ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu der Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn und eingefrorenen EU-Geldern
24.5.2023 - (2023/2691(RSP))
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Isabel Wiseler‑Lima, Petri Sarvamaa, Monika Hohlmeier, Jeroen Lenaers
im Namen der PPE-Fraktion
Thijs Reuten, Lara Wolters, Eider Gardiazabal Rubial, Birgit Sippel, Gabriele Bischoff, Juan Fernando López Aguilar, Katarina Barley
im Namen der S&D-Fraktion
Sophia in ’t Veld, Moritz Körner, Katalin Cseh, Ramona Strugariu, Anna Júlia Donáth
im Namen der Renew-Fraktion
Gwendoline Delbos‑Corfield, Daniel Freund
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Malin Björk, Younous Omarjee
im Namen der Fraktion The Left
B9‑0257/2023
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn und eingefrorenen EU-Geldern
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Artikel 2, Artikel 4 Absatz 3 und Artikel 7 Absatz 1,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „die Charta“),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union („Konditionalitätsverordnung“)[1],
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF-Verordnung)[2],
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/1060 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds, den Fonds für einen gerechten Übergang und den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen)[3],
– unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die dazugehörigen Protokolle,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die internationalen Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen und des Europarates,
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 12. September 2018 zu einem Vorschlag, mit dem der Rat aufgefordert wird, im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn besteht[4], und vom 15. September 2022 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union zum Bestehen einer eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn[5],
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 16. Januar 2020 und vom 5. Mai 2022 zu den laufenden Anhörungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV zu Polen und Ungarn[6],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. November 2022 zur Bewertung der Einhaltung der in der Konditionalitätsverordnung niedergelegten Rechtsstaatlichkeitsbedingungen durch Ungarn und zum Stand des ungarischen Aufbau- und Resilienzplans[7],
– unter Hinweis auf das Schreiben der Vorsitzenden von fünf Fraktionen im Europäischen Parlament vom 23. April 2023 zu dem Entwurf eines Gesetzes, das auf Lehrkräfte abzielt, und zum Gesetz über Hinweisgeber,
– unter Hinweis auf die Ungarn betreffenden Länderkapitel in den jährlichen Berichten der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit, insbesondere in den Berichten von 2021 und 2022,
– unter Hinweis auf die Bemerkungen nach der Informationsreise einer Delegation des Haushaltskontrollausschusses nach Ungarn vom 15. bis 17. Mai 2023,
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die Union auf die Werte der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, gründet, die in Artikel 2 EUV festgelegt sind, in der Charta zum Ausdruck kommen und in internationalen Menschenrechtsübereinkommen verankert sind;
B. in der Erwägung, dass sich die EU, wie in Artikel 49 EUV festgelegt, aus Staaten zusammensetzt, die sich von sich aus und freiwillig zu den in Artikel 2 EUV genannten gemeinsamen Werten verpflichtet haben;
C. in der Erwägung, dass die Achtung der in Artikel 2 EUV verankerten Werte durch einen Mitgliedstaat eine Voraussetzung für die Wahrnehmung aller Rechte ist, die sich aus der Anwendung der Verträge auf diesen Mitgliedstaat ergeben; in der Erwägung, dass sich auch Ungarn den in Artikel 2 EUV verankerten Werten verschrieben hat; in der Erwägung, dass jede eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV verankerten Werte durch einen Mitgliedstaat nicht nur diesen einzelnen Mitgliedstaat betrifft, sondern auch enorme Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten, auf das gegenseitige Vertrauen zwischen ihnen und auf das Wesen der Union und die Grundrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger hat;
D. in der Erwägung, dass sich der Anwendungsbereich von Artikel 7 EUV nicht auf die Verpflichtungen aus den Verträgen gemäß Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union beschränkt; in der Erwägung, dass die Union in Bereichen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, bewerten kann, ob die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der gemeinsamen Werte besteht;
E. in der Erwägung, dass sich die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn infolge der systematischen Maßnahmen der Regierung Ungarns seit einigen Jahren verschlechtert; in der Erwägung, dass diese Situation nicht ausreichend angegangen wurde, viele Bedenken fortbestehen und immer noch zahlreiche neue Probleme auftreten; in der Erwägung, dass sich dies negativ auf das Image der EU sowie auf ihre Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit bei der Verteidigung der Grundrechte, der Menschenrechte und der Demokratie weltweit auswirkt; in der Erwägung, dass dieses Problem durch ein abgestimmtes Vorgehen der EU angegangen werden muss;
F. in der Erwägung, dass die Anwendung besonderer rechtlicher Regelungen es der Regierung Ungarns seit mehr als drei Jahren ermöglicht, unter dem Vorwand unterschiedlicher außergewöhnlicher Umstände Rechtsvorschriften per Notstandsdekret zu erlassen; in der Erwägung, dass die Regierung Ungarns bereits vor der COVID-19-Pandemie von besonderen rechtlichen Regelungen Gebrauch gemacht hat; in der Erwägung, dass in Ungarn als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine ein Gefahrenzustand ausgerufen wurde, der kürzlich verlängert wurde;
G. in der Erwägung, dass die Regierung Ungarns nach wie vor zahlreiche Notstandsdekrete erlässt, die wenig mit den Gründen für die Ausrufung des Gefahrenzustands zu tun haben; in der Erwägung, dass die Regierung Ungarns insbesondere am 27. April 2023 ein Notstandsdekret erlassen hat, in dem festgelegt wurde, dass die lokalen Gebietskörperschaften nicht verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger an öffentlichen Anhörungen auf kommunaler Ebene persönlich teilnehmen;
H. in der Erwägung, dass die Regierung Ungarns am 2. März 2023 einen Gesetzentwurf über den rechtlichen Status von Personen, die im öffentlichen Bildungswesen beschäftigt sind, und die Änderung bestimmter damit zusammenhängender Gesetze vorgeschlagen hat, wodurch das Recht der Lehrkräfte auf freie Meinungsäußerung sowie ihre Arbeitnehmer- und Sozialrechte drastisch eingeschränkt werden;
I. in der Erwägung, dass die Nationalversammlung Ungarns am 3. Mai 2023 ohne angemessene parlamentarische Kontrolle oder öffentliche Konsultation ein Paket zur Justizreform angenommen hat; in der Erwägung, dass dieses Paket es nicht ermöglicht, die jüngsten politischen Ernennungen auf den höchsten Ebenen des Justizsystems des Landes zu überprüfen;
J. in der Erwägung, dass die Beschlüsse bezüglich der Arbeitsweise der neuen Integritätsbehörde des Landes, einschließlich der Ernennungen, transparent und unabhängig sein sollten, damit keinerlei Zweifel an Legitimität der Behörde aufkommen; in der Erwägung, dass im ersten Jahresbericht dieser Behörde nicht alle Beiträge der Interessenträger zur Schwere der systemischen Korruption bei der Verwaltung von EU-Mitteln in Ungarn berücksichtigt wurden;
K. in der Erwägung, dass die Kommission Ungarn jahrelang aufgefordert hat, die Richtlinie (EU) 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden[8], in nationales Recht umzusetzen, und schließlich am 15. Februar 2023 vor dem Gerichtshof der Europäischen Union diesbezüglich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet hat; in der Erwägung, dass die Nationalversammlung Ungarns schließlich am 11. April 2023 neue Rechtsvorschriften zur Aktualisierung des Gesetzes über den Schutz von Hinweisgebern von 2013 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 in nationales Recht angenommen hat; in der Erwägung, dass die Änderungen Bestimmungen enthalten, die es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, Aktivitäten zu melden, die der ungarischen Lebensweise und dem Grundgesetz Ungarns zuwiderlaufen, wie Tätigkeiten, die die verfassungsmäßig anerkannte Rolle der Ehe und der Familie verletzen; in der Erwägung, dass dieses Gesetz seitdem von der Präsidentin Ungarns an die Nationalversammlung Ungarns zurückverwiesen wurde; in der Erwägung, dass dieses Gesetz, wenn es wie geplant angenommen wird, offene Diskriminierung legitimiert und eine erhebliche Bedrohung für die Rechte von LGBTIQ+-Personen und die Meinungsfreiheit aller Menschen in Ungarn darstellt;
L. in der Erwägung, dass unabhängige Medien und Organisationen der Zivilgesellschaft über eine Zunahme übermäßiger Gewaltanwendung und willkürlicher Inhaftierungen durch die ungarische Polizei während der jüngsten Proteste, insbesondere gegen Minderjährige und gewählte Politiker, berichtet haben;
M. in der Erwägung, dass der Rat am 15. Dezember 2022 den Durchführungsbeschluss (EU) 2022/2506 über Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn[9] angenommen hat; in der Erwägung, dass die Maßnahmen die Aussetzung von 55 % der Mittelbindungen im Rahmen von drei operationellen kohäsionspolitischen Programmen sowie das Verbot umfassen, rechtliche Verpflichtungen mit allen auf der Grundlage des ungarischen Gesetzes IX von 2021 gegründeten Trusts von öffentlichem Interesse und jeglichen von ihnen unterhaltenen Einrichtungen einzugehen; in der Erwägung, dass Ungarn die Kommission bis zum 16. März 2023 und danach alle drei Monate über die Umsetzung der Abhilfemaßnahmen unterrichten sollte, zu denen sich das Land in seiner zweiten Antwort an die Kommission verpflichtet hat, einschließlich der im Schreiben Ungarns vom 13. September 2022 eingegangenen zusätzlichen Verpflichtungen;
N. in der Erwägung, dass die Regierung Ungarns im Februar 2023 den Rücktritt mehrerer ihrer Minister aus den Leitungsorganen von Trusts von öffentlichem Interesse, die den Betrieb wichtiger Universitäten überwachen, in die Wege geleitet hat; in der Erwägung, dass diese Minister in einem intransparenten Verfahren durch andere politische Mandatsträger mit engen Verbindungen zur derzeitigen Regierungspartei ersetzt wurden; in der Erwägung, dass noch keine Maßnahmen zur vollständigen Wiederherstellung der akademischen Freiheit in Ungarn vorgeschlagen wurden;
O. in der Erwägung, dass von 2017 bis 2021 insgesamt 1 993 betrügerische und nicht betrügerische Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die europäischen Struktur- und Investitionsfonds, den Landwirtschaftsfonds und den Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums festgestellt wurden, womit Ungarn in Bezug auf solche Fälle unter den EU-Mitgliedstaaten an sechster Stelle steht; in der Erwägung, dass das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung im selben Zeitraum 26 Untersuchungen im Zusammenhang mit der missbräuchlichen Verwendung von EU-Mitteln mit Empfehlungen für die Wiedereinziehung von Finanzmitteln abgeschlossen hat; in der Erwägung, dass dies in allen Mitgliedstaaten die höchste Zahl abgeschlossener Untersuchungen ist; in der Erwägung, dass die Prüfungen der Kommission für den Zeitraum 2014-2020 zu 13 Anträgen auf Korrekturmaßnahmen und Unterbrechungsverfahren sowie zu einem Aussetzungsbeschluss und zu Finanzkorrekturen in Höhe von geschätzten 1,48 Mrd. EUR geführt haben;
P. in der Erwägung, dass die Europäische Staatsanwaltschaft durch die Weigerung der staatlichen Stellen Ungarns, sich an der verstärkten Zusammenarbeit bei ihrer Errichtung zu beteiligen, daran gehindert wird, Betrug und Misswirtschaft im Zusammenhang mit EU-Mitteln in Ungarn zu untersuchen, was daher zusätzliche Risiken für die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung bei der Verwendung von EU-Mitteln birgt;
Q. in der Erwägung, dass der Rat am 15. Dezember 2022 einen Durchführungsbeschluss zur Billigung der Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans Ungarns angenommen hat, in dem mehrere Etappenziele festgelegt sind, die vor der Einreichung des ersten Zahlungsantrags wirksam umgesetzt werden sollten;
R. in der Erwägung, dass die Konditionalitätsverordnung die einzige Rechtsvorschrift des Sekundärrechts der EU ist, mit der die Achtung der Rechtsstaatlichkeit mit dem Zugang zu EU-Mitteln verknüpft wird; in der Erwägung, dass die Kommission am 22. Dezember 2022 eine Partnerschaftsvereinbarung mit Ungarn angenommen hat, die einen detaillierten Fahrplan zur Verbesserung der Verwaltungskapazität Ungarns und zur Bewältigung von Herausforderungen wie Transparenz und Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Prävention, Aufdeckung und Korrektur von Korruption, Betrug und Interessenkonflikten sowie Kapazitätsaufbau bei den Empfängern von Mitteln der Kohäsionspolitik und bei Partnern enthält; in der Erwägung, dass die Kommission auch mehrere operationelle Programme gebilligt und sich dabei auf mehrere horizontale und thematische grundlegende Voraussetzungen gestützt hat; in der Erwägung, dass die Kommission zu dem Schluss gekommen ist, dass Ungarn die die Charta betreffende horizontale grundlegende Voraussetzung in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und die Bestimmungen mehrerer Gesetze, die eine erhebliche Gefahr für die Rechte von LGBTIQ+-Personen, die akademische Freiheit und das Recht auf Asyl darstellen, derzeit nicht erfüllt; in der Erwägung, dass Ungarn in seiner Selbstbewertung zu dem Schluss gekommen ist, dass mehrere thematische grundlegende Voraussetzungen nicht erfüllt sind, insbesondere im Zusammenhang mit seinem nationalen strategischen Rahmen für die Gleichstellung der Geschlechter, seinem nationalen strategischen Politikrahmen für soziale Inklusion und Armutsbekämpfung und seinem nationalen strategischen Politikrahmen zur Eingliederung der Roma; in der Erwägung, dass die Kommission dies zur Kenntnis genommen hat; in der Erwägung, dass sowohl die horizontalen als auch die thematischen grundlegenden Voraussetzungen während des gesamten Programmplanungszeitraums eingehalten werden müssen, damit Ausgaben aus dem EU-Haushalt erstattet werden können;
S. in der Erwägung, dass Ungarn einer der größten Nettoempfänger von EU-Mitteln ist; in der Erwägung, dass der Kommission zufolge das Risiko für die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung des EU-Haushalts angesichts der Schwere der bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in Ungarn festgestellten Unregelmäßigkeiten, insbesondere in Bezug auf die gestiegene Zahl öffentlicher Ausschreibungen mit jeweils einem einzigen Bieter, als erheblich angesehen werden kann;
T. in der Erwägung, dass Ungarn sich verpflichtet hat, die einschlägige länderspezifische Empfehlung des Europäischen Semesters, wie sie in der Empfehlung des Rates vom 12. Juli 2022 zum nationalen Reformprogramm Ungarns 2022 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Ungarns 2022[10] verankert ist, umzusetzen und insbesondere die Bildungsergebnisse und die Qualität und Transparenz des Entscheidungsprozesses durch einen wirksamen sozialen Dialog, die Zusammenarbeit mit anderen Interessenträgern und regelmäßige Folgenabschätzungen zu verbessern;
1. bekräftigt seine Feststellungen, Bedenken und Empfehlungen, die es in seinen früheren Entschließungen zu Ungarn und insbesondere zu den 12 in seinen Entschließungen vom 12. September 2018 und 15. September 2022 dargelegten Bereichen zum Ausdruck gebracht hat; verurteilt die bewussten und systematischen Bemühungen der Regierung Ungarns, die in Artikel 2 EUV verankerten Grundwerte der EU zu untergraben; weist darauf hin, dass die Regierung Ungarns dafür verantwortlich ist, dass das EU-Recht und die in Artikel 2 EUV verankerten Werte wieder eingehalten werden;
2. ist zutiefst besorgt über die weitere Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit und der Lage der Grundrechte in Ungarn seit der Annahme der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. September 2022, insbesondere im Hinblick auf mehrere Rechtsvorschriften, die in nicht transparenter Weise ohne ausreichende Möglichkeit für parlamentarische Debatten und Änderungsanträge und ohne aussagekräftige öffentliche Konsultation angenommen wurden; ist ferner besorgt über die wiederholte und missbräuchliche Berufung auf den „Gefahrenzustand“, den Missbrauch des Schutzes von Hinweisgebern zur Untergrabung der Rechte von LGBTIQ+-Personen und des Rechts auf freie Meinungsäußerung und die Einschränkung des Status von Lehrkräften und die Verletzung ihrer Sozial- und Arbeitnehmerrechte, wodurch die akademische Freiheit bedroht wird;
3. verurteilt die gegen die EU gerichteten Kommunikationskampagnen der Regierung Ungarns, die Teil der Strategie der Regierung sind, um die Aufmerksamkeit von ihrer Missachtung der in Artikel 2 EUV verankerten Werte und ihrer systemischen Korruption abzulenken; ist der Ansicht, dass solche Kampagnen das Vertrauen zwischen der EU und Ungarn weiter schmälern und eine angemessene Reaktion der Kommission erfordern;
4. bedauert angesichts der bevorstehenden Wahl zum Europäischen Parlament und der bevorstehenden Kommunalwahl 2024, dass die Empfehlungen im Abschlussbericht des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte zu seiner Wahlbeobachtungsmission bei der Wahl zum Parlament Ungarns und dem Referendum vom 3. April 2022 noch nicht umgesetzt wurden; fordert die Regierung Ungarns nachdrücklich auf, ihre Durchführung von Wahlen mit den OSZE-Verpflichtungen und anderen internationalen Verpflichtungen und Standards für demokratische Wahlen in Einklang zu bringen;
5. betont, dass die Rechtsstaatlichkeit für einen funktionierenden Binnenmarkt in der EU von entscheidender Bedeutung ist; betont, dass die staatlichen Stellen Ungarns den gleichberechtigten Zugang zu EU-Mitteln für Einzelpersonen, Unternehmen und lokale und regionale Gebietskörperschaften sowie eine unabhängige gerichtliche Aufsicht und unparteiische und wirksame Beschwerdemechanismen für Unternehmen sicherstellen müssen; ist äußerst besorgt darüber, dass die Säulen der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere das Verbot der willkürlichen Ausübung von Exekutivbefugnissen, in Ungarn stark unter Druck stehen; betont, dass dies zu einem von Diskriminierung und Angst geprägten Umfeld geführt hat, das im Widerspruch zu den Säulen des Binnenmarkts steht und einige Unternehmen und ihre legitimen Geschäftsinteressen erheblich gefährdet; betont, dass alle Unternehmen auf dem ungarischen Markt dieselben Rechte und Pflichten haben sollten, unabhängig davon, ob sie sich im Eigentum ungarischer oder nicht ungarischer natürlicher oder juristischer Personen befinden, und dass sie sich auf eine faire und vorhersehbare Regierungsführung durch die Regierung Ungarns verlassen können müssen;
6. ist entsetzt über Berichte über Einschüchterungsmethoden wie Besuche der Geheimpolizei in Büros einiger Unternehmen und andere Formen des Drucks, die von bestimmten Personen ausgeübt werden, die bekanntermaßen mit dem unmittelbaren Umfeld oder dem Büro des Ministerpräsidenten in Verbindung stehen, um diejenigen Teile der Industrie Ungarns, die als „strategisch“ angesehen werden, unter ihre Kontrolle zu bringen; betont, dass die Regierung in solchen „strategischen“ Teilen der Industrie oft Regulierungsstandards absenkt oder Unternehmen davon ausnimmt, auch im Rahmen des Wettbewerbsrechts und durch Anwendung besonderer rechtlicher Regelungen;
7. verurteilt ferner die berichteten systemischen diskriminierenden Praktiken gegen Unternehmen in Ungarn in bestimmten Wirtschaftszweigen, politisch motivierte Geschäftspraktiken, die Wettbewerbern einen unfairen Vorteil verschaffen, intransparente und manipulierte Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, Übernahmeangebote durch die Regierung und Einrichtungen mit Verbindungen zum Premierminister sowie die Verwendung von EU-Mitteln zur Bereicherung politischer Verbündeter der Regierung im Widerspruch zu den EU-Wettbewerbsvorschriften und den Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge; hebt hervor, dass die betroffenen Unternehmen überwiegend in Bereichen wie Telekommunikation, Einzelhandel, Baugewerbe, Verkehr, Medien, Verlagswesen, Banken und Versicherungen tätig sind; ist zutiefst besorgt über die zunehmende Konzentration von Unternehmen in den Händen von Oligarchen mit Verbindungen zur derzeitigen Regierung, die öffentlich ihre Absicht bekundet haben, sich in diese Wirtschaftszweige einzukaufen, und darüber, dass die Wettbewerber dieser Unternehmen ins Visier genommen werden; betont, dass die diskriminierenden Maßnahmen willkürliche Rechtsvorschriften, besondere Genehmigungsanforderungen, die Verlängerung zusätzlicher und vorübergehender COVID-19-Steuern oder ‑abgaben wie der besonderen Umsatzsteuer im Einzelhandel, Registrierungspflichten in Bezug auf die Ein- und Ausfuhr von Materialien, unangemessene Preisobergrenzen im Lebensmitteleinzelhandel, eine zunehmende Zahl von Inspektionen und Prüfungen und andere Einschüchterungsmaßnahmen umfassen;
8. weist darauf hin, dass im Anwendungsbereich der Verträge jegliche Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Einklang mit der Charta verboten ist und dass die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und der freie Kapitalverkehr zu den Grundfreiheiten des Binnenmarkts gehören; betont, dass die Vorschriften über die Gleichbehandlung nicht nur offene Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit oder – im Fall von Unternehmen – wegen des Sitzes verbieten, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zu demselben Ergebnis führen; betont, dass die ordnungsgemäße Umsetzung der Wettbewerbsvorschriften und der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auch im Interesse ungarischer Unternehmen liegt;
9. bedauert die wiederholte Anwendung von Regierungsverordnungen zur Änderung des Jahreshaushalts Ungarns, wobei der Haushaltsplan für 2022 95 Mal geändert wurde, wodurch das normale Haushaltsverfahren und die Rolle des Parlaments vollständig umgangen wurden und eine demokratische Kontrolle der Planung, Ausführung und Kontrolle der Ausgaben im Haushalt praktisch unmöglich gemacht wurde; ist der Ansicht, dass dies ein eindeutiger Beleg dafür ist, dass keine Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung gegeben ist;
10. bedauert zutiefst, dass der Rat in den laufenden Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV keine nennenswerten Fortschritte erzielt; bekräftigt seine Forderung an den Rat, auf alle neuen Entwicklungen einzugehen, durch die die Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie und die Grundrechte beeinträchtigt werden; bekräftigt seine Forderung an den Rat, im Rahmen dieses Verfahrens auf Empfehlungen einzugehen, und betont, dass jede weitere Verzögerung solcher Maßnahmen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit durch den Rat selbst wäre, der anhaltende und möglicherweise schädliche Folgen hätte; besteht darauf, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten des Parlaments geachtet werden;
11. hebt hervor, dass der Ratsvorsitz eine wichtige Aufgabe dabei übernimmt, die Arbeit des Rates zu den EU-Rechtsvorschriften voranzubringen, die Kontinuität der EU-Agenda sicherzustellen und den Rat in den Beziehungen zu den anderen EU-Organen zu vertreten; stellt infrage, wie Ungarn – da es das EU-Recht und die in Artikel 2 EUV verankerten Werte nicht einhält und den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nicht wahrt – diese Aufgabe im Jahr 2024 glaubwürdig wahrnehmen kann; fordert den Rat auf, so bald wie möglich eine angemessene Lösung zu finden; weist darauf hin, dass das Parlament geeignete Maßnahmen ergreifen könnte, wenn keine solche Lösung gefunden wird;
12. bekräftigt seine Forderung an die Kommission, von den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten – insbesondere beschleunigte Vertragsverletzungsverfahren und Anträge auf einstweilige Maßnahmen beim Gerichtshof der EU und Klagen wegen unterlassener Vollstreckung seiner Urteile – in vollem Umfang Gebrauch zu machen, um der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die EU gründet, durch Ungarn zu begegnen;
13. bedauert zutiefst, dass in einigen Fällen der Eindruck erweckt wurde, dass bestimmte von der Regierung Ungarns vorgeschlagene oder von der Nationalversammlung Ungarns verabschiedete Rechtsakte mit der Kommission vereinbart worden waren; fordert die Kommission nachdrücklich auf, von Handlungen oder Erklärungen abzusehen, die darauf hindeuten könnten, es habe intransparente Verhandlungen oder Vereinbarungen gegeben, durch die dem offiziellen Standpunkt der Organe vorgegriffen wurde; betont, dass die Kommission beauftragt ist, unabhängig und objektiv zu bewerten, ob Ungarn die Etappenziele und Bedingungen einhält, ohne die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte zu beeinträchtigen;
14. bedauert, dass dem Europäischen Parlament keine ausreichenden Informationen über die Bewertung der Kommission bezüglich der Einhaltung der Etappenziele und Bedingungen durch die staatlichen Stellen Ungarns zur Verfügung gestellt wurden, wodurch es daran gehindert wird, seine Aufgabe als Haushalts- und Entlastungsbehörde wahrzunehmen; bringt seine Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck, dass das Europäische Parlament häufig aus der Presse oder aus anderen Quellen erfahren muss, was die Kommission den staatlichen Stellen Ungarns zur Annahme vorschlägt oder seitens der staatlichen Stellen Ungarns akzeptiert; erwartet, dass die Kommission das Europäische Parlament und den Rat rasch und regelmäßig über alle relevanten Entwicklungen unterrichtet, insbesondere wenn neue Umstände eintreten, und erinnert die Kommission insbesondere an ihre rechtlichen Verpflichtungen gemäß Artikel 25 Absatz 2 der ARF-Verordnung und Artikel 8 der Konditionalitätsverordnung; weist darauf hin, dass Transparenz auch für die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, einschließlich der Bürgerinnen und Bürger Ungarns, die unmittelbar betroffen sind, sehr wichtig ist; fordert die Kommission auf, dem Parlament ihre Absichten mitzuteilen, bevor sie endgültige Beschlüsse fasst;
15. fordert die Kommission auf, ihre Rolle als Hüterin der Verträge in vollem Umfang wahrzunehmen, indem sie ihre Verfahren und Kriterien für die Bewertung der einschlägigen Bedingungen, Etappenziele, Zielwerte und Verpflichtungen im Rahmen der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen, der ARF-Verordnung und der Konditionalitätsverordnung, einschließlich der Rolle der Dienststellen, der einzelnen Kommissionsmitglieder und des Kollegiums insgesamt, weiter präzisiert und erläutert; erwartet, dass die Kommission dafür sorgt, dass jede Bewertung der in Ungarn in Vorbereitung befindlichen Rechtsvorschriften öffentlich zugänglich ist, nur dem öffentlich zugänglichen Entwurf folgt und nicht der öffentlichen Konsultation vorausgeht, und erwartet, dass sie sich die endgültigen Schlussfolgerungen vorbehält, bis der endgültige Text angenommen, veröffentlicht und übersetzt wurde; fordert die Kommission auf, die in diesen Verordnungen verankerte Rolle des Europäischen Parlaments zu achten;
16. begrüßt die Annahme von Maßnahmen im Rahmen der Konditionalitätsverordnung und erwartet, dass die Kommission und der Rat die angenommenen Maßnahmen erst dann aufheben, wenn konkrete Nachweise dafür vorgelegt werden, dass die Gründe für die Annahme der Maßnahmen umfassend angegangen wurden, d. h. dass sich die von der Regierung Ungarns ergriffenen Abhilfemaßnahmen auch in der Praxis als wirksam erwiesen haben und dass insbesondere bei bereits angenommenen Maßnahmen keine Rückschritte festgestellt wurden; betont, dass die EU, wenn diese Maßnahmen in Zukunft rückgängig gemacht werden, sofort Maßnahmen im Rahmen der Konditionalitätsverordnung einleiten sollte; bekräftigt seinen Standpunkt, dass die 17 von der Kommission und der Regierung Ungarns ausgehandelten Maßnahmen allein nicht ausreichen, um dem bestehenden systemischen Risiko für die finanziellen Interessen der EU entgegenzuwirken; fordert die Kommission auf, eine angemessene Bewertung der jüngsten legislativen Entwicklungen vorzunehmen und sofort Maßnahmen im Rahmen der Konditionalitätsverordnung in Bezug auf andere verbleibende Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit zu ergreifen, insbesondere in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und andere in dem Schreiben der Kommission an Ungarn vom 19. November 2021 angesprochene Gründe;
17. fordert die Kommission erneut auf, dafür zu sorgen, dass den Endempfängern oder Begünstigten von EU-Mitteln diese Mittel nicht vorenthalten werden, wie in Artikel 5 Absätze 4 und 5 der Konditionalitätsverordnung festgelegt; fordert die Kommission auf, Wege zu finden, damit die EU-Mittel bei Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, nichtstaatlichen Organisationen und anderen relevanten Interessenträgern ankommen, wenn die Regierung bei den Mängeln in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit nicht kooperiert; weist erneut darauf hin, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, die von Oppositionsparteien der derzeitigen Regierung geleitet werden, infolge der Maßnahmen der Regierung finanziell besonders hart getroffen werden;
18. betont, dass die akademische Freiheit an den Universitäten Ungarns vollständig wiederhergestellt werden muss, indem alle Möglichkeiten für ein politisch motiviertes Eingreifen in unabhängige Tätigkeiten von Behörden oder Vermögensverwaltungsstrukturen, z. B. Trusts von öffentlichem Interesse, beseitigt werden;
19. erwartet von der Kommission, dass sie dafür sorgt, dass die Etappenziele (einschließlich der sogenannten Super-Meilensteine) und Zielwerte im Zusammenhang mit dem ersten Zahlungsantrag Ungarns im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität in zufriedenstellender Weise erfüllt werden, wie in der Verordnung über die Aufbau- und Resilienzfazilität gefordert; erwartet von der Kommission, dass sie jede Aufhebung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Erreichung eines Etappenziels oder Zielwerts genau überwacht und sofort handelt, falls sich belegen lässt, dass eine Entwicklung dieser Erreichung zuwiderläuft; weist erneut darauf hin, dass die gemeinsame Verwaltung wichtig ist und dass Ungarn im Rahmen der ARF-Verordnung sicherstellen sollte, dass die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, die Zivilgesellschaft und andere einschlägige Interessenträger angemessen in die Ausarbeitung und Umsetzung des nationalen Aufbau- und Resilienzplans einbezogen werden; betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften nicht angemessen in die Ausarbeitung des nationalen Aufbau- und Resilienzplans einbezogen wurden, wie in der Verordnung über die Aufbau- und Resilienzfazilität gefordert; weist ferner darauf hin, dass die Aufnahme eines REPowerEU-Kapitels in den nationalen Aufbau- und Resilienzplan eine ergänzende Konsultation der einschlägigen Interessenträger erfordern wird, wobei diese ausreichend Zeit haben müssen, um darauf zu reagieren;
20. besteht darauf, dass angemessene Kontroll- und Prüfungsmaßnahmen für den Schutz der finanziellen Interessen der EU von entscheidender Bedeutung sind; ist der Ansicht, dass die derzeitigen Prüfungs- und Kontrollmodalitäten der staatlichen Stellen Ungarns konkrete Ergebnisse in der Praxis zeigen müssen, insbesondere was die Behebung systemischer Probleme und die Sicherstellung einer ausreichenden Zuverlässigkeit der Rechnungsführung betrifft, bevor EU-Mittel ausgezahlt werden können; weist erneut auf die Bestimmungen der Aufbau- und Resilienzfazilität und die von der Kommission angenommenen Leitlinien hin, in denen dargelegt wird, dass die Angemessenheit der Kontroll- und Prüfsysteme eine Voraussetzung für die Auszahlung von Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität ist und dass die Auszahlung der vollständigen Tranche und aller künftigen Tranchen ausgesetzt werden sollten, wenn die Bestimmungen und Leitlinien nicht eingehalten werden; fordert die Kommission auf, die bestehende Methodik strikt anzuwenden; würdigt die Schaffung neuer Strukturen wie der Integritätsbehörde und ihre potenziellen Auswirkungen auf die Bewältigung bestehender Probleme in Bereichen wie Kontrolle, Rechnungsprüfung, Vergabe öffentlicher Aufträge, Interessenkonflikte und anderen relevanten Bereichen und sieht konkreten und dauerhaften Ergebnissen in der Praxis erwartungsvoll entgegen; fordert, dass diese neu geschaffenen Strukturen mit angemessenen Ressourcen ausgestattet werden und über ausreichende Unabhängigkeit (ohne staatliche oder politische Einmischung) verfügen, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, wobei der jüngste Rücktritt mehrerer Mitglieder der Taskforce für Korruptionsbekämpfung zu berücksichtigen ist;
21. nimmt die Billigung der Partnerschaftsvereinbarung zwischen der Kommission und Ungarn und der operationellen Programme zur Kenntnis; begrüßt die kritische Bewertung der Erfüllung der grundlegenden Voraussetzungen durch Ungarn, insbesondere der die Charta betreffenden horizontalen grundlegenden Voraussetzung; erwartet, dass die Kommission ordnungsgemäß bewertet, ob sowohl die horizontalen als auch die thematischen grundlegenden Voraussetzungen erfüllt sind, bevor entsprechende Zahlungen geleistet werden, und dass sie ihre Erfüllung während des gesamten Finanzierungszeitraums weiterhin genau überwacht; fordert die Kommission auf, genau zu überwachen, ob das Partnerschaftsprinzip und die horizontalen Grundsätze, wie sie in der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen verankert sind, uneingeschränkt eingehalten werden;
22. betont, dass die für die Freigabe von EU-Mitteln erforderlichen Maßnahmen, wie sie in den einschlägigen Beschlüssen im Rahmen der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen, der ARF-Verordnung und der Konditionalitätsverordnung festgelegt sind, als einziges, integriertes Paket behandelt werden müssen und selbst dann, wenn in einem oder mehreren Bereichen Fortschritte erzielt wurden, keine Zahlungen getätigt werden sollten, wenn in einem anderen Bereich nach wie vor Mängel bestehen; besteht darüber hinaus darauf, dass angemessene Kontrollen erforderlich sind, damit die vereinbarten Maßnahmen von den Behörden nicht umgangen werden;
23. setzt sich weiterhin dafür ein, dass Ungarn die EU-Mittel erhält, sobald die Bedingungen erfüllt sind; bekräftigt, dass die Verpflichtung zur Erfüllung der Anforderungen, die in den im Rahmen der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen, der ARF-Verordnung und der Konditionalitätsverordnung gefassten einschlägigen Beschlüssen festgelegt sind, bei der Regierung Ungarns liegt und dass die Nichteinhaltung und die negativen Ergebnisse, einschließlich des Fehlens oder der Aussetzung von Mittelbindungen, der Aufhebung von Mittelbindungen oder der Finanzkorrekturen, das direkte Ergebnis des Versäumnisses der Regierung sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen;
24. beharrt darauf, dass die EU unbedingt ihre Werte und Grundsätze verteidigt, indem sie von allen ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten Gebrauch macht; betont, dass in Ermangelung geeigneter Maßnahmen das Risiko besteht, dass EU-Mittel missbräuchlich verwendet werden könnten, um die Partikularinteressen der Inhaber der Macht in Politik und Wirtschaft zu verfestigen, wobei der Kontext der bevorstehenden Wahlen zu berücksichtigen ist; ist der Ansicht, dass im Zuge der Durchführung der Konditionalitätsverordnung im Fall Ungarns bestimmt wird, ob der Mechanismus an sich tatsächlich wirksam ist, und ein Präzedenzfall dafür geschaffen wird, wie die EU-Organe den Schutz der finanziellen Interessen der EU gewährleisten; betont, dass Maßnahmen zur Bekämpfung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit dazu beitragen können, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU zu stärken;
25. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und den Vereinten Nationen zu übermitteln.
- [1] ABl. L 433 I vom 22.12.2020, S. 1.
- [2] ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17.
- [3] ABl. L 231 vom 30.6.2021, S. 159.
- [4] ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 66.
- [5] ABl. C 125 vom 5.4.2023, S. 463.
- [6] ABl. C 270 vom 7.7.2021, S. 91. ABl. C 465 vom 6.12.2022, S. 147.
- [7] ABl. C 167 vom 11.5.2023, S. 74.
- [8] Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17).
- [9] Durchführungsbeschluss (EU) 2022/2506 des Rates vom 15. Dezember 2022 über Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn (ABl. L 325 vom 20.12.2022, S. 94).
- [10] ABl. C 334 vom 1.9.2022, S. 136.