für die Ukraine sowie deren Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität innerhalb der international anerkannten Grenzen; verurteilt auf das Allerschärfste den ungerechtfertigten, nicht provozierten und rechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine; weist darauf hin, dass Russland die volle Verantwortung für den Krieg trägt und dass es den Krieg unverzüglich beenden und alle seine Streitkräfte und Stellvertreter aus allen international anerkannten Gebieten der Ukraine abziehen muss;

2. würdigt den großen Mut des ukrainischen Volkes, der mit gewaltigen Opfer bei der Verteidigung des Landes und der europäischen Werte wie Freiheit, Menschenwürde und Demokratie verbunden ist; weist auf das legitime Recht der Ukraine hin, sich gegen Russlands Aggression zu verteidigen, die vollständige Kontrolle über ihr Hoheitsgebiet wiederzuerlangen und die besetzten Gebiete innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen zu befreien;

3. fordert die Mitgliedstaaten und andere Länder, die die Ukraine unterstützen, auf, ihre militärische Hilfe massiv aufzustocken, insbesondere die Lieferung offensiver Waffen, die es der Ukraine ermöglichen würden, den Krieg gegen Russland zu gewinnen; fordert eine groß angelegte Fazilität für militärische Hilfe im Rahmen einer Leihe und Miete von Rüstungsgütern, die im Umfang den militärischen Lieferungen aus den USA entsprechen; fordert insbesondere die zögerlichen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, auf, ihren gerechten Anteil an der militärischen Hilfe bereitzustellen, die zur Verkürzung der Dauer des Krieges erforderlich ist; weist darauf hin, dass die zögerliche Haltung derjenigen, die die Ukraine unterstützen, den Krieg nur verlängert und unschuldigen Ukrainern das Leben kostet; appelliert an die Staats- bzw. Regierungschefs Frankreichs und Deutschlands, Führungsstärke zu zeigen und Einigkeit zwischen den Mitgliedstaaten herzustellen, damit die Ukraine bei ihrem Kampf gegen Russland uneingeschränkt und bedingungslos unterstützt wird;

4. fordert den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, auf, bei der Initiative für den Leopard-Panzer die Federführung zu übernehmen und die Bemühungen der Mitgliedstaaten zu koordinieren, damit die Leopard-Panzer in einer gemeinsamen Anstrengung rasch an die Ukraine geliefert werden und unverzüglich mit der entsprechenden Ausbildung ukrainischer Soldaten zur Nutzung dieser Panzer begonnen werden kann; schlägt vor, dass Mitgliedstaaten, die ihre Leopard-Panzer zur Verfügung stellen, eine Erstattung aus der Europäischen Friedensfazilität erhalten können;

5. verurteilt unmissverständlich die Scheinreferenden, die mit vorgehaltener Waffe zwecks Annexion der teilweise besetzten Gebiete Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja durchgeführt wurden, als rechtswidrige und unrechtmäßige Handlungen; weist darauf hin, dass diese Referenden einen Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen und das Völkerrecht darstellen; lehnt die gefälschten Ergebnisse der Referenden und die anschließende Eingliederung dieser Gebiete in Russland ab und erkennt diese Handlungen nicht an; hält die Ergebnisse der Scheinreferenden für null und nichtig; ist der Auffassung, dass die Annexion eine gefährliche und unverantwortliche Eskalation und einen eklatanten Verstoß gegen die Völkerrechtsnormen darstellt, die ein Garant für den Weltfrieden, die Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit und die Souveränität aller Staaten sind;

6. betrachtet die Ankündigung der russischen „Teilmobilmachung“ als eine Folge der herben Rückschläge der russischen Streitkräfte an der Front, insbesondere infolge der ukrainischen Gegenoffensive im September um Charkiw; ist besorgt darüber, dass der Krieg durch die Mobilmachung weiter eskalieren und noch länger dauern wird;

7. fordert die EU-Organe und die Mitgliedstaaten auf, alle Anträge auf politisches Asyl von Überläufern, die sich der russischen Mobilmachung oder dem Dienst in den russischen Streitkräften entziehen wollen, im Wege eines gründlichen Überprüfungs- und Kontrollverfahrens ordnungsgemäß zu bearbeiten, mit dem sichergestellt wird, dass ihr möglicher Aufenthalt in der EU mit den Sicherheitsinteressen der Aufnahmemitgliedstaaten vereinbar ist;

8. fordert den sofortigen Abzug des russischen Militärs aus dem Kernkraftwerk von Saporischschja und dessen Umgebung sowie die unverzügliche Freilassung des rechtswidrig inhaftierten Generaldirektors des Kernkraftwerks; fordert die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone um das Kernkraftwerk herum unter Aufsicht der Internationalen Atomenergie-Organisation; weist darauf hin, dass die Kämpfe in der Umgebung der Anlage zu einer Riesenkatastrophe mit unvorstellbaren Folgen führen könnten;

9. verurteilt die jüngsten nuklearen Drohungen Russlands gegen die Ukraine als unverantwortlich und gefährlich; weist warnend darauf hin, dass die internationale Gemeinschaft im Falle eines Atomschlags gegen die Ukraine rasch und entschlossen reagieren wird, was schwerwiegende Folgen für Russland nach sich ziehen würde;

10. fordert die Kommission auf, an einem umfassenden Aufbaupaket für die Ukraine zu arbeiten, dessen Schwerpunkt auf Soforthilfe und mittel- und langfristiger Hilfe für das Land und auf dem Wiederaufbau und der Erholung des Landes liegt und das einen weiteren Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftswachstums nach dem Ende des Krieges leisten wird; weist darauf hin, dass das Aufbaupaket von der EU, internationalen Finanzinstitutionen und gleichgesinnten Partnern gemeinsam auf den Weg gebracht werden sollte; bekräftigt seine Forderung, eine angemessene Rechtsgrundlage zu finden, die eine Verwendung eingefrorener Vermögenswerte der russischen Zentralbank sowie von russischen Oligarchen zur Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine ermöglicht; fordert, dass das Aufbaupaket durch die erforderliche Kapazität des EU-Haushalts unterstützt wird;

11. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Überlegungen darüber anzustellen, wie künftig mit Russland umgegangen werden soll  und wie das Land beim Übergang von der Diktatur zur Demokratie erfolgreich unterstützt werden kann; ist der Ansicht, dass ein erster Schritt darin bestünde, wenn die EU-Organe einen formellen Dialog mit demokratisch gesinnten Wortführern und der Zivilgesellschaft in Russland aufnehmen und bei der Ausarbeitung einer umfassenden Agenda für ein demokratisches Russland sowie bei der Mobilisierung der Unterstützung für diese Agenda eine entscheidende Rolle spielen würden;

12. weist darauf hin, dass sich die Unterwasserexplosionen an den Nord-Stream-Erdgasleitungen gerade zu dem Zeitpunkt ereigneten, als die neue Ostseepipeline von Norwegen über Dänemark nach Polen eingeweiht wurde; ist der Ansicht, dass sich die Unterwasserexplosionen an den Nord-Stream-Erdgasleitungen nicht zufällig ereignet haben, sondern dass sich die Spekulationen verdichten, wonach die Explosionen auf eine koordinierte und vorsätzliche Handlung zurückzuführen sind; ist der Ansicht, dass die Explosionen an den Nord-Stream-Erdgasleitungen zweifelsfrei zeigen, wie gefährlich die Politik der immer größeren Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland war und dass mit den Explosionen die Instrumentalisierung von Energie als Waffe ein neues Niveau erreicht hat; fordert die Mitgliedstaaten auf, den Schutz kritischer europäischer Unterwasserinfrastruktur zu verstärken und vorrangig zu behandeln und deren Widerstandsfähigkeit gegen Angriffe von außen zu erhöhen; fordert die Mitgliedstaaten auf, eine Untersuchung einzuleiten, um vollständige Klarheit darüber zu erlangen, wer diese Tat begangen hat und warum;

13. fordert die Einrichtung eines internationalen Ad-hoc-Strafgerichtshofs für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine, vor dem Putin und alle russischen zivilen und militärischen Amtsträger strafrechtlich verfolgt werden, die für die Planung und den Ausbruch des Krieges sowie die Kriegsführung in der Ukraine verantwortlich sind;

14. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, dem Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, der Internationalen Organisation für Migration, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, dem Internationalen Strafgerichtshof, der Regierung und dem Parlament der Ukraine sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.

Letzte Aktualisierung: 5. Oktober 2022
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