Entschließungsantrag - B9-0128/2024Entschließungsantrag
B9-0128/2024

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu Russland-Gate und der mutmaßlichen Einmischung Russlands in die demokratischen Prozesse der Europäischen Union

5.2.2024 - (2024/2548(RSP))

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Beata Szydło, Ryszard Czarnecki, Anna Fotyga, Angel Dzhambazki, Jacek Saryusz‑Wolski, Jadwiga Wiśniewska, Bogdan Rzońca, Beata Mazurek, Dominik Tarczyński, Adam Bielan, Witold Jan Waszczykowski, Joachim Stanisław Brudziński, Roberts Zīle, Elżbieta Rafalska, Charlie Weimers, Waldemar Tomaszewski, Hermann Tertsch, Andżelika Anna Możdżanowska
im Namen der ECR-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0124/2024

Verfahren : 2024/2548(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B9-0128/2024
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B9-0128/2024
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B9‑0128/2024

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Russland-Gate und der mutmaßlichen Einmischung Russlands in die demokratischen Prozesse der Europäischen Union

(2024/2548(RSP))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. Juni 2023 zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation[1],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. März 2022 zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation[2],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. November 2016 zu dem Thema „Strategische Kommunikation der EU, um gegen sie gerichteter Propaganda von Dritten entgegenzuwirken“[3] sowie auf seine Empfehlung vom 13. März 2019 an den Rat und die Vizepräsidentin der Kommission und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu der Bestandsaufnahme der Folgemaßnahmen, die zwei Jahre nach dem Bericht des Europäischen Parlaments über das Thema „Strategische Kommunikation der EU, um gegen sie gerichteter Propaganda von Dritten entgegenzuwirken“ durch den EAD ergriffen wurden[4],

 unter Hinweis auf den „Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung – Für eine Europäische Union, die ihre Bürgerinnen und Bürger, Werte und Interessen schützt und zu Weltfrieden und internationaler Sicherheit beiträgt“, der am 21. März 2022 vom Rat gebilligt und am 24. März 2022 vom Europäischen Rat bestätigt wurde,

 gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass ein internationales Team investigativer Journalisten in einem Artikel in der Internetzeitung The Insider aufgedeckt hat, dass das langjährige lettische MdEP Tatjana Ždanoka seit mehr als einem Jahrzehnt als Agentin der Nachrichtendienste Russlands tätig ist; in der Erwägung, dass die lettischen Sicherheitsbehörden bereits 2014 gegen Tatjana Ždanoka ermittelt hatten, da ihr zur Last gelegt wurde, eine Einflussagentin Russlands zu sein;

B. in der Erwägung, dass dies nicht der erste Fall ist, in dem ein MdEP Spionage für Russland betreibt, da Béla Kovács, Mitglied der rechtsextremen Partei Jobbik, von den ungarischen Behörden aus ähnlichen Gründen verurteilt wurde;

C. in der Erwägung, dass eine Analyse der öffentlichen Redebeiträge, der Abstimmungsprotokolle, der Legislativtätigkeiten und der gesponserten Veranstaltungen der MdEP darauf hindeutet, dass der Fall von Tatjana Ždanoka möglicherweise kein Einzelfall ist und dass – ungeachtet des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – möglicherweise mehr Mitglieder des Europäischen Parlaments mit den Nachrichtendiensten Russlands in Verbindung stehen; in der Erwägung, dass seit 2014 mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments in die besetzten Gebiete in der Ukraine und in Georgien gereist sind und vom blutigen Diktator Bashar al-Assad in Syrien empfangen wurden, was nicht nur einen Verstoß gegen die Sanktionen der EU und die nationalen Rechtsvorschriften darstellt, sondern wodurch sie sich außerdem für die Propaganda dieser Regime instrumentalisieren lassen;

D. in der Erwägung, dass Elisaweta Peskowa, die Tochter des Pressesprechers Wladimir Putins, Dmitri Peskow, 2018 und 2019 als Praktikantin bei einem MdEP arbeitete;

E. in der Erwägung, dass andere Unionsorgane weniger transparent sind als das Europäische Parlament und dass es daher noch schwieriger ist, eine etwaige Einflussnahme Russlands aufzudecken und dagegen vorzugehen; in der Erwägung, dass das offensichtlichste Beispiel für russische Spezialoperationen in der EU der Bau der Nord-Stream-Pipelines mit stillschweigender Zustimmung einiger EU-Beamter war, was nie ordnungsgemäß untersucht wurde;

F. in der Erwägung, dass Russland mithilfe seiner Einflussagenten Desinformationen von beispielloser Aggressivität und nie dagewesenem Ausmaß erstellt und verbreitet, wobei es Verbindungen zu linksextremen und rechtsextremen Parteien in der EU schmiedet und traditionelle Medien und Plattformen der sozialen Medien nutzt, um seine Bürger im eigenen Land und die internationale Gemeinschaft in die Irre zu führen; in der Erwägung, dass es in den großen politischen Parteien zahlreiche „Russlandversteher“ gibt, insbesondere ehemalige Spitzenpolitiker aus Deutschland, Österreich und Frankreich – der namhafteste unter ihnen Gerhard Schröder –, die, obwohl sie offen vom Kreml bezahlt werden, ihren prorussischen Einfluss sowohl auf der nationalen als auch auf der europäischen politischen Bühne ausüben;

G. in der Erwägung, dass diese Tätigkeiten Teil einer Strategie der hybriden Kriegsführung sind und einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen, die Bürger in die Irre führen und täuschen und ihr Wahlverhalten beeinflussen, spaltende Debatten verstärken, Gesellschaften spalten, und polarisieren und Schwachstellen ausnutzen, die Integrität demokratischer Wahlen und Referenden verzerren, Misstrauen gegenüber nationalen Regierungen und Behörden schüren und das Ziel verfolgen, die europäischen Demokratien zu destabilisieren, und daher eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit und Souveränität der EU und ihrer Mitgliedstaaten darstellen;

H. in der Erwägung, dass russische Desinformations- und Propagandakampagnen auch die indirekte Meinungsbildung in Europa beeinflussen, indem sie sich auf die russischsprachige Diaspora konzentrieren, insbesondere in Ländern mit einer großen russischsprachigen Bevölkerung wie Deutschland (über 3 Millionen), Lettland und Estland;

I. in der Erwägung, dass Russland traditionell die althergebrachte Taktik „teile und herrsche“ anwendet, indem es sich in die inneren Angelegenheiten der EU-Mitgliedstaaten einmischt und Spaltungen innerhalb der Gesellschaften und zwischen Nationen verschärft, wobei es sowohl auf seinen wirtschaftlichen Einfluss, etwa im Zusammenhang mit der Einstellung des Projekts Nord Stream, als auch auf feindselige Propaganda zurückgreift;

J. in der Erwägung, dass die Energieabhängigkeit der EU von Russland seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu enormen Schwierigkeiten in Bezug auf ihre Energieversorgungssicherheit geführt hat, und dass dies deutlich gemacht hat, wie kurzsichtig einige Mitgliedstaaten ungeachtet zahlreicher Warnungen vor einem Ausbau der Beziehungen zu Russland, die vor allem aus den Ländern Mittel- und Osteuropas kamen, gehandelt haben;

K. in der Erwägung, dass im Vorfeld der Europawahl 2024 mit einer verstärkten Einflussnahme und Informationsmanipulation durch Russland zu rechnen ist;

L. in der Erwägung, dass Russland im Rahmen seiner hybriden Strategien zur Einflussnahme aus dem Ausland Migranten an die EU-Außengrenze befördert, um die EU und ihre Mitgliedstaaten zu provozieren, etwa im Herbst 2021 an seine Grenzen zu Polen, Litauen und Lettland und im Jahr 2023 an seine Grenze zu Finnland; in der Erwägung, dass diese hybriden Versuche der Einflussnahme auch darin bestehen, Desinformation zu verbreiten und dadurch zu einer Polarisierung der Gesellschaften in der EU beizutragen;

M. in der Erwägung, dass die russische Finanzierung von politischen Aktivitäten und Politikern innerhalb der Europäischen Union vor und nach dem 24. Februar 2022 weiterhin von Journalisten und Experten aufgedeckt wird und eine gründliche Untersuchung erfordert, damit die Beteiligten zur Verantwortung gezogen werden;

N. in der Erwägung, dass Russland Kontakte zu linksextremen und rechtsextremen Parteien, politischen Persönlichkeiten und Bewegungen sucht, um mithilfe von Akteuren innerhalb der Institutionen der Union Standpunkte Russlands und die Russland treu ergebenen Regierungen zu legitimieren, auf Sanktionserleichterungen zu drängen und die Folgen der internationalen Isolation abzumildern;

O. in der Erwägung, dass mehrere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus EU-Mitgliedstaaten, darunter ehemalige Regierungschefs und Kabinettsmitglieder wie Gerhard Schröder, Wolfgang Schüssel, François Fillon, Karin Kneissl und Paavo Lipponen, gut bezahlte Positionen in vom Kreml kontrollierten Energieunternehmen bekleiden; in der Erwägung, dass einige von ihnen selbst nach dem groß angelegten Einmarsch Russlands in die Ukraine beschlossen haben, nicht von ihrem Posten zurückzutreten, und weiterhin das blutbefleckte Geld des Kremls kassieren, wobei ihren politischen Parteien eine stille Mittäterschaft zukommt;

P. in der Erwägung, dass Russland aktiv an der Unterstützung der separatistischen Kampagne in Katalonien beteiligt war, was unter anderem die Verbreitung von Desinformation, die Einrichtung von Troll- und Botfarmen und sogar das Angebot umfasste, 10 000 Soldaten zu entsenden und Gelder zu überweisen, damit Katalonien im Fall einer Unabhängigkeitserklärung seine Schulden begleichen kann;

1. erwartet, dass die lettischen Behörden auf der Grundlage der von der Zeitung The Insider veröffentlichten Beweise eine strafrechtliche Untersuchung der Aktivitäten von Tatiana Ždanoka hinsichtlich Spionageabwehr einleiten;

2. begrüßt den Beschluss von Präsidentin Roberta Metsola, eine parlamentsinterne Untersuchung des Falls von Tatiana Ždanoka einzuleiten und den Fall an den Beratenden Ausschuss zum Verhalten von Mitgliedern zu verweisen; ist der Ansicht, dass die Handlungen von Tatiana Ždanoka eindeutig gegen den Verhaltenskodex, insbesondere gegen Artikel 1 Buchstaben a und b, Artikel 2 Buchstabe a und Artikel 3, verstoßen, und fordert die Präsidentin auf, von ihrer Befugnis Gebrauch zu machen, eine begründete Entscheidung über die Suspendierung Tatiana Ždanokas von allen Tätigkeiten des Parlaments zu erlassen;

3. fordert, dass im Europäischen Parlament weiter zügig gehandelt wird und wirksamere Maßnahmen ergriffen werden, um gegen eine mögliche Unterwanderung durch russische und andere feindselige Nachrichtendienste vorzugehen;

4. fordert die Kommission auf, eine interne Untersuchung des Umgangs mit dem Fall Nord Stream und der Einflussnahme Russlands während der Phase der Planung und des Baus der Pipelines einzuleiten;

5. bekräftigt seine Besorgnis angesichts der Enthüllungen, wonach Russland im Rahmen seiner Bestrebungen, den Westen zu destabilisieren, separatistische Bewegungen in der EU unterstützt; bedauert in diesem Zusammenhang den Fall separatistischer Bewegungen in Spanien, die 2017 den Versuch eines Staatsstreichs unternahmen, der das Funktionieren der öffentlichen Institutionen erheblich beeinträchtigte und zu einer langen Phase der Instabilität führte, die bis heute anhält;

6. stellt mit Besorgnis fest, dass einem Bericht des Europäischen Exzellenzzentrums zur Bekämpfung hybrider Bedrohungen (Hybrid CoE) und der Kommission zufolge die Aktivitäten Russlands zur Destabilisierung Spaniens von der Unterstützung separatistischer Bewegungen bis hin zu Cyberoperationen und Direktinvestitionen reichten, womit versucht wurde, die Integrität und Funktionalität der spanischen Demokratie zu untergraben und zu schädigen; stellt ferner fest, dass einige dieser Operationen darin bestanden, Aufstände anzuzetteln, bei denen Hunderte von Strafverfolgungsbeamten verletzt wurden und ein französischer Staatsbürger am Flughafen El Prat ums Leben kam;

7. weist auf die laufenden Strafverfahren in Spanien hin, in denen das Untersuchungsgericht geltend macht, dass es über ausreichende Beweise dafür verfügt, dass Russland dem damaligen Präsidenten der Region Katalonien Carles Puigdemont sowohl wirtschaftliche als auch militärische Unterstützung angeboten hat; stellt ferner fest, dass der spanische nationale Oberste Gerichtshof offiziell eine Ermittlung gegen Carles Puigdemont und andere Mitglieder der Separatistenparteien wegen Terrorismusvorwürfen im Zusammenhang mit dem versuchten Staatsstreich im Jahr 2017 angeordnet hat, da die Richter der Auffassung sind, dass ausreichende Beweise für ihre Beteiligung an der Organisation von Aufständen und terroristischen Handlungen vorliegen;

8. verurteilt, dass Russland nach Aussagen von Víctor Tarradellas, ehemaliges Mitglied der Partei von Carles Puigdemont mit Zuständigkeit für internationale Beziehungen, angeboten hatte, 10 000 Soldaten zu entsenden und die Schulden der Region Katalonien zu begleichen, wenn Katalonien das ukrainische Gebiet der Krim als Gebiet der Russischen Föderation anerkennen sollte;

9. betont, dass strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit Spionagevorwürfen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen; begrüßt, dass mehrere EU-Mitgliedstaaten spezielle Untersuchungsausschüsse eingerichtet haben, die sich der Bekämpfung russischer Einflussnahme widmen, wobei andere diese Ausschüsse kürzlich aufgelöst haben; bedauert, dass in einigen Fällen diejenigen, die für die Zerschlagung von Netzwerken russischer und belarussischer Spione und das wirksame Vorgehen gegen deren hybride Kriegsführung eigentlich belohnt werden sollten, aus politischen Gründen verfolgt werden, anstatt von den nationalen Behörden in besonderer Weise geschützt zu werden;

10. verurteilt aufs Schärfste ehemalige hochrangige Politiker, die sich kurz nach dem Ende ihrer politischen Laufbahn in ihrem Land auf die Gehaltsliste Russlands setzen ließen; sieht darin einen eindeutigen Interessenkonflikt und beharrt darauf, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen müssen, mit denen ehemaligen Regierungschefs und Kabinettsmitgliedern untersagt wird, Ämter in staatseigenen Unternehmen aus Russland, China, Iran und anderen autokratischen Staaten anzunehmen;

11. ist besorgt über die Politik Russlands, Kultur als Waffe einzusetzen, um die Ziele des Kremls zu erreichen, und russische Staatsbürger, die in diesem Bereich tätig sind, als Einflussagenten und Spione zu nutzen;

12. warnt davor, die EU-Grenzen für Menschen aus Russland zu öffnen, die versuchen, das Land zu verlassen, um nicht von der Armee eingezogen zu werden oder um sich den wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Sanktionen zu entziehen; betont, dass einige von ihnen nach der Umsiedlung in das Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten eine aktive Rolle dabei übernehmen könnten, die Verbreitung des russischen Narrativs und der russischen Propaganda zu fördern und zu unterstützen, wie dies bereits in Georgien und Serbien geschehen ist;

13. verurteilt aufs Schärfste die Praktiken Russlands, illegale Migranten als Waffe einzusetzen und sie gewaltsam in das Hoheitsgebiet der EU zu drängen, um Dissens, Spaltung und Misstrauen zu schüren;

14. warnt davor, dass Spionageaktivitäten Russlands in Europa zunehmen, was sich an der großen Zahl von Netzwerken zeigt, die Spionageabwehrdienste in den Mitgliedstaaten aufgedeckt haben;

15. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, der NATO und den Staatsorganen Russlands zu übermitteln.

 

Letzte Aktualisierung: 7. Februar 2024
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