1. Ergebnisse des Europäischen Rates vom 15./16.Oktober in Tampere
Die Präsidentin. – Nach der Tagesordnung folgen der Bericht des Europäischen Rates und die Erklärung der Kommission zu den Ergebnissen des Europäischen Rates vom 15./16. Oktober in Tampere.
Ich freue mich sehr, nun Herrn Lipponen, dem amtierenden Ratspräsidenten, das Wort erteilen zu dürfen.
Lipponen,Präsident des Europäischen Rates. – (FI) Frau Präsidentin, sehr geehrte Mitglieder des Europäischen Parlaments! Es ist mir eine Freude, zum ersten Mal als Ministerpräsident Finnlands hier vor dem Europäischen Parlament sprechen zu dürfen. Ich möchte Sie zu Ihrer Wahl beglückwünschen und dem neuen Parlament viel Erfolg für seine Arbeit wünschen. Wie kürzlich bei einem Treffen mit der Präsidentin treffend bemerkt wurde, ist mit dem neuen Parlament, mit der neuen Kommission und vor allem mit der neuen Präsidentin nunmehr eine verbesserte institutionelle Konstellation geschaffen worden, die die Möglichkeit für einen Neuanfang bietet.
Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, für Ihre Ausführungen, die Sie im Namen des Parlaments zu Beginn der Tagung in Tampere an den Europäischen Rat richteten. Ich glaube, daß sich angesichts der in Tampere gefaßten Beschlüsse die Erwartungen des Parlaments an den Rat voll und ganz erfüllt haben. Der Europäische Rat stimmte sowohl den politischen Leitlinien als auch praktischen Maßnahmen zu, die der im Amsterdamer Vertrag vorgesehenen Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Union dienen sollen.
Meines Erachtens stellen die Ergebnisse von Tampere sowohl hinsichtlich der Erwartungen der Bürger als auch für die Entwicklung der Union in vieler Hinsicht einen Erfolg dar. Natürlich kann man nicht sämtlichen Erwartungen umfassend gerecht werden, dennoch ist erfreulicherweise festzustellen, daß selbst Nichtregierungsorganisationen wie der Europäische Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen die Beschlüsse von Tampere begrüßt haben. Die UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Frau Sadako Ogata, rief mich nach der Konferenz an und äußerte sich im Namen des UNHCR zufrieden über die Ergebnisse von Tampere. Ich konnte Frau Ogata versichern, daß wir bei der Umsetzung der Beschlüsse auch weiterhin auf die bewährte Zusammenarbeit mit dem UNHCR setzen.
Tampere war in vielerlei Hinsicht für die Europäische Union wichtig. Der Europäische Rat hat die Umsetzung des Vertrages von Amsterdam konkretisiert und vorangetrieben. In Tampere erfuhren die Fragen der Bereiche Justiz und Inneres eine Behandlung auf der höchsten politischen Ebene der europäischen Zusammenarbeit. Auf der Tagung wurde ein bedeutender Schritt nach vorn getan bei der Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und zur Beseitigung von Hindernissen in der Zusammenarbeit u. a. der Polizei- und Justizbehörden. Indem gemeinsame Sorgen und Mängel in der Zusammenarbeit aufgegriffen wurden, zeigten die EU-Mitgliedstaaten ihre Entschlossenheit, sich in ihrer Arbeit verstärkt den Anliegen der Bürger zu widmen. Die Union festigte in Tampere die Grundlagen für die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, deren wesentlicher Bestandteil die Achtung internationaler Menschenrechtsverträge und die Anerkennung rechtsstaatlicher Prinzipien und staatsbürgerlicher Freiheiten sind.
Der Europäische Rat nannte als Endergebnis zehn Meilensteine, auf die ich an dieser Stelle kurz eingehen möchte.
Tampere war ein wichtiger Schritt in Richtung einer gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik in der Union. Als Ausgangspunkt betonte der Europäische Rat, daß die Bereiche Asyl und Migration, trotz ihrer Verschiedenheit, eng miteinander verbunden sind. Den ersten Meilenstein von Tampere bildet somit die Entwicklung einer allumfassenden gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik der EU. Wichtigster Punkt dabei ist, gemeinsam mit den Herkunftsländern auf die Gründe, die zur Emigration führen, Einfluß zu nehmen. Der Europäische Rat zeigte sich sehr zufrieden mit der Arbeit, die die Hochrangige Gruppe bei der Ausarbeitung von Aktionsplänen zur Einflußnahme auf die Einwanderungsursachen geleistet hat. Hier sind insbesondere die vielfältigen Instrumente der Union in der Außen- und Menschenrechtspolitik, bei der Entwicklungszusammenarbeit und in Sachen Handelspolitik sowie die Vermeidung von Konflikten gefragt. Die Gruppe wurde mit der Ausarbeitung weiterer Aktionspläne beauftragt.
Wir sind übereingekommen, auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem hinzuwirken. Diesen Beschluß halte ich persönlich für einen der wichtigsten der Konferenz von Tampere. Der Europäische Rat hat sich sehr deutlich für ein Asylrecht ausgesprochen und möchte für das Europäische Asylsystem die uneingeschränkte und allumfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention verbindlich festlegen. Darüber hinaus bekannte man sich zur Anwendung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung, wodurch sichergestellt wird, daß niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo ihm Verfolgung droht.
Der Aufbau eines Gemeinsamen Asylsystems braucht natürlich Zeit. Die Kommission wird jedoch ersucht, bereits binnen eines Jahres einen Vorschlag zur Schaffung eines gemeinsamen Asylverfahrens und eines unionsweit geltenden einheitlichen Status für Asylbewerber auszuarbeiten. Durch die Umsetzung der Beschlüsse von Tampere ließe sich die wirksame und gerechte Anwendung des Asylsystems in Europa entscheidend verbessern. Ein bedeutender Erfolg von Tampere ist die Zielsetzung, Drittstaatsangehörigen, die legal in den EU-Mitgliedstaaten leben, vergleichbare Rechte und Pflichten wie den EU-Bürgern zuzuerkennen. Insbesondere sollte die Rechtsstellung der sich für längere Zeit in den Mitgliedstaaten aufhaltenden Drittstaatsangehörigen verbessert werden, beispielsweise indem ihnen das Recht auf Aufenthalt, das Recht auf Bildung, auf Beschäftigung sowie auf Ausübung des Berufes gewährt wird.
Auch ist es Aufgabe der Union, einige ihrer wichtigsten Werte, die sich gegen Intoleranz und Ausgrenzung richten, zu verteidigen. Dies ist sicherlich auch heute im Europäischen Parlament als ein wichtiges Thema anzusehen. Der Europäische Rat betont mit Nachdruck die Forderung, verstärkt gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufzutreten, und fordert seine Mitgliedstaaten auf, auf nationaler Ebene Gegenmaßnahmen zu treffen und diesbezüglich nationale Programme auszuarbeiten.
Wichtige Beschlüsse wurden zur Bewältigung der Migrationsströme gefaßt. Vereinbart wurden Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und des Schlepperunwesens. Menschenhandel und wirtschaftliche Ausbeutung der Zuwanderer werden strenger bestraft, und die Mitgliedstaaten arbeiten enger als bisher bei der Zerschlagung krimineller Netze mit EUROPOL zusammen. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, daß es dabei ebenfalls um die Wahrung der Rechte der Opfer von Verbrechen geht, wobei insbesondere die Probleme von Frauen und Kindern zu berücksichtigen sind. Die Zusammenarbeit der Grenzkontrollbehörden der Mitgliedstaaten und mit den entsprechenden Behörden der beitrittswilligen Länder sollte unter anderem im Rahmen von Austauschprogrammen und durch Technologietransfer verbessert werden. In diesem Zusammenhang wird angesichts der EU-Erweiterung auf die Bedeutung des Schengener Abkommens und einer effizienten Kontrolle der künftigen Außengrenzen der Union durch ausgebildete Fachkräfte verwiesen.
In Tampere wurden ebenfalls praktische Maßnahmen zur Schaffung eines echten Europäischen Rechtsraumes vereinbart. Wir beschlossen die Einrichtung eines leicht zugänglichen und fortlaufend zu aktualisierenden Informationssystems, das den Bürgern als Informationsquelle zu den Rechtsordnungen der anderen Mitgliedsstaaten zur Verfügung steht. Auf Antrag der Kommission sind Mindeststandards zur Gewährleistung eines angemessenen Niveaus der Prozeßkostenhilfe in grenzüberschreitenden Rechtssachen in allen Ländern der Union zu verabschieden. Ebenso stimmten wir darin überein, Gerichtsverfahren bei verbraucher- und handelsrechtlichen Klagen mit geringem Streitwert sowie bei Unterhaltsklagen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Durch die Vereinbarung über Mindeststandards für den Schutz der Opfer von Verbrechen – insbesondere hinsichtlich ihres Zugangs zum Recht und ihrer Schadensersatzansprüche – hat sich die Lage der Menschen, die Opfer von Verbrechen wurden, verbessert.
Als Eckstein des gemeinsamen Rechtsraumes stimmte der Europäische Rat nach grundlegender Debatte der gegenseitigen Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und Urteilen zu. Für mich stellt sich die Tatsache, daß der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung als Ausgangspunkt sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen die entsprechende Zustimmung fand, als ein großer Erfolg dar.
Als ein wichtiger Meilenstein von Tampere ist der Beschluß zur weiteren Angleichung der Rechtsvorschriften im Zivil- und Zivilprozeßrecht zu betrachten, durch den Fortschritte im Rechtsschutz und in der justitiellen Zusammenarbeit erreicht werden sollen.
In Tampere wurden gemeinsame Maßnahmen, die der Verstärkung der Kriminalitätsbekämpfung dienen, ausführlich behandelt. Der Europäische Rat war sich einig, daß durch eine intensive Zusammenarbeit der Behörden Personen und Organisationen, die die unionsweit geltenden Freiheiten mißbrauchen und gegen Bürgerrechte verstoßen, leichter als auf einzelstaatlicher Ebene zur Verantwortung gezogen und ihre Straftaten geahndet werden können. Eine Verbesserung der Kriminalitätsverhütung wurde als Ausgangspunkt für die Verbrechensbekämpfung gesehen. Die Mitgliedstaaten werden nationale Programme ausarbeiten, ihre Zusammenarbeit festigen und Erfahrungen zu bewährten Methoden untereinander austauschen. Der Europäische Rat forderte, die Möglichkeiten für ein aus Mitteln der Gemeinschaft finanziertes Programm zu erkunden, dessen erste Prioritäten die in vielen Ländern zu verzeichnende schnell ansteigende Jugend- und Drogenkriminalität sowie Kriminalität in den Städten darstellen könnten.
Mit den in Tampere gefaßten Beschlüssen wurde die europäische Zusammenarbeit der Polizei- und Justizbehörden ausgebaut. Der Europäische Rat beschloß als ersten Schritt zur Bekämpfung des Drogen- und Menschenhandels sowie des Terrorismus, gemeinsame Ermittlungsteams einzurichten. Die Action Task Force der europäischen Polizeichefs soll in Zusammenarbeit mit EUROPOL dem Erfahrungsaustausch und der gemeinsamen Planung operativer Maßnahmen dienen. EUROPOL soll ermächtigt werden, die Mitgliedstaaten um die Einleitung, Durchführung und Koordinierung von Ermittlungen zu ersuchen.
Zur Verstärkung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität wurde EUROJUST als neue Einrichtung geschaffen. In diese Stelle werden von den einzelnen Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer nationalen Rechtsordnung Staatsanwälte, Untersuchungsrichter oder Polizeibeamte mit gleichwertigen Befugnissen entsandt. Dadurch soll sichergestellt werden, daß die auf EUROPOL-Analysen basierenden strafrechtlichen Ermittlungen zur Strafverfolgung und Verurteilung der Täter führen. Für die Schulung von hochrangigen Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden soll eine Europäische Polizeiakademie eingerichtet werden, die auch den Behörden der beitrittswilligen Länder offenstehen wird.
Der Europäische Rat entschied zudem, im Rahmen der Annäherung der Rechtsvorschriften mit bestimmten Bereichen des nationalen Strafrechts zu beginnen. Dabei sollten gemeinsame Definitionen, Tatbestandsmerkmale und Sanktionen vereinbart werden. In diesem Zusammenhang konzentriert man sich zunächst auf bestimmte Bereiche schwerer grenzüberschreitender Kriminalität, wie Wirtschaftskriminalität, Drogen- und Menschenhandel – insbesondere die Ausbeutung von Frauen, sexuelle Ausbeutung von Kindern, High-Tech- und Umweltverbrechen.
Als letzter Meilenstein sind schließlich die Sondermaßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche zu nennen, die meines Erachtens nach einen sehr wichtigen Beschluß von Tampere darstellen. Die Bedeutung dieser Maßnahmen kommt in der Feststellung zum Ausdruck, daß die Geldwäsche das Herzstück der organisierten Kriminalität sei und unter anderem mit Drogen- und Menschenhandel sowie mit illegalen Waffengeschäften einhergehe. Insbesondere möchte ich hervorheben, daß ungeachtet der für Banken und sonstige Geschäftsbereiche geltenden Geheimhaltungsvorschriften die Justizbehörden und zentralen Ermittlungsbehörden für Geldwäsche das Recht erhalten, Informationen einzuholen, wenn diese für Ermittlungen in Geldwäschefällen erforderlich sind. Die Zuständigkeit von EUROPOL soll auf Geldwäsche im allgemeinen erweitert werden, unabhängig davon, aus welcher Art von Straftat die gewaschenen Erträge stammen. Das Spektrum der kriminellen Aktivitäten, die als Vortaten für Geldwäsche angesehen werden, sollte in allen Mitgliedstaaten einheitlich und hinreichend einheitlich und umfassend definiert sein.
Die an die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres gestellten Anforderungen lassen sich nur unter Einbeziehung sämtlicher Maßnahmen erfüllen. Folglich legte der Europäische Rat entsprechende Leitlinien fest, mit deren Hilfe die externen Beziehungen der Union gefestigt werden sollen, um die Ziele im Bereich Justiz und Inneres zu erfüllen. Die in der Zusammenarbeit der Ostseeanrainerstaaten erreichten Ergebnisse sind beispielgebend für das konkrete, praktische Handeln innerhalb einer Region bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität. In Tampere wurde der regionalen Zusammenarbeit und Entwicklung auf dem Balkan besondere Bedeutung beigemessen.
Mit der Umsetzung der Beschlüsse von Tampere wurde zwar unverzüglich begonnen, dennoch wird die Umsetzung einige Zeit dauern. Der Erfüllungsstand wird mit einer Methode verfolgt, die sich bereits bei der Schaffung des Binnenmarktes bewährt hat. Die Kommission unterbreitete den Vorschlag, eine Ergebnistabelle – ein scoreboard – zu erstellen, um die Umsetzung der Beschlüsse innerhalb von bestimmten Fristen verfolgen zu können. Eine gründliche erste Bilanz des Erreichten ist im Dezember 2001 während der Präsidentschaft Belgiens im Europäischen Rat zu ziehen.
Frau Präsidentin, erlauben Sie mir, kurz auf die wichtigsten Ziele einzugehen, die wir uns während der finnischen Ratspräsidentschaft noch zu erreichen vorgenommen haben.
Der wichtigste Beschluß des Europäischen Rates in Helsinki betrifft die Sicherheit ganz Europas. In Tampere wurde meines Erachtens nach der Eindruck bestätigt, daß die Mitgliedstaaten bezüglich der weiteren Schritte zur Erweiterung der Union eine sehr einheitliche Auffassung haben. Der politische Schwung des eingeleiteten Prozesses darf nicht verlorengehen. Finnland möchte als Präsidentschaftsland sicherstellen, daß sämtliche Beitrittsländer gleichermaßen in ihren Bemühungen zur Erfüllung der Beitrittsvoraussetzungen ermutigt und unterstützt werden. Entsprechend den eigenen Voraussetzungen soll jedes Beitrittsland in diesem Prozeß voranschreiten können. Dabei kommt uns die Aufgabe zu, sicherzustellen, daß diejenigen Länder, die sich besser als andere vorbereitet haben, auch schneller in den Verhandlungen vorankommen.
Wir betonen gegenüber den Beitrittsländern, daß die Kopenhagener Beitrittskriterien erfüllt sein müssen, bevor eine Mitgliedschaft möglich wird. Ich bin überzeugt, daß auf der Grundlage der von der Kommission am 13. Oktober vorgelegten Empfehlungen in Helsinki Beschlüsse für eine umfassende, glaubwürdige und konstruktive Politik gefaßt werden können. Dies ist ein notwendiger Garant dafür, daß der Erweiterungsprozeß sich positiv auf die Stabilität in Europa auswirkt.
Dazu sind jedoch Reformen in der Union unausweichlich. Genau darüber haben wir mit der Präsidentin heute früh gesprochen. Der auf die Festigung der Europäischen Union ausgerichtete Erweiterungsprozeß darf nicht zu einer Schwächung der Entscheidungsfähigkeiten der einzelnen Institutionen der Union und folglich zu einer Einengung des Handlungsspielraums der Union führen. Ich werde dem Europäischen Rat in Helsinki einen Bericht vorlegen und Vorschläge zu anstehenden institutionellen Reformen unterbreiten, die der Regierungskonferenz im Jahre 2000 zur Entscheidung vorgelegt werden.
Die finnische Ratspräsidentschaft folgt dem Auftrag des Europäischen Rates, einen knappen Themenkatalog für die Regierungskonferenz vorzubereiten. In den nächsten Jahren wird man jedoch in der Union ausführlicher erörtern müssen, wie die Europäische Union künftig beschaffen sein muß, um den anstehenden Herausforderungen besser gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang vermag ich nicht zu sagen, wann die Mitgliedstaaten bereit sein werden, ambitionierter als bisher Schritte in die richtige Richtung zu unternehmen und Grundlagenverträge dahingehend zu ändern, daß sie der weiteren Entwicklung der Union Rechnung tragen. Überstürztes Handeln wäre der Sache nicht dienlich, jedoch wächst der Bedarf nach einer grundlegenden Erneuerung angesichts der Erweiterung der Union und der sich verändernden Welt außerhalb der Union.
Eines unserer wichtigsten Ziele ist die Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie der Bereitschaft der Union zur Krisenbewältigung. Die Union hat die Möglichkeit, sich zu einem bedeutenden internationalen Akteur zu entwickeln, da ihr umfassende politische und wirtschaftliche Instrumente und Mittel zur Verfügung stehen. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird zur Zeit mit gemeinsamen Strategien gefestigt. Um als Garant für die Wahrung des Friedens und der Stabilität glaubhaft zu sein, braucht die Union zivile und militärische Methoden der Krisenbewältigung. Der Bericht, den wir dem Europäischen Rat in Helsinki vorlegen, behandelt zivile und militärische Mittel einschließende Ansätze zur Lösung von Konfliktsituationen. Bei der Entwicklung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik geht es uns darum, konkrete Fortschritte zu erreichen und in entscheidenden Punkten schnell voranzukommen.
Abschließend gilt es festzustellen, daß wir während der finnischen Präsidentschaft die Handlungswirksamkeit und Transparenz in der Union zu verbessern suchen. Dies ist ein Schlüssel dafür, das Vertrauen der Bürger für die Arbeit der Union zu gewinnen. Während unserer Ratspräsidentschaft wurden eine Reihe von Reformen bei der Tätigkeit des Europäischen Rates eingeführt. Wir haben versucht, die Arbeit des Rates transparenter zu gestalten, die Akten und Dokumente leichter zugänglich und Zeitpläne der Rats- und Arbeitsgruppensitzungen sowie Tagesordnungen der Ratssitzungen öffentlich zu machen. Weitere Verbesserungsvorschläge, die zu mehr Transparenz führen, liegen derzeit zur Behandlung vor. Die Kommission wird wahrscheinlich noch während der finnischen Ratspräsidentschaft den für den Artikel 255 erforderlichen Vorschlag zu den Transparenzbestimmungen unterbreiten. Ich hoffe, daß die finnische Ratspräsidentschaft auch auf diese Art und Weise bleibende Spuren in der Tätigkeit der Union hinterlassen konnte.
Frau Präsidentin, ich freue mich über die Gelegenheit zu einer anregenden Diskussion mit den Mitgliedern des Parlaments.
(Beifall)
Vitorino,Kommission. – (EN) Zunächst einmal möchte ich feststellen, daß die Kommission die Ergebnisse des Europäischen Rats von Tampere ebenso positiv beurteilt wie der Ratsvorsitz. Wir möchten dem finnischen Ministerpräsidenten sowohl für die Vorbereitung der Tagung als auch für sein persönliches Engagement danken, mit dem er den Vorsitz führte.
(EN) Ein Ereignis wie die Ratstagung in Tampere scheint durch die Erwartungen im Vorfeld manchmal wie eine Abschlußveranstaltung, dabei ist diese Tagung lediglich der Beginn eines Prozesses. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, daß die Ergebnisse von Tampere die richtige Botschaft für zahlreiche unterschiedliche Gruppen beinhalten: An erster Stelle steht die Botschaft für unsere Bürger, daß ein für sie persönlich so wichtiges Thema so schnell an die Spitze der politischen Agenda der Union rückt; für die nationalen Behörden ist Tampere ein Zeichen, daß es keinen Weg zurück gibt und ihre Regierungschefs sich für die Realisierung der Verbesserungen, einschließlich der institutionellen Verbesserungen gemäß dem Vertrag von Amsterdam, einsetzen werden. Die Botschaft an die Unterwelt lautet, daß die Union alle Kräfte zur Bekämpfung von Aktivitäten mobilisieren wird, die eine Gefahr für unsere Freiheit und unser Wohlergehen, wenn nicht gar für unsere Demokratie darstellen. Der übrigen Welt ist schließlich signalisiert geworden, daß eine innerhalb ihrer Grenzen sichere Union nicht mit einer Festung Europa gleichzusetzen ist und unsere Verpflichtungen gegenüber Schutzbedürftigen unantastbar sind. Dies ist kein schlechter Anfang.
Enorme Aufgaben liegen vor uns, nicht zuletzt vor der Kommission. Der Europäische Rat hat ihr vielfältige Aufgaben übertragen und damit in lobenswerter Weise sein Vertrauen in die Kommission demonstriert. Ich bin zuversichtlich, daß wir mit der Unterstützung des Parlaments und den notwendigen Mitteln für diese Aufgabe der Rolle gerecht werden können, die uns in Tampere übertragen worden ist.
Wir wollen zunächst damit beginnen, den geforderten Aufgabenplan zu erstellen, um damit einen gewissen Druck, in erster Linie auf uns selbst, aber auch auf andere auszuüben, und so sicherstellen, daß schon sehr bald alle notwendigen Schritte erfolgen und bei allem größtmögliche Transparenz herrscht.
Sollten Sie im Parlament oder wir in der Kommission Anzeichen für ein Nachlassen der Bemühungen feststellen, werden wir die Staats- und Regierungschefs an ihre Botschaft von Tampere erinnern. Damit meine ich nicht nur die schriftlich festgehaltenen Zusagen, sondern auch all das, was man den Geist von Tampere nennen könnte.
(Beifall)
(PT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Schlußfolgerungen von Tampere verbinden eine nachdrückliche Botschaft über die Priorität, die der Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts eingeräumt wird, mit dem Bemühen, Prioritäten zu definieren, die auf solche Fragen ausgerichtet sind, wie sie das Alltagsleben der Bürger direkt berühren.
Die Staats- und Regierungschefs haben es somit übernommen, die feierliche Verpflichtung zu respektieren, zu der sie sich in Tampere bekannt haben. Die Kommission ist bereit, auf der Grundlage des Dialogs und der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament alles zu tun, um einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu verwirklichen, der vor allem in seinen drei Komponenten – Freiheit, Sicherheit und Recht – ausgewogen ist.
In seinem Schreiben an den Europäischen Rat betonte Präsident Romano Prodi unser zentrales Anliegen, daß Tampere kein repressiver Gipfel sein dürfe. Dieses Ziel wurde erreicht. Die Kommission freut sich besonders über diese Tatsache. Und ich möchte hervorheben, daß die ausdrückliche Bestätigung der Unantastbarkeit der Genfer Konvention als Grundlage für die Gestaltung der europäischen Asylpolitik unsere Unterstützung und unseren Beifall verdient.
Wir freuen uns über die auf höchster Ebene übernommene Verpflichtung, bei der Behandlung der Einwanderungsfragen mit den Ursprungs- und Transitländern partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Wir freuen uns, daß man im Bereich der illegalen Einwanderung besonderen Nachdruck auf die Bekämpfung des Menschenhandels gelegt hat, und zwar weitaus mehr als auf die Maßnahmen gegen dessen Opfer. Die Kommission unterstützt die eindeutige Erklärung, daß die Verhütung bei der Verbrechensbekämpfung besonders wichtig ist, und das sowohl bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität als auch der urbanen oder der Jugendkriminalität, und sie stellt fest, daß ihre Bemühungen anerkannt werden, den Rechten der Opfer von kriminellen Handlungen eine besondere Bedeutung beizumessen.
Die Kommission befürwortet die proaktive Perspektive der Sanktionierung eines europäischen Konzepts des Zugangs zum Recht als eines Instruments zur Ausübung des Rechts der Freizügigkeit der Personen ohne gesetzliche und administrative Hindernisse. Ebenfalls notwendig ist, daß dieses Recht auf Freizügigkeit nunmehr mit den notwendigen legislativen Maßnahmen verbunden wird, damit es sich innerhalb kürzester Zeit verwirklichen läßt.
Die Kommission freut sich über die Sanktionierung des Prinzips einer möglichst weitgehenden Gleichstellung der Rechte von Bürgern aus Drittländern, die ihren ständigen Wohnsitz in der Union haben, mit den anerkannten Rechten und Pflichten der Staatsbürger der Mitgliedstaaten der Union, und wir sind der Ansicht, daß wir mit konkreten Vorschlägen auf diesem Weg vorankommen müssen.
Schließlich hebt die Kommission als sehr positiv hervor, daß die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie aller im Artikel 13 des Vertrags angeführten Formen der Diskriminierung als eindeutige Priorität definiert ist.
Ebenso behandeln die Schlußfolgerungen von Tampere in angemessenem Umfang die Verstärkung der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit, um die Freiheiten der Bürger zu schützen und zu bewahren. Die Schlußfolgerungen beziehen sich darauf in der erforderlichen Form, um den legitimen Sorgen der Bürger um ihre Sicherheit und ihren Rechtsschutz zu entsprechen, wie dies die Regel in einer Union ist, die den Anspruch erhebt, auf dem Prinzip des Vorrangs von Recht und Gesetz zu beruhen.
In diesem Zusammenhang weise ich besonders auf das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen und Urteilen hin, wozu die Annahme von in allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Definitionen und Sanktionen gegen bestimmte grenzüberschreitende kriminelle Praktiken beitragen soll, wie etwa in den Bereichen des organisierten Verbrechens, des illegalen Drogenhandels, des Menschenhandels oder der an Kindern verübten Verbrechen; ebenso weise ich auf die Einrichtung des EUROJUST-Netzes hin; dies ist ganz zweifellos der erste Schritt bei der Schaffung einer judikativen Komponente der Europäischen Union, die ein Unterstützungs- und Kontrollinstrument für die Tätigkeit von EUROPOL bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit und auch ein Instrument für die Verteidigung der Rechte der europäischen Bürger sein soll.
Die Kommission überprüft ihre Haltung und nimmt sich vor, so zu handeln, daß sie dem ehrgeizigen Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Geldwäsche gerecht wird, was Veränderungen sowohl bei der Positionierung der Union nach außen als auch im Bereich der Gesetzgebung jedes einzelnen Mitgliedstaats mit sich bringt.
Trotzdem, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, hat Tampere nicht alle Erwartungen der Kommission vollständig erfüllt. Ohne die positiven Ergebnisse beeinträchtigen zu wollen, die der Herr amtierende Ratspräsident soeben weitgehend hervorgehoben hat, muß ich doch in einigen Punkten eine gewisse Enttäuschung der Kommission einräumen. Die Kommission bedauert, daß der Europäische Rat nicht das Konzept des einheitlichen Asylsystems angenommen hat, das unserer Ansicht nach dem Bestreben, doch auch der zwingenden Notwendigkeit entspricht, Asylfragen gemeinschaftlich und kohärent zu behandeln. Die Kommission wird es nicht versäumen, Vorschläge einzureichen, die eventuelle Befürchtungen beseitigen können, wie sie ein zentralisiertes Asylsystem noch in einigen Mitgliedstaaten hervorrufen mag.
Ebenso bedauere ich, daß sich einige Mitgliedstaaten geweigert haben, den Gedanken eines europäischen Flüchtlingsfonds zu unterstützen, selbst als die Kommission klargestellt hat, daß dieser Fonds keine neuen oder zusätzlichen Ausgaben mit sich bringen würde. Die aus Bosnien und dem Kosovo zu ziehenden Lehren bestärken uns in der Überzeugung, daß es wichtig ist, unsere Absichten nachdrücklich weiter zu erklären, und wir hoffen, daß dies bis zum Jahresende geschehen kann, insbesondere im Rahmen der Ausarbeitung des Haushaltsplans für das Jahr 2000.
Tampere hat noch nicht die Annahme der Idee einer europäischen Staatsanwaltschaft ermöglicht, selbst wenn man ihre Funktion auf den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft beschränkte. Ich erlaube mir den Hinweis, daß die nächste Aussprache über die Regierungskonferenz eine gute Gelegenheit ist, um diesen Gedanken von uns wiederaufzugreifen.
Suominen (PPE). – (FI) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident Ministerpräsident Lipponen! Ich schließe mich der Auffassung an, daß der Europäische Rat in Tampere eine historisch bedeutende Konferenz war, da der Rat zum ersten Mal die Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts an die erste Position der europäischen Tagesordnung setzte und darüber verhandelte. Die hier erörterten Fragen gehören zu jenen, die auch für die Bürger und unter Umständen für Unternehmen im alltäglichen Leben eine große Rolle spielen. Trotz der Fortschritte, die in Teilbereichen erzielt wurden, zeigt sich die Fraktion Europäische Volkspartei/Europäische Demokraten enttäuscht darüber, daß einzelne Bereiche leider zu kurz gekommen sind.
Der wichtigste Beschluß bei der Schaffung des Europäischen Rechtsraumes war die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und Urteilen als Eckstein der justitiellen Zusammenarbeit der Union sowohl in zivil als auch in strafrechtlichen Angelegenheiten. Die von den Bürgern gewünschte weitere Ausdehnung des Rechts auf Freizügigkeit ermöglicht eine verbesserte Inanspruchnahme und den unionsweiten Zugang zu diesem Recht. Die praktischen Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden und die weitere Unterstützung von EUROPOL dienen der Verbrechensbekämpfung und -verhütung. In diesem Zusammenhang stellt unsere Fraktion fest, daß die justitielle Zusammenarbeit als Kernstück des gemeinsamen Wirkens anzusehen ist und begrüßt somit die mit EUROJUST geschaffene Möglichkeit für eine Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden. Enttäuscht sind wir jedoch darüber, daß in den Beschlüssen von Tampere die Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft keine Erwähnung findet, deren Aufgabe es wäre, in Fällen des Mißbrauchs von EU-Geldern zu ermitteln.
Unsere Fraktion stimmt der Auffassung des Europäischen Rates zu, daß sich die Union und ihre Mitgliedstaaten zur Transparenz der Union in persönlichen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den außerhalb der EU liegenden Teilen der Welt bekennen. Dazu gehört auch die unbedingte Achtung des Rechts auf Asyl. Wir hoffen, daß der Europäische Rat in seinen Beschlüssen längerfristig zu einem gemeinsamen Asylverfahren und zu einem unionsweit geltenden gemeinsamen Status für Asylbewerber gelangt, so daß Europa in Asyl- und Flüchtlingsfragen als einheitlicher Raum zu betrachten ist. In den Beschlüssen von Tampere ist man noch nicht so weit gegangen, sondern man spricht hier von einem gemeinsamen Raum.
Unsere Fraktion wird die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen und sich für die Schaffung eines von der Gemeinschaft finanzierten Europäischen Asylfonds einsetzen. Eine Angelegenheit, die in den Beschlüssen des Europäischen Rates lediglich darin Erwähnung findet, daß die Kommission zur Sondierung der Möglichkeit aufgerufen wird, „bei einem massiven Zustrom von Flüchtlingen zwecks vorübergehender Schutzgewährung irgendeine Form von Finanzreserve bereitzustellen”. Die Beschlüsse des Rates sagen auch nichts darüber aus, wie die durch Flüchtlinge und Asylbewerber entstandenen ökonomischen Lasten innerhalb der Union verteilt werden sollten. Obgleich die zur Union gehörenden Staaten letztendlich selbst entscheiden möchten, wer sich auf ihrem Territorium niederlassen darf, muß dennoch die Schaffung einer einheitlichen Politik und die sich daraus ergebende Kostenteilung als längerfristiges Ziel gelten.
Sehr begrüßenswert fand unsere Fraktion die Schaffung eines Gremiums, das mit der Ausarbeitung einer EU-Charta der Grundrechte beauftragt wird. Wir meinen, daß die damit vorhandene weitreichende parlamentarische Dimension der demokratischen Realität der EU-Entwicklung besser gerecht wird als die bisherige Regierungskonferenz. Wir werden uns mit ganzer Kraft an der Arbeit dieses Gremiums beteiligen.
Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident! Ungeachtet der von mir angemerkten kritischen Punkte sehen wir die Ergebnisse von Tampere als bemerkenswert an und möchten mit unserer Kritik den Europäischen Rat in seinen Bemühungen bestärken, zukünftig noch höhere gemeinschaftliche Ziele anzustreben. Die Beschlüsse sind allerdings nur Worte auf Papier. Unserer Meinung nach kommt es jetzt darauf an, daß sich Rat und Kommission für eine schnelle Umsetzung der Beschlüsse einsetzen. Wenn die Beschlüsse von der höheren Ebene auf die graue Ebene der Innen- und Justizministerräte delegiert zur Alltagsroutine werden und drei, vier Jahre lang nichts passiert, wird Tampere lediglich als unerledigte Proklamation in die Geschichte eingehen. Und dies, obgleich sich der Europäische Rat eine gute Idee aus der Unternehmenswirtschaft ausgeliehen hat, und zwar das scoreboard, was, meine Damen und Herren, der Vollständigkeit halber natürlich balanced score card heißen müßte. Sehr geehrter Herr Ratspräsident, es gilt, das momentum aufrechtzuerhalten.
(Beifall)
Barón Crespo (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! In erster Linie möchte ich die finnische Präsidentschaft zu dem Erfolg von Tampere beglückwünschen, wo eine neue Etappe in der Herausbildung der europäischen Unionsbürgerschaft unter Berücksichtigung des stets schwierigen Gleichgewichts zwischen Freiheit und Sicherheit eingeleitet wurde. Dies zeigt, daß wir nicht nur eine auf Waren–, Dienstleistungs- und Kapitalfreiheit basierende Union schaffen, sondern auch der Freiheit der Niederlassung und der Übersiedlung von Bürgerinnen und Bürgern entsprechen wollen. Ein Schritt auf dem Wege zur vierten Freiheit des Vertrags von Rom wurde getan: Zum Zugang zur Justiz über die nationalen Grenzen hinaus, dank der gegenseitigen Anerkennung der Urteile und der Möglichkeit der grenzüberschreitenden Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Geldwäsche.
Darüber hinaus gibt es eine weitere wichtige Dimension, denn wir stehen jetzt vor der neuen Welle der Erweiterung, wie der amtierende Ratspräsident sagte, und wir sind auch Zeugen einer Reihe von Wahlergebnissen, die uns allen einen deutlichen Hinweis darauf geben, welchen Einfluß bestimmte fremdenfeindliche und rassistische Haltungen auf die Bevölkerung in einigen unserer Länder haben. Deshalb ist es sehr wichtig, daß wir angesichts solcher Abwehrreaktionen, die zeigen, daß noch nicht alles konsolidiert ist, jetzt imstande sind, eine Botschaft der Freiheit und des Fortschritts zu vermitteln.
Dies ist in bezug auf zwei Dimensionen von besonderer Bedeutung. Die erste ist das Asyl. Ich glaube, das ist eine der Grundfreiheiten, die wir verteidigen müssen, und in diesem Sinne ist ein einheitliches Asylverfahren sehr wichtig, und ich sage das, weil ich aus einem Land komme, in dem durch das politische Asyl viele Freiheitskämpfer ihr Leben retten und in anderen europäischen Ländern weiterführen konnten. Die zweite ist die Einwanderung. Je nach unserer Situation müssen wir bestrebt sein, den legalen Einwanderern dieselben Rechte zu gewähren und gleichzeitig eine Politik der gemeinsamen Entwicklung einzuleiten, mit der die wilde Einwanderung, wie wir sie über lange Zeit erlebt haben, verhindert wird. In diesem Sinne glauben wir, daß sich hier eine neue wichtige Front eröffnet, und wir unterstützen auch – wie wir es mit der Initiative des Parlaments getan haben – die Schaffung des Flüchtlingsfonds, der unserer Ansicht nach ein ganz entscheidendes Element sein kann.
Schließlich meinen wir, Frau Präsidentin, daß die Kommission wiederaufgenommen hat, was sie mit dem Binnenmarkt getan hat, das Kennzeichnungs- und das Emulationssystem. Das ist positiv. Wir werden weiterhin für eine Staatsanwaltschaft zur Betrugsbekämpfung auf Gemeinschaftsebene eintreten. Abschließend danke ich dem Herrn amtierenden Ratspräsidenten für seine Anwesenheit. Ich bedauere, daß der Rat nicht so häufig in den Ausschüssen des Parlaments anwesend war, denn das hätte uns die Debatten und das Kennenlernen erleichtert und uns geholfen, gemeinsam voranzukommen.
Ludford (ELDR). – (EN) Frau Präsidentin, dieser Gipfel war von großer Bedeutung, und das erzielte Ergebnis war besser, das heißt weniger auf Zwang ausgerichtet, als erwartet. Wir werden im Rückblick verwundert feststellen, daß in Europa die bürokratischen Hürden für Waren und Unternehmen wesentlich erfolgreicher abgebaut wurden als für Menschen. Dies muß sich schnellstens ändern. Doch das Parlament ist noch kein vollwertiger Partner, und dies muß unser Ziel für die nächsten Jahre sein.
Es kann nicht hingenommen werden, daß die direkt gewählten Vertreter Europas, so sehr die demokratischen Grundsätze in den Schlußfolgerungen des Ratsvorsitzes auch bekräftigt werden, bei der Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts an den Rand gedrängt werden. Ich halte es für einen großen Fortschritt in dem Bemühen, der Stimme des Parlaments mehr Gewicht zu verleihen, daß der heute vorgelegte Entschließungsantrag von vier Fraktionen unterstützt wird.
Ich kann nur einige Punkte herausgreifen und möchte mit den Flüchtlingen beginnen. Wir begrüßen, daß die Genfer Flüchtlingskonvention auch weiterhin uneingeschränkt und allumfassend angewandt werden soll und danken dem finnischen Ratsvorsitz, der sich dafür eingesetzt hat. Es ist sehr wichtig, daß das gemeinsame europäische Asylsystem, bei dem es sich jedoch um ein einheitliches System handeln und die Bereitstellung von Finanzmitteln durch die EU beinhalten sollte, nicht auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner basiert. Wir müssen sorgsam vermeiden, daß rassistische Vorurteile geweckt werden, und wir erwarten die Vorschläge zur Bekämpfung des Rassismus auf der Grundlage von Artikel 13 mit Spannung.
Bei den Rechten des einzelnen wurden einige Fortschritte erzielt, doch diese reichen nicht aus. Wir begrüßen die Absicht, Rechtsvorschriften zu schaffen, nach denen sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhaltende Drittstaatenangehörige den EU-Bürgern weitestgehend gleichgestellt werden sollen. Dies ist nun eine vordringliche Aufgabe.
Ebenfalls notwendig sind greifbare Fortschritte in bezug auf die Reise- und Niederlassungsfreiheit von EU-Bürgern. Obwohl in Tampere die Transparenz als einer der wichtigsten Grundsätze genannt wurde, blieb das Recht auf den Zugang zu Informationen und Dokumenten leider unerwähnt.
Im Hinblick auf den Zugang zum Recht muß die gegenseitige Anerkennung mit gemeinsamen Mindeststandards gekoppelt werden, und es wäre erfreulich gewesen, wenn hinsichtlich des Rechts auf Kaution für Bürger, die im Ausland unter Anklage stehen, eine Vereinbarung getroffen worden wäre.
Wir hoffen, daß das mit der Vorbereitung der Charta der Grundrechte betraute Gremium, für das es angemessen wäre, wenn ein Vertreter dieses Parlaments den Vorsitz führen würde, ein Dokument vorlegen wird, mit dem den europäischen Bürgern direkte Rechte verliehen werden und das es ihnen ermöglicht, ihre Rechte im Europäischen Gerichtshof durchzusetzen. Es ist wichtig, die staatlichen Behörden bei der Verfolgung von Straftätern mit mehr grenzüberschreitenden Befugnissen auszustatten, doch die Anwendung dieser Befugnisse muß durch das Europäische Parlament und die europäischen Gerichte überwacht werden, damit die Grundrechte fester Bestandteil sind und mit Entschlossenheit verteidigt werden.
(Beifall)
Boumediene-Thiery (Verts/ALE). – (FR) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie aufgrund der Undurchsichtigkeit der Vorbereitungsarbeiten bereits zu erwarten war, sind die Ergebnisse des Rates von Tampere für unsere Fraktion hinsichtlich ihrer Bestrebungen enttäuschend und hinsichtlich ihrer Schlußfolgerungen zu vage, und zwar trotz einiger interessanter Vorstöße.
Allgemein betrachtet ist es sehr bezeichnend, daß der Rat einen präzisen Zeitplan für die Maßnahmen bezüglich des Raums der Sicherheit angekündigt hat. Was hingegen die Aktivitäten bezüglich des Raums der Freiheit anbelangt, so liegt für sie kein klar definierter Zeitplan vor. Somit besteht weiterhin die Furcht vor einer Festung Europa.
Die Maßnahmen im Bereich des Asyl- und Einwanderungsrechts ihrerseits sind immer noch vollkommen unbestimmt und wenig zwingend. Die einzige gute Nachricht lautet: Einhaltung der Genfer Konvention und Bekräftigung des Kampfes gegen den Rassismus.
Unsere Fraktion begrüßt die Ankündigung, man wolle den Bürgern aus Drittstaaten ähnliche Rechte wie den europäischen Bürgern gewähren. Andererseits sind wir aber beunruhigt über die verbleibenden Unklarheiten in dieser Frage. Es ist nämlich von größter Wichtigkeit, daß diese Rechtsgleichheit auf die politischen Rechte, auf die Freizügigkeit und auf das Recht auf Leben als Familie ausgedehnt wird. Europa ist dazu verpflichtet, allen auf seinem Territorium lebenden Personen dieselben Garantien zu gewährleisten.
Grund zur Beunruhigung gibt auch die Erklärung des Präsidenten Lipponen zur Zukunft der Charta der Grundrechte. Wenn er schon jetzt ankündigt, diese Charta werde lediglich eine politische Erklärung darstellen, so kommt dies bereits im voraus einer Mißachtung der Tätigkeit der Arbeitsgruppe gleich. Der verbindliche Charakter dieser Charta ist mit Blick auf den Aufbau eines Europa der Bürger unerläßlich.
Und schließlich hat der Rat eine Erweiterung der Befugnisse und des Mandats von EUROPOL, einem notwendigen Instrument zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, angekündigt, aber wo bleibt dann die demokratische und rechtliche Kontrolle, insbesondere hinsichtlich der Erstellung von Datenbanken? Dieser Mangel trägt im Keim bereits zukünftige Beeinträchtigungen unserer persönlichen und kollektiven Freiheiten in sich.
Dieser Mangel muß umgehend durch die Schaffung einer Kommission für Information und Freiheiten in Europa beseitigt werden.
Di Lello Finuoli (GUE/NGL).–(IT) Frau Präsidentin, ich glaube nicht, daß ich allein dastehe, wenn ich meiner Enttäuschung über die Ergebnisse des Gipfels von Tampere Ausdruck verleihe. Zwar hätte er noch schlechter, wesentlich schlechter ausgehen können, vor allem für die Bürger aus Drittländern, die sich, getrieben vom Elend, in Europa aufhalten oder nach Europa kommen wollen; doch nichtsdestotrotz wurde eine günstige Gelegenheit verpaßt, mit der praktischen Ausgestaltung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu beginnen. Die Schlußfolgerungen des Gipfels muten wie eine Zusammenfassung der schon lange im Parlament zirkulierenden Vorbereitungsdokumente an, ohne daß sie noch etwas Konkreteres enthielten: Es handelt sich um eine lange Liste guter Vorsätze, denen man einfach zustimmen muß. Allerdings sind einige klarere Entscheidungen für mich Grund zur Beunruhigung und Bestürzung. Ich möchte hier nur ein Beispiel unter vielen herausgreifen: Die Priorität, die der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität in Großstädten eingeräumt wird, erscheint uns eigenartig und unangebracht, denn um tatsächlich etwas zu bewirken, würden die Mitgliedstaaten besser daran tun, ihre Kräfte auf die Zusammenarbeit zur Bekämpfung des immer mehr auf internationaler Ebene operierenden organisierten Verbrechens zu konzentrieren. Wir werden wohl erst aus den später unterbreiteten Legislativvorschlägen etwas mehr entnehmen können. Inzwischen bekräftigen wir unsere Sorge, daß letzten Endes durch die eiserne Abschottung nach außen ein interner Sicherheitsraum geschaffen wird.
Collins (UEN). – (EN) Frau Präsidentin, ich halte das Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs im finnischen Tampere für einen großen Erfolg. Es war das erste derartige Treffen, seitdem das Europäische Parlament dem neuen Kollegium der Kommissionsmitglieder seine Zustimmung erteilt hat, und der neue Präsident, Romano Prodi, hat wiederholt seine Absicht bekräftigt, das Parlament zukünftig stärker in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Zweifellos ist dieses neue interinstitutionelle Konzept innerhalb der Europäischen Union auf dem Gipfeltreffen in Tampere deutlich geworden. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union hatten Sie, Frau Präsidentin, zu diesem Treffen eingeladen. Dies ist ein Ausdruck der Bedeutung, die man dem Europäischen Parlament als Institution beimißt.
Ich schließe mich dem in der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union geäußerten tiefen Bedauern über die noch nicht erfolgte Ratifizierung des Vertrags über einen umfassenden Atomteststopp durch den amerikanischen Senat an. Dieser Vertrag ist ein Meilenstein in den Bemühungen um die atomare Abrüstung und die Nichtverbreitung von Kernwaffen, und ohne ihn verschlechtern sich die Aussichten auf Fortschritte bei der atomaren Abrüstung erheblich. Der Vertrag über einen umfassenden Atomteststopp liegt im Interesse aller Staaten der Welt, und die Europäische Union hat zu Recht ihre Entschlossenheit bekräftigt, den Vertrag so schnell wie möglich in Kraft zu setzen. Ich begrüße den erneut von Präsident Clinton geäußerten Wunsch nach einer Ratifizierung des Vertrags sowie seine wiederholte Versicherung, das amerikanische Atomtestmoratorium beibehalten zu wollen.
Im Juni dieses Jahres beschloß der Europäische Rat in Köln eine Charta der Grundrechte, in der in einem einzigen umfassenden Dokument alle auf europäischer Ebene anwendbaren Grundrechte zusammengefaßt werden sollen, um diese Rechte stärker ins Bewußtsein der Bürger zu rücken. Beim Gipfeltreffen in Köln wurde die finnische Regierung, die nachfolgend den Ratsvorsitz übernahm, damit beauftragt, bis zum Gipfeltreffen in Tampere die Bedingungen für die Durchführung dieses Projekts zu erarbeiten.
Blokland (EDD). – (NL) Frau Präsidentin, vor kurzem sagte ich über den Gipfel von Tampere, wir dürften kein unerreichbares Utopia anstreben, sondern müßten uns mit den durch die Tagesordnung von Tampere gebotenen konkreten Möglichkeiten ganz einfach an die praktische Arbeit machen. Zu meiner Freude ist der Rat so verfahren, wie die Berichte vom Gipfel und die Schlußfolgerungen der Ratspräsidentschaft beweisen. Dennoch wird das vage Ergebnis bei der Asyl- und Einwanderungspolitik beanstandet, und manche Kollegen im Europäischen Parlament mögen sich vielleicht wünschen, es bestünde bereits eine gemeinschaftliche Regelung. Meiner Meinung nach ist gerade die Umsicht, mit der die Zusammenarbeit herbeigeführt wird, für eine auf einer breiten Akzeptanz beruhenden Asyl- und Einwanderungspolitik ausschlaggebend.
Die Ergebnisse von Tampere atmen eine positive Haltung, in der sich eindeutig der Wunsch nach praktischer Zusammenarbeit widerspiegelt. Selbst das Parlament scheint vom positiven Tenor dieses Gipfels tief bewegt und hat ihn in seinem Entschließungsantrag übernommen. Daß im Entschließungsantrag des EP dennoch Kritik anklingt, hat mit dem Wunschtraum von dem einen gemeinschaftlichen Europa zu tun. Diesen Wunsch teile ich nicht. Wohl aber die Vorstellung von einer Union, deren Mitgliedstaaten sich in den Bereichen mit europäischer Dimension um eine gegenseitige Annäherung bemühen. Der Rat hat in Tampere einen richtigen Schritt in diese Richtung getan.
Turco (NI). – (IT) Frau Präsidentin, wieder einmal wird uns ein Dokument des Rates vorgelegt, das eine Diskrepanz zwischen der Verkündung und der Verwirklichung großartiger und hehrer Grundsätze offenbart. In Tampere wird wegen der dort getroffenen halbherzigen und unbedeutenden Entscheidungen nicht nur kein Europa gestaltet, sondern es wird die Gestaltung eines Europa verkündet, das wir – und wir meinen, auch die europäischen Bürger – so nicht wollen. Der viel gepriesene Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist nichts anderes als die Bestätigung eines bürokratischen und repressiven Politikverständnisses, bei dem viel von Sicherheit und wenig von Freiheit und Recht gesprochen wird; dies zeigen eine ganze Reihe von Regierungskonferenzen, Dublin, EUROPOL, EURODAC, EUROJUST und die gegenseitige Rechtshilfe, die allesamt eine Ausklammerung der demokratischen Kontrolle durch das Parlament wie auch derjenigen durch die Kommission und den Gerichtshof beinhalten.
Einmal mehr haben Sie entschieden, daß die Bürokratie über die Politik bestimmt, und nicht umgekehrt, wie dies in den großen Demokratien geschieht. Da Sie mit dem Dubliner Übereinkommen und mit EURODAC die europäische Bürokratie des Asylrechts geschaffen haben, werden Sie vielleicht eines Tages endlich eine europäische Asyl- und Einwanderungspolitik beschließen. Wie sollen wir mit den Instrumenten, die Sie uns vorschlagen, das organisierte Verbrechen bekämpfen können? Da wäre an erster Stelle EUROPOL, das aufgrund seiner Entstehung und seines Charakters als sich jeder demokratischen oder rechtlichen Kontrolle entziehendes Organ dank Ihrer Hilfe immer neue Kompetenzen an sich reißt; in diesem Sinne weist EUROPOL die Merkmale jenes Phänomens auf, das es eigentlich bekämpfen will.
Was die Drogenbekämpfungsmaßnahmen im Zeitraum 20002004 anbelangt, so drängt uns der Rat nun, in aller Eile dieses Dokument anzunehmen, obwohl, wie selbst die Kommission einräumt, keine systematische und strenge Bewertung der vermeintlichen Ergebnisse des vorangegangenen Aktionsplans stattgefunden hat. Die Kommission hat nicht nur den Vorstoß unternommen zu bekräftigen, daß das Ziel bei weitem nicht erreicht wurde, sondern sie hat auch festgestellt, daß der Rauschgifthandel und -konsum zunehmen, das heißt, ein Großteil des bislang ausgegebenen Geldes war keine Investition gegen die Droge, sondern eine Investition für ihre Verbreitung.
Und im Bereich der Freiheit? Der Rat schlägt vor, Artikel 13 des Amsterdamer Vertrages so minimalistisch wie möglich anzuwenden, indem die Ausarbeitung einer Charta der Grundrechte einem Gremium außerhalb der EU-Institutionen übertragen werden soll. Meine Damen und Herren Ratsmitglieder, das ist nicht das Europa, was wir wollen: ein zwischenstaatliches, demokratiefeindliches, unliberales Europa, das Sie als Institution zu vertreten die Aufgabe haben! Wir wollen wie Ernesto Rossi und Altiero Spinelli die Vereinigten Staaten von Europa, die föderal sind, und in denen Recht, Freiheit und Demokratie herrschen!
Pirker (PPE). – Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar! Ich möchte im Namen meiner Fraktion drei Fragen stellen und beantworten. Die erste Frage lautet: War dieser Gipfel von Tampere ein bedeutsamer Gipfel? Hierzu möchte ich dreimal ja sagen. Zum ersten deshalb, weil das Thema der inneren Sicherheit auf die Ebene der Regierungschefs gebracht und von den eher nationalen Befindlichkeiten der Justiz- und der Innenminister weggerückt wurde. In diesem Zusammenhang danke ich dem früheren Präsidenten Jacques Santer und José Maria Aznar, die auf dem Gipfel in Pörtschach waren und dort den Anstoß für den Sicherheitsgipfel in Tampere gegeben haben.
Zum zweiten war dieser Gipfel bedeutsam, weil er ein Signal an die Bürger Europas gegeben hat. Dieser Gipfel hat in seinem Sinn gesagt: Wir sind für eure Sicherheit da. Dort, wo die Mitgliedstaaten mit ihren Möglichkeiten am Ende sind, tritt die Union ein – in der Asylpolitik, in der Migrationspolitik, bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und in der Zusammenarbeit der Justiz. Zum dritten war dieser Gipfel deshalb bedeutsam, weil wir es bisher zwar geschafft haben, eine Wirtschafts- und eine Währungsunion in die Realität umzusetzen, aber dieser Sondergipfel hat den ersten Schritt gesetzt in Richtung einer Sicherheitsunion, in Richtung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger Europas.
Die zweite Frage ist: War dieser Gipfel ein Erfolg? Das können wir jetzt noch nicht mit Sicherheit beantworten. Wir werden 2001, wenn die ersten Ergebnisse vorliegen, sagen können, ob es bis dahin ein Erfolg war, und wir werden in fünf Jahren sagen können, ob Tampere ein Erfolg war. Was wir aber jetzt feststellen können, ist, daß es viele kleine Fortschritte und kleine Erfolge gegeben hat. Das Erste und Bedeutsame ist: Es hat erstmals eine klare Festsetzung von Zielen, von Verantwortlichkeiten und von Zeitvorgaben gegeben. Das heißt, es ist für uns kontrollierbar geworden, wie die Fortschritte tatsächlich eintreffen.
Das zweite Bedeutsame ist – und deshalb war Tampere ein Erfolg -: Es hat erstmals eine klare Trennung gegeben in Asylpolitik, die Politik der Arbeitsmigration und in die Politik für die Aufnahme von Kriegsvertriebenen, von temporären Flüchtlingen, und jeweils dazu entsprechende erste, konkrete Maßnahmen. In der Asylpolitik ist es bedeutsam, ein klares Bekenntnis zur Genfer Konvention abzugeben, sich zu raschen gemeinsamen Verfahren zu bekennen, aber auch die Mißbrauchsbekämpfung in Angriff zu nehmen. In der Migrationspolitik war es bedeutsam, eine klare Aussage zu machen, daß es ein Bekenntnis zur Steuerung gibt, zur Aufnahmekapazität und Integrationsfähigkeit eines Landes als eine Basis für diese Steuerung und auch hier ein Bekenntnis zur Bekämpfung des Mißbrauchs. Es hat erste Ansätze gegeben für vernünftige Maßnahmen in Richtung der Aufnahme temporärer Flüchtlinge.
Ein weiterer Punkt war das Ergreifen konkreter Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des organisierten Verbrechens, wie etwa mehr operative Kompetenz für EUROPOL, eine europäische Polizeiakademie oder verschärfte Maßnahmen gegen die Geldwäsche und die Kooperation mit den Kandidatenländern, denn sie sind sehr oft die Ursprungsländer des organisierten Verbrechens. Ein weiterer Punkt ist die Justizkooperation, die hier eingeleitet wurde, weil nur mit der Justizkooperation auch die Bekämpfung des organisierten Verbrechens erfolgreich verlaufen kann. Das heißt, es wird die Definition von Straftatbeständen geben, eine Harmonisierung des materiellen Strafrechts, die gegenseitige Anerkennung von Urteilen, EUROJUST wird eingerichtet und ein Schutz für Verbrechensopfer; eine Fülle von Maßnahmen, die bedeuten, es ist ein Erfolg.
Lassen Sie mich noch kurz die Frage stellen: Was sind kritische Anmerkungen? Eine Verkündung der Ergebnisse von Tampere, wie sie hier durch den Rat vorgenommen wurde, ist eine absolute Fehlinterpretation des Vertrages von Amsterdam. Kooperation mit dem Parlament heißt auch Kooperation im zuständigen Ausschuß. Hier haben wir die Justiz- und Innenminister im Ausschuß für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten vermißt. Es ist wenig Konkretes zur Arbeitsmigration herausgekommen, leider kein einheitliches Asylsystem und nichts zur Lastenteilung.
Insgesamt allerdings darf ich feststellen: Tampere war trotz all der kritischen Anmerkungen, die auch zu machen sind, vorerst ein Erfolg! Es war ein erster Schritt in Richtung einer Sicherheitsunion, und jetzt laßt uns gemeinsam an die Arbeit gehen im Interesse der Sicherheit und der Bürger Europas!
(Beifall)
Myller (PSE). – (FI) Frau Präsidentin, zunächst möchte ich dem Präsidenten des Europäischen Rates zum Erfolg der gut organisierten Gipfelkonferenz von Tampere gratulieren, deren Ergebnisse selbst die Prognosen übertroffen haben. An den erreichten Ergebnissen hatte die Ratspräsidentschaft entscheidenden Anteil.
Der außerordentliche Gipfel von Tampere hatte eine um so größere Bedeutung, da der Bereich Justiz und Inneres erst noch auf der gemeinsamen Themenliste der Europäischen Union zu verhandeln ist. In Anbetracht der Vertragsgrundlage waren die bisher unternommenen Schritte dürftig. Die zu behandelnden Probleme sind schwierig und können leicht zu Widersprüchen führen. Jedoch erfordern Probleme, die die Sicherheit der Bürger betreffen, wie die Bekämpfung der Kriminalität, unbedingt einen Einsatz auf Unionsebene. Im Rahmen eines echten Europäischen Rechtsraumes müssen Ermittlungen zu Straftaten angestellt und Strafverfahren eingeleitet werden. Dies erfordert die gegenseitige Anerkennung der gerichtlichen Entscheidungen und Urteile und die weitere Vereinheitlichung der Strafgesetze, was insbesondere auf den Bereich der Wirtschaftskriminalität zutrifft.
Wichtig war, daß vorbeugende Maßnahmen für die Verbrechensbekämpfung als ein Problem angesehen wurden, daß auf Unionsebene zu behandeln ist. Dabei gilt unsere Aufmerksamkeit insbesondere den Jugendlichen, wir müssen uns um Arbeits- und Ausbildungsplätze für Jugendliche kümmern. Es muß uns gelingen, den Solidargedanken in der europäischen Sozialpolitik stärker zu entwickeln, um Ausgrenzung zu verhindern, zu mehr Eigeninitiative anzuspornen und um allen Bevölkerungsgruppen, auch den Einwanderern, Chancengleichheit zu garantieren.
Die Ergebnisse des Gipfels von Tampere haben auch deutlich gemacht, daß es uns nicht darum geht, die „Festung Europa“ auszubauen, sondern daß wir sehr wohl Verantwortung übernehmen wollen. Die Bestätigung des neuen, umfassenden Ansatzes für Einwanderungs- und Asylfragen, die allumfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention durch den Europäischen Rat sowie der Beschluß zur Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sind Schritte in die richtige Richtung.
Uns muß natürlich klar sein, daß wir erst am Anfang unserer Arbeit stehen und die größten Aufgaben noch vor uns liegen. Wichtig ist die Berücksichtigung der Frage der Beitrittsländer und der regionalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Diese Aufgaben setzen eine enge Zusammenarbeit in allen Bereichen voraus. Auch gilt es, die Bürger der Mitgliedstaaten stärker in den Prozeß einzubeziehen und sich unionsweit ihrer Unterstützung für die anstehenden Beschlüsse zu versichern.
Watson (ELDR). – (EN) Frau Präsidentin, ich möchte dem Rat und der Kommission zu den in Tampere erzielten Fortschritten in so vielen Bereichen gratulieren und mich den Ausführungen meiner Kollegin, Baroness Ludford, von der Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei Europas anschließen.
In der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, möchte ich auf zwei Punkte eingehen. Der erste Punkt ist die Stellung der Bürger aus Drittstaaten, den vielen Millionen Mitmenschen, die zwar keine Bürger der Union sind, aber entweder rechtmäßig hier leben oder Asyl genießen. Ich begrüße einige der Fortschritte, die in Tampere erreicht worden sind: Dazu gehört zum Beispiel die Absicht, diesen Menschen vergleichbare Bürgerrechte zu gewähren sowie die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Wenn wir über die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sprechen, müssen wir jedoch erkennen, daß gerade diesen Menschen ihre Rechte immer wieder vorenthalten werden. Sie werden leider noch allzu oft mit Kriminellen gleichgestellt. Rassistische Jugendliche in den Städten sind eine Schande für die Gesellschaft, und rassistische Polizisten sind eine noch größere Gefahr für die Gesellschaft.
Ich begrüße die anvisierte Prozeßkostenhilfe sowie die bessere Information der Bürger über die Rechtssysteme und weiß, daß Fortschritte bei der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen möglich sind. Trotzdem sind hohe gemeinsame Standards in bezug auf die Zuständigkeit der Justiz notwendig, und ich hoffe, hier werden weitere Aktivitäten folgen. Der Schutz der Opfer und das Recht auf Entschädigung müssen sichergestellt sein, in einer menschenwürdigen Gesellschaft müssen jedoch auch die Rechte von Angeklagten gewahrt werden.
Der zweite Punkt ist die Einbeziehung der Bürger. Der amtierende Ratspräsident hob die beim Gipfel in Tampere erreichte höhere Effizienz und Transparenz hervor. Er bezeichnete sie als wichtige Elemente für das Bemühen der Union, das Vertrauen der Bürger zu erlangen. Er sprach davon, den Rat für die Kontrolle durch die Öffentlichkeit öffnen zu wollen und verwies auf andere Reformen. Er sagte, er hoffe, der finnische Ratsvorsitz werde in dieser Hinsicht einen bleibenden Eindruck in der Union hinterlassen.
Als Vorsitzender des Ausschusses für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und Innere Angelegenheiten möchte ich den amtierenden Ratsvorsitzenden auffordern, der Rolle des Parlaments bei Bürgerfragen mehr Bedeutung beizumessen. Man hätte das Europäische Parlament auf informeller Ebene zu weit mehr Aussprachen im Zusammenhang mit dem Gipfel von Tampere einladen können. Der Ratsvorsitz hätte einen Vertreter in unseren Ausschuß entsenden können, um uns über die Ergebnisse der Tagung zu informieren. Erkennt man im Ratsvorsitz die Legitimation des Europäischen Parlaments an, oder fürchtet man unsere Beteiligung? Ich möchte einen Appell an den Ratsvorsitz richten: Legen Sie Ihre Vorbehalte ab, und sprechen Sie mit uns. Ich hoffe, wir können durch unsere Mitarbeit in dem Gremium, das die Charta der grundlegenden Menschen- und sozialen Rechte erarbeitet, unter Beweis stellen, daß eine gute Zusammenarbeit zwischen Ratsvorsitz und Parlament möglich ist.
Ich würde es begrüßen, wenn bei der weiteren Arbeit in diesem Bereich, in dem das Parlament so oft direkt mit dem Rat zusammenarbeiten muß, eine weit effektivere Kooperation zwischen uns möglich wäre. Ich hoffe, wir werden von dem auf eine höhere Ebene verlagerten Prozeß des Regierens mittels Gipfeltreffen stärker auf die Ebene des Regierens auf der Arbeitsebene zurückkehren.
(Beifall)
Ceyhun (Verts/ALE). – Frau Präsidentin! Ich kann nur den Redebeitrag von Herrn Watson unterstützen und deutlich machen, daß trotz der schlechten Vorbereitung, nachdem das Parlament von der finnischen Ratspräsidentschaft wirklich ausgegrenzt und überhaupt nicht informiert wurde, das Ergebnis dennoch begrüßenswert ist. Da müssen wir vom Parlament natürlich gleich einen Dank an Herrn Kommissar Vitorino richten, denn sein Beitrag war entscheidend, was das Ergebnis betrifft. Ich denke, die finnische Präsidentschaft sollte daraus lernen: Wenn man bereit ist zu kooperieren, dann kann man auch vernünftige Ergebnisse erzielen. Das haben wir gesehen, als die Kommission sich eingesetzt und vieles gerettet hat, was zu retten war. In diesem Sinne – meine Kollegin Boumediene-Thiery von meiner Fraktion hat das eigentlich schon alles gesagt – möchte ich ergänzend nur hinzufügen: Jetzt haben wir ein gutes Ergebnis. Es gibt noch offene Fragen, und 2000/2001 sind die entscheidenden Jahre, in denen letztendlich vieles unternommen werden wird. Ich hoffe, daß die zukünftigen Ratspräsidentschaften Kommission und Parlament informieren und unterstützen werden, damit wir am Ende dieses gute Ergebnis umsetzen können.
Frahm (GUE/NGL). – (DA) Frau Präsidentin, nach dem Gipfeltreffen in Tampere sind viele schöne Formulierungen entstanden, damit aber diese schönen Worte auch Wirklichkeit werden, damit den humanistischen Prinzipien Rechnung getragen wird, ist es unabdingbar, daß die Menschen die Festung Europa betreten können. Wir müssen endlich ernsthaft zu einer Politik finden, bei der zwischen Asylpolitik und Einwanderung unterschieden werden kann. Wir müssen damit beginnen, eine seriöse Politik zu verfolgen, die eine Zusammenarbeit mit dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlingsfragen bei der Lösung der europäischen und weltweiten Flüchtlingsprobleme einschließt. Meiner Meinung nach ist die Zeit reif für Überlegungen zur Einführung einer echten Einwanderungspolitik der EU. Ich möchte den Rat dazu auffordern, in dieser Richtung Überlegungen anzustellen.
Im übrigen erfordern besondere Situationen auch besondere Maßnahmen, für deren Kosten ein spezieller Fonds eingerichtet werden mußte, damit die Zahlungen für diese besonderen Situationen nicht zu Lasten laufender Projekte erfolgen. Im Moment besteht die Gefahr, daß Afrika für die Maßnahmen zahlen wird, die von der EU im Kosovo geplant sind.
Abschließend möchte ich sagen, daß ich kein scoreboard im juristischen Bereich unterstützen kann. Für mich ist das eine Integration durch die Hintertür, ein Schritt in Richtung auf die Vereinigten Staaten von Europa. Das paßt nicht zur demokratischen Vorgehensweise, die Herr Vitorino meiner Ansicht nach eigentlich befürwortet. Will man diesen Schritt tun, dann sollte er in aller Offenheit getan werden.
Muscardini (UEN). – (IT) Frau Präsidentin, auf dem Gipfel von Tampere wurde endlich beschlossen, daß es notwendig ist, die Asyl- und die Einwanderungspolitik zu harmonisieren, die Zusammenarbeit bei den Ermittlungen zu verstärken und einen europäischen Rechtsraum auszugestalten. Alleanza Nazionale hat diese Forderungen seit mindestens acht Jahren in diesem Haus unterstützt, weshalb wir uns freuen, daß die 15 im Ansatz zu einem gemeinsamen Standpunkt gefunden haben, und uns wünschen, daß den Worten auch Taten folgen.
Es liegt auf der Hand, daß es ohne Sicherheit keinen sozialen Frieden geben kann; die Kriminalität muß auch im Wege einer strikten Kontrolle der illegalen Einwanderung bekämpft werden. Die Einwanderung ist inzwischen ein Phänomen, das alle europäischen Länder betrifft und das, wenn es nicht zu Ungleichgewichten und Spannungen in unseren nationalen Gesellschaften führen soll, in all seinen Aspekten auf der Grundlage gemeinsamer Normen reguliert und kontrolliert werden muß. Einen europäischen Rechtsraum zu gestalten bedeutet, die Ungleichheiten zwischen den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten abzuschaffen und in diesem Bereich das Bild einer Union mit mehreren Geschwindigkeiten zu verändern. Ein Rechtsraum wird den dritten Pfeiler Form und Gestalt annehmen lassen und es ermöglichen, intensiver gegen das organisierte Verbrechen in all seinen tragischen Erscheinungsformen – Frauen- und Kinderhandel, Pädophilie, Kinderprostitution, Drogenherstellung und Drogenhandel oder Ausbeutung der Prostituierten –, die in jüngster Zeit aufgrund der illegalen Einwanderung zugenommen haben, vorzugehen.
Meines Erachtens ist es schwer vorstellbar, daß dies alles in kurzer Zeit geschehen kann, wenn nicht auch den Nationalstaaten ein starkes Signal gegeben wird. Allein in Italien sind 1998 130 000 Verbrechen verjährt, und selbst die Richter räumen ein, daß das Strafgesetzbuch gescheitert und das italienische Rechtssystem bankrott ist. Entweder wird es gemeinsame Rechtsvorschriften geben, oder wir werden nicht imstande sein, zum Reifeprozeß Europas beizutragen und ein Ausufern der Kriminalität zu verhindern. Dazu müssen wir uns angesichts der offenen Grenzen auch mit dem Problem auseinandersetzen, wie verhindert werden kann, daß Sicherheitsgesetze in einem Mitgliedstaat in Kraft sind und in einem anderen nicht.
Krarup (EDD). – (DA) Es gibt grenzüberschreitende juristische Probleme, die eine Zusammenarbeit notwendig machen, vor allem Probleme technischer Art, mit deren Lösung wir Juristen beauftragen sollten. Aber die Ambitionen, die jetzt im Entschließungsantrag über das Gipfeltreffen in Tampere und in den Mitteilungen der Kommission dominieren, gehen weit darüber hinaus. Der Grund dafür ist in der versteckten Absicht zu suchen, nicht nur technische Probleme zu lösen, sondern einige länderübergreifende Systeme einzuführen. Es war die Rede von „der Schaffung einer Sicherheitsunion“. Das ist Teil des Unionsprojekts, der Entwicklung einer Union, wobei man viel weiter geht, als erforderlich ist. Wenn von Angelegenheiten der Bereiche Justiz und Inneres die Rede ist, berühren wir den Kernpunkt des nationalen Selbstbestimmungsrechts. Wir reden von gemeinsamen Maßnahmen in bezug auf Kriminalität, Flüchtlinge und Einwanderung, aber das Problem besteht darin, zu klären, welche Politik wir verfolgen sollen. Über die Drogenkriminalität beispielsweise gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Es gibt ganz verschiedene Rechtstraditionen, rechtspolitisch kann man von einer repressiven und einer liberalen Einstellung sprechen. Dasselbe gilt für die Frage der Flüchtlinge und Einwanderer. Ich warne vor der Einführung länderübergreifender Systeme. Wir sollten nicht übertreiben und einen kühlen Kopf bewahren!
Hager (NI). – Frau Präsidentin! Noch stehen wir alle unter dem Eindruck der Wahlen vom Juni, bei denen eine deutliche, absolute Mehrheit errungen wurde. Allerdings von den Nichtwählern, also von den an der Entwicklung der Union Uninteressierten oder mit der Entwicklung nicht Einverstandenen, wahrscheinlich ein Meilenstein der Demokratie. Ob den Schlußfolgerungen des Vorsitzes, ob dem Ergebnis vom Tampere die dort gewählte Bezeichnung Meilensteine zukommt, muß sich erst zeigen.
Spätestens in Amsterdam hat man erkennen müssen, daß man die Grenzen der Integrationsbereitschaft erreicht hat. Nach Amsterdam bestand weitgehend Übereinstimmung darin, daß das Instrument der Regierungskonferenz nicht mehr tauglich ist. Durch die peinlich niedrige Wahlbeteiligung wurden diese Analysen eindrucksvoll bestätigt. Dennoch geht im wesentlichen alles so weiter wie bisher. Die Regierungskonferenz soll zwar ein neues Gesicht bekommen, die Grundprobleme bleiben aber die gleichen. Die Erklärungen von Tampere zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes, der verbesserte Zugang zum Recht, die Bemühungen um eine intensivere Bekämpfung der Kriminalität sind zweifellos positiver für die Bilanz. Anders schon die Ergebnisse der Asyl- und Migrationspolitik. Dort nämlich, wo es darum ging, gemeinsame vor Einzelinteressen zu stellen – bei der gerechten Lastenverteilung etwa – war kein Einvernehmen herzustellen. Unsere Schlußfolgerung daher: Tampere – wichtige Schritte wohl, aber kaum Meilensteine.
Brok (PPE). – Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, meine Damen und Herren! Tampere ist ein wichtiger Schritt nach vorne gewesen, und ich glaube, mit den Initiativen, ein wirkliches Europa der Bürger im Bereich der Rechts- und Innenpolitik zu schaffen, wurde ein großer Fortschritt erzielt. Aber Sie werden feststellen, daß Sie, wenn es um die praktische Umsetzung geht, die Ziele nur erreichen werden, wenn die Möglichkeiten des Vertrages von Amsterdam genutzt werden, diese Bereiche auch mit Mehrheit zu entscheiden. Daher sollte man vielleicht im Vorfeld der Regierungskonferenz in Helsinki dieses Thema noch einmal ansprechen, denn diese Entscheidung kann ja ohne Regierungskonferenz durch einfache Ratsentscheidung getroffen werden.
Rechts- und Innenpolitik hat zweierlei Aufgaben, nämlich dem Bürger Sicherheit vor Verbrechen zu geben, aber auch Sicherheit vor staatlichen Übergriffen. Beides ist in einem liberalen Gemeinwesen Aufgabe der Rechts- und Innenpolitik. Deswegen steht es auch in Verbindung mit dem, was in Tampere geleistet worden ist, eine Charta der Grundrechte zu schaffen. Ich möchte der finnischen Ratspräsidentschaft dafür danken, wie sie dieses Verfahren in Gang gesetzt hat, und daraus muß jetzt eine Eigendynamik entstehen, die letztlich auch zu Verbindlichkeiten für uns und Rechten für die Bürger führt. Dabei soll hier keine neue Revisionsinstanz für die nationalen Grundrechtekataloge entstehen, aber ein eigener Rechtsanspruch, der das Handeln der europäischen Institutionen und die Gesetzgebung für die Bürger betrifft. Ich glaube, daß wir auf Dauer dahin kommen sollten.
Gleichzeitig möchte ich die Ratspräsidentschaft bitten, entsprechend der Vorlage der Kommission doch die Möglichkeit zu geben, in Vorbereitung der Regierungskonferenz einen eigenen Vorschlag zu unterbreiten, um Arbeitsmethoden entsprechend sinnvoll umzusetzen. Dies ist ein wirklich wirkungsvoller Weg, um voranzukommen.
Herr Ratspräsident, lassen Sie mich bitte eine letzte Bemerkung machen zu dem Pack-Bericht, der heute zur Abstimmung steht. Das Europäische Parlament hat keine institutionellen Vorstellungen dazu. Es möchte nur eine effiziente Haltung an den Tag legen, und in der Sache gibt es auch weitestgehend Übereinstimmung. Unter diesem Gesichtspunkt und unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Rates betreffend die Zuständigkeit der Agentur sollte man zu Vereinbarungen kommen, um auf Dauer eine Aussöhnung auf dem gesamten Balkan zu erreichen und eine Anbindung an den Stabilitätspakt durchzusetzen. Die beratende Rolle des Verwaltungsrates bei der Entscheidung über Einzelprojekte des Wiederaufbaus sollte herausgestrichen werden. In diesem Zusammenhang gibt es sicherlich eine breite Übereinstimmung, eine vernünftige Arbeitsteilung zwischen Pristina und Saloniki zu erzielen, um hier möglichst viel Effizienz zu erreichen. Es wäre hilfreich, wenn Sie dazu eine Position einnehmen könnten, die uns die Entscheidung um 12 Uhr erleichtern könnte.
Berès (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar, ich weiß nicht, ob es einen Geist von Tampere geben wird. Jedenfalls bin ich ziemlich sicher, daß Tampere eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Schaffung eines Europas der Bürger darstellen wird, für das wir nun entschlossen kämpfen müssen. In diesem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, den wir errichten möchten, zählen diese drei Begriffe, und Tampere handelt in allen drei Bereichen. Daher kommt Ihnen, Herr Kommissar, in Zukunft eine große Verantwortung zu, wenn sie sich für die Ausarbeitung dieses Instrumentariums einsetzen. Sie halten das Steuer in der Hand, und wir setzen große Erwartungen in Sie.
Hinsichtlich der Frage der Grundrechte ist die Einsetzung des Gremiums, das dem Parlament die Mitarbeit an einer Charta ermöglicht, ein Element, aber inhaltlich wird es zu Debatten kommen, denn unseres Erachtens muß diese Charta direkte Auswirkungen haben, das heißt, die Bürger müssen den Gerichtshof dazu anrufen können, und sie muß auch neue Rechte für die Europäer des 21. Jahrhunderts beinhalten.
Hinsichtlich der Einwanderung stellt Tampere meines Erachtens eine bedeutende Etappe dar, und zwar aufgrund der Einbeziehung dessen, was man eine Strategie der gemeinsamen Entwicklung nennen könnte, das heißt, indem man anerkennt, daß die Lösung des Einwanderungsproblems voraussetzt, sich eingehend mit den Ursachen für die Flüchtlingsphänomene zu befassen. Dasselbe gilt für die Anerkennung des Rechts auf Einbürgerung für die Bürger aus Drittstaaten. Außerdem sind wir der Ansicht, daß der französische, der deutsche und der britische Beitrag zum Asyl- und Einwanderungsrecht im Rahmen dieser Auseinandersetzung Elemente beisteuern werden, die man stärker berücksichtigen sollte.
Im rechtlichen Bereich messen wir der gegenseitigen Anerkennung der gerichtlichen Entscheidungen im Zivil- und Strafrecht eine besondere Bedeutung bei. Dies ist wesentlich für uns, denn dahinter steht die Realität eines Europas der Bürger, in dem das Familienrecht auch zu einem Recht für binationale Paare wird und nicht nur einer Quelle von Schwierigkeiten. Daher fordern wir Sie, Herr amtierender Ratspräsident, auf, umgehend das Brüssel II-Übereinkommen einzubeziehen, denn dies ist ein dringliches Anliegen und ein Rechtselement, auf das viele Familien warten.
Des weiteren – dies wird Sie nicht überraschen – halten wir in diesem Parlament den demokratischen Charakter der Verfahren für relativ wichtig. Aus diesem Grund fordern wir, daß die im Amsterdamer Vertrag vorgesehenen legislativen Verfahren nicht umgangen werden. Des weiteren fordern wir, daß diese Fragen im Bereich der polizeilichen und gerichtlichen Zusammenarbeit in Strafsachen in Zukunft vergemeinschaftet werden können.
Und schließlich fordern wir, wenn es einen Geist von Tampere gibt, daß Titel IV des Amsterdamer Vertrags bereits vorzeitig umgesetzt wird. Wir würden dies für einen Beweis des guten Willens aller Partner ansehen.
VORSITZ: JAN-KEES WIEBENGA
Vizepräsident
Wuori(Verts/ALE). – (FI) Herr Präsident, der Rat in Tampere war durchaus ein Meilenstein auf dem Weg zur Vertiefung der Zusammenarbeit und Festigung der Solidarität zwischen den Regierungen. Da sich der konkrete Wille vor allem auf den Teilbereich der Sicherheit konzentrierte, kann festgestellt werden, daß von hier ab die Richtung etwas unsicher und der Gang schleppend, ungleichmäßig sein kann. Das Ergebnis ist deshalb trotz vieler positiver Züge für die Grund- und Menschenrechte zunächst als ein Sieg der Abwehr zu bewerten. Wir müssen hinsichtlich der weiteren Vorbereitung, die transparent sein muß, besonders wachsam sein. Der Weg nach Tampere war sehr dunkel. Wir brauchen mehr Licht!
Sylla (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, in Tampere wurde die Ausarbeitung einer Europäischer Charta der Grundrechte beschlossen.
Die Tatsache, daß in Fragen der Einwanderungs- und Asylpolitik das HCR konsultiert werden soll, kann man als bedeutenden Fortschritt werten. Ich bedauere es, daß die Menschenrechtsorganisationen und die Antirassismusbewegungen sowie die Sozialpartner jetzt schon von der Ausarbeitung dieser Charta ausgeschlossen wurden. Ich meinerseits möchte hier diesen Frauen und Männern meine Anerkennung aussprechen. Ihre Einsatzbereitschaft und ihre Arbeit vor Ort haben den Wiederaufbau eines sozialen Netzes ermöglicht und zu einem Rückgang des Rassismus, des Hasses und der Mißachtung im täglichen Leben beigetragen.
Die Einbeziehung dieser wichtigen Kräfte würde bei der Behandlung der einwanderungs und asylpolitischen Fragen die Möglichkeit bieten, eine verkürzte Sicht in der Debatte zu vermeiden. Allzu oft werden die Begriffe Arbeitslosigkeit, Unsicherheit und Einwanderung in einen Topf geworfen. Wenn man heute zu hören bekommt, man werde mittels EURODAC die Fingerabdrücke von Asylbewerbern und Minderjährigen erfassen, so ist dies unannehmbar, und wenn ein derartiges Vorgehen damit begründet wird, es sei einfacher als eine DNA-Analyse, so ist dies fast völlig unverständlich.
Wir müssen im Gegenteil Rechtsgleichheit schaffen und die Einwanderer wie vollberechtigte Bürger behandeln. Dazu gehören die Familienzusammenführung, die Bekämpfung der Diskriminierungen im Bereich der Wohnung, der Arbeit und der Freizeitaktivitäten sowie volle Anwendung des Territorialprinzips (Bodenrecht). Und angesichts der täglichen Erniedrigungen, denen die Einwanderer ausgesetzt sind, ist es gerecht und normal, ihnen das Wahlrecht zu geben. Die Legalisierung der Immigranten ohne Aufenthaltspapiere und die Abschaffung der doppelten Bestrafung würden dieser Charta schließlich ihre volle Berechtigung geben.
Erlauben Sie mir noch die Anmerkung, daß in Tampere ein äußerst bedeutsamer Satz gesagt wurde. Diese Charta wird, angesichts der extremistischen Auswüchse….
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Holmes (EDD). – (EN) Herr Präsident, die auf dem Gipfeltreffen in Tampere besprochenen Themen sind für alle Menschen wichtig, die das Gesetz achten: Es ging um Asyl, Einwanderung, grenzüberschreitende Kriminalität und nicht zuletzt den todbringenden Drogenschmuggel der abscheulichen Drogenbarone. Weder Krankheiten noch die Kriminalität machen an den Grenzen halt. Daher gibt es keine stichhaltigen Gründe gegen die Treffen der Staats- und Regierungschefs, bei denen, wie zuletzt in Tampere, über diese Probleme gesprochen wird. Dennoch ist Vorsicht angebracht. Viele Bürger im Vereinigten Königreich befürchten, daß diese Themen und die großen Ankündigungen lediglich ein neuer taktischer Schachzug der EU und ihrer Institutionen sind.
Wir kennen das bereits: Zuerst ist da das Problem, ein drängendes Problem, über das die Bürger zu Recht besorgt sind, an zweiter Stelle folgt das Gipfeltreffen und dann wird eine Lösung verkündet. Der Kern der Sache ist doch der, daß ungeachtet des jeweiligen Problems immer dieselbe Lösung angeboten wird, nämlich Erweiterung der Machtbefugnisse der EU und ihrer undemokratischen Institutionen. Die Problematik von Asyl, Einwanderung und grenzüberschreitender Kriminalität und die Art und Weise der Rechtsprechung stehen mit den Menschenrechten und den Grundfreiheiten des einzelnen als Fragen von grundlegender Bedeutung in direktem Zusammenhang.
Was wir hier in Betracht ziehen, ist, der EU und den sich keiner Wahl stellenden Bürokraten noch mehr Macht zur Kontrolle unserer Freiheiten zu geben, mehr Macht für die Organisation, der wir die unschätzbaren Vorzüge der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Gemeinsamen Fischereipolitik zu verdanken haben. In beiden Bereichen sind die Ergebnisse absolut katastrophal. Die britischen Fischer und Bauern sind schon jetzt die Opfer des durch nichts zu stoppenden ehrgeizigen Strebens der Europäischen Union. Daher müssen wir uns, bevor wir uns mit der Übertragung weiterer Befugnisse an die Europäische Union auch nur ansatzweise befassen, ihre früheren Aktivitäten und Fehler ins Bewußtsein rufen. Die Fischerei und die Landwirtschaft sind Gegenstand der bewährtesten Politik, einer Politik, die sich so bewährt hat, daß sie bereits bis an den Rand der Zerstörung vorgedrungen ist.
Lassen Sie uns die Theorie vergessen, Kollegen. Vergessen wir die vollmundigen Ankündigungen und betrachten wir die Folgen. Gäbe es einen Preis für leeres Geschwätz, die EU stünde besser da als jeder andere in der Welt. Bei der Leistung sieht es allerdings anders aus, hier bildet die EU das Schlußlicht. Hier klafft eine riesengroße Lücke, eine unüberbrückbare Lücke. Wenn es um Fragen der Freiheit geht, ist die EU noch nicht einmal in der Lage, die Fischerei zu regeln, oder sich um unsere Landwirte zu kümmern. Warum sollten wir ihr unsere Freiheit und Sicherheit anvertrauen? Man kann viel mehr erreichen, wenn man die bestehenden nationalen Institutionen einsetzt, und eine internationale Organisation …
(Der Präsident unterbricht den Redner.)
de Gaulle (NI). – (FR) Herr Präsident, General de Gaulle sagte einmal, mit hochherzigen Gefühlen kann man keine gute Politik machen.
In dieser Hinsicht markiert der Rat von Tampere eine neue Etappe in der Verdrängung der Realitäten. Liest man das Protokoll dieser Konferenz, so gewinnt man nämlich den Eindruck, daß sich die Besonderheiten der europäischen Völker in einer Art internationalem Melting Pot auflösen sollen, in dem Einwanderern – ich zitiere „vergleichbare Rechte und Pflichten wie EU-Bürgern zuerkannt“ werden sollten und „die Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen der Rechtsstellung der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten angenähert werden sollte", und all dies aufgrund eines sogenannten Grundsatzes der Nichtdiskriminierung.
All diese hochherzigen Gefühle werden natürlich lediglich dazu führen, daß die Einwanderungsströme und somit die Arbeitslosigkeit und die Unsicherheit noch weiter zunehmen. Eine realistische Einwanderungspolitik hingegen müßte die Situation der Einwanderer in Europa erschweren, indem sie insbesondere jegliche soziale Unterstützung abschafft – eine Politik, die sich übrigens der amerikanische Kongreß zu eigen gemacht hat –, und indem sie die Wirtschaftshilfe für die Länder, die die Einwanderung fördern, reduziert und systematische Abschiebungen einführt.
Dazu müßten wir aber mit der gängigen Ideologie brechen, wir müßten die Medien anprangern, die, wie etwa der Fernsehsender ARTE, diese Ideologie verbreiten, und wir dürften ganz allgemein keine Furcht vor unserer sozialen und kulturellen Überlegenheit mehr haben. Wir können nicht alles Elend dieser Welt, die Unfähigkeit mancher Leute, ihr Leben richtig zu organisieren, oder die Rachsucht der ehemaligen Kolonialvölker auf uns nehmen. Es ist ganz natürlich, daß bestimmte Menschengruppen andere beherrschen wollen. Wir Völker in Europa müssen uns in diesem Kampf als die stärksten erweisen. Falls wir diesen Kampf nicht führen, wird Europa, wie jeder, der nicht mehr weiterkämpft, in der Masse untergehen.
Hernández Mollar (PPE). – (ES) Herr Präsident! Mit dem Rat von Tampere wurde ein wichtiger Schritt für das europäische Aufbauwerk getan. Als Spanier erfüllt es mich auch mit Genugtuung, daß der spanische Regierungschef José Mª Aznar diesem Gipfel einen kräftigen Impuls verlieh. Die europäischen Bürger reagieren sehr empfindlich, wenn ihre Freizügigkeit mit der Freizügigkeit derer gleichgesetzt wird, die sie für Angriffe auf ihre Sicherheit ausnutzen. Es darf nicht sein, daß sich die Terroristen oder die Drogen- und Menschenhändler oder andere Kriminelle frei im europäischen Raum bewegen, nur weil der Polizei und Justiz Fesseln angelegt sind.
Eine gute Nachricht für die Bekämpfung des Terrorismus, auch wenn die Entschließung des Parlaments das nicht sagt, dürfte die Abschaffung des förmlichen Auslieferungsverfahrens im Fall von rechtskräftig verurteilten Personen sein. Meiner Meinung nach müßte auch die Kommission im neuen Geist von Tampere und als Hüterin der gemeinschaftlichen Rechtsordnung für die Einhaltung der Richtlinien zur Verfolgung der Geldwäsche sorgen, deren Nichtbeachtung eine wirksame Zusammenarbeit der Justiz verhindert, wie beispielsweise im Fall von Gibraltar.
Gleichzeitig muß der im Rat bekundete Wille zur Bekämpfung der Schleusernetze umgehend mit überzeugenden und wirksamen Aktionen von Polizei und Justiz durchgesetzt werden. Die Straße von Gibraltar und die Küsten Andalusiens sind stumme Zeugen für den tragischen Tod von Menschen. Es darf keinen Toten mehr geben, Herr amtierender Ratspräsident, keinen weiteren Toten.
Der amtierende Ratspräsident ist auch auf die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern auf der Grundlage von Aktionsplänen eingegangen. Ich hoffe, daß die Ratspräsidentschaft diesem Parlament von jetzt an mehr Erläuterungen über deren Inhalt gibt. Ich bitte Sie, Herr amtierender Ratspräsident, um mehr Klarheit und Transparenz bei diesem Thema. Wir möchten die Aktionszeiträume und den finanziellen Rahmen, in dem sie sich bewegen, erfahren und wissen, welche Verantwortung die Kommission bei diesen Plänen hat.
Schließlich, Herr amtierender Ratspräsident, kann ich nicht verstehen, wie das Mandat für die Einleitung weiterer Aktionspläne erweitert werden soll, wenn noch nicht einmal die kürzlich beschlossenen auf den Weg gebracht wurden.
Terrón i Cusí (PSE). – (ES) Herr Präsident! Die Ergebnisse des Gipfels von Tampere geben meiner Meinung nach ein grundsätzlich positives Signal für die Bürger der Europäischen Union, weil sie Fragen zur Sprache bringen, die uns alle angehen, aber vor allem, weil sie die Tür für die Durchsetzung von Politiken öffnen, die von den Bürgern selbst gefordert werden. Ich möchte Tampere als einen Ausgangspunkt, als eine Tür verstehen, die sich öffnet und uns einen Weg weist, den wir in den nächsten Monaten beschreiten können, denn es gibt einige Fragen, die ich mir stelle, und ich hoffe, daß sie auf diesem Weg gelöst werden.
Auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung und der Schaffung eines Rechtsraums haben wir, glaube ich, Fortschritte erzielt, und das ist positiv. Aber ich möchte vor allem auf die Migrationsfrage eingehen. Meiner Meinung nach war es auch positiv, die Notwendigkeit einer gemeinsamen Asylpolitik aufzugreifen, aber sie muß finanziert werden. Auch muß man sich der Realität der Einwanderung stellen. Ich hoffe, daß wir in den nächsten Tagen mehr Informationen erhalten, was der Rat zu tun gedenkt und wie er die in Tampere beschlossenen Maßnahmen umsetzen will.
Die angenommenen Aktionspläne halte ich für interessant. Diese mehrere Säulen betreffende Politik eröffnet Möglichkeiten, die uns zum Erfolg führen können, aber sie weckt in mir auch viele Fragen dahingehend, durch wen und wie diese Aktionspläne durchgeführt werden sollen und ob der Rat uns irgendwann Informationen über die Ergebnisse des schon in Gang gesetzten Aktionsplans in bezug auf den Irak geben wird.
Wichtig erscheint mir auch die Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Aber ich glaube, zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung müssen wir erreichen, daß es interessanter ist, sich an ein Konsulat der Union statt an eine Schleuserbande zu wenden. Wenn wir, wie Herr Hernández Mollar sagte, der Schande, daß es an unseren Grenzen Tote gibt, ein Ende setzen wollen, müssen wir eine echte gemeinsame Einwanderungspolitik – die wir in Tampere vermißt haben – und neue Initiativen bieten sowie jenen, die in der Union leben, ein gleichberechtigtes Leben ermöglichen.
Krivine (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, trotz aller schönen Worte, die wir soeben gehört haben, ist es meines Erachtens offensichtlich, daß der Berg von Tampere gekreißt und eine Maus geboren hat. Die einzige verabschiedete Entschließung bestand darin, sich zu entschließen, eine Entschließung zur Lösung der anstehenden Probleme zu einem späteren Zeitpunkt zu verabschieden.
Es ist jedoch Eile geboten. Während in Tampere alle Staaten ihren Einsatz für die Menschenrechte gelobten, hat die belgische Regierung unter Gewaltanwendung per Charterflug Dutzende von Zigeunern in die Slowakei abgeschoben. In Frankreich haben aufgrund einer Gesetzesänderung fast 70 000 Einwanderer keine gültigen Papiere mehr und befinden sich somit illegal im Lande. In Saint-Denis, einem Ort in der Region Paris, befinden sich sechs von ihnen seit über 30 Tagen im Hungerstreik.
Die Fragestellung bleibt dieselbe: Wie verpflichtet man die Mitgliedstaaten zur Wahrung der Rechte und der Würde der Einwanderer und der Asylbewerber? Konkret meinen wir damit das Recht auf Freizügigkeit, das Wahlrecht, das Recht auf Familienzusammenführung, die Abschaffung der doppelten Bestrafung, die Legalisierung aller Personen ohne Aufenthaltspapiere, das Ende aller rassistischen Diskriminierungen. Das Konzept von Tampere ist somit falsch. Anstatt die repressiven Gesetze in diesem Europa, das immer stärker einer Festung ähnelt, einander anzugleichen, sollten wir vielmehr auf Gemeinschaftsebene einen wirklichen Status und wirkliche Rechte für die Einwanderer und Asylbewerber einführen.
Kirkhope (PPE). – (EN) Herr Präsident, jedermann, und erst recht Anwälte – ich bin Anwalt – tritt für das Recht und Bürgerrechte ein. Jeder Mitgliedstaat der EU und jedes beitrittswillige Land sollte bereits über ein System zum Schutz seiner Bürger verfügen, sei es ungeschriebenes Recht, auf die Rechtsprechung gründendes Recht oder sei es in Gesetzesform. Der dritte Pfeiler ist eine höchst wichtige Quelle nationaler Zuständigkeiten, die aus der historischen Entwicklung herrühren, und die die unterschiedliche kulturelle und soziale Geschichte der Nationen widerspiegeln. Ich halte die Zerstörung dieses Pfeilers gerade in einer Zeit, in der er am meisten gebraucht werden könnte, für traurig und darüber hinaus für einen großen Fehler.
In bezug auf die Vorschläge über Einwanderung und Asyl möchte ich darauf hinweisen, daß ich mich im Vereinigten Königreich bis 1997 als Minister mit diesen Fragen beschäftigt habe. Aufgrund meiner Erfahrungen in dieser Position bin ich der Auffassung, daß die weltweite, unkontrollierte Wanderung von Menschen infolge wirtschaftlicher oder klimatischer Probleme in den nächsten 20 bis 30 Jahren eine enorme Herausforderung für die Ordnung und die Demokratie darstellen wird.
Ich bin natürlich für Freizügigkeit innerhalb der EU, wo dies rechtlich geregelt ist, doch wie sieht es mit den Bewerberländern und deren Grenzen aus? Sie werden schließlich den Schutz der EU gemäß dem Schengener Abkommen übernehmen müssen. Sind wir mit diesen Regelungen tatsächlich zufrieden, und wurden in Tampere wirklich Lösungen für die bestehenden Probleme gefunden? Wie denkt man in Deutschland darüber? Wie denken die Wähler in Yorkshire oder Brentwood im Vereinigten Königreich darüber? Die Gewährung von Asyl ist ein wertvolles Gut, das nicht mißbraucht werden darf, wie es leider so oft der Fall ist. Die Konvention der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1951 war unmißverständlich, sie sollte buchstabengetreu angewandt und nicht durch neue Verordnungen ersetzt oder ergänzt werden, die aus meiner Sicht nur noch mehr Verwirrung stiften könnten.
Manchmal müssen wir, um großzügig sein und vernünftige Entscheidungen treffen zu können, auch hart bleiben können. Ich bedaure, daß die Probleme in Tampere nicht mit der notwendigen Festigkeit angegangen wurden.
Karamanou (PSE). – (EL) Herr Präsident, zweifellos sind wir mit Tampere auf dem Weg zur europäischen Integration einen ganz großen Schritt vorangekommen, und dazu hat die finnische Präsidentschaft wesentlich beigetragen, wozu ich sie herzlich beglückwünschen möchte. Tampere hat bewiesen, daß die Union über den politischen Willen verfügt, gemeinsame Politiken zu Themen abzustecken, die unmittelbar mit dem täglichen Leben zu tun haben, beispielsweise mit der Erhöhung des Sicherheitsgefühls der Bürger durch die wirksame Bekämpfung des organisierten Verbrechens, insbesondere in den Bereichen Drogen, Geldwäsche und Menschenhandel durch die Zusammenarbeit der Gerichte und die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen.
Persönlich wünsche ich mir ein gemeinsames europäisches Familienrecht sowie eine weitere Stärkung der Front gegen Rassismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit. Der Schutz der Grundrechte ausnahmslos aller Menschen, die auf dem Gebiet der Europäischen Union leben, ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Schaffung eines gemeinsamen Raums der Freiheit und des Rechts. Ich begrüße daher den speziellen Verweis auf das griechisch-italienische Memorandum über den Ausbau der Zusammenarbeit in der Adria und im Ionischen Meer zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens.
Der Rat hat jedoch zuwenig Mut gezeigt, als es darum ging, sich auf ein Einheitliches Europäisches Asylsystem sowie die Schaffung eines Flüchtlingsfonds zu einigen, wie es das Europäische Parlament und die Kommission vorgeschlagen hatten, und nicht nur auf die Konvergenz von Bestimmungen und Verfahren. Die Union erwies sich außerdem als unfähig, eine Strategie zur Bekämpfung der sozialen Ursachen von Migration zu entwickeln und den Herkunftsländern der Flüchtlinge Hilfe zu gewähren, um den auf der Europäischen Union lastenden Druck zu mildern.
Gestatten Sie mir abschließend, einen Vorbehalt in Form einer Frage zum Ausdruck zu bringen. Glauben Sie wirklich, der in Tampere eingeleitete fünfjährige Prozeß werde zur Stärkung des demokratischen und politischen Charakters der Union führen, oder bewirkt er nicht vielleicht doch eher ihre Umwandlung in eine für jegliche Verfolgte der Welt uneinnehmbare Festung? Im Dezember 2001 werden wir nach der Zwischenbewertung sicher mehr wissen und in der Lage sein, die Entwicklung zu beurteilen.
Fiori (PPE).– (IT) Herr Präsident, Ziel des Europäischen Rates von Tampere war es, den Grundstein für die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu legen –ein bedeutsames Ziel, umfaßt es doch die Grundwerte unserer westlichen Zivilisation. Wir warten nun voller Ungeduld darauf, daß auf die Absichtserklärungen wirkliche und konkrete politische Leitlinien folgen. Beispielsweise verspüren inzwischen alle Menschen Europas die Notwendigkeit, eine gemeinsame Einwanderungs- und Asylpolitik auf den Weg zu bringen. Das Ziel muß eine offene und sichere Europäische Union sein, die Partnerschaften mit den Herkunftsländern der Migrationsströme eingeht und gemeinsame Entwicklungspolitiken mit den Herkunfts- und mit den Transitländern herausarbeitet. Wir brauchen zunächst ein einheitliches europäisches Asylsystem mit gemeinsamen Mindestaufnahmebedingungen und später dann ein einheitliches Statut für die Asylanten.
Mich beunruhigt, daß parallel zu den gemeinsamen Normen nicht auch effektive Maßnahmen der Solidarität unter den Mitgliedstaaten entworfen wurden, um erforderlichenfalls Ausnahmesituationen, wie z. B. den massiven Zustrom von Bürgern aus Albanien und den Balkanländern nach Italien infolge der politischen Krise in diesen Ländern, in den Griff zu bekommen. Denken wir nur an den Mittelmeerraum im allgemeinen oder an die Adria, die eine Außengrenze der Union und nicht etwa nur Italiens darstellt, im besonderen. Die Forderung an die Kommission, die Möglichkeit einer entsprechenden Haushaltsreserve abzuwägen, ist zwar wichtig, aber noch zu wenig: Die Europäische Union als ganzes muß vermittels einer durchgreifenden Aktion der Solidarität mit den am stärksten exponierten Ländern, insbesondere Italien, die Verantwortung für den außergewöhnlichen Zustrom von Einwanderern aus Nicht-EU-Ländern übernehmen. Die Solidaritätsaktion und die bessere Kontrolle der Migrationsströme sind wichtige Instrumente im Kampf gegen das organisierte Verbrechen und insbesondere gegen den Menschenhandel. Das Problem der ausgebeuteten und in die Prostitution gedrängten Frauen und Kinder, die Beziehungen dieser Milieus zum Drogenhandel, sind nicht nur ein großes Sicherheitsproblem, sondern darüber hinaus vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet ein dramatischer und schmerzlicher Umstand, der unser konkretes Eingreifen erfordert.
Diese und andere die Sicherheit der Unionsbürger betreffende Maßnahmen müssen unter voller Wahrung der Grundrechte aller im Gebiet der Union lebenden Menschen ergriffen werden, denn das Fundament des künftigen Raums der Freiheit und der Sicherheit sind eben die unveräußerlichen Grundrechte.
Van Lancker (PSE). – (NL) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Tampere in einem Punkt ein Erfolg war, dann wohl darin, daß sich die Mitgliedstaaten in Erinnerung gebracht haben, so etwas wie den Vertrag von Amsterdam unterzeichnet zu haben. Offen gestanden: das war dringend geboten, denn wir mußten diesen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ausgestalten. Selbstverständlich wollte das Parlament bei diesem Gipfel in Tampere ein weitergehendes Engagement für Europa, aber ganz ehrlich, wenn diese wichtigen Themen mit einer „Anzeigetafel“, mit einem klaren Mandat für die Europäische Kommission und folglich auch mit einer Rolle für das Europäische Parlament nun doch auf der europäischen Tagesordnung stehen, dann finde ich das ganz ausgezeichnet, und dazu darf ich die Präsidentschaft und insbesondere auch die Europäische Kommission beglückwünschen.
Erlauben Sie mir dennoch zwei kritische Bemerkungen zum Resultat. Zuerst zu den Rechten der Bürgerinnen und Bürger. Ich halte es für richtig, daß der Gipfel endlich beschlossen hat, allen Bürgern der Union gleiche Rechte einzuräumen, auch denjenigen, die nicht Angehörige der europäischen Staaten sind. Eine Unionsbürgerschaft kann doch nicht auf Ausschluß und Diskriminierung aufbauen. Deshalb hoffe ich, Herr Ratspräsident, daß die Europäische Kommission vom Rat mit der Ausarbeitung dieser Rechte für Drittstaatangehörige beauftragt wird und daß sie diese im weitesten Sinne auslegen und dabei den Nichtdiskriminierungsgrundsatz achten wird, auch was das Wahlrecht, das Recht auf Leben in der Familie sowie das Recht auf Freizügigkeit betrifft, obgleich der Rat dazu in allen Sprachen schweigt.
Zweitens halte ich die Asyl- und Einwanderungspolitik nach wie vor für unausgewogen. Einerseits zwischenstaatliche, über die Aktionspläne unverzüglich durchführbare Maßnahmen, die jedoch im wesentlichen auf die Abschreckung von Einwanderern ausgerichtet sind, andererseits Aufträge an die Europäische Kommission, gemeinsame Asylpolitik, Schutz von Asylbewerbern. Im Namen meiner Fraktion möchte ich darauf drängen, daß die Prinzipien der Genfer Flüchtlingskonvention mit all ihren Aspekten in den beiden Bereichen der Einwanderungspolitik volle Geltung erlangen und Kommission und Parlament in jeder Hinsicht eingebunden werden.
Cederschiöld (PPE). – (SV) Herr Präsident! Das Ziel des Gipfels von Tampere war die Konkretisierung der für die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts notwendigen Maßnahmen. Die Kommission wurde u. a. beauftragt, als Vergleichsmodell für dessen Verwirklichung eine Ergebnistafel einzurichten. Das halte ich für eine gute Initiative, die außerdem deutlich macht, in welchen Bereichen die Kommission die Initiative ergreifen soll. Dabei handelt es sich allerdings um ein Evaluierungsinstrument, das das angestrebte Ziel – eine Union der Rechtssicherheit – nur in begrenztem Umfang verwirklichen kann. Zusammen mit einer Stärkung der Grundrechte kann die Ergebnistafel jedoch als juristische Konvergenzregeln mit rechtlichen Zielen und Garantien fungieren.
Ein europäischer Rechtsraum erfordert Rechtssicherheit. Um feststellen zu können, wie weit die Mitgliedstaaten in diesem Bereich vorangeschritten sind, müssen Kriterien festgelegt und effektive Meßmethoden entwickelt werden. Es geht dabei um die Möglichkeit des Vergleichs der Rechtssysteme und ihre Verbesserung.
Dieser Vergleich sollte in Form einer Ergebnistafel veröffentlicht werden, damit die Unterschiede deutlich gemacht werden und unter Einfluß des Gruppendrucks eine freiwillige Harmonisierung erreicht werden kann. So kann eine treibende Kraft entstehen, die die Errichtung eines zuverlässigen Raumes des Rechts in der gesamten Union forciert, denn dieser ist die Voraussetzung für die Sicherheit und Freizügigkeit der Bürger.
Der in Tampere vereinbarte Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen muß jedoch zukünftig auch durch eine gewisse Harmonisierung des Strafrechts ergänzt werden. Auf dem Gipfeltreffen wurde auch die Initiative zur Stärkung der Stellung der Opfer und zur Sicherung des Zugangs der Bürger zum Recht ergriffen. Ich hätte mir allerdings auch gewünscht, daß man die Mitglieder aufgefordert hätte, nationale Fonds für Verbrechensopfer einzurichten, um so gleiche finanzielle Voraussetzungen für die Unterstützung der Opfer zu schaffen. Den Opfern sollte in der gesamten Union materieller, finanzieller, psychologischer und sozialer Beistand durch staatliche, ehrenamtliche und individuelle Maßnahmen gewährt werden.
Abschließend möchte ich besonders der Kommission und Herrn Kommissar Vitorino für ihre konstruktive Arbeit auf dem Gipfeltreffen danken.
Swiebel (PSE). – (NL) Herr Präsident, die wichtigste Botschaft vom Gipfel in Tampere ist der dort bekundete politische Wille zu einer gemeinsamen europäischen Politik. Die politische Rolle der Kommission und des anwesenden Kommissars wurde dabei gestärkt. Gleichermaßen wurden wesentliche Grundsätze wie das Asylrecht sowie die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung erneut bekräftigt. Das alles ist zweifellos ein Gewinn. Dennoch soll man den Tag nicht vor dem Abend loben.
Die gefaßten Beschlüsse bedürfen noch einer konkreten Ausgestaltung, und bei manchen politischen Optionen wurde das Ziel nicht erreicht. Das beabsichtigte Einheitliche Europäische Asylsystem ist noch weit von dem Gedanken einer integrierten europäischen Politik entfernt. Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten bleibt ein Tabu. Ein gemeinsames Konzept für die Einwanderung als solches ist fürs erste auf Eis gelegt. Höchstens wird eine Entmutigungspolitik betrieben. Und wie der Rat nun genau gedenkt, die Rechte von Drittstaatangehörigen zu stärken, bleibt abzuwarten.
In all diesen Bereichen wird die Kommission die Initiative für eine umfassendere Tagesordnung ergreifen müssen, und das Parlament sollte befähigt werden, die ihm zustehende Rolle auszufüllen. Bei der justitiellen Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen wurde das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung zum Kern der Strategie. Das klingt zwar bescheiden, ist aber in Anbetracht der Skepsis und des Widerwillens, die diese Entwicklung in juristischen Fachkreisen offensichtlich noch immer hervorruft, wahrscheinlich eine vernünftige Entscheidung. Hier müssen wir noch viel Missionsarbeit leisten.
Die Einrichtung von EUROJUST halte ich in diesem Kontext für eine mutige Initiative. Deshalb bedauere ich ganz besonders, daß der Aspekt der Parlamentskontrolle vom Tisch gewischt wurde.
Zum Schluß ein Wort zur Charta der Grundrechte. Jetzt, da feststeht, wie sich das mit der Ausarbeitung der Charta betraute Gremium zusammensetzt, ist es höchste Zeit, den Status dieses Dokuments zu bestimmen. Der Rat hat sich hier bislang bedeckt gehalten. Soll diese Charta einen Mehrwert schaffen, dann muß sie bindendes Recht werden, auf das sich alle Unionsbürgerinnen und -bürger berufen können. Dazu wird sie in die Verträge aufgenommen werden müssen.
Posselt (PPE). – Herr Präsident! Dieses Hohe Haus hat am 3. April letzten Jahres meinem Bericht über Osterweiterung und innere Sicherheit dankenswerterweise mit großer Mehrheit zugestimmt, und es hat damals einen Beschluß gegeben, eine Europäische Akademie für innere Sicherheit einzurichten. Ich bin sehr glücklich und dankbar, daß der Rat in Tampere diesen Beschluß mit der Einrichtung des europäischen Polizeikollegs umgesetzt hat. Ebenso freue ich mich, daß Herr Vitorino am Montag im Ausschuß für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten angekündigt hat, die Kommission werde bald eine Studie über die konkrete Realisierung dieses Projekts vorlegen, denn ich glaube in der Tat, wenn unsere Polizei gemeinsam im europäischen Geist ausgebildet wird, und wenn, wie im Beschluß vorgesehen, auch die Polizei der Kandidatenländer von Anfang an einbezogen wird – und auch dies geht auf den Vorschlag dieses Hauses zurück –, dann tun wir einen wichtigen, konkreten Schritt hin zu einem Europa des Rechts und der inneren Sicherheit. Ich wäre sehr dankbar, wenn diese Akademie im Grenzbereich zwischen der EU und den Kandidatenländern angesiedelt werden könnte, etwa im ostbayrischen Raum. Hier gibt es bereits viele praktische Kooperationen im Polizeibereich, die sich sozusagen für dieses Projekt nutzen lassen.
Ein zweites möchte ich ansprechen. Ich bin der Ansicht, daß der Rat gut daran getan hat, die Weichen zu stellen für eine gemeinschaftliche Asyl- und Flüchtlingspolitik, aber ich bin im Gegensatz zu manchen Kollegen nicht so unglücklich darüber, daß wir noch einige Schritte dorthin gehen müssen, denn es fehlen noch einige ganz wesentliche Bauelemente. Ich möchte hier vor allem kritisch anmerken, daß es nach wie vor zu keiner personellen Lastenteilung gekommen ist, es sogar so aussieht, als sei diese personelle Lastenteilung in weite Ferne gerückt. Ich bin aber der Ansicht, daß eine gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik ohne diese Lastenteilung etwas wäre, was man vergleichen könnte mit einem großen Dach, das nur mit einer einzigen tragenden Mauer irgendwo am Rand errichtet wird. Dieses Dach müßte unweigerlich einstürzen. Ich halte eine gemeinsame Asylpolitik ohne einen festen Schlüssel für völlig undenkbar. Deshalb sollten wir die Zeit nutzen und hier konkret nacharbeiten.
Gebhardt (PSE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können das Ergebnis des Gipfels von Tampere bejubeln, hinnehmen oder auch für mangelhaft halten. Egal, wie wir das Ergebnis einstufen, auf jeden Fall war und ist der Gipfel von Tampere wichtig. Er ist deshalb wichtig, weil er einen Schritt hin zum gemeinsamen europäischen Rechtsraum bedeutet. Die Richtung stimmt. Aber mit dem großen Ziel des gemeinsamen Rechtsraumes vor Augen, handelt es sich bei Tampere nur um einen kleinen Schritt auf einem weiten Weg. Die Menschen in Europa erwarten mehr. Sie erwarten auf diesem Weg größere und vor allem beherzte Schritte in rascher Folge. Ich bin überzeugt, daß sie auch einen Anspruch darauf haben.
Die Bürgerinnen und Bürger können durchaus verlangen, daß ihnen das Recht in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union gleichermaßen Sicherheit, Schutz und Geborgenheit bietet. Sie können erwarten, daß sie in einem Nachbarland nicht mit Hilfe eines anderen, ihnen fremden Rechtssystems über den Tisch gezogen werden. Diesem Anspruch werden mehr oder minder feierliche Gipfelveranstaltungen allein nicht gerecht. So wie es noch keinen Frieden schafft, wenn man nicht zur Waffe greift, so wird auch ein gemeinsamer europäischer Rechtsraum nicht allein dadurch geschaffen, daß eine Handvoll Regierungen ihren guten Willen bekundet. Dem Willen zur justitiellen Zusammenarbeit müssen auch verläßliche Regeln der Zusammenarbeit folgen. Diese können der Rat und die Regierungen nicht allein schaffen. Das Parlament muß ihnen dabei helfen. Der Rat sollte wissen, daß wir im Interesse der Menschen, die wir als Abgeordnete vertreten, dazu bereit sind und dieses auch tun werden.
(Beifall)
Coelho (PPE) . – (PT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Am 15. und 16. Oktober hat man in Tampere wichtige Schritte unternommen, um einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Europäischen Union zu schaffen.
Im Widerspruch zu der Vorstellung, daß unsere Union einen ausschließlich oder hauptsächlich wirtschaftlichen Charakter habe, hat sich der Rat, der Linie entsprechend, die das Parlament schon seit langer Zeit vertreten hatte, den Bürgern zugewandt, um ihre Freizügigkeit, ihre Sicherheit und die Anerkennung ihres Rechts auf Rechtsprechung zu verteidigen, und diese Rechte müssen nicht nur den Bürgern der Union, sondern auch all denen zuerkannt werden, die sich aus unterschiedlichen Gründen regulär auf unserem Territorium aufhalten. Es wurden Prioritäten und politische Leitlinien beschlossen, und die Kommission muß einen Vorschlag für ein scoreboard einbringen, ein Evaluierungs-Panel über die erreichten Fortschritte und die Einhaltung der vom Amsterdamer Vertrag, vom Wiener Aktionsplan und durch die Schlußfolgerungen dieses Europäischen Rates selbst festgelegten Fristen; das ist eine praxisorientierte Initiative, die gute Ergebnisse erwarten läßt und um die sich Kommissar António Vitorino engagiert bemüht hat, der auch aus diesem Grund zu beglückwünschen ist.
Sicher ist, daß es eine intensivere Zusammenarbeit geben wird und daß es Bereiche gegeben hat, in denen man mühelos zu einer Vereinbarung gelangte, wie dies für die Schaffung von EUROJUST gilt, das Ende 2001 seine Tätigkeit aufnehmen soll, oder für die Stärkung der Rolle von EUROPOL oder auch für die Schaffung einer europäischen Polizeiakademie. Doch es muß ganz allgemein anerkannt werden, daß man anstelle der Harmonisierung und Vereinheitlichung – dort, wo es möglich und notwendig war, sie zu erreichen – Kompatibilität, Konvergenz und die Annäherung der in den fünfzehn Mitgliedstaaten unterschiedlichen Praxis vorgezogen hat. Das Hauptgewicht wurde deshalb auf die Konvergenz und auf gemeinsame Regeln für das Asylverfahren, auf die – jedoch noch nicht klar bestimmte – Schaffung eines Finanzinstruments für den vorübergehenden Schutz von Flüchtlingen, auf die Festigung der Justizkooperation, die Anerkennung der Gerichtsentscheidungen usw. gelegt. Die Prinzipien sind definiert und insgesamt positiv. Jetzt warten wir auf die Entscheidungen und Initiativen, die es uns ermöglichen werden, dem Definierten einen konkreten Inhalt zu geben.
Palacio Vallelersundi (PPE). – (ES) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar! Zum Abschluß der Rednerliste des Parlaments kommt mir eine Sache in den Sinn: Sie sprachen vom Geist von Tampere, und ich glaube, es gibt außerdem ein Signal von Tampere. Ein starkes Signal von Tampere, daß nämlich Europa nicht mehr nur ein Markt und der europäische Bürger nicht mehr nur ein Verbraucher und Arbeitnehmer ist, daß der Bürger als solcher mit allen seinen Dimensionen, mit allen seinen Sorgen, mit allen seinen Bedürfnissen, mit allen seinen Ansprüchen im Mittelpunkt des europäischen Aufbauwerks steht.
Im Zusammenhang mit dem hier Gesagten halte ich es für wichtig, auf eine Frage hinzuweisen, die meiner Ansicht nach diese Stellung des Bürgers symbolisiert.
In Tampere hat sich eine quasi-konstitutionelle Änderung vollzogen, da der Rat der Kommission das Mandat übertragen hat, auf ihren Vorschlag hin gemeinsame Normen für Aufnahme und Aufenthalt, für die Verfahren mit geringem Streitwert und viele andere Fragen zu schaffen.
Damit vollzieht sich der Übergang von einem gemeinsamen Initiativrecht zu einem vollständig in den Händen der Kommission liegenden Initiativrecht. Ich glaube, das ist aus der Sicht des europäischen Aufbaus von enormer Bedeutung.
In den letzten Sekunden dieser Debatte ist es mir wichtig, den Aufbau der Gerichtsbarkeit, das heißt die Tatsache hervorzuheben, daß der Bürger neben der Sicherheit, neben der Polizei und der Verbrechensbekämpfung sicher sein möchte, daß die Justiz für ihn da ist, daß es an jedem Punkt Europas seine Justiz ist, daß er vor jedem Richter sein Recht erhält. Dies ist eine weitere der großen Botschaften von Tampere. Herr Kommissar, Sie haben gesagt, daß in Tampere vieles fehlt, und das stimmt. Aber es gibt – wie die Franzosen sagen – du pain sur la planche. Sie haben mindestens fünfzehn sehr wichtige Aufträge zu realisieren.
Wir erwarten im Parlament, daß diese Vorschläge sehr bald auf dem Tisch liegen.
(Beifall)
Lipponen, Rat. – (FI) Herr Präsident, sehr geehrte Mitglieder des Parlaments! Ich danke Ihnen für Ihre Beiträge, die sich durch große Konkretheit auszeichneten. Ich möchte Ihre kostbare Zeit zunächst für einige allgemeine Bemerkungen in Anspruch nehmen, dann detailliert auf die Fragen eingehen und abschließend die Fortsetzung, Umsetzung und Kontrolle der Maßnahmen behandeln.
Ich fand den Beitrag von Frau Palacio Vallelersundi sehr bemerkenswert, weil er zum Ausdruck brachte, daß wir uns ehrgeizige Ziele setzen müssen. Andererseits äußerte der Abgeordnete Holmes in seinem Beitrag die Befürchtung, daß wir bei der Harmonisierung der Rechtsvorschriften und der Angleichung der Verwaltungen zu schnell vorgehen. Das Problem von Tampere bestand darin, daß die justitiellen und inneren Angelegenheiten insgesamt ein sehr konservatives Politikfeld sind. Einerseits gibt es Anlaß zur Sorge, daß die einzelstaatlichen Praktiken zu schnell verändert werden. Andererseits besteht ein echter Bedarf, zum Beispiel bei der Verbrechensbekämpfung sowohl die polizeiliche Zusammenarbeit zu intensivieren als auch die Rechtsvorschriften zu harmonisieren. Beispielsweise enthalten unsere Rechtsvorschriften keine einheitliche Definition, des organisierten Verbrechens. Eine Vorgehensweise hierbei ist das Verfahren des gemeinsamen Marktes. Wir betrachten anhand der Probleme pragmatisch, wo wir ansetzen müssen. Die gegenseitige Anerkennung von Gerichtsurteilen ist ein Aspekt, ein weiterer besteht darin, den Bedarf an Harmonisierung der Rechtsvorschriften zu prüfen.
Zunächst gehe ich auf EUROJUST und die europäische Staatsanwaltschaft ein. EUROJUST zielt eigentlich nicht nur darauf ab, die Staatsanwaltschaften miteinander zu vernetzen, sondern auch Untersuchungen einleiten und in Ermittlungsteams arbeiten zu können. Die Frage der im Interesse der Gemeinschaft tätigen Staatsanwaltschaft wurde in der Schlußphase von der Kommission eingebracht. Zwischen beiden Dingen müssen wir unterscheiden, weil es insbesondere um Verbrechen geht, die in der Gemeinschaft verübt werden und bei denen die Gemeinschaft ein wirtschaftliches Interesse hat. Hier gibt es einen Zusammenhang mit den Problemen, die speziell im letzten Frühjahr behandelt wurden, auf die man aber sicher noch zurückkommen kann.
Was EUROPOL betrifft, so kam hier die Sorge um die Kontrolle dieser Institution zum Ausdruck, die ich für sehr begründet halte, weil bei der Erweiterung des Mandats bzw. insbesondere der Befugnisse diese Frage berücksichtigt werden muß. In Tampere sind jedoch weder Grundmodell noch Charakter der Tätigkeit von EUROPOL verändert worden. EUROPOL bzw. seine Beamten haben keine selbständigen Befugnisse, sondern arbeiten künftig enger mit den Mitgliedstaaten zusammen, indem sie ihnen helfen und sie unterstützen. Das muß genau überwacht werden.
In den Redebeiträgen wurde auf den Status von Drittstaatsangehörigen hingewiesen. In Tampere wurde der Terminus „mit Bürgern vergleichbar“, comparable, verwendet, das heißt, so weit wie möglich in die Richtung der vollen Menschenrechte zu gehen, aber zum Beispiel Stimmrecht bei Parlamentswahlen möchte man vielleicht nicht ohne weiteres gewähren. Dagegen ist das Stimmrecht bei Kommunalwahlen ein gutes Beispiel dafür, welche europäische Praxis wünschenswert wäre.
Die Frage des Flüchtlingsfonds, der Lastenverteilung, hat zu Diskussionen geführt, und wir haben vereinbart, auf den Fonds noch einmal zurückzukommen. Wir müssen uns darüber im klaren sein, was wir wollen. Wenn unerwartete Flüchtlingsströme kommen und um befristeten Schutz ersuchen, sollten die Länder unterstützt werden, die von der Flüchtlingsbewegung betroffen sind. Die Forderung ist völlig legitim, und auch wirtschaftliche Hilfe kann in Frage kommen, aber in dieser Angelegenheit bedarf es noch weiterer Vorbereitungen. Bei der Diskussion über Lastenverteilung müssen wir feststellen, daß uns der Kosovo unvorbereitet getroffen hat. Wir sollten uns auf Verfahrensweisen einigen können, mit der die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Dabei geht es nicht um eine automatische Quotenverteilung, aber wir brauchen eine bessere Praxis der Solidarität. Natürlich müssen wir mit dem UNHCR zusammenarbeiten, auch hinsichtlich des Kosovo. Die Handlungsfähigkeit der Völkergemeinschaft in diesen Situationen muß insgesamt verbessert werden.
Ich möchte noch auf die Frage des organisierten Verbrechens zurückkommen, zu der sich der Abgeordnete Di Lello Finuoli geäußert hat. In Tampere hat man sich eigentlich weitreichende Ziele gesteckt. Dabei wurde die Geldwäsche in das Mandat von EUROPOL integriert. Meines Erachtens wird der Kampf verstärkt an einer recht breiten Front geführt, wenn auch noch die Staatsanwaltschaften einbezogen wird.
Nun möchte ich auf einige andere hier angesprochene Fragen eingehen. Zunächst zur Charta der Grundrechte. Handelt es sich dabei um ein politisches Dokument oder um einen Entwurf für ein neues Grundgesetz? Als Ratspräsidentschaft bringen wir die Angelegenheit auf der Grundlage auf den Weg, der in Köln beschlossen wurde, also als politisches Dokument. Dies stellt aber kein Hindernis dafür dar, eines Tages vor der Frage zu stehen, daß die Union gleichsam ein Grundgesetz benötigt, in dem die Grundrechte festgeschrieben werden müssen. Dabei handelt es sich um einen Prozeß. Wir haben in Tampere das Mandat und die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe vereinbart, die das erste Mal noch während der finnischen Präsidentschaft zusammentritt. Ich hoffe, daß die Arbeitsgruppe einen hochrangigen Vorsitzenden erhält.
Die Frage der Regierungskonferenz ist unter anderem von dem Abgeordnete Brock angesprochen worden. In dem Zusammenhang möchte ich betonen, daß dies Angelegenheit des Kommissionspräsidenten ist. Uns ist diese Aufgabe vom Kölner Gipfel übertragen worden. Natürlich arbeiten wir auf der Grundlage der Vorlagen der Kommission, aber ich hoffe, daß hier im Parlament nicht vergessen wird, daß es auch eine Institution wie den Rat und seinen Vorsitz gibt.
Herr Brock hat die Lage im Kosovo und den Stabilitätspakt angesprochen. Diese Themen wurden beim Abendessen in Tampere erörtert. Der Präsident der Republik Finnland Martti Ahtisaari hielt es für erforderlich, daß der Kommissionspräsident Romano Prodi, der Hohe Vertreter Solana und der Balkanbeauftragte Hombach nun gemeinsam effizienter zusammenarbeiten, um sicherzustellen, daß der Stabilitätspakt umgesetzt und solche praktischen Fragen vorangetrieben werden können wie die Zusammenarbeit zwischen Pristina und Thessaloniki. Die Präsidentschaft wird diese Frage sehr genau beobachten. Was die Obnova-Verordnung betrifft, wird der Rat die Änderungsvorschläge des Parlaments sorgfältig prüfen. Wir haben diese Frage heute morgen mit der Präsidentin Frau Fontaine besprochen. Unser Ziel ist, die Angelegenheit umgehend zu klären, nachdem das Europäische Parlament seine Stellungnahme verabschiedet hat. Der Rat wird bereits Ende dieser Woche erörtern, wie die vom Parlament vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigt werden können, wenn der endgültige Obnova-Beschluß gefaßt wird. Ich hoffe, daß auch dies zu den Fragen während der finnischen Präsidentschaft gehört, deren Klärung bedeutet, daß wir dieses Problem der Institutionen gleichsam überwunden haben, und das erwarten unsere Bürger tatsächlich.
Bezüglich der Frage, wie das Europäische Parlament an der Beschlußfassung beteiligt wird und was dabei geschehen ist, nehme ich als Vertreter der Präsidentschaft die Kritik entgegen. Ich gestatte mir dazu aber die Bemerkung, daß im September hier im Plenum drei unserer Minister, der Innen- und der Justizminister sowie die Außenministerin ganz im Sinne des Gipfels von Tampere Bericht erstattet haben. Als vierter Teilnehmer nahm unser Coreper-Vertreter teil. Alle Informationen, die den Regierungen zu Verfügung stehen, sind auch dem Parlament zugänglich. Daß in Tampere überhaupt etwas erreicht worden ist, beruht darauf, daß wir uns an die Transparenz gehalten und zum Beispiel die Regierungen bzw. das Parlament nicht im letzten Augenblick mit Überraschungen konfrontiert haben. Alles war bekannt, unser Entwurf der Tagesordnung lag vor.
Das Europäische Parlament wird sich künftig an der Entscheidungsfindung beteiligen, was ja natürlich im Vertrag von Amsterdam verankert ist. Die Schlußfolgerungen von Tampere verbessern zudem die Möglichkeiten der Teilnahme und der Kontrolle des Parlaments. In den Schlußfolgerungen wurden auf höchster politischer Ebene Verpflichtungen zur Gewährleistung der erforderlichen Transparenz und zur regelmäßigen Unterrichtung des Europäischen Parlaments gegeben. Ich habe die Minister bereits informiert, daß, sollten Defizite auftreten, sie sich hierher wenden sollen. Die konkrete Formulierung und die Operativität der Schlußfolgerungen von Tampere bieten dem Parlament bessere Chancen, sich an der Schaffung eines neuen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu beteiligen. Die verschiedenen Ziele und Mittel sind nun klarer definiert und die Beteiligung an ihrer Umsetzung ist leichter geworden. Ein wichtiges Hilfsmittel dafür ist der angenommene Vorschlag. Ich danke Herrn Suominen für diesen sprachlichen Hinweis, dabei ging es, soweit ich mich erinnere, um balanced score card, die wir erreichen müssen. Das erleichtert auch die Arbeit des Parlaments.
Was die Transparenz betrifft, so gestatte ich mir, daran zu erinnern, daß auf Betreiben Finnlands im Vertrag von Amsterdam eine beispielhafte Änderung vorgenommen worden ist. Bis dahin lautete der Grundsatz in der Union, daß die Dokumente gewöhnlich nicht öffentlich sind, es aber Ausnahmen gebe. Wir haben vorgeschlagen, das Prinzip umzukehren, daß nämlich alle Dokumente öffentlich sind, aber einige Ausnahmen möglich wären. Nun geht es darum, daß alle Institutionen diesen Grundsatz im Rahmen ihrer Zuständigkeit umsetzen und die Kommission entsprechende Vorschläge für Vorschriften unterbreitet. Damit komme ich endlich zur Umsetzung, auf die Herr Suominen und auch andere Redner hingewiesen haben. Der Rat der Justiz- und Innenminister wird bereits am Freitag dieser Woche mit der Umsetzung der Ergebnisse von Tampere beginnen. Als Präsidentschaft haben wir für diese Sitzung ein Arbeitsprogramm erarbeitet, in dem alle Maßnahmen, die in den Schlußfolgerungen von Tampere gefordert werden, zusammengefaßt worden sind, alle Aufgaben, auf wessen Veranlassung und in welchem Zeitplan sie zu erledigen sind. Ich hoffe, daß mit einer solchen Arbeitsweise auch die Arbeit des Parlaments vereinfacht wird.
Ich möchte der Präsidentin und dem Präsidium sowie den Rednern für die sehr freundlichen Worte, aber auch für die Kritik danken, weil wir nach dem Gipfel von Tampere nicht nur zufrieden sein dürfen, sondern auch die dort gefaßten Beschlüsse ernst nehmen und mit der Arbeit beginnen müssen.
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Ratspräsident. Zum Schluß erteile ich Herrn Vitorino im Namen der Europäischen Kommission das Wort. Die Aussprache zieht sich ein wenig in die Länge. Ich darf den Herrn Kommissar bitten, sich, wenn es irgend geht, kurz zu fassen. Wir werden noch etliche Debatten mit Ihnen führen. Das Wort hat Herr Vitorino.
Vitorino,Kommission. – (FR) Herr Präsident, ich glaube nicht, daß Ihre Mahnung mein Grundrecht auf Redefreiheit beeinträchtigt; dessen kann ich Sie versichern.
Ich möchte Ihnen lediglich im Namen der Kommission für alle Beiträge zu dieser Debatte danken. Ich möchte Ihnen versichern, meine Damen und Herren Abgeordnete und insbesondere Frau Ana Palacio, daß sich die Kommission ihrer Verantwortung bei der Umsetzung der Schlußfolgerungen von Tampere sehr wohl bewußt ist.
Ich muß betonen, daß die Kommission ihre Aufgabe nicht hätte erfüllen können, wenn sie nicht auf die Unterstützung von seiten der finnischen Präsidentschaft, und ganz besonders des Ministerpräsidenten Lipponen, dem ich nochmals für seine Kooperation und seinen Einsatz für den Erfolg von Tampere danken möchte, sowie auf die stets kritische und wachsame Unterstützung durch das Europäische Parlament hätte zählen können.
Auf ebendiese kritische und wachsame Unterstützung durch das Europäische Parlament vertraut die Kommission nun bei der Vorbereitung des Score-Board. Das Score-Board ist nämlich nicht nur ein Planungsinstrument für die legislative Tätigkeit, sondern auch ein Instrument zur Stärkung der Transparenz und der Verantwortung aller europäischen Institutionen gegenüber den Bürgern, denn die Bürger sind die Herren des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Übersichtsdarstellung, sondern auch um ein Instrument zur Beurteilung der konkreten Ergebnisse, die im Laufe der tatsächlichen Umsetzung der Schlußfolgerungen von Tampere erzielt wurden. Die erreichten Ziele werden nicht nur das Werk des Rates, der Kommission und des Europäischen Parlaments darstellen, sondern auch das Werk der Mitgliedstaaten, da ihnen auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips bestimmte Aufgaben übertragen werden.
Herr Präsident, des weiteren muß ich unterstreichen, wie bedeutsam für die Kommission die in Tampere gefaßten Beschlüsse zur Ausarbeitung der Charta der Grundrechte sind, deren Umsetzung in Helsinki geprüft werden wird.
Zur politischen und philosophischen Grundlage des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gehören meiner Meinung nicht nur alle Fragen hinsichtlich der Grundrechte der Bürger der Mitgliedstaaten der Union, sondern auch alle Fragen hinsichtlich der Rechte der Bürger aus Drittstaaten, die sich legal und dauerhaft auf dem Gebiet der Union aufhalten.
Die Rechte bezüglich der Bekämpfung der Diskriminierung gemäß Artikel 13 des Vertrags werden ihrerseits anläßlich der Debatte über die Charta der Grundrechte behandelt. Bei dieser Gelegenheit sollte ein klares Zeichen gegeben werden, damit der Prozeß der Ausarbeitung der Charta und die Regierungskonferenz der Union, die beide gleichzeitig ablaufen werden, in dynamischer Übereinstimmung verlaufen, so daß die Voraussetzungen für Erweiterungen gewährleistet und die rechtsstaatlichen Grundlagen in unserer Union des Rechts gestärkt werden.
Bevor ich meinem Kollegen Michel Barnier, der Ihnen die Ziele der Regierungskonferenz vorstellen wird, das Rednerpult überlasse, möchte ich dem Parlament erneut für die Unterstützung danken, die es der Kommission bei diesem Projekt zukommen ließ, dem Projekt von Tampere, das dem Geist und dem Buchstaben von Tampere entspricht, das aber in erster Linie ein Projekt der Bürger unserer gemeinsamen Union ist.
(Lebhafter Beifall)
Der Präsident. – Zum Abschluß dieser Erklärung habe ich gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge erhalten.(1)