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Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 5. September 2000 - Straßburg Ausgabe im ABl.

10. Schaffung einer Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess
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  Die Präsidentin. Nach der Tagesordnung folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Schaffung einer Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess.

Ich erteile das Wort Frau Péry, im Namen des Rates, die sich unter uns wohl etwas heimisch fühlen wird, denn sie war längere Zeit Vizepräsidentin unseres Parlaments.

 
  
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  Péry, Rat. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, ich freue mich sehr, heute hier in diesem Saal sprechen zu können, dessen Akustik für mich eine Entdeckung ist, denn ich ergreife hier zum ersten Mal das Wort. Zunächst möchte ich Martine Aubry entschuldigen, die sehr bedauert, nicht persönlich anwesend sein zu können.

Mein Dank gilt dem Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, der PSE-Fraktion für den hier zu beratenden Entschließungsentwurf sowie dem Berichterstatter Herrn Hughes.

Ich hoffe sehr, dass unsere Aussprache das Projekt der Schaffung einer europäischen Einrichtung zur Beobachtung des industriellen Wandlungsprozesses voranbringt, dem die französische Präsidentschaft besondere Aufmerksamkeit schenkt. Sie werden bemerkt haben, Frau Kommissarin, dass ich von einer europäischen Einrichtung gesprochen habe, und ich habe mich absichtlich hinsichtlich der Bezeichnung nicht genau festgelegt, denn worauf es ankommt, ist der Grundsatz.

Bevor ich auf die Einrichtung selbst eingehe, halte ich einige Bemerkungen zur Vorgeschichte dieses Vorschlags für angebracht. Erinnern Sie sich an die Sondertagung des Europäischen Rates in Luxemburg am 21. und 22. November 1997, der eine hochrangige Sachverständigengruppe beauftragte, die industriellen Wandlungsprozesse in der Europäischen Union zu analysieren, die Mittel zur Vorbereitung auf diesen Wandel und für seine Meisterung zu prüfen und seine Auswirkungen in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zu untersuchen.

Ich möchte nur mit einem Wort an die Schließung des Renault-Werkes Vilvorde erinnern, die uns allen noch gegenwärtig ist. Wir wissen alle aus der Erfahrung in unseren Ländern um die Zuspitzung mancher sozialer Konflikte, die Ausdruck der Verzweiflung – auf dieses Wort lege ich Wert – und des Unverständnisses gegenüber den Herauforderungen der Globalisierung sind.

In ihrem Abschlussbericht an die Europäische Kommission nimmt die Sachverständigengruppe eine Bestandsaufnahme vor und gibt Empfehlungen. Dazu gehört ein interessanter Vorschlag an die Kommission, eine Europäische Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess zu schaffen, die dazu beitragen soll, die Wandlungsprozesse zu erkennen und zu analysieren, um sich auf ihre Folgen vorbereiten und eine positive Meisterung dieser Entwicklungen gewährleisten zu können.

Vom Grundsatz her wurde diese Empfehlung ohne Einwände akzeptiert, wobei die Beobachtungsstelle als ein Instrument zur Umstrukturierungshilfe angesehen wurde. Diskussionen gab es erst, als es um die Umsetzung ging. Solche Debatten gab es, glaube ich, auch in der Kommission sowie unter den Sozialpartnern. Heute sagt man mir, dass sich die unterschiedlichen Positionen stark angenähert hätten, sowohl was die Aufgabenstellung als auch was die Struktur der Beobachtungsstelle betrifft, und darin sehe ich ein äußerst wichtiges Element.

Davon ausgehend sollten nun mit Ihrer Hilfe, meine Damen und Herren Abgeordnete, die Voraussetzungen für eine rasche Umsetzung der Europäischen Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess geschaffen werden. Die Beschleunigung des Prozesses von Fusionen und Übernahmen in Europa führt zu immer neuen Überlegungen hinsichtlich der sozialen und rechtlichen Dimension der Probleme. Der Einsatz der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in der Gestaltung der Beziehungen zwischen den großen Auftraggebern – ich denke hier an die Luftfahrt- und die Automobilindustrie – und den Nachauftragnehmern bringt eine neue Arbeitsorganisation hervor, die die Industrielandschaft von Grund auf verändern und die Entstehung neuer territorialer Systeme über den nationalen Rahmen hinaus begünstigen kann.

Hinsichtlich der Arbeitsmarktentwicklung braucht man neue Erkenntnisse, um vorausschauend planen zu können. Diese neuen Erkenntnisse sind auch nötig, um die berufliche Bildung sowohl hinsichtlich der Anpassung an einen Beruf als auch hinsichtlich der lebenslangen Fortbildung als Recht für alle weiterentwickeln zu können. Ich wünsche mir, dass dieses Recht, wie der Entschließungsentwurf unterstreicht, in die künftige Grundrechtecharta der EU aufgenommen wird. Art und Umfang des sozialen Dialogs, der diese Wandlungsprozesse begleitet, müssen der Tragweite der Umstrukturierungen bzw. der technologischen Entwicklungen angemessen sein.

Die europäische Einrichtung für die Beobachtung des industriellen Wandlungsprozesses kann dieser Forderung gerecht werden, wenn ihre Aufgabenstellung und ihre Struktur entsprechend definiert sind. Die Beobachtungsstelle hätte die Aufgabe, Informationen über Neuentwicklungen sowohl wirtschaftlicher und technischer als auch arbeitsmarktpolitischer Art zu identifizieren und zu sammeln. Gleichzeitig sollte sie positive praktische Lösungen auf verschiedenen Ebenen aufspüren und verbreiten und den Erfahrungsaustausch hinsichtlich der Entwicklung und der Anpassung an den Wandel fördern. Diese Aufgabenstellung müsste dem Bedarf der europäischen Institutionen, dem Bedarf der Sozialpartner auf allen Ebenen, dem Bedarf der nationalen und territorialen Institutionen und dem Bedarf der Unternehmen gerecht werden.

Es bleibt die Frage, wie diese Einrichtung organisiert werden soll. Die Beobachtungsstelle soll ein Werkzeug sein, und nicht ein Ort politischer Entscheidungen oder sozialer Verhandlungen, und sie soll den von mir soeben genannten Zielgruppen zur Verfügung stehen. Sie muss so organisiert sein, dass sie dieser Aufgabenstellung gerecht wird, was unserer Meinung nach eine leichte und flexible Struktur voraussetzt. Was die Logistik betrifft, könnte sie auf die bestehenden europäischen Institutionen zurückgreifen.

Die europäischen Sozialpartner und die Kommission müssen unserer Auffassung nach natürlich in geeigneter Weise in die Verwaltung einbezogen werden. Ein wissenschaftlicher Beirat könnte die großen Leitlinien vorgeben und zugleich Garant für die Qualität der geleisteten Arbeit sein.

Ein Vorschlag zur Annäherung dieser europäischen Beobachtungsstelle und der Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in Dublin würde von uns positiv aufgenommen und unterstützt werden. Die Erfahrung und der Tätigkeitsbereich dieser Einrichtung sowie die Ergebnisse ihrer Arbeit ebenso wie ihre dreigliedrige Verwaltung stellen eine solide Basis für die Schaffung dieser Beobachtungsstelle dar.

Aus der Sicht der französischen Präsidentschaft müsste dieser Vorschlag der Verknüpfung die rasche Umsetzung dieser Einrichtung fördern. Frankreich wird alles tun, damit sie noch vor Auslaufen der Präsidentschaft die Arbeit aufnehmen kann.

Frau Präsidentin, ich habe nicht vergessen, welch kostbares Gut in dieser Institution die Zeit ist, und deshalb darauf geachtet, meine Redezeit einzuhalten.

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. – Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin.

 
  
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  Diamantopoulou, Kommission.(EN) 1997 hat die Stillegung eines Renaultwerkes mit 3 200 Beschäftigten in der Nähe von Brüssel die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die negativen Folgen des industriellen Wandlungsprozesses gelenkt. Danach ersuchte die Kommission auf Anregung des Europäischen Rates eine hochrangige Expertengruppe, über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des industriellen Wandlungsprozesses zu berichten und Empfehlungen zu geben, wie Folgen dieser Art künftig vermieden werden können.

In ihrem Bericht empfahl die Expertengruppe die Schaffung einer Beobachtungsstelle. Dieser Bericht wurde vom Rat gebilligt. Zwar verfügen die meisten Mitgliedstaaten über Mechanismen und Strukturen zum frühzeitigen Erkennen von Veränderungen; auf europäischer Ebene gibt es jedoch keine Beobachtungsstelle und keinen Mechanismus, der die politischen Entscheidungsträger und Sozialpartner dabei unterstützt, auf diesen Wandel zu reagieren.

Ich bin davon überzeugt, dass die europäischen Sozialpartner und politischen Entscheidungsträger ein Instrument benötigen, das ihnen bei der Diskussion des industriellen Wandlungsprozesses auf europäischer Ebene ein zukunftsorientiertes Herangehen ermöglicht, um diesen Wandel durch positives und präventives Handeln gestalten zu können. Wir haben bereits dreimal im Parlament darüber diskutiert. Wir sind der Überzeugung, dass eine neue Struktur dringend erforderlich ist, eine Beobachtungsstelle oder wie immer die Bezeichnung lauten soll.

Die Kommission hat bereits in der am 28. Juni 2000 vorgelegten sozialen Agenda vorgeschlagen, die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in Dublin – eine bereits vorhandene Struktur also – zu ersuchen, einen Mechanismus zur Information über den Wandlungsprozess zu schaffen. Dieser Mechanismus könnte auch als Forum zum Wandlungsprozess dienen.

Welche Aufgabe hat dieser Mechanismus? Er sollte als Informationsmechanismus den sozialen Dialog zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern unterstützen und könnte staatliche Behörden durch die Bereitstellung von Informationsdaten und die Analyse vorhandener Informationen zum industriellen Wandlungsprozess unterstützen. Wir sind uns alle darin einig, dass es eine schlanke und kostengünstige Struktur sein muss, und dass sie so schnell wie möglich geschaffen werden muss.

Die Sozialpartner haben ihr Interesse an diesem Mechanismus auf dem Forum vom 15. Juli bekundet und sind die Verpflichtung eingegangen, sich eine abschließende Meinung zu bilden und ihre Vorschläge zur Struktur dieses Mechanismus vorzulegen. Natürlich wird ihre Meinung in unseren abschließenden Vorschlag einfließen.

Ein letzter Punkt betrifft den Umstand, dass das frühzeitige Erkennen des Wandlungsprozesses und die Reaktion darauf mehrdimensional erfolgen müssen. Die Koordinierung über alle Politikbereiche war zentraler Punkt der Beratungen der Kommission zu diesem Thema. Wir könnten also sagen, wir sind in der Lage sicherzustellen, dass die Generaldirektion Arbeit mit anderen Generaldirektionen, insbesondere mit den Generaldirektionen Binnenmarkt, Bildung und Kultur sowie Unternehmen zusammenarbeitet, um einen abgestimmten Ansatz für diesen Mechanismus vorzulegen. Wir sind der Überzeugung, dass die Arbeitsergebnisse dieses Mechanismus zur Verfügung stehen werden, um in die Entscheidungsfindung der Organe der EU und EU-Partner einzufließen. Dies könnte im Rahmen des EU-Vertrages flexibel geschehen.

 
  
  

VORSITZ: ALONSO JOSÉ PUERTA
Vizepräsident

 
  
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  Chichester (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Als jemand, der bereits Mitglied im vorherigen Parlament war, sei mir von dieser Seite des Hohen Hauses die Bemerkung gestattet, dass es eine große Freude ist, Frau Péry in diesem Plenarsaal zu sehen.

Ich möchte einiges zum Thema Beobachtungsstelle zu bedenken geben. Erstens, diese Aufgaben werden von verschiedenen Einrichtungen der EU-Organe bereits wahrgenommen, die dazu auch in der Lage sind. Ich finde es befremdlich, die Einrichtung einer weiteren Agentur vorzuschlagen, noch einen Mechanismus und noch mehr Haushaltsausgaben, damit Arbeiten, die ohnehin erledigt werden, noch einmal durchgeführt werden. Zum Beispiel beschäftigt sich das in Sevilla beheimatete Institut für technologische Zukunftsforschung der Gemeinsamen Forschungsstelle mit diesen Fragen. Das Institut in Dublin wurde bereits erwähnt.

Zweitens, Regierungen und andere Formen staatlicher Organisationen sind nicht dafür bekannt, industrielle, kommerzielle, geschäftliche oder unternehmerische Wandlungsprozesse besonders erfolgreich vorhersagen zu können oder für eine solche Vorhersage besonders geeignet zu sein. Sie sollten dies meiner Ansicht nach auch gar nicht versuchen. Das ist Aufgabe der Wirtschaft und der Kräfte des Marktes.

Mich verwundert der sozialistische Blick auf den industriellen Wandlungsprozess. Schließlich sind heute in der Wirtschaft der entwickelten Länder nicht mehr als 20 % der Erwerbstätigen in der traditionellen Industrie beschäftigt – alle anderen arbeiten im Dienstleistungssektor der neuen Ökonomie. Ich bin überrascht, weil diese Sichtweise zeigt, dass dieser spezielle Wandel überhaupt nicht erkannt wird. Mit anderen Worten, es geschieht, es ist bereits geschehen, und noch dazu wahrscheinlich eher trotz als aufgrund der Voraussagen von Regierungen, was geschehen wird und wie es geschehen sollte.

Und außerdem, wenn wissenschaftliche Untersuchungen oder Forschungsergebnisse benötigt werden, ist es sicherlich besser, auf vorhandene Einrichtungen zurückzugreifen. Beziehen Sie meinetwegen die Sozialpartner in die Forschung ein, aber noch eine EU-Agentur oder ­Einrichtung schaffen, das sollten wir nun nicht tun. Kurz gesagt, wir sollten nicht versuchen, das Rad noch einmal zu erfinden. Wir sollten es der Wirtschaft und dem Markt überlassen, damit zurecht zu kommen, weil das der beste Weg ist, den Wandel und die Erneuerung zu fördern und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

 
  
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  Hughes (PSE).(EN) Auch ich möchte Nicole Péry wieder hier im Plenarsaal begrüßen, und vielleicht darf ich hinzufügen, Nicole, Sie fehlen uns, besonders dann, wenn außerordentlich schwierige Abstimmungen anstehen. Vielleicht könnten Sie von Zeit zu Zeit hier bei uns vorbeischauen.

Der von meiner und anderen Fraktionen vorgelegte Entschließungsantrag stellt einen Kompromiss dar, der sich auf das Notwendigste beschränkt, damit deutlich wird, was wir fordern; trotzdem scheint erhebliche Verwirrung darüber zu herrschen, was unsere Vorstellungen sind. Ich möchte deshalb ganz deutlich zwei Dinge nennen, die wir nicht fordern: Erstens, wir fordern nicht die Schaffung einer neuen, teuren Agentur oder eines Instituts. Die Aufgaben, die wir einer Beobachtungsstelle übertragen möchten, können bei nur geringen zusätzlichen Kosten von der Dubliner Stiftung und/oder der Gemeinsamen Forschungsstelle in Sevilla übernommen werden.

Zweitens, wir versuchen nicht, Fusionen, Transfers, Restrukturierungen oder die Globalisierung selbst aufzuhalten. Das wäre lächerlich. Wir wollen in sozial verantwortlicher und in vorausschauender Weise mit diesen Entwicklungen umgehen. Wir wollen ein Koordinierungszentrum für die Überwachung des industriellen Wandlungsprozesses schaffen, um so zu einem aktiveren Ansatz gegenüber der Gestaltung des mittel- und langfristigen industriellen Wandlungsprozesses und seiner Folgen für die Europäische Union beizutragen, und ich möchte Herrn Chichester darauf aufmerksam machen, auch der Dienstleistungssektor ist eine Wirtschaftszweig, und wir verfolgen den industriellen Wandlungsprozess in seiner Gesamtheit.

Wir denken an ein Zentrum zur Zusammenführung von Informationen und Fachwissen aller möglichen Partner und Akteure, der Unternehmen selbst, der Hochschul- und Weiterbildungseinrichtungen, der öffentlichen und privaten Arbeitsvermittlungen, der Sozialpartner aller maßgeblich Beteiligten, und Herrn Chichester möchte ich versichern, wir sind keineswegs der Auffassung, dass Regierungen versuchen sollten, den Wandlungsprozess vorherzusagen.

Wir wollen mit allen Partnern, einschließlich den Unternehmen selbst, zusammenarbeiten und versuchen, die Richtung des Wandels zu ermitteln. Aufgabe eines solchen Zentrums sollte es sein, Entscheidungsträgern aller Ebenen relevante Informationen über zu erwartende Veränderungen zur Verfügung zu stellen, damit es insgesamt besser gelingt, geeignete Schritte einzuleiten, um die mit der erkannten Richtung des Wandels einhergehenden Chancen zu nutzen.

Diese Idee ist nicht aus der Luft gegriffen. Wie sowohl der Minister als auch die Kommissarin feststellten, geht sie auf die nach Schließung des Renaultwerks Vilvoorde eingesetzte Hochrangige Gyllenhammar-Gruppe zurück. Die Empfehlung zur Einrichtung einer Beobachtungsstelle ist übrigens in den zurückliegenden Monaten in mehreren Entschließungsanträgen der PPE-DE aufgegriffen worden, und ich bin deshalb sehr überrascht, in dieser Woche einen so feindseligen Entschließungsantrag aus dieser Ecke vorzufinden.

Im Entschließungsantrag der Liberalen und der PPE-DE heißt es, ein solches Zentrum würde versuchen, in die Märkte und in wirtschaftliche Entscheidungen einzugreifen. Das ist keineswegs der Fall. Es geht nicht darum, in wirtschaftliche Entscheidungen einzugreifen, sondern es soll vielmehr sichergestellt werden, dass wir die Chancen für uns alle maximieren und zu den Gewinnern des Wandlungsprozesses gehören statt seine Opfer zu sein. Wer weiß, Herr Chichester, vielleicht würde sogar die Wirtschaft aus dem geballten Fachwissen eines solchen Zentrums Nutzen ziehen.

Abschließend möchte ich feststellen: Der Entschließungsantrag der PPE-DE und der Liberalen ist sachlich nicht richtig. Es heißt darin, sowohl der Rat als auch die Kommission hätten sich von dem Vorhaben, eine solche Beobachtungsstelle, ein solches Zentrum, einzurichten, zurückgezogen. Wir haben hier und heute sowohl vom Ratsvorsitz als auch von der Kommission gehört, dass sie diese Idee intensiv verfolgen. Ihr Entschließungsantrag ist sachlich nicht richtig. Er geht am Thema vorbei, und ich hoffe, dass sie eine gute Idee auch dann noch erkennen, wenn es kurz vor zwölf ist. Ziehen Sie Ihren Entschließungsantrag zurück und unterstützen Sie unseren. Vielleicht bin aber auch nur ein hoffnungsloser Optimist.

 
  
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  Alavanos (GUE/NGL).(EL) Herr Präsident, die Aussprache ist zwar hochinteressant, doch sehen wir auf der Anzeige, dass die Fragestunde um 18.10 Uhr beginnen soll. Diese Verzögerung ist nicht schlimm, aber bitte sichern Sie uns zu, dass die Fragestunde auch wirklich eineinhalb Stunden dauert, denn sonst besteht die Gefahr, dass viele Anfragen, die zur Debatte anstehen, nicht mehr behandelt werden können. Bei dieser Gelegenheit möchte auch ich die Vertreterin der Ratspräsidentschaft ganz herzlich begrüßen.

 
  
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  Der Präsident. – Wie Sie bedauere ich die Situation sehr, denn mir wird das Problem vererbt. Aber ich kann Ihnen wirklich nur zusichern, dass wir eine Stunde zur Verfügung haben. Ich werde dieses Problem – wie Sie wahrscheinlich auch – der Konferenz der Präsidenten und dem Präsidium des Parlaments unterbreiten, denn es kann ausnahmsweise einmal vorkommen, aber wenn es wiederholt auftritt, muss das Problem angepackt und gelöst werden.

 
  
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  Plooij-van Gorsel (ELDR).(NL) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar und Frau Péry! Auf dem Gipfel von Lissabon wurde vereinbart, dass die fünfzehn EU-Mitgliedstaaten eine gemeinsame Strategie für einen reibungslosen Übergang zur New Economy entwickeln. Dies liegt im Interesse sowohl unserer Bürger als auch der Wirtschaft.

Die Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei Europas ist ganz entschieden gegen die Einrichtung eines neuen Verwaltungsorgans, das die europäische Bürokratie noch weiter stärken würde. Eine europäische Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess widerspricht dem liberalen Grundsatz, wonach sich Regierungen nicht in handelspolitische Entscheidungen einmischen sollen. Do not pick the winners and let the winners pick. Diese Schlussfolgerung wurde auch auf dem Gipfel von Lissabon gezogen. Mit Erstaunen habe ich daher zur Kenntnis genommen, dass nicht einmal drei Monate danach sowohl Frau Péry im Namen der Ratspräsidentschaft als auch Frau Diamantopoulou im Namen der Kommission einen gänzlich anderen Standpunkt vertreten. Das überrascht mich nun wirklich. Ich dachte, es mit verlässlichen Partnern zu tun zu haben.

Erstaunlich ist, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs, selbst die sozialdemokratischer Couleur, zwar die liberalen Grundsätze und die neue Wirtschaft befürworten, die Linken in diesem Haus aber immer wieder in alte Denkmuster verfallen. In Europa geht erneut das Gespenst der machbaren Gesellschaft um. Deshalb war es für meine Fraktion auch nicht möglich, mit der Sozialistischen Fraktion zu einem Kompromiss über den vorliegenden Entschließungsantrag zu gelangen.

Um Europa und um die europäische Wirtschaft ist es gut bestellt. Die Segnungen des Binnenmarkts und insbesondere die Einführung des Euro haben zu einem erheblichen Beschäftigungszuwachs geführt. Einige große Mitgliedstaaten trauen sich jedoch nicht, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, so dass sie aus dem Wirtschaftswachstum einen geringeren Nutzen ziehen. Eine neue Beobachtungsstelle schafft da keine Abhilfe. Dieses Parlament diskutiert heute nicht zum ersten Mal über politische Einmischungen in die Unternehmensführung und die Unternehmenspolitik. Dabei werden stets die gleichen Argumente vorgebracht. Hoffentlich war dies nun das letzte Mal.

 
  
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  Bouwman (Verts/ALE).(NL) Herr Präsident! Die Europäische Union steht heute vor tief greifenden Veränderungen unserer Wirtschaft – Globalisierung, New Economy, Ausbreitung neuer Technologien – sowie darüber hinaus verschiedenen demographischen Faktoren gegenüber. Diese Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigung, das Verhältnis zwischen Arm und Reich, die soziale Ausgrenzung sowie die Umwelt. Auf dem Arbeitsmarkt kommt es zu diversen Spannungen, in unserem Bildungswesen sind Anpassungen erforderlich, und schließlich ergeben sich auch verschiedene Konsequenzen für einzelne Betriebe insofern, als manche schließen müssen, zum andern aber auch wieder Neugründungen zu verzeichnen sind usw. Während wir das eine Mal mit aller Kraft bemüht sind, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, werden einige Jahre später Arbeitskräfte aus Drittländern angeworben, um die Arbeitsmarktprobleme etwa im Gesundheitswesen oder im IKT-Bereich zu lösen, um nur einige kuriose Beispiele zu nennen. Bisweilen stellen wir fest, dass Maßnahmen ad hoc oder zu spät ergriffen werden, und mit seinem „Dotcom-Approach“ ist Lissabon gewissermaßen ein Beispiel dafür. Gefordert ist jedoch mehr Konsistenz.

Ein zweites Erfordernis betrifft die Mitsprache, die Mitsprache an der Basis, und hier geht es um die weitere Ausgestaltung der sozialen Dimension. Um die Entwicklungen in den einzelnen Industrien und Sektoren prognostizieren zu können, sollten also unseres Erachtens die Empfehlungen der hochrangigen Arbeitsgruppe befolgt werden, eine Koordinierungsstelle zur Beobachtung dieser Veränderungen zu schaffen, das heißt keine neue schwerfällige Bürokratie, sondern ein in einer bereits bestehenden Einrichtung untergebrachtes Organ. Bei einem solchen industriellen Wandlungsprozess stellt die uneingeschränkte Mitsprache der Sozialpartner, der Bürger und der Politiker sowohl auf lokaler als auch regionaler und nationaler Ebene eine absolute Notwendigkeit dar. Da die Steuerung dieses Wandlungsprozesses den entscheidenden Faktor für den Erfolg darstellt, sollten Kommission und Rat auch Themen wie das Recht auf Unterrichtung und Konsultation, die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes sowie die Rolle der Arbeitnehmer und Bürger bei Fusionen und Betriebsstilllegungen mit den daraus resultierenden gravierenden sozialen Folgen, recht bald zur Diskussion stellen. Auch dies erscheint uns für die Steuerung des industriellen Wandlungsprozesses als wesentlich.

 
  
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  Bordes (GUE/NGL).(FR) Wir sind nicht gegen die Schaffung einer Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess. Die einmütige Ablehnung durch die Rechten bestätigt nur, dass sie gegen die geringste Transparenz hinsichtlich der verheerenden Konsequenzen, die die Betriebsschließungen und Entlassungen für die Gesellschaft haben, sind, die sie uns auch noch ganz unverfroren als unausweichliche Begleiterscheinungen des Wandlungsprozesses hinstellen.

Aber diese Beobachtungsstelle kann nicht mehr sein als ein statistisches Instrument, das in dieser Klassengesellschaft nicht einmal objektiv sein kann. Eine Beobachtungsstelle ersetzt nicht den politischen Willen, die Großunternehmen daran zu hindern, aus Profitgründen Entlassungen vorzunehmen.

Der Aufruf zum sozialen Zusammenhalt bedeutet so gesehen nichts anderes, als von den Arbeitnehmern, die durch ein Unternehmen, das schließt, entlassen wurden, zu verlangen, dass sie ihr Schicksal geduldig hinnehmen.

Die meisten Fusionen oder Umstrukturierungen sind Finanzoperationen, die nicht einmal durch industrielle Wandlungsprozesse gerechtfertigt sind. Und den Preis müssen immer die Arbeitnehmer zahlen, niemals die Aktionäre.

Deshalb sage ich den Arbeitnehmern, dass sie sich verteidigen können und müssen, indem sie insbesondere durchsetzen, dass Unternehmen, die Gewinne machen, keine Entlassungen vornehmen dürfen. Der angehäufte Gewinn muss dazu dienen, die Aufteilung der Arbeit auf alle zu finanzieren, ohne Lohnkürzung, ohne Unsicherheit der Arbeitsplätze und ohne Flexibilität.

 
  
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  Der Präsident. – Ich habe gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung 7 Entschließungsanträge zum Abschluss dieser Erklärung erhalten(1).

 
  
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  Pronk (PPE-DE).(NL) Meiner Fraktion wäre es lieber gewesen, diese an und für sich interessante Aussprache ohne die Verabschiedung von Entschließungen zu beenden. Dies zu den Bemerkungen von Herrn Hughes. Meiner Meinung nach sind heute durch den Rat tatsächlich neue Elemente eingebracht worden. Wer die Diskussion verfolgt hat, stellt fest, dass im Rat durchaus ein gewisser Durchbruch erzielt worden ist. Außerordentlich deutlich war auch die Erklärung der Kommission, die wir uns meines Erachtens noch einmal ganz genau ansehen sollten. Das wäre wohl das Beste.

Zweitens: Wir müssen in der Tat vermeiden – und darin stimme ich meinem Nachbarn, Herrn Chichester, voll und ganz zu –, dass wir zu einer exzessiven Bürokratie gelangen. Das ist ein wichtiger Punkt. Auf der andern Seite musste ich jedoch auch wieder an die Geschichte der Titanic denken. Diese versank, weil es zu jener Zeit kein Beobachtungssystem für Eisberge gab. Unmittelbar nach dem Untergang der Titanic wurde ein solches System selbstverständlich installiert. In den letzten Jahren gab es, auch auf dem Gebiet des industriellen Wandlungsprozesses, eine Reihe von Fällen, die wohl weitaus weniger schlecht ausgegangen wären, wenn man bestimmte Vorkenntnisse besessen hätte. Meiner persönlichen Meinung nach könnten wir in dieser Richtung durchaus etwas weiter gehen, sofern dies zumindest nicht mehr Bürokratie bedeutet, vor allem in dem Land, in dem wir derzeit zu Gast sind. Wir werden hier ständig mit verschiedenen Problemen konfrontiert, Blockaden und dergleichen, und ich hielte es für sehr nützlich, wenn über sich vollziehende Veränderungen objektivere Auskünfte erteilt und somit eventuelle Fehler nach Art der Titanic verhütet werden könnten. Zwar finde ich den Titanic-Film sehr schön, aber ich mag es nicht, wenn er ständig wiederholt wird.

 
  
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  Goebbels (PSE).(FR) Herr Präsident, gestatten Sie mir, mit einem Zitat zu beginnen: „Unkontrollierte Fusionen, die nur durchgeführt werden, um die kapitalistische Vormachtstellung eines Unternehmens zu sichern, haben verheerende Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt der Union. Die Männer und Frauen, die eines schönen Tages feststellen müssen, dass ihr Unternehmen den Eigentümer gewechselt hat und sie das Opfer strategischer Wirtschaftsentscheidungen geworden sind – mit allem, was dies an dramatischen, wenn nicht gar unmenschlichen Veränderungen für sie und ihre Familien und ihre Region bedeutet –, können nicht begreifen, dass das die Europäische Union sein soll. Von den verschiedenen Vorschlägen der Präsidentschaft ist die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für den industriellen Wandel ganz besonders interessant.

Sobald diese Stelle unabhängig ist, mit den angemessenen Mitteln für Studien ausgestattet wird und ihre Arbeiten öffentlich gemacht und die Grundlage demokratischer Debatten sein werden, kann sie meiner Ansicht nach ganz erheblich zur Weiterentwicklung der Regierungszusammenarbeit beitragen, die vor allem im sozialen Bereich von überragender Bedeutung bleibt“. Diese Worte stammen nicht von einem verantwortungslosen oder launischen Linken.

Vielmehr habe ich soeben unsere Präsidentin, Frau Fontaine, zitiert, die diese Erklärung auf dem Gipfeltreffen in Lissabon in unser aller Namen abgegeben hat. Wenn ich nun hier und heute einige Verantwortliche der aufgescheuchten Rechten höre, frage ich mich, ob diese ehrenwerten Parlamentarier aus der Fraktion, aus der Frau Fontaine stammt, wirklich die Worte unserer Präsidentin vor den Staats- und Regierungschefs in Lissabon Lügen strafen wollen. Natürlich sagen uns unsere Kollegen Chichester und Plooij „Überlassen Sie das dem Markt“ bzw. „pick up the winners“. Das alte Lied, in dem es heißt, dass letztlich die Gewinne privatisiert und die Verluste vergesellschaftet werden, ist sattsam bekannt. Mein Freund Steven Hughes hat erklärt, dass die Sozialisten und die beiden anderen Fraktionen, die einen gemeinsamen Antrag eingebracht haben, kein bürokratisches Monster wollen.

Wir wollen keine neue Institution, keine neue Agentur, sondern, wie Frau Péry als Vertreterin der Präsidentschaft, die ich ebenfalls begrüßen möchte, sagte, ein leichtes Instrument, eine leichte Struktur, die in der Lage ist, die vorhandenen Arbeiten zu koordinieren. Die Kommission verfügt ja bereits über umfangreiches Material, Eurostat kann sehr interessante Statistiken über die industrielle Entwicklung in Europa und darüber hinaus beisteuern. Dann sind da noch die nationalen Regierungen und die Forschungsinstitute. Es geht nicht darum, die bereits geleistete Arbeit noch einmal zu machen, sondern sie zu koordinieren und zumindest alle sechs Monate einen Bericht zu erstellen, der im Rat und im Europäischen Parlament diskutiert werden kann.

Wir wollen in den gegenwärtigen industriellen und sozialen Wandlungsprozessen keine Zuschauerrolle spielen. Wir wollen die Zukunft gestalten, und um das zu tun, darf man nicht in eine defensive Aktion oder in unnützen Protektionismus verfallen, sondern muss den Wandel begleiten. Wir sind für die neuen Technologien, wir sind für die neue Wirtschaft, aber wir wollen auch den alten Sektoren dabei helfen, sich anzupassen. Wir streben eine zielgerichtete Politik an, wir wollen uns auf den Wandel einstellen, denn die Zukunft, und vor allem die wirtschaftliche Zukunft, bedarf der Gestaltung.

 
  
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  Auroi (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident, Frau Ministerin, Frau Kommissarin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte diese Debatte ein wenig in ihren Kontext einordnen. Als Abgeordnete aus der Auvergne erinnere ich Sie daran, dass wir vor ungefähr einem Jahr hier von der Michelin-Krise gesprochen haben, nachdem Michelin Massenentlassungen in seinen Werken in Europa und gleichzeitig Rekordgewinne an der Börse angekündigt hatte.

Damals hatten wir uns in diesem Saal gemeinsam verpflichtet, die Gemeinschaftsverordnungen über Unternehmenszusammenschlüsse zu überprüfen. Ich erinnere die Kommission daran, dass es angebracht wäre, die Richtlinie 94/EG und die Verordnung 4064/89 zu überarbeiten, um die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer im Vorfeld großer Veränderungen, womit Entlassungen gemeint sind, im Zusammenhang mit Umstrukturierungen oder Unternehmenszusammenschlüssen zu verstärken. Ein Jahr später wird uns als erster konkreter Schritt eine Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess vorgeschlagen. Einverstanden, aber sie muss tatsächlich im Dienste der Sache der Arbeitnehmer stehen. Hierfür sind wohl zwei Voraussetzungen unerlässlich: die Kommission muss die Möglichkeit haben, die Umsetzung der Richtlinie über Massenentlassungen und Unternehmensstillegungen zu bewerten und Vorschläge für wirksame Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung der Vorschriften zu machen. Die Sozialpartner müssen in diese Initiative eingebunden werden, indem hierfür Haushaltsmittel durch die europäischen Institutionen bereitgestellt werden.

 
  
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  Hermange (PPE-DE).(FR) Frau Ministerin, es ist eine Freude, Sie hier unter uns begrüßen zu können.

Die neue Wirtschaft und die Globalisierung bewirken eine Beschleunigung der industriellen Wandlungsprozesse, und unser Parlament hat sich bereits mehrfach mit diesem Thema beschäftigt. So hat es einige Verfahren eingeführt, wie den europäischen Betriebsrat – ich selbst war die Berichterstatterin – und Vorarbeiten zur Frage der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer geleistet, deren Fortsetzung wir nun erwarten, Frau Kommissarin, denn Sie wissen, dass uns das sehr am Herzen liegt. Zu den von uns eingeführten Verfahren, die im Zusammenhang mit Umstrukturierungen und industriellen Wandlungsprozessen unerlässlich sind, gehört auch die Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital, an den Gewinnen und Ergebnissen des Unternehmens.

Gewiss bleibt auf diesem Gebiet noch viel zu tun, aber nach meinem Dafürhalten verfügen wir heute, um derartige Verfahren zu verbessern – wie meine Kollegen sagten, und wenn man dies sagt, so hat das nichts mit Aufgescheuchtsein zu tun – über entsprechende Organe in Europa, sei es die Stiftung in Dublin oder die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in Bilbao, mit der unser Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zusammenarbeitet, die in der Lage sind, die Auswirkungen dieser industriellen Wandlungsprozesse effizient einzuschätzen. Vergessen wir auch nicht die Sozialpartner, denen auf europäischer und auf sozialer Ebene ebenfalls eine große Rolle im Zusammenhang mit den industriellen Wandlungsprozessen zukommt.

Ich würde mir also wünschen, dass man sich auf die vorhandenen Gremien stützt, damit die industriellen Wandlungsprozesse immer transparenter werden, und dass die Texte, die wir zum Thema Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer und europäisches Unternehmen erwarten, Frau Kommissarin, eines Tages unserem Haus vorgelegt werden.

 
  
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  Trentin (PSE).(IT) Herr Präsident, Frau Péry, Frau Diamantopoulou, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke zunächst Frau Péry für die klare Erläuterung des Vorschlags des Rates, der meine volle Zustimmung findet.

Das Europäische Parlament hat sich, wie bereits erwähnt wurde, aufgrund von Krisen, Strukturveränderungen und Produktionsumstellungen mehrfach mit großer Mehrheit für ein rechtzeitiges Eingreifen der europäischen Institutionen und der Partner des Sozialdialogs ausgesprochen, um alle denkbaren Lösungen zu ermitteln, mit deren Hilfe etwaige soziale Konflikte, die Deindustrialisierung ganzer Gebiete und die Verschärfung einschneidender sozialer Ausgrenzungsprozesse vermieden werden können.

Dabei beklagte das Parlament den Mangel an Informationen, die eine rechtzeitige Untersuchung dieser Prozesse und ganz allgemein der Veränderungen, die sich in den Produktions- und Beschäftigungssystemen der Unternehmen vollzogen haben, ermöglichen würden, bevor diese Untersuchung durch die plötzliche Annahme unumstößlicher Beschlüsse gravierend beeinträchtigt wird.

Meines Erachtens kann die Schaffung einer Beobachtungsstelle – bzw. eines Zentrums zur Koordinierung aller für die Vorhersage von Umstrukturierungs- und Umstellungsprozessen sachdienlichen Informationen – den Gemeinschaftsorganen und auch dem sozialen Dialog auf europäischer Ebene einen wertvollen Dienst erweisen. Darum geht es nämlich: um eine Dienstleistung, und nicht um eine neue Institution; um eine Dienstleistung, die zu einem ausschließlich den EU-Organen obliegenden qualifizierten und rechtzeitigen Eingreifen beizutragen vermag.

Aus diesem Grund ermahne ich all jene Damen und Herren Abgeordneten zur Konsequenz, die für die Entschließungen über die Umstrukturierungsprozesse, angefangen bei dem Fall Verwoord, und insbesondere zum Fall Michelin gestimmt haben, denn diese Entschließung sah ausdrücklich die Schaffung einer Beobachtungsstelle für den industriellen Wandel vor.

Mit Hilfe eines solchen Instruments wird es nämlich möglich sein, nicht nur die betroffenen Arbeitnehmer vorab zu unterrichten und die Möglichkeit der Verhinderung oder Begrenzung von Entlassungen zu prüfen – wie dies in der Gemeinschaftsrichtlinie vom 24. Juni 1992 vorgesehen ist –, sondern auch auf örtlicher und auf Gemeinschaftsebene einen Meinungsaustausch über mögliche, gegebenenfalls auch mit öffentlicher Unterstützung zu verwirklichende Alternativen zu den von den Unternehmen vorgeschlagenen Lösungen zu fördern, und auf jeden Fall die Annahme von Maßnahmen zur Neueinstellung der von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer und insbesondere zu deren beruflicher Umschulung oder Umstellung.

Nur so kann die Gefahr gebannt werden, dass die Umstrukturierungsprozesse oder die Fusionen zwischen Großunternehmen für viele Arbeitnehmer und einige Gebiete in dramatische Verfalls- und Ausgrenzungsprozesse umschlagen, die ganz besonders den jungen Arbeitskräften schaden. Ohne ein solches Instrumentarium und solche vorbeugenden Untersuchungen ist das Europäische Parlament dazu verdammt, lediglich im Nachhinein ohnmächtige Kritik zu üben.

 
  
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  Helmer (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Herr Hughes sagt, er möchte keine neue Agentur und trotzdem wird in seinem Entschließungsantrag eindeutig eine neue Agentur gefordert. Dies zu leugnen ist Haarspalterei. Er sagt, er möchte keine Einmischung in die Industrie, und trotzdem spricht Frau Diamantopoulou von präventivem Handeln. Für sie ist Wandel offenbar etwas Schlechtes. Sie möchte unrentable Branchen künstlich am Leben erhalten, anstatt die hier gebundenen Arbeitskräfte und das Kapital freizusetzen, um in lebensfähigen neuen Unternehmen arbeiten zu können. Wenn wir überleben und im 21. Jahrhundert in Wohlstand leben wollen, müssen wir den Wandlungsprozess begrüßen und ihn gestalten. Wir dürfen ihn nicht beobachten und verhindern. Deshalb hat mich der Vorschlag, eine Beobachtungsstelle einzurichten, sehr entmutigt. Hier scheint mir das Motto zu sein: Jeden Tag ein neuer „Quango“.

Vielleicht sollte ich kurz erklären, was ein Quango ist. Es ist ein neues Kunstwort der englischen Sprache, die Abkürzung für „quasi non-governmental organisation“, also mehr Bürokratie, mehr Ausgaben, mehr Vetternwirtschaft, mehr Posten, die besetzt werden müssen. Und wozu das alles? Um dicke Berichte zu produzieren, die in 11 Sprachen übersetzt, aber von niemandem gelesen werden.

Die EU scheint nur zwei Antworten auf tatsächliche oder angebliche Probleme zu kennen: Entweder wird eine neue Verordnung erlassen, ohne zu untersuchen, ob bereits geltende Verordnungen entsprechend greifen, oder es wird eine Beobachtungsstelle eingerichtet. Dann lehnen wir uns zurück und sind stolz und glücklich, das Problem gelöst zu haben. Dabei haben wir es gar nicht gelöst, wir haben es einfach nur verschoben. Wir haben Zeit und Geld verschwendet und Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden können. Wie viele andere EU-Initiativen – ich denke hier insbesondere an die vorgeschlagene Agentur für Lebensmittelstandards – wird auch diese Beobachtungsstelle die Arbeit anderer Organisationen, zahlloser privater Forschungsunternehmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Akademie- und Universitätsinstitute, der Gewerkschaften und Handelskammern, der Verwaltung auf landesweiter und lokaler Ebene einfach nur noch einmal tun.

Ich möchte den Kollegen zwei Fragen stellen. Erstens, brauchen wir diese Beobachtungsstelle überhaupt? Ich sage, nein. Wenn wir sie aber brauchen, würden wir dasselbe nicht weitaus schneller, billiger und kostengünstiger erhalten, wenn wir eine der großen europäischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften damit betrauten? Ich bin mir sicher, dass es so wäre.

 
  
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  Péry, Rat. – (FR) Meine Damen und Herren Abgeordnete, gestatten Sie mir zwei Sätze. Ich habe Ihre Debatte aufmerksam verfolgt und stelle fest, dass alle diejenigen, die die Idee einer Europäischen Beobachtungsstelle befürworten, sich über ihre Aufgabe und ihre Form einig sind. Das ist ein interessanter Ansatz. Ihre Aufgabe besteht in der Unterrichtung, im Austausch, und ihre Form, ihre Struktur soll flexibel, leicht, effizient sein und sich auf eine bereits vorhandene Struktur stützen. Da ist also zu erkennen, dass zwischen den Abgeordneten, der Kommission, der Präsidentschaft Einmütigkeit herrscht, und deshalb bin ich recht optimistisch, was die Realisierung dieser Beobachtungsstelle betrifft.

 
  
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  Diamantopoulou, Kommission.(EN) Herr Präsident! Ich werde mich kurz fassen, weil ich weiß, die Zeit ist knapp. Es war eine sehr interessante Debatte. Sie hatte zwei Dimensionen, erstens eine politische und zweitens eine technische. In der politischen Debatte wurde die Frage aufgeworfen, ob wir in die neue Ökonomie eingreifen sollten oder nicht, und dazu möchte ich auf einen politischen Aspekt verweisen. Die neue Ökonomie ist kein natürliches, sondern ein politisches Phänomen. Deshalb werden Mechanismen und Institutionen benötigt, und zwar nicht, um den Wandel aufzuhalten, sondern um ihn zu gestalten und negative soziale Folgen zu abzuwenden.

Hinsichtlich der zweiten, der technischen Dimension, stimme ich der PPE-DE zu, es ist keine neue Struktur erforderlich, und ich stimme allen zu, die sagen, es wird ein schlanker und flexibler Mechanismus benötigt. Deshalb schlagen wir keine neue Institution oder Struktur vor. Wir schlagen die Zusammenarbeit mit dem Institut in Dublin vor sowie die Einbeziehung aller anderen Ressourcen (der Ressourcen der Kommission und anderer europäischer Einrichtungen wie EUROSTAT und der Europäischen Beobachtungsstelle für die Beschäftigung, der Bewertungen und der anderen Studien, die uns vorliegen). All das wird Eingang finden, und dieser Mechanismus wird den sozialen Dialog zwischen Partnern, Arbeitgebern und der Öffentlichkeit befördern und die politischen Entscheidungsträger bei der Gestaltung dieses Wandels unterstützen.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt.

 
  

(1) Siehe Protokoll.

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