Entschließungsantrag - B9-0490/2023Entschließungsantrag
B9-0490/2023

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu dem Entwurf eines Durchführungsbeschlusses der Kommission über die Erneuerung der Zulassung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die gentechnisch veränderten Raps der Sorten Ms8, Rf3 und Ms8 × Rf3 enthalten, aus ihnen bestehen oder aus ihnen gewonnen werden, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates

4.12.2023 - (D092595/03 – 2023/2995(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 112 Absätze 2 und 3 der Geschäftsordnung

Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
Zuständige Mitglieder: Martin Häusling, Anja Hazekamp, Sirpa Pietikäinen, Günther Sidl

Verfahren : 2023/2995(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B9-0490/2023
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B9-0490/2023
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B9‑0490/2023

Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Entwurf eines Durchführungsbeschlusses der Kommission über die Erneuerung der Zulassung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die gentechnisch veränderten Raps der Sorten Ms8, Rf3 und Ms8 × Rf3 enthalten, aus ihnen bestehen oder aus ihnen gewonnen werden, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates

(D092595/03 – 2023/2995(RSP))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf den Entwurf eines Durchführungsbeschlusses der Kommission zur Erneuerung der Zulassung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die gentechnisch veränderten Raps der Sorten Ms8, Rf3 und Ms8 × Rf3 enthalten, aus ihnen bestehen oder aus ihnen gewonnen werden, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (D092595/03),

 gestützt auf die Verordnung (EC) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates[1], insbesondere auf Artikel 11 Absatz 3 und Artikel 23 Absatz 3,

 gestützt auf die Artikel 11 und 13 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren[2],

 unter Hinweis auf das Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), das am 15. März 2023 angenommen und am 26. April 2023 veröffentlicht wurde[3],

 unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen mit Einwänden gegen die Zulassung genetisch veränderter Organismen (GVO)[4],

 gestützt auf Artikel 112 Absätze 2 und 3 seiner Geschäftsordnung,

 unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit,

A. in der Erwägung, dass die BASF SE mit Sitz in Deutschland am 8. Februar 2021 im Namen der BASF Agricultural Solutions Seed US LLC mit Sitz in den Vereinigten Staaten bei der Kommission einen Antrag auf Erneuerung der Zulassung für das Inverkehrbringen von Erzeugnissen gestellt hat, die genetisch veränderten (GV) Raps der Sorten Ms8, Rf3 und Ms8 × Rf3 enthalten, aus ihnen bestehen oder aus ihnen gewonnen werden;

B. in der Erwägung, dass die EFSA am 26. April 2023 eine befürwortende wissenschaftliche Stellungnahme abgegeben hat;

C. in der Erwägung, dass GV-Raps dahingehend manipuliert wurde, dass er gegenüber Glufosinat tolerant ist;

Fehlende Bewertung der Komplementärherbizide

D. in der Erwägung, dass der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 503/2013 der Kommission[5] zufolge bewertet werden muss, ob die zu erwartenden landwirtschaftlichen Methoden das Ergebnis der untersuchten Endpunkte beeinflussen; in der Erwägung, dass dies der genannten Durchführungsverordnung zufolge besonders für herbizidtolerante Pflanzen von Bedeutung ist;

E. in der Erwägung, dass die meisten GV-Pflanzen genetisch verändert wurden, damit sie gegenüber einem oder mehreren „Komplementärherbiziden“ tolerant sind, die beim Anbau der GV-Pflanzen eingesetzt werden können, ohne dass die Pflanzen absterben, was bei nicht herbizidtoleranten Pflanzen der Fall wäre; in der Erwägung, dass aus zahlreichen Studien hervorgeht, dass bei herbizidtoleranten genetisch veränderten Kulturen vermehrt „komplementäre“ Herbizide zum Einsatz kommen, was zum großen Teil dem Auftreten herbizidtoleranter Unkräuter geschuldet ist[6];

F.  in der Erwägung, dass herbizidtolerante genetisch veränderte Kulturen Landwirte in einem System der Unkrautbekämpfung gefangen halten, das weitgehend oder vollständig auf Herbiziden beruht, und zwar indem ein Aufschlag für genetisch verändertes Saatgut berechnet wird, der nur gerechtfertigt werden kann, wenn die Landwirte, die dieses Saatgut kaufen, auch Komplementärherbizide sprühen; in der Erwägung, dass der verstärkte Gebrauch von Dicamba in landwirtschaftlichen Betrieben, die GV-Raps anbauen, zur Folge haben wird, dass gegen Dicamba resistente Unkräuter schneller hervortreten und sich rascher ausbreiten, wodurch der Bedarf an Herbizid noch steigt, sodass es sich hier um einen Teufelskreis handelt, der auch als „Herbizid-Tretmühle“ bezeichnet wird; in der Erwägung, dass sich die nachteiligen Auswirkungen der übermäßigen Abhängigkeit von Herbiziden auf die Bodengesundheit, die Wasserqualität und die oberirdische und unterirdische biologische Vielfalt folglich verschlimmern und eine verstärkte Exposition von Menschen und Tieren hervorrufen werden, und zwar möglicherweise auch im Wege höherer Herbizidrückstände in Lebens- und Futtermitteln;

G.  in der Erwägung, dass die Bewertung von Herbizidrückständen und ihren Metaboliten in genetisch veränderten Pflanzen als nicht in den Zuständigkeitsbereich des Gremiums der EFSA für genetisch veränderte Organismen (GVO-Gremium der EFSA) fallend betrachtet wird und deshalb im Zulassungsverfahren für GVO nicht vorgenommen wird;

H. in der Erwägung, dass sich die nachteiligen Auswirkungen der übermäßigen Abhängigkeit von Herbiziden auf die Bodengesundheit, die Wasserqualität und die oberirdische und unterirdische biologische Vielfalt verschlimmern und eine verstärkte Exposition von Menschen und Tieren hervorrufen werden, und zwar möglicherweise auch im Wege höherer Herbizidrückstände in Lebens- und Futtermitteln;

I. in der Erwägung, dass das GVO-Gremium der EFSA bei seiner Sicherheitsbewertung von GVO die realen Bedingungen für den Anbau dieser Pflanzen nicht berücksichtigt hat, darunter die großen Mengen an Herbiziden, die in der Praxis eingesetzt würden, die Rückstände aus dem Spritzen mit Komplementärherbiziden sowie die Auswirkungen eines intensiveren Spritzens auf die Pflanzenzusammensetzung insgesamt;

J.  in der Erwägung, dass Glufosinat als reproduktionstoxisch (1B) eingestuft wird und demnach unter die in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates[7] festgelegten Ausschlusskriterien fällt; in der Erwägung, dass die Genehmigung für die Verwendung von Glufosinat in der Europäischen Union am 31. Juli 2018 ausgelaufen ist;

Anmerkungen von Interessengruppen

K. in der Erwägung, dass eine ausführliche Analyse durch eine unabhängige Forschungseinrichtung zu dem Schluss kam, dass die Stellungnahme der EFSA aufgrund großer Mängel und erheblicher Lücken sowie neuer Erkenntnisse, die zeigen, dass sie nicht schlüssig ist, abgelehnt werden muss;

Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Union

L.  in der Erwägung, dass in einem 2017 veröffentlichten Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen (UN) über das Recht auf Nahrung festgestellt wird, dass insbesondere in Entwicklungsländern gefährliche Pestizide katastrophale Auswirkungen auf die Gesundheit haben[8]; in der Erwägung, dass gemäß dem Ziel 3.9 der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden bis zum Jahr 2030 erheblich verringert werden soll[9]; in der Erwägung, dass die Zulassung der Einfuhr von GV-Raps die Nachfrage nach dieser Kultur, die für eine Behandlung mit Dicamba ausgelegt ist, erhöhen würde und dass dies zu einer höheren Exposition von Arbeitnehmern und der Umwelt in Drittstaaten führen würde; in der Erwägung, dass das Risiko einer erhöhten Arbeitnehmer- und Umweltexposition bei herbizidtoleranten genetisch veränderten Kulturen angesichts der größeren Herbizidmengen, die dort eingesetzt werden, besonders besorgniserregend ist;

M. in der Erwägung, dass die Union als Vertragspartei des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (CBD) in der Verantwortung steht, dafür zu sorgen, dass durch Tätigkeiten, die innerhalb ihres Hoheitsbereichs oder unter ihrer Kontrolle ausgeübt werden, der Umwelt in anderen Staaten kein Schaden zugefügt wird[10];

N.  in der Erwägung, dass in der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 festgelegt ist, dass genetisch veränderte Lebens- oder Futtermittel keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt haben dürfen und dass die Kommission bei der Abfassung ihres Beschlusses die einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und andere legitime Faktoren, die für den jeweils zu prüfenden Sachverhalt relevant sind, berücksichtigen muss; in der Erwägung, dass diese legitimen Faktoren die Verpflichtungen der Union im Rahmen der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, des Übereinkommens von Paris und des CBD umfassen sollten;

Undemokratische Beschlussfassung

O.  in der Erwägung, dass bei der Abstimmung in dem in Artikel 35 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 genannten Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel am 24. Oktober 2023 keine Stellungnahme abgegeben wurde und die Zulassung somit nicht von einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten unterstützt wurde;

P.  in der Erwägung, dass die Kommission einräumt, dass es problematisch ist, wenn sie Beschlüsse über die Zulassung von genetisch veränderten Organismen noch immer ohne eine befürwortende qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten fasst – was bei Produktzulassungen zwar generell eine seltene Ausnahme ist, bei der Beschlussfassung über Zulassungen genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel mittlerweile aber zur Regel geworden ist;

Q.  in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seiner achten Wahlperiode insgesamt 36 Entschließungen angenommen hat, in denen es Einwände gegen das Inverkehrbringen von genetisch veränderten Organismen für Lebens- und Futtermittel (33 Entschließungen) und gegen den Anbau von genetisch veränderten Organismen in der Union (drei Entschließungen) erhoben hat; in der Erwägung, dass das Parlament in seiner neunten Wahlperiode bereits 36 Einwände gegen das Inverkehrbringen von GVO angenommen hat und dass es keine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für die Zulassung irgendeines dieser GVO gibt; in der Erwägung, dass die Gründe dafür, dass die Mitgliedstaaten Zulassungen nicht unterstützen, unter anderem in der Nichteinhaltung des Vorsorgeprinzips im Zulassungsverfahren sowie in wissenschaftlichen Bedenken im Zusammenhang mit der Risikobewertung liegen;

R.  in der Erwägung, dass die Kommission trotz der von ihr selbst eingeräumten demokratischen Defizite, der fehlenden Unterstützung durch die Mitgliedstaaten und der Einwände des Parlaments nach wie vor genetisch veränderte Organismen zulässt;

S.  in der Erwägung, dass es keiner Änderung der Rechtsvorschriften bedarf, um die Kommission in die Lage zu versetzen, genetisch veränderte Organismen nicht zuzulassen, wenn es im Berufungsausschuss keine befürwortende qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten gibt[11];

1. vertritt die Auffassung, dass der Entwurf eines Durchführungsbeschlusses der Kommission über die in der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgeht;

2. vertritt die Auffassung, dass der Entwurf eines Durchführungsbeschlusses der Kommission dem Unionsrecht insofern zuwiderläuft, als er nicht mit dem Ziel der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vereinbar ist, das entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates[12] darin besteht, die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für das Leben und die Gesundheit des Menschen, die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere, die Belange der Umwelt und die Interessen der Verbraucher im Zusammenhang mit genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln sicherzustellen und gleichzeitig das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten;

3. fordert die Kommission auf, ihren Entwurf eines Durchführungsbeschlusses zurückzuziehen und dem Ausschuss einen neuen Entwurf vorzulegen;

4. fordert die Kommission erneut nachdrücklich auf, den Verpflichtungen der Union gemäß internationalen Übereinkommen wie dem Übereinkommen von Paris, dem CBD und den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen gerecht zu werden; fordert erneut, dass Entwürfe von Durchführungsrechtsakten durch eine Begründung ergänzt werden, in der erläutert wird, wie sie den Grundsatz der Schadensvermeidung wahren[13];

5. begrüßt, dass die Kommission in einem Schreiben vom 11. September 2020 an die Mitglieder schließlich eingeräumt hat, dass sie bei Beschlüssen über die Zulassung von genetisch veränderten Organismen Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen muss[14]; bringt jedoch seine tiefe Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass die Kommission seitdem weitere genetisch veränderte Organismen zur Einfuhr in die Union zugelassen hat, obwohl das Parlament laufend Einwände dagegen erhebt und eine Mehrheit der Mitgliedstaaten dagegen stimmt;

6. fordert die Kommission auf, die Einfuhr herbizidtoleranter genetisch veränderter Kulturen aufgrund des verstärkten Einsatzes von Komplementärherbiziden und der damit verbundenen Risiken für die biologische Vielfalt, die Lebensmittelsicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht zu genehmigen;

7. hebt hervor, dass es in den Änderungen, die das Europäische Parlament am 17. Dezember 2020 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 182/2011[15] angenommen hat und die vom Parlament als Grundlage für die Verhandlungen mit dem Rat herangezogen werden, heißt, dass die Kommission einen genetisch veränderten Organismus nicht zulassen darf, wenn keine befürwortende qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten vorliegt; besteht darauf, dass die Kommission diesen Standpunkt respektiert, und fordert den Rat auf, seine Arbeiten fortzusetzen und so schnell wie möglich eine allgemeine Ausrichtung zu diesem Verfahren festzulegen;

8. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

 

Letzte Aktualisierung: 11. Dezember 2023
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