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Ausführliche Sitzungsberichte
Montag, 12. Mai 1997 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
 2. Genehmigung des Protokolls
 3. Arbeitsplan
 4. Rechtlicher Schutz verschlüsselter Dienste
 5. Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität
 6. Änderung der Geschäftsordnung des EP (Verhaltenskodex für Interessenvertreter)
 7. Änderung der Geschäftsordnung des EP l 116)

  

SITZUNG AM MONTAG, 12. MAI 1997

VORSITZ: JOSÉ MARÍA GIL‐ROBLES GIL‐DELGADO
Präsident

(Die Sitzung wird um 17.00 Uhr eröffnet.)


1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode

  Der Präsident . – Ich erkläre die am Donnerstag, den 24. April 1997 unterbrochene Sitzungsperiode für wiederaufgenommen.


2. Genehmigung des Protokolls

  Der Präsident . – Das Protokoll der Sitzung vom Donnerstag, den 24. April 1997 wurde verteilt.

Gibt es Einwände?

(Das Parlament genehmigt das Protokoll.)

***

  Hallam (PSE). – Herr Präsident, ich melde mich unter Berufung auf Artikel 3 zu Wort. Ich bedaure, eine Angelegenheit zur Sprache bringen zu müssen, die die Immunitäten dieses Hauses und einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten betrifft. Deren Artikel 9 behandelt die Religionsfreiheit.

Letzte Woche erstattete eine belgische Regierungskommission dem dortigen Parlament Bericht über die Frage religiöser Sekten und verschiedener Kulte. In einem besonders hetzerischen und schlecht recherchierten Kapitel über das „Pentecostal Movement” wurde auf eine Gemeinschaft namens „Christian Fellowship” Bezug genommen, die sich in Brüssel innerhalb unseres Parlaments betätigt. Diese Bezugnahme erfolgte eindeutig in der Absicht, diese Gemeinschaft in ein schlechtes Licht zu rücken.

Bei der genannten „Christian Fellowship” handelt es sich allem Anschein nach um eine Gruppe, die von meinem eigenen wissenschaftlichen Assistenten in Brüssel geleitet wird. Sie trifft sich nur in Räumlichkeiten des Parlaments. Sie ist eher ökumenisch als dem „Pentecostal Movement” zuzurechnen, obwohl Angehörige dieser Bewegung willkommen wären. An den Treffen dieser Gruppe nehmen regelmäßig wissenschaftliche Assistenten teil, die Baptisten, Katholiken oder Mitglieder anderer Konfessionen sind.

Die Gruppe tritt wöchentlich in meinem Büro im Belliard‐Gebäude oder einem in meinem Namen reservierten Raum zusammen, und ihr gehören auch die Assistenten von Mitgliedern anderer Fraktionen als der PSE an, beispielsweise der PPE und der EDN. Die Versammlungen finden gewöhnlich in meiner Abwesenheit statt, ich bin aber bereit, die volle Verantwortung für ihre Tätigkeiten zu übernehmen.

Nun bin ich darüber bestürzt, daß die religiöse Betätigung meines wissenschaftlichen Assistenten und seiner Freunde in meinem Büro anscheinend vom belgischen Staat überwacht worden ist. Die belgische Regierung hat mir als verantwortlichem Abgeordneten keinerlei Gelegenheit gegeben, Auskunft über irgendeine der in ihrem Bericht enthaltenen Anschuldigungen zu erhalten oder dazu Stellung zu nehmen. Ich habe keine Ahnung, welche Informationen genau eingeholt werden, wer ihre Ermittlung genehmigt hat oder wie sie danach gespeichert werden.

Ich möchte Sie bitten, bei der belgischen Regierung darum nachzusuchen, daß diese sich dazu verpflichtet, daß Bürger der Europäischen Union einschließlich der wissenschaftlichen Assistenten der Mitglieder dieses Parlaments ihren religiösen Glauben uneingeschränkt und ohne jede Überwachung, Belästigung und Diffamierung ausüben können.

  Der Präsident . – Herr Hallam, das beste wäre, Sie schreiben an den Präsidenten des belgischen Parlaments und bitten um eine genaue Erklärung des Sachverhalts. Die Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments genießen bekanntlich Extraterritorialität und dürfen deshalb von niemandem überwacht werden.

Ich muß daran erinnern, daß ich im Prinzip jedem Parlament das Recht zubillige, sich für Angelegenheiten, die die europäischen Bürger betreffen, zu interessieren. So wie ich die Rechte dieses Parlaments verteidige, muß ich auch die der übrigen respektieren, denke ich. Deshalb scheint es mir in diesem Fall angebracht, das belgische Parlament um eine Erklärung zu bitten.

  Marset Campos (GUE/NGL).(ES) Herr Präsident, am 24. April wurde in Frankreich zwischen Marseille und Avignon ein Lastwagen aus Murcia mit Herrn Antonio Antolinos am Steuer angegriffen, und die französische Polizei schaute zu und unternahm nichts.

Ich möchte hier die Empörung zum Ausdruck bringen, die dieser Angriff ausgelöst hat, und Sie auffordern, bei den französischen Behörden vorstellig zu werden, damit das Recht auf freien Waren‐ und Personenverkehr gewahrt wird. Wenn es in bezug auf die Gemeinsame Agrarpolitik Probleme oder Meinungsverschiedenheiten gibt, müssen sie in Brüssel oder hier gelöst werden, aber nicht durch Angriffe auf Arbeitnehmer oder Waren aus den Mitgliedstaaten.

  Der Präsident . – Herr Marset, Sie wissen, daß in dieser Sache weder das Parlament noch sein Präsident zuständig ist, sondern die Kommission, die über die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts zu wachen hat. Im übrigen dürfte der Petitionsausschuß dieses Parlaments die richtige Stelle sein, sich dieser Frage anzunehmen und gegebenenfalls die Kommission einzuschalten.

  Elliott (PSE). – Herr Präsident, ich muß erneut auf die Schwierigkeiten zurückkommen, welche die Abgeordneten auf sich nehmen mußten, um zu dieser Plenartagung hierher nach Straßburg zu gelangen. Heute früh wurde aus irgendeinem unerfindlichen Grund für den Flug von Heathrow nach Straßburg ein so kleines Flugzeug eingesetzt, daß nur zwei Drittel der gebuchten Fahrgäste mitfliegen konnten. Infolgedessen kam es zu ungeheuren Problemen, und einem oder zwei Mitgliedern dieses Parlaments gelang es nicht, sich einen Platz zu sichern. Dies ist vollkommen unannehmbar. Welche Gründe auch immer vorgelegen haben mögen, die Sache hätte in Ordnung gebracht werden müssen. Das Bodenpersonal in Heathrow entschuldigte sich vielfach, aber irgend jemand hat eindeutig nicht gemerkt, wie wichtig es war, dafür zu sorgen, daß ein Flugzeug bereitstand, um alle Abgeordneten und die anderen Leute nach Straßburg zu bringen.

Nun möchte ich fragen, Herr Präsident, ob wir etwas unternehmen könnten. Eigentlich dürfte dies nicht erforderlich sein, aber angesichts der Ineffizienz einiger der Fluggesellschaften mag es vielleicht nützlich sein. Könnte das Parlament die Fluggesellschaften daran erinnern, daß die Flüge am Montagvormittag der Straßburger Tagungswoche zahlreiche Mitglieder dieses Parlaments befördern müssen, und zwar nicht nur von Heathrow aus, sondern auch von anderen Orten? Dadurch könnte gewährleistet werden, daß sie dies nicht aus den Augen verlieren und das eine oder andere zu kleine Flugzeug, das nicht alle Fluggäste aufnehmen kann, ersetzen.

In der Vergangenheit haben wir bereits solche Probleme erlebt und es mit etwas Druck geschafft, eine gewisse Verbesserung zu erzielen. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als wir über Dublin nach Heathrow zurückgebracht wurden. Dublin ist recht hübsch, aber hier sicherlich nicht der richtige Weg.

  Der Präsident . – Herr Elliot, der Generalsekretär wird die Fluggesellschaft entsprechend erinnern, ungeachtet dessen, daß ich selbst schon bei jeder Zusammenkunft mit den französischen Behörden die Schwierigkeiten der Anreise nach hier anspreche.

  Plooij‐Van Gorsel (ELDR).(NL) Herr Präsident, vom Europäischen Parlament wurde bekanntgegeben, daß eine Ausschreibung für Mobiliar stattfinden wird, das für die Bars und das Restaurant im Leopold‐Gebäude in Brüssel bestimmt ist. In den Niederlanden erfolgte diese Bekanntmachung über eine große Tageszeitung. Ein niederländisches Unternehmen teilte dem Büro in Luxemburg sein Interesse, sich an der Ausschreibung zu beteiligen, mit und bat um Zusendung der entsprechenden Unterlagen. Dies erfolgte am 11. April per Fax, auf das es jedoch keine Reaktion gab. Am 16. April wurde erneut ein Fax geschickt, das wiederum unbeantwortet blieb. Schließlich ging ein Schreiben in französischer Sprache ein. Daraufhin wurde telefonisch nachgefragt, ob dieses Schreiben sowie die Unterlagen eventuell in englischer Sprache verfügbar sind. Das Gespräch mit dem Büro in Luxemburg wurde gänzlich in französischer Sprache geführt, und obwohl ein Niederländer in unmittelbarer Nähe stand, war er nicht bereit, ans Telefon zu kommen. Das Unternehmen konnte sich also lediglich auf französische Arbeitsunterlagen stützen. Diese Unterlagen wurden jetzt von einem Übersetzungsbüro übersetzt. Die Kopien sind jedoch von solch schlechter Qualität, daß sie von dem Übersetzungsbüro nicht gelesen werden können. Von dem betreffenden Unternehmen kann jetzt also kein Angebot eingereicht werden.

Ich frage mich, ob es sich hier wirklich um eine öffentliche Ausschreibung handelt oder um eine Ausschreibung, bei der die Wahl bereits von vorneherein festgelegt wurde und es sich nur noch um eine Formsache handelt? Ist dies etwa ein Beispiel für eine durch Transparenz gekennzeichnete öffentliche Ausschreibung, bei der für die europäischen Unternehmen Chancengleichheit gilt? Wir sitzen hier im Europäischen Parlament, und meines Erachtens muß gerade vom Europäischen Parlament ein gutes Beispiel gegeben werden. Wie können wir von den Bürgern ernstgenommen werden, wenn wir diese Bürger und die Unternehmen nicht ernstnehmen?

Für die Bewerber findet nun am 20. Mai eine visite des lieux statt. Wird bei dieser Besichtigung ebenfalls nur Französisch gesprochen? Oder vielleicht auch eine andere Sprache? Von den kleinen und mittleren Unternehmen, die bei der Schaffung von Arbeitsplätzen in der Union die Rolle eines Motors spielen, wird beanstandet, daß die europäischen Ausschreibungsverfahren nicht effektiv sind.

  Der Präsident . – Frau Plooij‐van Gorsel, bitte richten Sie diese Frage schriftlich an das Präsidium; sie wird dann präzise beantwortet werden. Ich kann Ihnen jetzt aus dem Stegreif keine Antwort darauf geben. Die zuständigen Dienste werden die Angelegenheit prüfen, und ich gebe Ihnen dann unverzüglich und umfassend Bescheid.

  Eisma (ELDR).(NL) Sollte von unserem Generalsekretär das Thema der Verbindungen nach Straßburg zur Sprache gebracht werden, so habe ich erneut eine Beanstandung an der Zugverbindung Brüssel‐Straßburg vorzubringen. Normalerweise besteht auf dieser Linie ein hervorragender Speisewagenservice, weshalb es sehr attraktiv ist, diesen Zug zu nehmen. Für die Abgeordneten wurde wieder keine Vorkehrungen getroffen. Ich beantrage, daß Sie bei der Belgischen Eisenbahn vorstellig werden, um sie darum zu ersuchen, der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht dadurch entgegenzuwirken, daß die Serviceleistungen ständig weiter verringert werden. Aus der Zustimmung meiner Kolleginnen und Kollegen entnehme ich, daß der Vorschlag, die Belgische Eisenbahn dringend darum zu ersuchen, ihren Service aufrechtzuerhalten, in diesem Hause breite Unterstützung findet.

  Der Präsident . – Gut, wir nehmen das zur Kenntnis, Herr Eisma.(1)

(1) Zusammensetzung des Parlaments – Zusammensetzung der Ausschüsse – Vorlage von Dokumenten – Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat – Petitionen – Ausschußbefassung: siehe Protokoll.


3. Arbeitsplan

  Der Präsident . – Wir kommen nun zur Festsetzung des Arbeitsplans.

Der endgültige Entwurf der Tagesordnung, wie er von der Konferenz der Präsidenten gemäß Artikel 95 der Geschäftsordnung erstellt wurde, ist verteilt worden. Dazu wurden folgende Änderungen vorgeschlagen:

Tagung vom 12. bis 16. Mai 1997 in Straßburg

Montag:

  Der Präsident . – Die Fraktion der Europäischen Volkspartei beantragt, den Bericht (A4‐0089/97) von Herrn Brendan P. Donnelly im Namen des Ausschusses für Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Fragen der Immunität über die Änderung von Artikel 116 der Geschäftsordnung über getrennte Abstimmung an den Ausschuß zurückzuüberweisen.

Frau Oomen‐Ruijten hat das Wort zur Begründung dieses Antrags auf Rücküberweisung an den Ausschuß.

  Oomen‐Ruijten (PPE).(NL) Herr Präsident, die PPE‐Fraktion ist mit der Zielsetzung einer Änderung der Geschäftsordnung vollkommen einverstanden, nämlich daß, wenn nicht mehr getrennt abgestimmt wird, die für die Abstimmung erforderliche Zeit gekürzt werden kann. Mit dieser Zielsetzung sind wir einverstanden. Die überwiegende Mehrheit unserer Fraktion vertritt jedoch die Ansicht, daß, sollte der vorliegende Bericht angenommen werden, dies zu einer zusätzlichen Erhöhung der Zahl der Änderungsanträge führen würde und wir das Ziel faktisch nicht erreichen. Aus diesem Grunde möchten wir über Sie das Parlament darum ersuchen, den Bericht von Herrn Donnelly an den Ausschuß für Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Fragen der Immunität zurückzuüberweisen, um ihn nochmals zu überdenken und zu prüfen, ob, wenn getrennte Abstimmungen im Plenum nicht mehr zugelassen werden, dem nicht eine größere Zahl von Änderungsanträgen gegenüberstehen wird, die dann unseres Erachtens eingereicht werden.

  Fayot (PSE), Vorsitzender des Ausschusses für Geschäftsordnung. – Herr Präsident, ich habe den Antrag der PPE, den Bericht Donnelly an den Ausschuß zurückzuverweisen, sehr wohl zur Kenntnis genommen. Soweit ich weiß, hat die sozialistische Fraktion nichts gegen die Rückverweisung an den Ausschuß, aber ich möchte die PPE gerne um etwas bitten: Könnten wir nicht zuerst debattieren und den Text dann vor der Abstimmung an den Ausschuß verweisen? Das gibt unserer Versammlung Gelegenheit, Orientierungen zu geben und Stellung zu nehmen. Der Bericht Donnelly ist ein Bericht, zu dem von den Kollegen keine Änderungsanträge gestellt wurden. Mein Vorschlag wäre daher, die Debatte jetzt zu führen und dann den Bericht mit Zustimmung der Kollegen vor der Abstimmung an den Ausschuß zurückzuverweisen.

  Oomen‐Ruijten (PPE).(NL) Herr Präsident, meines Erachtens sollte dem Antrag des Vorsitzenden des Ausschusses für Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Fragen der Immunität stattgegeben werden, in welchem Fall wir dann unseren Antrag zurückziehen würden, wobei allerdings zu vereinbaren wäre, daß der Bericht vor der Abstimmung für eine zusätzliche Prüfung der sich ergebenden Folgen an den Ausschuß zurücküberwiesen wird.

  Der Präsident . – Ich erinnere die Fraktion der Europäischen Volkspartei daran, daß sie ihren Antrag nach Abschluß der Aussprache gegebenenfalls erneut stellen muß, damit darüber entschieden werden kann.

Dienstag:

  Der Präsident . – Die Fraktion der Europäischen Volkspartei beantragt, den Bericht (A4‐0157/97) von Frau MosiekUrbahn im Namen des Ausschusses für Recht und Bürgerrechte über die zusätzliche Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen einer Versicherungsgruppe an den Ausschuß zurückzuüberweisen.

Das Wort hat Frau Mosiek‐Urbahn zur Begründung dieses Antrags auf Rücküberweisung an den Ausschuß.

  Mosiek‐Urbahn (PPE), Berichterstatterin. – Herr Präsident! Ich möchte diesen Antrag meiner Fraktion noch einmal unterstreichen. Bei der Abstimmung im Rechtsausschuß stieß er in vielen einzelnen Punkten auf Zustimmung. In der Endabstimmung jedoch wurde die Mehrheit verfehlt. Es handelt sich bei diesem Bericht um eine sehr komplizierte technische Materie. Daran, daß auch keine Änderungsanträge im Vorfeld zu diesem Bericht gestellt wurden, können Sie erkennen, daß bereits mit verschiedenen politischen Gruppierungen weitgehende Einigkeit darüber erzielt wurde, daß es das beste und angemessenste sei, diesen Bericht noch einmal an den Ausschuß zurückzuüberweisen. Ich bitte deshalb das Haus um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Das Parlament beschließt die Rücküberweisung an den Ausschuß.)

Mittwoch:

  Der Präsident . – Die Fraktion Die Grünen im Europäischen Parlament beantragt, den Bericht (A4‐0076/97) von Herrn Titley im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Sicherheit und Verteidigungspolitik über die Mitteilung der Kommission „Die Herausforderungen für die europäische Rüstungsindustrie – ein Beitrag für Aktionen auf europäischer Ebene” von der Tagesordnung abzusetzen.

Das Wort hat Herr Telkämper zur Begründung dieses Antrags auf Absetzung von der Tagesordnung.

  Telkämper (V). – Nach meiner Meinung müssen wir über diesen Titley‐Bericht heute kurz diskutieren. Zunächst einmal möchte ich Herrn Titley und die Labour‐Partei zu dem Machtwechsel gratulieren, den sie in Großbritannien erreicht haben. Zu diesem Erfolg meinen herzlichen Glückwunsch. Was Herr Titley aber mit diesem Bericht versucht, ist ein Hauruck‐Verfahren. Mit dem Bericht findet eine qualitative Änderung der EU‐Außenpolitik statt. Über diese Änderung haben wir in den Fraktionen, jedenfalls in einigen Fraktionen, nicht genügend diskutieren können; insbesondere im Ausschuß haben wir nicht genügend diskutieren können.

Wir haben im Ausschuß mit 31: 30 darüber abgestimmt – wobei mir ein Kollege sagte, er wüßte nicht, worüber er abstimmt, sonst hätte er im nachhinein anders abgestimmt. Es stellt sich die Frage, ob wir angesichts von 240 Änderungsanträgen jetzt überhaupt abstimmen wollen. Dieser Bericht ist unausgegoren, und die Positionen sind noch nicht klar. Von der Sozialistischen Fraktion weiß ich, wenn ich richtig informiert bin, daß sie erst morgen abend über die Änderungsanträge diskutieren wird. In unserer Fraktion sind wir uns noch nicht einig, ebensowenig wie im Ausschuß.

Mit Maastricht steht die Gemeinsame Außen‐ und Sicherheitspolitik auf der Tagesordnung. Herr Henderson als britischer Vertreter sagt jetzt etwas ganz anderes als der britische Vertreter letzten Monat. Wir sollten diesen Bericht um ein oder zwei Monate verschieben, bis wir die Ergebnisse von Maastricht II haben und uns dann als Parlament zu diesem Themenbereich eine eigene fundierte und gut ausdiskutierte Meinung bilden. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt.

(Beifall)

  Der Präsident . – Das Wort hat Herr Titley, um gegen den Antrag zu sprechen.

  Titley (PSE). – Herr Präsident, ich bin nicht sicher, über welchen Bericht Herr Telkämper gerade spricht. Zu meinem Bericht liegen nur 36 Änderungsanträge vor, und die meisten davon wurden ohnehin von der Fraktion der Grünen gestellt.

Zweitens behandelt mein Bericht nicht die Gestaltung der Außen‐ und Sicherheitspolitik – dies bleibt dem Bericht Tindemans vorbehalten, über den wir zur Zeit diskutieren.

Drittens sollte dies im April auf der Tagesordnung stehen, wurde jedoch auf Mai vertagt, um allen Fraktionen die Möglichkeit zu geben, ihre Standpunkte festzulegen. Alle Themen, die Herr Telkämper angesprochen hat, sind also bereits behandelt worden. Wir haben den Bericht aufgeschoben, um diese Beschreibung zu erhalten. Viele Änderungsanträge gibt es nicht, und ich sehe überhaupt keinen Grund, diesen Bericht noch länger hinauszuzögern.

(Das Parlament lehnt den Antrag auf Vertagung ab.)

  Der Präsident . – Die Fraktion Die Grünen im Europäischen Parlament beantragt, Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Fortschritten der Regierungskonferenz in die Tagesordnung aufzunehmen.

Ich erinnere das Haus daran, daß der Rat gebeten hat, diese Erklärungen nicht in die Tagesordnung aufzunehmen, und die Konferenz der Präsidenten dem einstimmig zugestimmt hat, weil es beim gegenwärtigen Stand der Regierungskonferenz schwer möglich sei, angemessen gründlich zu informieren, was selbstverständlich der Fraktion Die Grünen im Europäischen Parlament nicht das Recht nimmt, die Frage erneut vorzubringen.

Das Wort hat Frau Aelvoet zur Begründung dieses Antrags auf Aufnahme in die Tagesordnung.

  Aelvoet (V).(NL) Herr Präsident, unser Parlament hat in der Tat ursprünglich beantragt, daß in dieser Woche eine Aussprache über die bei der Regierungskonferenz erzielten Fortschritte geführt wird. Wie uns hier in diesem Halbkreis allen bewußt ist, sind die Vorschläge sowohl der irischen wie der niederländischen Präsidentschaft – soweit sie bisher bekannt sind – meilenweit von dem entfernt, was von der Mehrheit des Europäischen Parlaments vor einigen Monaten als ein Minimum bezeichnet wurde. Für das Europäische Parlament besteht somit aller Anlaß, ein klares Signal dafür zu geben, was es zu tun gilt.

Bei der Behandlung dieser Frage auf der Konferenz der Präsidenten letzte Woche wurde gesagt, daß angesichts der in Frankreich stattfindenden Wahlen der Zeitpunkt für die Abgabe einer Erklärung des Rates und der Kommission mit anschließender Aussprache vom Rat jetzt nicht für geeignet erachtet wird. Nun, wir wissen genau, daß bei den Wahlen in Frankreich Europa ein zentrales Thema bilden wird; sollte da eine in diesem Parlament geführte Aussprache, bei der es darum geht, den Stand der Dinge genau zu ermitteln, Punktzahlen zu erringen und zu prüfen, welche Verbesserungen unbedingt erforderlich sind, für einen einwandfreien Ablauf der Wahlen in Frankreich etwa von Nachteil sein? Damit werden die Dinge wirklich auf dem Kopf gestellt. Wir halten es für unerhört, daß in diesem Parlament keine Aussprache geführt wird, wenn die Notwendigkeit dazu besteht, und eine Vertagung auf den Juni ist zu spät. Wir fordern also, daß über die aktuelle Situation unbedingt eine Aussprache auf politischer Ebene geführt wird und daß eine solche Aussprache jetzt erfolgt.

  Martens (PPE).(NL) Herr Präsident, wie von Ihnen bemerkt wurde, bestand auf der Konferenz der Präsidenten meines Erachtens Einstimmigkeit darüber, daß der Punkt, um den es hier geht, nicht in dieser Woche, sondern nach dem Sondergipfel des Europäischen Rates vom 23. Mai auf der Plenartagung in Brüssel behandelt werden soll. Wenn ich mich nicht irre, wird der Rat am 29. Mai in Brüssel, nach der Sondertagung des Europäischen Rates, eine Erklärung abgeben, so daß wir dann besser darüber beraten können als in dieser Woche. Wir werden dann die Aussprache auf der Grundlage der vom Europäischen Rat auf seiner Sondertagung geführten Beratungen und somit in Kenntnis der Dinge führen können. Die Konferenz der Präsidenten hielt es für sinnvoller, vernünftiger und auch politischer, am 29. Mai in Brüssel darüber zu diskutieren.

(Das Parlament lehnt den Antrag auf Aufnahme in die Tagesordnung ab.)

Donnerstag und Freitag: (keine Änderungen)

Tagung am 28. und 29. Mai 1997 in Brüssel

(Keine Änderungen)

(1)

(1) Anträge auf Anwendung des Dringlichkeitsverfahrens – Dringlichkeitsdebatte (vorgeschlagene Themen) – Redezeit: siehe Protokoll.


4. Rechtlicher Schutz verschlüsselter Dienste

  Der Präsident . – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht (A4‐0119/97) von Herrn Anastassopoulos im Namen des Ausschusses für Recht und Bürgerrechte über das Grünbuch der Kommission „Der rechtliche Schutz verschlüsselter Dienste im Binnenmarkt” (Konsultation über die Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion).

  Anastassopoulos (PPE), Berichterstatter. – (EL) Herr Präsident! Ein unsere Zeit kennzeichnendes Phänomen, die ständig intensivere Nutzung neuer Technologien im Zusammenhang mit der erhöhten Anzahl verfügbarer Frequenzen, führte zur Codierung und Verschlüssselung bestimmter Dienstleistungen, insbesondere von neuen Rundfunk‐ und Fernsehdiensten mit digitalen Programmen. Der Zugang zu diesen Programmen ist nur über den Besitz und die Benutzung eines besonderen Geräts, des Decoders, gegen Entrichtung einer Gebühr möglich. Diese neue Form von Rundfunk‐ und Fernsehdiensten erlebt in Europa und weltweit einen besonders starken Aufschwung. Ihre Entwicklung, die in dem von uns heute erörterten neuen Grünbuch der Kommission behandelt wird, wird jedoch durch eine allseits bekannten Bedrohung, die Piraterie, in Gefahr gebracht.

Eine Folge der Informationsgesellschaft, könnte man sagen! Das Grünbuch, mit dem wir uns hier befassen, berührt ein bestimmtes Thema der Informationsgesellschaft, mit dem wir uns in allgemeiner Form mit Blick auf das Urheberrecht und die damit verwandten Schutzrechte anlässlich des ausgezeichneten Berichts unseres Kollegen Barzanti im September letzten Jahres beschäftigt haben.

Das vorliegende Problem ist vielseitiger Natur, da es eine ganze Reihe von Rechten und Interessen berührt, die im Rahmen des gemeinsamen Binnenmarkts der Europäischen Union von besonderer Bedeutung sind. Parallel zu diesem neuen, sich dynamisch entwickelnden Markt der codierten und verschlüsselten Programme entstand nämlich zeitgleich auch eine Industrie auf dem Gebiet der Herstellung nicht genehmigter Decodergeräte.

Diese „Piratenindustrie”, die Decodergeräte herstellt, welche unter den offiziellen Preisen im Handel angeboten werden, hat ein bedrohliches Ausmaß angenommen. Das Volumen dieser illegalen Aktivitäten einzuschätzen, ist natürlich schwierig. Es dürfte jedoch keine Übertreibung sein, wenn man davon ausgeht, daß die illegalen Geräte 5 % bis 20 % des Gesamtangebots ausmachen und einen Einnahmeverlust von mehr als 200 Millionen ECU für die verschlüsselten Dienste zur Folge haben. Es genüge der Hinweis, Herr Präsident, daß in einem Zeitraum von nur vier Monaten, von September 1996 bis Anfang 1997, über Internet für Piratengeräte über eine Millionen Werbeanzeigen verbreitet wurden! Dieser Schlag ist besonders schwer für die europäische Filmindustrie, da 34 % ihrer Einnahmen aus dieser Quelle stammen.

Wir sind der Ansicht, daß der Piraterie wirksam entgegengetreten werden muß, zum Wohle des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts und der weiteren Entwicklung von auf die neuen Technologien spezialisiserten Industriezweigen sowie der Entwicklung neuer Kommunikationsformen, der Erleichterung von Handelsstrategien und vor allem zum Wohle des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Inhaber von Rechten aus geistigem Eigentum. Die Herstellung perfekterer Decodergeräte mit erhöhter technischer Abschirmung zur Erschwerung der Piraterie erweist sich als kostspielig, und, da zwangsläufig eine Belastung der Verbraucher, als kontraproduktiv. Die Piraterie paßt sich nämlich mit großer Geschwindigkeit an, und es gelingt ihr mit immer fortgeschritteneren Techniken Abschirmsysteme zu durchbrechen. Es bleibt folglich nur eine gemeinschaftliche Inangriffnahme des Problems, die allerdings angesichts der allseits blühenden Piraterie dringend geboten erscheint.

Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Frage teils mit Sonderbestimmungen, teils mit Verweis auf die allgemeinen Regeln über unlauteren Wettbewerb etc. behandeln, gehen von zwei Ansätzen aus, nämlich dem Schutz der verschlüsselten Dienstleistung und dem Verbot der sogenannten „vorbereitenden” Tätigkeiten und unterscheiden sich so stark voneinander, daß das Subsidiaritätsprinzip in diesem Fall nicht herangezogen werden kann. Deshalb haben sich auch die Regierungen von dreizehn der fünfzehn Mitgliedstaaten grundsätzlich auf die Festlegeung harmonisierter gemeinsamer Regeln verständigt. Sie hatten meines Erachtens auch gar keine andere Wahl, da im Bereich der internationalen Regeln die Empfehlungen des Europarates keinen verbindlichen Charakter haben und andererseits die Arbeiten im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum zwar, wie im Dezember letzten Jahres geschehen, zu bestimmten Ergebnissen führen können, doch werden diese Ergebnisse aufgrund der vielen Vorbehalte der Regierungen nur sehr schleppend und unvollkommen in gesetzliche Regelungen umgesetzt.

Jedoch wird auch eine Gemeinschaftslösung weder einfach noch leicht zu bewerkstelligen sein, und dies hauptsächlich aus zwei Gründen: erstens muß sich jeder Regelungsvorschlag de facto auf das schwierige Terrain des freien Waren‐ und Dienstleistungsverkehrs begeben, so wie es durch das Primär‐ und Folgerecht und durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Gestalt gefunden hat. Es besteht die Befürchtung, daß eventuelle Lösungsvorschläge vielleicht bereits erworbene Rechte in Frage stellen könnten. Hier gilt es, mit Vernunft und Umsicht vorzugehen. Zweitens müssen wirksame Lösungen auch das Problem der Sanktionen beinhalten, und hier stellt sich, und das nicht zum ersten Mal, die Frage, ob und in welchem Umfang die Mitgliestaaten bereit sind, einer Einbeziehung von straf‐ und verfahrensrechtlichen Maßnahmen zuzustimmen, da die Europäische Union auf diesem Gebiet keine Zuständigkeit hat.

Aus diesen Gründen, das heißt Regelungsbedarf einerseits, Komplexität etwaiger Lösungen andererseits schlägt Ihr Berichterstatter die Richtlinie als das geeignetste Instrument vor; in ihrem Rahmen wird die angestrebte Angleichung der unterschiedlichen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften wahrscheinlich am besten und schnellsten erreicht. Ein Verordnungsentwurf wäre vielleicht noch besser gewesen, doch bestand die Gefahr, daß er aufgrund der unterschiedlichen Reaktionen steckengeblieben wäre. Die Ausgestaltung dieser Richtlinie wird auf jeden Fall ein sehr schwieriges Unterfangen, doch müßte es über die Zusammenarbeit zwischen Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten gelingen. Der Rechtsausschuß, dem ich für die einstimmige Annahme meines Berichtes danken möchte, fordert die Kommission auf, schnellstens diese Richtung einzuschlagen. Der Piraterie muß wirksam und ohne Verzug begegnet werden!

  Hautala (V), Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik. – (FI) Herr Präsident, wenn in der Informationsgesellschaft immer mehr kommerzielle Dienstleistungen entstehen, die auch einem ausgewählten Publikum angeboten werden, dann nimmt natürlich auch die Piraterie zu. Deshalb stimme ich im Namen des Wirtschaftsausschusses auch mit dem Berichterstatter vollkommen darin überein, daß eine Regelung notwendig ist. Natürlich können wir mit technischen Lösungen versuchen, die Piraterie zu verhindern, aber ich befürchte, daß wir dann in einen Wettlauf geraten, der letztlich zugunsten der Piraten ausgeht.

Ich habe im Wirtschaftsausschuß vorgeschlagen, sogar eine Verordnung, nicht bloß eine Richtlinie, in Erwägung zu ziehen, denn eine Verordnung wäre zweifellos eine wirksame Form der Regelung. Aber ich verstehe auch den Berichterstatter, wenn er das für ziemlich hoch gegriffen hält. In den Mitgliedstaaten ist das nicht so leicht durchzusetzen. Deshalb wäre nun aber auf jeden Fall zumindest eine Richtlinie nötig, die die Festlegung eines Mindestniveaus garantiert.

Sehr schwierig ist auch das Problem der Entschädigungen und Sanktionen für die unerlaubte Benutzung von Decodern. Hier kann man natürlich strafrechtliche Regelungen treffen, aber da die Mitgliedstaaten kaum bereit sind, ihr Strafrecht zu harmonisieren, wären wohl auch privatrechtliche Entschädigungen zu erwägen.

Aber bevor wir zu einer solchen Regelung greifen, halte ich es für wesentlich, die vom Umweltausschuß aufgeworfenen Fragen zu beantworten, die uns sicherlich gleich vorgetragen werden. Der Umweltausschuß will nämlich wissen, auf welche Weise die Verhinderung der Benutzung verschlüsselter Dienste zum Beispiel zu Konzentration führen würde. Es geht um die Informationsindustrie, und das ist keine Bagatelle. Die Kommission hat auf diese Fragen vielleicht nicht ganz zufriedenstellend geantwortet.

  Medina Ortega (PSE).(ES) Herr Präsident, der Bericht von Herrn Anastassopoulos wurde im Ausschuß für Recht und Bürgerrechte einstimmig angenommen. Es ist ein erster Bericht, denn er bezieht sich schließlich auf eine Konsultation über das Grünbuch der Kommission „Der rechtliche Schutz verschlüsselter Dienste im Binnenmarkt” und steht im Kontext der Formulierung einer ganzen Rechtsordnung, die die Europäische Gemeinschaft im Bereich des Schutzes der Telekommunikationsdienste und der Kommunikationsmittel im allgemeinen erarbeitet.

Ich glaube, wir haben es mit einem neuen Recht zu tun. Es ist ein neues Recht, bei dem die Europäische Gemeinschaft zur Zeit eine Vorreiterrolle spielt. Ich muß der Kommission zu der Pionierarbeit, die sie auf diesem Gebiet leistet, gratulieren, und die Kommission wird sicher zu schätzen wissen, wie sehr das Parlament mit ihr dabei in allen Phasen zusammenarbeitet.

Im Moment befinden wir uns in einer Phase, in der es darum geht, dieser Art Diensten rechtlichen Schutz zu geben. Die Schwierigkeit, auf die wir dabei stoßen, ist, daß der rechtliche Schutz, vor allem der strafrechtliche Schutz, in die einzelstaatliche Zuständigkeit fällt. Da es sich um eine nationale Zuständigkeit handelt, würde die Entscheidung für eine Gemeinschaftsregelung in Form der Verordnung bedeuten, daß die Kommission in einen Bereich eindringt, in dem sie bisher nur mit ziemlicher Beschränkung agiert hat. Ich halte deshalb die Empfehlungen des Berichterstatters, den Weg über die Richtlinie zu nehmen, für sehr viel angemessener.

Ich finde die Gestaltung dieser Art von Recht wichtig, und das Parlament, die Kommission und der Rat waren in dieser Hinsicht auch schon gemeinsam tätig. Die Richtlinie 93/83 über den Schutz des geistigen Eigentums bei Satelliten‐ und Kabelfernsehen zum Beispiel war bereits ein Meilenstein in dieser Sache; es ist daran zu erinnern, daß seit Verabschiedung dieser Richtlinie vier Jahre vergangen sind und bei ihrer Anwendung bis jetzt noch keine größeren Schwierigkeiten festgestellt wurden.

Vor kurzem haben sich das Parlament und der Rat unter tatkräftiger Mitarbeit der Kommission über die Revision der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen” geeinigt, und außerdem ist auch die Richtlinie 95/47 über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen in Kraft. Ich glaube, daß dieses ganze Regelwerk eine neue Rechtsordnung ist; daß das Parlament die Initiativen der Kommission unterstützt; daß das Parlament die Kommission auffordert, auf diesem Weg weiterzugehen, und daß, konkret in dieser Sache hier, der angemessene Weg der über die Richtlinie und nicht der über die Verordnung ist.

  Mosiek‐Urbahn (PPE). – Herr Präsident! Erfreulicherweise haben wir es hier mit einem Bericht zu tun, für den der Rechtsausschuß geschlossen gestimmt hat.

Der Berichterstatter hat alle Punkte zum Schutz der verschlüsselten Dienste im Binnenmarkt klar und deutlich herausgestellt. Zu unterstreichen ist die Feststellung, daß die Piraterie in allen bekannten Erscheinungsformen geradezu blüht. Nichtgenehmigte Decodiergeräte werden hergestellt, sie werden in den Handel gebracht, sie werden erworben, sie werden installiert, und sie werden vor allen Dingen verwendet. Darüber hinaus werden die mit der Piraterie in Zusammenhang stehenden Dienste angeboten. Für diese Dienste wird geworben, und sie werden erbracht, um die bestehenden Schutzsysteme wirksam zu hintergehen. Die Piraterie ist ein grenzüberschreitendes Phänomen und verletzt gleichzeitig das Recht auf geistiges Eigentum. Das Grünbuch nimmt sich ausschließlich des Aspekts des unerlaubten Empfangs von verschlüsselten Diensten an. Die Analyse der rechtlichen Situation in den 15 Mitgliedstaaten zeigt, wie zersplittert der Rechtsraum Europa ist. Einige Länder haben spezifische Regelungen, andere Länder greifen auf bereits bestehende Rechtsvorschriften zurück, und in wieder anderen Ländern gibt es überhaupt keinen Schutz. Die Schlußfolgerung liegt auf der Hand: Wir brauchen, wie es auch der Berichterstatter herausgestellt hat, eine Harmonisierung. Die Frage ist, brauchen wir eine Richtlinie, brauchen wir eine Verordnung?

Der Berichterstatter – und der Rechtsausschuß stimmt mit ihm überein – plädiert für eine Richtlinie, weil sie auch für die Mitgliedstaaten flexibler handhabbar ist. Allerdings wäre – das räumt er auch selbst ein – im Rahmen einer Verordnung eine größere Einigkeit zu erzielen. In diesem Zusammenhang möchte ich gerade an den kürzlich verabschiedeten Slim‐Bericht erinnern, in dem wir als Parlament wieder beanstanden, daß zuviel sogenannte softlaw verabschiedet wird. Konsequenterweise müßte dann auch hier eigentlich eine Verordnung den Vorrang haben. Allerdings ist es wohl realistischer – zumindest vorbehaltlich anderer Erkenntnisse nach Auswertung der offenen Konsultation infolge des Grünbuchs –, als ersten Schritt eine Richtlinie anzustreben.

Harmonisierungsbemühungen mit dem Argument einzustellen, die Piraterie würde angesichts der rasanten technischen Entwicklung jegliche Regelung in Kürze erneut unterlaufen können, käme einer Bankrotterklärung gleich. Im Gegenteil, dieses Argument muß Ansporn sein, den rechtlichen Schutz so schnell wie möglich durchzusetzen.

  De Clercq (ELDR).(NL) Herr Präsident, ich werde mich auf zwei Punkte beschränken. Die Bekämpfung der Piraterie und der Piratenindustrie ist zwar dringend erforderlich, doch sollten dabei nicht nur die Rechte der Betreiber beachtet, sondern auch die Vorteile der Verbraucher berücksichtigt werden, und diese Vorteile liegen im Kostenpreis sowie in der Qualität der angebotenen Dienste. Ein liberalisierter und vernünftig geregelter Markt, wie er von uns angestrebt wird, muß dem Benutzer zugute kommen, so daß, auch wenn dafür gezahlt werden muß, das Sammeln von Informationen für jeden zugänglich bleibt, denn das Recht auf Informationen darf nicht zu einem elitären Recht werden.

Zweitens müssen wir uns davor hüten, daß durch Bekämpfung der Piraterie auf europäischer Ebene das Problem verlagert wird. Bei dem Phänomen der Piraterie handelt es sich nämlich um ein weltweites Problem, so daß auch auf weltweiter Ebene Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Abschließend sei bemerkt, daß es hier nicht nur um einen Aufgabenbereich für die WIPO, sondern auch um eine wichtige Herausforderung für weitere Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation geht.

  Oreja Aguirre , Mitglied der Kommission. – (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte mich zunächst für den Beitrag des Berichterstatters, Herrn Anastassopoulos, bedanken.

Wie Sie wissen, wurde das Grünbuch von der Kommission im März 1996 vorgelegt. Die Ergebnisse der Konsultation haben die Notwendigkeit eines gemeinschaftlichen Rechtsinstruments bestätigt, und die Kommission stellt mit Befriedigung fest, daß das Parlament ihren Standpunkt teilt.

In den vergangenen Monaten wurde das Grünbuch in vier Ausschüssen des Parlaments gründlich erörtert, und die Qualität dieser Arbeiten spiegelt sich in dem umfassenden Bericht, den Herr Anastassopoulos vorgelegt hat, sehr gut wider.

Was den weiteren Kurs betrifft, den das Grünbuch nehmen soll, teilt die Kommission die in dem Berichtsentwurf geäußerte Auffassung, wonach das geeignetste Rechtsinstrument eine Richtlinie wäre. Die Kommission hat sich im Arbeitsprogramm für 1997, das von Präsident Santer auf der Plenartagung vom Oktober 1996 vorgestellt wurde, im Grundsatz bereits zu einem Legislativvorschlag verpflichtet.

Nach der Annahme des Parlamentsberichts – und in Anbetracht der positiven Ergebnisse der Konsultation – ist die Kommission in der Lage, einen Vorschlag zu unterbreiten, der die berechtigten Erwartungen, die durch das Grünbuch geweckt wurden, hoffentlich erfüllen wird.

  Der Präsident . – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.


5. Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität

  Der Präsident . – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht (A4‐0155/97) von Frau Palacio Vallelersundi im Namen des Ausschusses für Recht und Bürgerrechte über die Berichte der Kommission an den Europäischen Rat:

‐ über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahre 1994 (KOM(94)0533 – C4‐0215/95);
‐ „Eine bessere Rechtsetzung” – über die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, über Vereinfachung und Kodifikation – 1995 (CSE(95)0580 – C4‐0561/95);
‐ „Eine bessere Rechtsetzung” – über die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, über Vereinfachung und Kodifikation – 1996 (CSE(96)0007 – C4‐0015/97) und
‐ über den Zwischenbericht über die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (CSE(96)0002 – C4‐0355/96).

  Palacio Vallelersundi (PPE), Berichterstatterin. – (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, die Dokumente, auf die sich dieser Bericht bezieht, stehen – zumindest formell – im Zusammenhang mit dem Auftrag, den die Europäische Kommission 1992 vom Europäischen Rat in Birmingham und Edinburgh erhalten hat, jährlich einen Bericht an das Parlament und den Rat über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips zu erstellen.

In dieser Hinsicht ist zunächst auf den Unterschied zwischen dem Bericht von 1994 und den späteren Berichten hinzuweisen. Der Bericht von 1994 folgt noch dem methodischen Ansatz der vorangegangenen Berichte, der es erlaubt, die Gründe für eine Gemeinschaftsmaßnahme zu erkennen bzw. zu sehen, in welchen Fällen die Kommission dagegen nicht befugt ist, Maßnahmen zu ergreifen, weil die Kriterien des Artikels 3 b nicht erfüllt werden.

Außerdem wird im Bericht für 1994 zu Recht auf die Probleme hingewiesen, auf die die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in der Praxis stößt: Die Kommission legt insbesondere dar, daß sich die Haltung der Mitgliedstaaten bei der Subsidiaritätsanalyse oft nach Aspekten richtet, die wenig oder gar nichts mit Artikel 3 b zu tun haben. Erwähnenswert ist auch die treffende Analyse der Schwierigkeit, die sich aus dem Fehlen einer klaren Trennungslinie zwischen den ausschließlichen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und den konkurrierenden Zuständigkeiten von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten ergibt.

Was die übrigen Berichte, die über 1995 und 1996 anbelangt, so macht bereits der Titel, die Bezugnahme auf Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit, Vereinfachung und Kodifikation unter der allgemeinen Überschrift „Eine bessere Rechtsetzung”, deutlich, daß die Kommission sowohl hinsichtlich der Tragweite als auch der Perspektive einen anderen Ansatz verfolgt.

Die Berichterstatterin muß offen gestehen, daß sie trotz sorgfältiger Lektüre nicht in der Lage war, zu einer klaren Schlußfolgerung über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im fraglichen Zeitraum zu kommen. Im Gegenteil, die ständigen Hinweise auf andere Initiativen der Kommission (Molitor und SLIM, um nur zwei zu nennen), die Vermischung von rechtlichen und technischen Prinzipien und das Übermaß an rhetorischen Erklärungen vermitteln paradoxerweise das Gefühl, daß wir es mit einer Institution zu tun haben, die keinen richtigen Elan mehr hat, die sich in defensiver Haltung befindet und die diese Berichte über die Subsidiarität nutzt, nicht um Rechenschaft über die Ausübung ihrer Verantwortung abzulegen, sondern als Gelegenheit für den Versuch einer allgemeinen Rechtfertigung.

Der dem Plenum vorzustellende Bericht hat die einhellige Zustimmung des Ausschusses für Recht und Bürgerrechte erhalten, berücksichtigt auch den Stand der Diskussion in der Regierungskonferenz und insbesondere das Protokoll, um das sich die holländische Präsidentschaft zur Zeit bemüht, und ist auf den folgenden Erwägungen aufgebaut: Erstens, daß das Subsidiaritätsprinzip insofern eine klare politische Dimension hat, als es darauf abzielt, daß bestimmte Beschlüsse so bürgernah wie möglich getroffen werden. Die Aufnahme des Subsidiaritätsprinzips in die Verträge verleiht ihm jedoch den Rang einer verbindlichen Rechtsnorm mit verfassungsmäßigem Charakter; sie regelt die Konzeption und Durchführung der Gemeinschaftsmaßnahmen in Übereinstimmung mit den der Gemeinschaft von den Mitgliedstaaten übertragenen Zuständigkeiten und beeinflußt damit in keiner Weise die Aufteilung der Zuständigkeiten innerhalb der Mitgliedstaaten.

Die Gemeinschaft stützt sich in der Tat auf die ausdrückliche Übertragung von Zuständigkeiten. Den Institutionen der Europäischen Union obliegt es jedoch, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um ihren Auftrag zu erfüllen, die Ziele zu verwirklichen und die Verpflichtungen wahrzunehmen, die sie laut Vertrag haben. Das ist die Doktrin des Parlaments seit den Berichten Giscard d'Estaing und Martin, an die sich auch der Entschließungsantrag hält.

Zweitens, daß das Subsidiaritätsprinzip nach zwei Seiten gilt: Wenn die Kommission eine Initiative plant, die die ausschließlichen Zuständigkeiten der Gemeinschaft übersteigt, muß sie die Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens belegen, indem sie darlegt, inwiefern das Problem Gemeinschaftsdimension aufweist, warum die geplante Maßnahme notwendig ist und worin in bezug auf die Effizienz der Mehrwert liegt, den die Gemeinschaftsaktion gegenüber Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten hat. Dies ist zweifellos ein Folgesatz des Subsidiaritätsprinzips, aber desgleichen ist zu betonen, daß die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips die Gemeinschaft nicht in der legitimen Ausübung der ihr durch die Verträge übertragenen konkurrierenden Zuständigkeiten behindern und schon gar nicht Tätigkeitsbereiche in Frage stellen darf, in denen die Gemeinschaft über ausschließliche Zuständigkeiten verfügt. Mit anderen Worten: Die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in Übereinstimmung mit den Verträgen darf keinesfalls eine Schwächung des Gemeinschaftsrechts oder eine Aushöhlung des gemeinschaftlichen Besitzstands zur Folge haben.

In diesem Sinne weist unser Entschließungsantrag mit Besorgnis darauf hin, daß im Untersuchungszeitraum (1994‐1996) oft die Subsidiarität ins Feld geführt wurde, um die Entwicklung von Initiativen im Rahmen neuer Politiken zu verhindern, besonders in den Bereichen Kultur, audiovisuelle Medien, Energie und Forschung, um nur einige zu nennen.

Das dritte Grundprinzip des Berichts lautet: ”Weniger handeln, um besser zu handeln” – ein Lieblingsmotto der Kommission, das wir teilen und begrüßen. Angesichts dieser Verkündung bereitet jedoch die Flut der vorbereitenden Dokumente, die allein 1996 vorgelegt wurden, Sorge: 13 Grünbücher, zwei Weißbücher, darüber hinaus eine Vielzahl von Berichten, Mitteilungen und Aktionsprogrammen. Es ist zu befürchten, daß durch diesen Aufwand an Zeit und Mitteln seitens der Kommission ihre Legislativtätigkeit beeinträchtigt wird, bei der sie das Initiativmonopol hat.

Desgleichen scheint sich die Tendenz der Kommission, wegen des Scheiterns ehrgeizigerer Initiativen und/oder wegen der Politik des Rates Rahmenrichtlinien und Verhaltenskodizes vorzulegen, zu verfestigen. Es ist also die Verantwortung dieses Parlaments, auf die Gefahr hinzuweisen, daß damit in manchen Fällen ein ungewisses, weniger sicheres und weniger verbindliches Recht, das sogenannte „soft law”, geschaffen wird, das zu einer fiktiven Harmonisierung und einer aleatorischen Umsetzung in die nationalen Rechtsordnungen führt.

Schließlich bleibt noch festzustellen, daß diese Situation, der – um es deutlich zu sagen – eine vertragswidrige Anwendung des Subsidiaritätsprinzips innewohnt –, Einfluß darauf hatte, daß es im Zeitraum 1994‐1996 in wesentlichen Bereichen des Binnenmarkts an Fortschritt mangelte.

Sprechen wir nun über die Vermischung von Rechtsgrundsätzen und Kriterien guter Rechtsetzungstechnik. Wir beklagen, daß es die Kommission, wie eingangs schon angemerkt, für angebracht gehalten hat, ihre jüngsten Berichte über die Subsidiarität, die sie mit „Eine bessere Rechtsetzung” überschreibt, auf Maßnahmen zur Vereinfachung und Kodifikation des Gemeinschaftsrechts auszuweiten. Unser Entschließungsantrag weist auf die Konfusion hin, die durch diese Entscheidung entsteht, und betont den wesentlichen Unterschied zwischen der Vereinfachung und der Kodifikation – und der damit verbundenen natürlichen Begleiterscheinung der Klarheit –, die die Kriterien einer guten Rechtsetzungstechnik sind, und der rechtlichen Natur des Subsidiaritätsprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Ich komme zum Schluß, Herr Präsident, Herr Kommissar: Die Funktion des Europäischen Parlaments bei der Kontrolle der Wahrung der Subsidiarität in ihrem doppelten Aspekt – nicht zu handeln und zu handeln , wenn es nötig ist – und seine Rolle bei der Analyse der Subsidiarität der verschiedenen Gemeinschaftsrechtsakte, zu denen es Stellung nimmt, müssen beibehalten und noch vertieft werden. Die Einleitung zum Bericht von 1995 aufgreifend, möchte ich sagen, als Berichterstatterin hege ich Zweifel, ob der Bericht „Eine bessere Rechtsetzung” tatsächlich beweist – ich zitiere wörtlich –, „daß die Kommission ihren Teil der Arbeit leistet”. Woran ich nicht zweifle, Herr Präsident und Herr Kommissar, ist, daß es sich um eine – ich zitiere nochmals – mit „den anderen Organen und den Mitgliedstaaten” geteilte Verantwortung handelt.

Herr Kommissar, Herr Präsident, dieses Parlament ist sich seiner Verantwortung bewußt und wird sie zum Wohl der Bürgerschaft, die es vertritt, ausüben.

  Añoveros Trias de Bes (PPE).(ES) Herr Präsident, Herr Kommissar, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sind verbindliche Normen mit verfassungsmäßigem Charakter, die die Ausübung der konkurrierenden Zuständigkeiten von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten regeln. Diese Normen dürfen keinesfalls ein Hindernis für die Entwicklung des Binnenmarkts darstellen oder den gemeinschaftlichen Besitzstand in Frage stellen.

Es ist zu unterscheiden zwischen den Rechtsgrundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit einerseits und Vereinfachung und Kodifikation andererseits. Erstere beziehen sich auf die Effizienz der Maßnahmen, letztere auf die Techniken der Transparenz. Beide Bereiche ergänzen einander, dürfen aber niemals vermischt werden. Deshalb ist es nicht richtig, diese Grundsätze auf die Techniken der Vereinfachung auszudehnen. Zuerst muß die Notwendigkeit des Handelns abgeschätzt und dann wirklich gehandelt werden. Das von der Kommission vertretene Motto „weniger handeln, um besser zu handeln” impliziert die Notwendigkeit des Handelns und dann auch Wissens, wie zu handeln ist. Ist es mit der Effizienz der Gemeinschaftstätigkeit vereinbar, daß vorbereitende Normen oder Dokumente verfaßt und der allgemeinen Öffentlichkeit oder im institutionellen Bereich vorgelegt werden? Die Berichterstatterin hat den wunden Punkt berührt und sehr zu Recht auf dieses ernste Problem hingewiesen.

Diese Akte bergen eine doppelte Gefahr: Erstens können sie dazu führen, daß der Bürger mit Papieren, Dokumenten und sonstigen Akten überschwemmt wird, die das Ausmaß der schon bestehenden Verwirrung noch erhöhen, und zweitens können sie tatsächlich gegen die Rechtssicherheit verstoßen.

Wie fügen sich diese Akte in das Regelwerk der Union ein? Bei jeder Regierungskonferenz wird eine Analyse des Funktionierens der Institutionen und des Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Befugnissen der Kommission, des Rates und des Parlaments vorgenommen. Deshalb muß dieses Parlament rechtzeitig vor drei Versuchungen gewarnt sein: die Subsidiarität zu benutzen, um ausschließliche Zuständigkeiten der Gemeinschaft zu renationalisieren; Verhaltenskodizes und Vereinbarungen einzusetzen, um die Verhältnismäßigkeit zu neutralisieren, und die Kodifikation des Gemeinschaftsrechts als Gelegenheit zu nutzen, um substantielle Textänderungen und womöglich Änderungen der Rechtsgrundlage vorzunehmen.

Das Parlament muß eine Kontrollfunktion gegen diese möglichen Versuchungen ausüben. Die Berichterstatterin hat außerordentliche Arbeit geleistet, indem sie sich mit einem besonders schwierigen und komplizierten Bericht befaßt hat. Die Arbeit meiner Kollegin ist nicht nur wegen des Geschicks zu würdigen, das sie in der parlamentarischen Verhandlung gezeigt hat, sondern auch, weil sie einen Bericht verfaßt hat, der in seiner Einfachheit und Klarheit vorbildlich ist.

VORSITZ: MAGDALENE HOFF
Vizepräsidentin

  Thors (ELDR).(SV) Frau Präsidentin! Wenn wir uns die Statistik im Bericht ansehen, dann sieht es gut aus, aber wie der Vortragende schon festgestellt hat, ist das nicht die ganze Wahrheit. Es gibt weniger Gesetzgebungsinitiativen, aber die Kommission hat statt dessen mit anderen Initiativen begonnen. Es ist nicht sicher, daß dieses Verfahren die Subsidiarität verbessert. Außerdem verschiebt das neue Verfahren die Machtverhältnisse zwischen den Institutionen.

Betrachtet man die Subsidiarität, dann finde ich, daß man sich auch die einzelnen Regeln aller Gesetzesvorlagen ansehen sollte. Das ist meiner Ansicht nach im Sinne des Vertrags. Ist diese besondere Vorschrift auf EU‐Ebene wirklich nützlich oder erforderlich? Dies wird in unserer derzeitigen Arbeit nicht geprüft, weder in den Gesetzesvorlagen noch in der Kammer. Hier setzen sich oft Sonderinteressen durch, worüber unsere Gruppe besorgt ist.

Zweitens teile ich die Besorgnis des Vortragenden über die Berichte, über die wir heute diskutieren. Ich glaube nicht, daß man in Zukunft einmal sagen wird, daß sie besonders viel dazu beigetragen haben, die Subsidiarität weiterzubringen. Meine Auffassung ist die, daß wir die Debatte über das Subsidiaritätsprinzip lebendiger gestalten müssen. Das läßt sich dadurch erreichen, daß man in das Gesetzgebungsprogramm der Kommission Vorschriften und Abschnitte über die Subsidiarität aufnimmt. Wir brauchen auch bessere Untersuchungen der einzelnen Gesetzesvorlagen zur Subsidiarität. Trotz Richtlinien der Kommissionsleitung lassen die Untersuchungen der einzelnen Gesetzesvorlagen viel zu wünschen übrig.

Der wirkliche „Teufel” liegt jedoch in den Regeln, die auf einer Ebene unterhalb der Beschlüsse des Parlaments und des Rats angesiedelt sind, nämlich bei den einzelnen Durchführungsverordnungen, wo noch vieles getan werden muß. Ich empfehle, daß die Kommission ein Zeitlimit beschließt, so daß immer dann, wenn eine Vorschrift nicht innerhalb von fünf Jahren erneuert wird, eine Vorschrift ausläuft und zu existieren aufhört. Das würde die Bürokratie einschränken und das Vertrauen der Mitbürger in die Union verbessern.

  Lindholm (V).(SV) Frau Präsidentin! Alle, die wir hier sitzen, möchten sich für mehr Demokratie einsetzen, nicht zuletzt auf der örtlichen Ebene, und so bürgernah wie möglich. Deshalb sitzen wir hier. Das Subsidiaritätsprinzip müßte das geeignete Instrument für diese Arbeit sein, wie dies ja auch beabsichtigt war. Aber leider funktioniert es zur Zeit nicht.

Wie der Vortragende feststellt, ist es klar, daß Subsidiarität eine Norm von grundlegender Bedeutung innerhalb der EU ist. Weniger eindeutig ist, wie sie eingesetzt worden ist, wie sie eingesetzt werden sollte, und wie sie in Zukunft eingesetzt werden wird. Die Art und Weise, wie die Kommission anfängt, in ihre Darlegungen der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips ein anderes juristisches Prinzip einzuführen, das Proportionalitätsprinzip, sowie Fragen im Zusammenhang mit der technischen Ebene der Gesetzgebung usw., machen das Ganze auch nicht klarer.

Was klargestellt werden müßte, sind die Grundlagen und Kriterien dafür, wann eine Frage auf Gemeinschaftsebene zu regeln ist, und wann sie auf nationaler Ebene behandelt werden kann und soll, gemäß dem Prinzip der Nähe, so nahe wie möglich an den Betroffenen. Wenn das Subsidiaritätsprinzip nur für die sogenannten „weichen Gebiete” benutzt wird, wie z. B. Umweltfragen und Verbraucherschutz, kann man die Vermutung bekommen, daß es nicht darum geht, die Subsidiarität zu respektieren, sondern vielleicht eher darum, sie zu mißbrauchen. Will man bessere und strengere Vorschriften zum Beispiel für den Umweltschutz zulassen, kann man ja erlauben, daß strengere nationale Schutzmaßnahmen erlaubt sind. Man kann außerdem Artikel 100a anwenden, wo neben dem Binnenmarkt auch andere als rein wirtschaftliche Werte anerkannt werden.

Die Einstellung und das Vertrauen der Bürger zur EU und zur Demokratie überhaupt ist eng mit einer funktionierenden örtlichen und nationalen Demokratie, sowie mit einem funktionierenden Subsidiaritätsprinzip verknüpft. Wir hoffen deshalb, daß die Regierungskonferenz die Frage aufgreift und dem Subsidiaritätsprinzip endlich eine vernünftige Form und einen konkreten Inhalt gibt.

  Novo Belenguer (ARE).(ES) Frau Präsidentin, ich möchte zunächst der Arbeit von Frau Palacio unsere Unterstützung bekunden, denn wir können aus ihr schließen, daß die korrekte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips bedeuten muß, der europäischen Bürgerschaft den Entscheidungsprozeß bei den Initiativen, die die Entwicklung und Festigung der Europäischen Union tragen helfen, näherzubringen.

In dieser Hinsicht fällt uns das Fehlen von Hinweisen auf die wichtige Rolle, die die regionalen Körperschaften spielen müssen ‐und vor allem jene, die mit Legislativgewalt ausgestattet sind –, sehr stark auf. Den kleineren Gemeinwesen das, was sie selbst tun könnten, zu überlassen, wird in der Enzyklika Quadragesimo Anno geradezu als Unrecht angesehen. In dem Maße, wie es uns gelingt, den Eindruck dieser so oft kritisierten Zentralisierung der Gemeinschaftsinstitutionen bei unseren Bürgern auszuräumen und geeignete Kanäle zu schaffen, damit sie über die nötige und angebrachte Information verfügen, und wir ihnen auf diese Weise zeigen, daß ihre Probleme die verschiedenen Institutionen der Union unmittelbar betreffen, werden wir das erforderliche und richtige Gleichgewicht bei der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips erreichen.

Aus unserer Verantwortung als Mitglieder des Europäischen Parlaments heraus müssen wir die Kommission dringend auffordern, daß sie, wenn sie es für angebracht hält, Maßnahmen nach dem Subsidiaritätsprinzip zu ergreifen, die Effizienz der geplanten Gemeinschaftsaktion und deren positive Rückwirkung auf für den Bürger wichtige Bereiche wie die Beschäftigung abschätzt.

Es gibt Bereiche, in denen die regionalen Körperschaften wegen ihrer Nähe zum Bürger eine vorherrschende Stellung einnehmen müssen. Eine gute Lösung, eine gute Form, diese Ziele zu erreichen, wäre es auch, die Legislativbefugnisse unseres Parlaments zu verstärken, denn dann hätte es als das die Bürger unmittelbar vertretende Organ bei der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips größere Mitspracherechte, was sowohl seiner Beziehung zu den Bürgern als auch der internen Demokratie in den Gemeinschaftsinstitutionen zugute käme.

  Van der Waal (I‐EDN).(NL) Frau Präsidentin, ”Europa muß weniger handeln, um besser zu handeln”. Dies war ein Anfang letzten Jahres von der Kommission vertretener Grundsatz, dessen Ziel darin bestand, die Zahl der Rechtsvorschriften zu verringern und deren Qualität zu verbessern. Wie sich aus den heute zur Diskussion stehenden Kommissionsdokumenten ergibt, war die Kommission ernsthaft um dieses Ziel bemüht, was gewürdigt werden muß. Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich die Zahl der Legislativvorschläge erheblich verringert. Offensichtlich werden durch das Subsidiaritätsprinzip hierzu wesentlich mehr Möglichkeiten geboten, als vielfach angenommen wird. Eine Bestätigung dafür bildet die Tatsache, daß von der Kommission im Zeitraum 1994‐1995 48 Legislativvorschläge zurückgezogen wurden.

In dem Bericht Palacio wird daran erinnert, daß das Subsidiaritätsprinzip den Rang einer verbindlichen Rechtsnorm hat, und es wird mit warnendem Unterton darauf hingewiesen, daß die der Gemeinschaft durch die Verträge übertragenen Zuständigkeiten durch die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips nicht in Frage gestellt werden dürfen. Dies braucht meines Erachtens allerdings nicht befürchtet zu werden. Wie die Praxis gezeigt hat, ist eher das Umgekehrte der Fall, wodurch das Subsidiaritätsprinzip in noch nicht ausreichendem Maße zu seinem Recht gekommen ist.

Die Erklärung hierfür liegt darin, daß es sich bei dem Subsidiaritätsprinzip nicht um einen reinen Rechtsbegriff handelt, sondern daß es auch politische und wirtschaftliche Aspekte umfaßt. Bei der Anwendung des Prinzips lassen sich diese Aspekte offensichtlich schwer voneinander trennen. Dadurch wird die Anwendung des Prinzips auch dadurch bestimmt, wie das Ziel einer europäischen Einigung gesehen wird. Von denjenigen, die ein vereinigtes Europa befürworten, wird die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips unter dem Aspekt dieser politischen Zielsetzung gesehen. Damit wird allerdings verkannt, daß es sich bei der Union um einen Zusammenschluß souveräner Staaten zum Zwecke der Zusammenarbeit handelt. Das bedeutet, daß die Ebene der Einzelstaaten an erster Stelle steht und daß die supranationale Ebene der nationalen Ebene untergeordnet ist.

Ferner ist zu bedenken, daß das Subsidiaritätsprinzip, so wie es auf dem Edinburgher Gipfel ausgearbeitet wurde, nachdrücklich zum Ziel hat, einer Zentralisierung entgegenzuwirken und möglichst bürgernahe Entscheidungen zu ermöglichen. Aus diesem Grund kann ich mich nicht mit den Ziffern in dem Bericht Palacio einverstanden erklären, in denen es heißt, daß das Subsidiaritätsprinzip zu unrecht geltend gemacht wurde, um auf europäischer Ebene ergriffenen Initiativen in den Bereichen Kultur, audiovisuelle Dienste, Volksgesundheit, Schaffung von Arbeitsplätzen und dergleichen entgegenzuwirken. Diese Politikbereiche fallen nämlich in erster Linie in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten.

In ihren Berichten legt die Kommission neben der Verringerung der Zahl von Rechtsvorschriften gleichzeitig den Nachdruck auf eine Vereinfachung und Verbesserung. Auch diesem Ziel ist zuzustimmen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sind Regelungen, die getroffen werden, zahlenmäßig und was das Maß ihrer detaillierten Ausgestaltung anbelangt, soweit wie möglich zu beschränken. Solche Bemühungen dürfen allerdings nicht mit dem Rechtsrahmen des Subsidiaritätsprinzips verwechselt werden. Hierauf wird in dem Bericht Palacio zu recht hingewiesen. Für ein reibungsloses Funktionieren gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften sind solche vereinfachenden Maßnahmen jedoch nicht weniger wichtig.

Die wachsende Kluft zwischen den Gemeinschaftsbehörden und den Bürgern in den Mitgliedstaaten gibt allen Anlaß, die Aufgaben der Union zu begrenzen sowie der Zentralisierung und Bürokratie entgegenzuwirken. Eine solche Notwendigkeit wird noch dringender, wenn sich die Union noch erweitert und die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten größer werden. Der Vorschlag der irischen Präsidentschaft, das Funktionieren des Subsidiaritätsprinzips in einem Zusatzprotokoll zum Vertrag festzulegen, ist zu begrüßen. Weitere Schritte zur Verringerung der heutigen Aufgaben der Union und zur Gewährung von mehr Freiheit für die Mitgliedstaaten sind bei einer Erweiterung der Union meiner Überzeugung nach unumgänglich.

  Vanhecke (NI).(NL) Frau Präsidentin, es ist vielleicht nützlich, zunächst einmal daran zu erinnern, daß Artikel 3b, in dem es um das Subsidiaritätsprinzip geht, nicht einfach vom Himmel gefallen ist und dann in den Vertrag von Maastricht aufgenommen wurde, sondern daß dieses Prinzip im Gegenteil eingeführt wurde, um einer legitimen Besorgnis gerecht zu werden, wie sie bei sehr vielen Bürgern der Europäischen Union bestand. Von diesen Bürgern werden angesichts dessen, was von ihnen als zunehmende Intervention der Europäischen Union empfunden wird, Fragen gestellt. Um es klar zu sagen: kein rational denkender Mensch ist gegen selbst weitgehende Formen der Zusammenarbeit und des Dialogs auf europäischer Ebene; immer mehr rational denkende Menschen stellen sich jedoch Fragen angesichts bestimmter Auswüchse einer übertriebenen Gleichschaltung, einer übertriebenen Einmischung der Gemeinschaftsebene gegenüber der regionalen oder nationalen Ebene. Die dringende Forderung nach dem sogenannten „Euro‐Stimmrecht” bei Kommunalwahlen stellt hierfür ein typisches – leider jedoch nicht alleiniges – Beispiel dar.

Mit dem Vertrag von Maastricht werden die Befugnisse auf Unionsebene erheblich erweitert, u. a. durch die sogenannten „neuen Politiken”. Das Gegenstück zu dieser Kompetenzerweiterung, nämlich das durch Artikel 3b ausdrücklich in die Verträge aufgenommene Subsidiaritätsprinzip läuft heute jedoch Gefahr, nicht mehr zur Anwendung zu gelangen.

Bei einer wohlverstandenen Anwendung des Subsidiaritätsprinzips müssen normalerweise die sogenannten „unteren Ebenen” überlegen, welche Befugnisse sie an die höhere Ebene abgeben möchten. Wie aus dem vorliegenden Bericht jedoch erneut hervorgeht, wird in der Europäischen Union umgekehrt verfahren: bestenfalls wird die europäische Ebene gebeten, zu überlegen, welche Befugnisse sie vielleicht selbst nicht wünscht; im Falle eines Kompetenzkonflikts wird eine weitere europäische Institution – der Gerichtshof – den Streit schlichten. All dies erscheint mir persönlich in hohem Maße als eine politisch perverse Umkehrung des Subsidiaritätsprinzips.

Abschließend möchte ich noch bemerken, daß die hier geführte Aussprache eigentlich überflüssig wäre, wenn von jedem die Tatsache berücksichtigt würde, daß es sich bei der Europäischen Union keineswegs um eine im Entstehen begriffene Art Bundesstaat handelt, sondern vielmehr um einen „Staaten‐Verbund”, wie sich aus dem berühmten Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe ergab.

Darin liegt der Kern des Problems. Solange eine Mehrheit in diesem Parlament – ich sage ausdrücklich dieses Parlament, denn ich habe den Eindruck, daß bei der Kommission doch eine Besserung zu erkennen ist – nicht bereit zu sein scheint, sich mit dieser Realität des „Staaten‐Verbundes” abzufinden, haben Aussprachen wie die heute geführte meiner bescheidenen Meinung nach eigentlich wenig Sinn.

  Cardona (UPE). – Frau Präsidentin, zu Beginn möchte ich darauf hinweisen, daß für uns die Grundsätze der Subsidiarität die Gestalt und das Wesen des Beschlußfassungsprozesses der Gemeinschaftsorgane im Hinblick auf den Erlaß von Rechtsvorschriften bestimmen. Es handelt sich somit um verfassungsmäßige Grundsätze, die für die jeweiligen Adressaten bindend und für den Aufbau und die Integration der Gemeinschaftsorgane von höchster Bedeutung sind. Von unserem Standpunkt aus gesehen muß diese Regel – die unserer Ansicht nach Verfassungscharakter besitzt – auch in dieser Phase vor allem einen Rahmen für ein Gleichgewicht der Machtbefugnisse zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten bieten, deren Zuständigkeiten im Bereich der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im gegenwärtigen Stadium erhalten bleiben müssen. Wir vertreten die Auffassung, daß das in Artikel 3 b des Unionsvertrages festgeschriebene Prinzip im Rahmen der laufenden Arbeiten der Regierungskonferenz keinerlei Änderung, Weiterentwicklung oder Vertiefung erfahren dürfte.

Tatsächlich geht es für uns darum zu prüfen, wie jenes Prinzip von den Gemeinschaftsorganen eingesetzt wird. Die Kommission stellte diesbezüglich für sich selbst in ihrem jüngsten Bericht eine Grundregel auf, wonach sie nunmehr weniger handeln wird, um besser zu handeln. Dieser Grundregel stimmen wir uneingeschränkt zu. Hierzu legen wir Wert darauf klarzustellen, was aus unserer Sicht der wesentliche Inhalt des Subsidiaritätsprinzips ist. Nach unserer Auffassung müssen Kriterien wie diejenigen der Notwendigkeit und der Effizienz maßgeblich sein für die Fälle, in denen die Kommission im Falle aufgeteilter Zuständigkeiten Maßnahmen trifft, die sich als geeignet erweisen, um die Ziele zu verfolgen, die als gemeinsame Ziele zu gelten haben.

Die Festlegung dessen, was als gemeinsames Ziel zu verstehen ist, muß unserer Ansicht nach auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgen, das im übrigen im letzten Teil eben dieses Verfassungsgebots festgeschrieben ist. Folglich sind die Subsidiarität und die Verhältnismäßigkeit nach unserem Verständnis zwei Begriffe, die miteinander zusammenhängen und sich gegenseitig ergänzen. Sämtliche Maßnahmen müssen daher den Zielen von gemeinsamem Interesse angemessen sein, die die Gemeinschaftsorgane zu verfolgen haben.

Es gibt Bereiche wie etwa diejenigen der Umwelt und der Betrugsbekämpfung, die der Subsidiaritätsregel unterworfen werden müssen. Als Beispiele seien im Bereich der Betrugsbekämpfung die Vereinbarungen über gegenseitige Unterstützung in Verwaltungsfragen, die Vereinbarungen über Transferkosten, die Richtlinien über Zusammenschlüsse und Spaltungen, die Richtlinien über die Besteuerung von Dividenden und schließlich die gemeinsamen Vorschriften über gleichzeitige Prüfverfahren genannt, die unter die Definition dessen fallen, was als dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegende gemeinsame Aktion zu verstehen ist, und gemäß den zuvor erwähnten Kriterien der Notwendigkeit und Effizienz formuliert sind.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Behandlung dieser Frage ist die Diskussion über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente bei der Ausarbeitung von Entscheidungen, die nach dem Subsidiaritätsprinzip getroffen werden. Wir vertreten die Auffassung, daß die einzelstaatlichen Parlamente in der Phase vor der Entscheidung eine wichtige Rolle spielen müssen und durch die entsprechende politische Kontrolle der Durchführung der unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips getroffenen Maßnahmen auch in der Phase danach.

Was schließlich die beabsichtigte Ersetzung der gegenwärtigen Rechtsetzungsformen durch das anbelangt, was von der Kommission als etwas Dauerhaftes bezeichnet wird, sind wir der Ansicht, daß sich dieser Prozeß auf die Anwendung der Konsultationsverfahren und auf die Debatten vor der Beschlußfassung beschränken muß. Er darf nicht selbst als Rechtsetzungsbeschluß verstanden werden. Letzterer muß nach unserer Sichtweise weiterhin durch rechtsetzende und insofern für die jeweiligen Adressaten verbindliche Formen geregelt werden.

  Corbett (PSE). – Frau Präsidentin, das Subsidiaritätsprinzip ist mittlerweile zu so etwas wie Apfelkuchen geworden: Jeder ist dafür, aber jeder meint etwas völlig anderes damit. Ein Begriff, der im Kontext der Europäischen Union von diesem Parlament geprägt wurde, als es den Spinelli‐Entwurf eines Vertrags über die Europäische Union erörterte, wird nun sogar von Gegnern der Europäischen Union verwendet, die behaupten, die Europäische Union werde übermäßig zentralisiert, und es drohe ein zentralisierter Superstaat.

Genau betrachtet, entfallen auf die Union nur 3 % der öffentlichen Ausgaben. Ihre Bürokratie ist genau so groß wie die einer durchschnittlichen mittelgroßen Stadt in Europa. Auf lange Sicht besteht keine Gefahr einer übermäßigen Zentralisierung. Wir sollten nicht vergessen, daß die Union, damit sie überhaupt Rechtsvorschriften erlassen kann, eine Rechtsgrundlage in den Verträgen benötigt, die von jedem einzelnen nationalen Parlament ratifiziert wurden. Dann bedarf es zur Verabschiedung jeder nennenswerten Rechtsvorschrift der Zustimmung unter anderem des Rates. Und wer sitzt im Rat? Minister der Einzelstaaten, die Teil der einzelstaatlichen Regierungen und den nationalen Parlamenten verantwortlich sind. Keine Leute, die geneigt wären, der Europäischen Union Machtbefugnisse zu vermachen, wo dies nicht erforderlich ist.

Wenn das nächste Mal ein Minister oder eine Ministerin heimkehrt und Brüssel der Einmischung bezichtigt, erinnern Sie ihn bzw. sie daran, daß es in erster Linie dem Rat angehörende Minister der Einzelstaaten sind, die der fraglichen Rechtsvorschrift zugestimmt haben. Selbst wenn diese ihre Befugnisse überschreiten, ist es dann möglich, den Gerichtshof anzurufen, um prüfen zu lassen, ob gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen wurde oder nicht. Diese Option steht jeder Regierung in der Europäischen Union zur Verfügung.

Wir sollten die Furcht zurückweisen, die gerade eben von Herrn Vanhecke, ansonsten von den John Majors, den John Redwoods, den Michael Howards, den Le Pens, den William Hagues und ihresgleichen geschürt wird, die uns glauben machen wollen, alle unsere Länder seien durch eine übermäßige Zentralisierung in Europa bedroht.

Dies ist nicht der Fall. Es besteht keine reelle Gefahr, daß dies eintritt. Wir sollten den Mut besitzen zu sagen, daß manchmal europäische Rechtsvorschriften notwendig sind, um für den Binnenmarkt faire Spielregeln zu gewährleisten, um dafür zu sorgen, daß es weniger Regelungen gibt, und zwar dadurch, daß wir ein einheitliches Regelwerk für Unternehmen besitzen anstatt fünfzehn verschiedene einzelstaatliche Regelwerke, an die sie sich halten müssen. Ja zur Subsidiarität! Nein zu ihrer Verwendung als Instrument für Angriffe gegen die Europäische Union!

  Habsburg‐Lothringen (PPE). – Frau Präsidentin, zunächst einmal möchte ich Frau Palacio sehr herzlich zu ihrem Bericht gratulieren und natürlich auch der Kommission, vertreten durch Kommissar Oreja, zu den Fortschritten, die erreicht wurden. Mir erscheint es aber doch in der Diskussion über diesen Begriff Subsidiarität angebracht, zu betonen, daß eben dieser Begriff aus der christlichen Soziallehre stammt und deshalb auch unter diesem Aspekt angewandt und nicht wie so oft als Hilfe zur Selbsthilfe abqualifiziert werden sollte.

Subsidiarität bedeutet nichts anderes, als daß eine größere Einheit nichts wahrnehmen darf, was die nächstkleinere Einheit zufriedenstellend erfüllen kann. Dies zeigt aber auch ganz klar, daß Subsidiarität von unten nach oben gebaut werden muß und nicht von oben nach unten. Subsididarität muß genauso zwischen den Gemeinden und den Regionen funktionieren, wie es zwischen den Organen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten funktionieren muß.

Der Bericht von Frau Palacio weist am Anfang ganz klar darauf hin, daß das Subsidiaritätsprinzip eine politische Dimension hat: Deswegen sollen Fragen über das Subsidiaritätsprinzip auch politisch gelöst werden und, wenn möglich, nicht vor dem Gerichtshof, eben weil das Ziel sein soll, die Beschlüsse der Gemeinschaft möglichst bürgernah zu fassen. Möglichst bürgernah heißt aber auch, Entscheidungen in dieser Entscheidungspyramide so weit wie möglich zur Basis hin zu drücken. Daraus ergibt sich für mich die logische Schlußfolgerung, daß man unterhalb der Ebene Gemeinde auch die Ebene Familie sehen muß, da diese schließlich die Basis unserer Gesellschaft ist und auch im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips entsprechend gestärkt werden muß.

Als wesentlich muß aber trotzdem betont werden, daß das Subsidiaritätsprinzip keinesfalls dazu mißbraucht werden darf, eine Schwächung des Gemeinschaftsrechtes zu erreichen. Eine systematische Erwähnung im Rahmen der neuen Politiken stimmt hier doch etwas bedenklich. Insgesamt zeigt uns aber der sehr aufschlußreiche Bericht, daß vor allen Dingen bei der Frage der Definition der Subsidiarität noch vieles zu tun bleibt.

  Dybkjær (ELDR).(DA) Ich danke der Berichterstatterin für ihren Versuch, den Begriff Subsidiarität etwas deutlicher zu erklären, der ja 1992 in Edinburgh wirklich im Mittelpunkt stand, nachdem den europäischen Regierungen unter anderem durch die Volksbefragungen über Maastricht klargeworden war, daß die EU nicht eben ein Projekt der Bürger ist. Für mich besteht nämlich einer der Hauptzwecke des Ausdrucks Subsidiarität darin, den Bürgern soviel Einfluß wie möglich auf die Entscheidungsprozesse zu geben, damit sie möglichst viel selbst entscheiden können oder wenigstens nicht den Überblick über das Geschehen verlieren. Aber der Begriff Subsidiarität ist immer noch unklar bestimmt und deshalb in der Praxis unverständlich.

Aus diesem Grunde möchte ich darum ersuchen, die Debatten hier im Parlament, in der Kommission und anderenorts weiterzuführen, und wir sollten auch nicht nur die Regierungskonferenz ersuchen, sich allen Ernstes mit der Begriffsbestimmung dieses Wortes zu befassen, sondern vielleicht zudem die GD IV auffordern, einen grundsätzlicheren Bericht darüber abzufassen, was in letzter Zeit konkret aus dem Begriff geworden ist, und wie eine konkrete Begriffsbestimmung für seinen zukünftigen Gebrauch lauten könnte.

  White (PSE). – Frau Präsidentin, ich gratuliere der Berichterstatterin zu ihrem ausgezeichneten und kurz gefaßten Bericht.

Allerdings enthält Artikel 3 b des Vertrages keine wirkliche Definition des Begriffs der Subsidiarität. Ich bin froh darüber, weil in der Vergangenheit, wie Herr Corbett richtig gesagt hat, der Begriff der Subsidiarität als Vorwand benutzt wurde, um Dinge an die Staaten zurückzuverweisen, und diesen Gedanken lehne ich strikt ab. Lassen Sie mich ein spezifisches Beispiel anführen: In der letzten Mandatsperiode hielt es die Kommission, weise wie sie ist, für notwendig, Tiere in Zoos zu schützen, indem sie einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Stellung von Tieren in Zoos unterbreitete. Als Ergebnis des berüchtigten Edinburgher Gipfels, wo Herr Major eine Reihe sinnvoller Vorschläge zunichte machte, wurde dieser spezifische Vorschlag zurückgezogen, und nun liegt er als bloße Empfehlung wieder diesem Parlament vor. In meinen Augen stellt dies einen Rückzug dar: Es wird den Interessen der Tiere im Zoo nicht dienen und stellt einen schwachen Ersatz dessen dar, was wir als Parlamentarier tun sollten.

Wenn also in Erwägung F von der Subsidiarität als einem „dynamischen Konzept” die Rede ist, sollten wir meiner Ansicht nach das Wort „pragmatisch” hinzufügen, denn die Subsidiarität ist, wie es in Erwägung G heißt, ”eine geeignete Rechtstechnik”. Ich glaube nicht, daß dies irgendwelche nennenswerten Schwierigkeiten aufwirft. Wir brauchen nur zu fragen: Was ist das Ziel einer Rechtsvorschrift? Und dann: Auf welcher Ebene wird die Rechtsvorschrift am effizientesten sein? Dies ist eine pragmatische Analyse, bei der manchmal die Gemeinschaftsebene und manchmal die einzelstaatliche oder regionale Ebene als effizientere Lösung herauskommt. Es handelt sich einfach um die Anwendung eines pragmatischen Grundsatzes, und wir sollten nicht dem Glauben verfallen, Subsidiarität sei gewissermaßen damit gleichzusetzen, daß man die Dinge nur auf einzelstaatlicher Ebene regelt.

  Oreja Aguirre , Mitglied der Kommission. – (ES) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Parlamentarier, ich möchte Frau Palacio zu all der Hingabe danken, die sie, mit der für sie charakteristischen Kompetenz, der Arbeit der Kommission über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips gewidmet hat. Und ich möchte ihr sagen, wie sehr ich die scharfen und präzisen Bemerkungen in ihrem Bericht und ihrem Beitrag heute nachmittag geschätzt habe.

Ich freue mich auch festzustellen, daß die Haltung der Berichterstatterin in vieler Hinsicht der der Kommission nahekommt. Zum Beispiel ist die Kommission, genau wie die Berichterstatterin, der Auffassung, daß das Subsidiaritätsprinzip in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereichen nicht gilt, denn in dem Fall darf der gemeinschaftliche Besitzstand nicht in Frage gestellt werden, und desgleichen, daß Meinungsverschiedenheiten in Sachen Subsidiarität vorzugsweise im Rahmen der normalen politischen Arbeit der Institutionen, auf Grundlage der Interinstitutionellen Vereinbarung von 1993, beigelegt werden sollten, ohne natürlich einen möglichen Gang vor den Gerichtshof ausschließen zu wollen.

Ebenso wie das Europäische Parlament hat die Kommission im Rahmen der Regierungskonferenz, wie Sie ja wissen, auch keine Revision des Artikel 3 b gefordert. Wir sind mit Artikel 3 b zufrieden und halten es für das wichtigste, daß alle Institutionen ihn auch wirklich anwenden.

Ich würde die Gelegenheit gern nutzen – wenn Sie gestatten –, um die Haltung der Kommission zu einigen Punkten, die hier erwähnt wurden, zu präzisieren. Was unsere Berichte mit der Überschrift „Eine bessere Rechtsetzung” betrifft, möchte ich Sie vor allem beruhigen. Die Kommission vermischt keineswegs die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit mit den technischen Instrumenten, die dazu dienen, das Gemeinschaftsrecht einfacher, klarer und zugänglicher zu machen, d.h. mit der Vereinfachung und Kodifikation. Die Kommission unterscheidet klar zwischen diesen verschiedenen Begriffen und verwechselt oder vermischt sie in keiner Weise.

Der Ansatz der Kommission ist ein rein praktischer Ansatz. Die gemeinschaftliche Rechtsetzung ist eine Einheit, und es empfiehlt sich eine Gesamtschau all dessen, was zu dem beiträgt, was wir „eine bessere Rechtsetzung” nennen. Die Kommission hat sich zur Anwendung des Subsidiaritätsprinzips bekannt, und Sie wissen, wie sehr sie das befolgt hat. Aber es ist natürlich immer möglich, noch zu verbessern, und besonders in den Bereichen, die der Bericht von Frau Palacio behandelt. Zum Beispiel stellt sich der Kommission in der Tat die Aufgabe, alles zu intensivieren, was die Abschätzung der Folgen vorgeschlagener Aktionen betrifft. Sie hat bereits Vorkehrungen in diesem Sinne getroffen und beabsichtigt, sie in die Praxis umzusetzen und so weit wie möglich zu modernisieren.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der die vorherige Konsultation durch Grünbücher und Weißbücher betrifft. Es ist offensichtlich, daß sie in Zukunft in konkreterer, spezifischerer Form durchgeführt werden muß, um auch weiterhin angebracht zu sein. Folglich möchte ich Frau Palacio sagen, daß wir uns dessen bewußt sind und die Anmerkungen in ihrem Bericht dazu sorgsam zur Kenntnis nehmen.

Uns scheint freilich – und es handelt sich dabei um eine Praxis, die im Laufe der letzten Jahre, besonders in den zurückliegenden zwei oder drei Jahren verfolgt wurde –, daß wir heute, verglichen mit der früher herrschenden Praxis, Rechtsakte direkt zu erlassen, durch die Grünbücher und Weißbücher immer mehr dazu übergehen, die Gesellschaft zu konsultieren. Das Grünbuch ist letztlich nichts anderes als eine Befragung. Bei manchen Themen mußten wir sie sogar zweimal durchführen: Wir haben eine Konsultation durchgeführt, waren mit den Antworten, die wir erhalten haben, nicht zufrieden und haben ein neues Grünbuch verfaßt. Wir verbringen beispielsweise schon geraume Zeit mit dem Thema Pluralismus und Medienkonzentration. Warum? Weil wir immer noch keine klare Vorstellung davon gewonnen haben, was der Sektor will und was die Gesellschaft will. Das heißt also, daß die Sache heute anders angegangen wird als in der Vergangenheit. Früher schritt man direkt zur Rechtsetzung. Heute bemühen wir uns, genauer zu erfahren, welche Standpunkte es gibt. Doch ich möchte betonen, daß wir auf jeden Fall die Anmerkungen von Frau Palacio sorgfältig zur Kenntnis nehmen und sie in die Praxis umsetzen werden.

Es gibt noch einen Punkt, bei dem ich Frau Palacio für ihre Wachsamkeit danken möchte, doch möchte ich sie auch beruhigen, was die Rahmenrichtlinien betrifft. Die Rahmenrichtlinien sind bekanntlich ein vom Europäischen Rat in Edinburgh empfohlenes Subsidiaritätsinstrument, zu dem die Kommission in bestimmten, spezifischen Fällen greift, und es verstößt nicht gegen die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts, wenn es in Situationen benutzt wird, die das rechtfertigen. Ich möchte Frau Palacio sagen, daß die Kommission genau darüber wacht.

Zuletzt möchte ich mich noch für alle Äußerungen der Berichterstatterin zu den Fortschritten bedanken, die die Kommission im Bereich der informellen Konsolidierung erzielt hat.

Alles in allem bleibt die Kommission der Überzeugung, daß eine adäquate Inanspruchnahme des Subsidiaritätsprinzips eine geeignete Rechtsetzung auf der angemessenen Ebene – im Sinne der Äußerungen, wie sie zum Beispiel Herr Corbett gemacht hat, die genau in diese Richtung gehen – ermöglicht, all das also, was die Entfernungen zwischen dem Gesetzgeber und dem Bürger verringert.

  Die Präsidentin . – Vielen Dank, Herr Kommissar!

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.


6. Änderung der Geschäftsordnung des EP (Verhaltenskodex für Interessenvertreter)

  Die Präsidentin . – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht (A4‐0107/97) von Herr Ford im Namen des Ausschusses für Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Fragen der Immunität über den Verhaltenskodex für Interessenvertreter.

  Ford (PSE), Berichterstatter. – Frau Präsidentin, die Abgeordneten werden sich daran erinnern, daß wir meinen Bericht über die Interessenvertreter zum ersten Mal im Januar 1996 erörtert haben. Die Sozialistische Fraktion und die Christdemokraten verweigerten damals zum größten Teil ihre Zustimmung, und so wurde der Bericht an den Ausschuß zurückverwiesen. Die öffentliche Reaktion darauf, daß es uns mißlungen war, Regelungen aufzustellen, war sehr negativ, deshalb legte ich für Juli 1996 einen neuen, geänderten Entwurf vor, der einigen der Überlegungen und Anliegen, die die Mitglieder zu dem ursprünglichen Bericht vorgebracht hatten, Rechnung trug und von diesem Hause, wenn ich mich recht entsinne, mit nur einer einzigen Gegenstimme angenommen wurde.

Es handelte sich dabei im wesentlichen um ein Rahmendokument, das noch mit Inhalt gefüllt werden mußte, und es wurde vereinbart, daß noch mindestens drei weitere Berichte folgen sollten, der erste über einen Verhaltenskodex, nämlich der Text, den wir heute vor uns haben, ein zweiter über die Kontrolle der Interessengruppen, den mein Kollege, Herr Spiers, ausarbeitet und der zur Zeit im Ausschuß für Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Fragen der Immunität erörtert wird, und einen dritten Bericht über parlamentarische Assistenten, den Herr Lehne erstellt und der ebenfalls zur Zeit im Ausschuß für Geschäftsordnung zur Diskussion steht. Vor uns liegt also der erste dieser drei Berichte zur Weiterentwicklung des Berichts, der im Juli 1996 verabschiedet wurde.

In diesem Zusammenhang bin ich versucht, ebenso zu sprechen wie der falsche Doktorand, der, als er zur Erläuterung seiner Dissertation aufgefordert wurde, sagte: ”Sie versteht sich von selbst”, aber ich werde dieser Versuchung nicht vollends erliegen. Die Hauptteile wurden vom Ausschuß für Geschäftsordnung fast einstimmig angenommen. Hierin heißt es, daß die Interessenvertreter ihr Interesse bzw. das von ihnen vertretene Interesse gegenüber Mitgliedern des Parlaments, ihren Mitarbeitern oder Beamten des Organs offenlegen sollen, daß sie sich bei Geschäften mit Dritten nicht auf eine formelle Beziehung zum Parlament berufen dürfen, daß sie Kopien von Dokumenten, die beim Parlament beschafft wurden, nicht mit Blick auf einen Vorteil an Dritte verbreiten dürfen und daß sie die Bestimmungen von Anlage I Artikel 2 Absatz 2 strikt einhalten müssen, wonach die Mitglieder keine Geschenke annehmen dürfen – d. h. daß Interessenvertreter Mitgliedern von nun an keinerlei Geschenke mehr anbieten dürfen. Die Interessenvertreter müssen auch sicherstellen, daß jede Hilfeleistung im Rahmen dieser Bestimmungen in das entsprechende Register eingetragen wird. Es liegt ein Änderungsantrag von Herrn Donnelly hierzu vor, dem ich wohl zustimmen werde, um diese Bestimmung hieb‐ und stichfest zu machen, aber sie bürdet ihnen trotzdem ein gewisses Maß an Verantwortung dafür auf, zu gewährleisten, daß ihre Betätigungen ordnungsgemäß erfaßt werden.

Es wird auch gesagt, daß sie bei der Einstellung ehemaliger Beamter der Organe die Bestimmungen des Statuts zu beachten haben. Zur Zeit stellt das Statut diesbezüglich nur eine leere Hülle dar. Es gibt Bestimmungen im Statut, die von bestimmten Gruppen ehemaliger Bediensteter verlangen, daß sie für die Annahme von Arbeitsplätzen in anderen heiklen Bereichen eine Erlaubnis einholen, aber gegenwärtig fällt kein Bediensteter unter diese Kategorie. Dies könnte sich jedoch in Zukunft ändern. Das gleiche gilt für Änderungsantrag 10, in dem wir die Interessenvertreter auffordern, sämtliche Bestimmungen des Parlaments über die Rechte und Befugnisse ehemaliger Mitglieder des Hauses zu beachten, was, so weit ich weiß, von den Quästoren überprüft wird. Es wird auch verlangt, daß ein Interessenvertreter, der den Assistenten eines Abgeordneten beschäftigen will, die Zustimmung des betroffenen Mitglieds einholen muß. Dies erscheint selbstverständlich.

Schließlich wird festgestellt, daß jeder Verstoß gegen den Verhaltenskodex zum Entzug des Ausweises führen kann, der für die betroffene Person und gegebenenfalls für ihr Unternehmen ausgestellt wurde. Nur wenn das Parlament gewillt ist, diese Sanktion zu verhängen, werden wir tatsächlich in der Lage sein, diese Vorschrift durchzusetzen.

Es gibt zwei weitere Änderungsanträge, die morgen wahrscheinlich in diesem Hause auf einigen Widerstand stoßen werden. Zum einen handelt es sich um Änderungsantrag 12, wonach Interessenvertreter alljährlich als Voraussetzung für die Verlängerung ihres Ausweises einen Bericht über ihre Tätigkeiten vorlegen müssen. Es besteht die Besorgnis, daß dies riesige Mengen Papier hervorbringen wird. Ich nehme an, daß es in diesem Hause Gruppen gibt, die dies nicht unterstützen werden. Wenn wir uns dafür aussprechen, würde ich vermutlich den Änderungsantrag von Herrn Ephremidis unterstützen, der fordert, daß die Interessenvertreter angeben, welcherlei besondere Unterstützung sie Mitgliedern gewährt haben; der in diesem Änderungsantrag enthaltene Bezug zu „Geschenken” hingegen ist unangebracht, weil wir bereits gesehen haben, daß Geschenke nach unseren gegenwärtigen Bestimmungen nicht zulässig sind.

Der letzte Punkt betrifft Änderungsantrag 1, der besagt, daß nur registrierte Assistenten, die ausschließlich als solche arbeiten, unter den gleichen Bedingungen Zugang zum Parlament erhalten wie die Mitarbeiter des Generalsekretariats oder der Fraktionen. Zur Zeit heißt es in unserer Geschäftsordnung, daß die Assistenten der Mitglieder bevorzugten Zugang erhalten. Die Sozialistische Fraktion sähe es gerne, wenn dieses Schlupfloch, das tatsächlich zu einer Situation führt, daß Assistenten von Mitgliedern gleichzeitig für Interessengruppen oder sogar direkt für Interessenvertreter arbeiten können, sofort geschlossen würde, aber ich vermute, daß die PPE es vorzöge, dies in den Bericht Lehne aufzunehmen, der das Thema der Assistenten von Mitgliedern insgesamt behandelt, wenn darüber abgestimmt wird. Fall dies so ist, erwarten wir von der PPE, daß sie dies verbindlich zusagen, sonst schaffen wir nicht etwa ein Hindernis für den Mißbrauch, sondern ebnen diesem geradezu eine Schnellstrecke, indem wir es Interessenvertretern gestatten, das System zu unterlaufen, indem sie unsere eigenen Assistenten für Arbeiten beschäftigen, die wir sie selbst nicht ausführen lassen.

Ich empfehle dem Hause meinen Bericht und hoffe, daß er morgen Unterstützung findet.

  Wibe (PSE).(SV) Ich möchte kurz Ford zu einem sehr guten Bericht gratulieren, und zu dem, was ich für eine bedeutende und dauerhafte Leistung dieses Parlaments halte, daß nämlich jetzt in zwei Berichten Regeln für den Lobbyismus ausgearbeitet worden sind. Wir müssen uns daran erinnern, daß dies eine Frage ist, die viele unserer Wähler tief berührt. Ich halte es nicht für eine Übertreibung zu sagen, daß der ungeregelte Lobbyismus, der in diesem Parlament bisher zugelassen war, unserem Ruf sehr geschadet hat. Ich finde deshalb, das Parlament sollte Ford für die Ausarbeitung dieser Regeln sehr dankbar sein.

Einen Punkt halte ich für besonders wichtig. Er betrifft die Pflicht der Lobbyisten, einen jährlichen Bericht über ihre Tätigkeiten einzureichen. Dieser Punkt ist wichtig, da ich finde, daß Journalisten und Forscher, Herr Wijsenbeek, einen Vorgang im nachhinein nachvollziehen können und sehen müssen, welche Lobbyisten welche Mitglieder beeinflußt haben und dadurch feststellen können, welche Mitglieder möglicherweise einem Druck ausgesetzt waren und welche nicht. In diesem Zusammenhang wäre ich gerne einen Schritt weiter gegangen und hätte Mettens ursprünglichem Vorschlag als ganzem zugestimmt, worin darüber hinaus stand, was in den Jahresberichten enthalten sein soll. Jetzt muß dies von den Quästoren festgelegt werden.

Manchmal kommt man nicht ganz ans Ziel. Aber ich finde, hier haben wir es mit einem sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung zu tun. Meine Gruppe wird mit großer Freude für diesen Bericht stimmen. Wir hoffen auch, daß wir nach den ersten Erfahrungen einen Schritt weiter gehen und Vorschriften aufstellen können, die vielleicht noch eindeutiger sind.

  Donnelly, Brendan (PPE). – Frau Präsidentin, wie mein Vorredner möchte ich zunächst Herrn Ford zu seinem im wesentlichen ausgezeichneten Bericht beglückwünschen. Besonders möchte ich ihm für den konstruktiven und offenen Verlauf der Debatte danken, die er in unserem Ausschuß für Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Fragen der Immunität geleitet hat. Der Bericht, den er unterbreitet hat, spiegelt im großen und ganzen die Schlußfolgerungen dieses Ausschusses wider.

Völlig korrekt hat Herr Ford – auch zu seinen telepathischen Fähigkeiten gratuliere ich ihn – zwei Änderungsanträge vorausgesagt, die uns Schwierigkeiten bereiten. Ich meine die Änderungsanträge 1 und 12. Im Hinblick auf Änderungsantrag 1 betreffen unsere Bedenken hauptsächlich das Verfahren. Unserer Ansicht nach handelt es sich hier um einen etwas komplizierten Bereich, den man eingehender betrachten sollte. Herr Lehne wird einen Bericht vorlegen, und ich möchte diese Gelegenheit wahrnehmen, um zu betonen, daß ich das von Herrn Ford dargelegte Problem durchaus erkenne. Es gibt Leute, die weder Fisch noch Fleisch sind, weder bloß Assistenten noch Leute, die als Dritte und Interessenvertreter anzusehen sind. Es gibt ein Problem, und wir sollten mit Herrn Lehne und im Ausschuß daran arbeiten, daß dieses Problem aus der Welt geschafft wird.

Die zweite Frage ist inhaltlicher. Sie betrifft Änderungsantrag 12. Wir haben uns hiermit bereits befaßt und im letzten Jahr beschlossen, daß wir diese doppelte Buchführung nicht haben wollen. Wir wollen nicht sowohl von den Mitgliedern als auch von Dritten Berichte erhalten. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei hegt weiterhin Vorbehalte gegen diese Idee. Sie könnte im Vergleich zu jedwedem eventuell entstehenden politischem Nutzen unverhältnismäßig sein, und überdies habe wir das Gefühl, daß dem Änderungsantrag 12 der Gedanke zugrunde liegt, daß Kontakte zwischen Mitgliedern und Dritten etwas so Verdächtiges, fast von Grund auf Schäbiges sind, daß sie möglichst streng verfolgt und überwacht werden müssen. Wir teilen diese Sichtweise nicht, und wir sind vollkommen zufrieden damit, daß nur Mitgliedern Pflichten auferlegt werden und nicht Dritten.

Vorbehaltlich dieser Bedenken empfehlen wir dem Hause den Bericht von Herrn Ford und werden allen in seinem Bericht enthaltenen Änderungsanträgen außer den Nummern 1 und 12 zustimmen.

  Wijsenbeek (ELDR).(NL) Frau Präsidentin, ich gehöre vielleicht zu denjenigen, die seinerzeit hier noch den ersten Interessenvertreter erlebten, der von uns mit Jubel empfangen wurde, denn es bedeutete, daß das Europäische Parlament mitzählte. Als es dann 3.500 waren und Herr Metten nervös wurde, mußte in der Tat etwas geschehen. Damit sind wir im Grunde genommen einverstanden. Mehr noch, wir halten es an sich absolut für richtig, wenn vom Europäischen Parlament Regeln festgelegt werden, durch die das Parlament transparenter gestaltet wird. Damit sind wir wohl alle einverstanden und können Herrn Ford dazu beglückwünschen.

Andererseits sollte klar gesagt werden, daß wir gemeinsam überzeugt sein müssen, daß wir unsere Arbeit nicht durchführen können, wenn wir nicht durch verschiedene Interessenorganisationen über die Lage, wie sie in den einzelnen Mitgliedstaaten besteht, nähere Informationen und genauere Angaben erhalten. Noch heute haben wir den Bericht von Frau Mosiek‐Urbahn zurücküberwiesen, da es darin um eine komplizierte technische Materie ging, deren Konsequenzen von uns als einfachen Abgeordneten nicht voll übersehen werden können.

Ich möchte einige Bemerkungen anbringen. Erstens, wir sind mit den Christdemokraten bezüglich des Änderungsantrags 1 einverstanden. Zweitens, Änderungsantrag 4 ist meines Erachtens ganz einfach beleidigend. Es handelt sich hier um eine Bestimmung nach Art des „Thou shalt not commit sin”, und in einem Bericht des Europäischen Parlaments ist eine solche Bestimmung in dieser Form nicht möglich.

Auch mit dem Änderungsantrag 12 sind wir nicht einverstanden. Wir geben eigentlich Änderungsantrag 14 den Vorzug. In Änderungsantrag 12 geht es um jenen jährlichen Bericht, der jedoch völliger Unsinn und überflüssig ist und viel zu viel Arbeit bedeutet.

  Ephremidis (GUE/NGL).(EL) Frau Präsidentin! Das Thema, mit dem sich dieser Bericht auseinandersetzt, ist in der Tat von großer Bedeutung, jedoch gleichzeitig auch sehr schwierig, was im übrigen auch für die ihn ergänzenden und weiter ausgestaltenden Vorlagen gilt, die vom zuständigen Ausschuß noch zu behandeln sind. Die Schwierigkeit zeigt sich darin, daß diese Frage seit 1994 erörtert wird, wobei es im Januar 1996 zu dem bekannten Vorfall kam, daß nämlich der damalige Bericht von Herrn Ford auf Beschluß des Parlaments zurück überwiesen wurde. Heute kommt sie nun ins Plenum zurück.

Natürlich müssen wir die Angelegenheit mit außerordentlichem Verantwortungsbewußtsein erörtern, denn, ob wir es wollen oder nicht, es gibt Kräfte, die in voller Absicht oder auch durch Unachtsamkeit kollektive Institutionen, zu denen das Parlament gehört, und deren Mitglieder, z.B. die Abgeordneten, mit Behauptungen ins schiefe Licht setzen, sie würden auf diese oder jene Weise durch Geschenke oder finanzielle Zuwendungen von Interessenvertretern beeinflußt werden. Dem muß entschieden und durch klare Regeln begegnet werden. Obwohl ich die Bemühungen von Herrn Ford und des Ausschusses, dessen Mitglied ich bin, zu schätzen weiß, habe ich jedoch angesichts dieser Sachlage den Eindruck, daß der heutige Bericht nicht weit genug geht, um überzeugen zu können.

Ich möchte dazu nur zwei Bemerkungen machen. Erstens legen wir Regeln für bestimmte Lobbies fest, nämlich für spezielle, offensichtlich wirtschaftliche Interessensvertreter, die Zugang und eine Vorzugsbehandlung erhalten. Zwar gibt es diesbezüglich sehr viele Vorsichtsmaßregeln, dennoch besteht für sie eine Vorzugsbehandlung, während es gesellschaftliche Gruppen von Arbeitnehmern und anderen Bevölkerungsschichten gibt, denen diese Vorzugsstellung, diese Möglichkeit des „Kommens und Gehens” und des Gesprächs mit den Organen bzw. den Abgeordneten selbst nicht zuteil wird. Sie müssen folglich diese Lobbies mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen, obwohl es sich häufig um Lobbies handelt, die Gruppen mit entgegengesetzten Interessen angehören. Diese Ungleichbehandlung besteht also.

Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf den Änderungsantrag 8, der offensichtlich angenommen wird und den ich nachdrücklich ablehne, Frau Präsidentin! Er rückt das Parlament, die Abgeordneten und auch den Bericht in ein schiefes Licht. Ich zitiere: ”Jede erhaltene Hilfeleistung” – eine elegante Ausdrucksweise! – ”ist von dem betreffenden Abgeordneten zu melden”. Das Problem besteht nicht darin, daß ich etwas melde oder nicht melde, sondern darin, daß ich ein Geschenk in Form einer Sache, in Form von Geld oder Dienstleistungen annehme, und daran ändert eine Meldung nichts, denn der Makel der Bestechlichkeit bleibt.

Da auch ich einen Änderungsantrag eingereicht habe, Frau Präsidentin, möchte ich ihn kurz erläutern. Es geht mir dabei konkret um folgende Frage: Welche Art von Hilfeleistugn können Abgeordnete von Lobbies und anderen in Anspruch nehmen? Ich denke an Daten, Argumente, Informationen und nicht an Geschenke, Gefälligkeiten oder sonstige materielle Zuwendungen. In diesem Sinne ist mein Änderungsantrag zu verstehen. Sollte er nicht klar sein, ziehe ich ihn zurück.

  Aelvoet (V).(NL) Frau Präsidentin, in Fortsetzung dessen, was von dem Vorredner gesagt wurde, möchte ich darauf hinweisen, daß es sich hier um einen zweiten Bericht und nicht um den ersten Bericht Ford handelt. Der erste Bericht wurde in der Tat zunächst an den Ausschuß zurücküberwiesen; danach wurde er jedoch im Plenum angenommen, und im vorliegenden Fall handelt es sich um eine weitere Ausarbeitung dieses Berichts. Grosso modo sind wir der Ansicht, daß bei der Ausarbeitung eines Verhaltenskodex von Interessenvertretern klare Fortschritte erzielt wurden, daß mehr Klarheit in dem Sinne gefordert wird, daß präzisiert wird, welche Angaben in dem Register erforderlich sind, insbesondere, daß von den Interessenvertretern offenzulegen ist, welche Interessen von ihnen vertreten werden, daß sie sich nicht auf ihre Beziehungen zum Parlament berufen dürfen, um sich von bestimmten Dingen zu befreien, daß sie ferner keine normal öffentlichen Dokumente des Parlaments für ihre eigenen Interessen usw. verkaufen dürfen. Alle diese Punkte sind zweifellos positiv, und sie werden jetzt dank des vorliegenden Berichts von Herrn Ford klar festgelegt.

Nicht zufriedengestellt werden wir dort – und dazu hatten wir im Ausschuß bereits einen Änderungsantrag eingebracht –, wo wir die Ansicht vertraten, daß die ursprünglich auch zwischen dem Bericht Ford und dem Bericht Nordman – in dem es um die Vorteile geht, auf die sich die Abgeordneten berufen können, sowie um die Notwendigkeit, diese Vorteile auch anzugeben und zu erklären – vorgesehene Parallele in bezug auf die Interessenvertreter ebenfalls erforderlich ist. Wir hatten im Ausschuß einen Änderungsantrag in diesem Sinne eingereicht, der jedoch leider nicht angenommen wurde. Daher halten wir es für sehr wichtig, daß der von Herrn Ephremidis und uns im Plenum gemeinsam eingereichte Änderungsantrag durchgebracht wird, damit hinsichtlich der möglichen Geschenke – welcher Art auch immer – solcher Interessenvertreter an Abgeordnete und ihre Mitarbeiter Klarheit besteht. Wenn dieser Änderungsantrag angenommen wird, können wir den Bericht unterstützen; wenn nicht, wird uns eine Unterstützung leider nicht möglich sein.

Natürlich sind wir auch völlig damit einverstanden, was von dem Kollegen Wijsenbeek bemerkt wurde, nämlich daß es etwas absurd ist, in einer Geschäftsordnung eine Formulierung der Art aufzunehmen, daß man sich jeglicher Handlung enthalten müsse, die dazu führen könnte, sich Informationen zu erschleichen. Hier handelt es sich um Forderungen, die derart moralisierend sind, daß damit nichts erreicht wird; für uns ist es jedoch äußerst wichtig, daß der von Herrn Ephremidis und den Grünen eingereichte Änderungsantrag angenommen wird.

  Lambraki (PSE).(EL) Frau Präsidentin! In einer Zeit, in der die Glaubwürdigkeit von Politik und Politikern in allen Ländern der Europäischen Union in Frage gestellt wird, glaube ich, daß der Bericht von Herrn Ford und insbesondere die Bemühungen, die in diesem Bericht zum Ausdruck kommen, nämlich die Funktion und Tätigkeit der Interessensvertreter zu kontrollieren, unser Lob verdienen, und ich bin der Ansicht, daß sie zu einer Verbesserung unser Funktionsweise beitragen werden.

Die Tätigkeit der Interessensvertreter im Europäischen Parlament erweist sich häufig als völlig unkontrolliert, und oft empfand ich Erstaunen und, ich sage es offen, auch Entrüstung darüber, daß die Lobbyisten noch vor uns, den europäischen Abgeordneten, Zugang zu Dokumenten und Informationen haben. Häufig verfügen sie über Unterlagen, die wir erst sehr spät erhalten, und deswegen halte ich den Änderungsantrag 1 für besonders wichtig und möchte die Kollegen aller Fraktionen bitten, ihre Haltung zu diesem Antrag noch einmal zu überdenken. Es genügt nicht zu sagen, daß wir die Tätigkeit und Funktion der Lobbyisten kontrollieren wollen! Es bedarf dafür auch eines entsprechenden Mechanismus, und ich meine, daß der Änderungsantrag 1 ein erster Mechanismus in Richtung Kontrolle der Tätigkeit der Interessensvertreter darstellt.

Natürlich sind wir uns alle darüber im klaren, daß der im Bericht von Herrn Ford zum Ausdruck kommende Versuch das Problem nicht wirksam lösen kann und auch nicht die absolute Transparenz schafft, die wir wohl alle in diesem Saale wünschen. Er ist jedoch ein mutiger Schritt in die richtige Richtung, wobei wir alle nach der Annahme des Berichtes dahin wirken sollten, daß sein Inhalt in unserer täglichen Arbeit im Europäischen Parlament kein toter Buchstabe bleibt.

  Mosiek‐Urbahn (PPE). – Frau Präsidentin, die Vorredner haben bereits ausgeführt, worum es im Ford‐Bericht im einzelnen geht. Der Vorschlag hält die Interessenvertreter zu einer fairen und offenen Haltung an. Eine größere Transparenz in diesem Bereich ist zu wünschen. Die Frage kann dabei nur sein: Welche Mittel sind angemessen?

Der Änderungsantrag 1 gehört in diesem Zusammenhang ganz sicher nicht zu den Regelungen des Verhaltenskodex. Schon formal bezieht er sich auf Artikel 2 und nicht auf Artikel 3, und er sollte im geeigneten Kontext, nämlich dem Lehne‐Bericht, diskutiert werden. Dort können wir uns dann auch mit einer genauen Definition des Mitarbeiters befassen.

Hinsichtlich des Änderungsantrags 12, in dem ein Bericht der Interessenvertreter verlangt wird, möchte ich anmerken, daß dieser Änderungsantrag zum einen nicht klar ist, denn es geht nicht daraus hervor, was berichtet werden soll, und wer dann vor allen Dingen das, was berichtet wird, bewerten soll.

Unabhängig davon habe ich weitere Bedenken gegen diesen Änderungsantrag, denn er gibt einem Dritten nur ein unvollständiges Bild wider. Wenn – wie es eben von Herrn Wibe gefordert wurde – dieser Bericht dazu dienen soll, daß sich zum Beispiel Journalisten darüber informieren, mit wem Kontakte bestanden haben, dann muß man doch sehen, daß diese Information unvollständig ist und deshalb falsch. Ich möchte das Beispiel, das vorhin schon aufgegriffen wurde, noch einmal anführen. Bei dem Bericht betreffend die Aufsicht über Versicherungsgruppen würde dann stehen: Gespräche wurden geführt mit Versicherungsverbänden. Nicht darin steht, daß auch mit den Aufsichtsämtern, mit der Kommission und mit den Regierungsvertretern gesprochen wurde. Erst die Nennung all dieser verschiedenen im weitesten Sinne Interessenvertreter würde ein vollständiges und korrektes Bild liefern.

Auch aus diesem Grunde scheint mit dieser Änderungsantrag nicht angemessen. Es ist mir aber ein Anliegen, generell darauf hinzuweisen, daß durch die hier durchgeführte Debatte in der Öffentlichkeit ein schiefes Bild entstanden ist. Wir brauchen die Interessenvertreter, um uns über die verschiedenen Facetten der verschiedenen Problemkreise vollständig informieren zu können, und diese Zusammenarbeit muß sich im Rahmen einer transparenten, für jedermann nachvollziehbaren Zusammenarbeit vollziehen. Die Beachtung des Verhaltenskodex wird dies unterstützen.

VORSITZ: DAVID W. MARTIN
Vizepräsident

  Der Präsident . – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.


7. Änderung der Geschäftsordnung des EP
l 116)

  Der Präsident . – Als nächstes steht der Bericht (A4‐0089/97) von Herrn Brendan Donnelly im Namen des Ausschusses für Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Fragen der Immunität über die Änderung von Artikel 116 der Geschäftsordnung über getrennte Abstimmung auf der Tagesordnung.

  Donnelly, Brendan (PPE), Berichterstatter. – Herr Präsident, lassen Sie mich als erstes feststellen, daß ich morgen vor der abschließenden Abstimmung beantragen werde, meinen Bericht an den Ausschuß zurückzuverweisen. Es wurden einige neue Details und Argumente vorgebracht, und ich persönlich wäre zwar glücklich gewesen, wenn morgen über den Bericht abgestimmt würde, aber es herrscht allgemeines Einvernehmen darüber, daß wir ihn nach der Debatte, in deren Verlauf sich hoffentlich einige hilfreiche Hinweise ergeben, wie er, wenn überhaupt, verbessert werden kann, zurückverweisen sollten.

Mein Vorschlag in diesem Bericht ist recht einfach, nämlich daß es künftig nicht mehr möglich sein soll, im Plenum über Änderungsanträge nach einzelnen Teilen getrennt abzustimmen.

Diesen Vorschlag habe ich aus drei Gründen unterbreitet, einem verwaltungstechnischen, einem philosophischen und einem politischen. Der verwaltungstechnische Grund ist eine Frage der Zeitersparnis. In diesem Parlament stimmen wir zuviel und auf falsche Art und Weise ab. Mit meinem Vorschlag verbinde ich die Hoffnung, Zeit einzusparen und die Abstimmungen, die stattfinden, transparenter zu machen. Wir haben über Subsidiarität gesprochen, darüber, daß weniger, aber bessere Rechtsvorschriften erlassen werden sollen. Vielleicht spricht aus meinem Vorschlag die gleiche Grundtendenz, nämlich weniger abzustimmen, aber besser abzustimmen.

Ein oder zwei Kollegen haben mir angedeutet, mein Vorschlag werde die auf Abstimmungen verwendete Zeit nicht verkürzen. Es könne einfach so kommen, daß jeder mehr Änderungsanträge stelle, um sämtliche im Laufe einer Debatte möglicherweise aufkommenden Möglichkeiten abzudecken. Das möchte ich eher bezweifeln. Zur Zeit, nach unserem gegenwärtigen System, ist es doch so, daß kurz vor der Abstimmung alle Koordinatoren in den einzelnen Fraktionen die scharfsinnigen Vorschläge ihrer Kollegen aus den anderen Fraktionen betrachten und sich dann fragen: Können wir den ersten drei Wörtern von Änderungsantrag Nummer 3 zustimmen? Zu den nächsten drei Wörtern wollen wir uns enthalten, und an der Abstimmung über die letzten drei Wörter werden wir uns dann nicht beteiligen. Dies ist eine Art Glasperlenspiel, das sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und verwaltungstechnisch verkürzt werden kann.

Mein zweiter Grund ist ein eher philosophischer und systematischer. Es ist nicht Aufgabe des Plenums, zu einem Redaktionsausschuß mit 626 Mitgliedern zu werden. Die Arbeit und die Rolle der Ausschüsse sollte darin bestehen, dafür zu sorgen, daß wir, wenn wir ins Plenum kommen, nicht einfach wiederholen, was im Ausschuß erledigt worden sein sollte.

Vielleicht könnte ich in diesem Zusammenhang Sie, Herr Präsident, und Ihre Kollegen über die Vizepräsidenten und den Präsidenten auf Artikel 115 hinweisen, der nicht streng genug angewandt wird. In Artikel 115 wird eindeutig festgestellt, daß die Abstimmung im Normalfall auf der Grundlage einer Empfehlung des federführenden Ausschusses en bloc stattfinden sollte. In Zukunft werde ich – und wird sicherlich auch Herr Fayot als Vorsitzender unseres Ausschusses – ein wenig wachsamer bemüht sein, die Anwendung dieses Grundsatzes zu fördern. Aus eben dieser Erwägung meine ich, wir wären besser beraten, die Arbeit der Ausschüsse nicht einfach ein zweites Mal auszuführen.

Mein dritter Grund ist vielleicht der wichtigste, nämlich der Eindruck und die Wirkung, die wir als Parlament bei den Leuten hinterlassen, die auf der Tribüne sitzen, denen, die uns im Fernsehen zuschauen und unsere Arbeit beobachten. Ich habe – wie vermutlich viele andere Mitglieder auch – mit Gruppen von Wählern, von Akademikern, von Journalisten, von anderen Leuten gesprochen, die in unsere Versammlung gekommen sind und sehr überrascht waren über das, was sie als allzu detailliertes und nuanciertes Abstimmen ansahen, beispielsweise wenn wir über die Einfügung eines bestimmten Worts oder die mögliche Streichung eines bestimmten Satzteils abstimmen, und zwar nicht ein oder zweimal, sondern den ganzen Vormittag lang. Dieses Vorgehen mindert die positive Wirkung, die wir als Parlament erzielen können, ganz erheblich.

Jedes Parlament muß sich Rechenschaft geben über seine internen Verfahren und seine Wirkung auf die Außenwelt. Aber ich meine wirklich, daß wir uns in diesem Parlament – vielleicht aus verständlichen Gründen – zu sehr mit unseren internen Debatten und Verfahren aufhalten und daran unsere Gemüter erhitzen. Wenn wir den von mir gerade vorgeschlagenen Weg weitergehen, verlieren wir womöglich einige Nuancen, die dem einen oder anderen Koordinator, vielleicht sogar allen Koordinatoren sämtlicher Fraktionen besonders am Herzen liegen. Der Lohn aber, den wir erzielen würden, wenn wir meinem Vorschlag folgen, wäre, daß wir ein transparenteres, leichter verständliches Verfahrenssystem bekämen, und so würde es leichter, diejenigen, die uns zusehen, davon zu überzeugen, daß wir bemüht sind, eine positive Wirkung für ihr Wohlergehen und die politischen und sozialen Umstände zu erzielen, anstatt uns völlig nach innen gekehrt nur mit unseren Verfahren zu befassen.

Angesichts der Reaktion einiger Kollegen ist dies offensichtlich eine Idee, die der Verfeinerung bedarf. Aber ich habe mit diesem Vorschlag die Absicht verfolgt, ein politisches Zeichen zusetzen, daß dies ein Parlament ist, welches der Außenwelt offensteht, eben ein eher nach außen als nach innen orientiertes Parlament. Ich stehe selbstverständlich zu dieser Absicht und hoffe, der Ausschuß für Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Fragen der Immunität wird in der Lage sein, diese Absicht entweder im Rahmen meines Berichts oder in anderer Form auszufeilen und umzusetzen, so daß wir die Frage der Abstimmungen über Änderungsanträge und generell der Abstimmungen in diesem Parlament insgesamt betrachten können.

  Fayot (PSE), Vorsitzender des Ausschusses für Geschäftsordnung. – Herr Präsident, jeder in diesem Parlament beklagt sich über die langen Abstimmungssitzungen, wo zahlreiche Abgeordnete manchmal abstimmen, ohne genau zu wissen worüber, wobei sie brav die Weisungen ihrer Fraktion befolgen. Der Ausschuß für Geschäftsordnung hat sich manches Mal mit diesem Problem der Dauer der Abstimmungen befaßt, das reichlich Beschwerden seitens unserer Kollegen hervorruft.

Das Kapitel 14 unserer Geschäftsordnung ist folglich eines der wichtigsten, und Sie erinnern sich sicherlich daran, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung mehrere Vorschläge unterbreitet hat, um die Abstimmungssitzungen zu entlasten. Lassen Sie mich beispielsweise, um auf Herrn Donnelly zu antworten, darauf hinweisen, daß unser Ausschuß beim Präsidenten oft nachdrücklich die Anwendung von Artikel 114 gefordert hat. Ich denke da insbesondere an die Abstimmungsempfehlung des Vorsitzenden des federführenden Ausschusses und des Berichterstatters an das Plenum und selbstverständlich auch an die Abstimmung en bloc. Leider waren diese Empfehlungen vergebliche Liebesmühe. Auf die Bedeutung dieses Artikels 114 muß nachdrücklich hingewiesen werden.

Der Bericht von Herrn Donnelly bezieht sich also auf die getrennte Abstimmung, das heißt, auf Artikel 116. Ich möchte Herrn Donnelly zu seiner Überlegungs‐ und Überzeugungsarbeit gratulieren, die er im Ausschuß für Geschäftsordnung geleistet hat, der seinen Bericht weitgehend befürwortet hat. Wenn wir übereinkommen, diesen Bericht vor der Abstimmung an den Ausschuß zurückzuverweisen, dann sollten gewisse Dinge klargestellt werden. Herr Donnelly schlägt zwei Dinge vor. Das erste ist unbestreitbar: Es handelt sich um die Frist für den Antrag auf getrennte Abstimmung. Das zweite betrifft das Verbot der getrennten Abstimmungen über Änderungsanträge. Wenn man eine getrennte Abstimmung über einen Änderungsantrag beantragt, stellt man eigentlich einen neuen Änderungsantrag, man stellt einen Änderungsantrag zu den Änderungsanträgen. Während aber diejenigen, die Änderungsanträge stellen, ein ganzes Verfahren befolgen müssen, stellt der Antrag auf getrennte Abstimmung gewissermaßen eine Bequemlichkeitslösung dar. Die Abgeordneten werden dann aufgefordert, über Satzteile, die von Sprache zu Sprache anders ausfallen, abzustimmen, und sind oft nicht in der Lage, die Bedeutung dessen, worüber sie abstimmen, genau zu verstehen.

Ich glaube persönlich nicht, daß der Vorschlag von Herrn Donnelly eine Vervielfachung der Änderungsanträge zur Folge haben wird, wie dies Frau Oomen‐Ruijten in ihrem Redebeitrag im Namen der PPE‐Fraktion behauptet hat. Sicherlich muß man einem Parlament alle denkbaren Ausdrucksmöglichkeiten zugestehen, aber auf vernünftige und vor allem voraussehbare Art und Weise. Genau dies schlägt Herr Donnelly wohl vor, wenn ich die Dinge richtig verstanden habe; andere Vorschläge habe ich nicht gehört, und ich sehe zur Zeit keine anderen Lösungen. Aber wir können immer noch weiter danach suchen, sofern das Parlament dies wünscht.

  Wijsenbeek (ELDR). – Herr Donnelly tut mir leid, denn er hat offenbar eine Fraktionsvorsitzende, die hin und wieder zu früh denkt oder spricht und hin und wieder auch zu spät. Herr Präsident, ich muß sagen, daß ich der Rückverweisung dieses Berichts zugestimmt habe, weil ich finde, daß es vernünftig ist, diesen Bericht im Zusammenhang mit der Überprüfung unseres Verhaltens im Plenum zu sehen. In dieser Hinsicht ist das meiner Ansicht nach recht sinnvoll, und ich freue mich sehr darauf, in Zusammenarbeit mit Herrn Donnelly so weit zu kommen, daß wir, wenn mein Bericht über die Revision des Plenums zur Sprache kommt, einerseits den Änderungsantrag auf Streichung wieder aufnehmen können, denn eigentlich ist die getrennte Abstimmung ein Änderungsantrag auf Streichung, wenn auch in getarnter Form. Andererseits unterstütze ich ihn in dem Bestreben, der Idiotie Einhalt zu gebieten, die in diesem Parlament gegenwärtig um sich greift, nämlich über jedes Wort und über bestimmte Absätze einzeln abzustimmen. Was dies anbelangt, sehe ich also der Fortsetzung der Debatte entgegen und hoffe, daß wir die erste Sprecherin für Plenumsangelegenheiten von Herrn Donnellys Fraktion rechtzeitig vom Nutzen seines Berichts überzeugen können.

(NL) Ich muß sagen, daß ich der Rücküberweisung des vorliegenden Berichts an den Ausschuß deswegen zugestimmt habe, weil dieser Bericht im Zusammenhang mit der Änderung unseres Verhaltens im Plenum gesehen werden sollte. Diesbezüglich halte ich es für absolut richtig – und ich bin darüber sehr erfreut –, daß ich in Zusammenarbeit mit Herrn Donnelly soweit kommen kann, daß, wenn mein Bericht über Änderungen im Plenum zur Sprache gebracht wird, einerseits der Änderungsantrag auf Streichung wieder aufgenommen werden kann, denn eine getrennte Abstimmung ist in Wirklichkeit ein Änderungsantrag auf Streichung, allerdings in versteckter Form. Andererseits unterstütze ich Herrn Donnelly darin, daß er jene Unsinn reduziert, der jetzt in unserem Parlament um sich gegriffen hat, nämlich, daß über jedes Wort und über bestimmte Ziffern getrennt abgestimmt wird. Ich sehe also der Fortsetzung der Aussprache mit Interesse entgegen und hoffe, daß wir die erste Wortführerin der Fraktion von Herrn Donnelly rechtzeitig von der Nützlichkeit seines Berichts überzeugen können.

  Donnelly, Brendan (PPE), Berichterstatter. – Herr Präsident, ich möchte eine falsche Anspielung korrigieren, die ich gerade eben in bezug auf einen Artikel gemacht habe. Ich habe von Artikel 115 gesprochen, habe jedoch, wie Herr Fayot richtig gesagt hat, in Wirklichkeit Artikel 114 gemeint. Ich hoffe, dies kann in den Aufzeichnungen berichtigt werden. Außerdem möchte ich erklären, daß die Frage der Haltung der PPE zu meinem Bericht in der Fraktion eingehend erörtert worden ist. Es wäre unfair, unterschwellig zu behaupten, es habe sich bloß um einen persönlichen Scherz von Frau Oomen‐Ruijten gehandelt.

  Der Präsident . – Es ist erfreulich zu hören, daß Frau Oomen‐Ruijten manchmal Anweisungen befolgt.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.(1)

(1) Tagesordnung für die nächste Sitzung: siehe Protokoll.

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