Entschließungsantrag - B9-0180/2024Entschließungsantrag
B9-0180/2024

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Rückgabe des rumänischen Staatsschatzes, den sich Russland rechtswidrig angeeignet hat

11.3.2024 - (2024/2605(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Kommission
gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Michael Gahler, Eugen Tomac, Traian Băsescu, Rasa Juknevičienė, Andrius Kubilius
im Namen der PPE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B9-0169/2024

Verfahren : 2024/2605(RSP)
Werdegang im Plenum
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B9-0180/2024
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B9-0180/2024
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B9‑0180/2024

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Rückgabe des rumänischen Staatsschatzes, den sich Russland rechtswidrig angeeignet hat

(2024/2605(RSP))

Das Europäische Parlament,

 gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere Artikel 6, 36 und 167,

 gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 3,

 unter Hinweis auf die Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten,

 unter Hinweis auf das am 14. November 1970 von der Generalversammlung der UNESCO bei ihrer 16. Tagung angenommene Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut,

 unter Hinweis auf die Richtlinie 2014/60/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012[1],

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 13. Dezember 2022 zum EU-Aktionsplan zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgütern (COM(2022)0800),

 unter Hinweis auf die Rahmenkonvention des Europarats vom 27. Oktober 2005 über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft (SEV Nr. 199),

 unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats über Straftaten im Zusammenhang mit Kulturgut vom 19. Mai 2017 (SEV Nr. 221),

 unter Hinweis auf die von den Staaten anerkannten allgemeinen Völkerrechtsgrundsätze wie den Grundsatz der Souveränität und der Nichteinmischung, den Grundsatz von Treu und Glauben und den Grundsatz der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten,

 unter Hinweis auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die Goldreserven eines Staates als wesentlicher finanzieller Vermögenswert dienen, da sie für die Stabilität seiner Währung sorgen und das Vertrauen in seine Wirtschaftskraft stärken;

B. in der Erwägung, dass die Goldreserven eines Staates im Finanzwesen und in der Wirtschaft eine einzigartige Funktion haben und auf Dauer angelegt sind und mithin einen wesentlichen Bestandteil der Währungsreserven von Staaten bilden; in der Erwägung, dass die Goldreserven einer Zentralbank in Zeiten von Finanzkrisen und Marktturbulenzen als sichere Anlage dienen;

C. in der Erwägung, dass es in der Präambel des EUV heißt, dass die Unterzeichner „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ schöpfen und den Wunsch hegen, „die Solidarität zwischen ihren Völkern unter Achtung ihrer Geschichte, ihrer Kultur und ihrer Traditionen zu stärken“, und dass in Artikel 6 AEUV die Kultur als Politikbereich unter den „Arten und Bereichen der Zuständigkeit der Union“ genannt wird, wobei die EU dafür zuständig ist, Maßnahmen zur „Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten“ durchzuführen, in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 36 AEUV das Vorrecht haben, ihr nationales Kulturgut in ihrem Zuständigkeitsbereich zu definieren und die zu dessen Schutz erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen;

D. in der Erwägung, dass das Unionsrecht weder Leitlinien noch eine allgemeine Einstufung dessen enthält, was als nationales Kulturgut gilt, da die einschlägige Definition nicht in die Zuständigkeit der EU fällt; in der Erwägung, dass der Begriff „nationales Kulturgut“ häufig unter eine Vielzahl von Oberbegriffen wie „Kulturgüter“ oder „Kulturgegenstände“ subsumiert wird;

E. in der Erwägung, dass der Begriff „rumänischer Staatsschatz“ die Goldreserven der Nationalbank Rumäniens – die aus Goldbarren und seltenen Münzen von numismatischem und kulturellem Wert bestehen, der von dem Wert des Goldes zu unterscheiden ist – sowie Kulturgüter und Kunstgegenstände aus dem nationalen Erbe des Landes bezeichnet;

F. in der Erwägung, dass es rechtliche Gründe für die Rückgabe von Kulturgütern bzw. des Staatsschatzes gibt, deren bzw. dessen Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der EU unter Verstoß gegen geltendes Recht oder gegen die Bedingungen, unter denen die Genehmigung zur befristeten Verbringung erteilt worden war, erfolgt ist;

G. in der Erwägung, dass die rechtswidrige Inbesitznahme des rumänischen Staatsschatzes durch Russland einen eklatanten Verstoß gegen internationale Normen und Gepflogenheiten darstellt, da die Verbringung der Goldreserven und einer umfangreichen Sammlung von Kulturgütern, Kunstgegenständen und Archivalien Rumäniens zur Verwahrung unter außergewöhnlichen Umständen Gegenstand einer offiziellen, mit einschlägigen Protokolldokumenten und rechtlichen Garantien für die Rückgabe versehenen Übereinkunft war, deren Verpflichtungen gebrochen wurden;

H. in der Erwägung, dass die Rückgabe des rumänischen Staatsschatzes, den sich Russland angeeignet hat, für das institutionelle und nationale Gedächtnis Rumäniens von großer Bedeutung ist;

I. in der Erwägung, dass Rumänien einen vorbehaltlos begründeten Anspruch auf seine Goldreserven hat, die 1916 und 1917 nach Moskau evakuiert wurden;

J. in der Erwägung, dass es einer maßgeschneiderten Reaktion der EU bedarf, damit die Rückgabe des rumänischen Staatsschatzes erwirkt werden kann;

1. weist erneut darauf hin, dass die rechtswidrige Aneignung des rumänischen Staatsschatzes durch Russland der einzige internationale Fall ist, in dem die der Absicherung der Währung dienenden Goldreserven eines Staates und Eigentum aus dem nationalen Erbe dieses Staates einem anderen Land zur Verwahrung anvertraut wurden, und zwar im Rahmen einer Übereinkunft, die in rechtsgültigen Protokolldokumenten niedergelegt ist, die rechtliche Garantien für die Rückgabe bieten, wobei diese Verpflichtungen letztlich unter Verstoß gegen die Normen und Gepflogenheiten des Völkerrechts gebrochen wurden;

2. stellt fest, dass der Staatsschatz, der 1916 und 1917 in schwieriger Zeit während des Ersten Weltkriegs zur Verwahrung nach Moskau verbracht wurde und für dessen sichere Verbringung und Verwahrung und anschließende Rückgabe an Rumänien die Regierung des Kaiserreichs Russland bürgte, ein beispielloser internationaler Fall der rechtswidrigen Aneignung von Goldreserven und Kulturerbe ist und für die rumänische Gesellschaft ein seither fortwährendes Anliegen ist;

3. nimmt zur Kenntnis, dass sich die damalige Regierung Rumäniens infolge des Ersten Weltkriegs gezwungen sah, den Staatsschatz des Landes einem verbündeten Staat zum Schutz vor Zerstörung anzuvertrauen; weist darauf hin, dass der Großteil des rumänischen Staatsschatzes während der Kriegswirren in Dutzenden von Eisenbahnwaggons zur sicheren Verwahrung bis Kriegsende ins Kaiserreich Russland verbracht wurde, wozu die Nationalbank Rumäniens ein detailliertes Verzeichnis der Goldreserven erstellt und Russland eine Garantie für den Schutz und die Rückgabe abgegeben hat, was damals von anderen Staaten bezeugt wurde; hebt hervor, dass der rechtlich bei Russland in Verwahrung gegebene Staatsschatz 91,5 Tonnen Feingold aus den Goldreserven der Nationalbank Rumäniens, königliche Sammlungen von Schmuck und seltenen Münzen sowie aus über fünf Jahrhunderten rumänischer Geschichte stammende kulturell und historisch bedeutsame Gegenstände von unschätzbarem Wert wie das Staatsarchiv, Dokumente, wertvolle historische Manuskripte, historische Gemälde, seltene Bücher und Sammlungen vieler öffentlicher und privater Einrichtungen umfasste;

4. betont, dass Russland trotz mehrerer Versuche im Rahmen diplomatischer Verhandlungen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs den rumänischen Staatsschatz nie vollständig zurückgegeben hat, wie es nach Maßgabe der offiziellen bilateralen Übereinkunft zwischen den beiden Staaten rechtlich geboten ist;

5. nimmt zur Kenntnis, dass die meisten Kulturgüter, Kunstgegenstände und Archivalien aus dem Staatsschatz, den sich Russland rechtswidrig angeeignet hat, Rumänien 1935 und 1956 zurückgegeben wurden; unterstreicht indes, dass von den 91,5 Tonnen Feingold, die Teil der Goldreserven der Nationalbank Rumäniens sind, bislang nichts zurückgegeben wurde;

6. ist besorgt darüber, dass zwar eine Gemeinsame Kommission mit Sachverständigen aus Rumänien und Russland und dem Auftrag eingerichtet wurde, den Sachverhalt zu erörtern, aber die Bemühungen, über bilaterale diplomatische Kanäle zwischen den beiden Ländern die Rückgabe des rumänischen Staatsschatzes – und damit auch die Rückgabe der rechtswidrig unterschlagenen Goldreserven der Nationalbank Rumäniens – zu erwirken, auf Zurückhaltung seitens Russlands stoßen, sobald es um die Rückgabe dessen geht, was frühere Regime dieses Landes unter Missachtung der im Hinblick auf die Rückgabe unterzeichneten Protokolle unrechtmäßig in Besitz genommen haben;

7. ist der Ansicht, dass die Beziehungen zwischen der EU und Russland im Lichte des Einmarschs Russlands in die Ukraine künftig neu bewertet werden müssen, was eine beispiellose Dynamik in der Diplomatie auslösen und Forderungen wie die Rückgabe der rechtswidrig angeeigneten Goldreserven an die Nationalbank Rumäniens umfassen dürfte;

8. betont, dass gemäß den EU-Verträgen der Bewahrung des nationalen Kulturguts der Mitgliedstaaten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss;

9. begrüßt, dass die EU erhebliche Anstrengungen zum Schutz des nationalen, kulturellen und historischen Erbes unternimmt, indem sie Rechtsvorschriften durchsetzt und Kooperationsmechanismen anwendet, in denen die Rückgabe von Kulturgütern und des Kulturerbes geregelt ist, bei denen bzw. dem eine rechtswidrige Verbringung aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU vorliegt, und ist erfreut darüber, dass die EU sich für die Bekämpfung des Handels mit Kulturgütern engagiert; stellt fest, dass die Richtlinie 2014/60/EU die zentrale Säule des Engagements der EU für den Schutz des nationalen Kulturguts und von Kulturgütern ist, wobei die EU in ihrem Aktionsplan zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgütern ihr weiter gefasstes Engagement für den Schutz des Kulturerbes bekräftigt hat; betont, dass unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter zurückgegeben werden müssen, unabhängig davon, ob sie innerhalb der EU oder in einen Drittstaat verbracht wurden; stellt fest, dass nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des AEUV die geltenden Unionsrechtsvorschriften zwar die Rückgabe von Kulturgütern im Allgemeinen und des nationalen Kulturguts abdecken, die bzw. das vor dem 1. Januar 1993 unrechtmäßig von einem Mitgliedstaat in einen anderen verbracht wurden, die Rückgabe des rumänischen Staatsschatzes jedoch nach wie vor ein Sonderfall ist, bei dem eine Sonderlösung gefunden werden muss; betont, dass der außergewöhnliche Fall der rechtswidrigen Aneignung des rumänischen Staatschatzes Besonderheiten aufweist, die eine maßgeschneiderte Reaktion der EU erfordern, damit seine Rückgabe erwirkt werden kann, wodurch der Anwendungsbereich des Ansatzes der EU in Bezug auf die Rückgabe von Kulturgütern, die unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet ihrer Mitgliedstaaten verbracht wurden, erweitert wird;

10. hebt hervor, dass substanzielle diplomatischen Gespräche sowohl auf bilateraler Ebene als auch in internationalen Foren vonnöten sind, damit die Rückgabe von Kulturgut und des Staatsschatzes eines EU-Mitgliedstaats, das unrechtmäßig von einem Drittstaat zurückgehalten wird, erwirkt werden kann;

11. fordert die Kommission auf, den Anwendungsbereich der Unionsrechtsvorschriften zum Schutz von Kulturgütern auf die Rückgabe nationalen Kulturguts auszuweiten, das in Kriegszeiten im Rahmen bilateraler Übereinkünfte von einem Staat in einen anderen verbracht wurde;

12. fordert die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, die Rückgabe des rumänischen Staatsschatzes auf die diplomatische bilaterale Agenda für die Beziehungen zwischen der EU und Russland zu setzen, sobald vor dem Hintergrund der Lage in der Region der politische Dialog zwischen den Parteien wieder aufgenommen werden kann;

13. fordert die Kommission auf, durch konkretes Zusammenwirken mit Rumänien und seiner Nationalbank die gezielten Anstrengungen zu bündeln und mit allen diplomatischen Instrumenten der Vermittlung die Kommunikation mit den Ansprechpartnern aufseiten Russlands voranzubringen und Lösungen zu erörtern, damit der außer Landes verbrachte Staatsschatz dem rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben wird;

14. fordert die Kommission auf, die Möglichkeit zu prüfen, als Partner der rumänischen Vertreter aufzutreten, die in der Gemeinsamen Kommission von Rumänien und Russland mit dem Auftrag mitwirken sind, die Rückgabe des rumänischen Staatsschatzes zu erörtern;

15. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Europäischen Auswärtigen Dienst und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

 

Letzte Aktualisierung: 13. März 2024
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