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Ausführliche Sitzungsberichte
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Montag, 10. April 2000 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
 2. Arbeitsplan
 3. Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet
 4. Europäischer Flüchtlingsfonds
 5. Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geldinstituten
 6. Amtliche Futtermittelkontrollen
 7. Andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel


  

VORSITZ: NICOLE FONTAINE
Präsidentin

(Die Sitzung wird um 17.05 Uhr eröffnet.)

 
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
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  Die Präsidentin. – Ich erkläre die am Donnerstag, dem 30. März 2000, unterbrochene Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments für wiederaufgenommen.(1)

 
  
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  Andrews (UEN). (EN) Frau Präsidentin! Schon vor mehr als sechs Monaten hat der Ausschuß für Entwicklung und Zusammenarbeit die Kommission aufgefordert, im Zusammenhang mit der Trockenheit in Äthiopien etwas zu unternehmen. Ohne Erfolg. Allerdings reagierte die Kommission sofort, als bekannt wurde, daß in Äthiopien 12 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht sind. Ich beantrage, daß aufgrund der Dringlichkeit der Angelegenheit Herr Nielson noch in dieser Woche vor dem Parlament eine Erklärung abgibt, warum die Europäische Union mit einer derartigen Verzögerung auf eine bereits seit drei Jahren andauernde Dürre reagiert.

Anscheinend ist es kein Problem, Waffen dorthin zu schaffen, damit Eritreer und Äthiopier ihren unsinnigen Aggressionskrieg gegeneinander fortsetzen können. Und während die Europäische Union und die westliche Welt Waffen nach Äthiopien und Eritrea exportieren, herrscht dort eine Hungersnot, die das Leben von Millionen von Menschen bedroht.

Ich gehöre diesem Parlament seit 1984 an und habe selten eine derartige Mißachtung erlebt, eine derartige Pflichtverletzung der Europäischen Union angesichts einer drohenden Hungersnot. Es ist eine Schande, daß immer dann, wenn Kommissionsmitglied Nielson oder die Kommission mit einer solchen Problematik konfrontiert wird, er darüber hinweggeht, als wäre das nicht von Belang, als würde er nicht glauben, was dort geschieht. Herr Nielson muß vor dieses Parlament treten und erklären, welche Rolle seine PR-Leute und Politikberater bei diesem skandalösen Versäumnis spielen. Trotz aller Dementis ist es sehr wohl möglich, Waffen im Werte von zwei Milliarden Dollar an die Konfliktparteien Äthiopien und Eritrea zu liefern. Die ganze Angelegenheit ist Ausdruck der Handlungsunfähigkeit dieses Hauses!

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. – Herr Andrews, es kann jetzt natürlich keine Aussprache zu dieser Frage stattfinden. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß das Haus gleich darüber abstimmen wird, ob es eine weitere Frage zum Punkt „Menschenrechte“ aufnehmen wird, und einer der Vorschläge der beiden Fraktionen bezieht sich auf ebendieses Problem der Hungersnot in Äthiopien.

 
  
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  Imbeni (PSE).(IT) Frau Präsidentin, wie viele Kolleginnen und Kollegen wissen, wurde am letzten Freitag in Wien die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eingeweiht. Ich möchte Ihnen für die konsequente Rede, die Sie zu diesem wichtigen Anlaß gehalten haben und in der Sie betonten, daß es absolut keine Berührungspunkte zwischen der Verteidigung der Menschenrechte und der Würde der Person einerseits und Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus anderseits geben kann, danken. Sie haben dies in aller Deutlichkeit und mit großem Nachdruck erklärt und auf diese Weise der Bevölkerung in Österreich und in ganz Europa eine hoffnungsvolle Botschaft vermittelt. In Wien waren zahlreiche Mitglieder des Europäischen Parlaments, aus nahezu allen Fraktionen vieler Länder anwesend, und selbstverständlich auch unzählige österreichische Kolleginnen und Kollegen sowie der Vorsitzende des Ausschusses für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, Herr Graham Watson. Sie alle haben mich gebeten – und ich komme dieser Bitte sehr gern nach – Ihnen für Ihre Rede, die uns stolz auf unsere Mitgliedschaft in diesem Parlament sein läßt, zu danken.

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. – Herr Imbeni, ich danke Ihnen für diese äußerst freundlichen Worte. Ich möchte allen Kollegen, die dieser sehr bewegenden und bedeutungsvollen Feierstunde beigewohnt haben, sagen, wie gut wir meines Erachtens alle zusammen das Europäische Parlament vertreten haben, und ich weiß, daß alle Teilnehmer unsere zahlreiche Beteiligung zur Kenntnis genommen haben. Ich denke, dies war für unser Parlament von großer Bedeutung. Ich danke Ihnen für Ihre Worte, Herr Imbeni.

 
  
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  Hänsch (PSE). – Frau Präsidentin, wenn ich richtig unterrichtet bin, hat der Rat seine Erklärung zum Irak abgesagt. Sie wird also in dieser Woche nicht stattfinden. Wäre es möglich, daß Sie den Rat bitten, anstelle der Erklärung über den Irak eine Erklärung über Äthiopien abzugeben? Dann hätten wir den Punkt erfüllt, aber das hängt natürlich davon ab, ob der Rat auch dazu in der Lage ist.

 
  
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  Die Präsidentin. – Herr Hänsch, wir werden gleich bei der Überprüfung des Tagesordnungsentwurfs auf diesen Punkt eingehen und dann festlegen, wie wir in dieser Situation verfahren.

 
  
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  Lynne (ELDR). (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf eine interne Angelegenheit lenken. Mitarbeiter des Europäischen Parlaments sowohl hier als auch in Brüssel, die auf die Einhaltung der Regeln des Europäischen Parlaments achten – zum Beispiel Durchsetzung des Rauchverbots in Nichtraucherzonen oder irgendeiner anderen Regel des Europäischen Parlaments –, werden von Abgeordneten beschimpft und beleidigt. In anderen Parlamenten ist es üblich, Saaldiener mit dem gebührenden Respekt zu behandeln. Ich wünschte, dies wäre auch im Europäischen Parlament der Fall. Wenn sich an dieser Situation nichts ändert, welche Disziplinarmaßnahmen könnten gegen Abgeordnete ergriffen werden, die Saaldienern den Respekt verweigern?

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. – Ich denke nicht, daß Disziplinarmaßnahmen notwendig sind, aber ich verspreche Ihnen, daß ich dafür sorgen werde, daß diesen beiden Bemerkungen bezüglich der Nichtraucherzonen sowie des Verhaltens gegenüber den Saaldienern Rechnung getragen wird.

 
  
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  Vander Taelen (Verts/ALE).(NL) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Lesen der internationalen Presse ist eine interessante Tätigkeit, wenn man erfahren will, womit sich bestimmte Kolleginnen und Kollegen hier beschäftigen. Zumeist liest man die Berichte mit Interesse, Faszination oder Erstaunen, aber man denkt auch dabei, das Europäische Parlament sei ein Haus mit vielen Zimmern. Man denkt sich seinen Teil und schweigt.

Vergangene Woche ist jedoch etwas geschehen, worüber wir nicht länger schweigen dürfen. Ein prominentes Mitglied dieses Parlaments, Herr Berlusconi, hielt es für nötig, bei einem Ausflug im Rahmen seiner Wahlkampagne äußerst verletzende Witze, ich sage nicht Bemerkungen, über Menschen zu machen, die an der schrecklichen Krankheit AIDS tödlich erkrankt sind. Sie müssen mir vergeben, daß ich Ihnen erzähle, was Herr Berlusconi gesagt hat, aber ich denke, Sie können nur dann urteilen, wenn Sie wissen, was er geäußert hat. Herr Berlusconi machte nämlich den folgenden Witz: Wissen Sie, warum ein AIDS-Kranker ein Sandbad nehmen muß? Die Antwortet lautet: Weil er sich so daran gewöhnt, in der Erde zu liegen. Das sind die Worte eines Mitglieds dieses Hohen Hauses. Sicherlich bliebe niemand ruhig, wenn es um Juden oder Schwarze ginge. Eine Reaktion von Ihnen, Frau Präsidentin, wäre hier unbedingt angebracht. Ich möchte auch den Vorsitzenden der EVP und den Fraktionsvorsitzenden dieser politischen Bewegung fragen, was er von derartigen Bemerkungen hält. Ich kann nur sagen, daß sie mich zutiefst schockiert haben. In Solidarität mit allen Menschen, und das sind Millionen, die an dieser furchtbaren Krankheit leiden, kann ich mich für das verehrte Mitglied, Herrn Silvio Berlusconi, nur schämen.

(Beifall von links)

 
  
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  Die Präsidentin. – Vielen Dank. Der von Ihnen genannte Kollege ist nicht anwesend und kann Ihnen daher nicht antworten oder sich verteidigen...

(Unruhe)

 
  
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  Seppänen (GUE/NGL).(FI) Frau Präsidentin! Aus der Zeitung haben wir erfahren, daß dem Parlament durch Diebstahl Verluste an Vermögenswerten in Höhe von fünf Millionen Euro entstanden sind und daß es Mißstände in der Haushaltsführung des Parlaments gibt. In Kürze legt zudem der Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften den Bericht über die Verwendung der Mittel durch die Fraktionen vor, der für das Parlament auch nicht gerade schmeichelhaft ausfallen wird. Dies sind Fragen von großer Bedeutung, mit denen sich das Parlament befassen muß.

Ich möchte mich zu einigen geringfügigen Fragen äußern, wobei ich es normalerweise auch nicht für angebracht halte, diese im Plenum vorzubringen, aber es ist erstaunlich, daß die Verwaltung in diesem Hause nicht in der Lage ist, diese kleinen Probleme zu beseitigen. Mehr als einmal habe ich mich hier im Plenum darüber beschwert, daß innerhalb des Fernsehnetzes des Parlaments für das finnische Fernsehen kein Bild empfangen werden kann. Damit ist Finnland das einzige Land, das hier im Parlament kein Fernsehbild bekommt. Ich würde mir wünschen, daß eine solche Geringfügigkeit beseitigt werden könnte. Die Holländer haben im Plenum mehrfach kritisiert, daß sie kein niederländisches Fernsehen empfangen können. Jetzt haben sie zwei Programme, und ich hoffe, daß wir Finnen wenigstens einen Kanal sehen können. Auch bleibt zu hoffen, daß aus den Leitungen irgendwann einmal warmes Wasser kommt, denn seit Beginn dieser neuen Amtszeit hatten wir bisher überhaupt noch keines. Auch das habe ich im Plenum bereits mehrfach kritisiert. Was ist los mit Ihnen, meine Damen und Herren Bürokraten, daß sie nicht einmal geringfügige Probleme in diesem Hause lösen können? Ich meine, neben der Tatsache, daß Sie Diebstähle in Höhe von fünf Millionen Euro zulassen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Seppänen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Detailfrage. Sie wissen sicherlich, daß bedeutende Anstrengungen unternommen wurden, damit unsere niederländischen Kollegen ein Programm in ihrer Sprache empfangen können, und im Falle Finnlands ist dieses Problem noch nicht gelöst. Frau Banotti, die sich mit dieser Frage beschäftigt, wird Ihnen diesbezüglich die neuesten Informationen geben können.

 
  
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  Banotti (PPE-DE). (EN) Frau Präsidentin! Ich habe mindestens dreimal versucht, den finnischen Kollegen zu erreichen, um ihm zu versichern, was man mir auf der letzten Plenartagung zugesichert hat: ihm wird eine Decoder-Karte zur Verfügung gestellt, mittels derer er das finnische Fernsehen in seinem Büro nicht nur hören, sondern auch sehen kann. Ich bedauere sehr, daß dies noch nicht geschehen ist. Ich werde mich in dieser Woche darum kümmern.

Im Kollegium der Quästoren haben wir das Problem der Diebstähle im Parlament – von denen auch wir betroffen sind – diskutiert. Ich kann Ihnen versichern, daß sich die Quästoren damit beschäftigen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Banotti.

 
  
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  Buitenweg (Verts/ALE).(NL) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die vorgeschlagene Tagesordnung wurde erheblich geändert. Berichte wurden verschoben, und es wurden sogar Zeiten verändert. Morgen beginnen wir zum ersten Mal um 08.30 Uhr. Die volle Tagesordnung hat jedoch nicht zu einer besseren Verteilung der Berichte auf alle fünf Tage dieser Straßburg-Woche geführt. Im Gegenteil, am Freitag wurden zwei Berichte gestrichen und nur drei mündliche Anfragen angesetzt. Dadurch geraten wir in ein Dilemma. Als gewählte Volksvertreter sind wir ein Spiegelbild unserer Wählerschaft, was in allen Abstimmungen zum Ausdruck kommen muß. Die Tagesordnung am Freitag enthält jedoch diese Woche, wie es auch in der Vergangenheit oft der Fall war, so wenig Punkte, daß viele Kollegen zu Recht meinen, ihre Zeit in ihrem Land sinnvoller nutzen zu können. Wie sollten wir jetzt unseren Verpflichtungen am besten nachkommen?

Ich habe mit Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fraktionen ausführlich darüber gesprochen, und wir sind zu dem Schluß gekommen, daß das Parlament eine Entscheidung treffen muß: Entweder wir werten die Tagesordnung der Freitagsitzung auf, so daß auch mehr Mitglieder bei den Abstimmungen anwesend sind, oder wir schaffen den Freitag als Sitzungstag ab. Das ist keine Anti-Straßburg-Kampagne, wohl aber ein Plädoyer für die Anwesenheit der Abgeordneten bei den Abstimmungen und auch für ein besseres Image des Parlaments.

Sie haben bereits letzte Woche eine E-Mail bezüglich unserer Absicht erhalten, am Freitag die Feststellung des Quorums zu beantragen. Zu dieser Frage habe ich auch ein Schreiben an die Konferenz der Präsidenten gerichtet. Dies hat jedoch nicht bewirkt, daß die Tagesordnung am Freitag verdichtet worden ist, sondern sie wurde, wie gesagt, sogar ausgedünnt. Unsere Pläne bleiben also bestehen, und das heißt, die Abstimmung am Freitag kann nur dann stattfinden, wenn die erforderlichen 209 Abgeordneten anwesend sind. Wir wollten dies nur rechtzeitig ankündigen, um Ihnen Gelegenheit zu geben, durch Ihre An- oder Abwesenheit und nicht nur durch Lippenbekenntnisse zu erkennen zu geben, was Sie eigentlich mit diesen Freitagen wollen: sie aufwerten oder abschaffen.

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. – Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie darum bitten, keine Aussprache in Form von Anträgen zur Geschäftsordnung zu dieser Angelegenheit einzuleiten, die uns bis spät in die Nacht beschäftigen würde. Ich verspreche Ihnen jedoch, daß ich diese Frage auf der Konferenz der Präsidenten ansprechen werde. Die Fraktionsvorsitzenden haben Ihre Worte sehr wohl vernommen. In der Tat liegt hier ein Problem vor, daß wir in der Konferenz der Präsidenten bei der nächsten Festlegung der Tagesordnung und prinzipiell natürlich auch darüber hinaus berücksichtigen werden.

 
  
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  Kuhne (PSE). – Frau Präsidentin, ich möchte ganz kurz auf Herrn Seppänen eingehen, nicht auf das finnische Fernsehen, sondern auf den ersten Punkt, den er angesprochen hat. Ich habe natürlich zur Kenntnis genommen, daß vor etwa 10 Tagen europaweit ein bestimmter Artikel aus der European Voice wieder und wieder recycelt worden ist. Ich hätte es als Berichterstatter zur Haushaltsentlastung unserer eigenen Institution nur begrüßt, wenn Herr Seppänen Gelegenheit gefunden hätte, einen Blick in meinen Bericht zu werfen, wo diese Frage des Inventars deutlich und kritisch angesprochen wurde und der bereits mit Datum vom 10. Februar in allen Sprachversionen für alle Kollegen hier im Hause zur Verfügung stand. Ich würde es begrüßen, wenn wir dies auch zum Anlaß nehmen würden, uns unsere eigenen Dokumente, unsere eigenen Beschlußvorschläge, die durchaus kritisch sind – auch uns selbst gegenüber – mehr zu Gemüte zu führen, und nicht immer nur reflexhaft auf bestimmte Presseorgane reagieren würden.

(Beifall)

 
  
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  Ribeiro e Castro (UEN). (PT) Frau Präsidentin, verehrte Kollegen! Ich möchte die Frau Präsidentin und den Vorsitz allgemein auf einen Tagesordnungspunkt dieser Sitzung aufmerksam machen, den ich für überaus folgenschwer halte. Im Bericht Dimitrakopoulos-Leinen, dessen Aussprache für Mittwoch vorgesehen ist, gibt es einen Absatz, den ich im Originalwortlaut in Französisch verlese:

„Les affaires internacorporis du Parlement européen ne peuvent pas faire l'objet d'un recours juridictionnel.“

Ich halte das für extrem gefährlich. Das ist eine äußerst gravierende Verletzung von Grundrechten, eine Verletzung einer grundlegenden Regel der Rechtsstaatlichkeit. Es ist eine Übertragung totalitärer Ideologien. Meiner Ansicht nach sollte der Vorsitz einen Bericht mit diesen Wesensmerkmalen nicht zulassen.

Ich möchte daher mit aller Loyalität die Aufmerksamkeit der Präsidentin auf diese Frage lenken und sagen, daß, sollte sie auf der Tagesordnung für Mittwoch verbleiben, ich mir das Recht vorbehalte, einen Antrag gemäß Artikel 143 der Geschäftsordnung einzubringen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Ribeiro wir werden Ihren Hinweis genauestens überprüfen.

 
  
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  Miller (PSE). (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen Vorfall richten, der sich in der vergangenen Woche ereignete. Zwei Fußballfans, die zu einem UEFA-Cup-Spiel ihrer Mannschaft unterwegs waren, kamen auf tragische Weise ums Leben. Fußball ist in der ganzen Welt bekannt, fast alle Nationen spielen Fußball. Es ist ein faszinierendes Spiel. In rund drei Monaten werden Belgien und Holland die Europameisterschaften 2000 ausrichten. Es ist zu befürchten, daß sich gewalttätige Ausschreitungen wie die Ereignisse der vergangenen Woche in Belgien und Holland jederzeit wiederholen können.

Ich möchte Sie bitten, die betreffenden Mitgliedstaaten über Ihre guten Verbindungen zu kontaktieren und darauf hinzuwirken, daß solche Vorfälle die Ausnahme bleiben.

 
  
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  Die Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Miller. Wir werden in diesem Sinne aktiv werden. Wir haben oft Empfehlungen zur Gewalt bei Sportveranstaltungen verabschiedet, und was Sie uns da mitteilen, ist äußerst besorgniserregend.

 
  
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  Van Velzen (PPE-DE).(NL) Frau Präsidentin! Kollege Hänsch hat soeben eine sehr wichtige Bemerkung gemacht, und da sich dieser Punkt auf die ganze Tagesordnung auswirkt, möchte ich mich ebenfalls dazu äußern.

Erstens: Da der Rat seine Erklärung zum Irak abgesagt hat, unterstützt die EVP den Vorschlag, diesen Punkt durch eine Erklärung zu Äthiopien zu ersetzen. Ich halte das für einen sehr vernünftigen Vorschlag. Zweitens: Wir möchten auch die Möglichkeit haben, Irak in die Dringlichkeitsdebatte aufzunehmen, da sich das Parlament letzten Endes dazu äußern muß. Es geht nicht an, daß wir hier im Parlament nur deshalb nicht darüber sprechen, weil der Rat nicht fertig ist.

Abschließend: Wir würden es, auch angesichts der äußerst beunruhigenden Fernsehbilder der letzten Zeit, sehr begrüßen, wenn auch Zimbabwe in die Menschenrechtsdebatte aufgenommen wird. Wir haben ein Gesamtpaket, und damit sind wir vielleicht in der Lage, alle für dieses Parlament wichtigen Punkte mitzuerledigen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Herr van Velzen, Sie werden gleich die Gelegenheit haben, sich zu diesen Dingen zu äußern, da wir uns nun mit dem Arbeitsplan beschäftigen werden.(2)

 
  

(1) Genehmigung des Protokolls: siehe Protokoll.
(2) Vorlage von Dokumenten –Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat – Petitionen: siehe Protokoll


2. Arbeitsplan
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  Die Präsidentin. – Nach der Tagesordnung folgt die Prüfung des endgültigen Entwurfs der Tagesordnung, wie er von der Konferenz der Präsidenten gemäß Artikel 110 der Geschäftsordnung erstellt wurde.

Tagung vom 10. bis 14. April 2000 in Straßburg:

Zum Dienstag:

Der Rat hat uns mitgeteilt, daß er zur Zeit keine Erklärung zum Irak abgeben möchte. Dies bedauern wir natürlich, aber wir können es nicht ändern. Wir haben nicht die Möglichkeit, den Rat zu einer solchen Erklärung zu verpflichten.

In diesem Zusammenhang habe ich einen Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas erhalten, die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage in der Türkei, die eigentlich für Mittwoch, den 12. April, vorgesehen waren, vorzuziehen. Sie sollen anstelle der Erklärung zum Irak angesetzt werden.

Ich wende mich nun an Herrn Hänsch. Wurde dieser Antrag dahingehend geändert, daß Sie vorschlagen, anstelle der Erklärung zum Irak eine Erklärung zur Hungersnot in Äthiopien anzusetzen – und wenn ich es richtig verstanden habe, wird dieser letzte Antrag von Herrn van Velzen im Namen der PPE-Fraktion befürwortet – und die Aussprache zur Türkei zum vorgesehenen Zeitpunkt durchzuführen. Ist das richtig so?

 
  
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  Hänsch (PSE). – Frau Präsidentin! Wir möchten, daß die Türkei vorgezogen wird, aber das bedeutet dann – wenn wir die Türkei vom Mittwoch auf den Dienstag nehmen –, daß der Platz frei bleibt für Äthiopien. Am Mittwoch können wir dann über Äthiopien reden, wenn der Rat dem zustimmen würde. Also, Dienstag Türkei, Mittwoch Äthiopien.

 
  
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  Van Velzen (PPE-DE).(NL) Frau Präsidentin! Ich finde den Vorschlag nicht so gut, weil der Rat, wenn ich richtig informiert bin, am Mittwoch nicht anwesend ist. Ich möchte, daß die Aussprache über Äthiopien auch in Anwesenheit des Rats geführt wird.

 
  
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  Die Präsidentin. – Herr van Velzen, mir wurde bestätigt, daß der Rat am Mittwoch anwesend sein wird.

In bezug auf Dienstag schlage ich Ihnen daher vor, die Erklärungen der Rates und der Kommission zur Lage in der Türkei vorzuziehen, d. h., diese anstelle der Erklärung zum Irak anzusetzen.

Herr Hänsch hat diesen Antrag soeben bestätigt. Wenn sich niemand dagegen aussprechen möchte, werde ich ihn zur Abstimmung stellen.

(Das Parlament billigt den Antrag.)

Zum Mittwoch:

Ich schlage Ihnen nun vor, anstelle der Erklärungen zur Lage in der Türkei, mit denen wir uns am Dienstag beschäftigen werden, die Aussprache zur Hungersnot in Äthiopien anzusetzen.

Ist jemand gegen diesen Vorschlag?

 
  
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  Swoboda (PSE). – Frau Präsidentin! Ich würde in diesem Fall vorschlagen, daß es die Möglichkeit gibt, eine kurze Entschließung zu Äthiopien zu verabschieden.

 
  
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  Die Präsidentin. – Ja, auf jeden Fall.

(Das Parlament billigt den Vorschlag.)

Zum Donnerstag:

Zu aktuellen, dringlichen und besonders wichtigen Fragen habe ich einige Änderungsanträge vorliegen.

Zunächst beantragt die Fraktion der Liberalen, Punkt 1 zum Atomwaffensperrvertrag durch einen neuen Punkt „Irak“ zu ersetzen.

 
  
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  Haarder (ELDR).(DA) Frau Präsidentin, es wäre für viele von uns eine große Hilfe, wenn wir über Punkt 4 zuerst abstimmen könnten. Ich glaube nämlich, daß unser Vorschlag unter Punkt 5 eine große Mehrheit haben wird. Dann können wir auf unseren Vorschlag unter Punkt 1verzichten.

 
  
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  Die Präsidentin. – Herr Harder, mit anderen Worten, Sie wünschen also, daß wir uns sofort mit dem Vorschlag beschäftigen, anstelle des Punkts „Weltforum zur Ausbildung“ den Punkt „Irak“ anzusetzen, einen Vorschlag, den Sie für den Fall vorgesehen haben, daß der erste Vorschlag nicht angenommen wird.

Wenn ich Sie also richtig verstehe – doch Sie werden mir dies gleich bestätigen – ziehen Sie Ihren Antrag, den Punkt „Atomwaffensperrvertrag“ zu ersetzen, zurück, wobei es sich um Punkt 4 handelt, den wir ersetzen wollen, natürlich unter der Voraussetzung, daß das Parlament dies billigt. Oder wünschen Sie, daß wir sofort darüber abstimmen, Punkt 4 zu ersetzen?

 
  
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  Haarder (ELDR).(DA) Frau Präsidentin, ich wäre froh, wenn wir über Punkt 4 abstimmen könnten, bevor ich Stellung dazu nehme.

 
  
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  Hänsch (PSE). – Frau Präsidentin! Wenn ich das richtig verstanden habe, hat die Liberale Fraktion beantragt, den Punkt Nichtverbreitungsvertrag durch Irak zu ersetzen. Stimmen wir doch darüber ab! Wenn Sie das zurückziehen und den Irak anstelle des Weltforums für Ausbildung setzen wollen, dann müssen Sie das beantragen und dann wird darüber an vierter Stelle abgestimmt, wenn das Weltforum an der Reihe ist.

 
  
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  Die Präsidentin. – Ich denke auch, daß dies viel übersichtlicher ist. Ich ziehe es daher vor, daß wir uns an die Reihenfolge halten, in der die Anträge eingereicht wurden.

Ich stelle nun den Antrag der Fraktion der Liberalen zur Abstimmung, den Punkt „Atomwaffensperrvertrag“ durch einen neuen Punkt „Irak“ zu ersetzen.

(Das Parlament billigt den Antrag.)

Zum Thema „Menschenrechte“ liegt mir ein Antrag der Fraktion der Europäischen Volkspartei und europäischen Demokraten vor, den vierten Unterpunkt „Todesstrafe in den Vereinigten Staaten“ durch einen neuen Unterpunkt „Simbabwe“ zu ersetzen. Möchte jemand das Wort ergreifen, um sich für diesen Antrag auszusprechen?

 
  
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  Swoboda (PSE). – Frau Präsidentin! Da wir ja jetzt Äthiopien, das wir hinzufügen wollten, an einer anderen Stelle haben, würde ich den Antragsteller fragen, ob er einverstanden wäre, Simbabwe als 5. Punkt hinzufügen. Wir können ja fünf Punkte haben. Wenn wir Simbabwe als zusätzlichen Punkt nehmen, könnten wir dafür stimmen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Antragsteller sind offensichtlich einverstanden. Ich danke ihnen. Der Antrag braucht nicht zur Abstimmung gestellt zu werden, da er zurückgezogen wurde.

Darüber hinaus liegen mir fünf Anträge vor, einen fünften Unterpunkt zum Punkt „Menschenrechte“ hinzuzufügen.

 
  
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  Elles (PPE-DE). (EN) Frau Präsidentin! Damit es keine Mißverständnisse gibt, wenn wir uns darauf geeinigt haben, Simbabwe als fünften Punkt aufzunehmen, macht es keinen Sinn, über weitere Punkte abzustimmen, weil wir dann bereits fünf Punkte auf der Tagesordnung haben.

 
  
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  Die Präsidentin. – Herr Elles, ich werde gleich vorschlagen – weil dies meines Erachtens der soeben erzielten Einigung entspricht –, Simbabwe als fünften Unterpunkt zum Thema „Menschenrechte“ aufzunehmen. Das Parlament wird darüber entscheiden. Wir sind auf jeden Fall einverstanden. Dennoch möchte ich auch noch die anderen Vorschläge nennen, und sei es nur aus Gründen des Respekts für die Kolleginnen und Kollegen und die Fraktionen, die sie eingereicht haben.

Zunächst liegt mir der Antrag zu Simbabwe vor. Dann ein Antrag der Fraktion der Grünen zu einem Unterpunkt „Verletzung der Menschenrechte in Australien: Willkürurteile gegen Aborigines“. Der Vorschlag bezüglich der Hungersnot in Äthiopien ist hinfällig. Dann folgen der Antrag zu Simbabwe, den ich schon eingangs genannt habe, und der Antrag der Fraktion der Liberalen, einen Unterpunkt „Pinochet“ hinzuzufügen.

Wer ist dafür, Simbabwe als fünften Unterpunkt zum Thema Menschenrechte aufzunehmen?

(Das Parlament billigt den Antrag.)

Zum Freitag:

Bezüglich der mündlichen Anfragen zur Forstwirtschaft beantragt die Fraktion der Sozialdemokraten Europas, zum Abschluß der Aussprache Entschließungsanträge einzureichen, die lediglich vorgelegt werden, über die aber nicht abgestimmt wird.

Möchte sich jemand für oder gegen diesen Antrag aussprechen?

 
  
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  Gebhardt (PSE). – Frau Präsidentin! Ich möchte mich dafür aussprechen, daß an die mündliche Anfrage an die Kommission zu den Sturmfolgen des vergangenen Dezember eine Entschließung angeschlossen wird. Die Bürgerinnen und Bürger würden es nicht verstehen, wenn wir hier nur diskutieren und hinterher nicht sagen, welche Lösungsvorschläge und Möglichkeiten die Europäische Union bieten kann. Deswegen bitte ich darum, daß eine Entschließung an die mündliche Anfrage angeschlossen wird.

 
  
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  Die Präsidentin. – Also nach der mündlichen Anfrage zu den Sturmereignissen? Ich denke, daß wird kein Problem sein.

(Das Parlament stimmt dem Antrag zu.)

- Sitzungen am 3. und 4. Mai 2000 in Brüssel: keine Änderungen.(1)

(Das Parlament nimmt den geänderten Arbeitsplan an.)

 
  

(1) Anwendung des Dringlichkeitsverfahrens: siehe Protokoll.


3. Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet
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  Die Präsidentin. – Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0090/2000) von Herrn Kirkhope im Namen des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten zur Initiative der Republik Österreich im Hinblick auf den Erlaß des Beschlusses des Rates zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet (10317/1999 – C5-0318/1999 – 1999/0822(CNS)).

 
  
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  Kirkhope (PPE-DE), Berichterstatter. (EN) Frau Präsidentin! Ich hatte 1996 die große Ehre, die Regierung des Vereinigten Königreichs auf dem in der schwedischen Hauptstadt Stockholm unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen durchgeführten Weltkongreß zum Thema sexuelle Ausbeutung von Kindern zu vertreten. Dort wurde eine Reihe von Initiativen verabschiedet, um Kindern, den Schwächsten in unserer Gesellschaft, zu helfen. Meist ging es dabei um Fragen wie Sextourismus und Gewalt gegen Kinder ganz allgemein in allen Teilen der Welt.

Diese Initiativen bezogen sich in der Regel nicht auf die speziellen Probleme des Internets – einer neuen Technologie, die sich in den letzten Jahren mit rasanter Geschwindigkeit ausgebreitet hat und sowohl Segnungen als auch Gefahren in sich birgt. Es gibt kaum Bestimmungen darüber, wozu das Internet verwendet werden darf. Viele Länder sind daran interessiert, ihre Bürger an den positiven Effekten des Internet teilhaben zu lassen, der elektronische Geschäftsverkehr ist zu einem wichtigen Teil des täglichen Lebens geworden, und trotzdem gibt es bisher keine Regelungen, die die Opfer von Mißbrauch – insbesondere jene, von denen Bilder pornographischen Inhalts im Internet verbreitet werden – schützen.

Das ist der Hauptgrund für meinen Bericht – Kinder zu schützen und vor dieser speziellen Art von Mißbrauch zu bewahren. Mein Bericht beinhaltet zum ersten Mal eine Definition. Diese fehlte bislang. Der Bericht geht auf eine Initiative Österreichs zurück, die dieser Bericht unterstützt, aber auch hier gab es keine Definition. In unseren Bericht haben wir eine Definition aufgenommen, von der wir hoffen, daß sie international annehmbar ist. Eine Lösung in diesem Bereich kann nur auf internationaler Ebene erzielt werden. Im Augenblick beschäftigen wir uns nur mit der europäischen Ebene, aber die Welt wird hoffentlich reagieren, sei es, wie gehabt, unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen oder aber geleitet vom gesunden Menschenverstand anderer Länder. Vielleicht setzt sich am Ende weltweit die Überzeugung durch, daß solche Machenschaften geächtet werden müssen.

Wir fordern in unserem Bericht die europäischen Nationalstaaten auf, Aktionspläne zum Umgang mit solchen Fällen von Mißbrauch zu erarbeiten. Darunter verstehen wir die Herstellung, den Verkauf, die Verbreitung sowie den bewußten Besitz von Bildern kinderpornographischen Inhalts. Wir wollen diesen scheußlichen Mißbrauch mit Stumpf und Stiel ausrotten.

Unser Bericht soll ein Beitrag dazu sein, daß die Polizei überall in Europa gegen solche Vorgänge einschreiten kann. Wir möchten die Nationalstaaten ermutigen und in einigen Fällen auffordern, die geltende Rechtslage zu überprüfen, damit solche Fälle von Mißbrauch verfolgt und die Schuldigen vor Gericht gestellt werden können.

Unsere Aufgabe ist schwierig, nicht nur hinsichtlich der Definition, die wir hier aufgenommen haben, sondern auch deshalb, weil verschiedene Länder unterschiedliche Auffassungen haben, zum Beispiel in der Frage, was ein Kind ist. In unseren Beratungen haben wir versucht, einen Kompromiß zu finden. Ich glaube, daß uns das gelungen ist.

Als Berichterstatter danke ich allen, die an der Erarbeitung dieses Berichts beteiligt waren, nicht nur in meinem Ausschuß, dem Ausschuß für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, sondern auch im Ausschuß für Recht und Binnenmarkt sowie im Ausschuß für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport. Wir hatten nur positive Reaktionen. In meinem Ausschuß wurde der Bericht mit 27 Stimmen angenommen, bei einer Enthaltung. Ich denke, das ist sehr wichtig und ein gutes Zeichen für unsere künftige Arbeit. Die breite Unterstützung der Initiative sowohl in den Ausschüssen als auch in der Öffentlichkeit stimmt mich sehr zuversichtlich, daß sie nach ihrer Behandlung im Europäischen Parlament rasch aufgegriffen und in die Tat umgesetzt werden wird und so zum Schutz des schwächsten Teils der Gesellschaft, der angesichts des raschen Wachstums und der Entwicklungen dieser neuen Technologie unseres Schutzes bedarf, beiträgt.

(Beifall)

 
  
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  Cederschiöld (PPE-DE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Recht und Binnenmarkt. – (SV) Frau Präsidentin! Kinderpornographie ist eine widerwärtige Form der Kriminalität, die, nicht zuletzt aufgrund des internationalen Charakters des Internet, grenzüberschreitende Maßnahmen erfordert.

Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Kirkhope, zu seinem ausgezeichneten Bericht gratulieren. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht besonders interessant, daß Herr Kirkhope ausgerechnet aus Großbritannien kommt. Erfreulicherweise hat er den Begriff der Kinderpornographie definiert, wobei ich glaube, wir haben einen guten Kompromiß erreicht. Ich halte es vor allem für positiv, daß auch alles, was den Anschein erweckt, Kinderpornographie zu sein, unter Herrn Kirkhopes Definition fallen soll.

Der Vorschlag sieht die Schaffung von Anlaufstellen, d. h. Sondereinheiten, in den Mitgliedstaaten vor, was hoffentlich zu wirksameren Untersuchungen führen wird. Für qualifizierte Ermittlungen auf diesem Gebiet ist ein größeres Fachwissen erforderlich. In diese Arbeit wird auch Europol, ebenso wie die Kandidatenländer, einbezogen werden. Es ist erfreulich, daß Straftaten, die in Drittländern begangen werden, nach inländischem Recht bestraft werden können.

Die Definition von „Kind“, d. h. das Alter des Kindes, wurde formuliert, um zu zeigen, daß wir den effektivsten Schutz vor Kinderpornographie erreichen wollen. Unsere Überlegungen beinhalten eine Flexibilität bei der Definition der Altersgrenze, die die Kinderpornographie an härtesten trifft. Es geht um einen weitgehenden Schutz der Kinder, der ihnen die Kindheit erhält, auf die sie ein Anrecht haben. Alle Kinder sollten das Recht auf eine Kindheit haben, die ein grundlegendes Menschenrecht sein sollte.

 
  
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  Prets (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport. – Das Europäische Parlament, die Mitgliedstaaten, die verschiedensten Organisationen beschäftigen sich schon seit Jahren aufgrund verschiedener Gesetzesgrundlagen, Übereinkommen und Entschließungen mit dem Thema Kinderschutz, Kinderrechte, sexueller Mißbrauch, sexuelle Ausbeutung, Sextourismus, Kinder- und Frauenhandel und Kinderpornographie im Internet. Durch die Initiative der Republik Österreich zur Annahme eines Beschlusses des Rates zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden – und ich glaube, das ist das entscheidende Wort, daß sie verpflichtet werden –, Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet zu treffen. Diese Verpflichtung muß sich rechtlich auswirken.

Die Bedeutung des Internet ist uns allen klar. Es ist mittlerweile unverzichtbar geworden als modernes Kommunikationsmittel. Wir brauchen es für den Informationsaustausch, zum Lernen und für alle möglichen Prozesse. Die verstärkte Nutzung des Internet verstärkt aber auch den Zugang zu Gewalt, zu Pornographie und letztlich zu Kinderpornographie. Auch Kinder erhalten im Internet Zugang zu Gewalt, was für uns alle abzulehnen ist. Die Eltern stehen diesem Phänomen machtlos gegenüber, weil sie mit diesem technischen Fortschritt nicht Schritt halten können. Wir sind sehr darauf bedacht – speziell auch in dem neuen MEDIA 2000-Programm, das erarbeitet wird –, wie man hiermit in Zukunft umgeht.

Es entsteht daher die dringende Notwendigkeit einer wirksamen Bekämpfung der netzunterstützten Kinderpornographie. Dies erfordert eine leistungsfähige Software, damit das Herkunftsland festgestellt, die Bilder zurückverfolgt und die Täter bzw. die Produzenten gefaßt werden können. Dies erfordert eine hoch qualifizierte Technik. Wir brauchen Techniker, die Schlüssel entwickeln, um Zugriff zu erhalten, wobei man auch von der Medienfreiheit etwas abweichen muß. Wir brauchen eine Vernetzung aller Organisationen. Wir brauchen eine Vernetzung der Hilfsorganisationen, der NRO, um hier ein rasches Handeln und ein wirksames Vorgehen zu erreichen.

Aber eins dürfen wir nicht vergessen: Der wichtigste Grund, warum die Kinder dazu gezwungen werden, ist die Armut. Wir müssen Armut und Intoleranz bekämpfen und hier ansetzen. Das ist das wichtigste Präventiv, das heißt, wir brauchen Verständnis für die Kinder. Das heißt aber auch, daß wir die Opfer schützen, daß wir ihnen Hilfe anbieten müssen zum Wiedereinstieg, daß wir ihnen helfen müssen, in ein normales Leben zurückzufinden. Wir dürfen also nicht nur präventiv tätig sein, sondern müssen den betroffenen Kindern nachhaltig helfen.

 
  
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  Coelho (PPE-DE).(PT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, verehrte Kollegen! In den letzten Jahren hat sich auf der Grundlage des von allen Mitgliedstaaten ratifizierten Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes die Forderung nach einer Politik für die Kinder Bahn gebrochen. In allen Mitgliedstaaten wird diesem Thema jetzt eine bedeutend größere Aufmerksamkeit zuteil. In der Wirtschaftspolitik oder anderen Politikfeldern der Europäischen Union jedoch finden die Bedürfnisse der Kinder nur sehr selten nachdrücklich Beachtung, obwohl sie etwa ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen.

Weltweit werden die Grundrechte von Tausenden von Kindern gravierend und systematisch verletzt. Das geht von nicht aufgedeckter und nicht bestrafter Gewalt in den Familien und der ökonomischen Ausbeutung ihrer Arbeitskraft – wobei sie ihrer Kindheit und einer Bildung beraubt werden – bis hin zu ihrem Einsatz im Krieg, von dieser Horrorgestalt der Kindersoldaten bis hin zur Ausnutzung für Prostitution oder Pornographie.

Schätzungen des Wirtschafts- und Sozialausschusses zufolge gibt es in Europa über fünf Millionen Kinder, die arbeiten, ein Großteil in Bereichen wie Pornographie, Drogenhandel, Kinderpornographie und Sextourismus. Diese Kinder benötigen den besonderen Schutz der Gesellschaft.

Die Ausweitung des Internet, seine atemberaubende Entwicklung und seine wachsende Bedeutung läßt heute die Frage nach seiner Nutzung für diese verdammenswerten Zwecke aufkommen. Auf der letzten Sitzung hier in Straßburg haben wir darüber diskutiert, was wir im Internet tun müssen: Die Europäische Union will im elektronischen Handel schneller vorankommen und entschlossener auf die neuen Technologien und auf die Erziehung setzen.

Wir diskutieren heute darüber, was wir verhindern und bekämpfen müssen: den Umlauf und die Verbreitung von Kinderpornographie, die erschreckend zugenommen haben. Genauso, wie wir die Website-Administratoren und Zugangsanbieter anhalten müssen, selbst Verhaltensregeln aufzustellen und Vorschriften für sich festzulegen, und die Internet-Benutzer, damit sie, sobald sie auf Kinderpornographie stoßen, die Behörden informieren, muß auch das Gesetz der Unionsstaaten in die Pflicht genommen werden.

Der ausgezeichnete Bericht des Kollegen Kirkhope macht deutlich, wieviel wir in bezug auf die Schaffung von Sondereinheiten, den Ausbau der Zusammenarbeit und des Austauschs zwischen den Staaten, die Tätigkeit von EUROPOL, die Wirksamkeit des Handelns der Mitgliedstaaten zu tun und zu verbessern haben. Das schließt, soweit erforderlich, auch die Revision der einschlägigen Rechtsvorschriften ein, damit die Anwendung wirksamer Strafsanktionen gewährleistet ist.

Was die Verantwortung der Union als solche betrifft, so freue ich mich darüber, daß die Charta der Grundrechte, die zur Zeit ausgearbeitet wird, die speziellen Rechte der Kinder einschließt und dabei die Bereiche berücksichtigt, in denen die Union insbesondere in diesen Fragen einen spürbaren Impuls geben kann.

 
  
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  Kessler (PSE). – Frau Präsidentin, es gibt nach meiner Auffassung eine Steigerung der Perversion: Wenn neben der sexuellen Ausbeutung eines Kindes das Geschehen wie auch immer aufgezeichnet und anschließend materiell verwertet wird. Diese Handlungen passieren täglich, stündlich, vielleicht in jeder Minute. Die Täter bedienen sich zur Verbreitung der modernsten Technologie und finden mit dem Internet ein Medium, welches wie kein anderes geeignet ist, aus der Anonymität heraus zu agieren. An Grenzen stoßen die Pädophilen lediglich bei ihrem eigenen technischen Vermögen oder dem Equipment, welches sie sich zu leisten in der Lage sind. Die Gesellschaft, der Staat haben dem illegalen Treiben im Internet bisher im Verhältnis zu dessen beinah unendlichen Möglichkeiten relativ wenig entgegenzustellen, insbesondere weil der cyberspace keinen Staat, keine geographischen und politischen Grenzen kennt und seine bestechende Eigenschaft die weltumspannende Verfügbarkeit ist. Das Internet kann keine Straftaten begehen. Kriminell ist das Verhalten von circa 3 bis 5 % der Internetnutzer, die das Netz für illegale Zwecke mißbrauchen. 95 – 97 % des Internets sind legal. Das Internet ist somit ein Spiegelbild der globalen Gesellschaft. Genau wie in der realen Welt ist die Kriminalität auch in der virtuellen Welt ein fester Bestandteil.

Das Internet ist aber kein rechtsfreier Raum. Das Problem der Kriminalität im Internet kann von keinem Staat im Alleingang gelöst werden. Dazu sind weltweit einheitliche Straftatbestände und Definitionen nötig, damit Strafverfolgungsbehörden global miteinander und nicht gegeneinander agieren. Insbesondere im Bereich der Kinderpornographie, bei dem die Rechte der Kinder permanent mit Füßen getreten werden, bedarf es dringend einer globalen Regelung. Die EU hat bereits mehrere Maßnahmen in dieser Richtung getroffen, die ich hier nicht weiter anführen will. Ich beglückwünsche Herrn Kirkhope zu seinem Bericht. Das ist ein Text von hoher Qualität!

Zur effektiven Bekämpfung von Kinderpornographie ist es aber meiner Meinung nach nötig, daß Europol sofort über Fälle von Kinderpornographie unterrichtet wird und daß der Informationsaustausch mit den zuständigen Behörden rasch und direkt erfolgt, wie es im Änderungsantrag 20 von Gerhard Schmid gesagt wurde.

All die vorgeschlagenen Maßnahmen sind geeignet und notwendig für den effektiven Kampf gegen Kinderpornographie. Aber es darf nicht vergessen werden, daß über die technischen und polizeilichen Maßnahmen hinaus die Armut und Ignoranz, die Vorurteile bekämpft werden müssen, indem das Bild, das die Gesellschaft von ihren Kindern und das diese von sich selbst haben, aufgewertet wird, indem den Opfern geholfen wird, und der Opferschutz spielt bis jetzt eine viel zu geringe Rolle! Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem die Opfer abscheulicher Verbrechen nicht allein gelassen werden und die Täter durch Untätigkeit und Angst vor peinlichen Enthüllungen unterstützt werden!

(Beifall)

 
  
  

VORSITZ: JOAN COLOM I NAVAL
Vizepräsident

 
  
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  Plooij-Van Gorsel (ELDR).(NL) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Herrn Kirkhope für seinen ausgezeichneten Bericht. Jeder ist davon überzeugt, daß die physische und psychische Unversehrtheit von Kindern und der Schutz von Opfern sexuellen Mißbrauchs von grundlegender Bedeutung sind und im Mittelpunkt der Politik der Europäischen Union stehen müssen. Trotz der bisherigen Initiativen von Kommission und Parlament haben sexueller Mißbrauch und schädliche und illegale Inhalte im Internet noch zugenommen, und es erweist sich jedesmal aufs neue, wie schwierig es ist, gegen Kinderpornographie vorzugehen.

Was ist nun für eine effektive Bekämpfung von Kinderpornographie, vor allem im Internet, erforderlich? An erster Stelle eine unbürokratische, erkennbare Anlaufstelle. Die Niederlande haben eine solche Anlaufstelle als erstes Land bereits 1996 aufgrund einer Initiative der Internetprovider eingerichtet.

Zweitens müssen sich Polizei und Justiz mehr Kenntnisse über das Internet und verwandte digitale Techniken aneignen, denn dieses Wissen ist einfach nicht vorhanden. Die Beamten müssen gut ausgebildet sein, sonst kann von Bekämpfung keine Rede sein.

Letzter Punkt: Das Strafmaß in Europa muß harmonisiert und erhöht werden. Ansonsten bleibt das Internet eine Bedrohung und wird niemals zu der Herausforderung, die es darstellen kann.

 
  
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  Sörensen (Verts/ALE).(NL) Herr Präsident, verehrter Herr Kommissar Vitorino, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich dem Kollegen Kirkhope gratulieren. Sein Name verheißt Hoffnung. Hinter der Arbeit von Herrn Kirkhope verbirgt sich sehr viel, steht viel Kinderleid und viel menschliches Leid. Wir begrüßen es sehr, daß es endlich eine Definition gibt.

Dieses Phänomen muß der Öffentlichkeit stets ins Bewußtsein gerückt werden, und es müssen obligatorische Maßnahmen eingeführt werden. Unter anderem müssen Anlaufstellen, wie sie in Belgien und in den Niederlanden bestehen, auch in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in den Beitrittsländern eingerichtet werden. Denn offensichtlich besteht zwischen Kinderpornographie im Internet und Kinderhandel ein Zusammenhang. Dieser Zusammenhang wird in den Herkunftsländern, in den Transitländern und in den Ankunftsländern in der Europäischen Union sichtbar. Das geht auch aus den diesbezüglichen polizeilichen Ermittlungen in bezug auf minderjährige Asylbewerber hervor, die allein oder sogar in Begleitung aus Asylunterkünften verschwinden und im Prostituiertenmilieu auftauchen. Dieser Zusammenhang zeigt sich auch bei vermißten, eventuell entführten Kindern. Vor kurzem haben Mütter ihre Kinder auf einer Pornowebsite, die bei der französischen Polizei einzusehen war, wiedererkannt. Wir wissen auch, daß fremde Personalangaben von Menschen, die mit den Kinderporno-Websites im Internet arbeiten, benutzt oder mißbraucht werden. Um ihre eigene Identität zu verbergen, benutzen sie mißbräuchlich die Bankverbindungen von Dritten.

Die Bekämpfung der Kinderpornographie erfordert daher einen multidisziplinären Ansatz. Polizei und Fahndungsdienste müssen arbeiten können. Also müssen die Politiker der Polizei das Arbeiten ermöglichen. Die Polizei hier, in der Europäischen Union, verfährt anders als in manchen Beitrittsländern, wie es soeben auch andere Kollegen erwähnt haben. Auch den Politikern muß klar sein, daß es Kinderpornographie im Internet gibt. Die NRO leisten viel nützliche Arbeit. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß manche Zuhälter das Internet dazu mißbrauchen, Fotos von jugendlichen Prostituierten zu verbreiten.

 
  
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  Ainardi (GUE/NGL).(FR) Herr Präsident, dem Bericht von Herrn Kirkhope kommt das Verdienst zu, daß er den Rat auf eine schreckliche Form der Kriminalität aufmerksam macht. Obgleich ich die im Bericht vorgesehenen Maßnahmen unterstütze – und im übrigen möchte auch ich den Berichterstatter beglückwünschen –, bin ich der Ansicht, daß die vorgeschlagenen Maßnahmen dem Problem, vor dem wir stehen, nicht gerecht werden. Im Zusammenhang mit den Kommunikationstechnologien hat sich die Situation geändert. So bewirkt das Internet eine Systematisierung und Ausweitung des Geschäfts und des Handels mit kinderpornographischem Material. Umfang und geographische Ausdehnung dieses Handels haben bisher nie dagewesene Ausmaße angenommen. Daher besteht dringender Handlungsbedarf, und in Anbetracht der Tatsache, daß wir es hier mit einer Vernetzung zu tun haben, müssen wir spezifische Maßnahmen vorschlagen. In allen Staaten der Union werden pädophile Akte einzelner Personen verfolgt, bezüglich der Strafverfolgung innerhalb der Netze wird das Problem jedoch weiterhin verkannt und nicht wirksam angegangen. Wir haben es mit veränderlichen Netsites zu tun, die nur für kurze Zeit existieren, die kontinuierlich umgestellt werden und deren Kontrolle sehr aufwendig ist. Angesichts dieser Sachlage erweist sich eine Bestandsaufnahme der pädophilen Netze in den Ländern der Europäischen Union als notwendig.

Die Tatsache, daß es diese Netze gibt, bestätigt, daß wir einen gemeinsamen Rechtsraum benötigen. Der Berichterstatter fordert die Union erneut dazu auf, sich an die Mitgliedstaaten zu wenden und diese zu ersuchen, sich um eine einheitliche Gestaltung der Gesetzgebung in diesem Bereich zu bemühen. Ich teile seine Auffassung, aber da es sich um ein transnationales Problem handelt, bedarf es einer Lösung auf Ebene der Union. Mit Europol, Schengen und Eurodac haben wir bereits einen gemeinsamen justitiellen Raum geschaffen, der, lassen Sie uns dies anmerken, vor allem, ja sogar ausschließlich der Kontrolle der Wanderungsströme und der Eindämmung der illegalen Einwanderung dient. Aber selbst wenn in jedem Mitgliedstaat Maßnahmen zur Einrichtung von Sondereinheiten ergriffen werden, die, wie im Bericht vorgesehen, zusammenarbeiten, würden wir nicht das Problem der Netze lösen können, da diese Aktivitäten auf die nationalen Grenzen beschränkt blieben. Diejenigen, die mit kinderpornographischem Material handeln, sind häufig mehrfache Rückfalltäter und somit bekannt. Jedoch bedarf es präventiver Maßnahmen, um ihre Aktivitäten zu verhindern und ihre Netze zu zerschlagen. Die Europäische Union muß eine geeignete Struktur, ein europäisches Informations- und Aktionsinstrument entwickeln. Dieses Instrument sollte es ermöglichen, von den Mitgliedstaaten die Übermittlung von Informationen zu fordern, ihnen aber auch Anweisungen zu erteilen, damit die Netze zerschlagen werden können. Die Union sollte imstande sein, Sanktionen gegen einen Staat zu ergreifen, der seiner strafrechtlichen Verantwortung in Fällen von Pädophilie nicht nachkommt.

Die holländische Polizei hat mit Hilfe einer CD-ROM, die 10 000 kinderpornographische Bilder oder Filmausschnitte aus dem Internet enthält, eine Kartei mit mehreren Hundert Kindern erstellt. Interpol hat eingeräumt, daß es über eine Kartei mit 800 Fotos verfügt. Warum kommen diese wertvollen Dokumente nicht zum Einsatz? Wer sind diese Kinder? Was wird unternommen, um sie aufzufinden? Es gibt ein Register der Straftäter; demnach ist es auch möglich, ein Register der Opfer zu erstellen. Es ist unsere Pflicht – und dies ist eine Frage der Ethik und der Menschlichkeit –, alles zu tun, um diese Kinder zu finden.

Aus den genannten Gründen bin ich der Ansicht, daß die Europäische Union den Kampf gegen diese Form der Kriminalität als eine Priorität betrachten sollte. Der Bericht von Herrn Kirkhope ist voller guter Absichten, doch angesichts der aktuellen Situation müssen noch weitere Vorschläge erarbeitet werden. Meines Erachtens sollten die Kommission und der Rat Maßnahmen ergreifen, die der Schwere dieser Form der Kriminalität, die Tausende von Unschuldigen betrifft, gerecht werden.

 
  
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  La Perriere (UEN).(FR) Herr Präsident, nach dem Bericht von Frau Klamt über den Sextourismus sind wir mit dem hervorragenden Bericht von Herrn Kirkhope erneut mit einer Aussprache über eine der widerwärtigsten moralischen Entgleisungen unserer modernen Gesellschaft befaßt. Die Maßnahmen, die uns die österreichische Regierung vorschlägt, weisen in die richtige Richtung, d. h. verschärfte Strafverfolgung aller Personen, die kinderpornographisches Material herstellen, verkaufen, verbreiten oder wissentlich besitzen. Was aber soll man von der unzureichenden personellen und finanziellen Ausstattung der auf internationaler Ebene mit der Überwachung der naturgemäß weltweiten Internet-Netze betrauten Polizeieinheiten halten?

Hier muß vorausschauend gehandelt werden. Und wir müssen nach den wahren Gründen für dieses Übel suchen, um es wirksam bekämpfen zu können. Sicherlich liegt ihm die unbeschreibliche Perversion einiger Menschen zu Grunde, deren mögliche Verzweiflung niemals solche Verbrechen rechtfertigen kann, sowie die Verlockung des schnellen Geldes, der die Hersteller und Händler solcher Dokumente erliegen. Doch müssen wir unsere Aufmerksamkeit vor allem auf die wirtschaftliche Not der Eltern richten, die dazu verleitet werden, ihre Kinder auszunutzen, um zu überleben, und auch auf das Elend der sich selbst überlassenen Kinder, die, schutzlos und ohne moralische Orientierungspunkte, glauben, daß dies die einzige Möglichkeit sei, um ihr Elend zu überwinden.

Unsere Gesellschaft, wie auch oftmals unser Parlament, geht davon aus, daß die Zukunft des Menschen in einer Freiheit ohne Verantwortung und in Rechten ohne Pflichten besteht. Diese Einstellung ist verantwortungslos. So zahlen wir heute den Preis für diese Permissivität, die von einigen seit mehr als dreißig Jahren als Fortschritt hingestellt wird. Doch was schreitet fort außer der Einsamkeit unserer Mitbürger? Die der zerrütteten Familien und der sich selbst überlassenen Kinder, die sich quasi automatisch Drogen, sexueller Zügellosigkeit, Sekten und Alkohol zuzuwenden.

Die Achtung der Menschenwürde, die im Ratsbeschluß zu Recht gefordert wird, setzt voraus, daß zum einen der extrem schädliche Charakter dieses Fehlverhaltens kompromißlos anerkannt wird und zum anderen adäquate politische Strategien entwickelt werden, die es den Familien in Europa und in den Drittstaaten ermöglichen, für ihre Kinder zu sorgen, sie zu erziehen und zu beschützen, und die die Kinder in die Lage versetzen, sich an wirklichen Werten wie dem Schönen, dem Guten und dem Wahren zu orientieren. Die Androhung von verschärften Strafmaßnahmen, wie sie der Bericht legitimerweise fordert, wird nur dann ihre Wirkung nicht verfehlen, wenn wir gleichzeitig die Elemente einer Kultur des Lebens, einer Kultur, die das Leben achtet und die für alle und überall gilt, wieder in den Vordergrund stellen und wenn wir auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Union konkret die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.

 
  
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  Gollnisch (TDI).(FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gab viele Anmerkungen zum Bericht unseres Kollegen Kirkhope, der viele interessante Elemente enthält, und es liegt mir fern, diesen Kommentaren einige bloße Belanglosigkeiten hinzufügen. Zunächst verweise ich darauf, daß die Kinderpornographie vor allem auf zwei Phänomenen beruht.

Die erste Erscheinung ist der explosionsartige Anstieg der Pornographie im allgemeinen, und die zweite natürlich die sexuelle Ausbeutung von Kindern. Ich spreche vom explosionsartigen Anstieg der Pornographie im allgemeinen, weil es meines Erachtens nicht möglich ist, die Kinderpornographie vollständig von der sonstigen Pornographie zu trennen. Wenn nämlich der Verbraucher überall – im Fernsehen, in den Hotelketten, auch hier in Straßburg oder in Brüssel, in allen Zeitschriften, in den Auslagen der Kioske – mit pornographischen Reizen überschüttet wird, entsteht bei ihm – wenn ich so sagen darf – ein Gewöhnungseffekt, der ihn zwangläufig eines Tages veranlassen wird, wie ein Drogenabhängiger nach immer stärkeren Reizen zu suchen.

So laufen die Dinge ab, und aus diesem Grund tragen diejenigen, die z. B. 1987 in Frankreich glaubten, sich im Namen der Freiheit mit aller Macht der umsichtigen Maßnahme widersetzen zu müssen, pornographische Zeitschriften aus den Auslagen der Kioske zu verbannen und nur noch im Innern zu verkaufen, eine Mitverantwortung für die Geschehnisse, die sie heute verurteilen.

Ich hörte soeben, wie sich unsere Kollegin Ainardi – eine linke Abgeordnete – z. B. darüber beschwerte, daß eine Reihe von Karteien zwar erstellt, aber nicht von der Polizei oder bei der Strafverfolgung benutzt wird, wie dies eigentlich der Fall sein sollte. Ich möchte unsere Kollegin nur daran erinnern, daß eine der ersten gerichtlichen, rechtlichen und polizeilichen Maßnahmen der linken Regierung Frankreichs die Vernichtung der Kartei der sexuell Perversen war.

Man darf daher nicht überrascht sein, daß es zu der gegenwärtigen Entwicklung und zur Verharmlosung der sexuellen Ausbeutung von Kindern gekommen ist. Doch dies dürfte auch die natürliche Folge gewisser weiterer Maßnahmen sein. Ich denke z. B. an die Verharmlosung der Homosexualität. Es ist mir natürlich klar, daß sich die Kinderpornographie nicht unbedingt aus der...

(Unruhe)

... sehen Sie, Sie liefern exakt den Beweis für die Richtigkeit dessen, was ich soeben gesagt habe. Es gibt Kollegen, die in diesem Hause die Kinderpornographie verurteilen, beispielsweise aber verlangen, daß homosexuelle Paare – und warum sollte man sich dabei auf Paare beschränken – Kinder adoptieren können. Sie kehren auf diese Weise den Begriff der Adoption förmlich um, so daß die Adoption nicht mehr im Interesse des adoptierten Kindes, sondern ausschließlich im Interesse des adoptierenden Erwachsenen erfolgt. Sie begeben sich damit zwangläufig in einen Teufelskreis, der eines Tages zu den Entgleisungen der Kinderpornographie führt.

Ja, ja, ich habe schon die üblichen Einwände von Herrn Schulz vernommen. Dies hindert mich jedoch nicht daran, zu fragen, ob dieser entsetzliche Verfall der moralischen Werte und gesellschaftlichen Regeln nicht auch in gewissem Maße auf die Vernichtung ungeborenen Lebens zutrifft? Denn wie kann man in öffentlichen Krankenhäusern, unter staatlicher Aufsicht, die Beseitigung von ungeborenen Kindern organisieren, aber gleichzeitig den Mißbrauch von geborenen Kindern zur sexuellen Befriedigung von Erwachsenen als moralisch zutiefst anstößig betrachten?

Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollte ich zum Ausdruck bringen. Diesen Praktiken ist – und wir alle wissen dies genau – in den Mitgliedstaaten bis hin in höchste politische Kreise eine offensichtliche Nachsicht entgegengebracht worden. Daher hoffen wir, daß man den Wald nicht vor lauter Bäumen übersieht. Natürlich ist in diesem Bereich eine internationale Zusammenarbeit, ebenso wie die Tätigkeit von Europol, und, warum auch nicht, eine Erweiterung des Mandats von Interpol erforderlich; aber wenn die Kinderpornographie bekämpft werden soll, dann müssen wir unabhängig von dem Verbreitungskanälen bei ihren Wurzeln ansetzen! Ob es sich um persönliche Netze, das Telefon oder auch um Btx handelt, niemand käme auf den Gedanken, die Zensur wieder einzuführen oder Briefe zu öffnen, weil Kinderpornographie auch auf dem Postweg verbreitet werden kann. Das Internet, Btx oder die Post an sich sind nur Verbreitungskanäle. Wir müssen vielmehr gegen die wirklichen Urheber vorgehen. Nicht das Internet an sich trägt die Schuld, sondern die Urheber der Kinderpornographie, die schonungslos bestraft werden müssen. Wir alle wissen, daß dies heute nicht der Fall ist.

(Beifall und Unruhe)

 
  
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  Blokland (EDD).(NL) Herr Präsident! Die Pioniere des Internet sahen in der Datenautobahn das ultimative Kommunikationsmittel und den Weg zu einer neuen sozialen Ordnung. Es sollte möglichst wenig Regeln unterworfen sein. Inzwischen hat sich gezeigt, daß das Internet nichts anderes ist als der Spiegel unserer Gesellschaft. Neben einem enormen Schatz an Informationen und Wissen bietet es auch die verbrecherische Kehrseite der Gesellschaft, wie beispielsweise Kinderpornographie.

Aufgrund der besonderen Eigenschaft des Internet wird die anonyme, schnelle und grenzüberschreitende Verbreitung von Kinderpornographie vereinfacht. Das ist ein hinreichender Grund für das Tätigwerden der Europäischen Union. Unsere Kinder müssen gegen diesen respektlosen Mißbrauch geschützt werden, der sie zu Gebrauchsgegenständen degradiert und sie ihr Leben lang schädigt. Deshalb begrüße ich voll und ganz den heutigen Vorschlag des Rats sowie den Bericht des Berichterstatters, Herrn Kirkhope.

Ich frage mich jedoch, ob der Rat dadurch, daß das Parlament dem Tatbestand „Kinderpornographie“ neue Elemente hinzufügt, nicht überfordert wird. Die Harmonisierung des Strafrechts auf europäischer Ebene ist noch etwas anderes als das Schaffen eines europäischen Strafrechts.

Ein schwieriger Punkt ist ferner die Altersgrenze, bis zu der von Kinderpornographie die Rede ist. Ich persönlich befürworte ein Schutzalter von 18 anstelle von 16 Jahren. Der jetzige Kompromiß, bei dem beide Altersgrenzen nebeneinander genannt werden, schafft jedoch Verwirrung. Wir können wohl nicht ernsthaft erwarten, der Rat werde diesen Wortlaut übernehmen. Das schmälert aber nicht meine Wertschätzung für das Engagement, das der Berichterstatter und die Kommission bewiesen haben.

 
  
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  Hager (NI). – Herr Präsident! Als jemand, der über die anhaltende Vorverurteilung Österreichs durch vierzehn Mitgliedstaaten tief bestürzt ist, freut es mich besonders, daß die Initiative zum vorliegenden Bericht von Österreich ausging. Das Thema beschäftigt uns schon lange, zu lange, wie ich glaube. Wie wichtig es ist, zeigt uns die ständig steigende Zahl einschlägiger Delinquenz. Dennoch darf man sich ungeachtet der Bedeutung einer effizienten Strafverfolgung in diesem Bereich nicht vom schuldstrafrechtlichen Prinzip entfernen und eine Erfolgshaftung postulieren. Der Bericht geht daher den richtigen Weg. Meiner Meinung nach ist es das dringendste Anliegen, daß in allen Mitgliedstaaten, aber auch in den Kandidatenländern die rechtlichen und technischen Möglichkeiten zur Durchsuchung des Internetinhalts nach kinderpornographischem Material ehestmöglich geschaffen werden.

Schließlich wiederhole ich meine seit Jahren vertretene Auffassung, daß auch die Provider in die Pflicht genommen werden müssen. Ich möchte mir zum Abschluß noch erlauben zu betonen, daß es vielleicht sinnvoll wäre, den Begriff und die Definition des Kindes in der Union einheitlich zu gestalten. Die Kinder werden unterschiedlich alt in dieser Union.

 
  
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  Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Es wurde schon oft erwähnt, daß der Vorschlag für eine gemeinsame Initiative aller EU-Mitgliedstaaten auf die Initiative des österreichischen Bundeskanzlers, Dr. Wolfgang Schüssel, zurückgeht, der 1998 als Außenminister im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft in Europa und vor den Vereinten Nationen in New York diese Initiative gesetzt hat, um eine Wiederaufnahme des Entwurfs einer gemeinsamen Maßnahme zur Bekämpfung der Pornographie im Internet zu veranlassen.

Das Motiv für diese Initiative bestand eindeutig darin, daß all jene Menschen, die Politik für die Zukunft machen wollen, einerseits den Mut zu notwendigen Reformen haben müssen, andererseits die Chancen der technischen und globalen Entwicklung und der Humanressourcen offensiv und mit Augenmaß nutzen müssen, aber aus Verantwortung auch ständig auf Risiken und Fehlentwicklungen hinzuweisen und Grenzziehungen vorzunehmen haben. Wer nicht dagegen vorgeht, daß Kinder und Jugendliche mißbraucht und verführt werden, gefährdet die Zukunft!

Die österreichische Initiative wollte auch wie die Vorredner bewußt machen, daß das Internet aufgrund seiner besonderen Eigenschaft neue und von seiner Dimension her nicht nur positive Möglichkeiten, sondern auch unglaubliche Möglichkeiten für die Verbreitung von kinderpornographischem Material bietet. Pornographisches Material kann über das Internet in unbeschränkter Fülle auf schnellstem Weg verbreitet werden. Es besteht die Gefahr, daß Kinder im Internet surfen und selbst auf pornographische Bilder ihresgleichen stoßen und dadurch psychische Schäden davontragen. Die Bekämpfung der Kinderpornographie und des Mißbrauchs des Internet ist daher eine weltweite und auch eine spezifisch europäische Aufgabe, und wir verlangen Handlungen aller Mitgliedstaaten im Sinne des Berichts.

Wir begrüßen die Debatte um das Schutzalter. Ich bin aber der Auffassung des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport, daß wir 18 Jahre hätten festlegen sollen, und ich hoffe, daß die Initiativen dazu führen, daß in allen Mitgliedstaaten die höchstmögliche Altersgrenze festgelegt wird.

Wir begrüßen, daß es zu einer einheitlichen Begriffsbestimmung kommt, und ich unterstütze alle Maßnahmen, die auch die Provider in die Mitverantwortung mit einbeziehen, weil die heutige Diskussion nur den Beginn einer Debatte und von Initiativen darstellen kann, aber noch lange nicht das Ende ist. Handlungen haben zu folgen.

 
  
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  Schulz (PSE). – Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In einer Debatte, in der eine Fülle von Dingen schon gesagt wurde, brauche ich mich nicht zu wiederholen, aber ich kann nicht umhin, auf zwei Bemerkungen von Herrn Gollnisch einzugehen, der jetzt bedauerlicherweise, aber wie üblich, den Saal schon wieder verlassen hat. Herr Gollnisch ist ein faschistischer Abgeordneter in diesem Hause, der jede sich bietende Gelegenheit benutzt, Menschen zu diffamieren, auch in diesem Saal. Es sind die Linken, es sind die Schwulen, die verantwortlich sind für die Kinderpornographie. Das wird alles schön in einen Pott gerührt. Die linke französische Regierung ist dafür verantwortlich, daß das Strafregister für Sexualstraftäter abgeschafft wurde. Damit ist sie in der Logik dieses Erzfaschisten verantwortlich für die Kinderpornographie. Das ist in etwa so das Gift, das er hier verspritzt. Anschließend verdrückt der Herr sich, denn diese ganze Meute sitzt in diesem Parlament nur aus dem einen Grund, permanent gegen andere Menschen zu hetzen, um sich anschließend in die Löcher zurückzuziehen und sich nicht der Verantwortung, der Debatte zu stellen. An der Parlamentsarbeit nehmen die Herrschaften sowieso nicht teil. Es ist an der Zeit, daß das jetzt einmal festgestellt wird, denn die reden ja immer nur für die Besucher. Das hört sich dann immer so wunderbar an. Die Wirklichkeit ist, die Herrschaften nehmen an 99 % der Arbeit nicht teil. Sie verspritzen hier ihr Gift, und anschließend machen sie sich vom Acker.

(Beifall)

Ich bin der Auffassung des Kollegen Hager, daß wir die Provider mit in die Pflicht nehmen sollten. Ich finde, das ist ein bedenkenswerter Punkt, den Herr Kirkhope in seinem Bericht berücksichtigen sollte.

Auch die Nichtentfernung aus dem Schuldstrafrecht unterstütze ich nachdrücklich. Es kann nicht angehen, daß wir einen der elementarsten Bereiche des Angriffs auf die Würde des Menschen – insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Schutzwürdigkeit von minderjährigen Menschen – aus dem Schuldstrafrecht entlassen. Ich glaube, das muß – auch wenn das in den Fraktionen des linken Spektrums bisweilen umstritten ist – deutlich gemacht werden. In dem Punkt hat Herr Hager recht.

Eine letzte Bemerkung: Die durch die Struktur des Internet bedingte permanente Verfügbarkeit von Sexuellem im ausschließlich anonymisierten privaten Bereich und die Tatsache, daß der sexuelle Mißbrauch der öffentlichen und damit der sozialen Kontrolle entzogen ist, ist eine der zentralen Herausforderungen, vor die uns diese neue Art des Zusammenlebens von Menschen stellt. Wir können das nicht nur mit Interpol und verschärftem Strafrecht lösen. Das Internet – das beweist gerade die Kinderpornographie – stellt völlig neue Herausforderungen an das eigene subjektive, individuelle Verantwortungsbewußtsein. Darüber sollten wir mindestens so stark diskutieren wie über die Verschärfung des Strafrechts.

 
  
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  Maes (Verts/ALE).(NL) Herr Präsident! Sexueller Mißbrauch von Kindern ist ein Verbrechen, ganz gleich ob er von Homo- oder von Heterosexuellen begangen wird. Die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet ist ebenso ein Verbrechen wie die Erstellung dieser Kinderpornographie. Opfer pädophiler Handlungen sind oft für den Rest ihres Lebens traumatisiert, und einige werden später vielleicht selbst zu Tätern. Die Verbreitung von Kinderpornographie wird durch das Internet gefördert. Nicht nur wird der Umfang der Verbreitung größer, sondern das Verbrechen droht auch banalisiert zu werden.

Verschiedene Kolleginnen und Kollegen haben im Zusammenhang mit diesem lobenswerten Bericht bereits viel gesagt, unter anderem wie gut und wie notwendig es ist, daß es Anlaufstellen gibt, daß sich die Polizei das erforderliche Wissen aneignet und daß ein klares Strafmaß genannt wird. Frau Plooij hat das noch einmal hervorgehoben. Wer jedoch mit dieser unerfreulichen Materie einigermaßen vertraut ist, weiß, daß die Anlaufstellen mit ungeheuren Datenmengen überhäuft werden und – in krassem Gegensatz dazu – die Zahl der Mitarbeiter, die diese Daten verarbeiten sollen, sehr begrenzt ist. Ich habe Mitleid mit ihnen, nicht nur wegen der Bilder, die sie ansehen müssen, sondern auch wegen der Materialmenge, die sie einfach überfordert. Denn wir tun hier so, als seien wir uns alle einig, in der Praxis sieht das jedoch anders aus. In der Praxis gibt es erheblichen Widerstand. Urlaubsgebiete, auch bei uns in der Europäischen Union, wollen nicht eingestehen, daß Kinder durch Armut zur Prostitution gezwungen werden. Das Internet ist von der Aura des Fortschritts umgeben. Und wenn es um die Harmonisierung unserer Gesetze auf europäischer Ebene geht, ist man sehr schnell mit allerlei hehren Rechtsgrundsätzen bei der Hand. Ich denke, wer den Zweck will, muß auch die Mittel wollen.

 
  
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  Eriksson (GUE/NGL).(SV) Herr Präsident! Es ist gut, daß wir diese Aussprache zur Kinderpornographie im Internet führen. Hier ist viel Kluges gesagt worden, von einigen ziemlich groben und dummen Ausführungen meiner Gegner einmal abgesehen. Ich möchte daran erinnern, daß viele Pädophile sich an Kindern ihrer nächsten Umgebung vergreifen. Dieses Verhalten wird weder von Scheidungen, Alkoholismus noch von anderen Ursachen hervorgerufen. Es ist allgemein bekannt, daß es nicht besonders häufig vorkommt, daß jemand durch Kinder sexuell erregt wird. Darüber sollten wir froh sein.

Das Internet vereinfacht den Austausch von Bildern, eine Tatsache, die wir diskutieren müssen. Ich stimme Frau Maes in jeder Hinsicht darin zu, daß wir über sehr gute Mitarbeiter bei den Polizeibehörden verfügen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Betrachtet man jedoch das Ausmaß, das dieses Problem angenommen hat, sind es aber zu wenige, um die gesamte Situation analysieren zu können. Es ist allerdings etwas schade, daß wir sofort nach EUROPOL rufen. Wir haben mit Vertretern von EUROPOL Gespräche bezüglich des Frauen- und Kinderhandels geführt, bei denen uns mitgeteilt wurde, daß es dazu zwei Berichte gibt. Diese sind jedoch nicht offiziell, so daß einzig und allein EUROPOL ihre eigenen Angaben kennt. Das halte ich für ein Problem.

Die Polizisten, mit denen ich Kontakt hatte und die sich in meinem Heimatland Schweden über Interpol mit dieser Angelegenheit beschäftigen, benötigen natürlich größere Unterstützung – ebenso wie ihre Kollegen in anderen Ländern. Es handelt sich nämlich hierbei nicht um ein reines EU-Problem. Auch in Thailand, den Philippinen und einer Reihe von anderen Orten auf der ganzen Welt gibt es für die Polizeibehörden in dieser Hinsicht viel zu tun. Die Arbeit an dieser Frage ist nicht ausschließlich westeuropäisch.

Es gibt einen Aspekt, der in den Beiträgen zu diesem Bericht nicht so sehr oft angesprochen wurde, den ich aber dennoch in die Diskussion einbringen möchte – die Rehabilitierung der Opfer. Ein Problem beim Internet besteht darin, daß die Kopien so deutlich sind. Bei Kindern, die nicht mehr so sehr klein sind, besteht die Gefahr, daß sie ständig im Netz verfolgt werden und bis in alle Ewigkeit wiedererkannt werden. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns in den Mitgliedstaaten um die Kinder kümmern, die exponiert waren und deren Fotografien sich im Netz befinden.

In Schweden haben wir auch erlebt, daß es Menschen aufgrund ihrer pädophilen Neigungen in die Welt der Schule und der Kinderbetreuung zieht. Leider haben wir die enormen Kürzungen und umfassenden Privatisierungen in diesem Bereich nicht diskutiert. Zur Vorbeugung müssen wir vielleicht auch dafür sorgen, daß niemand alleine mit Kindern arbeitet, weder in privaten noch in öffentlichen Schulen, in der Kinderbetreuung oder in ähnlichen Einrichtungen.

Ich begrüße wirklich diese Diskussion, wünsche mir allerdings, wir würden daran denken, daß Pädophilie nicht häufig vorkommt oder allgemein verbreitet ist, worüber wir, wie gesagt, froh sein sollten.

 
  
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  Sichrovsky (NI). – Herr Präsident, ebenfalls bestürzt über die anhaltende Vorverurteilung Österreichs durch die 14 Mitgliedstaaten finde ich es besonders wichtig und freut es mich, daß wir hier Einigkeit demonstrieren. Zu diesem ausgezeichneten Bericht ist eigentlich nur noch folgendes hinzuzufügen oder hervorzuheben: Erstens, die entsprechende Ausbildung der Spezialisten, um die Täter auch verfolgen zu können, zweitens, die Notwendigkeit der Möglichkeit einer rechtlichen Verfolgung auf internationaler Ebene und drittens, die Notwendigkeit, daß Straftaten, die in Drittländern begangen werden, nach inländischem Recht bestraft werden können.

Zum Abschluß möchte ich meiner Genugtuung Ausdruck verleihen, daß die Mitgliedsländer der EU so geschlossen und aktiv hinter diesem österreichischen Vorschlag stehen und sich nicht nur in Schlagwörter und Klischees flüchten.

 
  
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  Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Solange es eine Nachfrage nach Kinderpornographie gibt, solange wird Kinderpornographie produziert. Solange es ein Geschäft ist, wird auch das Internet dafür genutzt, weil das Internet eine Zusatzhilfe anbietet: Es verschleiert nämlich, wer der Konsument ist, und es hält die Anbieter weitestgehend im Dunkeln. Solange es aber diese Nachfrage gibt, solange gibt es auch mißbrauchte und für ihr Leben geschädigte Kinder. Daher begrüße ich diese Initiative, die hier endlich durch die österreichische Präsidentschaft so umfassend gesetzt wurde. Ich begrüße vor allem die Erweiterungsvorschläge, die der Berichterstatter, Herr Kirkhope, hier gemacht hat. Er hat viel dazu beigetragen, daß das Instrument, das die Mitgliedstaaten jetzt in die Hand nehmen können, effizienter ist, als es bisher jemals war. Ich möchte fünf Punkte herausgreifen, die mir im Kampf gegen die Kinderpornographie besonders wichtig erscheinen.

Das erste ist, daß nicht nur Verkauf und Verbreitung unter Strafe gestellt werden, und zwar mit abschreckenden Strafen belegt werden, sondern auch der Besitz von Kinderpornographie.

Das zweite ist das Schutzalter. Man kann es nicht hoch genug ansetzen. Daher appelliere ich, das Ziel, das sich der Ausschuß gesetzt hat, nämlich bei der Harmonisierung auf europäischer Ebene 18 Jahre festzulegen, möglichst rasch umzusetzen. Wir haben mit 16 Jahren lediglich einen ersten Schritt unternommen. Das Ziel muß bleiben: 18!

Der dritte Punkt ist, daß wir im Kampf gegen Kinderpornographie im Internet Experten brauchen. Noch wichtiger dabei ist, daß diese Expertisen kombiniert werden, daß diese Expertisen koordiniert werden, und hier bietet sich gerade wieder Europol als die geeignete Institution an.

Der vierte Punkt für mich ist, daß hoffentlich rasch europaweit das Register mit den Personen realisiert wird, die wegen der Verbreitung von Kinderpornographie oder wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern verurteilt wurden, und daß der Zugriff durch alle Mitgliedstaaten und durch Europol ermöglicht wird.

Der fünfte Punkt ist, daß wir nach dem Personalitätsprinzip vorgehen, um Straftaten möglichst effizient zu ahnden.

Zum Schluß möchte ich erstens an die Eigenverantwortung all derer appellieren, die Kinderpornographie für sich nutzen. Sie lösen diese Produktion und die Schädigung der Kinder aus. Des weiteren möchte ich einen Appell an die Mitgliedstaaten richten, die Maßnahmen, die durch den Berichterstatter in dem exzellenten Bericht und durch die österreichische Initiative im Interesse der Schwächsten unserer Gesellschaft vorgeschlagen werden, möglichst rasch und effizient umzusetzen.

 
  
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  Schröder, Ilka (Verts/ALE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielen Dank für den sehr durchdachten Vorschlag des Berichterstatters! Ich möchte ganz in diesem Sinne, um noch einmal die Konsequenz der Vorschläge aufzuzeigen, ein paar Folgemaßnahmen vorschlagen, denn nicht nur E-Mails können anonym verschickt werden, nein auch Briefe. Insofern sollten alle öffentlichen Briefkästen geschlossen werden, der Versand von Briefen sollte nur noch an der Poststelle möglich sein, per Identifikationsüberprüfung von offizieller Seite.

Der zweite Punkt betrifft die Telefone, denn auch Telefonanrufe können anonym getätigt werden. Es sollten alle Telefonapparate abgeschafft werden, bis auf einige wenige Telefonzellen, die natürlich polizeilich überwacht werden müssen. In der Folge sollten auch alle Faxgeräte möglichst direkt abgeschafft werden – dazu fällt mir nichts weiteres ein!

 
  
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  Vitorino, Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Kommission möchte, wie zahlreiche ihrer Vorredner, dem Berichterstatter ebenfalls für seinen ausgezeichneten Bericht zum Entwurf eines Beschlusses des Rates danken. Wie bereits betont, muß mehr getan werden, um den sexuellen Mißbrauch von Kindern, insbesondere die Produktion, den Besitz und den Vertrieb von Kinderpornographie durch das Internet, zu verhindern und zu bekämpfen.

Die Kommission begrüßt die Initiative Österreichs, den Entwurf einer gemeinsamen Maßnahme zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet wieder aufzunehmen, zu der das Parlament bereits eine positive Stellungnahme abgegeben hat. Ein wesentlicher und positiver Aspekt des Textes ist die Ermutigung zu internationaler Zusammenarbeit, wie sie auf anderen Gebieten der Verbrechensbekämpfung wie Drogenhandel und illegale Einwanderung bereits an der Tagesordnung ist.

Da das Internet keine Ländergrenzen kennt, muß auch die Strafverfolgung im Internet grenzüberschreitend erfolgen. Deshalb ist eine möglichst enge internationale Zusammenarbeit geboten. Die Kommission ist an internationalen Aktivitäten und Initiativen zu diesen Fragen aktiv beteiligt gewesen, zum Beispiel an der vom 29. September bis 1. Oktober 1999 in Wien gemeinsam von den Regierungen Österreichs und der USA sowie der Kommission im Rahmen des STOP-Programms organisierten Internationalen Konferenz zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet. Auf der Konferenz wurden Beschlüsse und Empfehlungen angenommen, die derzeit energisch umgesetzt werden. Die Kommission begrüßt daher, daß der Entwurf eines Beschlusses die Notwendigkeit unterstreicht, die Strafverfolgungsbehörden und die Industrie, insbesondere die Internetanbieter, in einen konstruktiven Dialog einzubinden, um gegenseitiges Verständnis zu fördern und entsprechende Erfahrungen auszutauschen.

Es müssen geeignete Foren geschaffen werden, in denen Strafverfolgungsbehörden und die Branche Probleme angehen sowie Verhaltenskodizes und beste Vorgehensweisen entwickeln und umsetzen. Dabei steht außer Frage, daß Selbstkontrolle und die Verantwortung jedes einzelnen Internetnutzers die wichtigste Rolle spielen.

Die Kommission ist seit langem besorgt über das Problem der Kinderpornographie im Netz und hat in diesem Zusammenhang einen mehrjährigen Aktionsplan der Gemeinschaft zur Förderung der sicheren Nutzung des Internet durch die Bekämpfung illegaler und schädlicher Inhalte in globalen Netzen vorgeschlagen, der vom Rat und vom Parlament am 25. Januar 1999 angenommen wurde.

Der Aktionsplan bietet Unterstützung für konkrete Aktionen in vier Bereichen: ein europäisches Netz von Hotlines, die Selbstkontrolle der Industrie, Filtersysteme sowie die Bewußtseinsbildung. Darüber hinaus sind die Kommission und die Europäische Union als solche an den Aktivitäten der G-8-Staaten im Zusammenhang mit der Schaffung eines Systems von Anlaufstellen beteiligt, die rund um die Uhr mit qualifiziertem Personal besetzt sind. Zudem ist die Kommission an den gegenwärtig im Rahmen des Europarates stattfindenden Verhandlungen zum Entwurf eines Übereinkommens zur Kriminalität im Internet, das sich dem speziellen Problem der Kinderpornographie im Internet zuwenden wird, beteiligt.

Die Kommission unterstützt in vollem Umfange die in dem Berichtsentwurf vertretene Auffassung, das Problem der Kinderpornographie im Internet müsse zu einer Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten führen. Wir sind überzeugt, daß für bestimme Formen von Kriminalität gemeinsame Definitionen, einheitliche Straftatbestände und Sanktionen vereinbart werden müssen. In das Scoreboard zur Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben wir eine spezielle Maßnahme aufgenommen, mit der die sexuelle Ausbeutung von Kindern und insbesondere die Kinderpornographie im Internet als Straftat ausgewiesen werden, wie von den Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen in Tampere gefordert. Ein Vorschlag für einen Rahmenbeschluß zu gemeinsamen Definitionen, Straftatbeständen und Sanktionen wird nach dem Sommer vorgelegt.

Die Kommission wird sich umfassend an den Diskussionen im Rat zur Annahme dieses Entwurfs eines Beschlusses beteiligen, um festzustellen, ob weitere Schritte erforderlich sind. Wir begrüßen den Vorschlag des Parlaments hinsichtlich der Rechtsgrundlage: als Rahmenbeschluß sollte er sich auf Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags stützen.

Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten erörtern, wie die Umsetzung des Beschlusses durch weitere Projekte im Rahmen des STOP-Programms unterstützt werden kann. Dazu könnte die Förderung der Weiterbildung und des Austausches von Verantwortlichen für die Bekämpfung derartiger Probleme in den jeweiligen Mitgliedstaaten gehören, zum Beispiel Vertreter der Polizei, aber auch der Justiz, sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen diesen im Rahmen von Europol und dem künftigen Eurojus-Netz.

Schließlich möchte die Kommission dem Parlament gegenüber zum Ausdruck bringen, daß sie alle von Herrn Kirkhope und dem Ausschuß für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten vorgeschlagenen Änderungsanträge voll und ganz unterstützt, da sie sehr sinnvolle Klarstellungen sowohl zu den Definitionen und der Beschreibung der als strafbar anzusehenden Handlungen, als auch zur Altersbegrenzung, zur Strafbarkeit des Besitzes sowie der Notwendigkeit enthalten, die mit der Überwachung der Gesetze beauftragten Behörden, die Polizei und die Justiz für die Überwachung des Netzes mit den erforderlichen technischen Mitteln auszustatten, damit über den Kampf gegen die Kinderpornographie nicht nur geredet wird, sondern konkrete Aktionen der Europäischen Union als Ganzes sowie jedes einzelnen Mitgliedstaats auf den Weg gebracht werden.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 

4. Europäischer Flüchtlingsfonds
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht (A5-0091/2000) von Frau Frahm im Namen des Ausschusses für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über die Errichtung eines Europäischen Flüchtlingsfonds (KOM(1999) 686 – C5-0120/2000 – 1999/0274(CNS)).

 
  
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  Frahm (GUE/NGL), Berichterstatter. – (DA) Herr Präsident, das reiche Westeuropa übt zweifellos eine Anziehungskraft auf alle Schutzsuchenden aus, auf alle, die einer Verfolgung entkommen möchten. Unser Teil der Aufgabe, die mit einem wachsenden Flüchtlingsstrom verbunden ist, muß natürlich in bezug auf Bedeutung und Umfang unserem Reichtum und unserer globalen und historischen Rolle entsprechen. Aber die Begegnung zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen ist nicht immer einfach und muß daher unterstützt werden. Menschen auf der Flucht brauchen auch Hilfe, um an dem neuen Ort ein neues Leben zu beginnen. Die Mitgliedstaaten gehen mit diesen Dingen sehr unterschiedlich um, was auch richtig ist, da sie von unterschiedlichen Kulturen und Traditionen ausgehen. Aber alle Flüchtlinge haben gemeinsame Mindestbedürfnisse, und bestimmte Gruppen brauchen professionelle Hilfe und Unterstützung, damit sie wieder ein menschenwürdiges Leben führen können. Außerdem brauchen sie Beratung und Anleitung bei Kontakten mit den Behörden des neuen Landes und beim Asylantrag selbst.

Alle Flüchtlinge haben grundsätzlich den Wunsch, wieder nach Hause zurückzukehren. Für einige wird dieser Traum Wirklichkeit, während für andere das Exil so lange andauert, daß eine Rückkehr nicht mehr realistisch ist. Man schafft sich Kinder und Freunde an, man schafft sich eine Existenz, die Kinder schlagen in dem neuen Land Wurzeln, die stärker werden als die Bindung der Eltern an das alte Land. Deshalb entscheiden sich einige schließlich vielleicht dafür, die Staatsbürgerschaft in dem neuen Land zu beantragen, doch zeigen eine Reihe von Untersuchungen, daß es auch für diejenigen, die ihren Traum von der Rückkehr verwirklichen können, wichtig ist, daß der Aufenthalt im Exil sinnvoll war, daß sie Gelegenheit hatten, sich während dieser Zeit menschlich weiterzuentwickeln, daß sie ihre Qualifikationen einsetzen konnten, so daß es keinen menschlichen Stillstand gibt oder sie durch Stillstand, Passivität, Unsicherheit und mangelnde Anpassung an die Entwicklung in ihrem Arbeitsgebiet an den Rand gedrängt werden. Deshalb sind Integration und Rückführung keine Gegensätze, und Integration ist nicht nur für Personen wünschenswert, die nie mehr zurückkehren möchten. Auch für jene, die zurückkehren, ist Integration eine wichtige Hilfe. Sie kann sich tatsächlich als eine Voraussetzung für den Erfolg der Rückführung erweisen. Deshalb verstehe ich nicht, daß einige einen Unterschied zwischen Vertriebenen und Flüchtlingen machen wollen.

Die Aufgaben sind in Europa ungleich verteilt, sowohl in bezug auf die Größe der Mitgliedstaaten als auch auf ihren Reichtum. Der Europäische Flüchtlingsfonds ist ein erster, sehr zurückhaltender Versuch einer Ressourcenaufteilung, bei der berücksichtigt wird, welche Aufgaben den einzelnen Mitgliedstaaten übertragen werden können. Es geht ja nicht um das Verhältnis zwischen der Anzahl der Flüchtlinge und der ursprünglichen Einwohner, es geht darum, welche Aufgaben tatsächlich übernommen werden. Es geht also nicht um die relative Anzahl, sondern um die tatsächliche Anzahl. Ich glaube, daß einige Änderungsanträge der PPE- und ELDR-Fraktion auf einem Mißverständnis beruhen. Ich hoffe, daß die Diskussion diesbezüglich etwas mehr Klarheit schaffen wird. Weil wir es aber hier mit einer großen Aufgabe zu tun haben, und weil sie ungleich verteilt ist, ist es natürlich schade, daß der Fonds so klein ist. Es ist die Rede von 26 Mio. Euro für die Daueraufgaben und Fixkosten, aufgeteilt auf 15 Mitgliedstaaten. Für diejenigen Mitgliedstaaten, die tatsächlich eine große Verantwortung übernommen haben, ist das keine nennenswerte Entlastung. Für deutsche oder italienische Verhältnisse ist das nicht mehr als „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Außerdem scheint die wirtschaftliche Zukunft des Fonds nicht sicher zu sein. Ich bin gespannt, ob das Kommissionsmitglied gute Nachrichten für uns hat, ob in der Kommission die notwendigen Überlegungen über die Zukunft des Fonds angestellt worden sind, damit sein Bestand für die nächsten Jahre gesichert ist. Der Europäische Flüchtlingsfonds ist immerhin ein Anfang. Wenn er gut aufgenommen wird und wenn er sich bewährt, wäre es angemessen, den Betrag zu erhöhen, damit der Fonds seinem Namen Europäischer Flüchtlingsfonds wirklich gerecht wird.

 
  
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  Buitenweg (Verts/ALE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Haushaltsausschusses. – (NL) Herr Präsident! Ich beglückwünsche die Berichterstatterin zu ihrem Bericht und danke ihr auch für die Zusammenarbeit, die ich als Verfasserin der Stellungnahme des Haushaltsausschusses erfahren durfte.

Von dem Vorschlag der Kommission bin ich begeistert. Die Kommission befindet sich damit eindeutig auf dem richtigen Weg. Es ist wichtig, daß die finanzielle Verantwortung für Flüchtlinge auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt wird. Das ist eine bessere Lösung, als Menschen hin- und herzuschieben, und es ist eine Voraussetzung dafür, der negativen Spirale des Abschiebens der den Mitgliedstaaten nach internationalen Verträgen obliegenden Verantwortung Einhalt zu gebieten.

Der Haushaltsausschuß hat jedoch zwei Kritiken vorzubringen. Erstens wird die Haushaltsordnung mit Füßen getreten. Es handelt sich nämlich um ein Mehrjahresprogramm, die Finanzierung ist hingegen nur für ein Jahr angesetzt. Das zweite Problem ist umfassender. Die Mittelausstattung von 26 Millionen für strukturelle Maßnahmen und von 10 Millionen als Reserve für Sofortmaßnahmen kann niemals zu dem Ziel führen, das der Kommission vorschwebt, nämlich die tatsächliche Verteilung der finanziellen Verantwortung. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch jede Menge Strukturen und Verfahren schaffen, um die Mittel zu verteilen.

Die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und mit den Schutzbedürftigen droht so durch einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand belastet zu werden. Der Haushaltsausschuß schlägt daher vor, den vorliegenden Vorschlag mit den genannten Beträgen als ein – sehr begrüßenswertes – Experiment zu betrachten. Aber ein wirklich europäischer Flüchtlingsfonds wird erheblich mehr kosten. Hinsichtlich der Höhe der Mehrkosten muß eine Untersuchung durchgeführt werden. Der Haushaltsausschuß hat einstimmig beschlossen, daß das Ergebnis dieser Analyse vor dem 31. März 2001 vorgelegt werden sollte.

Die Kommission ist auf dem richtigen Weg. Wir dürfen uns jetzt nicht durch Beschränkungen der Finanziellen Vorausschau irreführen lassen, wenn das Ergebnis unter dem Strich positiv sein soll.

 
  
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  Lambert (Verts/ALE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Frau Frahm für ihre Arbeit und die Bereitschaft danken, eine Reihe von Änderungen zu unterstützen, die sowohl vom Ausschuß als auch von mir selbst eingebracht wurden. Es mußte wieder einmal alles sehr schnell gehen, so daß die Beteiligten nicht in dem Maße zusammenarbeiten konnten, wie sie das gern getan hätten, um die besten Lösungen für bestimmte Probleme zu finden. Das zeigt sich insbesondere am Beispiel der Zuweisung von Mitteln, die noch nicht einmal der Absicht der Kommission entspricht, die Länder, die aus dem Kohäsionsfonds Mittel erhalten, in besonderer Weise zu berücksichtigen. Daher ist die vorgeschlagene Überprüfung so wichtig.

Asylsuchende sind keine Belastung, sondern eine Verpflichtung. Verglichen mit den armen Ländern beispielsweise in Afrika erreicht die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von ihnen. Ein von unserem Ausschuß eingebrachter Änderungsantrag sieht vor, daß alle über diesen Fonds geförderten Maßnahmen auf eine Praxis gegründet sein müssen, die darauf abzielt, jedweden Ansatz von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Diskriminierung und Ungleichheit zu beseitigen. Das ist besonders wichtig, auch vor dem Hintergrund der jüngsten Kritik des UNHCR an bestimmten Parteien in meinem Land, die solche negativen Ansichten unterstützen oder nicht dagegen vorgehen – Kritik, die meiner Ansicht nach völlig zu Recht besteht.

Die von unserem Ausschuß vorgeschlagene Änderung der Finanzierung zielt darauf ab, jedem Staat einen Mindestbetrag zur Verfügung zu stellen, der zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit eingesetzt werden könnte. Mein Ausschuß ist der Ansicht, daß die Mittel, so unzureichend sie im Moment sind, dazu genutzt werden sollten, die vorhandenen Einrichtungen und Leistungen zu verbessern. Deshalb streben wir auch eine längerfristige Strategie für die Entwicklung von Leistungen für Flüchtlinge und Vertriebene an, damit diese als Gleichberechtigte aktiv an der Gesellschaft teilhaben können. Jedes andere Herangehen wäre kurzsichtig, wie von meinen Vorrednern bereits ausgeführt.

Der Ausschuß hat weiterhin vorgeschlagen, in den einzelnen Mitgliedstaaten bei der Festlegung und Bewertung der Verwendung der Mittel auf breiter Basis partnerschaftlich zusammenzuarbeiten, wozu auch die direkte Einbindung von Flüchtlingsorganisationen gehört. Wir möchten auch den die Kommission beratenden Ausschuß verpflichten, weitere Organisationen zu konsultieren. Wie mit Menschen umgegangen wird, die alles verloren haben, ist eine Frage, die von der gesamten Gesellschaft beantwortet werden muß, nicht allein von den Regierungen.

 
  
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  Oostlander (PPE-DE).(NL) Herr Präsident! Meine Fraktion ist von dem Vorschlag zur Einrichtung eines Europäischen Flüchtlingsfonds und auch von der Art und Weise, in der Frau Frahm als Berichterstatterin dieses Problem behandelt hat, sehr angetan. Die Asylpolitik benötigt dringend einen europäischen Ansatz. Wir wollen keine Abwärtsspirale, bei der die Mitgliedstaaten darin wetteifern, ihr eigenes Land unattraktiv zu machen, wie es beispielsweise die Niederlande taten, als sie seinerzeit bei CNN mit Zelten für die Flüchtlinge erschienen sind, die allerdings undicht waren. Diese Art von Politik wollen wir in Europa nicht. Und wir wollen schon gar nicht, daß ein Land seine Verantwortung auf ein anderes Land abwälzt.

Die Einrichtung dieses Fonds ist daher ein Schritt in die richtige Richtung. Er veranschaulicht symbolisch die angestrebte Solidarität in der Europäischen Union. Es ist vollkommen richtig, daß die Länder, die pro Kopf der Bevölkerung sehr viel leisten, als erste finanziell unterstützt werden müssen. Darauf zielt auch der Änderungsantrag unserer Fraktion ab. Weiterhin muß die finanzielle Unterstützung im Verhältnis zu den absoluten Zahlen stehen. Diese beiden Erwägungen müssen in eine algebraische Formel gekleidet werden. Das überlasse ich gerne den Beamten. Natürlich ist dieser Einsatz am Zustrom von Asylsuchenden pro Land, an der Zahl derjenigen, denen – natürlich im Sinne der Genfer Konvention – der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird, und am Ausmaß der Aufnahme von Vertriebenen zu messen.

Sowohl der Vorschlag der Kommission als auch die Berichterstatterin gehen auf die Aufgaben ein, die von dem Fonds unterstützt werden. Wir sind sehr erfreut über die breite Unterstützung für unsere Vorstellung von Maßarbeit. Ich meine damit – Frau Frahm hat das soeben auch erwähnt – die Unterscheidung zwischen den Menschen, die individuell einen Flüchtlingsstatus erreicht haben, und denen, die massenhaft vertrieben wurden und einen befristeten Schutz genießen. Für individuelle Flüchtlinge ist es von Vorteil, daß ihre Integration in der Europäischen Union auf verschiedenen Gebieten – feste Anstellung, Wohnung, Verwurzelung der ganzen Familie, usw. – so energisch wie möglich in Angriff genommen wird.

Vertriebene dagegen wurden gegen ihren Willen massenhaft vertrieben und wollen in ihr Heimatland zurückkehren. Für sie müssen wir die Chance auf eine Rückkehr in Würde optimieren. Dazu bedarf es der Wahrung ihrer sozialen Netze, der Aktivitäten, die ihre Perspektiven im Herkunftsland bei der Rückkehr verbessern, und natürlich auch ihrer Selbstachtung.

Änderungsantrag 19 betrifft diesbezüglich Flüchtlinge und Änderungsantrag 21 Vertriebene. Wir sollten das eigentlich noch ein wenig deutlicher herausstellen.

Zur Integration gehört meiner Meinung nach – und das ist eine persönliche Ansicht – die Anerkennung der Religion der neuen Minderheiten. Daher wurde mein Änderungsantrag 20, dessen einziger Befürworter im Ausschuß ich war, auf mysteriöse Weise wieder in den Bericht aufgenommen, so daß jeder Abgeordnete, der seine Toleranz in diesem Punkt unter Beweis stellen will, noch eine letzte Chance erhält, diesen Änderungsantrag auch in den Bericht aufzunehmen.

Mir ist zu Ohren gekommen, daß die Europäische Kommission eine vergleichende Untersuchung über die Asylpolitik der Mitgliedstaaten durchführt. Ich bin sehr gespannt, ob dieser Bericht in Kürze vorgelegt wird. Er könnte für sich genommen schon ein Beitrag zu einer auf best practices beruhenden Gemeinschaftspolitik sein. Es ist auch deshalb sehr wichtig, diesen Bericht recht bald verfügbar zu haben, weil diese Woche beispielsweise in der niederländischen Zweiten Kammer – und in anderen Ländern wird das auch geschehen – wieder über eine Asylpolitik debattiert wird, die konzeptionell in keinem Punkt mit der Politik anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union konform geht. Das ist meines Erachtens sehr unvernünftig von den Niederlanden. Aber vielleicht geschieht das auch anderswo, und die Kommission sollte hier, selbstverständlich taktvoll, in Tuchfühlung bleiben.

Verständlicherweise ist der Fonds vor allem auf die Verbesserung der Verfahren ausgerichtet, mindestens genauso interessant ist aber das gemeinschaftliche Vorgehen im Hinblick auf die Vertriebenen. Dies ist nämlich eine Kategorie, die wie keine andere durch ein Sicherheitsbedürfnis gekennzeichnet ist, dabei aber auf keinen bestimmten Mitgliedstaat der Europäischen Union abzielt.

Wir befürworten auch die Unterstützung einer gemeinsamen Nachuntersuchung durch die Europäische Union, bei der die Erfahrungen der Rückkehrer ausgewertet werden und auch ein gewisses Maß an Garantie gewährleistet ist. Selbstverständlich begrüßen wir als Christdemokraten auch nachdrücklich den Einsatz privater Organisationen und vor allem auch das Engagement der Flüchtlinge und Vertriebenen selbst.

Diesem neuen Typ Strukturfonds, denn darum handelt es sich eigentlich, wünsche ich im Namen meiner Fraktion viel Erfolg, und ich möchte auch die Berichterstatterin, Frau Frahm, zu der Behandlung dieses wichtigen Themas beglückwünschen. Dabei hoffe ich auch, daß sie die Bedeutung meines Einsatzes für Maßarbeit: Flüchtlinge einerseits, Vertriebene andererseits, anerkennt.

 
  
  

VORSITZ: ALONSO JOSÉ PUERTA
Vizepräsident

 
  
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  Keßler (PSE). – Herr Präsident! Meine Fraktion begrüßt diesen Vorschlag. Es ist wichtig, daß dieses Instrument für den gesamten Fünfjahreszeitraum in Kraft bleibt und innerhalb dieser Zeit die Kernelemente eines gemeinsamen Asylsystems kodifiziert werden. Der Fonds sollte dazu beitragen, die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede bei der Aufnahme und Integration von schutzbedürftigen Personen auszugleichen. Voraussetzung dafür ist, daß bei der Mittelverteilung die verschiedenen Faktoren angemessen berücksichtigt werden. Es ist nötig, daß die Rechtsgrundlage für den Fonds sobald als möglich verabschiedet wird, damit eine kontinuierliche EU-Finanzierung von Flüchtlingsprojekten gewährleistet ist.

Es ist zu begrüßen, daß die Mittel für reguläre Projekte von Soforthilfemaßnahmen zu trennen sind – Artikel 5. Massenfluchtsituationen erfordern besondere Maßnahmen und separate Etatzuweisungen. Nur so können reguläre langfristige Maßnahmen auch durchgehalten werden. Langfristig wird eine wirksame Verteilung der Verantwortung, wie sie mit den Fonds angestrebt wird, nur erreicht werden, wenn die bestehenden Probleme der sehr unterschiedlichen Kapazitäten angegangen werden. Dies erfordert eine zusätzliche Unterstützung der Mitgliedstaaten mit einem weniger gut ausgebauten Asylsystem. Deshalb halte ich einen festen Betrag für die Mitgliedstaaten, die Schwierigkeiten beim Ausbau ihrer Asylsysteme haben, für sinnvoll.

Die Beschreibung der förderungswürdigen Aufgaben und Maßnahmen in Artikel 3 könnte dazu führen, daß hauptsächlich Maßnahmen zur Verbesserung der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende unterstützt werden. Es sollte nicht sein, daß dadurch notwendige Maßnahmen für fairere und wirksamere Asylverfahren vernachlässigt werden.

Ich bin der Auffassung, daß der Fonds Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit über die Politik und Praxis der Mitgliedstaaten in bezug auf Flüchtlinge, Asylsuchende und andere temporär geschützte Personen finanzieren sollte. Die positiven Ergebnisse solcher Aktivitäten in der Vergangenheit sprechen für die Fortsetzung solcher finanzieller Unterstützung, die jedem qualifizierten Antragsteller zugänglich gemacht werden sollte.

Ich beglückwünsche Frau Frahm zu ihrem exzellenten Bericht, und ich schließe mich der Forderung von Frau Frahm und von Frau Buitenweg nach einer Aufstockung dieser Summe des Flüchtlingsfonds gerne an.

 
  
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  Haarder (ELDR).(DA) Herr Präsident, Pernille Frahm und ihre Partei haben in Dänemark gegen das gekämpft, was sie „mehr Union“ nennen. Sie haben gegen die Teilnahme Dänemarks an der gemeinsamen Währung agitiert, über die wir im September abstimmen werden, und sie sind in vier der fünf früheren dänischen Volksabstimmungen als Unionsgegner aufgetreten. Deshalb bin ich über den Bericht von Pernille Frahm erfreut, in dem sie „mehr Union“ nicht nur akzeptiert, sondern in Form gegenseitiger Unterstützung bei der Bewältigung der Belastung durch die Flüchtlingsströme sogar fordert. Sie möchte zudem mehr Mittel von der nationalen Flüchtlingshilfe auf die Flüchtlingshilfe der EU übertragen. Ich stimme dem zu. Wenn eine große Zahl albanischer Flüchtlinge in Italien oder eine große Zahl baltischer Flüchtlinge in Skandinavien eintrifft, dann ist es vernünftiger, die Kosten auf die Union aufzuteilen als die Flüchtlinge zwangsweise auf die gesamte Union aufzuteilen. Der Flüchtlingsfonds macht es möglich, mehr Flüchtlinge im Nahbereich zu unterstützen, wo sie die Verbindung zu ihren Familien und zur Kultur ihrer Heimat aufrechterhalten und Druck auf die Tyrannen ausüben können, die sie vertrieben haben. Deshalb ist es auch gut, daß die EU sich an den Kosten für die großen Flüchtlingsströme beteiligen kann. Wir haben diesen Bedarf während des Krieges im Kosovo erlebt. Es wäre gut gewesen, wenn wir viel mehr Kosovo-Albanern im Grenzbereich in Mazedonien und Albanien hätten helfen können. Das wäre ihnen lieber gewesen, als über Tausende Kilometer in fremde Länder geschickt zu werden. Deshalb sind sich Pernille Frahm und meine Partei in dieser Sache einig. Herr Präsident, wenn wir Pernille Frahm auch zur Berichterstatterin über die Währungszusammenarbeit machen würden, so könnten wir sicher auch dabei eine Einigung erzielen.

 
  
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  Boumediene-Thiery (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über die Errichtung eines Europäischen Flüchtlingsfonds mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Tatsächlich ist die Schaffung einer solchen Einrichtung nach dem Kosovo, nach Tschetschenien und Afghanistan – um nur einige der blutigen Tragödien zu nennen, die unseren Planeten erschüttern – immer notwendiger geworden. Der Bericht zeigt, wie nützlich die Tätigkeit des Parlaments für Europa sein kann. Daher unterstützen wir diese Vorschläge.

Wir werden hier nur drei Punkte hervorheben. Erstens: wenn es einen Bereich gibt, in dem uns der Bericht nicht zufriedenstellt, dann ist es die Mittelausstattung. Die für den Fonds vorgesehenen Mittel sind angesichts der zahlreichen Aufgaben – Verbesserung der Aufnahmebedingungen, Integration der Personen, die internationalen Schutz genießen, Förderung der freiwilligen Rückkehr und Wiedereingliederung der Menschen in ihren Heimatländern – ausgesprochen niedrig. Diese gewaltigen Aufgaben erfordern bedeutend höhere Summen als ursprünglich vorgesehen. Wir müssen uns in die Lage versetzen, unser gemeinsames hohes Ziel zu erreichen, nämlich Europa zu einem Raum der Solidarität und der Aufnahmebereitschaft zu machen, in dem die Würde des Menschen und die Werte, wegen derer Tausende von Menschen Asyl beantragen, vor allem die demokratische Meinungsfreiheit und der Frieden, geachtet werden.

Zweitens sollte eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen auch den allgemeinen Zugang zur Gesundheitsvorsorge, den Schulbesuch der Kinder sowie die berufliche Bildung umfassen. Den bereits durch das Exil entwurzelten Familien müssen die Möglichkeit des Schulbesuchs ihrer Kinder sowie Ausbildungsprogramme für Jugendliche geboten werden, damit sie zu einer gewissen Stabilität zurückfinden, um ihre soziale und wirtschaftliche Integration zu fördern und ihre eventuelle Rückkehr zu begünstigen.

Drittens fordern viele von uns, daß die NRO und die Vereinigungen, die tagtäglich mit Flüchtlingen arbeiten, sowohl bei der Erarbeitung der erforderlichen Programme als auch bei deren Umsetzung zu Rate gezogen werden. Wir würden einen schweren Fehler begehen, wenn wir diese Männer und Frauen, die die Arbeit des Staates mit ihrer wertvollen Erfahrung ergänzen können, aus diesem Prozeß ausschließen.

Abschließend möchte ich erneut auf die wachsende Notwendigkeit hinweisen, daß sich die Mitgliedstaaten möglichst schnell auf eine gemeinsame Asylgesetzgebung einigen. Nur auf einer solchen Grundlage kann dieser Europäische Fonds voll zum Tragen kommen.

 
  
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  Camre (UEN).(DA) Herr Präsident, ich möchte zunächst betonen, daß es das dänische Volk in einer Volksabstimmung über den Vertrag von Edinburgh 1993 abgelehnt hat, an einer EU-Zusammenarbeit im rechtlichen Bereich teilzunehmen. Deshalb ist Dänemark nicht verpflichtet, die EU darüber entscheiden zu lassen, welche Flüchtlinge Dänemark aufnehmen soll. Der Anstand verbietet es, Mittel von der EU anzunehmen, ohne gleichzeitig die EU darüber entscheiden zu lassen, welche Flüchtlinge in die einzelnen Länder geschickt werden. Meiner Ansicht nach müssen die Staaten ihre Flüchtlingspolitik selbst finanzieren, und schon aus diesem Grund muß ich den vorliegenden Bericht ablehnen. Vertreter des Hochkommissariats für Flüchtlinge in Genf haben sich im dänischen Fernsehen dahingehend geäußert, daß nur jeder zehnte Asylbewerber in Dänemark auch ein Recht auf Asyl hat. Wenn Dänemark trotzdem den meisten, die ins Land kommen, Asyl oder Aufenthaltsgenehmigungen gibt, bleiben wirklich berechtigte Flüchtlinge auf der Strecke. In Dänemark sind die finanziellen Hilfen für Flüchtlinge weltweit am höchsten. Dadurch werden viele angelockt, die sich vor allem ein wirtschaftlich besseres Leben verschaffen wollen. Und darin liegt natürlich nicht der Sinn der Flüchtlingskonvention. In einem kann ich Frau Frahm jedoch beipflichten, nämlich daß die 26 Mio. Euro bei weitem nicht ausreichen. Allein in Dänemark liegt der Betrag für die Beihilfen bei 2 Mrd. Euro im Jahr, deshalb ist dieser kleine Fonds ganz einfach wirkungslos. Wir halten es deshalb für notwendig, die gesamte Verteilung und die Gewichtung der Maßnahmen für Flüchtlinge viel rationeller zu gestalten.

 
  
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  Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße prinzipiell aus mehreren Gründen das, was die Kommission vorgelegt hat. Zum einen deshalb, weil die Kommission den Mitgliedstaaten signalisiert, daß sie mit dem Problem der Migration, der Flüchtlinge, der Vertriebenen nicht alleine sind. Zum zweiten, weil damit zumindest ein Teilaspekt der Lastenteilung geregelt wird, und zum dritten, weil die Kommission einen differenzierten Aufgabenkatalog für zwei unterschiedliche Gruppen, nämlich für anerkannte Flüchtlinge auf der einen Seite und für Vertriebene, d. h. für temporär Schutzsuchende auf der anderen Seite anbietet. Ich begrüße den Vorschlag, weil darin die Zielgruppen genau definiert werden, weil die Aufnahmebedingungen verbessert und die Integration von Flüchtlingen unterstützt werden sollte und weil die Reintegration von temporären Flüchtlingen gefördert werden soll.

Ich teile jedoch nicht die Meinung, daß der Bericht von Frau Frahm fast kritiklos hingenommen werden kann, denn ich bin der Meinung, daß über diese definierten Aufgaben hinausgehende Maßnahmen nicht zielführend sind. Erstens stehen die Mittel nicht zur Verfügung und, zweitens sind es ganz andere Gruppen, die von ihnen angesprochen werden, wenn Sie hier in einem Punkt von besonders schutzbedürftigen Gruppen sprechen. Es ist entschieden von Personen im Sinne der Genfer Konvention die Rede.

Ich unterstützte auch nicht Ihre Vorschläge für den Gruppen widersprechende Maßnahmen. Wenn es um Flüchtlinge geht, gibt es andere Maßnahmen, als wenn es um Vertriebene geht. Sie können nicht für Vertriebene, denen es als erstes darum geht, in ihre Heimat zurückzukehren, die Integration in den Arbeitsmarkt des Aufnahme- und Gastlandes fordern. Das widerspricht der Grundintention.

Eine Änderung anstreben sollten wir jedoch bei der Mittelaufteilung, für die die Flüchtlings- und Vertriebenenzahl pro Kopf der Bevölkerung eines Mitgliedstaates als Basis genommen werden muß.

Ein letzter Punkt, den ich anmerken möchte – und ich verstehe nicht, warum Frau Frahm das nicht möchte – ist der, daß wir auch die Möglichkeit haben müssen, Mittel für die Auffangzentren von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Sie lehnen das ab. Mir ist überhaupt nicht einsichtig, warum, denn das ist die erste Anlaufstelle, die erste Stelle, um konkret zu helfen, die Verfahren zu beschleunigen und die Flüchtlingsintegration voranzutreiben.

Bei all den Maßnahmen, die hier gesetzt werden, dürfen wir jedoch nicht außer acht lassen, das ein Ziel hier nicht angesprochen wurde, nämlich die Berücksichtigung der personellen Lastenteilung. Bitte tun Sie das bei der Realisierung der notwendigen und positiven Maßnahmen.

 
  
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  Terrón i Cusí (PSE).(ES) Herr Präsident! Einleitend möchte ich mich den Glückwünschen an die Berichterstatterin, Frau Frahm, anschließen, da sie nach meiner Ansicht wirklich eine gute Arbeit geleistet hat. Ihr Bericht bringt zudem die Freude des Parlaments zum Ausdruck, denn für uns ist die Errichtung dieses Fonds eine gute Nachricht.

Seit 1997 sind wir bemüht, eine kohärente Arbeit in diesem Zusammenhang zu leisten, und erste Erfolge sind bereits sichtbar. Zum endgültigen Gelingen benötigen wir aber eine Rechtsgrundlage, die die Kontinuität der Arbeiten zur Verbesserung der Aufnahme, der Integration oder der freiwilligen und geordneten Rückführung der Asylbewerber und Flüchtlinge in der Europäischen Union absichert. Dies sind drei verschiedene Arbeitsfelder. Alle drei müssen abgesichert werden. Ich stimme auch einer Reserve für die Aufnahme von Vertriebenen zu, ohne daß die Entwicklung besserer Infrastrukturen und geeigneterer Praktiken in der Union gefährdet wird.

Was die Verteilung der Mittel betrifft, so muß Solidarität mit jenen Ländern geübt werden, die hohe Verpflichtungen in bezug auf Flüchtlinge eingegangen sind, aber es muß auch daran gedacht werden – wie es im Bericht heißt –, daß Länder mit einer traditionell geringeren Aufnahmekapazität – wie mein Land – ihre Infrastrukturen und Dienstleistungen verbessern, um mit den übrigen Staaten in der Europäischen Union gleichzuziehen und gemeinsam mit ihnen mehr Verantwortung in der Frage der Aufnahmequote – denn ich glaube, das sollte das Ziel sein – zu übernehmen.

Die Rolle, welche die Mitgliedstaaten hierbei spielen, und die Anstrengungen, die sie unternehmen müssen, sind gewaltig. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß man auch die Erfahrungen bei der Verwaltung anderer Fonds, insbesondere der Strukturfonds, nutzen sollte, um neben den Mitgliedstaaten die kommunalen und regionalen Behörden sowie die Vertreterorganisationen der Bürgergesellschaft in diese Verwaltung einzubeziehen. Dies würde einen zusätzlichen Nutzen bedeuten, denn der Kontakt mit den NRO und den kommunalen Verwaltungen könnte zur Bekämpfung des Rassismus, zur Einbeziehung der Gesellschaft und zur Aufklärung der Bürger der Aufnahmeländer über die Bedeutung der Gewährung von Asyl und Zuflucht beitragen. Zudem könnte die Nutzung bereits entwickelter Praktiken für die Verwaltung dieser Mittel die Interaktion zwischen ihnen fördern. Wir müssen mit beiden Fonds kohärente Politiken realisieren.

Zum Schluß sei gesagt, daß auch ich mich den Forderungen nach einer besseren Finanzausstattung des Europäischen Flüchtlingsfonds anschließe.

 
  
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  Ceyhun (Verts/ALE). – Herr Präsident! Zunächst einmal möchte ich mich ebenfalls bei der Berichterstatterin, der Kollegin Frahm, für diesen tollen, umfangreichen Bericht bedanken. Allerdings möchte ich, wie sie das auch getan hat, einige Probleme schildern, die unserer Meinung nach noch wichtig sind und korrigiert werden müssen. Die Verteilungskriterien, die sich nach der Durchschnittszahl der Asylbewerber und der anerkannten Flüchtlinge sowie der Qualität der Vorhaben richten, reichen möglicherweise nicht aus, um eine gerechte Lastenverteilung zu erreichen. In der Praxis werden wahrscheinlich die Länder, die die größte Anzahl von Flüchtlingen aufnehmen, die meisten Mittelzuweisungen erhalten. Soweit ist das korrekt, aber deswegen dürfen die anderen EU-Staaten nicht zu kurz kommen und letztendlich die Flüchtlinge, die nicht unbedingt zahlreich in diesen Ländern sind, auch nicht diejenigen sein, die davon nicht profitieren können.

Zu beachten bleiben auch die einzusetzenden finanziellen Mittel, die im Verhältnis zu den erklärten Zielen stehen müssen. Die Finanzierung muß bis 2004 gesichert werden. Bisher enthält der Finanzbogen noch keine klare Aussage für die Zeit nach 2001. Wenn wir gerade diese Frage beantworten können, dann macht es Sinn. Nur so kann der Europäische Flüchtlingsfonds sinnvoll und effizient eingesetzt werden.

 
  
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  Berthu (UEN).(FR) Herr Präsident, es erscheint mir legitim, daß die Länder Europas ihre Solidarität im Falle eines außergewöhnlichen und plötzlichen, durch externe Katastrophen ausgelösten Massenzustroms von Flüchtlingen unter Beweis stellen. Aber das, was die Kommission uns heute vorschlägt, ist etwas ganz anderes. Es geht um die Errichtung eines ständigen Europäischen Fonds, der Mittel vergibt, um die Mitgliedstaaten bei der Bewältigung des gewöhnlichen Zustroms an angeblichen oder wirklichen Flüchtlingen zu unterstützen. Dieser Vorschlag wirft zahlreiche Fragen auf.

Sind die Mitgliedstaaten etwa nicht mehr in der Lage, allein für die Flüchtlinge aufzukommen, die sie in normalen Zeiten aufnehmen? Inwiefern wird ihre Situation verbessert, wenn sie Brüssel Geld geben, damit Brüssel es ihnen umgehend zurückgibt? Wird es etwa Nettozahler und Nettoempfänger geben? Wenn ja, welche Länder wären dies? Die diesbezüglichen Antworten tauchen in keinem der uns vorgelegten Berichte auf. Es findet sich dort nicht einmal die kleinste Tabelle zu den aktuellen Flüchtlingszahlen für die einzelnen Länder Europas.

Es wird uns also wieder einmal vorgeschlagen, eine grundlegende Entscheidung ohne genauere Sachkenntnis zu treffen. Dies ist um so beunruhigender, als das vorgesehene System das Risiko einer Verschärfung der Situation in sich birgt, weil eine Verringerung der unmittelbaren Kosten für jeden Staat zum Nachlassen seiner Wachsamkeit führen kann, so daß am Ende die globale Belastung für alle steigt. Hierbei handelt es sich um eine unerwünschte Folge, die den Versicherern gut bekannt ist.

Dieses Risiko selbst ist um so höher, da der vorgeschlagene Text nur sehr verschwommen definiert, wer als Flüchtling anzusehen ist. Natürlich wird auf den Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention von 1951 verwiesen – was normal ist ­, aber gleichzeitig wird deutlich, daß noch zahlreiche andere Kategorien von Vertriebenen hinzukommen können, einschließlich Personen, die nicht gemäß internationaler Verpflichtungen, sondern ausschließlich aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen, Beschlüssen oder nationalen Praktiken aufgenommen werden.

Unter diesen Bedingungen ist das Risiko einer Kettenreaktion, einer unkontrollierbaren Kostenentwicklung ausgesprochen hoch, und sogar im Bericht klingt dies an, wenn davon die Rede ist, daß die vorgesehenen Mittel – immerhin 36 Millionen Euro – weit unter dem potentiellen Bedarf liegen. Nach Ansicht der Fraktion für das Europa der Nationen gibt es nur eine Lösung, um dieses Risiko auszuschließen: die finanzielle Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen muß weiterhin bei den Mitgliedstaaten liegen und die europäische Solidarität ausschließlich außergewöhnlichen und dramatischen Umständen vorbehalten bleiben.

 
  
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  Coelho (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kollegen! Viele von uns haben mehrfach die Errichtung eines Europäischen Flüchtlingsfonds gefordert. Es bedurfte der beredten Beispiele der Ereignisse im Kosovo – und in geringerem Ausmaß in Timor –, um die offenkundige Notwendigkeit eines solchen Fonds zu untermauern. Mit dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags wurde dieser neue Ansatz der europäischen Politik im Bereich Asyl und Migration möglich, der, wie vom Kollegen Oostlander schon hervorgehoben, eine Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten voraussetzt. Es muß also Mechanismen geben, die dazu beitragen, daß sich die Belastungen gleichmäßig auf die Mitgliedstaaten verteilen, die diese Flüchtlinge aufgenommen haben, damit sie kurz- und langfristig die aus dieser Aufnahme erwachsenden Folgen tragen können.

Wir halten es für richtig, wenn der Fonds über eine Komponente für Sofortmaßnahmen verfügt, die im Fall eines Massenzustroms von Flüchtlingen, die internationalen Schutz benötigen, zur Anwendung kommt, zugleich aber auch die Finanzierung von strukturpolitischen Maßnahmen sichert, d. h. im Rahmen einer mehrjährigen Finanziellen Vorausschau eine wirksame Unterstützung der Maßnahmen ermöglicht, die erstens auf die Verbesserung der Aufnahmebedingungen, zweitens auf die Förderung der Integration, drittens auf eine Erleichterung der freiwilligen Rückführung und viertens auf die Erleichterung der Wiedereingliederung gerichtet sind.

Die Erfahrungen in bezug auf das Kosovo haben gezeigt, daß ein Großteil der Vertriebenen, einschließlich derjenigen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde, doch bereit war, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, sobald die notwendigen Bedingungen vorhanden wären. Ich möchte daher das unterstreichen, was der Kollege Pirker bereits gesagt hat: Es geht um den Unterschied zwischen Migration und temporären Flüchtlingen. Was in einem Fall mit den Politiken zur Integrationsförderung im Zusammenhang steht, hat in anderen Fällen – im eigenen Interesse der Flüchtlinge – mit den Politiken zur Unterstützung ihrer Rückkehr in das Land oder in die Region, aus der sie fliehen mußten, zu tun. Das sind zwei unterschiedliche Situationen, und man muß unterschiedlich darauf reagieren. Bringt man sie durcheinander, überläßt man sie der Demagogie. Ferner möchte ich darauf hinweisen, daß die Schaffung von Rechtsinstrumenten, die die Breitstellung der bereits im Haushalt für 2000 dafür zugewiesenen Mittel ermöglichen, vorangetrieben werden muß. Des weiteren ist es notwendig, die speziellen Vorschriften zu den Kriterien und organisationstechnischen Rückstellungen für die Mittelverteilung und zum Einsatz der entsprechenden Kontrollmechanismen festzulegen.

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (FR) Herr Präsident, ich möchte zunächst Frau Frahm, der Berichterstatterin des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, im Namen der Kommission für ihre ausgezeichnete Arbeit, die Qualität ihres Berichts und die darin enthaltene Unterstützung für den Vorschlag der Kommission danken.

Sie wissen besser als ich, daß die Kommission den Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über diesen Fonds am 14. Dezember 1999 angenommen hat. Dieser Vorschlag geht von einem Ansatz aus, den auch ich vertrete und den ich in der Anhörung vor dem Ausschuß des Europäischen Parlaments für die Freiheiten und Rechte der Bürger vorgebracht habe. Der Fonds vereint die Unterstützung für Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Bereich Aufnahme, Integration und freiwillige Rückführung von Flüchtlingen und Vertriebenen, die bisher Gegenstand von Gemeinschaftsmaßnahmen und Pilotprojekten auf Grundlage von jährlich auf Initiative des Parlaments im Haushalt der Gemeinschaften veranschlagten Mitteln waren, in einem einzigen Instrument.

Ziel dieses Fonds ist es nicht, die Bemühungen der Mitgliedstaaten im Bereich der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen zu ersetzen, sondern er stellt einen ersten Schritt dar, der einen grundlegenden politischen Aspekt einer europäischen Strategie verdeutlicht: die Asylstrategie muß sich auf eine gemeinsame Verantwortung auf europäischer Ebene stützen. Meines Erachtens trägt die Einrichtung dieses Fonds dazu bei, nachzuweisen, daß die Europäische Union als solche in diesem Bereich einen Mehrwert zusätzlich zu den Bemühungen der einzelnen Mitgliedstaaten erbringen kann.

Die Laufzeit dieses von uns eingerichteten Europäischen Flüchtlingsfonds soll zunächst fünf Jahre betragen. Für das Jahr 2000 liegt die Mittelausstattung bei 36 Millionen Euro, von denen 10 Millionen für Sofortmaßnahmen vorgesehen sind. Natürlich kann ich die Anmerkungen der Berichterstatterin nachvollziehen, die diesen Betrag angesichts der Größe des Bedarfs und der anspruchsvollen Ziele des Fonds selbst als unzureichend erachtet. Die Kommission hat den Haushaltsausschuß des Parlaments bereits über ihre Absicht in Kenntnis gesetzt, im Haushaltsvorentwurf für das Jahr 2001 genügend Mittel vorzusehen, um die finanziellen Kapazitäten des Fonds für die nächsten fünf Jahre zu sichern. Mit anderen Worten wird die Kommission also vorschlagen, die Mittel von 36 Millionen Euro im Jahre 2000 auf 45 Millionen Euro in den darauffolgenden Jahren zu erhöhen und somit die Globalzuweisung für fünf Jahre auf 216 Millionen Euro anzuheben. Meiner Ansicht nach ist dies ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Der Europäische Flüchtlingsfonds stellt ein Instrument der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten dar, dessen Zielsetzung – wie schon von mehreren Rednern betont wurde – darin besteht, einen Beitrag zur Lastenverteilung gemäß Artikel 63 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags zu leisten. In diesem Zusammenhang ist eine anteilsmäßige Aufteilung der Mittel zwischen den Mitgliedstaaten vorgesehen: zum einem nach Maßgabe der Zahl der aufgenommenen Asylbewerber (zwei Drittel der Mittel) sowie zum anderen nach der Zahl der Flüchtlinge, denen die Mitgliedstaaten im eigenen Land Schutz gewähren (ein Drittel der Mittel).

Ich kann den Vorschlag nachvollziehen, bezüglich der Zahl der Flüchtlinge die Gesamtbevölkerungszahl der einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigen zu wollen. Ich muß Ihnen gestehen, daß die Kommission selbst versucht hat, dieses Kriterium in Betracht zu ziehen, jedoch erschien es uns äußerst kompliziert, eine mathematische Formel zu finden, die wirklich das Prinzip der Verteilung der Lasten und Aufwendungen sowie gleichzeitig dieses Kriterium einbezieht. Ich bin gerne dazu bereit, konkrete Lösungen zu prüfen, die sich jedoch nicht auf bloße Grundsatzdarstellungen beschränken dürfen. Wir müssen eine konkrete Lösung finden, und ich kann Ihnen verraten, daß dies nicht einfach ist.

Der Beitrag aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds beträgt höchstens 50 % der Gesamtkosten einer Maßnahme; bei Mitgliedstaaten, die Anspruch auf Förderung durch den Kohäsionsfonds haben, kann dieser Anteil auf 75 % erhöht werden. Der Vorschlag für die Entscheidung sieht ebenfalls die Möglichkeit der Finanzierung von Sofortmaßnahmen aus der Rücklage in Höhe von 10 Millionen Euro im Falle eines Massenzustroms von Flüchtlingen vor. In dieser Hinsicht bietet der Vorschlag eine erste Antwort auf die Forderung, die der Europäische Rat von Tampere stellte.

Ich habe bereits mit meiner Kollegin Michaele Schreyer Gespräche darüber geführt, wie im Notfall umfangreichere Mittel entsprechend dem Bedarf zur Verfügung gestellt werden können. Allerdings machen mir in diesen Zusammenhang weniger die Zahlen Sorgen – denn unglücklicher- oder auch glücklicherweise lassen sich die Beträge, die notwendig sind, um auf Notsituationen wie im Kosovo zu reagieren, nicht im voraus bestimmen –, was mir Sorgen bereitet und wonach wir suchen, ist ein angemessener Finanzierungs- sowie Verwaltungsmechanismus, um im Notfall wirksam auf die Bedürfnisse reagieren zu können.

Die Auswahl und Leitung der Vorhaben des Fonds in seiner strukturellen Komponente obliegt den Mitgliedstaaten im Rahmen der Kofinanzierungsanträge. Die Durchführungs-, Kontroll-, Beobachtungs- und Evaluierungsmodalitäten ähneln den geltenden Bestimmungen für die Strukturfonds.

Im Hinblick auf die Änderungsanträge hat die Kommission alle vorgeschlagenen Änderungen zur Kenntnis genommen und kann, wenn auch in einigen Fällen unter dem Vorbehalt formaler Änderungen, die Prinzipien billigen, die einigen dieser Anträge zugrunde liegen und die darauf gerichtet sind, die Zielsetzungen des Europäischen Flüchtlingsfonds in der Präambel zu verdeutlichen oder aber einige Bestimmungen eindeutiger zu fassen. Hierbei handelt es sich vor allem um den Hinweis auf die Bedeutung der Tätigkeit der NRO in der Präambel, um einige notwendige Präzisierungen, wie die Transparenz bei der Auswahl der Projekte, oder um die Notwendigkeit, die zeitliche Kontinuität der Projekte zu fördern. Der Grundsatz einer Mindestbeteiligung des Fonds ermöglicht jedem Mitgliedstaat, unabhängig vom Ausmaß der Flüchtlingsströme eine wirksame Unterstützung vorzunehmen.

Dagegen kann sich die Kommission bestimmten Gruppen von Änderungsanträgen, vor allem denen zu den haushaltstechnischen Aspekten, nicht anschließen. Diese wären nämlich hinfällig, wenn die Haushaltsbehörde die Vorschläge der Kommission billigt, die Mittelzuweisungen des Fonds für fünf Jahre auf 216 Millionen Euro festzulegen. Desgleichen kann sie die Änderungsanträge nicht akzeptieren, die sich auf die Strategie der Mitgliedstaaten und die Einrichtung einer Partnerschaft mit den unterschiedlichen Akteuren der Asylpolitik beziehen. Es handelt sich praktisch um die ersten Erfahrungen mit einem dezentralisierten Programm im Asylbereich, und die dafür zuständigen einzelstaatlichen Verwaltungen sind keineswegs mit diesen Verfahren vertraut. Daher sollte bei dieser Entscheidung alles vermieden werden, was ihre Arbeitslast vergrößern und das Verfahren verzögern könnte, abgesehen davon, daß die betreffenden Mittel zur Zeit nicht sehr hoch sind und die Annahme der Entscheidung für das Jahr 2000 im Verlauf dieses Jahres wenig Zeit läßt, um Kofinanzierungsanträge auszuarbeiten. Die Kommission wird sich bei der Festlegung der praktischen Durchführungsmodalitäten für das Instrument sowie bei dem Dialog, den sie mit den zuständigen einzelstaatlichen Dienststellen führen wird, auf bestimmte, in den Änderungsanträgen enthaltene Ideen stützen.

Schließlich bin ich der Ansicht, daß ein klares Wort zu den Änderungsanträgen zur Zusammenarbeit mit den Kandidatenländern erforderlich ist. Das Ziel des Fonds besteht darin, zur Ausgewogenheit der Bemühungen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten beizutragen. Es ist nicht empfehlenswert, diese bereits geringen Mittel weiter auf untergeordnete Zielsetzungen aufzusplittern. Eine derartige Zusammenarbeit mit den Kandidatenländern würde sich mit anderen Programmen überschneiden, vor allem mit dem PHARE­Programm zur Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands im Legislativbereich und zur Anpassung der zuständigen Verwaltungen in den Ländern Mittel- und Osteuropas.

Abschließend sei betont, daß die Kommission sehr erfreut ist über die Unterstützung, die das Europäische Parlament dieser Initiative zuteil werden läßt. Ich denke, daß wir heute gemeinsam eine Reise auf der Grundlage der Achtung der mit dem Asylrecht verbundenen Werte antreten, in deren Verlauf wir unter Beweis stellen werden, daß wir alle dem hohen Anspruch der europäischen Solidarität im Asylbereich gewachsen sind.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Vitorino.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 

5. Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geldinstituten
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über die Empfehlung für die zweite Lesung (A5-0080/2000) im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über:

den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten

(C5-0306/1999 – 1998/0252(COD));

den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (C5-0307/1999 – 1998/0253(COD)).

(Berichterstatterin: Frau Kauppi)

 
  
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  Kauppi (PPE-DE), Berichterstatterin. (EN) Herr Präsident! Die beiden Richtlinien zur Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten sind für die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs in der Europäischen Union von höchster Bedeutung. Das Ziel bestand darin, die finanzielle Integrität der E-Geld-Institute zu gewährleisten und zur Schaffung eines Umfeldes beizutragen, das die Entwicklung dieses neuen Zahlungsmittels fördert.

Da viele der vom Parlament bei der ersten Lesung vorgeschlagenen Änderungsanträge berücksichtigt wurden, bin ich persönlich der Auffassung, daß die Meinung des Parlaments im Gemeinsamen Standpunkt ausreichend berücksichtigt ist.

Der Gemeinsame Standpunkt stellt einen nach langen Verhandlungen im Rat erzielten Kompromiß dar. Ich weiß sehr genau, daß jeder Änderungsantrag zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates die reale Gefahr in sich birgt, daß die Richtlinie auf dem Wege der Vermittlung verlorengeht, denn sie war und ist noch immer ein sehr heikler Kompromiß. Als Berichterstatterin habe ich versucht zu verhindern, daß die Richtlinie das Vermittlungsverfahren durchlaufen muß. Ich habe einen Kompromißvorschlag unterbreitet, der von meiner Fraktion leider nicht akzeptiert wurde. Ich denke nicht, daß ein Beschluß zu erreichen wäre, der die Interessen aller Beteiligten besser berücksichtigt als dieser Gemeinsame Standpunkt.

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments müssen nun entscheiden, ob die vorgeschlagenen Abänderungsanträge absolut notwendig sind, selbst auf die Gefahr hin, daß dann eventuell überhaupt kein Rahmen für die Beaufsichtigung geschaffen wird. Für die Verbraucher bliebe die Situation in diesem Fall weiterhin unsicher. Ich möchte die Abgeordneten auch daran erinnern, daß die jetzt vorgeschlagenen Abänderungsanträge neu sind und deshalb nicht auf dem vom Parlament bei der ersten Lesung angenommenen Gemeinsamen Standpunkt beruhen. Es sind ausnahmslos die von der EZB vorgelegten und vom Rat einstimmig abgelehnten Änderungsanträge.

Ich fürchte auch, daß sich für Mitgliedstaaten, die nicht der Eurozone angehören, schwierige Probleme ergeben, wenn die Position der Europäischen Zentralbank bei der Kontrolle der Währungsstabilität hervorgehoben wird. Wir dürfen nicht vergessen, daß die EZB in bezug auf die Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaft kein Vetorecht besitzt. Die Kontrolle der Währungsstabilität durch die EZB geht auf die Gründungsverträge der EG zurück und sollte nicht durch Klauseln in EG-Richtlinien ausgeweitet werden.

Die Abänderungsanträge 1 und 2 betreffen die Aufnahme der Formulierung „al pari“ in den Bericht. Dieser Zusatz ist nicht absolut notwendig, da Artikel 3 die Bedingungen für den Rücktausch regelt. In Artikel 3 ist der Rücktausch al pari implizit enthalten, es sei denn, es sind unbedingt erforderliche Kosten abzuziehen. In diesem Fall wäre der Zusatz bedeutungslos und für den Verbraucher irreführend. Die zusätzliche Aufnahme der Formulierung „al pari“ in Artikel 3 Absatz 1 könnte den Verbraucher irreführen, weil es in jedem Falle möglich ist, die für die Durchführung dieses Vorgangs unbedingt erforderlichen Kosten abzuziehen.

Laut Gemeinsamem Standpunkt können die Mitgliedstaaten ihren zuständigen Behörden das Recht einräumen, auf die Anwendung einiger oder aller Bestimmungen der vorgeschlagenen Richtlinie zu verzichten, wenn die Gesamtmenge des elektronischen Geldes begrenzt ist und das ausgegebene elektronische Geld nur von einer kleinen Zahl von Unternehmen als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Beispiele dafür wären elektronisches Geld zur Nutzung auf einem Universitätsgelände oder im öffentlichen Nahverkehr. Hinzu kommt, daß in all diesen Fällen ein Betrag von maximal 150 EUR gespeichert werden darf. Außerdem werden die freigestellten Institute nicht vom „Europäischen Paß“ für den Binnenmarkt profitieren.

Die Geschäftstätigkeit dieser begrenzten nationalen Systeme kann hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Geldstabilität nicht mit der Tätigkeit großer E-Geld-Programme oder ­Institute verglichen werden. Von diesen begrenzten Systemen werden keine externen Effekte ausgehen, die die Stabilität des Finanzmarktes gefährden könnten. Die national begrenzten Systeme werden auch nicht unbeaufsichtigt agieren, denn der Text schreibt für jeden Verzicht auf die Anwendung der Bestimmungen eine Einzelfallentscheidung der zuständigen Behörden vor. Institute, denen eine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde, werden in jedem Falle von den aufsichtführenden Behörden registriert und überwacht.

Die Abänderungsanträge 3, 4 und 5 schränken die Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen ein. Der Rat war sich darüber im klaren, daß es nur dann eine Richtlinie geben wird, wenn diese die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen vorsieht. So ist der Rat nur deshalb zu einem Gemeinsamen Standpunkt gelangt, weil man sich einig war, daß eine Richtlinie, die Ausnahmegenehmigungen vorsieht, gleichzeitig jedoch die bestehenden Verwaltungsvorschriften verschärft und den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt ermöglicht, besser ist als gar keine Richtlinie. Von der Kommission wurde ein ähnlicher Standpunkt eingenommen. Je schneller die Richtlinie angenommen und umgesetzt wird, desto rascher werden die verbesserten Verwaltungsvorschriften wirksam werden. Wenn dazu in der Praxis immer noch Bedenken bestehen, bleibt nach wie vor der Weg über Artikel 11, die Überprüfung.

Gegenwärtig erübrigt es sich, nationale E-Geld-Programme unter Beaufsichtigung zu stellen. Ich meine deshalb, das Europäische Parlament sollte keine Abänderungsanträge annehmen, da sonst die Gefahr besteht, daß die Richtlinie insgesamt abgelehnt wird.

 
  
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  Karas (PPE-DE). – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kommissar! Ich möchte zu dieser Richtlinie grundsätzlich sagen, daß sie das Ziel verfolgt, erstens auf das schnelle Wachstum der elektronischen Zahlungsmittel zu reagieren, zweitens eine gemeinsame Rechtsgrundlage für diese zu schaffen und drittens für eine Liquiditätsgarantie zu sorgen, die Sicherheit und Schutz für die Verbraucher schafft. Aus diesem Grund begrüßen wir diese Richtlinie. Wir begrüßen auch, daß die Nichtbanken in diesem Zusammenhang unter eine bestimmte Bankenaufsichtskontrolle gestellt werden und eine Mindestreservepflicht vorgeschrieben wird. Wir begrüßen auch, daß es keine Ausnahmen bei der Rücktauschpflicht gibt.

Die Berichterstatterin hat bereits in ihrer Wortmeldung darauf hingewiesen, daß es trotz dieser grundsätzlichen Bejahung der Richtung und der Notwendigkeit dieser Richtlinie einige Abänderungsanträge auf der einen Seite gab und einige Diskussionsbereiche, die darüber hinausgingen. Obwohl die Berichterstatterin meiner Fraktion angehört und ich ihr Engagement sehr schätze, weise ich aber eines für jene Abgeordneten zurück, die Bedenken geäußert und Fragen gestellt haben, nämlich die Feststellung, daß alle Abänderungsanträge Abänderungsanträge der EZB sind. Die EZB kann hier keine Abänderungsanträge stellen, und es ist eine Unterstellung gegenüber allen Abgeordneten, die Abänderungsanträge eingebracht haben, daß sie im Auftrag Dritter und nicht aus ihrer eigenen Entscheidung und Verantwortung heraus diese Fragen und Abänderungsanträge gestellt haben, die übrigens alle einstimmig im Ausschuß für Wirtschaft und Währung angenommen wurden, weil der Bericht mitsamt den Abänderungsanträgen einstimmig angenommen wurde.

Worum geht es jetzt? Bei diesen Bedenken und Fragen, die die grundsätzliche Bejahung nicht in Frage stellen, geht es um vier Bereiche, grundsätzlich um die Frage: Sind die Ausnahmebestimmungen in Artikel 8 zu weit gefaßt bzw. sollten sie nicht enger gefaßt werden? Enger deshalb – und der Ausschuß für Wirtschaft und Währung hat sich dieser Frage angeschlossen –, weil die Frage im Raum steht, welche Konsequenzen diese umfassenden Ausnahmebestimmungen für die Kontrolle des Währungsbestandes haben. Welche Effekte haben diese umfassenden Ausnahmebestimmungen auf die Währungsstabilität? Könnte diese umfassende Aufzählung der Ausnahmebestimmungen nicht unter Umständen dazu führen, daß Umgehungen stattfinden und somit die Ausnahme zur Regel wird?

Diese Frage nach der Kontrolle des Währungsbestandes und nach der Stabilität und die Frage, ob somit nicht die Ausnahme zur Regel werden könnte, haben zu den Abänderungsanträgen geführt. Sollte die Empfehlung hier ohne Abänderungsanträge angenommen werden, bitte ich, daß die Kommission und der Rat von dem, was in der Richtlinie steht, Gebrauch machen und dem Parlament in Kürze einen Bericht über die Konsequenzen der Richtlinien mit den unter Umständen notwendigen Änderungsvorschlägen unterbreiten. Wir werden darauf achten.

 
  
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  Randzio-Plath (PSE). – Herr Präsident, noch hat in der Europäischen Union elektronisches Geld nicht die gleiche Bedeutung wie die e-Wirtschaft, der e-Handel, das e-Europa. Natürlich müssen wir sehen, daß wir Europa in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Vereinigten Staaten auch in diesem Bereich stärken. Die Einführung des Euro wird sicherlich einen positiven Beitrag leisten, und es wird eben wirklich Zeit, daß wir deswegen auch ein einheitliches Regelwerk bekommen, damit der elektronische Geschäftsverkehr auch gesichert wird.

Ich denke, elektronisches Geld wird nicht nur im Geschäftsverkehr an Gewicht gewinnen, sondern auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern, gerade weil die Sicherheitsvorkehrungen im Internet als unzureichend wahrgenommen werden und viele deswegen zögern, diese Möglichkeit auszuwählen. Man muß feststellen, das elektronische Geld hat heute in der Europäischen Union eher Seltenheits- als Gebrauchswert. Das muß sich ändern! Dabei ist auch noch darauf hinzuweisen, daß innerhalb der Europäischen Union diese elektronischen Zahlungssysteme auch nicht funktionieren, weil die Interoperabilität nicht gewährleistet ist. Ich denke, hierauf sollte auch geachtet werden, wenn wir dieses Zahlungsmittel in Zukunft propagieren. Wir müssen es auch aus Verbraucherinteressen tun, weil Kosten gespart werden.

Die Ausgabe von elektronischem Geld hat aber nicht nur etwas mit der Vereinfachung oder auch der Absicherung von Zahlungsvorgängen zu tun, sondern es wird in der Tat die Finanzstabilität und die Funktionsweise der Zahlungssysteme berührt. Von daher brauchen wir ein einheitliches Regelwerk, und wir müssen wissen, daß es insbesondere dann Befürchtungen gibt, wenn elektronisches Geld nicht nur gegen Bargeld oder eine entsprechende Verrechnung auf dem Bankkonto ausgegeben wird, sondern wenn e-Geld auf Kredit vergeben wird. Ich denke, das ist insbesondere der Anlaß für die Furcht vor Instabilität statt der Stabilität, die wir ja in der Europäischen Union garantieren wollen. Daher meine ich, daß der Artikel 8, der eine Erweiterung der Freistellungsmöglichkeiten vorsieht, einen zu breiten Ermessensspielraum schafft. Das kann zur Folge haben, daß viele e-Geldinstitute nicht von den Vorschriften berührt sind, die für Kreditinstitute gelten. Das kann nicht der Fall sein, das sollte nicht der Fall sein, und wir alle wissen, daß nationale Ausgabe von e-Geld heute gar nicht mehr gewährleistet werden kann, wenn wir uns die Formulierung insbesondere in Artikel 8 Unterabsatz c anschauen.

Die Änderungsanträge des Rates, die den Einsatzbereich des Geldes erweitern, können nicht im Sinne der Verbraucher sein. Wir brauchen ein elektronisches Geld, das in einer bestimmten Umgebung gültig ist. Es muß eben von daher den gesamten europäischen Geltungsraum betreffen und nicht nur einen nationalen. Im übrigen denke ich auch, müßten die e-Geld ausgebenden Institute gleichbehandelt werden. Sicherlich ist es auch wichtig, an die Rolle der Europäischen Zentralbank – die Geldmengensteuerung beispielsweise – zu denken. Aber ich denke vor allen Dingen auch an die Verbraucher. Wenn e-Geld auch ohne Einschränkung im Internet und für die Mobiltelefone verwendet werden kann, so kann auch dies kontraproduktiv sein. Insofern kann ich der neuen Formulierung in Artikel 8 Unterabsatz c nicht zustimmen. Ich denke, daß wir alles tun müssen, damit im e-Geld-Zeitalter das Verbrauchervertrauen gestärkt wird und die Verbraucher nicht auf Berge bauen, die keine Stabilität bieten.

 
  
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  Huhne (ELDR). – (EN) Herr Präsident! Es ist sehr bedauerlich, daß der mit so viel Mühe vom Rat formulierte Gemeinsame Standpunkt, der die Ansichten des Parlaments bei der ersten Lesung gebührend berücksichtigt, jetzt wieder in Frage gestellt wird. Ich denke, wir gefährden eine sehr sinnvolle Regelung, die den entsprechenden Rahmen für die Überwachung eines Wachstumsbereichs der Finanzdienstleistungen – die Speicherung von Geld auf Plastikkarten und anderen elektronischen Speichermedien – hätte schaffen sollen.

Die von der Europäischen Zentralbank geäußerten und weitgehend, wenn auch nicht in vollem Umfang, berücksichtigten Bedenken sind in einer Weise übernommen worden, die geeignet ist, das Entwicklungspotential dieses Geschäftsfelds zu schädigen. Insbesondere hinsichtlich der Ausnahmeregelung sind diese Bedenken fehl am Platz, weil es hier um einen sehr begrenzten Rahmen geht: pro Karte können nicht mehr als 150 EUR gespeichert werden. Jeder Aussteller von Geldkarten würde unter der Aufsicht nationaler Behörden stehen, und wir wissen aufgrund der in mehreren Mitgliedstaaten bereits praktizierten Anwendungen, daß die potentielle Gefahr eines Wachstums der Geldmenge durch diese Art der Emission außerordentlich gering ist. Eine Anwendungsmöglichkeit ist zum Beispiel die Nutzung durch Studenten für das Bezahlen im Café, der Mensa oder der Buchhandlung ihrer Universität.

Tatsache ist, daß andere Zentralbanken der Gemeinschaft – nämlich die Schwedische Riksbank und die Bank von England – nicht befürchten, daß es zu einer Geldschöpfung kommen könnte. Wenn wir die Entwicklung in den zurückliegenden Jahre auf die Bedenken der EZB hin untersuchen, stellen wir fest, daß es kein festes Verhältnis zwischen Geldmenge und Wachstum des Nominaleinkommens gegeben hat. Infolge neuer Entwicklungen der Finanzdienstleistungsindustrie ist es zu erheblichen Schwankungen der Geldumlaufgeschwindigkeit gekommen, und hier haben wir es mit einer weiteren Neuerung zu tun. Aus demselben Grunde ist es auch der Bundesbank in den Jahren vor Übernahme der Währungspolitik in der Eurozone durch die EZB nicht gelungen, das Wachstum ihrer Geldmengenziele einzuhalten.

Wir erleben hier den Versuch – da eine bestimmte Theorie der Währungskontrolle nicht funktioniert und nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt – die Realität dieser Theorie anzupassen, zum Nachteil der Innovationsfähigkeit der Mitgliedstaaten und ihrer Finanzsysteme. Das ist äußerst bedauerlich. Die Kommission hat viele Sicherheiten eingebaut, der Rat hat diese ausführlich diskutiert, und ich hoffe sehr, daß wir den Gemeinsamen Standpunkt des Rates in dieser Angelegenheit voll unterstützen werden.

 
  
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  Gallagher (UEN). (EN) Herr Präsident! Im Januar 1999 haben die meisten Länder der Europäischen Union den Euro als neue Währung eingeführt. Seitdem besteht kein Wechselkursrisiko mehr, und theoretisch hätten sich für die Verbraucher die Kosten für grenzüberschreitende Überweisungen und für den Umtausch von Bargeld von einer Währung der Eurozone in eine andere drastisch reduziert haben müssen.

Die Finanzinstitute der Union sind verpflichtet, die Kosten für die Verbraucher bei Überweisungen von einem Gebiet der Eurozone in ein anderes erheblich zu reduzieren. Wie wir wissen, führte der Europäische Verbraucherverband, der die Interessen der Verbraucher in der Europäischen Union vertritt, erst im vergangenen Jahr eine umfassende Untersuchung zu den für grenzüberschreitende Zahlungen erhobenen Gebühren durch. Es wurde festgestellt, daß die Kosten für Überweisungen zwischen europäischen Ländern für die Verbraucher immer noch zu hoch sind.

Für das prognostizierte Wachstum des elektronischen Einkaufs in den kommenden Jahren stellen hohe Bankgebühren beim Geldumtausch für den Verbraucher ein ernsthaftes Hindernis dar, über das Internet einzukaufen. Das Vertrauen der Verbraucher in den elektronischen Zahlungsverkehr muß durch die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen gestärkt werden. Die besagte Untersuchung ergab auch, daß die Verbraucher für grenzüberschreitende Überweisungen immer noch viel höhere Gebühren zahlen müssen als für Überweisungen im Inland. Das ist nicht nachzuvollziehen. Seit Einführung des Euro besteht kein Wechselkursrisiko mehr, und die Gebühren hätten erheblich gesenkt werden müssen.

Ich begrüße die inzwischen in der Union geltende Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen. Zum Schluß möchte ich noch sagen, daß ich davon überzeugt bin, daß die neue Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen sowohl den Verbrauchern in der Union als auch den Finanzinstituten Vorteile bringen wird.

 
  
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  Skinner (PSE). (EN) Herr Präsident! Wie einige meiner Vorredner am heutigen Abend bin auch ihr sehr erfreut über diesen Vorschlag des Rates. Ich glaube nicht, daß er sich durch die heute in diesem Parlament und speziell in unserem Ausschuß vorgelegten Abänderungsanträge verbessern läßt. Was immer an Argumenten dafür vorgebracht wird, daß man sich am Ende im Ausschuß an der Abstimmung über den Bericht insgesamt beteiligen mußte, so bin ich doch davon überzeugt, daß auch einige Mitglieder des Ausschusses Bedenken hinsichtlich der Folgen einiger der Abänderungsanträge hatten.

Einige der hier gemachten Vorschläge werden die Chancen dieses Marktes, dessen Entstehen wir derzeit in der Europäischen Union beobachten können, beeinträchtigen. Zweifellos ist die Geldmenge für jede Zentralbank von unmittelbarem Interesse, jedoch besteht in diesem Fall kein unmittelbarer Zusammenhang, wonach die allgemein erwarteten Folgen eintreten müssen, d. h. daß elektronisches Geld mehr werden könnte als ein Tauschmittel, ein rücktauschbarer Beleg, wenn Sie so wollen, oder ein Mechanismus für den Handel. Gerade aufgrund des begrenzten Rahmens, von dem Herr Huhne hier sprach, wird es natürlich durch die vom Rat angeregte Ausnahmeregelung und insbesondere einige der früher vorgeschlagenen heiklen Kompromisse eine sehr genaue Kontrolle geben.

Ich persönlich könnte, wie die EPLP-Fraktion überhaupt, einem Kompromiß wie dem von Frau Kauppi im Ausschuß vorlegten Abänderungsantrag 5 von ganzem Herzen zustimmen. Ich fürchte jedoch, die gesamte Rechtsvorschrift käme zu Fall, wenn das Parlament in dieser Woche die Abänderungsanträge 3 und 4 annähme. Wir dürfen uns da keinem Zweifel hingeben: der Rechtsakt würde scheitern. Ich würde mich dann sehr ernsthaft fragen, welche Motive es geben kann, diese Vorschrift zu Fall bringen zu wollen, weil jedes hier entstehende Vakuum sofort von der Europäischen Zentralbank ausgefüllt würde, einer Institution, die sich jeder Form von Regulierung, die hier oder anderswo beschlossen wird, entzieht – für mich eine besorgniserregende Vorstellung.

Ich möchte alle heute in diesem Saal anwesenden Genossen und Kollegen aufrufen, die Folgen der in dieser Woche zur Abstimmung stehenden Abänderungsanträge zu bedenken, den Schaden, der sich daraus ergeben könnte, das mangelnde Vertrauen, das mit Sicherheit daraus folgen würde, und den Schaden für diesen jungen Markt.

 
  
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  Bolkestein, Kommission. (EN) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, zunächst Frau Kauppi den aufrichtigen Dank der Kommission für die von ihr geleistete Arbeit auszusprechen. Wir schätzen ihre Arbeit und ihren Bericht sehr, weil er eine Angelegenheit betrifft, die nicht so sehr für die Regierungen, sondern vielmehr für die Bürger der Europäischen Union von Bedeutung ist, wie es Frau Randzio-Plath vorhin formulierte. Gleichzeitig möchte ich die Wertschätzung der Europäischen Kommission für die fortgesetzte Unterstützung des Parlaments in der E-Geld-Initiative und allen anderen Initiativen der Kommission im Bereich elektronischer Geschäftsverkehr zum Ausdruck bringen.

Die Kommission hat den hohen Grad der Zusammenarbeit zwischen Parlament, Rat und Kommission zur Erreichung einer frühzeitigen Einigung hinsichtlich der Vorschläge zu elektronischem Geld erkannt. Ich verweise hier nur auf die große Zahl von Änderungsanträgen, die vom Parlament vorgelegt und später vom Rat und der Kommission angenommen wurden. Wir haben die vom Parlament geäußerten Wünsche gebührend zur Kenntnis genommen und soweit wie möglich in die jetzt vorliegenden Vorschläge eingearbeitet, wie Herr Huhne bemerkte.

Erlauben Sie mir jedoch, die Enttäuschung der Kommission darüber zum Ausdruck bringen, daß der Bericht von Frau Kauppi in seiner ursprünglichen Form nicht angenommen werden konnte, berücksichtigt er doch den hohen Grad der Zusammenarbeit zwischen Rat, Kommission und Parlament sowie den heiklen Kompromiß, den der Gemeinsame Standpunkt darstellt.

Zu den einzelnen Abänderungsanträgen möchte ich folgendes ausführen: Die ersten beiden Anträge, die den Rücktausch al pari betreffen, führen eine unnötige Rechtsunsicherheit in den Text ein. Die von diesem Parlament bei der ersten Lesung – vor nunmehr fast einem Jahr – vorgeschlagene und vom Rat angenommene Rücktauschregelung ist eindeutig. Sie besagt, daß elektronisches Geld auf Verlangen in Bargeld zurückzutauschen ist, abzüglich der für die Durchführung dieses Vorgangs unbedingt erforderlichen Kosten. Das scheint mir ein durch und durch vernünftiger Standpunkt.

Die eingeräumte Möglichkeit, die unbedingt erforderlichen Kosten abzuziehen, steht einer Verpflichtung zum Rücktausch al pari entgegen. Aus diesem Grund kann ich die ersten beiden Abänderungsanträge leider nicht akzeptieren. Abänderungsanträge 3 und 4 zielen im Grunde genommen darauf ab, die Umstände einzuschränken, unter denen Mitgliedstaaten bestimmte E-Geld-Institute von der Anwendung einer oder aller Bestimmungen der Richtlinie freistellen können; hier, fürchte ich, sind die Ausnahmeregelungen mißverstanden worden. Diese Bestimmungen sind nicht zwingend, ihre Anwendung ist auf bestimmte, genau festlegbare Institute begrenzt und setzt eine Einzelfallprüfung voraus.

Lassen Sie mich hinzufügen, daß Institute, für die eine Ausnahmeregelung gilt, die Vorteile des „Europäischen Passes“ nicht in Anspruch nehmen können. Sie bleiben Kreditinstitute und fallen damit unter die Währungskontrolle der Europäischen Zentralbank in der Eurozone. Deshalb ist ihre Streichung unter Hinweis auf geldpolitische Erwägungen unbegründet. Sie erstatten den zuständigen Behörden weiterhin regelmäßig Bericht.

Da wir einmal bei diesem Thema sind, möchte ich anmerken, daß mich die Fragen und Bemerkungen einiger Abgeordneter dieses Parlaments zu Währungsstabilität und Geldmenge etwas irritiert haben. Wie bereits von Herrn Skinner ausgeführt, bezahlt der Kunde beim Erwerb von elektronischem Geld zunächst mit seinem Geld und erhält dann den Gegenwert des Betrages in E-Geld. Folglich kann bei diesem Prozeß überhaupt keine Geldschöpfung vorgenommen werden. Überlegungen zu Geldmenge und Währungsstabilität – elektronisches Geld als Kreditvektor, wie ein Parlamentarier es ausdrückte – sind deshalb einfach nicht zutreffend. E-Geld bedeutet keinesfalls, das eine Geldschöpfung erfolgt. Es bedeutet, daß Geld an eine Institution gezahlt und von dieser in einer anderen Form wieder ausgegeben wird, und zwar in Höhe desselben Betrages. Ich möchte deshalb auf derartige Sorgen nicht länger eingehen. Elektronisches Geld kann nicht zu monetärer Instabilität führen.

Kommen wir zurück zu den Freistellungsregelungen. Wenn die Richtlinie scheitert, weil diese Regelungen gestrichen werden – wobei das Parlament ursprünglich vorgeschlagen hatte, diese zu erweitern –, ist davon auszugehen, daß die Harmonisierung der Regelungen in bezug auf elektronisches Geld künftig sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein wird. Wir wollen diese Regelungen. Und wir wollen sie nicht zuletzt deshalb harmonisieren, weil auch die Bürger der Europäischen Union dies wollen. Ein Scheitern dieser beiden Richtlinien wird den europäischen Verbrauchern und Unternehmen sowie der gesamten E-Commerce-Initiative schaden. Wenn es berechtigte Sorgen gibt oder sich in den nächsten Jahren heute noch nicht absehbare Fragen ergeben, können diese jederzeit bei der Überprüfung der Anwendung der Richtlinien berücksichtigt werden. Die Kommission ist entschlossen, drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinien eine Überprüfung durchzuführen.

Aus den genannten Gründen kann ich die Abänderungsanträge 3 und 4 leider nicht akzeptieren. Die Kommission würde es begrüßen, wenn das Parlament sie zurückweist, wie hoffentlich auch Abänderungsantrag 1 und 2 abgelehnt werden. In bezug auf Abänderungsantrag 5, der eine Änderung des Textes vorsieht, die es den Mitgliedstaaten verbietet, Ausnahmen von der Rücktauschforderung zuzulassen, darüber hinaus jedoch die Bestimmungen von Artikel 8, wonach Mitgliedstaaten bei bestimmten Instituten auf die Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie verzichten können, in keiner Weise einschränkt, fällt die Meinung der Kommission etwas weniger unfreundlich aus als bei den Abänderungsanträgen 1 bis 4. Dennoch würden wir die von Frau Kauppi zum Ausdruck gebrachte Meinung unterstützen, es wäre für alle Beteiligten das Beste, wenn alle fünf Abänderungsanträge zurückgewiesen würden. Ich bitte das Parlament, seine Abänderungsanträge im Lichte dieser Ausführungen noch einmal sehr ernsthaft zu prüfen, denn es besteht die Gefahr, daß die Richtlinien überhaupt nicht angenommen und im Vermittlungsverfahren deformiert werden.

 
  
  

VORSITZENDER: JAMES L.C. PROVAN
Vizepräsident

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 

6. Amtliche Futtermittelkontrollen
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über die Empfehlung für die zweite Lesung (A5-0084/2000) des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik zu dem vom Rat angenommenen Gemeinsamen Standpunkt (C5-0273/1999 – 1998/0301 (COD) im Hinblick auf den Erlaß einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 95/53/EG des Rates mit Grundregeln für die Durchführung der amtlichen Futtermittelkontrollen (Berichterstatter: B. Staes)

 
  
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  Staes (Verts/ALE), Berichterstatter. – (NL) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar! Die Praxis hat gezeigt, daß Skandale oder Krisen reinigend wirken und zur Verbesserung der Rechtsetzung beitragen können. Das gilt ganz sicher für alle Gesetze, die direkt oder indirekt die Nahrungsmittelsicherheit betreffen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele.

Vor bereits mehr als 20 Jahren war die Entdeckung weiblicher Geschlechtshormone in Babynahrung der unmittelbare Anlaß für den Erlaß der Hormonrichtlinien von 1981 und 1985, die 1988 wieder aufgenommen wurden. Auch der Glenbuterol-Skandal, bei dem 1988 mehr als 15 000 Kälber in Nordrhein-Westfalen beschlagnahmt wurden, bewirkte 1996 eine Änderung der ursprünglichen Gesetzgebung der Hormonrichtlinien. In meinem Land Flandern sorgten mehrere Anschläge auf Fleischbeschauer und der Mord an dem Tierarzt Karel Van Noppen für die, wie ich sie wohl nennen darf, strengsten nationalen Hormongesetze in Europa.

Skandale können reinigend wirken. Das merken wir auch heute, da wir in zweiter Lesung die Änderung der Richtlinie 95/53 unter die Lupe nehmen. Dieser Änderung liegt wieder einmal ein Skandal zugrunde, nämlich die Einfuhr dioxinbelasteter Zitruspulpe aus Brasilien. Zitruspulpe dient als Futter für Milchkühe, und so gelangte Dioxin in die für den Verzehr bestimmte Milch. Die Behörden in Baden-Württemberg entdeckten dies, brachten den Stein ins Rollen und stellten fest, daß von Dezember 1997 bis Februar 1998 insgesamt fast 106 000 Tonnen belasteter Pulpe in die Europäische Union eingeführt wurden. Der Skandal lehrte uns, daß die Kommission nicht über ausreichende Möglichkeiten verfügte, um in dringenden Fällen energisch durchzugreifen. Die Kommission hat dann auf Ersuchen der Mitgliedstaaten am 4. November 1998 einen Vorschlag zur Änderung der uns vorliegenden Richtlinie unterbreitet. Bereits am 16. Dezember desselben Jahres billigte das Parlament diesen Vorschlag, ohne auch nur einen einzigen Änderungsantrag einzureichen. Nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam änderte die Kommission zugleich die Rechtsgrundlage von 100 A in 152. Am 15. November letzten Jahres legte der Rat den vorliegenden Gemeinsamen Standpunkt fest. Der Rat hat einige redaktionelle Änderungen vorgenommen, mit denen der Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik eigentlich keine Schwierigkeiten hat. Sehr problematisch erscheint uns hingegen die Art und Weise, wie der Rat der Kommission die Möglichkeit nimmt, in dringenden Fällen rasch zu handeln.

An dieser Stelle muß ich kurz technisch werden und auf die komplizierten Vorschriften für das Ausschußverfahren eingehen. Denn seit dem Einreichen des Vorschlags der Kommission wurde die Rechtsetzung im Rahmen der Komitologie insofern geändert, als künftig der Beschluß 1999/468/EG des Rates gilt. Dieser Beschluß bietet uns verschiedene Verfahren zur Übertragung von Durchführungsbefugnissen des Rats an die Kommission. Wir müssen uns heute auf Artikel 5 und Artikel 6 des Ratsbeschlusses konzentrieren. Artikel 5 sieht einen Regelungsausschuß, Artikel 6 ein Verfahren bei Schutzmaßnahmen vor. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission, wie er in der ersten Lesung von unserem Parlament angenommen wurde, ist ganz im Geiste des jetzt bestehenden Verfahrens bei Schutzmaßnahmen verfaßt worden. Der Rat will in seinem Gemeinsamen Standpunkt nun davon abweichen und das Verfahren der Regelungsausschüsse einsetzen. Es muß aber allen Kolleginnen und Kollegen klar sein, daß die Kommission bei diesem Verfahren nicht eigenständig handeln kann und immer die Zustimmung des Rats einholen muß. Nach dem Zitruspulpeskandal haben die Mitgliedstaaten selbst ein Eingreifen der Kommission gefordert. Meiner Meinung nach müssen wir es der Kommission ermöglichen, rasch zu handeln. Die vier eingereichten Änderungsanträge zielen darauf ab, daß Artikel 6 des Beschlusses 1999/468 und daher das Verfahren bei Schutzmaßnahmen angewendet werden kann. Die Kommission kann dann in dringenden Fällen direkt tätig werden und beispielsweise die Einfuhr von Produkten, die eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier darstellen, aussetzen. Der Rat hat dann 30 Tage Zeit, um diese Entscheidung zu ändern, zu ergänzen oder sogar aufzuheben. Bleibt der Rat während dieser 30 Tage untätig, so gilt die Entscheidung der Kommission als aufgehoben. Ich halte dies für eine gute Vorgehensweise – die Kommission hat diese Art von Befugnissen bisher nie mißbraucht –, die unsere Unterstützung gegen den Rat verdient.

Wir müssen uns alle darüber im klaren sein, daß dieses Dossier nur ein Zwischenschritt ist. An demselben Tag, an dem mein Bericht im Umweltausschuß genehmigt wurde, hat die Europäische Kommission einen neuen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 95/53/EG eingereicht. Gleichzeitig zog sie Konsequenzen aus der Dioxinkrise. Wenn das Parlament und der Rat der Kommission folgen, kommt ein vollständiges Kapitel, in dem die Schutzklausel weiter ausgearbeitet wird, und wird Tierfutter auch in ein rapid-System aufgenommen. Diese Dinge standen übrigens im Weißbuch, und damit führt die Kommission ihre ersten Versprechen hinsichtlich des Weißbuchs zur Lebensmittelsicherheit zu einem guten Abschluß.

Wir sollten morgen die Kommission uneingeschränkt unterstützen und die vier Änderungsanträge annehmen. Wir müssen gemeinsam mit der Kommission gegen den Rat zu Felde ziehen und so zum Vermittlungsverfahren übergehen.

 
  
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  Klaß (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns allen wurde in den letzten Jahren durch die vielen Probleme und Krisen im Bereich Futtermittel leidlich vorgeführt, wie wichtig amtliche Futtermittelkontrollen sind. Der Berichterstatter, Herr Staes, hat einige hier genannt.

Futtermittel, das wissen wir, sind das erste Glied in der Nahrungsmittelkette, an deren Ende dann der Mensch steht, und deshalb müssen Futtermittel sicher sein. BSE und Dioxin sind nur die bekanntesten Schlagwörter in diesem Zusammenhang. Diese lassen immer wieder viele Menschen in der Europäischen Union zusammenzucken, und sie stellen Fragen, auf die wir als politisch Verantwortliche Antworten geben müssen. Es sind Fragen wie: Was bringt uns der Binnenmarkt, wenn Gefahren unkontrolliert freigesetzt werden können? Wer schützt uns und wer gibt uns Sicherheit? Hier steht Europa in der Verantwortung und in der Pflicht, und wir sind verpflichtet, den Binnenmarkt, den wir gestaltet haben und den wir alle wollen, so zu gestalten, daß Risiken, zumal für Leib und Leben unserer Bürger und Verbraucher, so klein wie möglich gehalten werden mit dem Ziel, sie letztendlich ganz ausschließen zu können.

Die nun vorgelegte Änderung der Richtlinie 95/53/EG für die Durchführung der amtlichen Futtermittelkontrollen soll eine Rechtsgrundlage für ein harmonisiertes Verfahren für die Prüfung von Dokumenten und die Kontrolle von Waren aus Drittländern schaffen. Mit Zustimmung dieser Länder sollen auch vor Ort Kontrollen möglich sein. Das ist legitim, denn wer mit uns Handel treiben will, der muß auch die Bedingungen erfüllen und sichere Waren liefern.

Der Rat hat nun gegenüber dem Kommissionsvorschlag, den das Parlament in erster Lesung ohne Änderungsvorschläge gebilligt hatte, in seinem Gemeinsamen Standpunkt Änderungen vorgenommen, die wir so nicht mittragen wollen. Der Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik legt nun dem Plenum vier Änderungen im Bericht des Kollegen Staes vor. Dieser Bericht wurde einstimmig im Ausschuß angenommen und wird somit von allen Fraktionen mitgetragen.

Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission wurde also somit von uns wiederaufgenommen. Wir denken, daß es in dringenden Fällen unbedingt notwendig ist, daß man rasch handeln kann. Die Erfahrung zeigt, Sicherheit ist leider nicht allein durch gute Regeln zu schaffen, sondern bedarf unbedingt auch eines mit Zugriffskompetenzen ausgestatteten Kontrollsystems, das schnell handeln kann und im Fall der Fälle auch wirksame Sanktionen verhängen kann.

Die Kommission muß hier als Hüterin der Verträge mit Kompetenzen ausgestattet werden. Daher hat sich die EVP im Umweltausschuß für die Änderung des Artikels 9 a der Richtlinie für amtliche Futtermittelkontrollen ausgesprochen, die der Europäischen Kommission bei akuter Gefahr ein Initiativrecht erteilt, das sie ermächtigt, selbständig je nach Schwere des Mißstandes und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit Maßnahmen einzuleiten. Innerhalb von 30 Tagen hat der Rat dann die Verpflichtung, sich mit diesen Maßnahmen zu befassen, um diese zu rechtfertigen und zu legitimieren, oder aber ggf. zu widerrufen.

Ich denke, wir brauchen keinen neuen Ausschuß; wir haben den ständigen Futtermittelausschuß. Es gibt in Deutschland dieses geflügelte Wort, das sagt: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, berufe ich einen Arbeitskreis“. Zu viele Ausschüsse verzögern und verwirren letztendlich. Wir müssen die bestehenden Einrichtungen nutzen und diese auch einsetzen.

Europa und der Binnenmarkt können nur bestehen, wenn diese von den Bürgern und den Verbrauchern auch angenommen werden. Dafür brauchen sie Vertrauen, und Vertrauen wächst nur durch Offenheit und durch Transparenz. Die Skandale, die wir alle schon diskutiert haben, zeigen uns, daß Transparenz und Offenheit wichtiger werden. Die Mitgliedstaaten, der Rat und die Europäische Kommission müssen sich als natürliche Partner ansehen, die sich gegenseitig unterstützen und konstruktiv beim vertrauensbildenden Schutz der Bürger und der Verbraucher zusammenarbeiten.

Ich darf dem Berichterstatter zum Schluß ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit und seinen ausgewogenen Bericht danken!

 
  
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  Roth-Behrendt (PSE). – Herr Präsident, der Berichterstatter hat vorhin in seiner Einführung gesagt, Krisen wirken reinigend. Ich habe ihm zugehört und gehofft, daß das, was er sagt, richtig ist. Er ist offensichtlich optimistischer als ich. Ich glaube nicht wirklich, daß Krisen reinigend wirken. Wenn Krisen reinigend wirken würden, dann wäre in den Köpfen der Landwirtschaftsminister etwas mehr drin, als offensichtlich drin ist. Wieder einmal sitzen und stehen wir in diesem Parlament zu einer Zeit, wo wir uns unter uns und auch mit der Kommission eher alle einig sind, und derjenige, mit dem wir uns nicht einig sind, nämlich der Ratsvertreter, fehlt. Das ist nun einmal so. Es wäre schön, wenn ihm die Nachricht überbracht würde, aber das ist wahrscheinlich eher unwahrscheinlich.

Der Berichterstatter und auch Frau Klaß, die eben gesprochen hat, haben darauf hingewiesen: Das Parlament hat den Kommissionsvorschlag in der ersten Lesung ungeändert passieren lassen. Das bedeutet also, die Institutionen, die sich ja nicht immer einig sind, waren sich in dieser Frage einig. Was hat denn dann der Rat daraus gelernt? Der Rat – und das sage ich noch einmal in aller Deutlichkeit, auch auf meine eigene Geschichte der letzten Jahre zurückblickend –, war es, der uns im wesentlichen den BSE-Skandal eingebrockt hat. Es war nicht dieses Parlament, es war im unwesentlichen die Kommission, es war der Ministerrat, der immer versucht hat, Sachen unter der Decke zu halten. Was hat er denn aus der BSE-Krise gelernt? Hat er gelernt, daß es besser ist, transparent zu sein? Hat er gelernt, daß es besser ist, Schutzmöglichkeiten und Schutzklauseln zuzulassen? Hat er gelernt, daß rasches Handeln nötig ist? Nichts davon hat er gelernt! Er hat uns einen Gemeinsamen Standpunkt vorgelegt, in dem der Kommission gerade die Möglichkeit der Schutzklausel genommen werden soll. Sie soll nicht die Möglichkeit haben, mit Schutzklauseln schnell und unbürokratisch einzugreifen. Sie soll auch nicht die Möglichkeit haben, unangekündigte Vorort-Kontrollen zu machen. Sie soll nicht in der Lage sein, schnell zu handeln. Und sie soll auch nicht das Europäische Parlament informieren. Sie soll auch keine Kontrollberichte veröffentlichen, um Himmels Willen, die Öffentlichkeit könnte ja etwas erfahren, was sie beunruhigt. Besser ist es, die Landwirtschaftsminister haben es in ihrer Hand.

Ich sehe den Ratsvertreter eifrig schreiben, und ich hoffe, daß das auch der Präsidentschaft und den anderen Mitgliedern des Agrarministerrats übermittelt wird. Es tut mir leid, wenn ich zu dieser Stunde nicht so freundlich bin, und noch dazu mit meiner Erkältung wäre ich viel lieber ganz milde, bin ich aber überhaupt nicht. Ich halte diesen Gemeinsamen Standpunkt für einen Skandal! Wir alle, die wir in den letzten Jahren für saubere Futtermittel gearbeitet haben, die wir gelernt haben, daß wir BSE deshalb bekommen haben, weil Futtermittel zusammengepanscht wurden, wie sie nicht zusammengepanscht hätten werden sollen, wir, die wir gelernt haben, daß es Dioxin nun mal in Schalen von Apfelsinen und anderem gibt und wir es im Tierfutter haben, wir, die wir gelernt haben, daß Klärschlamm nicht in Futtermittel gehört, wir, die wir gelernt haben, daß Hormone keine Wachstumsbeschleuniger sein sollen und nicht in Tierfutter gehören, wir, die wir gelernt haben, daß Antibiotika da nicht hineingehören und auch keine Hustenmittel für Kälber – das haben wir alles gelernt, meine Güte, ich mache mittlerweile aus dem Wahlkreis Berlin, der ein rein städtischer Wahlkreis ist, mehr Landwirtschaftspolitik, als meine Wählerinnen und Wähler sich das vorstellen, weil es Verbraucherschutzpolitik ist – und wenn wir das alles wissen, was lernt denn der Rat daraus?

Wieder einmal geben wir hier quer durch alle Fraktionen – mit dem Berichterstatter, mit der Frau Kollegin Klaß, die gerade für ihre Fraktion gesprochen hat, und ich für meine Fraktion – ein Beispiel, wie die Institutionen eng zusammenarbeiten. Wir unterstützen Sie, Herr Byrne, darin, daß Sie in der Kommission in Brüssel die Möglichkeiten haben sollen, die Sie brauchen, z. B. mit dem Food and Veterinary Office in Dublin, daß Sie schnelle Kontrollen durchführen können, daß Sie Schutzmaßnahmen ergreifen können, damit wir tatsächlich in der Lage sind, den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu sagen, ja, wir sorgen für sichere Lebensmittel, und sichere Futtermittel und Futtermittelkontrollen sind der erste Schritt dazu. Ich danke Ihnen dafür, daß Sie offensichtlich auch in der Lage sind, demnächst einen Vorschlag für originäre Kontrollen von Produkten der Europäischen Union vorzulegen, nicht nur – wie in diesem Fall – für Drittländer. Es macht nur dann Sinn, wenn wir das miteinander verhindern, und nur dann macht das Weißbuch für Lebensmittelsicherheit, Herr Kommissar, das Sie vorgelegt haben, auch Sinn. Deshalb hoffe ich, daß wir morgen dem Ministerrat tatsächlich eine Ohrfeige versetzen, indem wir einstimmig dem Berichterstatter die vier Änderungsanträge bestätigen.

 
  
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  Auroi (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Minute reicht nicht aus, um Philosophie zu betreiben. Ich will mich daher darauf beschränken, der Kommission und unserem Berichterstatter, Herrn Staes, dafür zu danken, daß sie nun endlich dem von Romano Prodi vorgelegten Weißbuch seinen ihm gebührenden Platz eingeräumt haben, das ein Kapitel über die Nahrungskette und über die Futtermittel, das erste Glied der Kette, die mit dem Tier beginnt und mit dem Menschen endet, enthält. Dennoch haben wir den Eindruck, daß der Rat dies nicht wahrnimmt. Der Rat vermittelt nicht den Eindruck, als ob ihm bewußt sei, daß nach der Dioxinkrise seit Anfang des Jahres an jedem Tag fast überall in Europa BSE­Fälle aufgetreten sind. Demnach erkennt der Rat nicht, was wir erkannt haben, nämlich, daß zur Ergänzung der europäischen Gesetzgebung Strukturen notwendig sind, die eine Kontrolle und ein schnelles Eingreifen im Problemfall ermöglichen.

Im Rahmen der bevorstehenden Errichtung des Europäischen Gesundheitsamtes wäre es daher wünschenswert, diesem die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen, damit eine schnelle Erfassung ermöglicht und somit jede weitere Übertragung vermieden wird. Weiterhin wäre es wünschenswert, daß alle Wirtschaftsbeteiligten des Futtermittelsektors sich mit den Gesundheitsämtern auf Pflichtenhefte einigen mit dem Ziel, Zwischenfälle so weit wie möglich auszuschließen und Grenzwerte zu akzeptieren, um alle schädlichen Zusatzstoffe oder Bestandteile aus der Futtermittelproduktion auszuschließen, damit der Verbraucher sein Vertrauen zurückgewinnen kann.

 
  
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  Byrne, Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich bei Herrn Staes für seinen Bericht über die Durchführung der amtlichen Futtermittelkontrollen bedanken sowie bei Herrn Olsson, Frau Klaß und Frau Roth-Behrendt für ihre umfassende Unterstützung des Standpunkts der Kommission. Die gute Zusammenarbeit mit dem Parlament hat mich in diesem Falle ganz besonders gefreut. Bereits bei der ersten Lesung hat das Parlament den Vorschlag der Kommission voll und ganz unterstützt.

Der Vorschlag zielt darauf ab, die Kontrollen bei Futtermitteln zu verbessern, und strebt die Harmonisierung der Kontrollverfahren für alle aus Drittländern importierten Produkte an. Die Entdeckung von Dioxin in von der Gemeinschaft importierten Rohstoffen im Jahr 1998 machte deutlich, wie notwendig es ist, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, die es der Kommission im Falle einer unmittelbaren Gefahr für die Volksgesundheit gestattet, für aus Drittländern eingeführte Produkte Sicherheitsmaßnahmen zu beschließen.

Darüber hinaus verbessert der Vorschlag die Rechtsgrundlage für die Durchführung von Vor-Ort-Inspektionen sowohl in den Mitgliedstaaten als auch in Drittländern. Ich muß sagen, daß mich die Ablehnung der von der Kommission vorgeschlagenen Schutzklausel durch den Rat sowie der Rückgriff auf die Komitologie überrascht haben, denn auf diese Weise kann nicht garantiert werden, daß im Falle einer unmittelbaren Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier rechtzeitig Entscheidungen getroffen werden können. Der Fall der Dioxinverseuchung hat deutlich gemacht, wie wichtig rasches Handeln vor allem dann ist, wenn die Gefahr von der Futter- auf die Nahrungsmittelkette überzuspringen droht. Ich möchte betonen, daß in den Lebensmittel- und Veterinärvorschriften ähnliche Bestimmungen bereits existieren und es dort keine Anzeichen für einen Mißbrauch gibt.

Obgleich die Kommission gegen die meisten Änderungsanträge des Rates keine Einwände hat, weist sie seinen Änderungsantrag bezüglich der Verfahren bei Schutzmaßnahmen entschieden zurück. Der Rat verweigert der Kommission die Möglichkeit, in Notfällen umgehend Schritte einzuleiten, ohne die Mitgliedstaaten vorab zu konsultieren. Die Fähigkeit der Kommission, in Notfällen schnell zu reagieren, ohne die Mitgliedstaaten vorab zu konsultieren, ist eine grundsätzliche Frage. Die Diskussion im vorliegenden Fall stellt einen wichtigen Präzedenzfall für die Zukunft dar.

Nach der Dioxinkrise vom Mai 1999 kündigte die Kommission Rechtsakte zur Verbesserung der Rechtsvorschriften zur Futtermittelsicherheit an. Im jüngsten Vorschlag an das Europäische Parlament und den Rat vom 21. März führte die Kommission für in der Europäischen Union produzierte Futtermittel dieselbe Schutzklausel ein. Folglich wird diese Frage auch für verschiedene wichtige, im Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit angekündigte Maßnahmen zu Futtermitteln von Relevanz sein.

Aus all diesen Gründen kann ich die Änderungsanträge 1, 2 und 4, durch die das Parlament die ursprünglichen Bestimmungen zu Verfahren bei Schutzmaßnahmen wieder einfügt, uneingeschränkt unterstützen. Wenngleich Änderungsantrag 3 nicht die gleich Bedeutung zukommt wie den anderen Änderungen, kann ich auch diesen Antrag, der die Durchführung von Vor-Ort-Inspektionen betrifft, akzeptieren.

Angesichts der vom Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik zum Ausdruck gebrachten Unterstützung der Änderungsanträge durch das Parlament werde ich dem Rat nahelegen, dem ursprünglichen Vorschlag zuzustimmen.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 

7. Andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht (A5-0072/2000) von Herrn Lannoye im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 95/2/EG über andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel (KOM(1999) 329 – C5­0068/1999 – 1999/0158(COD)).

 
  
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  Lannoye (Verts/ALE), Berichterstatter. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wenden uns nun einem zweiten Aspekt der Nahrungsmittelsicherheit zu. In der Tat sind die Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln im Laufe der Jahre immer zahlreicher geworden, was vor allem auf die Industrialisierung der Produktion zurückzuführen ist. Wenn ich von zahlreich spreche, dann reicht es, die Zahlen zu betrachten. Eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt, daß in der Europäischen Union 307 Zusatzstoffe zugelassen sind. Wir arbeiten ja mit einer Positivliste. Alle in dieser Liste aufgeführten Zusatzstoffe sind zugelassen, und alle, die nicht enthalten sind, sind demnach verboten. 307 zugelassene Zusatzstoffe, von denen nur 163 als völlig unschädlich erachtet werden können, was bedeutet, daß viele der anderen entweder bedenklich sind oder eindeutig ein Problem bezüglich der Nahrungsmittelsicherheit darstellen. Ich denke hier vor allem an Allergien.

Was wird uns heute vorgeschlagen? Nicht etwa, diese Liste zu kürzen, sondern sie noch zu erweitern, da die Kommission neun Vorschläge zur Aufnahme weiterer Zusatzstoffe in die Liste bzw. zur Aufnahme neuer Verwendungszwecke von bereits zugelassenen Zusatzstoffen vorlegt.

Welche erforderlichen Kriterien müssen grundsätzlich vorliegen, damit ein Zusatzstoff zugelassen wird? Es gibt drei Kriterien: technologischer Nutzen, Verbrauchernutzen und Unschädlichkeit. Dabei muß berücksichtigt werden, daß in der Vergangenheit immer der technologische Nutzen das wichtigste Kriterium gewesen ist, wobei die Unschädlichkeit nicht außer acht gelassen wurde, sich aber der Begriff Unschädlichkeit mit der Zeit etwas gewandelt hat. Es ist mittlerweile allgemein bekannt, daß das Vorsorgeprinzip vor sieben oder acht Jahren praktisch nicht beachtet wurde, während es heute im Vordergrund steht. Daher müssen wir die Situation jetzt mit anderen Augen betrachten als noch vor einigen Jahren.

Aus diesem Grund finde ich es ausgesprochen erstaunlich – und der Ausschuß für Umweltfragen ist meiner Ansicht –, daß uns vorgeschlagen wird, eine Reihe von Zusatzstoffen zuzulassen, deren Unschädlichkeit nicht vollständig erwiesen ist. Wir gehen davon aus, daß fünf der neun Kommissionsvorschläge bedenklich sind, und zwar aus unterschiedlichen Gründen, auf die ich kurz eingehen möchte. Zunächst handelt es sich um einen Zusatzstoff mit der Bezeichnung Natriumalginat, der für die Behandlung von geschälten Möhren vorgeschlagen wird. Der Verbrauchernutzen besteht darin, daß die Möhren den Eindruck vermitteln, „frisch“ zu sein, obwohl sie es nicht sind. Dies ist ganz eindeutig, man muß nur die einschlägige Literatur lesen. Die Risiken für den Verbraucher sollen vernachlässigbar sein, doch die Wissenschaftsausschüsse, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, sind der Ansicht, daß die abführende Wirkung dieses Zusatzstoffes das Risiko birgt, Synergieeffekte mit anderen derartig problematischen Stoffen hervorzurufen. Demnach ist eine Verwendung nicht unbedingt empfehlenswert. In Anbetracht der Tatsache, daß es nicht darum geht, die Situation für den Verbraucher zu verbessern, sondern diese zu täuschen, sind wir der Auffassung, daß dieser Zusatzstoff nicht zugelassen werden sollte.

Ein weiterer Zusatzstoff, E 467, stellt ein beträchtliches Problem dar. Ich möchte seine offizielle Bezeichnung nicht nennen, weil sie viel zu lang und kompliziert ist und wohl auch die Arbeit der Dolmetscher erschweren würde. E 467 ist bezüglich der Unschädlichkeit problematisch, weil es ausgesprochen gefährliche Verunreinigungen enthält. Bei einer dieser Verunreinigungen handelt es sich um Ethylenoxid, das erwiesenermaßen karzinogen ist, was von der Wissenschaft bestätigt wird. Daher lehnen wir auch diesen Vorschlag ab.

Schließlich werden drei weitere Zusatzstoffe aufgrund ihres technologischen Nutzens vorgeschlagen. Dabei handelt es sich um entzündbare Gase: Butan, Isobutan und Propan. In Anbetracht der Tatsache, daß es Ersatzlösungen gibt – der technologische Bedarf besteht also, kann jedoch auch mit anderen Zusatzstoffen gedeckt werden – und da uns bekannt ist, daß die Rückstände aus der Verbrennung und Verwendung dieser Stoffe in Form organischer Substanzen nicht unbedingt unschädlich sind, sind wir der Ansicht, daß auch darauf besser verzichtet werden sollte.

Ich habe damit kurz das Problem dargestellt. Unserer Meinung nach sollten fünf Zusatzstoffe nicht zugelassen werden, während die vier anderen offensichtlich keine Probleme bereiten, wenn man die diesbezügliche wissenschaftliche Literatur zu Rate zieht. Da wir nicht übertrieben kleinlich sind, denken wir, daß diese Zusatzstoffe zugelassen werden können.

Ich denke, es ist wichtig, der aktuellen Gesetzgebung eine neue Ausrichtung bezüglich der Zusatzstoffe zu geben. Die Kommission kündigt uns eine umfassende Überarbeitung der Richtlinie an. Ich denke, wir sollten ein positives Signal setzen, indem wir darauf hinweisen, daß wir nicht länger die jahrelang vorherrschende Ansicht vertreten, durch die ein Anstieg der Zahl der Zusatzstoffe ermöglicht wurde, was im übrigen zu Synergieeffekten geführt hat, über die wir keinerlei Kenntnis besitzen. Unserer Ansicht nach sollten die Liste deutlich gekürzt und die bedenklichsten Zusatzstoffe gestrichen werden. Ich persönlich habe ungefähr 15 entdeckt. Die Verwendung einiger anderer Zusatzstoffe sollte deutlich eingeschränkt werden. In diesem Zusammenhang denke ich z. B. an Nitrite, Nitrate und Sulfite, die erwiesenermaßen Gesundheitsrisiken in sich bergen.

 
  
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  Pohjamo (ELDR), Verfasser des Berichts des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie. – (FI) Herr Präsident! Herr Kommissar! Verehrte Anwesende! Ich möchte dem Berichterstatter für die gründliche Arbeit danken. Bei der Erarbeitung des Berichts wurde meiner Ansicht nach aber zu pedantisch vorgegangen und das Vorsorgeprinzip überbetont.

Ich möchte an dieser Stelle einige Aspekte aus dem Bericht des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie hervorheben. Der Ausschuß stellte fest, daß der Entwurf für eine Richtlinie nicht dem in der Basisrichtlinie über Zusatzstoffe festgelegten Verfahren entspricht. Die im Vorschlag der Kommission enthaltenen Änderungen basieren auf dem von einem einzelnen Mitgliedstaat gemeldeten Bedarf, und der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuß hat hierzu eine befürwortende Stellungnahme abgegeben.

Nun geht es um die Zulassung einiger neuer Zusatzstoffe. Der Berichterstatter und der Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz haben den Vorschlag allerdings mit großer Strenge behandelt und sich gegen die Zulassung der meisten durch die Kommission vorgeschlagenen Zusatzstoffe ausgesprochen. Das wirft einige Fragen auf. Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuß hatte zu den von den Mitgliedstaaten vorgeschlagenen Zusatzstoffen eine Empfehlung abgegeben. Ist er seiner Aufgabe nicht gerecht geworden oder ist der Ausschuß für Umweltfragen bei der Auslegung des Vorsorgeprinzips zu weit gegangen? Inwieweit wurde der Aspekt der Industrie berücksichtigt? Sollte nicht auch der Einführung von Innovationen und besseren Zusatzstoffen sowie der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Lebensmittelindustrie mehr Beachtung geschenkt werden?

Es könnte auch die Frage gestellt werden, wie das Parlament künftig der Erfüllung seiner großen Aufgaben gerecht wird, wenn die Themen mit einer derartigen Pedanterie behandelt werden. Sollte das Parlament nicht vielmehr über Ziele und Verfahrensweisen entscheiden, mit denen zum Beispiel die sichere Anwendung neuer Zusatzstoffe gewährleistet werden kann? Sollte der Bericht in der vorliegenden Form angenommen werden, kann dann nicht das Zulassungsverfahren für neue Zusatzstoffe insgesamt erneuert und gleichzeitig die gesamte Liste der Zusatzstoffe geprüft werden? Ich bitte den Berichterstatter und auch den Vertreter der Kommission, diese Fragen zu beantworten.

 
  
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  Thyssen (PPE-DE).(NL) Herr Präsident! Die Ernährungsgewohnheiten der Menschen sind Ausdruck ihrer Lebensweise. Manche Leute kritisieren die, wie ich sie nenne, moderne westliche Lebensart, zu Recht oder zu Unrecht. Oft wird die Antwort auf diese Frage durch Entscheidungen bestimmt, die Menschen treffen. Für die EVP-Fraktion kommt es darauf an, daß der Verbraucher eine Wahl treffen kann. Das bedingt sowohl die Verfügbarkeit von Informationen als auch die Garantie, daß das, was auf dem Markt angeboten wird, kein Gesundheitsrisiko darstellt und daß alle Produkte entsprechend den geltenden Regeln und Verfahren hergestellt werden.

Grundregeln für Lebensmittelzusatzstoffe findet man in der Rahmenrichtlinie von 1989. Diese Richtlinie bestimmt, daß ein Zusatzstoff nur dann zugelassen werden darf, wenn eine hinreichende technische Notwendigkeit vorliegt, keine Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers besteht und außerdem der Verbraucher nicht irregeführt wird. Der letzten Bedingung wird unserer Meinung nach bei der Zulassung von Natriumalginat für geschälte und geschnittene Karotten nicht Genüge getan. Wenn ein Verbraucher frische Karotten kauft, muß er davon ausgehen können, daß diese unbehandelt und unbearbeitet sind, und er erwartet nicht, daß sie mit einem Konservierungsmittel behandelt worden sind.

Um zu beurteilen, ob die Verwendung von Zusatzstoffen erforderlich ist, werden in der Rahmenrichtlinie verschiedene akzeptable Zielsetzungen genannt. Eine davon ist die Lieferung von Zutaten oder Bestandteilen von Lebensmitteln für Diätpatienten. Die von der Kommission vorgeschlagene Verwendung von E 467, ich belasse es bei der Abkürzung, scheint unserer Ansicht nach diese Bedingung zu erfüllen.

Abschließend sagt die Rahmenrichtlinie auch, daß die Vereinfachung der Herstellung und Zubereitung von Nahrungsmitteln ein akzeptables Nutzenkriterium ist. Insofern steht unsere Fraktion, im Gegensatz zum Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik, der Zulassung von drei Zusätzen in Backsprays nicht so ablehnend gegenüber. Alle anderen Änderungsanträge des Umweltausschusses erhalten unsere Unterstützung, auch der Änderungsantrag, der noch von der PSE-Fraktion eingereicht wurde.

Wenn Sie gestatten, möchte ich noch folgendes hinzufügen. Erstens: Der Berichterstatter – er hat wirklich hart gearbeitet, ich habe selten einen Berichterstatter gesehen, der für einen einzigen Bericht, zu dem ich ihn beglückwünschen möchte, soviel Mühe aufgewendet hat – hat ganz recht, wenn er sich darüber beschwert, daß die Kommission das Parlament in dem KOM-Dokument unzureichend unterrichtet. Es wurde noch etwas ergänzt, aber so kann es meiner Meinung nach nicht weitergehen. Ich möchte vom Kommissar gerne wissen, ob er beabsichtigt, dies künftig zu unterbinden.

Zweitens: Die Beurteilung der Konsequenzen für die Volksgesundheit muß natürlich wissenschaftlich begründet sein. Uns liegen dazu Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses vor. Nach der BSE-Krise wurden die Wissenschaftlichen Lebensmittelausschüsse auf unser Verlangen hin umgestaltet, und zwar, wie wir früher gesagt haben, zu unserer Zufriedenheit. Jetzt müssen wir uns entscheiden: Entweder wir akzeptieren prinzipiell die Empfehlungen der Wissenschaftlichen Ausschüsse, oder wir tun es nicht, aber dann müssen diese Ausschüsse wieder neu strukturiert werden. Wir können aber nicht aus beiden Seiten Nutzen ziehen. Wenn wir die Schlußfolgerungen der wissenschaftlichen Ausschüsse so gut wie grundsätzlich verwerfen, befürchte ich, daß wir sowohl uns selbst als auch die Gesetze, die wir erarbeiten, unglaubwürdig machen, und unsere Überzeugung an die Stelle des Sachverstands der Wissenschaftler in den Wissenschaftlichen Lebensmittelausschüssen setzen, was ich nicht billigen kann.

Drittens: Ich möchte gerne von der Kommission wissen, ob sie beabsichtigt, die zugelassenen Zusatzstoffe in regelmäßigen Abständen zu prüfen und im Hinblick auf den jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft zu untersuchen, wie es der Berichterstatter in seiner Erläuterung zu Recht fordert.

Viertens und abschließend noch eine Bemerkung zu der Hierarchie der Normen. Wir fordern im Bericht zur Regierungskonferenz eine Hierarchie der Normen, und wir haben auch an anderer Stelle darüber gesprochen. Ich möchte den Herrn Kommissar fragen, ob die Erstellung einer Liste von Zusatzstoffen oder die Ergänzung dieser Listen seiner Meinung nach eine Angelegenheit ist, die im Europäischen Parlament und im Rat vorzugsweise nach dem Mitentscheidungsverfahren behandelt werden muß, oder ob dies zu dem Auftrag einer kontrollierten Exekutive gehört.

 
  
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  Lund (PSE).(DA) Herr Präsident, unsere Lebensmittel – das betrifft auch die frischen Lebensmittel, z. B. die heute erwähnten geschälten Möhren – werden heutzutage durch vielerlei Zusätze verschönert, durch Farbstoffe, Süßstoffe, Aromastoffe, Konservierungsmittel, durch alle möglichen Stoffe. Das geschieht in der Absicht, die natürlichen Eigenschaften der Waren zu verbergen. Wir reden nicht gerade von wenigen Stoffen, es handelt sich ja um mehrere Tausend Zusatzstoffe, und für die meisten trifft außerdem zu, daß wir die Auswirkungen auf die Gesundheit nicht kennen. Bei vielen wissen wir sogar, daß sie der Gesundheit schaden, und trotzdem lassen wir ihre Verwendung zu. Meiner Meinung nach ist die Politik der Gemeinschaft in bezug auf die Verwendung von Zusatzstoffen völlig unverantwortlich geworden. Deshalb unterstütze ich den Bericht Lannoye. Ich finde, daß hier gute Arbeit geleistet wurde. Neue Zusatzstoffe sollten abgelehnt, und es sollten keine weiteren Stoffe akzeptiert und zugelassen werden. Ich meine sogar, daß die Kommission eine ernsthafte Überprüfung der Menge der Zusatzstoffe in Angriff nehmen sollte. Herr Lannoye weist in den allgemeinen Anmerkungen seines Berichts auf viele Stoffe hin, die untersucht werden sollten, hierunter auch die direkte Zugabe von Antibiotika zu Lebensmitteln.

Ich möchte noch auf ein weiteres Problem hinweisen, das von Herrn Lannoye in seinem Redebeitrag bereits angesprochen worden ist, nämlich den Zusatz von Nitrat und Nitrit zu Fleischprodukten. Meiner Ansicht nach sind die erlaubten Mengen zu groß. In einer breit angelegten Untersuchung von fünf Verbraucherorganisationen in Europa ist vor kurzem nachgewiesen worden, daß ein Großteil der Fleischprodukte sogenannte Nitrosamine in großen Mengen enthält. Nitrosamin ist ein krebserzeugender Stoff, der von Nitrat und Nitrit gebildet wird. Ich halte den Zustand in diesem Bereich für inakzeptabel, aber ich habe nicht den Eindruck, daß die Kommission von der Untersuchung besonders beeindruckt ist. Ich bin der Meinung, daß die zugesetzten Mengen an Nitrat und Nitrit wesentlich eingeschränkt werden sollten, wenn es sich um Fleischprodukte handelt, und ich meine, daß eine obligatorische Kontrolle der Nitrosaminmenge eingeführt werden muß, das ja wie gesagt ein stark krebserzeugender Stoff ist und zur Zeit in unseren Lebensmitteln gar nicht kontrolliert wird. Ich hoffe, daß Herr Byrne, der die Verantwortung für diesen Bereich übernommen hat, das Problem der Zusatzmengen für Nitrat und Nitrit aufgreifen wird. Meines Erachtens handelt es sich um ein ernstes Problem, und ich hoffe, daß er uns dies heute bestätigen wird. Abschließend möchte ich sagen, daß eine umfassende Überprüfung der Zusatzstoffe in unseren Lebensmitteln vorgenommen werden sollte.

 
  
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  Maaten (ELDR).(NL) Herr Präsident! Der Bericht behandelt die Aufnahme anderer Lebensmittelzusätze als Farbstoffe und Süßungsmittel in die Liste der zulässigen Zusatzstoffe. Die Kommission schlägt demnach vor, dieser Liste bisher nicht verwendete Zusätze hinzuzufügen. Aber das bedeutet nicht, von dieser Liste würden Zusätze gestrichen. Wenn es um Nahrungsmittel und Nahrungsmittelsicherheit geht, müssen die Bedürfnisse und Wünsche des Verbrauchers stärker berücksichtigt werden, als das bislang der Fall war. Damit ist natürlich nicht gesagt, wir könnten die Interessen der Nahrungsmittelhersteller unberücksichtigt lassen, und auch nicht, wir müßten uns nicht modernen Methoden der Nahrungsmittelherstellung öffnen, wie es Herr Pohjamo soeben auch angesprochen hat. Es bedeutet aber, daß Nahrungsmittelsicherheit einen ganz hohen Stellenwert einnehmen muß. Viele Zusätze sind unschädlich, andere hingegen nicht. Und wenn diese Unschädlichkeit nicht garantiert ist, besteht die einzig richtige Entscheidung unzweifelhaft darin, die Verwendung des Produktes nicht zuzulassen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, daß der Hersteller angibt, welchen Vorteil der Verbraucher von dem Zusatzstoff hat. Das Beispiel E 401 Natriumalginat – ein Wort, das ich aussprechen kann – wurde genannt, ein Zusatzstoff, der welke Karotten frisch aussehen läßt. Welchem Interesse des Verbrauchers wird damit gedient? Die Interessen des Verbrauchers sind je nach Verbraucher und auch je nach Verbrauchergruppe verschieden. Offensichtlich ist jedoch, daß aussagekräftige Verbraucherinformationen für alle Konsumenten von Nutzen sind, denn so werden sie nicht irregeführt. In diesem Bericht wird ein – buchstäblich – erfrischender Blick auf die Problematik geworfen. Das war dringend erforderlich. Wir beglückwünschen den Berichterstatter, er hat die Unterstützung der liberalen Fraktion.

 
  
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  Breyer (Verts/ALE). – Herr Präsident! Selbstverständlich schließen wir uns den Glückwünschen der Kolleginnen und Kollegen an. Herr Lannoye hat eine hervorragende Arbeit geleistet, er hat nämlich das getan, was die Kommission versäumt hat. Die Kommission spricht nur noch vom Vorsorgeprinzip, aber Herr Lannoye hat gerade mit seinem Bericht gezeigt, daß es auch darum geht, es in die Tat umzusetzen und das Vorsorgeprinzip tatsächlich zum Leitgedanken zu machen.

Ich vermisse auch das, was die Kommission versprochen hat, nämlich Transparenz. Es ist sogar eine Verbrauchertäuschung, wenn hier eine Frische vorgegaukelt wird, die es in der Realität überhaupt nicht gibt. Herr Kommissar, Sie müssen endlich einmal Farbe bekennen, warum Sie nicht vorsehen, daß unverpackte Nahrungsmittel, insbesondere Obst und Gemüse, auch zwingend gekennzeichnet werden.

Ich möchte auch das noch einmal betonen, was Herr Lannoye gesagt hat. Dieser Bericht macht deutlich, daß wir eine Reform der Zusatzstoffe brauchen. Es geht nicht an, daß wir Hunderte von Zusatzstoffen auf den Markt bringen, nur weil es die Industrie will. Es hat nichts mit Wettbewerb zu tun, wenn man nur das abnickt, was die Kommission vorschlägt. Wir brauchen in der Tat – ähnlich wie in Japan – eine limitierte Liste von 70-100 Zusatzstoffen, und ich hätte auch gerne gewußt, wie der Herr Kommissar dazu steht. Dann muß die Industrie entscheiden, welche sie will. Das wäre endlich einmal ein innovativer Gesichtspunkt, der Wettbewerb zur Grundlage macht. Herr Lannoye hat recht, wir müssen hier Farbe bekennen und dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragen.

 
  
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  Sandbæk (EDD).(DA) Herr Präsident, zunächst möchte ich sagen, daß ein Bericht in guten Händen ist, wenn der Berichterstatter Paul Lannoye heißt. Ich kann alle seine Schlußfolgerungen vorbehaltlos unterstützen. Bekanntlich müssen drei Bedingungen erfüllt sein, um Zusatzstoffe auf die Positivliste setzen zu können. Es muß einen technologischen Bedarf geben, das Produkt muß dem Verbraucher nutzen und seine Unschädlichkeit muß nachgewiesen sein. Paul Lannoye macht zu Recht darauf aufmerksam, daß für den Stoff Natriumalginat keine dieser Bedingungen erfüllt ist. Der Stoff hat keinen Nutzen für den Verbraucher, im Gegenteil – der Verbraucher wird direkt getäuscht, wenn geschnitzelte Mohrrüben selbst dann frisch aussehen, wenn sie es gar nicht sind. Bedauerlicherweise war der Synergieeffekt nicht Gegenstand der Untersuchung. Prinzipiell ist es sehr bedenklich, daß die Kommission die Liste der Zusatzstoffe erweitern kann, nur weil diese Stoffe in Teilen der EU zugelassen sind. Diese Regel sollte geändert werden, so daß ein Zusatzstoff nur dann auf die Positivliste gesetzt werden darf, wenn ein eindeutiger technischer Bedarf nachgewiesen ist, der auch für die Verbraucher von Nutzen ist.

Es ist paradox, daß wir diesen Entwurf so kurz nach der Veröffentlichung des Weißbuchs der Kommission zur Lebensmittelsicherheit behandeln. Im Weißbuch legt die Kommission selbst Wert darauf, daß die Aufnahme neuer Zusatzstoffe beschränkt wird, um – wie sie es ausdrückt – auf diese Weise negative Auswirkungen auf die Gesundheit zu vermeiden. Die Kommission äußert außerdem, daß sie die Verbraucher möglichst gut beraten möchte, damit sie eine eigene Entscheidung treffen können. Wenn man sich diesen Richtlinienentwurf betrachtet, gelangt man unweigerlich zu dem Schluß, daß es bei der Behandlung von Zusatzstoffen durch die EU zwischen Worten und Taten kaum einen Zusammenhang gibt. Ich denke, daß die ursprüngliche Absicht bei der Ausarbeitung einer Positivliste auch darin bestand, Zusatzstoffe von der Liste streichen zu können. Die derzeitige Liberalisierung in bezug auf die Menge der zugelassenen Zusatzstoffe ist beängstigend. Deshalb sollte die Liste möglichst bald begrenzt werden, anstatt sie noch zu erweitern. Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Lund über Nitrit und Nitrat gesagt hat und darauf hinweisen, daß ich in der letzten Sitzungsperiode der Kommission die Frage gestellt habe, ob die neuen wissenschaftlichen Fakten über die gesundheitsschädigenden Wirkungen dieser beiden Stoffe die Kommission nicht zu einer Überprüfung ihrer Haltung veranlaßt haben. Diese Frage wurde leider verneint, und wie Herr Lund möchte ich darum bitten, daß dieses Nein heute begründet wird.

 
  
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  Arvidsson (PPE-DE).(SV) Herr Präsident! Ich teile die prinzipielle Einstellung des Berichterstatters, neue Lebensmittelzusatzstoffe nicht zuzulassen, wenn kein tatsächlicher Bedarf vorliegt. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, daß regionale oder nationale Traditionen in einigen Fällen die Zulassung eines Zusatzstoffes rechtfertigen können. Das sollten wir nicht vergessen.

Ich denke dabei an den Zusatzstoff Ethylhydroxiethylcellulose (EHEC). Dieser Stoffe ist keine Delikatesse und kann nicht mißbraucht werden. Er wird jedoch seit mehr als 20 Jahren in Schweden und Finnland, und ich glaube auch in Norwegen, als Stabilisator für glutenloses Brot und Gebäck verwendet. Damit wird das Zerkrümeln dieser glutenlosen Backwaren verhindert und der relativ kleinen Gruppe glutenintoleranter Menschen die Möglichkeit gegeben, Brot und Backwerk in derselben Form wie gesunde Menschen zu genießen.

EHEC paßt besonders zu der im nördlichen EU-Gebiet vorherrschenden Brottradition und kann darum nicht vollständig durch andere, bereits zugelassene Cellulosen ersetzt werden. Der Berichterstatter behauptet, es bestünde die Gefahr von Verunreinigungen in der EHEC, die eine karzinogene Wirkung haben könnten und deutet gleichfalls an, hohe Dosen könnten abführend wirken. Ich meine jedoch, es ist eher das Gegenteil der Fall.

Daß das Brot zusammenhält und nicht mit einem Löffel gegessen werden muß, weil es völlig zerkrümelt ist, ist besonders wichtig für glutenintolerante Kinder. Diesen Kindern fällt es schwer zu verstehen, warum sie Brotkrümel essen müssen, während andere Kinder unbeschädigtes Brot essen, das nicht krümelt. Wenn sie dann mit ihrem Essen nachlässig sind, wächst die Gefahr der Unterernährung. Verzichten glutenintolerante Menschen auf Krümel und essen statt dessen normales Brot, bekommen sie Bauchschmerzen und möglicherweise auch Durchfall. Auf lange Sicht erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung an Magen- oder Darmkrebs.

Viele Familien mit glutenintoleranten Kindern befinden sich aufgrund des Mehraufwandes zur Bewältigung der Diät ihrer Kinder in einer komplizierten Lebenssituation. Sie können ihr Brot nicht kaufen, sondern backen es unter Zusatz von Stabilisatoren selbst. Warum wollen wir diesen Familien das Leben noch weiter erschweren? Warum sollen sie nicht auch weiterhin den gewohnten Stabilisator verwenden dürfen?

Wenn Ethylhydroxiethylcellulose nicht zugelassen wird, kommt dies einer Erschwerung der Situation für glutenintolerante Menschen und Familien mit glutenintoleranten Kindern gleich. Das Vorsorgeprinzip kann in diesem Fall nicht für ein Verbot herangezogen werden, sondern spricht im Gegenteil für eine Zulassung von EHEC.

 
  
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  Whitehead (PSE). (EN) Herr Präsident! Wie meine Vorredner in dieser Aussprache möchte auch ich Herrn Lannoye beglückwünschen. Schon so manches Mal sind er und ich in der Frage anderer Lebensmittelzusatzstoffe unterschiedlicher Meinung gewesen, aber in diesem Fall haben wir die Beweislast bedacht, ehe der Liste weitere Stoffe hinzugefügt werden. Er hat dem Ausschuß und auch diesem Parlament einen Dienst erwiesen, indem er darauf hinwies, daß dieses Verfahren anscheinend immer nur in eine Richtung geht.

Die Kommission muß sich zu zwei grundlegenden Punkten äußern: erstens, ob die Verfahren selbst überprüft werden müssen, wie es der Vertreter der Kommission in der Aussprache im Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik vorschlug; und zweitens, ob es eine effektivere Methode gibt, Zusatzstoffe von der Liste zu streichen bzw. in die Liste aufzunehmen.

Die Liste wird scheinbar immer länger, und die Beweislast müssen jene tragen, die diese Stoffe aufgenommen haben möchten – seien es Vertreter der Mitgliedstaaten, der Kommission oder der wissenschaftlichen Ausschüsse. Ich bin bereit anzuerkennen, daß einige dieser Zusatzstoffe unschädlich sind. Der Ausschuß und selbst Herr Lannoye waren bereit, E949 und E650 zuzulassen.

Obwohl ich, wie die anderen Ausschußmitglieder auch, in der Frage der sicheren Anwendung der verschiedenen Treibgassprays kein Experte bin, kamen mir im Ausschuß doch einige Zweifel, nicht zuletzt an dem Punkt, als der Vertreter der Kommission über Treibgassprays sprach. Die Hersteller benötigen diese Sprays in der Regel, um Backformen gleichmäßig einzufetten.

Das eine Treibgasspray ist nur für industrielle Zwecke, die anderen beiden sind zur allgemeinen Nutzung vorgesehen. Wir möchten uns alle noch einmal ausführlicher mit dieser Frage beschäftigen und herausfinden, warum gerade diese Treibgase gewählt wurden und ob wir eine Entscheidung dazu aufschieben können, zumindest bis die vorgeschlagene Überprüfung stattgefunden hat.

Hinsichtlich der beiden Änderungsanträge würde meine Fraktion, die zwar dem Geiste nach unterstützt, was Herr Lannoye im Änderungsantrag 1 vorschlägt, nicht soweit gehen, das Vorsorgeprinzip selbst in diese Richtlinie aufzunehmen. Das scheint uns nicht der geeignete Ort dafür zu sein. Wir würden lieber Erwägung 5 streichen und werden auch dementsprechend votieren. Anstelle des allgemeinen Vorsorgeprinzips sollte hier die Beweislast diskutiert werden.

Schließlich möchte ich im Namen meiner Fraktion zu Änderungsantrag 2 anmerken, daß es sich dabei nur darum handelt, Verweise auf das Mitentscheidungsverfahren zu entfernen. Das ändert nichts an der Bedeutung. Wir sind nicht der Auffassung, daß diese Zusatzstoffe in die Liste aufgenommen werden sollten, solange nicht nachgewiesen ist, daß der Verbraucher Vorteile davon hat, und um ihn allein geht es schließlich, alles geschieht im Namen des Verbrauchers. Wir unterstützen deshalb Änderungsantrag 2.

 
  
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  Ries (ELDR).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jüngsten Dioxin- und BSE­Krisen haben deutlich gezeigt – falls dies überhaupt noch notwendig war –, daß der Verbraucher fortan umfassende Garantien bezüglich seiner Nahrungsmittel haben will. Diesbezüglich ist der Lannoye­Bericht ein weiteres Lehrstück. Zu Recht fragt sich der Berichterstatter, ob die unseren Nahrungsmitteln zugefügten Zusatzstoffe wirklich notwendig und vor allem, ob diese wirklich unschädlich für unsere Gesundheit sind. Worum geht es in diesem Zusammenhang? Alles in allem um 307 durch die Union zugelassene Zusatzstoffe, von denen nur 163 völlig unschädlich sind. Paul Lannoye hat dies soeben erwähnt. Wem gereichen diese Zusatzstoffe, diese chemische Invasion auf unseren Tellern, zum Vorteil? Auf keinem Fall dem Verbraucher, der immer mehr auf der Suche nach hundertprozentig reinen Lebensmitteln für sich und seine Kinder ist.

In dieser Hinsicht möchte ich, ohne auf technische Einzelheiten einzugehen, nochmals auf die drei Kriterien zu sprechen kommen, die im Bericht hervorgehoben wurden. Es stellt sich zum einen die Frage, ob die Zusatzstoffe von technologischem Nutzen sind. Zumindest läßt sich sagen, daß sich das Interesse der Verbraucher nicht immer mit dem der Produktionsfirmen deckt. Und zum anderen fragt man sich, ob die Zusatzstoffe den Verbrauchern nützen? Diesbezüglich weist der Berichterstatter mindestens auf einen Fall hin, in dem diese in die Irre geführt werden könnten: ist es etwa keine Täuschung, das allmähliche Weichwerden und übliche Ausbleichen einer vor längerer Zeit geschälten Karotte zu verhindern? Die Antwort auf diese Frage erübrigt sich wohl.

Des weiteren muß die Unschädlichkeit des Zusatzstoffes nachgewiesen sein. In diesem Fall müssen unsere Überlegungen einmal mehr vom Vorsorgeprinzip bestimmt sein, denn wenn wir uns für eine mit E 401 geschönte Karotte entscheiden, dann bedeutet das auch, und dessen ist sich der Verbraucher nicht, oder zumindest nicht immer, bewußt, sich möglichen unangenehmen Nebenwirkungen auszusetzen, die nicht vernachlässigt oder verharmlost werden dürfen.

Daher unterstützt die Fraktion der Liberalen den Lannoye­Bericht, weil er eindeutig darauf abzielt, die Lebensqualität der Verbraucher zu verbessern und wieder etwas mehr Wahrheit hinsichtlich dessen, was auf unsere Teller kommt, zu gewährleisten. Diese Erwägung muß über allen anderen stehen.

 
  
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  Byrne, Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Lannoye für seinen Bericht über den Vorschlag der Kommission zur Änderung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 95/2/EG über andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel danken. Die Kommission ist der Auffassung, daß Richtlinie 95/2/EG im Lichte der neuesten technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen angepaßt werden muß. Unser Vorschlag geht von drei Grundprinzipien aus: Zugelassene Zusatzstoffe sind sicher und stellen kein Risiko für die Volksgesundheit dar. Sicherheitsrelevante Fragen werden vom Wissenschaftlichen Lebensmittelausschuß bewertet. Lebensmittelzusätze werden nur dann zugelassen, wenn ein technologischer Nutzen nachgewiesen ist, die Verbraucher nicht irregeführt werden und daraus den Nutzen ziehen, neue Produkte mit besserer Qualität zur Auswahl zu haben.

Einige der jetzt zur Aufnahme vorgeschlagenen Stoffe haben in verschiedenen Mitgliedstaaten eine vorläufige Zulassung erhalten. Vorausgesetzt, die Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Ausschusses werden berücksichtigt, der technologische Nutzen ist nachgewiesen und die Verbraucher werden nicht irregeführt, sollten die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft die Erfahrungen der Mitgliedstaaten bei der Verwendung dieser Zusatzstoffe berücksichtigen. Deshalb kann die Kommission die Änderungsanträge 3, 4 und 5 nicht unterstützen. Die vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigen die Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses und den in einigen Mitgliedstaaten vorhandenen technologischen Nutzen nicht in gebührendem Maße. Bei Annahme dieser Änderungsanträge würde in einigen Mitgliedstaaten eine Reihe völlig sicherer Nahrungsmittel aus den Regalen der Lebensmittelgeschäfte verschwinden.

Zum ersten Änderungsantrag möchte ich folgendes sagen: Die Anwendung des Vorsorgeprinzips ist hier nicht angebracht, wie bereits von mehreren meiner Vorredner heute abend ausgeführt. Die Sicherheit der Lebensmittelzusatzstoffe, um die es hier geht, ist vom Wissenschaftlichen Lebensmittelausschuß bewertet worden. Auf dieser Grundlage haben die Rechtsetzungsorgane der Gemeinschaft in der Vergangenheit Zusatzstoffe zur Verwendung in Nahrungsmitteln zugelassen, und auf dieser Grundlage schlägt die Kommission jetzt die Zulassung weiterer Lebensmittelzusatzstoffe vor. Deshalb unterstützt sie den ersten Änderungsantrag nicht. Änderungsantrag 2 und 6 zu dieser Richtlinie werden von der Kommission für unnötig oder ungeeignet gehalten. Dem Vorschlag der Kommission für diese Richtlinie liegen die bewährten Kriterien zugrunde, die wie folgt lauten: die Zusatzstoffe sind laut Stellungnahme des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses sicher, der technologische Nutzen ist gegeben, die Verbraucher werden nicht irregeführt und ziehen daraus den Nutzen, neue Produkte mit besserer Qualität zur Auswahl zu haben.

Ich persönlich bin allerdings der Auffassung, daß ein solcher Änderungsantrag in die im Anhang zum Weißbuch unter der Nummer 42 aufgeführte Rahmenrichtlinie 89/107 vom 21. Dezember 1998 passen könnte. Herrn Whiteheads Änderungsantrag zu Nr. 2 hat mir die Gelegenheit gegeben, diesen speziellen Aspekt sowie die Frage zu überdenken, ob es erforderlich ist, den Standard auf diesem Gebiet in einer bestimmten Weise anzuheben. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß er recht hat und Anstrengungen in dieser Richtung unternommen werden sollten. Aber ich denke, eine Rahmenrichtlinie wäre besser dazu geeignet als die heute hier diskutierte Richtlinie. Eine Rahmenrichtlinie hat umfassendere Gültigkeit und würde die Ziele erreichen, die wir alle im Interesse der Verbraucher anstreben. Wenn es also um die Änderung von Richtlinie 89/107 geht, werde ich diesen Vorschlag und den von Herrn Whitehead vorgelegten Änderungsantrag ernsthaft prüfen.

Es ist eine Reihe von Punkten erwähnt worden, auf die ich nachfolgend eingehen möchte. Ich will versuchen, einige der aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Was das Natriumalginat anbetrifft, so verwiesen zahlreiche Redner darauf, daß dieser Vorschlag dazu angetan sei, die Verbraucher irrezuführen, weil dieser Stoff dazu eingesetzt würde, Karotten frischzuhalten. Das ist aber genau genommen nicht der Zweck dieses Zusatzstoffes. Die Karotten gelangen fertig verpackt in den Handel, demzufolge sind sie auch ausgezeichnet, und der Verbraucher weiß, daß ein Zusatzstoff verwendet wurde.

Dieser Zusatzstoff wird in erster Linie als Festigungsmittel eingesetzt, es geht nicht darum, Lebensmittel frischer aussehen zu lassen, als sie tatsächlich sind, oder Frische vorzutäuschen. Deshalb ist der Einsatz hier gerechtfertigt.

Herr Lannoye hat die Anwendung des Vorsorgeprinzips erwähnt. Ich bin nur sehr kurz darauf eingegangen, aber lassen Sie mich ergänzen: Ich pflichte voller Respekt den Rednern des heutigen Abends bei, die sich dazu äußerten, was der geeignete Ort für das Vorsorgeprinzip sei. Ich bin der Meinung, daß dieses Prinzip unter den Umständen, mit denen wir uns heute hier beschäftigen, fehl am Platze ist, während es unbedingt angewandt werden sollte, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse zu einer Problematik noch nicht vorliegen. In diesem speziellen Fall aber hat der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuß die Situation untersucht und festgestellt, daß diese Zusatzstoffe unbedenklich sind.

Ich stimme mit einem weiteren meiner Vorredner insofern überein, als auch ich unsere Ansichten nicht über ein von Wissenschaftlern erarbeitetes Gutachten stellen möchte. Ich hätte starke Vorbehalte, wenn an ein Problem auf diese Weise herangegangen würde, deshalb sollten wir die Stellungnahmen der wissenschaftlichen Ausschüsse in vollem Umfang respektieren. Unsere Entscheidungen müssen auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen. Meiner Ansicht nach wäre es ein gefährlicher Präzedenzfall, die Stellungnahmen der Wissenschaftler durch unsere eigene Meinung zu ersetzen, und das Vorsorgeprinzip ist hier nun ganz sicher nicht anwendbar.

Ich bin auch gefragt worden, warum die Kommission den Einsatz des Zusatzstoffes E467 vorschlägt, der im Verdacht steht, gefährliche Verunreinigungen wie Ethylenoxid zu enthalten. Ich meine, die Verunreinigungen durch Ethylenoxid haben den Wissenschaftlichen Ausschuß nicht davon abgehalten, diese Zellulose für gesundheitlich unbedenklich zu erklären. Grenzwerte für Verunreinigungen werden in den Spezifikationen festgelegt, die nach Zulassung des Stoffes in einer Kommissionsrichtlinie erstellt werden.

Ich bin weiterhin gefragt worden, warum die Kommission nicht die Streichung von Lebensmittelzusatzstoffen vorschlägt, anstatt ständig neue Zusätze in die Positivliste aufzunehmen. Wenn die Kommission Kenntnis davon erhält, daß ein Zusatzstoff nicht mehr verwendet wird, schlägt sie die Streichung dieser Substanz aus der Positivliste vor. So werden die Kommissionsdienste zum Beispiel bei der nächsten Überarbeitung dieser Richtlinie die Streichung von Kalziumhydrogenkarbonat und Magnesiumkarbonat vorschlagen.

Frau Thyssen wies darauf hin, daß das Dokument der Kommission unzureichende Informationen enthält, ich nehme das zur Kenntnis.

Was Sie da sagen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich schlage vor, Schritte zu unternehmen, wenn die Kommission weitere Vorschläge in dieser Richtung vorlegt. Vielleicht könnte man das Dokument klarer abfassen, eine umfassendere Begründung für die Aufnahme vom Standpunkt des Verbrauchernutzens aus geben. Vielleicht wäre es auch sinnvoll, weitere technische Informationen aufzunehmen.

Herr Lund sagte, daß unbehandelten Lebensmitteln Farbstoffe zugefügt würden. Das ist sachlich nicht richtig. Unbehandelten Lebensmitteln werden niemals Farbstoffe zugesetzt. Er fragte auch, ob man nicht die Verbraucherumfrage zu Nitraten vom Dezember letzten Jahres berücksichtigen solle. Man hat mir versichert, daß dies derzeit geprüft wird und mit den Mitgliedstaaten Gespräche zu dieser Umfrage stattfinden.

Herr Whitehead fragte, ob wir über effektivere Methoden der Streichung von Zusatzstoffen aus der Liste nachdenken sollten. Am Anfang meiner Ausführungen hatte ich bereits die Streichung zweier Zusatzstoffe von der Liste angekündigt, aber ich werde versuchen, von meinem Dienst weitere Informationen zu erhalten, wie dies vor sich gehen wird und welche Informationen den Abgeordneten des Europäischen Parlaments zur Verfügung stehen, damit eindeutig geklärt werden kann, welches Verfahren hier angewendet wird. Auf diesen Punkt hatten neben Herrn Whitehead noch andere Redner verwiesen. Offensichtlich besteht eine gewisse Sorge, darüber nicht ausreichend informiert zu werden. Ich werde auf jeden Fall weitere Erkundigungen einholen und die Parlamentarier zu gegebener Zeit darüber informieren.

 
  
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  Lannoye (Verts/ALE), Berichterstatter. – (FR) Herr Präsident, ich verspreche Ihnen, daß ich mich äußerst kurz fassen werde. Ich denke nicht, daß wir die Zeit haben und es möglich ist, eine vertiefte Aussprache über eine derartig komplexe Problematik zu führen, aber ich würde diese Angelegenheit gern einmal außerhalb des Plenums mit dem Kommissar erörtern.

Zunächst habe ich eine erste Anmerkung zu den Wissenschaftsausschüssen. Herr Kommissar, es reicht nicht aus, die Schlußfolgerungen der Wissenschaftsausschüsse zu lesen; man muß den Bericht lesen, was ich getan habe. Und manchmal passiert es, daß sich aus der Lektüre des Berichts mehr Zweifel als Gewißheiten ergeben. Demzufolge möchte ich Sie darum bitten, ein wenig zurückhaltender zu sein und nicht von vornherein alle Änderungsanträge abzulehnen, zumal ich behaupte, ebenfalls wissenschaftlich vorgegangen zu sein. Ich habe einige Standpunkte miteinander verglichen, ich habe die Texte gelesen, und ich kann Ihnen sagen, daß Sie die von uns vorgeschlagenen Änderungsanträge ein wenig voreilig vom Tisch fegen.

Zudem gibt es einen weiteren Gesichtspunkt, der nicht berücksichtigt worden ist, und zwar die möglichen Synergieeffekte zwischen den zahlreichen Zusatzstoffen, die sich in Nahrungsmitteln befinden. Diese Zusatzstoffe werden nie im Zusammenhang, sondern ausschließlich getrennt untersucht. Dies sollten Sie beachten.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.(1)

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

(Die Sitzung wird um 21.20 Uhr geschlossen.)

 
  

(1) Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll.

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