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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 6. September 2000 - Straßburg Ausgabe im ABl.

8. Klonen von Menschen
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Erklärung der Kommission über das Klonen von Menschen.

 
  
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  Busquin, Kommission. – (FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die jüngsten wissenschaftlichen Fortschritte im Bereich der Biowissenschaften eröffnen bedeutende Anwendungsmöglichkeiten, werfen jedoch zugleich auch ethische Fragen auf, die eine Mehrheit unserer Mitbürger betreffen. Es wird immer wichtiger, diesen ethischen Fragen vorzugreifen, um sie in einen breiteren Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu integrieren.

In ihrer Mitteilung vom Januar 2000 hat die Kommission auf die Tatsache hingewiesen, dass sich ein wirklicher europäischer Forschungsraum nur dann entwickeln kann, wenn wir zugleich die Entstehung eines europäischen Raums der gemeinsamen ethischen Werte vorantreiben. Zu diesem Zweck will die Kommission z. B. Initiativen zur Ausweitung der Beziehungen zwischen den Ethik­Ausschüssen in Europa und zum Austausch bewährter Praktiken im Bereich der ethischen Evaluierung von Forschungsprojekten einleiten.

Das therapeutische Klonen, oder genauer gesagt die therapeutische Nutzung von durch Klonen erzeugten embryonalen Stammzellen ist ein Beispiel für ethische Fragestellungen, die durch den rasanten wissenschaftlichen Fortschritt in den Biowissenschaften aufgeworfen werden. Das therapeutische Klonen ist aus ersichtlichen kulturellen, religiösen oder ethischen Gründen ein ganz besonders heikles Problem.

Der Bericht der britischen Expertengruppe vom 16. August räumt ein, dass die Erforschung der embryonalen Stammzellen des Menschen und ihre therapeutische Anwendung von besonderem Interesse sind. Er befürwortet die Genehmigung von Forschungsvorhaben in diesem Bereich sowie vor allem die Nutzung von durch Klonen mittels Austauschen des Zellkerns erzeugten Embryonen und fordert zugleich die Schaffung eines eindeutigen rechtlichen und ethischen Rahmens. Die Veröffentlichung des Berichts hat in ganz Europa zu zahlreichen Stellungnahmen geführt, und über die betroffenen wissenschaftlichen Kreise hinaus eine echte europäische Debatte ausgelöst. Wie Kommissionspräsident Prodi vor kurzem in einer Pressemitteilung ankündigte, wird die Kommission dabei nicht abseits stehen und wünscht die Fortsetzung einer fundierten Debatte im engen Zusammenwirken mit dem Europäischen Parlament.

Aufgrund der Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten hat der EU­Vertrag das Prärogativrecht bei Legislativvorhaben, die ethische Fragestellungen implizieren, bei den Mitgliedstaaten belassen. Und in der Tat gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften oder auch Gesetzeslücken, die darauf hinweisen, dass das Problembewusstsein in den einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander abweicht. Jedoch stützen sich Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der biotechnologischen Forschung unter Berücksichtigung der nationalen Empfindlichkeiten mehr und mehr auf die strengsten ethischen Grundsätze. Dies trifft auf die Gemeinschaftsvorschriften für die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen zu, die ausdrücklich auf der Wahrung der Grundprinzipien beruhen, die die Würde und die Unversehrtheit des Menschen gewährleisten und den Grundsatz bekräftigen, wonach der menschliche Körper in allen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung, einschließlich der Keimzellen, sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile oder seiner Produkte, einschließlich der Teilsequenz eines menschlichen Gens, nicht patentierbar sind.

Gemäß diesen Rechtsvorschriften ist es untersagt, das Klonen von Menschen zu reproduktiven Zwecken oder die Vermarktung von aus dem menschlichen Körper stammenden Embryonen oder Bausteinen zu patentieren. Die Richtlinie legt zwar die Bedingungen fest, unter denen eine Erfindung auf der Grundlage von biologischem Material durch ein Patent geschützt werden kann, hat aber nicht zum Ziel, Maßgaben für die Forschung selbst zu bestimmen.

Die Europäische Kommission unterstützt die biomedizinische Ausrichtung der Forschung seit vielen Jahren. Das im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens verabschiedete fünfte Rahmenprogramm achtet die ethischen Grundprinzipien und stützt sich auf die Stellungnahme, die die europäische Beratergruppe für ethische Fragen vor Annahme des Rahmenprogramms abgegeben hat. Demnach sind Forschungen, die Klonen zu reproduktiven oder therapeutischen Zwecken zum Ziel haben, ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem ist das Klonen von Tieren nur dann zugelassen, wenn es sich ethisch rechtfertigen lässt und vorausgesetzt, der Eingriff wird so vorgenommen, dass das Tier nicht unnötig leiden muss.

Das Rahmenprogramm, das zugleich vorausschauend angelegt ist, unterstützt derzeit bioethische Studien über die potentiellen Risiken und Vorteile des Klonens. Darüber hinaus laufen derzeit ergänzende Forschungen zum therapeutischen Klonen, mittels derer vor allem durch umfangreiche Untersuchungen erwachsener Stammzellen neue Zelltherapieverfahren entwickelt werden sollen. Diese Forschungen werden unter Wahrung ethischer Grundprinzipien und geltender nationaler Vorschriften durchgeführt.

Ich möchte darauf hinweisen, dass ethische Aspekte bei der Evaluierung der Vorschläge systematisch Berücksichtigung finden und dass bei Vorschlägen, die problematischere ethische Fragen aufwerfen, eine umfassende ethische Prüfung vorgenommen wird. Die Kommission erwartet mit großem Interesse die Stellungnahme der europäischen Beratergruppe für ethische Fragen über die Nutzung menschlicher Stammzellen, die im November dieses Jahres veröffentlicht werden soll. Diese Gruppe hatte bereits Gelegenheit, ihre Unabhängigkeit und große Kompetenz bei problematischen und zugleich hochtechnischen Sachverhalten unter Beweis zu stellen. Wie auch ihre Vorläufer wird diese Stellungnahme sicherlich wichtige Anhaltspunkte für die Forschungspolitik der Gemeinschaft liefern.

Allgemeiner betrachtet muss die Hochrangige Expertengruppe für Biowissenschaften, die vor kurzem auf meine Initiative ins Leben gerufen wurde, ihren Beitrag dazu leisten, dass sich zwischen der Welt der Forschung und der Gesellschaft ein wirklicher Dialog über die Biowissenschaften entwickelt. Das von dieser Gruppe für den 6. und 7. November in Brüssel einberufene Diskussionsforum, zu dem ich natürlich alle interessierten Mitglieder Ihres Hauses herzlich einladen möchte, ist ein wichtiger Schritt zur Einleitung dieses Dialogs. Obwohl die Kommission weder die Absicht hat, im Bereich der Ethik Vorschriften zu erlassen noch zu harmonisieren, will sie sich unter Berücksichtigung der kulturellen Vielfalt und der Empfindlichkeiten in Europa doch an dieser Debatte beteiligen. Dies ist auch eine der Zielsetzungen des europäischen Forschungsraums, dessen Entwicklung nach und nach Gestalt annimmt.

 
  
  

VORSITZ: NICOLE FONTAINE
Präsidentin

 
  
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  Lannoye (Verts/ALE).(FR) Ich möchte gerne eine Frage zum Arbeitsplan stellen.

Herr Busquin hat soeben eine Erklärung zum Klonen abgegeben. Wann findet die Aussprache statt?

 
  
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  Die Präsidentin. – Um 17.00 Uhr, also direkt im Anschluss an die Aussprache über die Erweiterung.

 
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