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Ausführliche Sitzungsberichte
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Mittwoch, 6. September 2000 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Familienzusammenführung
 2. Sondervorschriften für Einreise und Aufenthalt von Unionsbürgern
 3. Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme
 4. Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände
 5. Abstimmungen
 6. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung
 7. Fusionen im Telekommunikationssektor
 8. Klonen von Menschen
 9. Äußerungen von Herrn Verheugen zur Erweiterung
 10. Klonen von Menschen (Fortsetzung)
 11. Fragestunde (Kommission)
 12. Wasserpolitik
 13. Altfahrzeuge
 14. Luftverkehr und Umwelt
 15. Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern
 16. Gefährliche Stoffe und Zubereitungen (Azofarbstoffe)
 17. Nicht angemeldete Erwerbstätigkeit


  

VORSITZ: RENZO IMBENI
Vizepräsident

(Die Sitzung wird um 9.00 Uhr eröffnet.)(1)

 
  
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  Alavanos (GUE/NGL).(EL) Herr Präsident, ich möchte folgendes meiner Meinung nach wichtige Problem ansprechen: Für meine Anreise nach Straßburg nahm ich gestern den Flug Nr. 165 Athen–Frankfurt der Olympic Airways. Nach der Landung in Frankfurt wurde das Flugzeug der Olympic von deutschen Polizeibeamten umstellt. Niemand beherrschte irgendeine andere Sprache außer Deutsch, und wir durften erst aus dem Flugzeug aussteigen, nachdem wir den deutschen Polizeibeamten unsere Pässe gezeigt hatten. Ich verweise darauf, dass sowohl Griechenland als auch Deutschland und Frankreich dem Schengen-Raum angehören.

Das Schlimme ist nun, dass dies keine Ausnahme darstellte, sondern auf dem Frankfurter Flughafen, wie mir gesagt wurde, regelmäßig mit aus Griechenland eintreffenden Flugzeugen gemacht wird. Als Mitglied des Europäischen Parlaments, in dem wir so oft über Schengen abgestimmt haben, halte ich es für eine Beleidigung und Missachtung unserer Arbeit, dass die deutschen Behörden in der Praxis systematisch gegen die bestehenden Rechtsvorschriften über den freien Personenverkehr verstoßen. Da dies auch die Reisemöglichkeiten für Mitglieder des Europäischen Parlaments betrifft, bitte ich das Präsidium des Parlaments, die entsprechenden Schritte zu unternehmen, damit wir so nach Straßburg anreisen können, wie es Bürgern der Europäischen Union und des Schengen-Raumes zusteht.

 
  
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  Der Präsident. - Herr Alavanos, auf jeden Fall wird unsere Präsidentin den deutschen Behörden und der Flughafenverwaltung in Frankfurt den Inhalt Ihrer Wortmeldung übermitteln, um zumindest eine Information bzw. eine Erklärung zu erhalten oder gar die Abschaffung der gegenwärtigen Verfahrensweise zu erwirken, deren etwaige Gründe mir völlig unverständlich sind und die, da gebe ich Ihnen völlig Recht, nicht gerade den Bestimmungen des Schengener Abkommens entspricht.

 
  
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  Hannan (PPE-DE). (EN) Herr Präsident, am Montag hat Herr Murphy, der Fraktionsführer der britischen Sozialdemokraten, in meiner Abwesenheit und ohne vorherige Ankündigung eine Anfrage über meine Beteiligung an der Anti-Euro-Kampagne in Dänemark gestellt. Er hat es zwar sorgfältig vermieden, mich zu beschuldigen, aber er hat dennoch den Eindruck erweckt, dass ich in irgendeiner Weise unter Verdacht stehe. Ich möchte zu Protokoll geben, dass meine Rolle im Hinblick auf die Volksabstimmung in Dänemark nichts mit meiner Arbeit in diesem Haus zu tun hat, und dass ich zu keinem Zeitpunkt die parlamentarischen Spielregeln verletzt habe. Die Kampagne der Euro-Gegner in Dänemark wird im Gegensatz zu der Kampagne für den Euro nicht mit Steuergeldern oder Subventionen der Europäischen Union unterstützt.

Es ist empörend, dass Herr Murphy versucht hat, den Eindruck zu erwecken, gegen mich werde in dieser Angelegenheit ermittelt, ohne dafür Beweise vorlegen oder Anschuldigungen gegen mich vorbringen zu können. Wir dürfen nicht zulassen, dass Mitglieder dieses Hauses derartigen haltlosen Unterstellungen ausgesetzt werden. Ich bitte Sie, dafür Sorge zu tragen, dass Herr Murphy entweder eine konkrete Anschuldigung gegen mich vorbringt oder sich entschuldigt.

 
  
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  Der Präsident. - Herr Hannan, selbstverständlich kann Herr Murphy frei darüber entscheiden, ob und wie er darauf antwortet.

 
  
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  Dupuis (TDI). - (IT) Herr Präsident, wir beklagen uns sehr oft über das Verhalten, welches der Rat uns gegenüber an den Tag legt. Ich möchte heute ein genau entgegengesetztes Vorkommnis hervorheben, das sich gestern während der Aussprache über die Prioritäten der Union im Rahmen der externen Politikbereiche ereignete. Nach den Ausführungen des Ratsvorsitzenden und des Kommissars fand eine Aussprache statt, in deren Anschluss der Ratspräsident und Herr Kommissar Patten aufgrund eines völlig starrsinnigen Vorgehens des Sitzungspräsidenten keine Gelegenheit bekamen, auf die im Verlauf der recht intensiven Aussprache aufgetretenen Fragen zu antworten. Ich verstehe dieses Parlament nicht, das sich über das Verhalten des Rates beschwert. Gestern war der Ratsvorsitzende von 9.00 bis 19.00 Uhr anwesend - während die EP-Mitglieder nicht besonders zahlreich erschienen waren -, und wir haben es faktisch unterbunden, dass der Rat und die Kommission eine Antwort auf die von den Kolleginnen und Kollegen aufgeworfenen, sehr wichtigen Fragen geben. Meines Erachtens ist das nicht eben vorbildlich, sondern geht sogar fast an die Grenzen der guten Erziehung.

 
  
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  Der Präsident. - Herr Dupuis, ich glaube nicht, dass es sich dabei um ein starrsinniges Vorgehen des turnusmäßigen Sitzungspräsidenten handelte, sondern vielmehr um ein qui pro quo, ein Missverständnis zwischen diesem und den Vertretern des Rates und der Kommission.

 
  
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  Blak (PSE). - (DA) Herr Präsident, ich bin ziemlich überrascht über die Äußerungen unseres englischen Kollegen, Herrn Hannan, denn in den dänischen Medien hat er sich als Mitglied des Europäischen Parlaments präsentiert. Wäre er als Privatperson aufgetreten, hätte er dies in der dänischen Kampagne auch zu erkennen geben müssen. Ich bin ohnehin der Meinung, dass Herr Hannan zu Hause in England bleiben und sich um seine eigenen Dinge kümmern sollte, dann werden wir unsere eigenen Probleme in Dänemark schon selbst lösen. Wir brauchen solche Menschen nicht, die sich in Dänemark wie ein Idiot aufführen.

 
  
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  Murphy (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte das Haus nicht zu lange aufhalten, aber mir scheinen die Proteste von Herrn Hannan doch etwas überzogen zu sein! Ich habe am Montag eine einfache Anfrage an den Präsidenten gestellt. Der Präsident hat meine Anfrage zugelassen und die Angelegenheit an die Quästoren verwiesen. Da Herr Hannan heute morgen im Plenum anwesend ist, sollte er uns zusichern, dass er seine Erklärung über seine finanziellen Interessen ergänzen und genau angeben wird, woher das Geld für diese Unterstützung kommt. Die dänische Bevölkerung hat ein Recht darauf, noch vor der Volksabstimmung am 28. September zu erfahren, woher das Geld zur Unterstützung der Anti-Euro-Kampagne stammt.

 
  
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  Der Präsident. - Nun gut, wir können diesen Disput nicht fortführen und dieses Plenum auch nicht zu einem Anhängsel der Diskussion vor der Volksabstimmung in Dänemark machen. Wir haben den Kern des Problems sehr wohl verstanden. Jeder wird sich so verhalten, wie es nach seinem Dafürhalten am besten ist.

 
  

(1) Übertragung der Entscheidungsbefugnis an einen Ausschuss (Artikel 62 GO): siehe Protokoll.

1. Familienzusammenführung
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  Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0201/2000) von Herrn Watson im Namen des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (KOM(1999) 638 - C5-0077/2000 - 1999/0258(CNS)).

 
  
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  Watson (ELDR), Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident, ich möchte an dieser Stelle Frau Klamt meinen Dank aussprechen, die ursprünglich von dem Ausschuss, in dem ich den Vorsitz führe, zur Berichterstatterin bestimmt und mit der Untersuchung dieses Themas beauftragt worden war. Frau Klamt hat sich sehr sorgfältig mit dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung befasst. Ihr gebührt der Dank für die bereits geleistete Arbeit. Ich möchte ihr zu ihrer Arbeit gratulieren.

Ich als Vorsitzender des Ausschusses habe nun die Aufgabe übernommen, dem Haus heute diesen detaillierten und umfangreichen Bericht zu präsentieren, da Frau Klamt zu der Überzeugung gelangt ist, dass sie den Text nach den Abstimmungen im Ausschuss nicht mehr unterstützen kann.

Ich möchte der Europäischen Kommission die Zustimmung zu diesem außerordentlich fundierten und gut formulierten Bericht empfehlen, der trotz der fehlenden Unterstützungsmöglichkeiten in den betroffenen Dienststellen und trotz der hohen Anforderungen, wie sie auf der Tagung des Europäischen Rates in Tampere im vergangenen Jahr festgelegt worden waren, in Rekordzeit fertiggestellt wurde. Die Kommission hat einen ausgezeichneten Vorschlag für eine Richtlinie vorgelegt, die es Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in einem EU-Mitgliedstaat aufhalten, ermöglichen wird, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, denn nur so kann ein echter Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts entstehen.

Ich denke, von seiten der Kommission wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass das Ziel, die Einwanderung ganz zu stoppen, das im Mittelpunkt früherer Diskussionen der Gemeinschaft stand, völlig unrealistisch ist. Die Kommission hat stattdessen versucht, realistische Vorschläge zum Schutz der Rechte von Drittstaatsangehörigen vorzulegen, die im Einklang mit den vielen von den Mitgliedstaaten unterzeichneten internationalen Vereinbarungen stehen, wie zum Beispiel mit der Allgemeinen Menschenrechtserklärung und den internationalen Übereinkommen von 1996 über die zivilen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte.

Die Bedeutung der rechtmäßigen Einwanderung ist klar erkannt worden. Die Bedeutung der Familie als Einheit ist ebenfalls unumstritten, und die Bedeutung, die der erfolgreichen Integration von Drittstaatsangehörigen, die rechtmäßig in einem EU-Mitgliedstaat leben, zukommt, ist ja gerade die Grundlage dieser Vorschläge.

Wir haben uns in meinem Ausschuss mit einer Reihe von umstrittenen Bereichen befasst, unter anderem auch mit der Frage, ob Verwandte in aufsteigender Linie ebenfalls berücksichtigt werden sollen. Im Vorschlag der Kommission wird der Unterschied bei der rechtlichen Behandlung von Verwandten in absteigender und aufsteigender Linie berücksichtigt. Im Zusammenhang mit dem internationalen Rechtsrahmen muss natürlich auch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes erwähnt werden. Nach diesem Übereinkommen muss durch die Staaten sichergestellt werden, dass Kinder nicht von ihren Eltern getrennt werden. Es gibt kein ähnliches Übereinkommen, das die Behandlung Verwandter in aufsteigender Linie regelt, aber wenn wir unsere humanitären Ideale verwirklichen wollen, müssen wir es Drittstaatsangehörigen ermöglichen, abhängige Verwandte in aufsteigender Linie in ihre Familien zu holen. Dieser Punkt wurde im Ausschuss ausführlich diskutiert. Ich freue mich, dass eine Reihe von Änderungsanträgen zum endgültigen Bericht vorgelegt worden sind. Besonders begrüßenswert sind die Änderungsanträge 18 bis 23, durch die ein Kompromiss in dieser Frage erreicht werden soll.

Ich möchte kurz auf einige der im Bericht des Ausschusses enthaltenen Änderungsanträge eingehen. In Änderungsantrag 3 geht es um den Datenbedarf. Um eine detaillierte Evaluierung der Situation in den verschiedenen Staaten vornehmen zu können, müssen der Kommission in Zukunft mehr Informationen von den Mitgliedstaaten übermittelt werden. In Änderungsantrag 5 geht es um Verwandte in aufsteigender Linie. Dieser Änderungsantrag ist nun eigentlich durch die Kompromissänderungsanträge 18 bis 23 hinfällig geworden. Änderungsantrag 6 hat die große Arbeitsbelastung zum Thema, welche die Verwaltungen in den Mitgliedstaaten durch die zahlreichen Anträge auf Familienzusammenführung zu bewältigen haben.

Durch den Änderungsantrag 9 soll es jedem Mitgliedstaat freigestellt werden, von den in den Richtlinien enthaltenen Bestimmungen abzuweichen und günstigere Vorschriften zu erlassen, doch generell darf das gegenwärtige Schutzniveau nicht abgesenkt werden. In Änderungsantrag 11 werden die Gründe behandelt, die ausschlaggebend sein können, wenn ein Mitgliedstaat Familienangehörigen die Einreise und den Aufenthalt verweigert. Dies kann aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der inneren Sicherheit und der öffentlichen Gesundheit geschehen. Mit unserem Änderungsantrag wollen wir erreichen, dass jeder Mitgliedstaat, der die Einreise aus diesen Gründen verweigert, eine klare Begründung vorlegt.

Ich möchte nicht auf alle 66 Änderungsanträge zu meinem Bericht eingehen, doch sei darauf verwiesen, dass dies ein sehr schwieriges Thema ist. Das Parlament hatte relativ wenig Zeit, sich damit zu befassen, und dies hat zwangsläufig dazu geführt, dass im Ausschuss nicht alle Kompromisse erreicht werden konnten, die für ein gutes Ergebnis erforderlich waren. Ich bitte daher die Mitglieder, die Änderungsanträge sorgfältig zu prüfen, die im Plenum eingereicht wurden, damit wir die Kompromisse erzielen können, die uns ein wirksames und humanes Vorgehen in der Frage der Familienzusammenführung ermöglichen.

 
  
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  Berger (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Recht und Binnenmarkt. - Herr Präsident! Als Verfasserin der Stellungnahme des Rechtsausschusses war meine Aufgabe im Vergleich zu jener der Kolleginnen und Kollegen im federführenden Ausschuss eine relativ leichte, und ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen im federführenden Ausschuss zum Ergebnis gratulieren, auch wenn wir für das Plenum jetzt doch noch einige Kompromissänderungsanträge diskutieren müssen.

Die Aufgabe des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt war insofern eine leichte, weil aus rechtlicher Sicht der vorgelegte Richtlinienentwurf kaum Probleme aufwirft und auch der politische Gestaltungsspielraum nicht sehr groß ist. Ich möchte ausdrücklich auch die logistische Qualität des Richtlinienentwurfs loben, was man ja nicht von allen Richtlinienentwürfen der Kommission sagen kann. Mit dem neuen Artikel 63 des EU-Vertrags ist es nun Aufgabe der Gemeinschaft, die Frage der Familienzusammenführung zu regeln, und die Gemeinschaft muss diese Maßnahmen in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Vorgaben ergreifen, insbesondere in Übereinstimmung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und den anderen Völkerrechtsinstrumenten, die von unserem Ausschussvorsitzenden schon erwähnt wurden.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens ist ein universelles Menschenrecht. Es ist nicht teilbar und kann nicht Unionsbürgern allein vorbehalten werden. Das wäre insbesondere in Zeiten, wo wir parallel eine europäische Grundrechtecharta erarbeiten, ein zweifelhafter Ansatz.

Wenn nun der Bereich der Familienzusammenführung gemeinschaftlich geregelt werden soll, dann sind auch unverständliche und teilweise absurde Lücken in der bestehenden Rechtslage zu schließen. Das gilt insbesondere für das Recht der Unionsbürger selbst, mit ihren Familienangehörigen aus einem Drittstaat in ihrem Heimatstaat zusammenzuleben und mit diesen nicht erst dann eine Familie gründen zu können, wenn sie von der Freizügigkeit Gebrauch machen und sich in einem anderen Staat der Europäischen Union niederlassen.

Aus rechtlicher Sicht kann daher diese Richtlinie nur begrüßt werden, und es ist zu hoffen, dass der ursprüngliche Entwurf der Kommission im Parlament und vor allem auch im Rat nicht in seiner Substanz geändert wird.

 
  
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  Klamt (PPE-DE). - Herr Präsident! Grundsätzlich sind sich alle einig darüber, dass offene Binnengrenzen zu einer europaweit harmonisierten Einwanderungs- und Asylpolitik zwingen. Die Kommission hat den ersten Entwurf einer Gesetzesinitiative in diesem Bereich vorgelegt, der das Recht auf Familienzusammenführung betrifft. Leider hat sie versäumt, diesen Richtlinienentwurf in ein Gesamtkonzept einzubetten. Was nützt es zu wissen, welche Angehörigen das Einreise- und Bleiberecht in der EU haben, wenn nicht bekannt ist, welche Zuwanderungsgruppen und welche Zuwanderungsgründe wie geregelt werden sollen?

Zusätzlich sollen wir hier über eine Gesetzesinitiative abstimmen, zu der die absoluten Grundlagen fehlen. Wir verfügen weder über eine gemeinsame Bewertung der demographischen Entwicklung, noch wissen wir, welche Folgen diese Gesetzesinitiative für die einzelnen Mitgliedstaaten haben wird. Fehlende Gesamtstrategie und fehlende statistische Grundlagen sind leider nicht die einzigen Kritikpunkte. Die Kommission vermischt Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen mit Asyl. Ich bin der Ansicht, dass der Familiennachzug für Asylanten und Flüchtlinge einer anderen Regelung als der Familiennachzug für Einwanderer bedarf. Für jemanden, der aus seinem Heimatland vertrieben wird, müssen andere Regelungen gelten als für jemanden, der aus wirtschaftlichen Gründen auswandert.

Es bedarf einer klaren Unterscheidung zwischen Asylanten und Flüchtlingen auf der einen Seite und Einwanderung, also economic migration, auf der anderen Seite. Das ermöglicht Regelungen, die den Menschen und ihrer Situation gerecht werden. Ein Großteil meiner Änderungsträge zielt auf diese Trennung ab.

Ein anderes Problem im vorliegenden Richtlinienentwurf ist die Ausweitung des Familienbegriffs. Ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug sollen auch Großeltern, volljährige Kinder und unverheiratete Paare haben. Hier zeigt sich das Dilemma: Eine Gesamtkonzeption für den Bereich Einwanderung fehlt. Damit ist der Familiennachzug derzeit die einzige legale Möglichkeit zur Einwanderung. Die vorgesehenen weitgefassten Regelungen zum Familiennachzug eröffnen unkontrollierbaren Missbrauch.

Stellen Sie sich nur die Frage: Wer entscheidet nach welchen Kriterien, ob eine Partnerschaft zum Zwecke der Einwanderung vorgetäuscht ist? Deshalb fordere ich in etlichen meiner Änderungsanträge den Vorrang der Kernfamilie. Ein weiterer Kardinalfehler besteht darin, dass der Kommissionsvorschlag keinerlei Maßnahmen zur Integration vorsieht. Man kann nicht Menschen in ein fremdes Land holen, ohne die Voraussetzungen für ein friedliches und freundschaftliches Zusammenleben von Ausländern und Inländern zu schaffen.

Abschließend ist festzuhalten, dass wir uns mit einer Richtlinie in der vorliegenden Form den Weg zu einer sachlichen und effizienten Diskussion über den gesamten Bereich Einwanderung verbauen. Haben die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl, dass sie von einer Einwanderungswelle überrollt werden, reagieren sie mit Ablehnung.

Schaffen wir transparente, nachvollziehbare Regelungen, wird die Akzeptanz steigen, Fremde zu integrieren. Mit maßvollen und durchdachten Lösungen können wir sowohl Problemen wie Ausländerfeindlichkeit als auch Problemen der Überalterung in der Europäischen Union Herr werden. Dieser Richtlinienentwurf ist aber ein denkbar schlechter Ansatz dafür! Ich danke Ihnen!

(Beifall)

 
  
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  Terrón i Cusí (PSE).(ES) Herr Präsident! Ich bedauere die Worte von Frau Klamt. Ich möchte zunächst die Kommission und Kommissar Vitorino zu diesem Vorschlag beglückwünschen, den ich für vollständig, durchdacht und fast ein Jahr nach dem Gipfel von Tampere zeitgemäß halte. Es geht darum, heute in diesem Parlament zu klären, ob wir wollen, dass die Einwanderer und Flüchtlinge, die legal unter uns leben, dies mit ihren Angehörigen tun können, ob ihnen die Tür offen steht für ein normales Leben und eine volle Integration in unsere Gesellschaft oder ob wir weiterhin den Mythos nähren, dass wir unter uns zeitweilige Mitbürger haben, deren Schicksal es letztendlich ist, dorthin zurückzukehren, woher sie gekommen sind.

Ich halte dieses Thema für wichtig genug, sich um einen Konsens zu bemühen. Alle Fraktionen, mit Ausnahme der PPE, waren sich im Ausschuss einig. Ich möchte, dass wir heute die Botschaft an unsere Mitbürger richten können, dass sie mit dem anerkannten Recht auf ein Familienleben unter uns weilen können. Meine Fraktion hat diese Absicht, auch wenn ich im Namen meiner Fraktion die Kommission darum bitte, über einen Aspekt der derzeitigen Richtlinie noch einmal nachzudenken. Wir haben diese heute diskutierten Normen auch auf die Personen unter subsidiärem Schutz angewandt. Leider gibt es in der Europäischen Union keine homogenen Kriterien, es gibt keine harmonisierte Asylpolitik. Deshalb ist die Situation in vielen Ländern sehr unterschiedlich, und in diesem kleinen Punkt wäre ich mit Frau Klamt sogar einverstanden.

Es geht nicht darum, dass diese Personen abgewiesen werden – sie haben das Recht auf ein Leben in der Familie –, sondern dass die Kommission noch einmal darüber nachdenkt und die Personen unter zeitweiligem und subsidiärem Schutz zum Gegenstand einer künftigen Richtlinie macht, bis die Asylpolitiken in der Union harmonisiert worden sind. Im Übrigen beglückwünsche ich die Kommission und hoffe, dass sie in diesem Plenum eine gute, breite Unterstützung findet.

 
  
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  Ludford (ELDR).(EN) Herr Präsident, die ELDR unterstützt diesen Bericht als einen der wesentlichen Bausteine für die Schaffung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und als wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Beschlüsse des Gipfeltreffens von Tampere, nach denen unter anderem der Freizügigkeit von rechtmäßig ansässigen Drittstaatsangehörigen Priorität eingeräumt werden soll. Die bestehende Situation ist ungerecht und muss geändert werden.

Ich bin ebenso wie Frau Terrón i Cusí über die Haltung der PPE überrascht, die der Familie ansonsten so große Bedeutung beimisst, die heute jedoch die Familienwerte unterminiert, weil sie die Familienzusammenführung ablehnt, welche die soziale Integration der rechtmäßig ansässigen Einwanderer fördern wird. Das erscheint uns widersinnig.

Ich möchte nun auf einige konkrete Punkte des Berichts eingehen, vor allem auf die Einbeziehung von Personen, die subsidiären Schutz genießen. Wir wollen zunächst abwarten, was Herr Vitorino dazu zu sagen hat, aber es sind bereits Gerüchte im Umlauf, wonach die Kommission die Änderungsanträge über den Ausschluss dieser Personen billigen wird. Die ELDR würde dies bedauern, weil wir der Auffassung sind, dass Personen, die subsidiären Schutz genießen, ebenso einbezogen werden sollten wie Flüchtlinge. Sie können nicht mit den Personen gleichgesetzt werden, die zeitweiligen Schutz genießen, da sie sich langfristig in einem Land aufhalten. Wir werden die Debatte verfolgen, denn wir wollen in jedem Fall erreichen, dass die wesentlichen Inhalte dieses Vorschlags gebilligt werden.

Was die Frage der Verwandten in aufsteigender Linie betrifft, halten wir Änderungsantrag 20 für überflüssig, da in Artikel 9 des Vorschlags ein generelles Recht vorgesehen ist, bei der Einreise grundsätzlich eine nichtdiskriminierende Bedürftigkeitsprüfung vorzunehmen. Wir werden diesen Änderungsantrag jedoch nochmals prüfen, wenn dies zur Rettung des Berichts beitragen sollte.

Es ist wichtig, ganz klare Regelungen für unverheiratete Partner festzulegen. Durch den Vorschlag sind die Mitgliedstaaten nicht gezwungen, nichteheliche Lebensgemeinschaften rechtlich anzuerkennen, aber wenn diese Anerkennung erfolgt, müssen unverheiratete Partner wie Ehepartner behandelt werden. Zu diesem Thema sind viele Fehlinformationen in Umlauf, die nicht zuletzt von den Konservativen im Vereinigten Königreich ausgingen. Dies blieb nicht ohne Wirkung, und so wurden in den Schlagzeilen der Boulevardblätter die empörenden Pläne der EU angeprangert, die das Vereinigte Königreich zukünftig zwingen würden, den Partnern homosexueller Flüchtlinge die Einreise zu erlauben. Damit werden homophobe Vorurteile geschürt, was ich bedauere.

 
  
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  Ceyhun (Verts/ALE). - Herr Präsident! Wir werden heute über einen Bericht abstimmen, der in einigen EU-Staaten zu politischer Aufregung geführt hat. Dabei haben die Kommission und Kommissar Vitorino sehr gute Arbeit geleistet, wofür ich mich im Namen meiner Fraktion an dieser Stelle bedanken möchte.

Der Europäische Rat bekräftigte auf seiner Sondertagung in Tampere, dass die Europäische Union eine gerechte Behandlung von Drittstaatenangehörigen sicherstellen muss. Die Kommission setzt diesen Beschluss um. Diese Richtlinie ist in sich schlüssig und sollte so schnell wie möglich umgesetzt werden. Leider gab und gibt es noch Vorbehalte gegen die Aufnahme von Flüchtlingen mit temporärem Schutz in diese Richtlinie sowie gegen die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen als Grundlage für die Familienzusammenführung.

Diese Auseinandersetzung zeigt noch einmal, dass die Integrations- und Migrationspolitik leider noch immer ein Reizthema in der Europäischen Union ist. Dabei geht es doch um viel. Immerhin soll es ermöglicht werden, getrennt lebende Familienangehörige der Drittstaatsangehörigen zusammenzubringen. Grundsätzlich ist das also ein Anliegen, das von jedem unterstützt werden sollte, gerade wenn es um Kinder geht, und gerade diese Kinder - egal, ob sie Flüchtlingskinder oder Migrantenkinder sind - sollten auch eine Perspektive in der Europäischen Union haben.

In der politischen Diskussion wird hingegen Stimmung gegen diese Richtlinie gemacht. Es bleibt zu hoffen, dass die Mehrheit unseres Hohen Hauses die Richtlinie in der von der Kommission vorgelegten Form tragen wird. Ich weiß, dass meine sozialistischen Kollegen auf eine Erklärung von Herrn Vitorino warten, in der Hoffnung, dass man unter dem Druck mancher Innenminister der EU-Staaten die Flüchtlinge bei dieser Richtlinie opfern wird. Ich bedaure diese Entscheidung und dass in diesem Hohen Haus Innenminister anscheinend mehr zu sagen haben als die Abgeordneten, die nach ihrem Gewissen handeln sollten!

Aus diesem Grund appelliere ich noch einmal, dass wir diese Richtlinie der Kommission unterstützen und endlich ein Signal setzen für eine zeitgemäße, moderne, humane Integrationspolitik. Ich hoffe, dass die Sozialisten diesen deal mit den Konservativen nicht machen werden!

 
  
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  Sylla (GUE/NGL).(FR) Herr Präsident, in diesem konkreten Fall begrüße ich persönlich die ernsthafte und ausgewogene Arbeit der Kommission, denn bei der Behandlung von Fragen im Zusammenhang mit der Einwanderung hindern uns Leidenschaften, Überspitzungen und politische Hintergedanken allzu oft daran, objektiv nachzudenken und Fortschritte zu erzielen.

Aufgrund der eingehenden Erörterung des Rechts auf Familienzusammenführung und aufgrund der Festlegung präziser Bestimmungen für ihre Umsetzung ermöglicht der Text eine wirkliche Debatte. Dieser Text ist nicht von vornherein von Argwohn geprägt, wie er häufig denjenigen entgegengebracht wird, die mit ihrem Partner und ihren Kindern zusammenleben wollen, sondern er erkennt im Gegenteil die Legitimität eines derartigen Rechts an, auch wenn dieses Recht heutzutage in der Tat auch und insbesondere für Homosexuelle gelten müsste. Gleichzeitig darf keine Personengruppe vernachlässigt werden, wie dies soeben von meinem Kollegen vor allem mit Blick auf die Asylbewerber erläutert wurde.

Der Text nimmt außerdem zur Kenntnis, dass es in unserer Gesellschaft gegenwärtig mehrere Familientypen und vor allem bestimmte Formen des nichtehelichen Zusammenlebens gibt, so dass also jegliche Diskriminierung von Migranten, die eine dieser Lebensformen wählen, unbegründet wäre. Somit trägt der Text dazu bei, dem Wort „Integration“ einen echten Sinn zu geben. Dieser Richtlinienvorschlag hätte mittels der Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten den Vorteil, dass er den Einwanderern Schutz und rechtliche Sicherheit bieten und sie insbesondere von nationalen parteipolitischen Kursschwankungen unabhängig machen würde.

Ich wünsche mir also, dass sich die nächsten Arbeiten der Kommission und des Parlaments an diesem Vorbild orientieren. Vielleicht kann man dann ausführlicher über die Rechtsgleichheit und den häufig positiven Einfluss der Einwanderung sprechen, indem man die Fragen behandelt, die für die Integration und die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, Gewalt und Diskriminierungen, denen die Einwanderer möglicherweise ausgesetzt sind, von wesentlicher Bedeutung sind.

Die Einwanderung an sich stellt kein Problem dar. Man sollte sich jedoch dazu entschließen, über die wirklichen Probleme zu sprechen, wie etwa das Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd, das Frauen und Männer häufig zur Flucht aus der Armut treibt. Außerdem müsste anerkannt werden, dass die Wanderungsströme in Richtung der Unionsländer seit zwei Jahrzehnten nahezu konstant geblieben sind. Wenn also die Staaten restriktive Gesetze erlassen haben, so hat dies nicht zu einer Verringerung der Gesamtzahl der Einwanderer geführt, sondern dadurch ist lediglich die Zahl der legalen Einwanderer zurückgegangen und gleichzeitig hat man mehr illegale Einwanderer „produziert“.

Wenn sich dieser Richtlinienentwurf auf die genannten Werte stützt, so wird er nicht nur positive Auswirkungen auf die Einwanderer und ihre Familien haben, sondern er wird auch über wirklichen Symbolwert im Hinblick auf die Aufnahme und Integration verfügen. Ich wünsche mir wirklich, dass wir im Rahmen der bevorstehenden Arbeiten dieselbe Vorgehensweise umsetzen können.

 
  
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  Gollnisch (TDI).(FR) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, der uns vorgeschlagene Text ist, wie übrigens die gesamte Einwanderungspolitik der europäischen Institutionen, Ausdruck einer Besorgnis erregenden Fehlentwicklung.

Man konnte zwar darüber beunruhigt sein, dass eine bestimmte Form des Kapitalismus in gewisser Weise Arbeitnehmer importiert und sie damit von ihren Herkunftsfamilien getrennt hat, was vielfache Gefahren der Entwurzelung in sich barg, aber inzwischen haben wir uns schon weit von dieser ursprünglichen Situation entfernt.

Wo wir es bisher – bestenfalls – lediglich mit zeitlich befristeten Arbeitsverträgen zu tun hatten, ist nun zunehmend von einer endgültigen Ansiedlung die Rede. Was für eine Person galt, gilt nun möglicherweise bald für alle weiteren Personen ihres Umfelds. Zunächst die Kernfamilie, aber dann auch die Großfamilie, und wir alle wissen sehr gut, dass diese Großfamilie angesichts der sozialen Strukturen in den Herkunftsländern zahlreich ist, in denen übrigens das Personenstandswesen zuweilen nur in Ansätzen existiert. Und nach der Großfamilie mit Brüdern, Cousins, Neffen, Eltern und Großeltern folgt dann die polygame Familie. Nach der polygamen Familie – denn warum sollen wir lediglich die Familienbande bevorzugen – folgt die uneheliche Partnerschaft, und schon bald sind wir bei der bloßen homosexuellen Partnerschaft angelangt, von der mein Vorredner, Herr Sylla, gesprochen hat. Aus dieser Aufzählung können Sie die erheblichen Gefahren dieser fehlgeleiteten Politik ablesen.

Letztlich stehen wir dann vor der Situation, die wir momentan vor Augen haben. Dies ist eine wahrhaft selbstmörderische Einwanderung im Sinne einer Besiedelung, die von den Mitgliedstaaten und auch von den europäischen Institutionen organisiert wurde. Dies ist der offensichtliche Selbstmord Europas. Die einzige Lösung, die diesen Namen verdient, besteht in einer Politik der Familienzusammenführung, wobei diese allerdings im Herkunftsland stattfinden muss, unterstützt von der Kooperationspolitik, für die diese Mittel verwendet werden sollten.

(Beifall)

 
  
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  Hager (NI). - Herr Präsident! Nach wie vor bestützt über die anhaltende Vorverurteilung Österreichs durch die 14 anderen Mitgliedstaaten möchte ich zum vorliegenden Bericht sagen, dass ich die Art der Behandlung im federführenden Ausschuss bedaure, die Art nämlich, die dazu geführt hat, dass die Frau Berichterstatterin - ein eher ungewöhnliches Ereignis - sich letzten Endes nicht mit dem Ergebnis identifizieren konnte und ihren Namen zurückgezogen hat. Man hat sinnvolle und wohlbegründete Änderungsanträge der Frau Berichterstatterin, die sie heute auch wieder dargelegt und begründet hat und auf die ich mich daher beziehen kann, aber auch anderer Ausschussmitglieder, wie ich meine, aus politisch- ideologischen Gründen, einfach hinweggefegt und nicht sachgerecht behandelt.

Bei der Beurteilung dieser Nichtsachgerechtheit beziehe ich mich unter anderem für Österreich auf den Beschluss der Landeshauptleutekonferenz vom 17. Mai 2000, durch den alle neuen österreichischen Landeshauptleute einhellig, und zwar über alle Grenzen der Parteien hinweg, den Richtlinienvorschlag in dieser Form abgelehnt haben. Ich bedaure die Vorgehensweise im Ausschuss deswegen, weil ich glaube, dass gerade in einem solchen sensiblen Bereich eine Brechstangenmethode der Sache mehr schadet als nützt.

 
  
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  Pirker (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr Kommissar! Das uns vorliegende Dokument ist ebenso wie der Bericht ein Etikettenschwindel. Es steht außen etwas anderes drauf, als in diesen Dokumenten dann tatsächlich enthalten ist. Wir würden mit Begeisterung einer Familienzusammenführung zustimmen, denn sie ist zutiefst human, und sie ist auch Kern eines integrativen Elementes, aber hier geht es um etwas ganz anderes. Hier geht es um die Eröffnung einer gesellschaftspolitischen Diskussion, wie weit der Kreis der Nachzugsberechtigten über den Bereich der Familie hinausgehend ausgeweitet werden kann.

Sie bringen hier den Vorschlag der unverheirateten Partner, deren Eltern und Kinder, die nachkommen sollen, und es genügen Ihnen nach dem Vorschlag bereits Zeugenaussagen im Herkunftsland, um eine Partnerschaft - wie immer sie aussehen mag - zu belegen. Das bedeutet dann für die nachkommenden Kinder oder Eltern Rechte wie für Unionsbürger im Bildungs-, im Arbeits-, im sozialen Bereich. Die Schlepper, die Dokumentenfälscher werden Ihnen das danken, die sie diesen Vorschlag unterstützen, und die Bevölkerung - da können Sie auch sicher sein - wird mit Empörung reagieren!

Sie bringen ferner den Vorschlag betreffend die Mehrehe ein, d. h. die Erstfrau wird mit Kindern und Verwandten in aufsteigender Ebene akzeptiert, aber Sie sagen auch in diesem Dokument, dass es selbstverständlich möglich ist, die weitere Frau und deren Anhang mitzubringen, wenn das Kindeswohl es verlangt. Die Frage, die sich daraus ergibt, ist: Wie weit soll einer unkontrollierbaren Zuwanderung Tür und Tor weiter geöffnet werden?

Für uns ist das kein akzeptabler Vorschlag, der hier diskutiert wird. Es fehlt das Gesamtkonzept, es fehlen Zahlengrundlagen, es fehlt eine Differenzierung, und Sie gehen auch über den Amsterdamer Vertrag hinaus, der nämlich verlangt, dass die Integrationsfähigkeit der Staaten zu berücksichtigen ist. Unsere Zustimmung zu diesem vorliegenden Dokument wird es nur geben, wenn unseren Änderungsanträgen und unserer politischen Linie gefolgt wird!

(Beifall von rechts)

 
  
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  Hazan (PSE).(FR) Herr Präsident, nach den jüngsten Ereignissen in Dover, bei denen 29 illegale chinesische Einwanderer erstickt sind, erweisen sich das Drama der illegalen Einwanderung und die Möglichkeiten ihrer Eindämmung als ein schwerwiegendes Problem, mit dem sich die Europäische Union gegenwärtig vordringlich befassen muss.

Diese Problematik erfordert von uns vor allem, uns mit einem besonders heiklen Thema zu beschäftigen, nämlich der Ausarbeitung und Harmonisierung einer europäischen Einwanderungspolitik, die eine der wichtigsten Fragen des 21. Jahrhunderts darstellen wird. In diesem Zusammenhang kommt der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zur Einführung des Rechts auf Familienzusammenführung genau zum richtigen Zeitpunkt, und an dieser Stelle möchte ich insbesondere der Kommission, die diesen Text unter der Leitung von Kommissar Vitorino ausgearbeitet hat, danken und sie zu ihrer Arbeit beglückwünschen.

Das Recht auf Familienzusammenführung ist ein wesentliches Element bei der Herstellung eines normalen Familienlebens, was übrigens schon seit langem in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention enthalten ist, wonach jeder das Recht auf die Wahrung seines Familienlebens hat. Angesichts der unterschiedlichen Rechtsvorschriften in den einzelnen Staaten handelt es sich hierbei aber auch um ein besonders heikles Thema, denn es kann mit dem jeweiligen Souveränitätsbegriff in Konflikt geraten, aber gerade hier ergibt sich eine wichtige Aufgabe für das Europäische Parlament, nämlich diese Unterschiede zu überwinden.

Der Richtlinienentwurf, zu dem wir uns heute äußern sollen, stellt meines Erachtens einen sehr wichtigen Text dar, der die entschiedene und endgültige Unterstützung seitens des Europäischen Parlaments erhalten muss, da dieser Text wirkliche Perspektiven für eine legale Einwanderung aufzeigt, wobei ich daran erinnern möchte, dass es sich dabei mehrheitlich um die Einwanderung von Familienangehörigen handelt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass diese Richtlinie das erste derartige Vorhaben im Geiste des Vertrags von Amsterdam und des Europäischen Rates von Tampere darstellt, woraus sich ihre Bedeutung ergibt.

Außerdem möchte ich daran erinnern, dass die moderne Welt viele Vorteile aufweist, aber auch große Gefahren der Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen, wie etwa der Ausländer, in sich birgt, und dass wir als europäische Demokraten in dieser Hinsicht zu besonderer Aufmerksamkeit verpflichtet sind.

Die von der Kommission vorgeschlagene Richtlinie ermöglicht uns große Fortschritte unter durchaus zufrieden stellenden Bedingungen, aber mit den erforderlichen Garantien – und zwar mit allen erforderlichen Garantien. Es war nie die Rede von der Genehmigung polygamer Familienzusammenführungen, wie ich dies vorhin beispielsweise gehört habe. Dies entspricht in keiner Weise den Tatsachen. Erinnern wir uns daran, dass es sich um den ersten Text im Rahmen des Prozesses der Vergemeinschaftung des Pfeilers „Justiz und innere Angelegenheiten“ in Übereinstimmung mit dem Vertrag von Amsterdam und dem Rat von Tampere vom November 1999 handelt. Erinnern wir uns auch daran, dass es darum geht – nicht mehr und nicht weniger –, ein Recht auf Familienzusammenführung einzuführen und diese Auffassung von der Familienzusammenführung als Privileg aus der Welt zu schaffen.

Unsere vorrangige Aufgabe ist ganz klar die Schaffung eines Europa der Bürger, das uns sehr am Herzen liegt, damit wir den Aufbau Europas voranbringen können. Nun ist es an uns, verehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Gelegenheit mit Blick auf dieses Ziel zu ergreifen.

(Beifall)

 
  
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  Krivine (GUE/NGL).(FR) Herr Präsident, meines Erachtens stellt dieser Richtlinienentwurf in der Tat einen Fortschritt dar. Das Verfahren der Familienzusammenführung ist allerdings weiterhin restriktiven Bedingungen unterworfen. Ich glaube, es müsste betont werden, dass eher die Arbeitslosigkeit und die Unsicherheit verboten werden sollten und nicht das Recht eines Einwanderers auf das Zusammenleben mit seinen Angehörigen, wenn er keine ausreichenden Mittel oder keine angemessene Wohnung vorweisen kann.

Während sich die Gesellschaft für die Einheimischen langsam, aber sicher entwickelt – siehe die Verabschiedung des PACS in Frankreich –, bleibt der Familienbegriff für die Einwanderer starr und unbeweglich. Nach den geltenden Rechtsvorschriften erlischt das Aufenthaltsrecht im Falle einer Beendigung des Zusammenlebens, so dass eine Scheidung letztlich untersagt ist, und wie vorhin schon gesagt wurde, werden homosexuelle Paare immer noch nicht anerkannt. Unter dem Vorwand der Bekämpfung der Polygamie werden die Zweitfrauen oder unverheirateten Partnerinnen und deren Kinder zur Illegalität und zu einer verstärkten Abhängigkeit verurteilt.

Die Familienzusammenführung muss also von den immer noch bestehenden Archaismen, die sich aus einer überzogenen Kontrolle der Einwanderung ergeben, befreit werden. Abschließend würde ich aber sagen, dass der Bericht von Herrn Watson nach der Ausschusstätigkeit über den ursprünglichen Bericht von Frau Klamt erfreulicherweise einen echten Fortschritt darstellt. Ich muss sagen, dass ich angesichts der rassistischen, reaktionären und unannehmbaren Äußerungen von Herrn Gollnisch für diesen Bericht stimmen möchte, denn dies ist eine Frage der Würde.

 
  
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  Nassauer (PPE-DE). - Herr Präsident, meine Damen und Herren! Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht und auch entgegen der Debatte hier heute morgen geht es bei dieser Richtlinie nicht um die allgemein verbindliche Definition des Begriffs der Familie für die gesamte Europäische Union. Es geht vielmehr darum, genau festzulegen, wer auf der Grundlage von verwandtschaftlichen Beziehungen im Falle der Zuwanderung nachzugsberechtigt sein soll.

Dass Familien das Recht haben, zusammenzuleben, ist völlig unbestritten. Aber es kommt eben darauf an, wo die Grenze der Familie gezogen wird. Ich z. B. habe eine Frau und zwei Kinder und die haben auch Kinder, und ich habe Geschwister und Onkel und Tanten. Wenn man alle zusammenzählt, mit denen ich eng zusammenlebe, sind das 25. Wenn ich, geehrter Herr Kommissar Vitorino, etwa in Portugal um Asyl ansuchte, dann könnte ich gewiss keinen Anspruch geltend machen, mit fünfundzwanzig Familienangehörigen dort zu leben. Es muss also eine vernünftige Grenzziehung geben. Das ist das entscheidende Problem dieser Richtlinie. Es muss auch unterschieden werden, ob jemand zeitlich befristet oder auf Dauer in der Europäischen Union ist. Hier muss ich deutlich machen, dass dieser Richtlinienvorschlag den Familiennachzug über das hinaus weitet, was bisher in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union üblich ist. Das ist ein weiteres Signal für Zuwanderung mit natürlich beträchtlichen Folgen.

Dabei sind die Folgen für Staaten mit einer hohen Zuwanderungsquote, wie z. B. Österreich, Deutschland und die Benelux-Staaten, ganz anders als etwa für Staaten wie Portugal, Finnland oder andere, die mit Zuwanderung nicht soviel zu tun haben. Weil hiermit eine dramatische Ausweitung des Familiennachzugs, einem der gewichtigsten Nachzugsgründe, verbunden ist, können wir dieser Richtlinie so nicht zustimmen. Deswegen, Herr Kommissar, hege ich, bei allem Respekt für Ihre Arbeit, auch die Hoffnung, dass Ihr Vorschlag im Rat nicht die notwendige einstimmige Zustimmung finden wird.

(Beifall)

 
  
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  Karamanou (PSE).(EL) Herr Präsident, zunächst möchte ich die Europäische Kommission und besonders Kommissar Vitorino ganz herzlich zu seinem äußerst begrüßenswerten Legislativvorschlag beglückwünschen, mit dem die Frage der Familienzusammenführung geregelt werden soll. Endlich, nachdem es jahrzehntelang gänzlich an einer europäischen Einwanderungspolitik gefehlt hat, vor allem aber nachdem sich die Europäer so viele Jahre geweigert haben, Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in der Europäischen Union aufhalten, die elementaren Menschenrechte zuzugestehen, gerät nun in Europa etwas in Bewegung.

Die Anerkennung des Rechts auf ein Familienleben ist eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Integration von Flüchtlingen und Migranten in das gesellschaftliche Leben des Landes, in dem diese ansässig sind. Jene, die die Familie als höchsten Wert anpreisen und in den Himmel heben, sind aber hier im Parlament leider zufällig genau dieselben, die sie gleichzeitig unterminieren, wie es im Zusammenhang mit diesem Vorschlag für eine Richtlinie über die Familienzusammenführung von Flüchtlingen und Migranten deutlich wird. Pharisäertum und Heuchelei sind, wie wir schon des Öfteren miterleben mussten, die Hauptmerkmale dieses Parlamentsflügels.

Ich möchte allerdings bemerken, dass ich die Bedenken zahlreicher Regierungen, meiner eigenen nicht ausgenommen, hinsichtlich dieser Richtlinie nachvollziehen kann. Länder wie Deutschland, wo Millionen Flüchtlinge und Migranten leben, nehmen wirklich eine erhebliche Belastung auf sich. Gleichzeitig will ich jedoch daran erinnern und betonen, welch wichtigen Beitrag die Migranten in Form ihrer Arbeit und der von ihnen gezahlten Steuern zur wirtschaftlichen Entwicklung unserer Länder leisten. Die gesellschaftliche Belastung, die die Kritiker des Vorschlags ins Feld führen, könnte vermindert werden, wenn die Flüchtlinge sowie ihre Familienangehörigen das Recht auf Arbeit hätten, wie es im Vorschlag der Kommission vorgesehen ist.

Schließlich sollte meines Erachtens klargestellt werden, dass die Richtlinie nur die Mindestvoraussetzungen festlegt und die Regierungen durchaus weiterhin das Recht haben, günstigere Bedingungen für die Familienzusammenführung zu beschließen.

 
  
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  von Boetticher (PPE-DE). - Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum ersten Mal in meiner Zeit als Abgeordneter in diesem Hause bin ich heute über die Gewissheit froh, dass der Rat eine unsinnige und gefährliche Stellungnahme des Parlaments so berücksichtigen wird, wie es ihr gebührt, nämlich gar nicht!

Herr Kommissar Vitorino, trotz aller Wertschätzung für Ihre Person, die ich in diesem Haus auch immer wieder artikuliert habe - schon die Kommissionsvorlage ist geprägt von einer fahrlässigen Ignoranz angesichts der Situation gerade in denjenigen Mitgliedstaaten, die in den vergangenen Jahren vielen Flüchtlingen und Asylanten großzügig Gast- und Schutzrechte gewährt haben! Sie überfordern unsere Gesellschaft und setzen sich der Gefahr aus, so den Nährboden für etwas zu schaffen, das wir in diesem Hause immer bekämpft haben. Die liberalen und sozialdemokratischen Abgeordneten der großen Mitgliedstaaten, denn ich habe hier bisher nur Redner der kleinen Mitgliedstaaten von dieser Seite gehört, müssen sich fragen lassen, ob sie überhaupt noch einen Bezug zu den Wählern haben, ob sie sich der Konsequenzen bewusst sind und ob sie verstanden haben, dass mehr Macht des Parlaments in diesen Fragen auch eine gesteigerte Verantwortung mit sich bringt.

Die Zeiten, in denen man hier ohne Konsequenzen Weltverbesserungsträume artikulieren konnte, sind vorbei! Ich möchte einmal sehen, wie Sie den heutigen Beschluss gegenüber Ihren Bürgern rechtfertigen wollen! Heute beschließen viele von Ihnen diese Vorlage nur deswegen, weil Sie schon wissen, dass der Rat dem so nie zustimmen wird. Ich empfinde dies als unwürdig. Das widerspricht unserer Aufgabe, das widerspricht unserem Auftrag, den wir von den Wählern erhalten haben.

Ich möchte noch einmal kurz eingehen auf das, was Sie zur Mehrehe gesagt und worüber Sie den Kopf geschüttelt haben. Lesen Sie doch einmal Artikel 3 Absatz 2. Dort steht doch: Deshalb ist zwar der Nachzug mehrerer Ehefrauen und deren Kinder untersagt, der Nachzug einer Ehefrau und ihrer Kinder ist jedoch zulässig. Das bedeutet, ich kann jemanden hier in den Mitgliedstaaten geheiratet haben, und ich kann in bestimmten Fällen wenigstens eine Frau nachholen. Das bedeutet also, es gibt eine Zulässigkeit. So ist es doch! So kann man ...

(Zwischenruf)

... nein, wenn Sie das juristisch auslegen, kann man das genau so interpretieren! Das lässt allen Interpretationsmöglichkeiten freien Lauf. Hier kann man nur eines: diesen Vorschlag ablehnen!

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags ist es das erste Mal, dass das Europäische Parlament zum Vorschlag für eine Richtlinie der Kommission an den Rat betreffend die legale Einwanderung von Drittstaatsangehörigen konsultiert wird.

Dies ist folglich ein Zeichen für die tiefgreifenden institutionellen Veränderungen, die mit dem Vertrag eingeführt und von den Staats- und Regierungschefs auf dem Europäischen Rat von Tampere als vorrangig auf der politischen Tagesordnung eingestuft wurden. Die Kommission war der Auffassung, dass wir diese Wegstrecke, diese umfangreichen Bemühungen um die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Einwanderungspolitik mit einem Vorschlag zur Familienzusammenführung beginnen sollten. Zunächst möchte ich etwas dazu sagen, warum wir diese Thematik ausgewählt haben und damit auf eine kritische Bemerkung der Frau Abgeordneten Klamt antworten, die ich unabhängig von Meinungsverschiedenheiten zu ihrer Arbeit beglückwünschen möchte, die sie als erste Berichterstatterin in dieser Sache geleistet hat.

Meiner Ansicht nach steht der Gedanke der Familienzusammenführung voll und ganz im Einklang mit den Verpflichtungen, die von allen Mitgliedstaaten im Rahmen des Völkerrechts seit mehreren Jahrzehnten eingegangen worden sind. Angefangen beim Verweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und den internationalen Pakten der Vereinten Nationen von 1966 bis hin zur Europäischen Menschenrechtskonvention – in all diesen Völkerrechtsinstrumenten ist der Schutz der Familie als wesentliches Element für die Sicherung des sozialen Friedens verankert. Es wird wohl auch niemand leugnen können, dass die Familienzusammenführung eine wichtige Rolle für die Integration der Einwanderer aus Drittstaaten in die Aufnahmestaaten spielt. Selbst die Organe der Europäischen Union haben dies nach und nach anerkannt. So hat sich der Rat seit 1993 immer wieder mit diesem Thema beschäftigt. Man muss auch begreifen, dass diese Frage der Familienzusammenführung quantitativ gesehen von Belang ist, denn inzwischen bildet sie einen der Hauptfaktoren für die Einwanderung in die europäischen Länder.

Dieser Einwanderungsstrom wird nicht durch die Richtlinie verursacht, mit ihr soll vielmehr eine bereits vorhandene Situation geregelt werden. Wer also nicht verstehen will, dass mit dieser Richtlinie Rechtsvorschriften geschaffen werden sollen, um auf eine schon bestehende Situation zu reagieren, und die Kommission dafür verantwortlich macht, eine neue Einwanderungsdynamik auszulösen, hat ein falsches Bild von der Realität, mit der wir uns befassen.

Die Kommission war deshalb der Auffassung, dass die Familienzusammenführung vorrangig vor anderen Formen der legalen Einreise behandelt werden müsste. Es geht nicht darum, eine Entscheidung über die Einreise und den Aufenthalt aus wirtschaftlichen Gründen oder die Einwanderung von Arbeitnehmern oder die Einreise von Studenten zu treffen. Es geht aus unserer Sicht darum, eine andere Aufnahmeform zu regeln, die Werten – vor allem dem Schutz der Familie – und einem politisch-strategischen Ziel – der Förderung der Integration von Drittstaatsangehörigen, die sich bereits rechtmäßig in der Union, in den Aufnahmestaaten aufhalten – gerecht wird. Wir gehen von einem Grundsatz aus, über den man diskutieren kann, doch bis zum Beweis des Gegenteils halte ich ihn für überzeugend. Die Familienzusammenführung ist der persönlichen Stabilität des Auswanderers förderlich, da nun einmal das Familienleben immer wesentlich zur Integration in den Aufnahmeländern beiträgt.

Zudem haben die Staats- und Regierungschefs in Tampere einhellig festgestellt, dass eine gerechtere Behandlung von Drittstaatsangehörigen sicherzustellen sei, die rechtmäßig ihren Wohnsitz in der Union haben. Gleichzeitig sollte eine energischere Integrationspolitik darauf gerichtet sein, diesen Bürgern vergleichbare Rechte und Pflichten wie EU-Bürgern zuzuerkennen. Auf diesen Werte und Verpflichtungen, meine Damen und Herren Abgeordnete, stützt sich die Kommission bei ihrem Vorschlag. Vor allem hat die Kommission eine Initiative vorgeschlagen, in der die Familienzusammenführung als Recht verstanden wird. Doch handelt es sich nicht um ein absolutes Recht der Angehörigen dritter Staaten, die sich in den Ländern der Union rechtmäßig aufhalten. Vielmehr ist es an Bedingungen geknüpft, sei es bei den Verfahren, sei es bei der Festlegung des Rechtsstatus der Familienangehörigen in dem Land, in dem sie aufgenommen worden sind, und ihrer Rechte, in deren Genuss sie kommen.

Ich bin bereit, diesen Vorschlag mit all seinen Implikationen zu diskutieren, unter anderem auch deshalb, weil der französische Ratsvorsitz diesem Thema in dem Halbjahr, für das er die Verantwortung trägt, eine zentrale Stellung einräumt. Wir unsererseits sind bereit, einen geänderten Vorschlag so schnell wie möglich anzunehmen, damit wir während des französischen Ratsvorsitzes zu einem positiven Ergebnis gelangen können.

Ich möchte allen Abgeordneten danken, die sich an der Aussprache beteiligt haben. Es war sowohl hier als auch in der Kommission eine lebhafte, teilweise leidenschaftliche Aussprache, denn es geht um ein heikles Thema, bei dem natürlich die Realität in den einzelnen Ländern sehr stark zum Tragen kommt. Es ist schwierig, auf europäischer Ebene einen gemeinsamen Nenner zu finden. Eines aber zeichnet diese Aussprache besonders aus: Sie dreht sich nicht mehr nur um Absichtserklärungen, sondern um Regelungen und rechtsverbindliche Vorschriften, die dann umgesetzt werden müssen. Meinungsverschiedenheiten bleiben nicht aus, und deshalb ist es nur natürlich, dass es lebhaft, ja leidenschaftlich zugeht.

Die Kommission wird Ihrer Meinung die größte Bedeutung beimessen. Ich möchte auch den Abgeordneten Watson zu der Arbeit beglückwünschen, die er geleistet hat, um vor dem Hintergrund der schwierigen Umstände, unter denen diese Aussprache stattfand, einen Bericht anzufertigen.

Ich möchte den Damen und Herren Abgeordneten erläutern, welche Haltung die Kommission zu den schwierigsten Fragen dieser Richtlinie einnimmt.

Zunächst zum Anwendungsbereich des Vorschlags: Die Kommission ist der Auffassung, dass die Flüchtlinge in den Anwendungsbereich einbezogen sein müssen, denn es wäre aus politischer Sicht unverständlich, den Wirtschaftsemigranten das Recht auf Familienzusammenführung zuzuerkennen, den im Sinne der Genfer Konvention anerkannten Flüchtlingen jedoch nicht. Allerdings gebe ich zu, dass es notwendig ist, diejenigen auszuschließen, die vorübergehenden oder subsidiären Schutz genießen. Es geht nicht um eine Änderung der Grundsatzfrage. Ich bin überzeugt, dass bestimmte vom vorübergehenden oder subsidiären Schutz Begünstigte ebenfalls ein Recht auf Familienzusammenführung haben sollten. Jedoch erkenne ich an, dass es wegen der fehlenden Harmonisierung des Konzepts auf europäischer Ebene und insbesondere wegen der Absicht der Kommission, dem Parlament und dem Rat im kommenden Jahr eine Richtlinie zum vorübergehenden und subsidiären Schutz vorzulegen, möglich sein wird, das Recht auf Familienzusammenführung in dieser Richtlinie in naher Zukunft zu behandeln. Deshalb billigen wir die Änderung des Vorschlags in dem Sinne, dass die vom vorübergehenden oder subsidiären Schutz Begünstigten davon ausgeschlossen werden.

Was den Begriff der Familie betrifft, so möchte ich klarstellen, dass die Kommission in diesem Vorschlag nicht an der Definition des Begriffs Familie rührt. Dieser Vorschlag verweist auf die uneingeschränkte Zuständigkeit jedes Mitgliedstaates festzulegen, was eine Familie ist. Und beispielsweise die Frage der De-facto-Beziehungen. In diesem Vorschlag wird nicht gesagt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sein werden, De-facto-Beziehungen anzuerkennen. Wir sagen lediglich, dass die De-facto-Beziehungen in den Ländern, in denen sie nach einzelstaatlichem Recht und für die Staatsangehörigen der Ehe gleichgestellt sind, auch zum Zwecke der Familienzusammenführung bei Drittstaatsangehörigen anerkannt werden müssen. Deshalb möchte ich deutlich sagen, dass es in diesem Vorschlag keinerlei Anhaltspunkte für eine Begünstigung der Familienzusammenführung von Mehrehen gibt. Entschuldigen Sie, aber der Wortlaut ist eindeutig! Es ist nicht möglich, den Nachzug einer zweiten Ehefrau zu fördern. Und es ergibt sich lediglich eine Ausnahme, nämlich für die Kinder aus der zweiten Ehe, sofern dies im Interesse des Kindes liegt. Wie aber soll man erklären, dass die Kinder aus der zweiten Ehe einer Mehrehe anders behandelt werden als die Kinder aus der ersten Ehe oder aus einer De-facto-Beziehung? Ich bin nicht jemand, der moralische Werte umstößt, doch ich meine, dass wir in erster Linie die Interessen der Kinder berücksichtigen sollten.

Nicht zuletzt, Herr Präsident, ist die Kommission bereit, eine Reihe weiterer Änderungsanträge und Änderungen bezüglich der Rechte von Familienangehörigen, der Bedingungen und Klärung von Bedingungen für die Familienzusammenführung, der Umstände, unter denen der Nachziehende einen eigenen Rechtsstatus erlangen kann, sowie zu den Verfahrensregeln zu akzeptieren. Die ausführliche Angabe erfolgt vor der Abstimmung.

Abschließend möchte ich sagen, dass ein solches Unterfangen natürlich Diskussionen auslöst. Die Aussprache mit dem Rat wird nicht einfach sein, so wie auch die Aussprache mit dem Europäischen Parlament keineswegs einfach war. Ich respektiere die Meinung aller Abgeordneten. Ich würde es gern sehen, dass der Standpunkt des Europäischen Parlaments größtmögliche Unterstützung erfährt. Und ich hoffe, es wird uns ungeachtet unserer naturgemäßen und sicher nützlichen Meinungsverschiedenheiten, die ja das Wesen der Demokratie ausmachen, möglich sein, nach der Annahme dieser Richtlinie mit vereinten Kräften an die Lösung der wichtigsten anstehenden Frage zu gehen, und zwar ein eingängiges und transparentes Rechtssystem zu schaffen, das die Integration der rechtmäßigen Einwanderer in die Aufnahmeländer gewährleistet, denn diese Integration ist der Schlüssel zum Erfolg einer gemeinsamen europaweiten Einwanderungspolitik.

 
  
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  Der Präsident. - Vielen Dank, Herr Kommissar!

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet um 12.00 Uhr statt.

 

2. Sondervorschriften für Einreise und Aufenthalt von Unionsbürgern
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  Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-207/200) von Frau Boumediene-Thiery im Namen des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über den Bericht der Kommission betreffend die Durchführung der Richtlinien 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (Aufenthaltsrecht) und die Mitteilung der Kommission zu den Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (KOM(1999) 127 - KOM(1999) 372 - C5-0177/1999, C5-0178/1999 - 1999/257(COS)).

 
  
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  Boumediene-Thiery (Verts/ALE), Berichterstatterin. – (FR) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zunächst möchte ich all denjenigen danken, die mit ihren Überlegungen zur Belebung der Debatte beigetragen haben. Bevor ich mit der Erläuterung meines Berichts beginne, will ich eine Frage aufwerfen, die mich ständig umtreibt. Diese Frage bezieht sich meines Erachtens auf den Kern der Problematik meines Berichts, und sie wird den Ausgang unseres Votums beeinflussen. Die Frage lautet: was bedeutet der Begriff Unionsbürgerschaft wirklich? Handelt es sich nur um eine Formel, mit Hilfe derer Europa verkauft werden soll, oder möchten wir diesen Begriff tatsächlich mit Inhalt füllen?

Gegenwärtig ist die Unionsbürgerschaft für die Mehrheit der Europäer immer noch ein Begriff ohne Inhalt. Falls wir aus Europa etwas anderes als eine ausgedehnte Freihandelszone machen wollen, so müssen wir etwas dafür tun, damit die Unionsbürgerschaft ihren Status als bloßes Konzept überwindet und sich im Alltag der europäischen Bürger verankert. In dieser Perspektive siedle ich übrigens unsere Debatte an. Die untersuchten Richtlinien betreffen die Unionsbürger, aber es müssen auch Veränderungen zu Gunsten der Drittstaatsangehörigen vorgenommen werden.

Mit Hilfe dieses Berichts soll eine Bestandsaufnahme der tatsächlichen Situation im Bereich der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts von Personen innerhalb der Union gemacht werden. Vertraglich gesehen orientiere ich mich einerseits an Artikel 14 betreffend die Freizügigkeit, andererseits an den Artikeln 17 und 18 zur Unionsbürgerschaft. Die Mitgliedstaaten haben zwar enorme Fortschritte beim freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital gemacht, aber bei den Personen sind wir immer noch sehr weit von diesen Erfolgen entfernt.

Nun folgen ein kurzer historischer Rückblick und der Inhalt der Richtlinien. Ursprünglich war die Freizügigkeit Personen vorbehalten, die eine Wirtschaftstätigkeit ausüben,. Im Juni 1990 hat der Rat drei Richtlinienvorschläge der Kommission verabschiedet, mit denen dieses Recht auf alle Bürger der Mitgliedstaaten ausgedehnt wird, auch wenn sie keine Wirtschaftstätigkeit ausüben. Ich werde lediglich an die wichtigsten Festlegungen dieser Richtlinien erinnern. Im Falle der Rentner und anderer Nichterwerbstätiger gilt das Aufenthaltsrecht für diejenigen, die über eine Krankenversicherung und ausreichende Existenzmittel verfügen. Für Studenten werden die Einschreibung bei einer anerkannten Lehranstalt und der Abschluss einer Krankenversicherung vorausgesetzt. In beiden Fällen können die Ehepartner und die unterhaltspflichtigen Kinder den Aufenthaltsberechtigten begleiten und eventuell arbeiten.

Die Umsetzung dieser Richtlinien war in zweifacher Hinsicht problematisch. Einerseits wurden sie von den Mitgliedstaaten mit großer Verzögerung umgesetzt, und andererseits war diese Umsetzung in fast allen Staaten unzureichend. Außerdem musste die Kommission 14 Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Die Kommission stellt fest: „Die Unionsbürger sahen sich wegen der unzulänglichen Umsetzung der Richtlinien bestimmter Rechte beraubt oder nicht zu rechtfertigenden administrativen Schwierigkeiten ausgesetzt.“

Lassen Sie uns nun eine konkrete Einschätzung der Situation vornehmen. Dieses Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht gemäß dem Vertrag von Maastricht wird durch wirtschaftliche Erwägungen verletzt. Der Begriff der ausreichenden Existenzmittel wird von den Verwaltungen in überzogener Weise ausgelegt. Welche Einkünfte werden bei der Mittelbeurteilung berücksichtigt? Welche Nachweise sind erforderlich? Wie kann man eine sich wandelnde Finanzlage nachweisen, die zuweilen von der Unterstützung durch einen Ehegatten abhängt? Aufgrund von langwierigen und schwierigen Anerkennungsverfahren ist häufig der Abschluss einer zweiten Krankenversicherung im Aufnahmeland erforderlich. Wenn man nicht zur Gruppe der Arbeitnehmer gehört, ist die Erlangung des Aufenthaltsrechts schwierig, so dass zur Unsicherheit der beruflichen Situation noch die Unsicherheit der Aufenthaltserlaubnis hinzukommt.

Hinsichtlich der berechtigten speziellen Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung hat die Kommission zahlreiche Fehlinterpretationen festgestellt, wie etwa die strafrechtliche Verurteilung, die systematische Abschiebungen und Ausweisungen rechtfertigt. Außerdem sind die Verwaltungsverfahren zu langwierig – über sechs Monate – und kostspielig, wenn eine mehrmalige Verlängerung erforderlich ist, denn oft beläuft sich die Gültigkeitsdauer nur auf zwei statt der üblichen fünf Jahre.

Im folgenden erläutere ich die wichtigsten empfohlenen Maßnahmen zur Lösung dieser Probleme. In unserem ersten Vorschlag fordern wir die Kommission dazu auf, eine Rahmenrichtlinie vorzubereiten, die vom Grundrecht auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt ausgeht anstatt von einem auf Personenkategorien beruhenden Ansatz, der unweigerlich Spielraum für Doppeldeutigkeiten lässt. Anschließend ist es immer noch möglich, eine Reihe spezifischer Maßnahmen einzuführen, mit denen die Bürger je nach ihrer eigenen Situation unterstützt werden können. Diese Neugestaltung der bestehenden Richtlinien muss das Grundrecht auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt von jeglichen wirtschaftlichen Erwägungen trennen. Diese Maßnahmen müssen mit einer tatsächlichen Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und der Kostenfreiheit der Dokumente einhergehen. Die Einführung einer für ein Jahr gültigen Aufenthaltserlaubnis für alle Antragsteller könnte eine Übergangsmaßnahme bis zur Umsetzung dieser Bestimmungen darstellen. Die Harmonisierung der sozialen Sicherungs- und Rentensysteme ist unabdingbar. Und was schließlich die berechtigten speziellen Maßnahmen im Sinne der öffentlichen Ordnung anbelangt, so können wir lediglich an die Staaten appellieren, dass sie diese Bestimmungen eng auslegen, der doppelten Bestrafung ein Ende setzen und bestimmte Personengruppen vor der Ausweisung schützen.

Abschließend noch einige Erläuterungen. Die Rechte müssen an die jeweilige Person gebunden sein und sozusagen mit ihr reisen. Bürger aus Drittländern, die legal in einem Mitgliedstaat leben und arbeiten, müssen dieselben Rechte wie jeder europäische Bürger haben. Im Übrigen ist es bedauerlich, dass der Rat diesen Vorschlag zur Europabürgerschaft und zum Aufenthaltsrecht in keiner Weise berücksichtigt hat.

Mit meinen Ausführungen konnte ich Sie hoffentlich davon überzeugen, dass dieser entschieden bürgerbezogene Ansatz zur Reise- und Aufenthaltsfreiheit, die ein grundlegendes Erfordernis im Rahmen der Schaffung eines europäischen Bewusstseins darstellt, unterstützenswert ist. In einer Zeit, in der Diskussionen über die Zukunft Europas in allen Medien stattfinden und in der wir uns mit der geplanten Charta der Grundrechte befassen, müssen wir jegliches Vorhaben eines Raums der Freiheit, des Rechts und der Gleichheit unterstützen, in dem alle Ansässigen und Bürger, die zum Aufbau Europas beitragen, dieselben Rechte haben müssen. Schließlich ist heute der freie Verkehr von Waren, Kapital und Dienstleistungen in der Union verwirklicht. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass den Menschen dieselben Rechte eingeräumt werden wie den von ihnen konsumierten Produkten.

 
  
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  Wallis (ELDR), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Recht und Binnenmarkt. – (EN) Ich möchte dem Berichterstatter gratulieren. Hier geht es um die längst überfällige Revision einer Reihe von Richtlinien in Bezug auf das Aufenthaltsrecht von Personen ohne wirtschaftliche Beschäftigung. Ich fordere ebenso wie der Berichterstatter, die Unionsbürgerschaft in die Praxis umzusetzen. Die in den Unionsverträgen enthaltene Forderung, wonach jeder Bürger ein Recht auf Freizügigkeit und ein Aufenthaltsrecht in den Mitgliedstaaten erhalten soll, ist noch weit von der Realität entfernt.

Ich möchte das Beispiel einiger Studenten aus anderen Mitgliedstaaten heranziehen, die in meinem Wahlkreis Sprachen studieren. Sie erhielten ein Standardschreiben von unserem örtlichen Sozialversicherungsträger, in dem sie aufgefordert wurden, zu einem zweistündigen Gespräch in der Dienststelle zu erscheinen und dazu möglichst viele der in einer nicht vollständigen Liste von etwa 20 Dokumenten aufgeführten Unterlagen, wie Pass, Kontoauszüge, Rechnungen usw. mitzubringen, damit „ihre Identität festgestellt werden kann“. Auf meine Nachfrage hin erfuhr ich, dass dies keine Angelegenheit für die EU sei, da auch Bürger des Vereinigten Königreichs dasselbe Schreiben erhielten. Unter welchen Umständen das geschehen sein soll, kann ich mir nicht vorstellen. Noch grotesker ist, dass der Zeitrahmen auf zwei Stunden angesetzt wurde, um denjenigen, die diesen Termin wahrnehmen, einen Strafzettel zu ersparen, den sie bei längerem Parken auf dem örtlichen Parkplatz erhalten würden!

Wir können nicht zulassen, dass unsere Bürger so behandelt werden, wie diese Studenten. Die Richtlinien, in denen es um das Aufenthaltsrecht von Personen geht, die keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, stehen unter keinem guten Stern: Sie wurden häufig nicht umgesetzt, mehrfach wurden Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, und sie enthalten eine Vielzahl unterschiedlicher und lästiger Forderungen. Ein Sack Kartoffeln hat innerhalb Europas mehr Bewegungsfreiheit als ein Bürger. Wenn wir an unsere Bürger appellieren und das Grundrecht auf Freizügigkeit in die Praxis umsetzen wollen, ist die einfache und schnelle Kodifizierung dieses Bereichs des Gemeinschaftsrechts längst überfällig. Nur wenn uns dies gelingt, wird die Erklärung über die Unionsbürgerschaft im Unionsvertrag nicht nur eine Feststellung sein, sondern Realität werden.

 
  
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  Schmid, Herman (GUE/NGL), Verfasser der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. – (SV) Herr Präsident! Wir haben hier ausführlich über die Menschenrechte in der EU gesprochen. In der Praxis sind jedoch Bürgerrechte oftmals gleichbedeutend mit Geld. Wer Arbeit hat und sich versorgen kann, wird vom Gesetz geschützt. Es gibt jedoch große Gruppen von Menschen, die keine Arbeit haben und daher auch keine Rechte.

Das betrifft z. B. Studenten, die einen tatsächlichen Studienplatz nachweisen müssen, oder Rentner, die nachweisen müssen, dass sie bei einem Wohnortwechsel eine Rente oder eigenes Vermögen mitführen. Ebenso kann dies auf Bürger aus Drittländern zutreffen und hier insbesondere auf Familienmitglieder, die Drittstaatsangehörige sind und den Familienversorger nicht begleiten dürfen, wenn dieser Arbeit auf der anderen Seite der Grenze erhält.

Somit werden die wirtschaftlich schwächsten Bürger immer noch diskriminiert. Der Bericht schlägt wichtige Verbesserungen für diese Gruppen vor, die in der Praxis größer sind als man glauben sollte. Sie sollen bessere Möglichkeiten zum Wohnortwechsel und größere Rechte zur Niederlassung im Ausland erhalten.

In diesem Zusammenhang möchte ich außerdem drauf hinweisen, dass das Recht auf Mobilität auf dem Arbeitsmarkt nicht dasselbe ist wie das Recht auf Niederlassung. Heutzutage werden viele Arbeitnehmer mit Kurzzeitverträgen zur Arbeit in andere Mitgliedstaaten geschickt, ohne dass sie damit ein Niederlassungerecht besitzen. Für diejenigen, die kein gesichertes Einkommen haben oder ihren Lebensunterhalt auf andere Weise sichern können, ist das Recht auf freie Niederlassung fast gleich Null.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wird durch die gesetzlichen Regelungen des Binnenmarktes geschützt. Für die meisten Menschen ist jedoch der Schutz ihrer Niederlassungsfreiheit, einschließlich des Rechts auf dauerhaften Aufenthalt, wichtiger. Es geht darum, dass man nicht zu einem Wohnortwechsel gezwungen wird, auch wenn man sich nicht selbst versorgen kann. Hier sind grundlegende Verbesserungen erforderlich, die man vielleicht gerade zum jetzigen Zeitpunkt in Angriff nehmen sollte, da die wirtschaftliche Entwicklung in den Mitgliedsländern im Vergleich zu früher einen Aufschwung zu nehmen scheint.

 
  
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  Mayer, Hans-Peter (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Petitionsausschusses. - Herr Präsident! Der Bericht von Frau Boumediene-Thiery geht auf die Probleme ein, die die Kommission in ihrem Bericht über den Stand der Dinge bei der Anwendung der Vorschriften zum Aufenthaltsrecht anspricht. Jedoch möchte Frau Boumediene-Thiery den Anwendungsbereich des Aufenthaltsrechts in diesem Zusammenhang auf Staatsangehörige von Drittstaaten ausgedehnt wissen.

Der Petitionsausschuss ist um eine Stellungnahme ersucht worden, da er ein besonderes Gremium darstellt, das sich direkt mit den Problemen unserer Bürger befasst. Beeinträchtigungen der Rechte aus der Unionsbürgerschaft kommen leider immer noch viel zu häufig vor; insofern stimme ich ausdrücklich zu. Erstens werden die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über das Aufenthaltsrecht zögerlich umgesetzt. Vor allem nachgeordnete Instanzen in den Mitgliedstaaten kennen die entsprechenden Regelungen meistens nicht. Zweitens entstehen gewaltige Einschränkungen durch Probleme bei der Anerkennung von Diplomen. Was nützt mir ein Aufenthaltsrecht, wenn ich nicht das Recht habe, meinen erlernten Beruf im Gastland auszuüben? Drittens ergeben sich Probleme durch die Nichtanpassung der Vorschriften zur Freizügigkeit oder der Sozialversicherungsregelungen an den sich wandelnden Arbeitsmarkt. Es kann doch nicht angehen, dass ich Kosten für ärztliche Leistungen im Ausland nicht erstattet bekomme, nur weil ich nicht das richtige Formular habe!

Herr Präsident, wir haben Vorschriften für das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern in anderen Mitgliedstaaten. Aber diese werden immer noch nicht voll angewandt. Immer wieder gibt es Fälle, in denen einem Unionsbürger der Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat unmöglich gemacht wird. Fordern wir also die Mitgliedsländer der EU auf, die bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften unverzüglich zur Anwendung zu bringen, und zwar bevor wir daran denken, solche Rechte auf Drittstaaten auszudehnen!

 
  
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  Hernández Mollar (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Für den Fall, dass die von uns eingereichten Änderungsanträge zum Bericht von Frau Boumediene nicht akzeptiert werden, wird meine Fraktion aus, wie ich meine, gewichtigen Gründen dagegen stimmen.

Die heute von uns diskutierten Richtlinien beziehen sich auf die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht von Studenten und Personen, die ihre Berufstätigkeit beendet haben oder nicht erwerbstätig sind, die darüber hinaus Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrenten bzw. Beihilfen beziehen – immer als Bürger der Gemeinschaft – neben jenen Ausnahmen, die in einer anderen Richtlinie über die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Volksgesundheit berücksichtigt sind.

Das Problem besteht darin, dass Frau Boumediene den Anwendungsbereich dieser Richtlinien auf die Bürger aus Drittländern ausdehnt. Absatz 20 der Entschließung beispielsweise dehnt die Familienzusammenführung auf Verwandte aus außergemeinschaftlichen Staaten in aufsteigender oder absteigender Linie aus, für die die ansässige Person nicht unterhaltspflichtig ist, was die Aufnahme unbeschränkt erweitern würde. Auch die Gleichstellung von unverheirateten Paaren mit Ehepaaren, was bei Bürgern der Gemeinschaft keine großen Probleme auf Grund der Verschiedenartigkeit der Gesetzgebungen schaffen würde, wäre indes bei Bürgern aus Drittländern problematisch, da der Nachweis einer stabilen Partnerschaft echte Schwierigkeiten bereiten würde. Dies würde den so genannten nicht vollzogenen oder Zweckehen Tür und Tor öffnen und zum Betrug führen.

Andererseits glaube ich, dass die ganze Kasuistik, die sich auf die Wanderarbeitnehmer bezieht, den Kontext dieser Debatte sprengt, und zwar nicht so sehr aus inhaltlichen Gründen, sondern weil sie nicht zur Prüfung dieser Richtlinien gehört.

Es ist notwendig – wie die Kommission sagt –, den Informationsgrad zu verbessern, damit die europäischen Bürger ganz klar ihre Rechte auf Freizügigkeit im Binnenmarkt kennen lernen, und zwar mit eindeutigen, bündigen und konkreten Regelungen und unter Nutzung der neuen Kommunikationstechnologien wie Internet, Fernsehen oder lokale und regionale Informationsmedien. Ich halte nichts von dem Vorschlag, Herr Kommissar, dass die Antworten auf die parlamentarischen Anfragen auf dem Wege von Mitteilungen, die man für zweckmäßig erachten mag, an die einzelnen Bürger gelangen. Das scheint mir ein wenig praktikables Verfahren zu sein, schon weil mitunter nicht einmal die Parlamentarier diese Antworten lesen.

Auch der absurde Papierkrieg zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen und der Höhe der Rente muss abgeschafft werden. Ich glaube, ein Personalausweis des Rentners oder der Rückgriff auf die Informatik sollten die mühseligen Nachweise ersetzen. Und dasselbe würde auch für die Studenten gelten. Zur Förderung ihrer Mobilität müssen ihnen unnötige Kosten erspart und ihr Aufenthaltsrecht mit den Studien- oder Ausbildungszeiten in Übereinstimmung gebracht werden.

Schließlich möchte ich auch darauf hinweisen, dass es keinen Sinn macht, wie das im Absatz 6 der Entschließung der Fall ist, die öffentliche Ordnung in einem für die Bürger der Europäischen Union bestimmten Vorschlag mit dem Schengener Raum zu verbinden, denn auf sie kommt nicht der Schengener Besitzstand zur Anwendung, sondern für sie gelten die Gemeinschaftsrichtlinien, vor allem jene, die die öffentliche Ordnung betreffen.

Zur Aktualisierung dieser Gesetzgebung ist es nach meiner Ansicht erforderlich, die Texte mittels einer neuen Verordnung umzuarbeiten und die Hindernisse für die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht der Bürger der Gemeinschaft abzubauen.

 
  
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  Van Lancker (PSE).(NL) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst erlaube ich mir, der Europäischen Kommission für ihr stetiges Bemühen zu danken, das Aufenthaltsrecht im Rahmen des freien Personenverkehrs in der Europäischen Union weiterhin als prioritäres Thema zu behandeln, was auch jetzt wieder mit den beiden vorliegenden Mitteilungen über das Aufenthaltsrecht bewiesen wird. Sodann möchte ich der Berichterstatterin zu ihrem Bericht gratulieren. Sie hat sich dafür entschieden, Kollege Hernández Mollar, das Aufenthaltsrecht aller Bürger, auch der Arbeitnehmer, auch der Drittstaatsangehörigen, wofür übrigens ebenfalls schon Vorschläge vorliegen, in einen breiteren Zusammenhang zu stellen. Meine Fraktion unterstützt diesen Ansatz, denn trotz aller Initiativen der Kommission, trotz des Veil-Berichts, trotz des Aktionsprogramms, trotz der Gesetzgebungsinitiativen bleiben die Vorschläge beim Rat liegen und sind keine großen Fortschritte zu verzeichnen.

Im Rahmen dieser Aussprache möchte ich auf vier spezifische Punkte eingehen. Erstens: Auf dem europäischen Arbeitsmarkt besteht in letzter Zeit ein zunehmender Bedarf an Mobilität, immer mehr Unternehmen können ihre freien Stellen nicht mehr besetzen. Deshalb ist es ja wohl unbegreiflich, dass noch zahlreiche Hindernisse für den freien Personenverkehr und das Aufenthaltsrecht bestehen, vor allem dort, wo es um befristete Arbeitsverträge, um Teilzeitarbeitnehmer sowie um Erwerbslose geht, die in einem anderen Land Arbeit suchen. Zweitens: Auch meine Fraktion verteidigt das durch Aufgeschlossenheit gekennzeichnete Konzept der Unionsbürgerschaft, und für uns bedeutet dies, dass – selbstverständlich unter bestimmten Voraussetzungen – auch Nichtbeschäftigten, Rentnern oder Studenten ein Aufenthaltsrecht zugestanden werden muss. Die derzeit von einigen Mitgliedstaaten aufgetürmten Hindernisse veranlassen uns allerdings zu der Schlussfolgerung, dass sie die Unionsbürgerschaft gar nicht wollen. Drittens geht es um eine Bürgerschaft, bei der nicht nach Familienform unterschieden wird. Lebenspartner, unverheiratete Partner, auch Homosexuelle und Lesbierinnen müssen in den Ländern, in denen solche Formen des Zusammenlebens anerkannt sind, gleichermaßen ein Aufenthaltsrecht ausüben können, denn andernfalls enthalten wir Tausenden von Menschen das Recht vor, in einer Familie zu leben. Viertens sollte die Bürgerschaft auch Drittstaatsangehörigen, die rechtmäßig und dauerhaft in der Europäischen Union ansässig sind, ohne Diskriminierung offen stehen. Dem vorliegenden Bericht der Kollegin Boumediene stimmen wir also uneingeschränkt zu. Hoffentlich wird die Kommission Verstöße und die jämmerliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten weiterhin anprangern, vor allem aber hoffe ich zutiefst, dass der Rat endlich den Mut zu einer ausführlichen Diskussion über den freien Personenverkehr aufbringt.

 
  
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  Ludford (ELDR).(EN) Herr Präsident, glücklicherweise hat sich das europäische Gemeinschaftsrecht in den letzten 30 Jahren gewandelt, und heute steht nicht mehr die Freizügigkeit von Personen aus rein wirtschaftlichen Erwägungen, also die funktionelle Mobilität, an erster Stelle, die Freizügigkeit gilt heute als persönliches Recht. Deshalb wird nun viel über ein Europa der Bürger gesprochen, obwohl sich weder in den Köpfen noch in den Verwaltungen der Mitgliedstaaten ein Wandel vollzogen hat, wie Frau Wallis bereits sagte.

Ich übersehe dabei keineswegs die wirtschaftlichen Vorteile, die mit der Freizügigkeit verbunden sind. Frau Boumediene-Thiery betont in ihrem Bericht, zu dessen Qualität ich ihr gratulieren möchte, dass die Förderung der Mobilität die Dynamik und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Weshalb wird dies von den Konservativen ignoriert? Aus der Sicht der Liberalen ist die wirklich entscheidende Frage jedoch, ob die Mitgliedstaaten an die Unionsbürgerschaft glauben und sie respektieren, und nicht nur den Bürgern aus den Mitgliedstaaten und deren Familien Freizügigkeit zugestehen, sondern dieselben Rechte so weit wie möglich auch den rechtmäßig ansässigen Drittstaatsangehörigen und deren Familien gewähren, die leider nicht im Bericht der Kommission erwähnt werden.

Es ist schon ärgerlich, wenn man sich einerseits im Ministerrat und in den Regierungen der Mitgliedstaaten über die geringe Wahlbeteiligung bei der Europawahl wundert, wenn man Kampagnen mit Luftballons und Tragetaschen durchführt, auf denen plakativ für ein Europa der Bürger geworben wird, und man die Stimmen der Bürger in Volksbefragungen gewinnen will, andererseits aber bürokratische Hürden aufbaut, sobald der gerade noch umworbene Bürger die Stirn besitzt, sein Recht auf Freizügigkeit auch einzufordern.

Diese Vorschriften sind außerdem auch viel zu kompliziert. Wir müssen sie von Grund auf überarbeiten und vereinfachen und unmissverständlich klarstellen, dass das Recht auf Freizügigkeit nicht behindert werden darf. Das ist nicht zuviel verlangt. Wie Frau Wallis sagte, sollte das Überqueren von Grenzen für unsere Bürger nicht schwieriger sein als das für Waren oder, um im Bild zu bleiben, einen Sack Kartoffeln der Fall ist.

 
  
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  Krivine (GUE/NGL).(FR) Frau Präsidentin, wir unterstützen den Bericht von Frau Boumediene-Thiery. Es ist in der Tat an der Zeit, dass wir die Rechtsgleichheit anerkennen und der Logik des Verdachts gegen die Einwanderung ein Ende setzen. Die Staaten erlauben sich, ausländischen Studenten das Aufenthaltsrecht zu verweigern, auch wenn letztere bei einer anerkannten Lehranstalt eingeschrieben sind, wenn sie der Ansicht sind, die betreffenden Studenten hätten die Studienrichtung geändert oder würden nicht schnell genug vorankommen, was wohl eher die jeweilige Universitätsverwaltung zu beurteilen hätte.

Diese Verdachtslogik führt zum zwanghaften Verweis auf die öffentliche Ordnung und zu der skandalösen Praxis der doppelten Bestrafung. Für ein und dasselbe Delikt wird ein Ausländer nicht nur mit Gefängnis bestraft, sondern er wird außerdem automatisch ausgewiesen. Diese Verbannung ist eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vor dem Gesetz gemäß Artikel 7 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Des Weiteren muss die Bewilligung und Verlängerung einer langfristigen Aufenthaltserlaubnis für den Einwanderer erleichtert werden, denn ein unsicherer Aufenthaltsstatus führt unweigerlich zu einer unsicheren Beschäftigung, zu Diskriminierungen und Ausbeutung.

Und schließlich muss endlich eine Unionsbürgerschaft auf der Grundlage des Wohnorts eingeführt werden. Das Stimmrecht muss auf Nichtunionsbürger ausgedehnt werden, wenn man einen Rückgang von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Europa erreichen möchte.

 
  
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  Angelilli (UEN). - (IT) Herr Präsident, wie bereits meine Vorredner ausführten, wird das Recht auf Freizügigkeit, obwohl es als Hauptaspekt des Grundrechts auf die Unionsbürgerschaft betrachtet wird, sehr oft eingeschränkt; davon zeugt die hohe Anzahl von Petitionen, die zu diesem Thema beim Europäischen Parlament eingereicht werden.

Ich möchte zunächst einen Aspekt herausgreifen, auf den in dem Bericht besonderer Nachdruck gelegt wird, nämlich die notwendige Bekämpfung aller missbräuchlichen und übertrieben restriktiven Auslegungen des Begriffs „öffentliche Ordnung“ durch einige Mitgliedstaaten. Beispielsweise dürfte eine Person, die seit ihrer Kindheit oder zumindest seit vielen Jahren in einem Land lebt und demzufolge feste kulturelle, soziale und familiäre Bindungen in diesem Land eingegangen ist, nicht ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht eines nach dem Strafrecht des Wohnsitzlandes als wirklich schwer wiegend geltenden Verbrechens schuldig gemacht hat. Leider ist oftmals das Gegenteil der Fall.

Ein weiterer Punkt, auf den ich eingehen möchte, betrifft die Mitglieder einiger realer Familien, wie beispielsweise einer italienischen, die, obgleich sie gewiss keine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen, ihr legitimes Recht auf Freizügigkeit nicht in vollem Umfang wahrnehmen dürfen. Es ist wahrhaftig an der Zeit, diese Probleme ernsthaft anzugehen und die Hindernisse für die Freizügigkeit wirklich aus dem Weg zu räumen, weil - wie erwähnt worden ist - in Europa wahrscheinlich der freie Verkehr von Waren oder Kartoffeln besser funktioniert als die Freizügigkeit der Bürger.

 
  
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  Tannock (PPE-DE).(EN) Das Recht auf Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht sind in den europäischen Verträgen für alle Bürger verankert und sollten nur in Ausnahmefällen verweigert werden, wenn eine reale Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Daher ist es um so erstaunlicher, dass 50 Jahre nach der Unterzeichnung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte, die ja nun auch noch in Rom erfolgte, und ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam, in dem diesen Rechten ein besonderer Stellenwert eingeräumt wird, einer europäischen Familie, die seit tausend Jahren mit der Geschichte des Kontinents verbunden ist, die von meiner Kollegin erwähnten Grundrechte vorenthalten werden.

Im Bericht Watson werden diese Rechte für die Familienzusammenführung, im Bericht Boumediene-Thiery für die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eingefordert, und zwar auch für Drittstaatsangehörige und verurteilte Straftäter. Die erwähnte Familie entstammt dem früheren Herrscherhaus der Savoyen in Italien, und weniger schwerwiegende Verstöße durch die Regierungen finden auch gegen die Königshäuser von Österreich und Griechenland statt.

Artikel 13 der Übergangsbestimmungen der italienischen Verfassung, die absurderweise als „Übergangsbestimmungen“ bezeichnet werden, obwohl sie schon seit 53 Jahren gelten, verstößt nicht nur gegen die europäischen Verträge, er stellt auch eine geschlechtsspezifische Diskriminierung dar, da er ungeachtet des Verwandtschaftsgrads zu König Viktor Emanuel, der ja für schuldig befunden wird, während des Krieges faschistische Gesetze unterschrieben zu haben, nur für die männlichen Nachfahren des Königs gilt.

Es ist pure Ironie, dass die Nachfahren Mussolinis nicht nur in Italien leben dürfen, sondern eine Angehörige dieser Familie sogar im italienischen Parlament vertreten ist. Dieser Artikel ist beschämend und überkommen, und alle Mitglieder des Parlaments, auch diejenigen, die keine Anhänger der Monarchie sind, sollten sich meiner Forderung an die italienische Regierung anschließen, einer unschuldigen europäischen Familie die Rückkehr in ihr Heimatland zu gestatten, in dem sie keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder die Stabilität der italienischen Republik darstellt.

Wir können nur dann mehr Rechte für die europäischen Bürger einfordern, wenn alle ihre Rechte für alle Bürger gelten, unabhängig von ihrer Herkunft und ohne Diskriminierung. Hier geht es nicht nur um einzelne Familien, es geht im Grunde darum, ob die Union sich an ihre eigenen Gesetze und Verträge hält. Entweder haben wir eine auf Rechtsstaatlichkeit beruhende Europäische Union oder nicht. Ich empfehle dem Hohen Haus daher die Billigung meines Änderungsantrags 14.

 
  
  

VORSITZ: GERHARD SCHMID
Vizepräsident

 
  
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  Ford (PSE).(EN) Ich möchte Frau Boumediene-Thiery zu ihrem Bericht über die Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, gratulieren. Dies ist ein ausgezeichneter Bericht. Leider kann ich in den zwei Minuten, die mir zur Verfügung stehen, nur über einige Mängel des Berichts sprechen. Die Kommission hat die Frage der 12 bis 14 Millionen Drittstaatsangehörigen nicht angesprochen, die rechtmäßig in der Union leben, jedoch Diskriminierungen ausgesetzt sind. Diese Personen können sich außerhalb der Inselstaaten der Europäischen Union zwar nicht legal, aber de facto frei bewegen, und durch diesen Umstand entstehen immer wieder Situationen, in denen sie ausgebeutet und auf illegale Weise eingesetzt werden.

Bei allem Respekt für die Berichterstatterin möchte ich auch darauf hinweisen, dass sie aus unserer Sicht viele wichtige Bereiche nicht behandelt hat, wie zum Beispiel das Problem des Hooliganismus im Fußballsport. Ich bin grundsätzlich für die Freizügigkeit, aber ich denke, dass Einschränkungen erforderlich sind. Unter normalen Umständen sollten Personen, die kein Verbrechen begangen haben, nicht daran gehindert werden, sich frei zu bewegen, aber es gibt ein europäisches Problem, das auf europäischer Ebene ständig ignoriert wird. Mit Hilfe von Europol sollte die Freizügigkeit von Personen unterbunden werden, die im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen Straftaten begangen haben. So könnte sichergestellt werden, dass diese Personen nicht dieselben Probleme wie bei den vergangenen Weltcup- und Europa-Meisterschaftsspielen verursachen. Ich bin außerdem der Meinung, dass wir diese Vorschriften aus Gründen der öffentlichen Sicherheit anwenden sollten, um zum Beispiel die Freizügigkeit von deutschen Neonazis zu unterbinden, die in Dänemark Informationsschriften verfassen, in denen der Holocaust geleugnet wird, und diese dann nach Deutschland einführen, wo diese Schriften illegal sind. Ich hoffe, die dänische Regierung wird die Vorschriften nutzen, um solche Fälle zu verhindern.

Wir müssen darüber hinaus sicherstellen, dass das System nicht missbraucht wird. Ich hoffe natürlich, dass die Freizügigkeit von HIV-positiven Personen nicht in irgendeiner Weise aus Gründen der Volksgesundheit eingeschränkt wird.

Ich stimme Herrn Tannock im Grundsatz zu. Zweifellos gibt es keinen Grund, die Königsfamilien Europas in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken. Ich bin jedoch nicht damit einverstanden, wie er seine Prioritäten setzt. Wenn wir die Rechte von 12 bis 14 Millionen rechtmäßig ansässigen Personen ignorieren, sind die Rechte von zwei Familien von vergleichsweise geringer Bedeutung.

 
  
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  Coelho (PPE-DE).(PT) Herr Präsident! Zunächst möchte ich mich all jenen anschließen, die unterstrichen haben, dass die hier erörterte Frage mit dem Wesentlichen der Unionsbürgerschaft im Zusammenhang steht. Man könnte sagen, dass dieses Recht dazu beiträgt, dem Begriff der Unionsbürgerschaft einen praktischen und konkreten Ausdruck zu verleihen, da wir gegenwärtig vor der großen Herausforderung stehen, dieses gesetzlich anerkannte Recht zu einer praktischen, im Alltag der Bürger angewandten Realität werden zu lassen.

Ich stimme auch denen zu, die darauf hinwiesen, dass die Umsetzung dieser Richtlinien äußerst schleppend und in einigen Fällen sogar nicht korrekt erfolgte. Andererseits müssen wir uns auch den Schwierigkeiten stellen, die sich aus der Umsetzung der Richtlinie über Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ergeben. Diese Richtlinie sollte Leitlinien nicht nur für die Mitgliedstaaten enthalten, die die Bestimmungen der Richtlinie bisher recht unterschiedlich ausgelegt haben, sondern auch für die Bürger im Hinblick auf die ihnen zustehenden Rechte.

Die Mitgliedstaaten können das Recht auf Freizügigkeit der Unionsbürger vor allem bei der Einreise und Abschiebung aus ihrem Territorium, sowie bei der Ausstellung oder Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung einschränken, sofern dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt ist. In einer Europäischen Union, die auf Rechtsstaatlichkeit, der Wahrung der Menschenrechte und insbesondere der Europäischen Menschenrechtskonvention, kurzum, auf einer Charta der Grundrechte fußt, darf es jedoch keinen Missbrauch dieser Vorrechte geben. Dementsprechend wurden dann auch diese Ausnahmebedingungen zur Freizügigkeit restriktiv ausgelegt.

Abschließend, Herr Präsident, stimme ich meinem Kollegen Hernández Mollar zu, der den Änderungsantrag des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt in dem Sinne unterstützte, dass versucht werden sollte, die verschiedenen Texte in einer einzigen unmittelbar geltenden Verordnung zu vereinen. Damit läge erstmals ein Dokument zur europäischen Unionsbürgerschaft vor, das alle notwendigen Informationen enthielte, nicht nur für die Bürger hinsichtlich ihrer staatsbürgerlichen Rechte, sondern auch für die Behörden in den Mitgliedstaaten, die jeweils mit der Umsetzung der bestehenden Vorschriften beauftragt sind.

 
  
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  Fatuzzo (PPE-DE). - (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ebenso wie Herr Hernández Mollar - dem ich dafür danke, dass er den von mir eingereichten Änderungsantrag Nr. 15 so begeistert aufgenommen hat - bin auch ich der Auffassung, dass dieser Bericht abgelehnt werden sollte, falls die Änderungsanträge der Europäischen Volkspartei nicht übernommen werden.

Ich unterstütze den Änderungsantrag Nr. 14 des Kollegen Tannock, der für die Freizügigkeit der Erben der italienischen und griechischen Königshäuser eintritt und sich für die Monarchie einsetzt.

Mit dem Änderungsantrag Nr. 15 verwende ich mich persönlich für die Rentner, weil diese Regelung zwar die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen innerhalb Europas erleichtert, jedoch nichts an den Schwierigkeiten der Freizügigkeit der Unionsbürger, insbesondere der Behinderten, im Gebiet der Union ändert.

Bei meiner Abreise vom Flughafen Bergamo Orio al Serio nach Straßburg begegnete ich einem sehr betagten, nämlich 80 Jahre alten Rentner, der mir erzählte, er wolle gern nach Paris umziehen, wo ihn seine Tochter aufnehmen würde, dass er dies aber nicht tun könne, da er ansonsten seine italienische Sozialrente als sein einziges Existenzmittel einbüßen würde. Eine zweite Person, ein Vollinvalide, berichtete mir von seinem Wunsch, nach London überzusiedeln, was jedoch nicht möglich sei, da ihm dann der Verlust seiner Rente drohe. Und ein Dritter, ein Behinderter, der sogar im Rollstuhl saß, wollte zu seinem Bruder ziehen, würde dann jedoch seinen Anspruch auf die Entschädigung für die Begleitung verlieren.

Unser Ziel muss daher die Freizügigkeit der Behinderten und der Rentner in der Europäischen Union sein.

 
  
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  Der Präsident. - Herr Kollege Fatuzzo! Sie haben mich sehr zum Nachdenken veranlaßt, wohin ich im Alter reisen werde.

Das Wort hat Herr Kommissar Vitorino.

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (FR) Herr Präsident, zunächst möchte ich Frau Boumediene-Thiery und alle an dieser Debatte Beteiligten beglückwünschen. Ich glaube, dass die Einführung der Unionsbürgerschaft für die Kommission ein neuartiges rechtliches und politisches Umfeld geschaffen hat, und wir für unseren Teil beabsichtigen, sowohl im legislativen Bereich als auch auf dem Sektor der täglichen Verwaltungspraxis sämtliche daraus folgenden praktischen Konsequenzen zu ziehen. Die Kommission zählt zu gegebener Zeit in hohem Maße auf die Unterstützung durch das Europäische Parlament.

Was den von Ihnen vorgelegten Entschließungsantrag anbelangt, so möchte ich lediglich zwei oder drei Punkte behandeln, bei denen die Kommission direkt angesprochen wurde. Die drei Richtlinien zum Aufenthaltsrecht für Nichterwerbstätige haben meines Erachtens mit Sicherheit Tausenden von Unionsbürgern ermöglicht, von diesem Recht Gebrauch zu machen, ohne auf besondere Probleme zu stoßen. Es gibt allerdings weiterhin einzelne Fälle von mangelhafter Anwendung der Richtlinien. Nun kann ich Ihnen aber versichern, dass die Kommission stets eingreift – und bestrebt ist, dies unter allen Umständen gewissenhaft zu tun–, auch wenn ihre Intervention nicht immer sichtbar ist, und in den Fällen, in denen keine Einigung erreicht werden konnte, zögert sie nicht, den betroffenen Staaten eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln. Die Bürgerbeschwerden, die mittels außergerichtlicher Verfahren von Seiten der Behörden in zufriedenstellender Weise geregelt werden, gehen in die Hunderte.

Die Tätigkeit der Kommission erstreckt sich aber auch auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten. Man könnte meines Erachtens mehrere Fälle aufzählen, in denen diese Intervention zu einer Änderung der Rechtsvorschriften von Mitgliedstaaten geführt hat und zuweilen sogar zu einer Prüfung von Fragen durch den Gerichtshof, für die letzterer positive Lösungen vorgegeben hat. Auch im Bereich der missbräuchlichen Verwendung des Begriffs der öffentlichen Ordnung durch die Mitgliedstaaten mangelt es nicht an Beispielen, und zwar vor allem im Falle der Ausweisung von Bürgern aus anderen Mitgliedstaaten. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass die Anzahl dieser Fälle inzwischen begrenzt ist und dass die Europäische Kommission angesichts derartiger Fälle stets die Maßnahmen ergreift, die laut Gemeinschaftsrecht vorgeschrieben sind.

Man kann allerdings nicht behaupten, die strikte Umsetzung des Gemeinschaftsrechts würde genügen, um die Einschränkungen der Freizügigkeit der Unionsbürger zu beseitigen, da zahlreiche Hemmnisse aufgrund der Lücken im Gemeinschaftsrecht weiter bestehen, die bereits im zweiten Bericht der Kommission über die Unionsbürgerschaft sowie im 1997 der Kommission vorgelegten Bericht der Hochrangigen Gruppe zu Fragen der Freizügigkeit unter Vorsitz von Frau Veil aufgeführt sind.

Im Übrigen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wir heute Vormittag über die Richtlinie zur Familienzusammenführung diskutiert haben und dass die Kommission in den Schlussfolgerungen von Tampere dazu verpflichtet wird, einen Vorschlag zur Anerkennung der Voraussetzungen für die Einreise, die Aufnahme und den Aufenthalt sowie zur Rechtsstellung der legal in die Union eingereisten Bürger aus Drittstaaten vorzulegen. Derzeit arbeiten wir an diesem Vorschlag.

Aus all diesen Gründen teilt die Kommission die Meinung mehrerer Mitglieder des Parlaments hinsichtlich der Notwendigkeit einer umfassenden Neugestaltung der bestehenden Texte im Rahmen eines einzigen Rechtsinstruments, das die ungehinderte Ausübung der Reise- und Aufenthaltsfreiheit regelt und garantiert. Diese Neugestaltung, die übrigens Teil des Aktionsprogramms der Kommission für das Jahr 2000 ist, wird bereits vorbereitet. Sie geht von der Vorstellung aus, dass die Beanspruchung der Reise- und Aufenthaltsrechte vom bisherigen Bezugspunkt der wirtschaftlichen Situation der Begünstigten getrennt werden muss, damit sie in Zukunft mit einem Konzept und einem Status verknüpft werden kann, die sich direkt aus der Bedeutung der Unionsbürgerschaft ableiten lassen.

Die Einmaligkeit des Status als Unionsbürger kann nur das Erfordernis einer gemeinsamen allgemeinen Reise- und Aufenthaltsregelung zur Folge haben, die der notwendigen inhaltlichen Bereicherung der Unionsbürgerschaft gemäß den politischen Bestrebungen der Union entspricht.

 
  
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  Der Präsident. - Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.

 

3. Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme
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  Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt die Empfehlung für die zweite Lesung (A5-0196/2000) von Frau Schörling im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik über den Gemeinsamen Standpunkt des Rates (C5-0180/2000 - 1996/0304(COD)) im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme.

 
  
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  Schörling (Verts/ALE), Berichterstatterin. – (SV) Herr Präsident! Ich freue mich sehr über das Vertrauen, als Berichterstatterin für die Empfehlung für die zweite Lesung betreffend die SEA-Richtlinie wirken zu dürfen. Ich halte diese Richtlinie für einen wichtigen Schritt in Richtung auf eine neue Handlungsweise in der Umweltpolitik und möchte allen Kollegen im Umweltausschuss, der Kommission und insbesondere der portugiesischen Ratspräsidentschaft für die ausgezeichnete Zusammenarbeit danken.

In diesem Richtlinienentwurf geht es um strategische Umweltprüfungen, auf englisch SEA, was kurzgefasst einen systematischen Prozess zur Identifizierung, Analyse und Bewertung der Einflüsse und wahrscheinlichen Auswirkungen verschiedener Pläne und Programme auf die Umwelt bedeutet. Diese sind während einer frühestmöglichen Planungsphase durchzuführen, um z. B. vor der Weiterführung des Entscheidungsprozesses alternative Lösungen zu finden. In diesem Zusammenhang ist ein Umweltbericht zu erstellen, der den Umweltbehörden, der Öffentlichkeit und den Umweltorganisationen zugänglich gemacht wird, wobei diese genügend Zeit haben müssen, den Bericht zu kommentieren.

Es handelt sich hier um eine für die Umweltpolitik der gesamten Gemeinschaft außerordentlich wichtige Richtlinie, die dazu beiträgt, die sich aus dem Vertrag und anderen Übereinkommen über eine nachhaltige Entwicklung und die Beachtung des Vorsorgeprinzips ergebenden Verpflichtungen leichter erfüllen zu können. Eine moderne Umweltpolitik, die diesen Namen auch verdient, muss darauf ausgerichtet sein, Umweltschäden vorzubeugen und Umweltauswirkungen zu begrenzen. Gegenwärtig läuft sie oftmals auf den Versuch hinaus, bereits entstandene Schäden zu erkennen und zu reparieren. Wir müssen jedoch lernen, schon in der Planungsphase von Politiken, Plänen und Programmen negative Umweltauswirkungen zu vermeiden und zu begrenzen. Die SEA-Richtlinie stellt einen sehr wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer solchen Verhaltensweise dar.

Leider hat dieser Richtlinienentwurf die Politiken nicht mit aufgenommen, obwohl sie im ursprünglichen Entwurf der Kommission von 1991 enthalten waren und obwohl alle auf diesem Gebiet tätigen Wissenschaftler es als selbstverständlich betrachten, dass auch die Politiken einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) unterzogen werden müssen. Es ist nicht gelungen, dies im Rat zu verankern, aber der Umweltausschuss war der Ansicht, dass in dem fünf Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie zu erstellenden Bericht auch die Politiken berücksichtigt werden müssen. Dies ist in den Änderungsanträgen 2 und 21 dargelegt.

Ein entscheidendes Argument bei der endgültigen Vorlage des Entwurfs der Kommission 1996 war, dass die Prüfung auf Projektebene viel zu spät im Entscheidungsprozess einsetzt. Die Prüfung in einer frühen Phase des Entscheidungsprozesses ist daher einer der Hauptpunkte der Richtlinie.

Bei der ersten Lesung hatte das Europäische Parlament eine Reihe von Anmerkungen. Es war der Ansicht, dass dies ein Vorschlag auf dem richtigen Weg sei, der jedoch in vielen Bereichen große Unzulänglichkeiten aufweise. Das Parlament reichte 29 Änderungsanträge ein, von denen 15 in mehr oder weniger großem Umfang in den Gemeinsamen Standpunkt aufgenommen wurden.

Damit eine SUP ein wirklich brauchbares Instrument werden kann, muss die Richtlinie einen ausreichend großen Geltungsbereich besitzen, und der Umweltbericht und die Auswertungen müssen natürlich eine sehr hohe Qualität aufweisen. In dem Gemeinsam Standpunkt hat der Rat nun den Text in mehreren Bereichen verwässert, insbesondere gerade in der Frage des Geltungsbereichs der Richtlinie und der Definition der von ihr einbegriffenen Sektoren. Auch die Kommission hat diesen Gemeinsamen Standpunkt kritisiert, da er im Vergleich zum Ausgangstext viel zu begrenzt ist.

Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik hat versucht, das Gleichgewicht teilweise wiederherzustellen, u. a. durch die Änderungsanträge 6 und 7, die den Geltungsbereich erweitern und ihn nicht nur auf an UVK-Projekte gebundene Pläne und Programme beschränken. Es dürfen nicht ganze Kategorien von Plänen und Programmen ausgenommen werden. Ebenso wenig können wir akzeptieren, dass Finanzpläne und die gesamte Landesverteidigung von der Strategischen Umweltprüfung ausgenommen werden. Diese Frage wird in Änderungsantrag 10 behandelt, mit dem auch erreicht werden soll, dass in der nächsten Runde auch die Strukturfonds einer SUP unterzogen werden. In anderen Änderungsanträgen, die die Richtlinie verbessern, geht es um größere Offenheit und Transparenz sowie um eine verbesserte Zusammenarbeit und Konsultation mit Ländern außerhalb der Gemeinschaft.

Ich persönlich bin sehr erstaunt über den von Herrn Nassauer und 29 weiteren Abgeordneten eingereichten Änderungsantrag 26, mit dem der Gemeinsame Standpunkt abgelehnt werden soll. Während der Behandlung im Ausschuss wurde diese Möglichkeit überhaupt nicht erwähnt. Natürlich haben diese Abgeordneten das volle Recht, so etwas vorzuschlagen, aber sind sie denn tatsächlich der Meinung, dass die Umweltpolitik der EU etwas Aufgesetztes ist, das zu nichts verpflichtet? Soll das Europäische Parlament sich einfach nicht um den Vertragstext, die Übereinkunft von Cardiff, das fünfte Umweltprogramm usw. kümmern? Ich halte diesen Vorschlag eigentlich nicht für seriös.

Auch die Änderungsträge 11 und 31 bereiten mir Sorge. Insbesondere in Änderungsantrag 11 wird gefordert, dass, wenn Pläne und Programme zu einer Plan- oder Programmhierarchie gehören, die Mitgliedstaaten die Ebene definieren sollen, auf der die SUP durchgeführt wird. Damit wird jedoch der Grundgedanke der Durchführung von Strategischen Umweltprüfungen insgesamt in Frage gestellt. Darum hoffe ich, dass diese Änderungsanträge abgelehnt werden.

 
  
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  Bowis (PPE-DE).(EN) Herr Präsident, dies ist eine kleine, aber wichtige Maßnahme, um die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Durchführung strategischer Umweltprüfungen auf die Planungsebene sowie auf die Ebene der ausgearbeiteten Pläne auszuweiten, da gerade hier erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt entstehen bzw. entstehen können. Alle Mitgliedstaaten haben sich für den Gemeinsamen Standpunkt ausgesprochen, einige haben jedoch bereits klargestellt, dass sie zu weiterreichenden Schritten nicht bereit sind. Unsere Aufgabe ist es, den vorliegenden Text noch klarer zu gestalten und, wo dies sinnvoll erscheint, zu ändern, und ich möchte der Berichterstatterin, Frau Schörling, im Namen der PPE-DE zu ihrer Arbeit und zur Konsultation des Parlaments gratulieren. Wir werden jedoch einige ihrer Änderungsanträge ablehnen, insbesondere diejenigen, die darauf abzielen, das System in überzogener Weise auf alle Finanzpläne, auf die Landesverteidigung und den Katastrophenschutz, auf die Konsultation und auf die allgemeinen Politiken auszudehnen, die sie eben erwähnte, da es sich hierbei eher um eine Wunschliste denn um handfeste Vorschläge handelt.

Wir sind jedoch auch der Auffassung, dass es wenig sinnvoll ist, Projekte auszunehmen, die teilweise oder vollständig von der Europäischen Union finanziert werden, insbesondere die Strukturfonds, und wir befürworten sicherlich auch, in Kontakt zu treten mit Nachbarstaaten, die nicht der Europäischen Union angehören. Rückmeldungen in ausreichendem Umfang sind ebenfalls wichtig, und zwar nicht nur im Hinblick auf die in der Umweltprüfung festgestellten Umweltgefahren, sondern auch in Bezug auf die Maßnahmen, die zur Milderung dieser Auswirkungen vorgeschlagen werden. Wir müssen auch Änderungsantrag 26 prüfen, der im Namen einiger unserer deutschen Kollegen eingereicht wurde, und mit dem der Gemeinsame Standpunkt abgelehnt wird. Ich verstehe die Bedenken der Kollegen aus Deutschland und einigen Teilen Italiens. Sie wurden durch die Art und Weise verursacht, in der einige Regierungen und Regionalregierungen diese Umweltprüfungen umsetzen. Diese Regierungen bringen die Umweltprüfungen und Europa mit ihren eigenen übersteigerten Maßnahmen in Misskredit, und sie sollten bei der Gestaltung ihrer nationalen Politiken mit etwas mehr Bedacht vorgehen.

Dies ist jedoch eine Subsidiaritätsmaßnahme, bei der die Details den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Es ist nicht die starke Hand Europas, die hier in die lokalen Planungen eingreift. Mit der Maßnahme wird jedoch sichergestellt, dass wir insbesondere an unseren jeweiligen Grenzen bei unseren Planungen und Programmen die Umweltqualität innerhalb der Landesgrenzen und auch grenzübergreifend berücksichtigen. Wir halten das für wichtig, und meine Fraktion, die PPE-DE, wird aus diesem Grund Änderungsantrag 26 nicht unterstützen und für den Gemeinsamen Standpunkt stimmen. Wir werden für die Änderungsanträge stimmen, die wir im Ausschuss unterstützt haben, und auch einen nachträglich eingereichten klärenden Änderungsantrag befürworten. Ablehnen werden wir jedoch die Änderungsanträge, die aus unserer Sicht zu weit gehen und nicht wünschenswert, praktikabel und akzeptabel sind.

 
  
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  Sacconi (PSE). - (IT) Herr Präsident, die Richtlinie, über die wir sodann abstimmen werden, bedeutet einen wichtigen Schritt nach vorn. Die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung in einer äußerst frühen Phase der Raumordnungsplanung ermöglicht es in der Tat, die Umweltbelange bereits ab dem Zeitpunkt des Entwurfs von Raumordnungsplänen und ­programmen vollständig zu berücksichtigen. Die Union hat endlich begriffen, dass man sich nicht länger darauf beschränken darf, die durch eine kurzsichtige Planung entstandenen Schäden im Nachhinein zu begrenzen oder zu beheben, sondern dass sie so frühzeitig wie möglich verhütet werden müssen.

Durch die im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik angenommenen Änderungsanträge wurde der Gemeinsame Standpunkt maßgeblich verbessert.

Als Erstes wurde bekräftigt, dass der Geltungsbereich der Richtlinie so weit wie möglich auszudehnen ist, wenn man wirklichen Einfluss auf die nationalen Gepflogenheiten nehmen will. In diesem Zusammenhang vertrete ich die Ansicht, dass die im Rahmen der Strukturfonds finanzierten Pläne und Programme unbedingt in den Wirkungsbereich der Richtlinie fallen müssen, da sie insbesondere in den Regionen mit Entwicklungsrückstand praktisch die Gesamtheit der durchgeführten Programme ausmachen.

Zum Zweiten wurde der Grundsatz der Konsultation und Information der Öffentlichkeit und der betreffenden Organisationen während der gesamten Bewertung wiederaufgenommen, wodurch auch die Übereinstimmung der Richtlinie mit dem Aarhus-Übereinkommen gewährleistet wird.

Insgesamt handelt es sich meines Erachtens um einen guten Text. Ich habe Verständnis für die Sorgen der Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern mit einem föderalen Staatsmodell, die eine Überlastung ihrer örtlichen Behörden befürchten, doch halte ich die vorgenommenen Änderungen, die insbesondere mit den Änderungsanträgen 19, 29 und 31 erfolgten, für ausreichend, um eine Überlagerung der beiden Richtlinien zu vermeiden und andererseits den Schutz der Umwelt zu garantieren.

 
  
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  Olsson (ELDR).(SV) Herr Präsident! Jeden Tag erreichen uns Nachrichten über Umweltveränderungen. Letzten Sonntag war in einer schwedischen Radiosendung zu hören, dass man sich in Mittelschweden in den nächsten Jahren auf eine um 50 % höhere Niederschlagsmenge einstellen müsse. Umweltfragen sind heute auf die eine oder andere Weise stets in der öffentlichen Meinung präsent. Darum müssen sie auch besser in die politische Arbeit einbezogen werden. Aus diesem Grund möchte ich Frau Schörling zu einem sehr guten Bericht beglückwünschen, der darauf aufmerksam macht, dass den Umweltaspekten bereits in einer frühen Phase Aufmerksamkeit zu widmen ist. Die Umweltfragen müssen im Prinzip die gesamte Arbeit, und vielleicht insbesondere die auf wirtschaftlichem Gebiet, durchdringen.

In Bezug auf Pläne, Baupläne usw. ist es natürlich von enormer Bedeutung, den Umweltaspekten, wie in diesem Bericht vorgeschlagen, frühestmögliche Aufmerksamkeit zu schenken, um Fehler und erhöhte Kosten zu vermeiden und so früh wie möglich in die richtige Spur zu kommen.

Ich halte es für sehr gut und richtig, dass Frau Schörling die Notwendigkeit aufgreift, den Geltungsbereich der Richtlinie zu erweitern. Auch die finanzielle Arbeit muss einer Umweltprüfung unterzogen werden. Für die EU, die einen sehr großen Teil ihres Haushalts für die Agrarpolitik, die Regionalpolitik und die Strukturfonds ausgibt, ist es natürlich selbstverständlich, dass eine Umweltprüfung in allen diesen Bereichen vorgenommen wird. Wir können das zwar nicht sofort überall durchführen, aber so bald als möglich beim Erstellen neuer Pläne verwirklichen. Es geht einfach nicht an, dass wir heute mit EU-Mitteln Aktivitäten in diesen Sektoren fördern, die in anderem Zusammenhang vom Standpunkt des Umweltschutzes aus bekämpft werden.

Wir müssen versuchen, ein System zu schaffen, in dem wir von Anfang an die Umweltproblematik berücksichtigen, auch im Hinblick auf finanzielle Fragen. Das ist eine große und wichtige Aufgabe. Ich verstehe, dass viele in diesem Hause mir darin nicht zustimmen, aber ich persönlich und meine Fraktion unterstützen Frau Schörling hier voll und ganz.

 
  
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  González Álvarez (GUE/NGL).(ES) Herr Präsident! Ich will kurz auf vier Themen eingehen, die im Umweltausschuss heiß diskutiert wurden. Wir sind grundsätzlich für den Vorschlag des Umweltausschusses und seiner Berichterstatterin.

Was die Einbeziehung einiger der Sektoren in die Richtlinie betrifft, insbesondere der Grundstoffgewinnungs- und der Verteidigungsindustrie, so sollten sie nicht ausgeklammert werden. Natürlich muss man dabei die erforderliche Vorsicht walten lassen.

Auch auf die Einbeziehung der Wasserwirtschaft möchte ich Nachdruck legen. Demnächst wird die spanische Regierung einen ehrgeizigen Plan, den Nationalen Hydrologischen Plan, vorlegen, der zweifellos große Auswirkungen auf die Gebiete haben wird, in denen er umgesetzt wird. Wir halten es für zwingend notwendig, diese Verträglichkeitsprüfungen durchzuführen.

Sehr wichtig ist für uns auch der Aspekt der Öffentlichkeit und Transparenz. Es existiert eine Richtlinie über das Recht auf den Zugang zu Informationen, die Nr. 313, die von den Staaten sowie den lokalen und regionalen Behörden wiederholt nicht eingehalten wurde.

Auch die Qualität der Studien und das Thema Gesundheit müssen in den Kreis der wichtigen betroffenen Sektoren aufgenommen werden. Eine gute Umweltqualität und ein guter Gesundheitszustand sind eng miteinander verknüpft.

 
  
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  Hyland (UEN).(EN) Herr Präsident, ich freue mich über die Gelegenheit, einen kurzen Beitrag zu dieser Debatte leisten zu können, und möchte die positive Rolle des Parlaments bei der Einführung höchster Standards zum Schutz der Umwelt hervorheben. Umweltschutzmaßnahmen kosten natürlich Geld, doch zahlen sie sich letztendlich aus, auch wenn es schwierig ist, die Rendite zu beziffern, die aber dennoch vorhanden ist.

Die vorgeschlagene Richtlinie, wonach vor der Annahme eines regionalen Stadtplanungs- und Raumordnungsplans eine Umweltprüfung vorgenommen werden muss, ist aus umwelttechnischer und wirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Allzu oft sind in der Vergangenheit teure Entwicklungspläne gescheitert, weil Umweltaspekte in den ersten Planungsphasen nicht berücksichtigt wurden.

Abschließend möchte ich an die Planungsexperten appellieren, ihren gesunden Menschenverstand einzusetzen und die Meinung der Öffentlichkeit und von Bürgerinitiativen zu berücksichtigen. Mit den bislang viel zu häufig eingesetzten Schulbuchmethoden ist den Bedürfnissen der Bürger in diesem wichtigen Bereich nicht immer Rechnung getragen worden. Die Planung darf nicht allein denjenigen vorbehalten sein, die eine akademische Qualifikation vorzuweisen haben. Die gewählten Vertreter der Bürger müssen bei der Ausarbeitung von Erschließungsmaßnahmen, die sich letztendlich auf die Bürger der Union auswirken, größere Sorgfalt und mehr Rücksichtnahme an den Tag legen.

 
  
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  Blokland (EDD).(NL) Herr Präsident! Strategische Umweltprüfungen stellen für die Behörden ein Instrument zur Beurteilung der Frage dar, ob bestimmte Pläne, Programme und Politiken dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung entsprechen. Damit erreichen wir eine bessere Einbeziehung von Umweltbelangen in die Wirtschaft, da auch bei makroökonomischen Entscheidungen zuvor eine strategische Prüfung der Umweltauswirkungen vorgenommen werden muss. Für die öffentliche Verwaltung ist es deshalb wichtig, sich über den Nutzen dieses Instruments völlig im Klaren zu sein, um somit Umweltschäden so weit wie möglich zu verhindern.

Ebenso muss exakt festgelegt werden, bei welchen Plänen eine Prüfung der Umweltauswirkungen erforderlich ist und bei welchen nicht. Der Rat hat sich eingehend mit dieser Frage befasst. Dass öffentlichen Einrichtungen Projekte einschließlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorzulegen sind, ist begrüßenswert. Eine öffentliche Verwaltung kann in diesem Fall auch entscheiden, dass Pläne, Programme oder Politiken nicht durchgeführt, sondern rechtzeitig eingestellt bzw. durch eine umweltverträglichere Alternative ersetzt werden.

Andererseits besteht die große Gefahr, dass bei zu vielen Plänen und Programmen Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgenommen werden müssen. Wenn bei Plänen und Programmen mit nur geringen Umweltauswirkungen akribische Untersuchungen durchgeführt werden, bedeutet dies Energieverschwendung. Noch schlimmer ist, dass das Instrument als solches dadurch entwertet wird. Der Vorschlag des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik, sämtliche Finanzpläne einzubeziehen, geht deshalb in dieser Hinsicht zu weit.

 
  
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  Myller (PSE). - (FI) Herr Präsident! Die beste Form der Einbeziehung von Umweltfragen in alle Politikbereiche besteht darin, diese Umweltaspekte in einer möglichst frühen Planungsphase zu berücksichtigen. So gehen wir Problemen aus dem Weg, die derzeit auftreten, wenn Bodennutzung, wirtschaftliche Tätigkeit und Erwartung der Bürger in Einklang gebracht werden sollen. Es wird eine strategische Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen, die neben der Raumordnung auch Programme in den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr, Tourismus und Energie erfasst. Um alle diese wichtigen Fragen koordinieren und sowohl unter Berücksichtigung von Umweltaspekten wie auch sozialer Aspekte nachhaltig umsetzen zu können, bedarf es ausreichend langfristiger Pläne. Langfristig heißt, Einzelmaßnahmen mit Hilfe dieser Pläne zu steuern. In diesem Sinne haben wir der Berichterstatterin für die gute Arbeit zu danken.

Es versteht sich von selbst, auch die Programme, Pläne und Maßnahmen im Rahmen der Strukturfonds bei der Erörterung dieser Frage einzubeziehen. Ebenso wichtig ist es, auf allen Ebenen richtig vorzugehen, Dinge nicht zu verkomplizieren oder zu bürokratisch zu gestalten, sondern ständig alle neuen Erkenntnisse zu berücksichtigen. Hier ist die Furcht vor der Überschneidung von Maßnahmen vielleicht zu groß, ich hoffe aber, dass wir nach dieser Aussprache einen guten Bericht vorliegen haben werden.

 
  
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  Lange (PSE). - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein neues Instrument und entspricht dem Artikel 6 des Vertrags von Amsterdam, der Integration der Umweltpolitiken in andere Bereiche. Es ist ein zartes Pflänzchen, und wir wollen alle, dass es ein Erfolg wird. Ich will auch, dass es bei meinen Bürgerinnen und Bürgern zu Hause ein Erfolg wird. Deshalb stelle ich mir manchmal die Fragen, die diese sich auch stellen. Wenn ich mir den Vorschlag des Rates anschaue, gehe ich davon aus, dass ein Bürger die Frage stellen wird: Wie kann es sein, dass da etwas geprüft werden soll, nachdem die Europäische Union die Pläne und Projekte herausgenommen hat, die von der Europäischen Union selbst finanziert werden? Das kann doch nicht sein! Das sehe ich genau so. Der Anwendungsbereich muss auch auf Bereiche erweitert werden, die von der Europäischen Union finanziert werden.

Zweitens wird der Bürger gerade in der Bundesrepublik Deutschland sich vielleicht fragen, warum auf Landesebene, auf Bundesebene, auf der Ebene der Bezirksregierung und auf kommunaler Ebene geprüft wird und damit die Verfahren in die Länge gezogen werden. Ich meine, dass das nicht vertretbar ist. Es kommt auf die Sache an und nicht darauf, dass auf jeder Ebene das Gleiche noch einmal geprüft wird. Deswegen müssen wir deutlich sagen: Doppelarbeit muss vermieden werden! Insofern unterstütze ich ausdrücklich den Änderungsantrag 31 von Guido Sacconi.

Eine dritte Frage wird der Bürger sich vielleicht stellen: Warum geschieht nichts, nachdem geprüft wurde und vielleicht bestimmte Konsequenzen aufgezeigt wurden? Deswegen müssen wir deutlich machen, dass die Regelung auch verbindlich ist. Es kann doch nicht sein, dass eine Prüfung durchgeführt und das Ergebnis abgeheftet wird und in den Aktenordnern verschwindet! Wir brauchen eine verbindliche Verpflichtung dazu, dass auch umgesetzt wird, was an Ergebnissen herauskommt. Deswegen unterstütze ich nachdrücklich die Änderungsanträge 17 und 18, damit wir etwas mehr Verbindlichkeit für die Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen nach der Prüfung durchsetzen können. In diesem Sinne wünsche ich dem Bericht von Frau Schörling guten Erfolg.

 
  
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  De Palacio, Kommission. – (ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin für ihren konstruktiven Standpunkt und ihre Bereitschaft zum Dialog mit allen beteiligten Seiten – einschließlich der Dienste der Kommission – meinen Dank aussprechen. Ich hoffe, dass wir dadurch abschließend zu einem positiven Ergebnis zu dieser Richtlinie kommen werden. Gleichzeitig möchte ich die Qualität des heute behandelten Berichts herausstellen und auf die meiner Meinung nach wichtigsten Probleme eingehen, die im Rahmen der verschiedenen Änderungsanträge und der Wortmeldungen der Parlamentsmitglieder angesprochen wurden, denen ich aufrichtig für ihre Erläuterungen und Stellungnahmen danke.

Erstens würde ich den Schlüsselfragen jene Änderungsanträge zurechnen, die den Anwendungsbereich der künftigen Richtlinie zu erweitern trachten. Der gemeinsame Standpunkt unterscheidet deutlich zwischen den Plänen, für welche die strategische Umweltprüfung obligatorisch ist, und jenen, bei denen eine Auswahl getroffen, ein Screening durchgeführt werden muss. Die Kommission neigt zu diesem Konzept unter der Bedingung, dass der gemeinsame Standpunkt verbessert wird, da er unserer Ansicht nach ansonsten unzureichend wäre.

Vor allem muss es eine Ausgewogenheit geben zwischen den Plänen, für die diese strategische Umweltprüfung obligatorisch ist, und jenen, bei denen eine Auswahl zu treffen ist.

Zweitens muss der Geltungsbereich der Richtlinie in jedem Fall weit genug sein und systematisch jene Pläne erfassen, die eine wesentliche Auswirkung auf die Umwelt haben.

Deshalb unterstützt die Kommission mit Enthusiasmus einige Änderungsanträge des Parlaments, die den Geltungsbereich dieser Richtlinie gleichgewichtig erweitern, wie beispielsweise Änderungsantrag 5 in seinem zweiten und fünften Teil, auf den neben der Berichterstatterin mehrere Redner eingegangen sind, wie Frau González, und in dem die Einbeziehung der Grundstoffgewinnung vorgeschlagen wird. Dazu gehört ebenso Änderungsantrag 6.

Einige Änderungsanträge indes, die die strategische Umweltprüfung auch für solche Pläne fordern, die sehr wahrscheinlich keine wesentlichen Auswirkungen auf die Umwelt haben werden, gehen nach unserem Dafürhalten zu weit. Änderungsantrag 5 zum Beispiel würde in seinem vierten Teil diese Prüfungen für alle Pläne der in der Richtlinie genannten Sektoren zwingend vorschreiben; Änderungsantrag 10, Teil 3, würde eine unnötige Belastung für die Mitgliedstaaten darstellen.

Mehrere Änderungsanträge schränken den Geltungsbereich noch weiter ein und stehen zu dem eben Gesagten in echtem Widerspruch. Manche Änderungsanträge würden den Geltungsbereich reduzieren, wie Nr. 3, der ihn auf die von der EU finanzierten Pläne beschränkt, oder die Änderungsanträge 11 und 31, die den Staaten die Auswahl einer oder mehrerer Planungsebenen gestatten, auf denen sie diese strategischen Umweltprüfungen vornehmen. Auf diese Weise wäre eine große Zahl von Plänen mit Folgen für die Umwelt ausgeschlossen. Wenn aber das Parlament diese Änderungen zusammen mit jenen Änderungen, die die Pläne ohne wesentliche Auswirkungen einbeziehen wollen, annehmen würde, kämen wir meiner Meinung nach zu einem in sich inkohärenten Text.

Diese Änderungsanträge erscheinen mir aus der Furcht vor einer Mehrfachprüfung geboren. Diese Befürchtung ist nach meiner Ansicht nicht ganz berechtigt. Die Planung vollzieht sich gewöhnlich auf unterschiedlichen Ebenen, und jede hat ihre eigene Spezifik. Die Durchführung von Prüfungen auf verschiedenen Planungsebenen ist keine Mehrfachprüfung, besonders nicht angesichts der bereits in den Artikeln 4, 5 und 10 des gemeinsamen Standpunkts enthaltenen Schutzbestimmungen, die gerade diese Doppelarbeit vermeiden sollen, auf die sich beispielsweise Herr Lange bezog.

Drittens möchte ich auf die Änderungsanträge hinweisen, in denen die Auswahlverfahren, die Definition des Prüfungsumfangs – Nr. 7, 8 und 13 – sowie die Verfahren der Planung und Programmierung der Auswahl und der Festlegung des Prüfungsumfangs beschrieben werden und die eine Einzelfallprüfung unter Mitwirkung der Öffentlichkeit in jedem Einzelfall fordern. Das Ziel der Auswahl und der Festlegung des Prüfungsumfangs besteht darin, schnell und effizient zu entscheiden, welche Pläne und welche Umweltprobleme am relevantesten sind. Um festzulegen, wie mit diesen Problemen am besten umzugehen ist, bedarf es praktischer Erfahrungen. Deshalb glauben wir, dass es noch zu früh ist, um sagen zu können, dass alle Umstände eine breite Auswahl und einen großen Umfang rechtfertigen. Wenn also die Mitgliedstaaten die Bestimmungen über die Auswahl und die Festlegung des Umfangs in ihre nationale Gesetzgebung aufnehmen, können sie unserer Meinung nach durchaus über die Forderungen der Richtlinie hinausgehen, und aus diesem Grund werden wir diese Änderungsanträge nicht akzeptieren.

Ebenso wenig akzeptieren wir den Änderungsantrag – Nr. 26 –, der die Ablehnung des gemeinsamen Standpunkts bedeutet und anderen Konzepten widerspricht. Ich halte es nicht für erforderlich, darauf hinzuweisen, dass diese Richtlinie über die strategische Umweltprüfung ein Schlüsselinstrument für die Einbeziehung der Umwelt in die Politik und für die Förderung der dauerhaften Entwicklung in der Europäischen Union darstellt. Die Ablehnung des gemeinsamen Standpunkts würde meiner Ansicht nach einen schweren Schlag gegen diese Prinzipien darstellen, die das Kernstück der Verträge bilden und unsere gesamte Politik beeinflussen müssen.

Ich nehme an, einigen von Ihnen erscheint dies als unzureichend, aber man darf nicht vergessen, dass des Guten manchmal zu viel getan wird. Es muss eine akzeptable Lösung gefunden werden, die ein Schritt vorwärts ist und die eine Blockadesituation verhindert. Herr Präsident, nach sorgfältiger Prüfung aller Änderungsanträge würde ich sagen, dass die Kommission die Änderungsanträge 1, 5 (den zweiten und fünften Teil), 6, 12, 28 (den ersten Teil) und 29 akzeptieren kann. Die Änderungsanträge 9 (der Teil, der sich auf die Forderung des Nachweises bezieht, dass die strategische Umweltprüfung nicht erforderlich ist), 10 (der erste und zweite Teil), 15, 17, 18, 20, 23, 24 und 25 sind im Prinzip annehmbar, aber nach einer gewissen Überarbeitung ihres Wortlauts. Dagegen kann die Kommission die Änderungsanträge 2, 3, 4, 5 (den ersten, dritten und vierten Teil), 7, 8, 9 (den Teil über die Forderung, die Notwendigkeit einer strategischen Umweltprüfung nachzuweisen), 10 (den dritten Teil), 11, 13, 14, 16, 19, 21, 22, 26, 27, 28 (den zweiten Teil), 30 und 31 keinesfalls akzeptieren.

 
  
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  Der Präsident. - Vielen Dank, Frau Kommissarin!

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.

 

4. Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände
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  Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0213/2000) von Herrn Bouwman im Namen der Delegation des Parlaments im Vermittlungsausschuss über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (C5-0348/2000 - 1998/0249(COD)) über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände.

 
  
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  Bouwman (Verts/ALE), Berichterstatter.(NL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Anwesende! Wir behandeln hier eine Richtlinie zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung, zu der im Laufe dieses Jahres noch weitere hinzukommen werden. Ich verweise natürlich auf die „Erika“-Richtlinien, die später vorgelegt werden sollen. Es wäre sicherlich ein sehr schöner Auftakt für dieses Halbjahr der französischen Ratspräsidentschaft, wenn die vorliegende Richtlinie heute in diesem Hause angenommen würde, die insbesondere das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament ist. Deshalb möchte ich auch ein Wort des Dankes an die Vertreter des Rates – sowohl unter portugiesischer Präsidentschaft, die eine wichtige Rolle gespielt hat, als auch, im letzten Stadium, unter französischem Vorsitz –, an die Kommission, an die Mitarbeiter sowie an meine Kolleginnen und Kollegen im Vermittlungsausschuss richten.

Den Kernpunkt des Vorschlags bildet selbstverständlich – und darüber haben wir bereits gesprochen – die für Schiffe geltende Vorschrift, sich anzumelden und Abfälle zu entladen. Die Häfen sind verpflichtet, Abfallbewirtschaftungspläne zu erstellen und für die Bereitstellung von Abfallentsorgungsanlagen bzw. für die Präsenz von Organisationen zu sorgen, die eine solche Behandlung durchführen. Damit soll vermieden werden, dass sich das ohnehin gravierende Problem der Meeresverschmutzung noch weiter verschärft. Einer vor kurzem veröffentlichten Studie der KIMO Coast Watch zufolge nehmen die Abfallmengen an den Stränden weiter zu, wird das Meer nach wie vor verschmutzt, bestehen ausgefeilte Technologien zum Einleiten von sludge in Meerwasser usw.

Betrachten wir die in einigen Häfen bereits vorhandenen Entsorgungseinrichtungen, so ist festzustellen, dass die Entladungen sogar ab- anstatt zunehmen. Dem MARPOL- und den sonstigen Übereinkommen zufolge muss Abfall offiziell entladen werden, was jedoch in der Praxis offensichtlich nicht der Fall ist. Deshalb hat die Kommission zu Recht eine Richtlinie vorgeschlagen, die vor kurzem Gegenstand des Vermittlungsverfahrens war.

In diesem Zusammenhang sollte vielleicht dargelegt werden, welche Verhandlungsergebnisse erreicht worden sind, denn letzten Endes hatten wir uns ein bestimmtes Ziel gesetzt, das wir nun gemeinsam bewerten müssen, um anschließend in diesem Parlament entscheiden zu können, ob wir einverstanden sind oder nicht. Das wichtigste Element war letztendlich die Finanzierung, und die ist ja nicht unwesentlich. Sie ist insofern von Bedeutung, als wir hoffen, abgesehen von den bestehenden Verpflichtungen, Schiffen auch durch ein Gebührensystem Anreize zur Entladung zu bieten. Deshalb haben wir lange Beratungen mit dem Rat geführt, und dank der wertvollen Unterstützung seitens der Kommission werden nun finanzielle Anreize in der einen oder anderen Form in die Richtlinie aufgenommen.

Das Parlament hatte 90 % vorgesehen, die in irgendeiner Form über Hafengebühren gedeckt werden sollten. Im Ausschuss haben wir zwar mehrere Varianten erörtert, aber letztendlich beschlossen, damit in die Verhandlungen zu gehen. Der Rat hat nach ausführlichen Beratungen entschieden, weder den Begriff „wesentlich“ in den Text aufzunehmen, noch darin einen konkreten Prozentsatz festzulegen. Im Hinblick auf die bereits in einem früheren Stadium besprochene Revisionsklausel ist eine solche Festlegung jedoch letzten Endes wesentlich.

Weshalb ist dieser Prozentsatz wichtig? Aus dem einfachen Grund, dass bei Anwendung des Verursacherprinzips, das wir normalerweise befürworten, jedes Schiff eine Hafengebühr entrichten, aber auch beschließen kann, Abfälle einfach ins Meer zu kippen. Mit anderen Worten, dieses Prinzip greift in diesem Fall nicht richtig. Deshalb haben wir darauf verzichtet und sind der Meinung, die Kostendeckung müsse in der nun festgelegten Weise erfolgen. Die Quote, auf die man sich nunmehr geeinigt hat und die gemäß der Erklärung der Kommission bei mindestens 30 % liegt, findet unsere Zustimmung, zumal auch die Revisionsklausel angenommen wurde, mit der vereinbart worden ist, dass drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie eine erneute Bewertung erfolgt und geprüft werden soll, ob die Menge der entladenen Schiffsabfälle zugenommen hat oder ob eine Situation entstanden ist, aufgrund derer der Prozentsatz eventuell erhöht bzw. das System geändert werden soll. Damit können wir uns einverstanden erklären.

Erwähnt werden sollte vielleicht, dass wir über die von uns angestrebte Überprüfungspflicht für 25 % der Schiffe ebenso eine Einigung erzielen konnten, wie über einen Ausgleich für den Fall, dass bei der Abfallentsorgung Verzögerungen eintreten, wobei in diesem Zusammenhang vor allem die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zum Tragen kommen.

Für kleine Schiffe wurden einige Ausnahmen vorgesehen, und zwar weniger nach dem Kriterium der Länge, als der Zahl der Fahrgäste, nämlich zwölf. Für sie jedenfalls besteht keine Meldepflicht, aber sie müssen selbstverständlich Abfälle entladen. Kleine Häfen müssen in Kürze wesentliche Anstrengungen unternehmen, um dieser Richtlinie Genüge zu tun.

Abschließend kann gesagt werden, dass wir für traditionelle Segelschiffe, für die zunächst durch Aufstellung einer spezifischen Liste eine Ausnahmeregelung erfolgen sollte, beschlossen haben, uns damit einverstanden zu erklären, dass – das MARPOL-Übereinkommen betreffend – sewage hinzugefügt wird.

Ich möchte nochmals allen und insbesondere meinen Kolleginnen und Kollegen danken.

 
  
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  Jarzembowski (PPE-DE). - Herr Präsident, liebe Frau Vizepräsidentin, liebe Kollegen! Die EVP-Fraktion stimmt, mit einem Vorbehalt, dem Ergebnis mit Freuden zu, denn letztlich bringt die neue Richtlinie Fortschritte für den Schutz der Meere und für faire Rahmenbedingungen unter den Häfen in der Union. Die Bedeutung der Richtlinie liegt zunächst und vorrangig darin, dass alle Mitgliedstaaten verpflichtet werden, endlich in allen Häfen, in denen dies erforderlich ist, die Einrichtung von Hafenauffanganlagen innerhalb der nächsten zwei Jahre sicherzustellen. Ferner werden die Kapitäne verpflichtet, diese Einrichtungen zu nutzen. Wir hoffen, dass damit über den Grundsatz dieser beiden Verpflichtungen das illegale Einbringen von Schiffsabfällen in die Meere vermindert und so der Meeresumweltschutz verstärkt und auch die Wettbewerbssituation zwischen den Häfen verbessert wird.

Ich glaube, dass das Vermittlungsverfahren letztlich erfolgreich war, denn wir haben immerhin durchsetzen können, dass Schiffe unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Einrichtung einen wesentlichen Beitrag zu den Kosten leisten müssen. Wir als Parlament wären lieber mit unserer Forderung durchgekommen, dass „wesentlich“ mindestens 90 % sind, denn das hätte die Erfüllung der Forderung des Parlaments bedeutet, und es gäbe keinerlei finanziellen Anreiz mehr, weiterhin Schiffsabfälle einfach ins Meer zu werfen. Denn bezahlt hätte man die Kosten sowieso, also hätte man die Anlagen auch nutzen können! Doch zu dieser konsequenten no special fee-Regelung hat sich der Rat nicht durchringen können: Daher unser Vorbehalt gegen die Regelung. Und wir hoffen, dass die Kommission - wenn es tatsächlich so ist, dass weiterhin eine Einbringung in die Meere erfolgt - bei der Revision in drei Jahren eine Änderung vorschlagen wird.

Aber immerhin, Frau Vizepräsidentin, sind wir Ihnen dankbar, dass Sie mit Ihrer Erklärung - was schließlich wesentlich ist - zumindest einen Sockel von 30 % als gemeinsame Meinung von Rat und Parlament sozusagen festgeschrieben haben, und wir bauen darauf, dass der Rat Ihrer Erklärung entsprechend auch handeln wird.

Zweitens haben wir, wie mein Kollege schon ausgeführt hat, zwei weitere Erfolge im Sinne des Meeresschutzes und der Bürger der Europäischen Union errungen. Denn erstens haben wir festgesetzt, dass 25 % aller Handelsschiffe auch wirklich auf eine ordnungsgemäße Entsorgung hin kontrolliert werden müssen; MARPOL ist schön, aber nicht, wenn es nur im Bücherregal steht! Nur wenn man tatsächlich kontrolliert, ob die Entsorgung stattgefunden hat, schützt man das Meer.

Zweitens haben wir auch die Mitgliedstaaten unter Druck gesetzt, dass sie ihrer Verpflichtung, die Hafenauffanganlagen tatsächlich einzurichten, auch nachkommen: Wir haben durchgesetzt, dass die Mitgliedstaaten Schadenersatzregelungen einführen müssen für den Fall, dass Schiffe unnötig in Häfen liegen bleiben müssen, nur weil die Entsorgungseinrichtungen nicht vorhanden oder nicht ausreichend sind. Insofern müssen die Schiffe zwar zahlen, aber sie werden auch geschützt.

Herr Präsident, zum Schluss darf ich im Namen der Fraktion dem Ausschussvorsitzenden, Herrn Hatzidakis, und dem Berichterstatter, Herrn Bouwman, für die engagierte und erfolgreiche Verhandlungsführung danken.

 
  
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  Der Präsident. - Vielen Dank, Herr Jarzembowski! Es hätte mich gewundert, wenn Herr Piecyk jetzt nicht für drei Minuten hätte sprechen wollen!

 
  
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  Piecyk (PSE). - Herr Präsident, und mich hätte es sehr gewundert, wenn Sie diese Sitzung nicht wieder geleitet hätten! Es ist nämlich ein guter Tag für die Meere in Europa, und auch für Sie persönlich, Herr Präsident, weil ich weiß, dass Sie ein begeisterter Taucher sind. Wenn Sie dann in Europa in noch saubereren Gewässern tauchen können, freuen wir uns alle zusammen. Aber es geht vordringlich um die Meere.

Ich glaube, wir können uns heute gegenseitig gratulieren. Wir können dem Berichterstatter Theo Bouwman gratulieren, wir können auch der Delegation gratulieren, denn es ist uns gelungen, eine Richtlinie bzw. einen gemeinsamen Standpunkt des Rates in wesentlichen Punkten zu verbessern. Er war verwässert worden, und ich denke, dass das Parlament für klare Regelungen - und zwar für klare Regelungen für alle - gesorgt hat.

Erstens: Es wurde gesagt, dass alle Häfen Anlagen für Müll und Ladungsrückstände bereit halten müssen. Ein wichtiger Schritt! Zweitens: Alle Schiffe müssen auch bezahlen, und zwar unabhängig von der wirklichen Inanspruchnahme. Das ist das eigentliche Prinzip, das hier neu eingeführt wird. Es geht dabei um keine geringen Beträge, sondern es geht um wesentliche Beiträge. Richtig ist, dass man mit 30 % nicht 100%-ig zufrieden sein kann. Das ist vollkommen klar. Dennoch wurde das Prinzip „sondergebührenfreies System“ mit den 30 % eingeführt und festgeschrieben. Natürlich ist es verbesserungsfähig. Aber hinter diesem Prinzip kann niemand zurückbleiben.

Drittens: Alle müssen kontrollieren, und zwar mindestens 25 % der Schiffe. Dabei glaube ich, sollten wir auch die Mitgliedstaaten auffordern, über 25 % hinauszugehen. Wir sollten sie zu einem Wettbewerb einladen, mehr zu kontrollieren. Wir haben nämlich so oft bei den Schiffen, die in den Häfen liegen - z. B. bei „Erika“ oder bei anderen Schiffen - feststellen müssen, dass die Kontrolle eine der entscheidenden Fragen ist. Wenn sie nicht durchgeführt wird, nützen alle anderen Regelungen nichts.

Fazit dieser Richtlinien ist, dass sich die kriminelle Entsorgung auf Hoher See nicht mehr so lohnen wird, wie es in früheren Zeiten der Fall war. Ich meine auch, dass die Meeresverschmutzung nicht länger als Kavaliersdelikt behandelt werden darf. Europas Meere werden sauberer, Fauna und Flora und nicht zuletzt die Fischerei profitieren davon. Schließlich kommt diese Richtlinie auch dem Fremdenverkehr in hohem Maße zugute, denn ohne saubere Strände ist auch der Fremdenverkehr kaum aufrechtzuerhalten. Deswegen ist es ein guter Tag für Europas Meere und auch ein guter Tag für Sie, Herr Präsident!

(Beifall)

 
  
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  Van Dam (EDD).(NL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam besitzt das Europäische Parlament unter anderem bei verkehrspolitischen Themen die Mitentscheidungsbefugnis. Meinungsunterschiede zwischen Rat und Parlament, wie sie regelmäßig auftreten, brauchen somit nicht mehr einseitig gelöst zu werden. Dass dies nicht bloße Theorie ist, hat sich bei dem jetzigen Vermittlungsverfahren gezeigt.

Über die Bedingungen für die Entsorgung von Schiffsabfällen in den Gemeinschaftshäfen ist ausführlich diskutiert worden. Das Parlament hat bei früheren Gelegenheiten nachdrücklich darauf hingewiesen, dass bestimmte Elemente nicht fehlen dürfen. Zum Glück hat der Rat, bisweilen auf gewisses Drängen hin, in vielen Fällen auch den Sinn dieser Elemente begriffen.

Bis zuletzt gab es jedoch einen wichtigen Streitpunkt, nämlich die Eigenbeiträge der Schiffe zu den Kosten der Abfallentsorgung. Das Europäische Parlament vertrat den Standpunkt, der Benutzer habe den größten Teil der von ihm verursachten Kosten zu tragen, wobei die Möglichkeit bestehen müsse, unterschiedliche Gebühren zu erheben und nicht noch Anreize für illegale Entsorgung zu bieten. Die Schlussfolgerung war, dass der Prozentsatz für der Eigenbeitrag wesentlich über 50 % liegen sollte.

Wenn ich mir das Verhandlungsergebnis ansehe, so liegt der vereinbarte Prozentsatz weit davon entfernt. Das bedaure ich. Allerdings bedeutet es meiner Meinung nach einen Schritt in die richtige Richtung, den Prozentsatz überhaupt genannt zu haben.

Deshalb werde ich, wenn auch nicht voller Begeisterung, dem vorliegenden Bericht zustimmen. Gleichzeitig möchte ich dem Berichterstatter für die große Mühe danken, die er sich damit gemacht hat,.

 
  
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  Hatzidakis (PPE-DE).(EL) Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission! Es ist vielleicht das erste Mal, dass ich in diesem Parlament das Wort ergreife und keine Bedenken oder Vorbehalte in Bezug auf den Gegenstand der Debatte zum Ausdruck bringen muss, denn das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens findet meine uneingeschränkte Zustimmung. Daher möchte ich sowohl Herrn Bouwman als auch die anderen Kollegen, die im Vermittlungsausschuss mitgearbeitet haben, sowie Frau de Palacio und ihre Dienste zu unserer Zusammenarbeit und zu diesem für die Bürger Europas so positiven Resultat beglückwünschen. Das Ergebnis unserer Arbeit wird nach meinem Dafürhalten letzten Endes der Qualität unserer Meere, dem Fremdenverkehr sowie der Lebensqualität der Bürger Europas zugute kommen. Es ist ein Schritt nach vorn. Wir schützen die Umwelt damit wirksamer als bisher, wobei auch ich nicht ausschließen möchte, dass sogar noch bessere Lösungen möglich wären. Aber so ist es nun einmal, und wenn wir feststellen, dass das neue System nicht so effizient funktioniert, wie wir es uns vorgestellt haben, dann können wir es revidieren.

Da wir es hier ja mit einem Vermittlungsverfahren zu tun haben, möchte ich bei dieser Gelegenheit in meiner Eigenschaft als Ausschussvorsitzender sagen, dass wir solche Verfahren meines Erachtens nach Möglichkeit vermeiden sollten. Dazu bedarf es aber der Kooperation des Rates, der seine traditionelle Geheimniskrämerei aufgeben, seine Position offen darlegen und besser mit dem Parlament zusammenarbeiten muss, damit sowohl die Kommission als auch das Parlament mit der Arbeit schneller vorankommen, vor allem im Zuständigkeitsbereich unseres Ausschusses, der sich mit vielen Themen zu befassen hat, die die Bürger ganz unmittelbar betreffen. Ich hoffe, die französische Ratspräsidentschaft wird mit dieser Tradition brechen. Wir jedenfalls stehen für eine bessere Zusammenarbeit und raschere Fortschritte bei unser aller Arbeit, sowohl des Rates als auch der Kommission und des Parlaments, zur Verfügung.

 
  
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  Mastorakis (PSE).(EL) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als neugewählter Abgeordneter wurde ich zum ersten Mal als Mitglied in den Vermittlungsausschuss berufen, und ich bin mit diesem Verfahren wirklich zufrieden, denn ich habe miterlebt, wie sich die Vertreter der wichtigsten Organe der Europäischen Union bemühten und es am Ende auch schafften, unter Berücksichtigung der nun einmal bestehenden Voraussetzungen und Möglichkeiten, die natürlich nicht für alle Häfen Europas dieselben sind, den goldenen Mittelweg zu finden, also das Wünschenswerte mit dem Machbaren zu verbinden.

Vor allem hinsichtlich des zentralen Themas der Gebühren ist ausschlaggebend, dass vereinbart wurde, den zu entrichtenden Anteil an den Entsorgungskosten für Schiffsabfälle – unabhängig davon, ob die Anlagen von den Schiffen nun genutzt werden oder nicht – mit vernünftigen Ausnahmen so zu gestalten, dass nicht zahlreiche Häfen und Schiffe in Bedrängnis gebracht werden. Auf diese Weise wird nicht nur eindeutig der Anreiz für die Einbringung von Abfällen ins Meer wesentlich vermindert, sondern auch jedem Hafen die Möglichkeit zu einer eigenen Gebührenpolitik gegeben. Vergessen wir nicht, dass beispielsweise die europäischen Mittelmeerhäfen mit den Häfen Nordafrikas auf der anderen Seite konkurrieren müssen, was bei den Häfen der Ost- bzw. Nordsee nicht der Fall ist. Im übrigen ist auf diese Weise auch gewährleistet, dass das System zur Deckung der zusätzlichen Kosten modifiziert werden kann, wenn dies bei seiner Anwendung für notwendig erachtet wird.

Das Wesentliche an dieser Frage ist doch, dass nach der Billigung des zur Debatte stehenden gemeinsamen Entwurfs die Richtlinie in Kraft gesetzt werden kann, die unsere Meere und Küsten vor Verschmutzung durch Schiffe schützen soll, und dass wir gleichzeitig auch das Image der Europäischen Union verbessern und sie als Vorbild hinsichtlich ihrer Umweltpolitik sowie als Beispiel für die gesamte übrige Welt präsentieren, indem wir stets ein Gefühl für das rechte Maß beweisen.

 
  
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  Stenmarck (PPE-DE).(SV) Herr Präsident! Nach langjährigem Kampf sind wir nun dabei, den entscheidenden Beschluss über Auffangeinrichtungen zu fassen, die es u. a. ermöglichen, Ölrückstände im Hafen zu entsorgen, anstatt sie ins Meer einzubringen. Dies ist natürlich ein außerordentlich großer Schritt auf dem richtigen Weg.

Gleichzeitig ist es besorgniserregend, dass es bis zum Schluss Kräfte gegeben hat, die sich gegen diese Selbstverständlichkeit gestellt haben. Das wird aus der Tatsache ersichtlich, dass drei Lesungen erforderlich waren, ein Vermittlungsausschuss eingesetzt werden musste und der Ministerrat weitgehend Desinteresse an den Tag gelegt hat. Damit ist auch gesagt, dass das heute Erreichte einen Kompromiss darstellt.

Der ursprüngliche Entwurf sah, entsprechend einem bereits in Teilen der Ostsee angewendeten System, eine Deckung fast aller anfallenden Kosten durch die Hafengebühren vor. Dadurch hätte es für die Schiffe auch einen finanziellen Anreiz gegeben, ihre Ölrückstände in einem Hafen zu entsorgen, anstatt sie ins Meer einzubringen. Jetzt soll nur noch ein Teil der Kosten auf diese Weise gedeckt werden, während ein außerordentlich großer Kostenanteil zu einem weiteren Mehraufwand für den Schiffseigner führt.

Es bleibt meiner Ansicht nach abzuwarten, welche Auswirkungen das haben wird. Darum halte ich es für besonders wichtig, die Entwicklung zu verfolgen und bei Bedarf weitere Beschlüsse zu fassen. Die im Entwurf des Vermittlungsausschusses vorgeschlagene Auswertung sowie die vorgesehene Kontrolle der Schiffe sind in diese Zusammenhang von enormem Nutzen.

 
  
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  Watts (PSE). – (EN) Herr Präsident, zunächst möchte ich Herrn Bouwman als Berichterstatter danken. Er hat sich über einen langen Zeitraum hinweg sehr engagiert für den vorliegenden, überaus begrüßenswerten Vorschlag eingesetzt, durch den im Falle der Umsetzung ­ wie von anderen Kollegen bereits gesagt ­ die Abfallmengen, die derzeit noch auf illegale Weise in die europäischen Gewässer eingebracht werden, erheblich reduziert werden können. Ich möchte Ihnen nochmals kurz die Tragweite dieses Problems verdeutlichen.

Herr Bouwman hat zu Recht den Tanker „Erika“ erwähnt. Dieses Schiffsunglück war in der Tat eine Tragödie enormen Ausmaßes, die erhebliche und möglicherweise bleibende Schäden angerichtet hat, aber die Ölmenge, die vor unseren Küsten absichtlich von Öltankern abgelassen wird, übertrifft die Ölmenge, die bei dieser Havarie ins Meer geflossen ist, bei weitem. Der vorliegende Vorschlag zielt genau auf dieses Problem ab. Ich begrüße dies sehr, denn mit dem Vorschlag soll sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten in allen ihren Häfen geeignete Auffangeinrichtungen bereitstellen, dass deren Schiffe und Schiffsführer verpflichtet sind, diese Einrichtungen zu benutzen, dass ein gerechtes und ausgewogenes Gebührensystem eingeführt wird und dass vor allem 25 % der Schiffe überprüft werden, um zu gewährleisten, dass diese Anforderungen erfüllt werden.

Ich begrüße ganz besonders, dass drei Jahre nach der Einführung der Richtlinie eine Überprüfung stattfinden soll, denn ich habe große Bedenken, ob die Mitgliedstaaten die Rechtsvorschriften auch umsetzen werden, die sie nun beschlossen haben. Herr Jarzembowski weiß nur zu gut, dass einige Mitgliedstaaten trotz der Vorschriften über die Kontrolle der Schiffe durch den Hafenstaat noch immer weniger als 25 % der Schiffe überprüfen. Wenn sie die bisherigen Vorschriften nicht einhalten, können wir nicht darauf vertrauen, dass sie sich an die neuen Bestimmungen halten werden. Darin besteht unsere Herausforderung: Wir müssen sicherstellen, dass diese Staaten sich an diese nützliche Vereinbarung halten, die wir hoffentlich noch in dieser Woche verabschieden werden.

 
  
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  Savary (PSE).(FR) Herr Präsident, zunächst einmal möchte ich unseren Kollegen Theo Bouwman zu der lange Zeit ungewissen Fertigstellung dieses Textes beglückwünschen. Ich glaube, dies ist in erster Linie ein wichtiger Tag für die Meere. Einige Kollegen haben bereits darauf hingewiesen, dass es sich hier um die Vorarbeiten für das Maßnahmenpaket im Fall „Erika“ handelt, und dieser Text schlägt in vielerlei Hinsicht die Lösung eines noch wesentlich gravierenderen Problems vor, nämlich der Fälle von ökologischer Piraterie, der Tankreinigungen auf offener See, durch die unsere Küsten mit Kohlenwasserstoffen und zahlreichen Abfällen verschmutzt werden. Dies ist auch – das darf wohl gesagt werden – ein Sieg des Parlaments über die Vorbehalte des Rates gegen die Einführung eines Gebührensystems, das dem gesunden Menschenverstand entspricht. Das Verursacherprinzip funktioniert in diesem Fall nicht, weil der jeweilige Verursacher nicht ausfindig gemacht werden kann.

Will man dieses Problem lösen, so kann das nur mit einem obligatorischen allgemeinen Abgabensystem geschehen, das von der eigentlichen Abfallbehandlung getrennt ist. Ich persönlich gehöre zu denjenigen, die sich als französische Abgeordnete für die Umsetzung dieser Maßnahmen eingesetzt haben, auch gegen die Empfindlichkeiten und Vorbehalte ihrer Regierung gegenüber diesem Text. Ich gehöre zu denjenigen, die diesen Kompromiss begrüßen. Er darf jedoch keine Hintertürchen offen lassen, er muss umgesetzt und diese Umsetzung muss in den einzelnen Mitgliedstaaten streng kontrolliert werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen außerdem meinen Standpunkt als Franzose darlegen, der sich trotz der Vorbehalte seiner Regierung für dieses Vorhaben eingesetzt hat. Klar ist, dass dieser Text gegenwärtig die großen Häfen begünstigt und die kleinen Häfen, die nicht entsprechend ausgestattet sind, benachteiligt. Daher fordere ich die Kommission auf, die Mitgliedstaaten möglicherweise im Rahmen der Strukturfonds oder jeglicher anderer Mittel bei der Ausrüstung der kleinen Häfen zu unterstützen, denn letztere sind wichtige Faktoren der Raumordnung sowie der regionalen und lokalen Wirtschaft. Des Weiteren glaube ich, dass der Erfolg dieser Richtlinie gewährleistet wird, wenn man den kleinen Häfen Mittel für den Bau von Auffangeinrichtungen für Schiffsabfälle zur Verfügung stellt.

 
  
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  Thors (ELDR).(SV) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter zu einem guten Ergebnis gratulieren. Ich tue das hier im Parlament nicht regelmäßig, aber wenn es gute Gründe dafür gibt, richte ich auch einen Dank an den Berichterstatter und diejenigen, die am Bericht mitgewirkt haben.

Wie mein Kollege, Herr Stenmarck, bereits erwähnte, kennen wir dieses System schon aus der Zusammenarbeit im Ostseeraum. Seit März 1998 setzt die Ostseeempfehlung ein solches System voraus. Ich möchte jedoch sagen, dass bestimmte Teile der vorliegenden Übereinkunft vom Standpunkt der Ostseestaaten aus eine Enttäuschung darstellen. Lassen Sie mich auch auf ein in Finnland geltendes Gesetz hinweisen, nach dem die Gebühren nicht von der Menge der im Hafen entsorgten Schiffsabfälle abhängig sein dürfen. In Finnland existiert seit dem 1. Juni ein solches Gebührensystem für Ölrückstände. Im Vergleich dazu ist diese Übereinkunft enttäuschend.

In den letzten Tagen haben uns Nachrichten erreicht, dass auch bei Grauwasser und eutrophierenden Verunreinigungen die unfallbedingten und vorsätzlichen Einleitungen von Schiffen die größte Verschmutzungsquelle in der Ostsee sind. Wir haben uns daran gewöhnt, dass das Verursacherprinzip bei Öl nicht funktioniert, wenn dies nun aber auch auf die übrige Eutrophierung zutrifft, so bringt das große Probleme.

Wir wissen, dass jeder von uns einem starken Lobbyismus von Seiten der Hafenorganisationen in Europa ausgesetzt war, die sich die ganze Zeit über diesem Entwurf widersetzt haben. Darum ist das erreichte Ergebnis dennoch positiv. Eine Überprüfung ist jedoch von besonderer Bedeutung. Die Kommissarin hat ein anerkannt großes Interesse für das Meer und eine saubere Umwelt. Die Überprüfung muss jedoch ernsthaft durchgeführt werden, so dass bei Bedarf notwendige ergänzende Maßnahmen ergriffen werden können. Die Richtlinie ist ein erster Schritt auf dem Weg. Ich möchte jedoch feststellen, dass wir strengere Bestimmungen für die Ostsee benötigen, die vielleicht trotz allem das bei weitem empfindlichste Binnenmeer Europas ist.

 
  
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  Gollnisch (TDI).(FR) Herr Präsident, der Bericht unseres Kollegen Bouwman als Ergebnis eines langwierigen Verfahrens hat in Frankreich aufgrund des inzwischen erfolgten Untergangs des Tankers „Erika“ noch an Aktualität gewonnen, wobei es die zuständige Umweltministerin damals nicht für notwendig erachtet hat, ihren Urlaub zu unterbrechen.

Dieser Bericht trägt durchaus zur Eindämmung der Meeresverschmutzung bei, da er sich mit den Auffangeinrichtungen für Schiffsabfälle befasst. Die Tankreinigungen werden in den Medien in geringerem Maße thematisiert als die Schiffsunfälle, aber sie sind für den Großteil der Verschmutzungen verantwortlich.

Man muss allerdings zugeben, dass gemeinschaftliche Rechtsvorschriften nicht erforderlich wären, wenn die Mitgliedstaaten der Union, die allesamt Unterzeichner des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, genannt Marpol, sind, die notwendigen Maßnahmen getroffen hätten. Es genügt auch nicht, skrupellose Reeder oder Kapitäne anzuklagen, die es sicher gibt, sondern man muss berücksichtigen, dass die Entsorgung in den Häfen häufig mangels der erforderlichen Einrichtungen unmöglich und das Problem der Lagerung ebenfalls äußerst schwer zu lösen ist, zumal diese Problematik wiederum die Frage der Abfallbehandlung aufwirft.

Andererseits fällt es uns schwer zu glauben, dass es heutzutage, wo die Agraranlagen per Satellit überwacht werden, so schwierig sein soll, ein Schiff bei der Abfallentsorgung auf hoher See auf frischer Tat zu ertappen.

Wir werden dennoch für diesen Bericht stimmen, weil er unseres Erachtens zu einer besseren Verhütung der Verschmutzung beitragen kann und weil er den Staaten aufgrund seiner allgemeinen Ausrichtung bei der Auswahl ihrer Umsetzungsmaßnahmen einen gewissen Spielraum lässt.

 
  
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  De Palacio, Kommission. – (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Es ist für mich eine Genugtuung, heute an der Aussprache über die Annahme der Richtlinie über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände teilzunehmen.

Zunächst möchte ich, wie dies bereits meine Vorredner getan haben, den Berichterstatter, Herrn Bouwman, zu seiner hervorragenden Arbeit beglückwünschen. Es ist ihm in dieser Zeit gelungen, Festigkeit, Flexibilität und Intelligenz zu verbinden, um ein für alle Institutionen annehmbares Ergebnis zu erzielen, das der Verbesserung der Sauberkeit unserer Meere dient.

In diesem Sommer beispielsweise hieß es in einer der Nachrichten in dem Land, das ich am besten kenne, in Spanien, dass an den Küsten im Süden schwere Schäden durch die Verschmutzung auf Grund der Reinigung der Tankböden von Öltankern in internationalen Gewässern verursacht wurden. Das ist einer von 100 000 Fällen, die im Laufe des Jahres an den europäischen Küsten auftreten. Es geht darum zu prüfen, wie wir diese für unsere Meere Schaden bringenden Auswirkungen, wenn schon nicht ganz beseitigen – denn da muss man wohl das Seerecht berücksichtigen, das weitgehend von der Bedeutung der Meere im 17. und 18. Jahrhundert ausgeht, was mit der heutigen Situation nicht vergleichbar ist –, so doch mildern oder maximal eingrenzen, wo wir dazu in der Lage sind.

Ich glaube, wir haben einen großen Fortschritt erreicht, der die Meeresumwelt angesichts der willkürlichen Verschmutzung durch einige Schiffe – denn nicht alle wenden solche Praktiken an – an unseren Küsten spürbar verbessern wird.

Diese Richtlinie besitzt in ihrer derzeitigen Fassung die Unterstützung aller: die Unterstützung der Schiffseigner, denn sie können nun über Einrichtungen für ihre Abfälle verfügen, die in einigen europäischen Häfen schon vorhanden sind, aber leider nicht in allen, vor allem nicht in den kleinen Häfen, wo die Mitgliedstaaten erheblich investieren müssen; die Unterstützung der Häfen, denn so wird verhindert, dass ihre Investitionen in derartige Einrichtungen einen Wettbewerbsnachteil darstellen, wie dies leider in einigen Fällen vorgekommen ist, denn manche Häfen unternahmen große Anstrengungen und andere nicht; und die Unterstützung der Sektoren, denen das Abfallproblem und der Kampf für eine nachhaltige Entwicklung besonders am Herzen liegt. Ich glaube, wir alle, das gesamte hier anwesende Plenum und auch die Vertreter des Rates und der Kommission gehören dazu, nicht nur die Umweltschützer, sondern alle, die sich über diese Probleme Sorgen machen.

Wir sind der Meinung, dass Fragen wie die Planung der Abfallentsorgung, die Verpflichtung der Schiffe zur Abgabe, die vorherige Mitteilung, die Kontrollen – Überprüfung von 25 % der Schiffe –, ein Gebührensystem als Anreiz zur Nutzung der Hafeneinrichtungen für die Säuberung der Schiffsböden zwangsläufig zur Senkung der Meeresverschmutzung beitragen werden. Und natürlich ist die Unterstützung der drei Institutionen, der Kommission, des Rates und des Parlaments, gegeben, denn wir wissen, dass es etwas Positives für unsere Bürger ist.

Es wäre bedauerlich gewesen, wenn uns diese von allen gewünschte und erwartete Einigung nicht gelungen wäre. Ich möchte dem Rat für seine Flexibilität, seinen konstruktiven Willen und auch dem Parlament, ganz besonders seinem Berichterstatter, für die in diesem Zeitraum und bei der Vermittlung geleistete Arbeit meinen Dank aussprechen. Die Kommission hat Verpflichtungen übernommen, die diese Einigung erleichterten. Sie bestehen in der Festlegung, dass „wesentlich“ bedeutet, dass mindestens 30 % der Reinigungskosten der Hafenanlagen unabhängig von ihrer Inanspruchnahme pauschal bezahlt werden müssen. Und wenn wir im Laufe der nächsten drei Jahre erkennen, dass die Aktionen in den Mitgliedstaaten unzureichend sind und nicht die gewünschten Ergebnisse bringen, behält sich die Kommission die Möglichkeit vor, eine neue Richtlinie vorzulegen, in der eindeutig der Mindestprozentsatz festgesetzt wird, der als pauschale Gebühr oder als obligatorische Reinigungsgebühr in den verschiedenen europäischen Häfen zu zahlen ist. Es obliegt ebenfalls der Kommission nachzuprüfen, dass diese Kontrolle von 25 % der Schiffe ein weiteres Schlüsselelement dieser Richtlinie von den Mitgliedstaaten auch durchgeführt wird.

Ich wiederhole meinen Dank an das Parlament, das fest zur Forderung eines verschärften Mechanismus zur Prüfung des Gebührensystems gestanden hat, der uns zweifellos voranbringen und uns eine detaillierte Analyse der Entwicklung des derzeitigen Systems und der Folgen für die Umwelt gestatten wird.

Es wurde bereits gesagt, dass wir während der Aussprachen die Auswirkungen der Tragödie der Erika zu spüren bekamen, aber die Säuberung der Schiffsböden bedeutet mehr als eine Erika pro Jahr an den europäischen Küsten. Deshalb haben wir heute einen großen Schritt vorwärts getan. Dennoch müssen wir weiter an Fragen im Zusammenhang mit den Öltankern und der Sicherheit beim Transport gefährlicher Güter, wie Erdöl oder Erdölderivate, arbeiten. Es sind Fragen, bei denen wir hoffentlich in Kürze nicht nur in diesem Plenum und im Rat Fortschritte erzielen, sondern die auch durch zusätzliche Initiativen ergänzt werden, die, wie von der Kommission angekündigt, demnächst vorgelegt werden.

 
  
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  Der Präsident. - Vielen Dank, Frau Kommissarin!

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.

(Die Sitzung wird um 11.55 Uhr unterbrochen und um 12.00 Uhr wiederaufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: NICOLE FONTAINE
Präsidentin

Die Präsidentin. – Das Wort hat nun Herr Provan, der einen Verfahrensantrag stellen möchte.

 
  
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  Provan (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin, darf ich Sie und das Parlament einen Moment um Ihre Aufmerksamkeit bitten, damit wir die Delegation aus Kasachstan begrüßen können, die auf der Ehrentribüne Platz genommen hat? Diese Delegation wird heute und morgen im Parlament anwesend sein, um auf das Atomtestprogramm der früheren Sowjetunion aufmerksam zu machen, das schwerwiegende und weitreichende Folgen für ihr Land hat. Zwischen 1949 und 1990 wurden dort in der Atmosphäre 607 Atomexplosionen durchgeführt. Dadurch sind Teile des Landes vollkommen verwüstet worden, und ich hoffe, dass das Parlament das Anliegen dieser Delegation wohlwollend aufnehmen wird, das diese heute Nachmittag hier in einem Seminar vorbringen wird. Es ist schwierig für Kasachstan, die Welt auf dieses Problem aufmerksam zu machen, das noch aus den Zeiten der früheren Sowjetunion stammt. Wir werden auch die Probleme im Zusammenhang mit dem gesunkenen U-Boot ansprechen, denn Atom-U-Boote gehören ebenfalls zu der atomaren Hinterlassenschaft der früheren Sowjetunion.

 
  
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  Die Präsidentin. Danke, Herr Provan, ich heiße diese Delegation herzlich willkommen.

 

5. Abstimmungen
  

Verfahren ohne Bericht

Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss eines Abkommens zwischen der Gemeinschaft und Malta zur Annahme der Voraussetzungen und Bedingungen für die Teilnahme Maltas an Gemeinschaftsprogrammen in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung und Jugend (KOM(2000) 416 - C5-0372/2000 - 2000/0176(CNS)) (Ausschuss für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport)

(Das Parlament nimmt den Beschluss an.)

Bericht (A5-0213/2000) von Herrn Bouwman im Namen der Delegation des Parlaments im Vermittlungsausschuss über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten gemeinsamen Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände (C5-0348/2000 - 1998/0249(COD))

(Das Parlament billigt den gemeinsamen Entwurf.)

Empfehlung für die zweite Lesung (A5-0206/2000) im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchführung von Aktionen zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Türkei (7492/1/2000 REV - C5-0325/2000 - 1998/0300(COD)) (Berichterstatter: Herr Morillon)

 
  
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  De Palacio, Kommission.(ES) Frau Präsidentin! Die Kommission kann die drei vom Parlament in zweiter Lesung vorgeschlagenen Abänderungen entsprechend dem Bericht von Herrn Morillon akzeptieren.

 
  
  

(Die Präsidentin erklärt den geänderten Gemeinsamen Standpunkt für gebilligt.)

Empfehlung für die zweite Lesung (A5-0196/2000) im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (5683/1/2000 - C5-0180/2000 - 1996/0304(COD)) (Berichterstatterin: Frau Schörling)

 
  
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  De Palacio, Kommission. – (ES) Frau Präsidentin! Was diesen Bericht betrifft, so können wir die Änderungsanträge 1, 5 (den zweiten und fünften Teil), 6, 12, 28 (den ersten Teil) und 29 akzeptieren.

Wir können im Prinzip, nach einigen Änderungen am Text, die Änderungsanträge 9 (den Teil, der die Forderung des Nachweises betrifft, dass die strategische Umweltprüfung nicht erforderlich ist), 10 (den ersten und zweiten Teil), 15, 17, 18, 20, 23, 24 und 25 akzeptieren.

Dagegen kann die Kommission den folgenden Änderungsanträgen nicht zustimmen – das heißt, sie lehnt sie ab: Nr. 2, 3, 4, 5 (den ersten, dritten und vierten Teil), 7, 8, 9 (den Teil, der die Forderung des Nachweises betrifft, dass eine strategische Umweltprüfung erforderlich ist), 10 (den dritten Teil), 11, 13, 14, 16, 19, 21, 22, 26, 27, 28 (den zweiten Teil), 30 und 31.

 
  
  

(Die Präsidentin erklärt den geänderten Gemeinsamen Standpunkt für gebilligt.)

Bericht (A5-0204/2000) von Herrn Valdivielso de Cué im Namen des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1488/96 über finanzielle und technische Begleitmaßnahmen (MEDA) zur Reform der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen im Rahmen der Partnerschaft Europa-Mittelmeer (KOM(1999) 494 - C5-0023/2000 - 1999/0214(CNS))

 
  
  

(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)

Bericht (A5-0194/2000) von Herrn Varela Suanzes-Carpegna im Namen des Ausschusses für Fischerei über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Abschluss des Protokolls zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Regierung der Republik Guinea über die Fischerei vor der guineischen Küste für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2001 (KOM(2000) 304 - C5-0315/2000 - 2000/0154(CNS))

(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)

Bericht (A5-0188/2000) von Herrn Varela Suanzes-Carpegna im Namen des Ausschusses für Fischerei über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Abschluss des Protokolls zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Regierung von Mauritius über die Fischerei vor der Küste von Mauritius für die Zeit vom 3. Dezember 1999 bis zum 2. Dezember 2002 (KOM(2000) 229 - C5-0253/2000 - 2000/0094(CNS))

(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)

Bericht (A5-0201/2000) von Herrn Watson im Namen des Ausschusses für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (KOM(1999) 638 - C5-0077/2000 - 1999/0258(CNS))

Vor Beginn der Abstimmung

 
  
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  Gollnisch (TDI).(FR) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Ehre, Ihnen einen Antrag auf Rücküberweisung dieses Berichts an den Ausschuss gemäß Artikel 144 unserer Geschäftsordnung vorzulegen.

Ich komme nicht noch einmal auf die Bestimmungen zurück, um die es in der Debatte vorrangig ging, aber meines Erachtens ist es in der Tat erforderlich, dass sich die Kommission erneut mit diesem Bericht befasst. Jeder weiß, dass seine Ausarbeitung schwierig war, dass die ursprünglich benannte Berichterstatterin, Frau Eva Klamt, ihr Amt letztlich abgegeben und den Wunsch geäußert hat, ihr Name möge nicht mit diesem Bericht in Verbindung gebracht werden, so dass er uns nun von Herrn Watson vorgelegt wurde.

Meiner Ansicht nach ist diese Rücküberweisung an den Ausschuss durch drei Gründe gerechtfertigt. Erstens die unklare Definition des Begriffs „Zusammenführung“: Steht sie den ständig in einem Land lebenden Personen offen, den Flüchtlingen, den vorübergehend in einem Land lebenden Personen?

Zweitens die unklare Definition des Begriffs „Familie“: Sprechen wir von der Kernfamilie, der rechtmäßigen Familie, der Großfamilie, der polygamen Familie, der Familie mit mehreren Lebenspartnern … (Unruhe)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Aufzählung ergibt sich doch aus Ihren eigenen Stellungnahmen. Da hier sogar die Einbeziehung der „homosexuellen“ Familien gefordert wurde, kann ich Ihre Proteste nicht verstehen.

Drittens die unklare Definition des Begriffs „Kontrolle“, wie er in der Stellungnahme des Rechtsausschusses formuliert ist: Darf diese Kontrolle nur aufgrund eines Verdachts, eines begründeten Verdachts, ausgeübt werden? Soll sie gezielt und punktuell erfolgen? All diese Begriffe müssen präzisiert werden, und aus diesem Grund, Frau Präsidentin, habe ich die Ehre, diesen Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuss zu stellen.

 
  
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  Die Präsidentin. Eine Kollegin möchte sich dagegen aussprechen.

 
  
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  Terrón i Cusí (PSE).(ES) Frau Präsidentin! Ich kann nicht begreifen, was die PPE will. Der Standpunkt einiger Abgeordneter steht meiner Meinung nach im Widerspruch zur Richtlinie, über die wir abstimmen wollen, aber die Abstimmung im Ausschuss für Freiheiten und Rechte der Bürger fiel eindeutig mehrheitlich zugunsten dieser Richtlinie aus. Heute Vormittag hatten wir eine sehr fruchtbringende Debatte mit dem Kommissionsmitglied, und meiner Ansicht nach wäre das Scheitern des ersten von der Kommission vorgelegten Richtlinienentwurfs zur Harmonisierung auf dem Gebiet Justiz und Inneres in Fragen der Einwanderung ein Jahr nach dem Gipfel von Tampere durch nichts zu erklären, und es gibt keinen Grund dafür.

Ich vermute, dass einige Abgeordnete ganz und gar gegen das Recht der Einwanderer auf Familienzusammenführung sind, dies ist jedoch nicht der Standpunkt der Mehrheit dieses Parlaments, wie sich im Ausschuss für Freiheiten und Rechte der Bürger gezeigt hat. Deshalb ersuche ich, mit der Abstimmung über diesen Vorschlag der Kommission fortzufahren.

 
  
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  Die Präsidentin. Danke, Frau Terrón i Cusí.

Der Berichterstatter kann nun eine Stellungnahme abgeben, sofern er dies möchte.

 
  
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  Watson (ELDR), Vorsitzender des Ausschusses für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und Innere Angelegenheiten. – (EN) Frau Präsidentin, ich lehne die Rücküberweisung an den Ausschuss ab. Niemand aus der Fraktion von Herrn Gollnisch hat im Ausschuss die Definition der Begriffe „Zusammenführung“, „Familie“ oder „Kontrolle“ in Frage gestellt. Darüber wurde sowohl im Ausschuss als auch heute morgen hier im Plenum ausführlich gesprochen. Ich sehe keinen Grund, die Abstimmung zu verschieben.

Ich möchte mich bei Ihnen, Frau Präsidentin, entschuldigen, denn Sie haben die Stellungnahme des Berichterstatters zu all den Änderungsanträgen sicher nicht vorliegen. Sollte dies jedoch der Fall sein, werde ich natürlich noch vor der Abstimmung zu den vom Ausschuss vorgelegten Änderungsanträgen Stellung nehmen. Zu den Änderungsanträgen, die für das Plenum vorgelegt wurden, weil sie kurzfristig noch in der Debatte behandelt wurden, werde ich jedoch keine Erklärung abgeben, denn ich vertraue hier auf das Urteilsvermögen des Hohen Hauses.

 
  
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  Die Präsidentin. Danke, Herr Watson. Dies ist eine sehr klare Aussage.

(Das Parlament lehnt den Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuss ab.)

 
  
  

Vor der Abstimmung über den Vorschlag der Kommission

 
  
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  Gebhardt (PSE). - Frau Präsidentin, entschuldigen Sie, wenn ich jetzt unterbreche. Ich möchte eine Frage an Herrn Vitorino stellen, bevor wir zur Schlussabstimmung kommen. Sie haben heute morgen gesagt, dass Sie dem Änderungsantrag Nr. 19 zustimmen würden, wenn er hier abgestimmt wird. Ich wollte nur die Bestätigung haben, dass Sie diesen Änderungsantrag Nr. 19 auch tatsächlich übernehmen werden.

 
  
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  Watson (ELDR) . – (EN) Frau Präsidentin, ich möchte Herrn Vitorino bitten, uns mitzuteilen, welche der heute morgen gebilligten Änderungsanträge er vor der Schlussabstimmung über die legislative Entschließung akzeptieren kann.

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, ich muss Ihnen sagen, dass die Abstimmung derart schnell abläuft, dass ich mein Bestes geben muss, um mit Ihrer Beschlussfähigkeit Schritt halten zu können. Hinsichtlich der angenommenen Änderungsanträge hat die Kommission Schwierigkeiten mit dem Änderungsantrag 9, und meines Erachtens müssten wir unseren Standpunkt noch einmal überdenken. Ich verspreche Ihnen, dass ich daran denken werde.

Was den verabschiedeten Änderungsantrag 19 anbelangt, der fordert, dass Flüchtlinge weiterhin in den Richtlinienvorschlag einbezogen werden, dass aber Personen, die unter zeitweiligem oder subsidiärem Schutz stehen, nicht unter diese Richtlinie zur Familienzusammenführung fallen sollen, so vertrete ich weiterhin den Standpunkt, den ich Ihnen in der Aussprache erläutert habe. Unseres Erachtens sollten wir in diese Richtlinie nur die gemäß der Genfer Konvention anerkannten Flüchtlinge aufnehmen. Die Fragen bezüglich der Familienzusammenführung von Personen, die unter zeitweiligem oder subsidiärem Schutz stehen, müssen in einem eigenständigen Rechtsinstrument behandelt werden, das die Kommission derzeit übrigens bereits ausarbeitet und dem Parlament und dem Rat im kommenden Jahr vorlegen wird.

 
  
  

(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)

Entschließungsantrag (B5-0658/2000) von Herrn Luís Queiró im Namen der UEN-Fraktion zu den Prioritäten der Union im Rahmen der externen Politikbereiche

Vor Beginn der Abstimmung

 
  
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  Barón Crespo (PSE).(ES) Frau Präsidentin! Da eine Fraktion, die nicht an den Verhandlungen zur Ausarbeitung des Entschließungsantrags teilgenommen hat, diesen Text unterschrieben hat, möchte ich mich vor der Abstimmung an Sie wenden und Sie bitten, dem zuständigen Dienst der Verwaltung die entsprechenden Anweisungen zu erteilen, damit sich dieser Missbrauch nicht wiederholt. Alle Fraktionen haben das Recht, ihren Standpunkt im Plenum darzulegen, aber der Text gehört grundsätzlich jenen Fraktionen, die ihn ausgehandelt haben. Wenn sich jemand diesem Text anschließen möchte, bedarf das der Zustimmung aller an der Ausarbeitung des Entschließungsantrags beteiligten Fraktionen.

 
  
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  Dupuis (TDI).(FR) Frau Präsidentin, das Kompromissverfahren ist ein Ad-hoc-Verfahren, das in der Geschäftsordnung unseres Parlaments nicht vorgesehen ist, aber sobald ein Text eingebracht wurde, handelt es sich um einen Text aller Abgeordneten, die sich dafür aussprechen. Somit ist der Einwand des Vorsitzenden Barón Crespo meines Erachtens nicht stichhaltig.

 
  
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  Barón Crespo (PSE).(ES) Frau Präsidentin! Die Abgeordneten und Fraktionen haben die Möglichkeit, ihre Meinung im Plenum darzulegen, aber der Antrag gehört jenen, die ihn ausgearbeitet haben, und darf nicht Gegenstand einer unerlaubten Aneignung sein, die Missverständnisse zu einem so wichtigen Thema und zu etwaigen unerwünschten Allianzen mit der extremen Rechten auslösen könnte.

 
  
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  Die Präsidentin. Herr Barón Crespo, wie Sie wissen, wird dieses Detail in keinem Artikel der Geschäftsordnung geregelt, aber üblicherweise wird die Unterzeichnung eines Textes von denjenigen, die ihn eingebracht haben, akzeptiert. Dies war seit jeher die geltende Vorgehensweise in unserem Parlament.

(Das Parlament lehnt den Entschließungsantrag ab.)

Gemeinsamer Entschließungsantrag(1) zu den Prioritäten der Union im Rahmen der externen Politikbereiche

(Das Parlament nimmt die Entschließung an.)(2)

Gemeinsamer Entschließungsantrag(3) zur Schaffung einer Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess

Vor Beginn der Abstimmung

 
  
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  Goebbels (PSE).(FR) Frau Präsidentin, ich möchte die Kollegen der PPE-Fraktion und der Fraktion der Liberalen fragen, ob sie ihren Entschließungsantrag aufrecht erhalten wollen. Er enthält nämlich offensichtliche Unwahrheiten und kommt völlig zu spät. Unsere Diskussion von gestern Abend hat gezeigt, dass sowohl die Kommission als auch der Rat die Schaffung einer Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess befürworten. Im Übrigen haben Sie, Frau Präsidentin, eben dies in unser aller Namen beim Europäischen Rat von Lissabon gefordert. Man kann keine Entschließung verabschieden, in der die Fraktionen behaupten, weder der Rat noch die Kommission würden das Vorhaben der Schaffung einer europäischen Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess billigen. Dies ist eine offensichtliche Unwahrheit, und meines Erachtens sollten die beiden Fraktionen logischerweise ihren Entschließungsantrag zurückziehen.

 
  
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  Die Präsidentin. Ich kann keine derartigen Anzeichen erkennen. Doch, Frau Plooij-van Gorsel, Sie haben nun das Wort.

 
  
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  Plooij-van Gorsel (ELDR).(NL) Frau Präsidentin! Es besteht überhaupt kein Grund, diesen Entschließungsantrag zurückzuziehen, und das werden wir auch nicht tun.

 
  
  

(Das Parlament lehnt den gemeinsamen Entschließungsantrag ab.)

Entschließungsantrag (B5-0653/2000) von Herrn Chichester im Namen der PPE-DE-Fraktion zur Schaffung einer europäischen Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess

(Das Parlament lehnt den Entschließungsantrag ab.)

Entschließungsantrag (B5-0656/2000) von Frau Plooij-van Gorsel und Herrn Clegg im Namen der ELDR-Fraktion zur Schaffung einer europäischen Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess

(Das Parlament nimmt die Entschließung an.) (4)

Bericht (A5-0209/2000) von Herrn Veltroni im Namen des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport über die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter (KOM(1999) 657 - C5-0144/2000 - 2000/2087(COS))

 
  
  

(Das Parlament nimmt die Entschließung an.)

Bericht (A5-0199/2000) von Herrn Heaton-Harris im Namen des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport über den Bericht der Kommission „Erhebung zur sozioökonomischen Situation von Erasmus-Studierenden“ (KOM(2000) 4 - C5-0146/2000 - 2000/2089(COS))

(Das Parlament nimmt die Entschließung an.)

Bericht (A5-0207/2000) von Frau Boumediene-Thiery im Namen des Ausschusses für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über den Bericht der Kommission betreffend die Durchführung der Richtlinien 90/364, 90/365 und 93/96 (Aufenthaltsrecht) und über die Mitteilung der Kommission zu den Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (KOM(1999) 127 - KOM(1999) 372 - C5-0177/1999, C5-0178/1999 - 1999/2157(COS))

(Das Parlament nimmt die Entschließung an.)

Erklärungen zur Abstimmung

- Bericht Bouwman (A5-0213/2000)

 
  
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  Meijer (GUE/NGL).(NL) Herr Präsident, der Verlauf, den der Bericht Bouwman genommen hat, beweist deutlich, wie unübersichtlich das europäische Beschlussfassungsverfahren abläuft und zu welch komplizierten Kompromissen dieses führt. Das Europäische Parlament war in die Befürworter von zwei verschiedenen Lösungen gespalten. Letztendlich gab es eine Mehrheit für eine dieser Lösungen, und auch die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke gehörte zu dieser Mehrheit. Hätte es sich um eine normale Behörde gehandelt, so wäre mit dieser Entscheidung des Parlaments die Angelegenheit endgültig abgeschlossen, nicht so aber in der Europäischen Union. Hier ist ein Vermittlungsverfahren erforderlich.

Das Vermittlungsverfahren zwischen Rat und Parlament hat zu einem Kompromiss geführt, der ziemlich nichtssagend ist, solange nicht eine Erklärung der Kommission dabei mitberücksichtigt wird. In dieser Erklärung steht, wie die Kommission den Begriff „wesentlich“ in Artikel 8 Absatz 1 interpretiert. Wesentlich bedeutet offensichtlich 30 %, was jedoch nicht in den Text selbst aufgenommen werden darf. Von Anfang an ging der Streit um die von der Mehrheit geforderten 90 % einerseits und die 0 % der Minderheit andererseits. Der jetzige Kompromiss ergibt einen näher bei 0 % als bei 30 % liegenden Prozentsatz, der zudem nicht öffentlich genannt werden darf. Alle sind sich nunmehr zwar darin einig, dass Schiffsabfälle und -ladungsrückstände nicht mehr auf See entsorgt werden dürfen, doch darüber, wie Schiffsabfälle erfasst werden sollen und vor allem wie dies zu bezahlen ist, bestehen erhebliche Meinungsunterschiede. An der Ost- und an der Nordsee favorisierte man eine Finanzierung in Form einer Pauschalgebühr für jedes Schiff, wodurch verhindert werden soll, dass jemand finanzielle Vorteile hat, wenn er Abfälle nicht an den offiziell dafür vorgesehenen Stellen entlädt. Für den Mittelmeerraum hingegen zog man eine Finanzierung nach der Menge der eingesammelten Abfälle vor. Anstatt beide Systeme zunächst separat weiterzuentwickeln und die Auswirkungen auf die Umwelt miteinander zu vergleichen, wird jetzt versucht, unbedingt zu einer einheitlichen Lösung zu gelangen. Damit wird das nördliche Modell beeinträchtigt. Eine Regelung nach dem jeweiligen Meer wäre einfacher als ein unionsweites System. Ohne die Europäische Union hätte man müheloser eine Regelung zwischen einzelnen maritimen Ländergruppen treffen können. Das Bestehen der Europäischen Union ist in diesem Fall einer gemeinsamen, grenzüberschreitend gültigen Lösung nicht förderlich. Gleichwohl hat meine Fraktion dafür gestimmt, da eine solche Regelung besser ist als nichts zu unternehmen. Hoffentlich wird in einigen Jahren dennoch eine Überprüfung vorgenommen, um die ursprünglichen Zielsetzungen des Berichts Bouwman durchzusetzen.

 
  
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  Fatuzzo (PPE-DE). - (IT) Frau Präsidentin, die Rentner und älteren Bürger lieben das saubere Meer, weshalb ich als Vertreter der Rentner in diesem Parlament für die Richtlinie zugunsten eines saubereren Meeres, insbesondere in der Nähe der Häfen, gestimmt habe.

Ich erinnere mich noch gut daran, was passierte, als ich als Kind im Meer bei Genua, meiner Geburtsstadt, badete und oftmals teerverschmiert aus dem Wasser kam, wie die Comicfigur Calimero, die immer ganz schwarz ist und sich zu Recht darüber aufregt.

Diese Richtlinie regelt endlich das Auffangen der Abfälle von Schiffen, wenn diese in den Häfen vor Anker gehen, und das ist gut so. Ich habe für die Richtlinie gestimmt, obgleich es besser gewesen wäre, auch eine Regelung für die Häfen der übrigen Mittelmeerländer zu treffen. Die Anrainerstaaten des Mittelmeers werden, beispielsweise durch das MEDA-Programm, vielfach unterstützt: Man müsste daher auch von ihnen verlangen, dass sie die Abfallentsorgung in ihren Häfen organisieren!

 
  
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  Caudron (PSE), schriftlich. (FR) Ich hatte bereits anlässlich der Sitzungswoche des Plenums im März Gelegenheit, mich zu diesem Thema zu äußern, das damals sehr vordringlich war, da die Debatten über die Sicherheit der Meere nach dem Untergang der „Erika“ äußerst hitzig waren. Gegenwärtig verlaufen die Diskussionen etwas ruhiger, aber sie sind deshalb nicht weniger wichtig.

Die europäischen Bürger sind in der Tat sehr beunruhigt über die Verschmutzung der Meere und Küsten der Mitgliedstaaten. Das Europäische Parlament hat diese berechtigten Besorgnisse aufgegriffen und die Richtlinie abgeändert, die uns die Europäische Kommission zur Entsorgung von Schiffsabfällen vorgeschlagen hatte, damit die Mitgliedstaaten stärker in die Pflicht genommen werden. So hat das Parlament beispielsweise als Alternative zum Verursacherprinzip, bei dem wir lediglich dessen Unwirksamkeit feststellen können, die Einführung eines Abgabensystems vorgeschlagen, bei dem jedes Schiff für jeden Hafenaufenthalt eine Gebühr entrichten muss, unabhängig davon, ob es die Hafenauffangeinrichtungen benutzt oder nicht. Diese Abgabe soll zu 90 % zur Finanzierung dieser Einrichtungen verwendet werden. Dieses System soll die Schiffe dazu veranlassen, ihre Ladungsrückstände oder andere Abfälle in den Häfen und nicht auf hoher See zu entsorgen. Es war abzusehen, dass der Rat einen derartigen Antrag nicht akzeptiert, so dass die Diskussionen logischerweise im Vermittlungsausschuss fortgeführt wurden.

Die Einigung, zu der die Verhandlungspartner des Europäischen Parlaments und des Rates gelangten, lautet wie folgt: Alle Schiffe, die den Hafen eines Mitgliedstaats anlaufen, leisten einen wesentlichen Beitrag (gemäß der beigefügten Erklärung der Kommission bedeutet dies mindestens 30 % der Kosten), und zwar unabhängig davon, ob sie die Anlagen nutzen oder nicht. Der Anteil der Kosten, der gegebenenfalls nicht durch diese Gebühr abgedeckt wird, wird durch Abgaben entsprechend der Art und Menge der tatsächlich entsorgten Schiffsabfälle abgedeckt.

Außerdem legt die Kommission drei Jahre nach Annahme der Richtlinie einen Bericht vor, in dem die Auswirkungen der verschiedenen Kostendeckungssysteme auf die Meeresumwelt bewertet werden. Anhand dieser Bewertung wird sie gegebenenfalls einen Vorschlag zur Änderung dieser Richtlinie hinsichtlich der Einführung eines Systems vorlegen, das vorsieht, dass alle Schiffe, die einen Hafen eines Mitgliedstaats anlaufen, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Anlagen einen angemessenen Anteil in Höhe von mindestens einem Drittel der Kosten der Hafenauffanganlagen entrichten müssen.

Ich bin mit dem von uns erarbeiteten Kompromiss zufrieden. Diese Richtlinie stellt einen wesentlichen Schritt in Richtung der Umsetzung einer effizienteren Strategie zum Schutz der Meeresumwelt dar.

 
  
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  Darras (PSE), schriftlich. (FR) Nun befinden wir uns also in der Endphase der Umsetzung dieses Richtlinienvorschlags, und obwohl mich das Vermittlungsergebnis nicht vollkommen zufrieden stellt, kann ich diesen Kompromiss nur begrüßen, der zugegebenermaßen dem Europäischen Parlament zur Ehre gereicht und für seine Kompetenz und Reife im legislativen Prozess der Europäischen Union spricht.

In Anbetracht der extremen Ausmaße der illegalen Entsorgungen im Meer oder gar des unannehmbaren Verhaltens einiger Besatzungen, die einen dramatischen Unfall zur völlig straffreien Einbringung zusätzlicher Abfälle nutzen und somit die Meeresverschmutzung noch verschlimmern, schlägt die Europäische Kommission vor, ihre Aktivitäten auf die Einrichtungen in den europäischen Häfen zu konzentrieren. Alle Häfen müssen mit Anlagen zur Entsorgung von Schiffsabfällen ausgerüstet werden, und gleichzeitig müssen alle Schiffe, die einen dieser Häfen anlaufen, die Kosten für die Übernahme und Behandlung der Abfälle übernehmen (laut Parlament zu 90 %, aber laut Kompromiss mit dem Rat zu mindestens 30 %), unabhängig davon, ob sie diese Anlagen benutzen oder nicht.

Hierbei handelt es sich um einen ersten Schritt zur Umsetzung des Verursacherprinzips. Ein äußerst notwendiger Schritt, der aber noch nicht ausreichend ist. Machen wir uns nichts vor. Wenn wir die Meeresverschmutzung wirklich bekämpfen und das natürliche Gleichgewicht für die kommenden Generationen bewahren möchten, so müssen wir noch radikalere Maßnahmen ins Auge fassen, insbesondere auf der Ebene der Kostenübernahme für diese Anlagen und der erforderlichen Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen den einzelnen Häfen; kurz gesagt, wir müssen die Schaffung von wirklichen Systems der öffentlichen Abfallentsorgung anstreben.

Derzeit kann ich unserem Parlament lediglich die Billigung der Vermittlungsergebnisse empfehlen.

 
  
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  Piétrasanta (Verts/ALE), schriftlich. (FR) Die Verts/ALE-Fraktion ist erfreut darüber, dass auf Vorschlag des Berichterstatters, der Mitglied unserer Fraktion ist, zwingendere Bestimmungen zur Einrichtung von Hafenanlagen zur Übernahme und Behandlung von Schiffsabfällen geplant sind. Besonders wichtig ist, dass die Abgabe, die mindestens 30 % der Kosten abdecken soll, für jede Transporteinheit zwingend vorgeschrieben ist. Es geht nämlich nicht an, dass – unter dem Vorwand der Realisierung von „Ökoschiffen“, die sämtliche Abfälle vor allem mittels Verbrennung auf hoher See beseitigen können –, ein Verfahren ohne tatsächliche Kontrollmöglichkeiten eingeführt wird, das die Umgehung der Rechtsvorschriften gegen die Verschmutzung mit all ihren Folgen wie Einleitung von angeblich verbrannten Kohlenwasserstoffen sowie von Hausmüll, fehlende Abfalltrennung und Verstärkung des Treibhauseffekts ermöglichen würde.

Die gemachten Vorschläge gehen in Richtung der Vorschläge der nächsten Richtlinie zur Verhütung der Meeresverschmutzung, zu der ich die Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie ausarbeite.

Außerdem ermöglichen sie eine einheitliche Verfahrensweise der Schiffsbesatzungen auf den europäischen Meeren, und sie leisten einen Beitrag zu den erforderlichen Einrichtungen in den Häfen der Union und zur Finanzierung aller Anlagen.

Diese Bestimmungen müssen mit einer strikten Kontrolle und einer Überwachung der Verfahrensweise der Schiffsbesatzungen einhergehen, insbesondere mit Hilfe der Systeme Equasis und Galileo, für deren möglichst rasche Einführung sich die französische Präsidentschaft einsetzen will.

 
  
  

- Empfehlung Morillon (A5-0206/2000)

 
  
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  Fatuzzo (PPE-DE). - (IT) Frau Präsidentin, ich habe dem Bericht meine Zustimmung gegeben. Ich weilte diesen Sommer als Tourist in der Türkei, um die Ausgrabungen von Schliemann, das sagenumwobene Troja der Ilias, zu besuchen, als sich mir ein türkischer Rentner näherte, der mich wohl erkannt hatte und, während er mich bei der Besichtigung der Ruinen von Troja begleitete, die folgende Frage stellte: „Wieso wurden im Rahmen der Aussprache über den Bericht Morillon die Änderungsanträge nicht angenommen, in denen die Türkei aufgefordert wurde, keine Kernkraftwerke zu bauen - oder zumindest dafür Sorge zu tragen, dass sie keine Umweltverschmutzung bewirken -, das Kurdenproblem zu lösen und die Todesstrafe abzuschaffen? Warum wollte man diese Aspekte nicht klar und deutlich in dem Dokument zum Ausdruck bringen?“

Das eben bedauere ich teilweise an dem Bericht, den wir angenommen haben.

 
  
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  Speroni (TDI). - (IT) Frau Präsidentin, ich habe gegen den Bericht gestimmt, weil meines Erachtens die Hilfen nicht an entsprechende Bedingungen einer echten Erneuerung des türkischen Staates, einer wirklichen Achtung der Menschenrechte und eines wahrhaften Minderheitenschutzes geknüpft wurden. Selbstverständlich müssen die hilfebedürftigen Länder unterstützt werden, doch ist es andererseits angebracht, im Voraus von ihnen die Einhaltung der hier genannten Grundsätze zu fordern.

 
  
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  Alavanos (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Das Europäische Parlament muss auf drei Änderungsanträgen bestehen:

– dem über die Ausnahme der Weiterentwicklung der Kernenergie in den erdbebengefährdeten Gebieten der Türkei hinsichtlich des Produktionssystems;

– dem über den Schutz der kulturellen Identität und die Abschaffung der Todesstrafe;

– dem über den Beitrag zur Lösung des Kurdenproblems.

Deshalb habe ich für diese drei Änderungsanträge gestimmt.

Meiner Meinung nach hätte das Europäische Parlament jedoch auf seiner Position zu den Änderungsanträgen während der ersten Lesung beharren müssen, und zwar zu Artikel 5 (Kriterien für den Beitritt der Türkei), Artikel 15 (Aussetzung der Zusammenarbeit mit der Türkei im Falle von Hindernissen in Fragen der Demokratie, des Rechtsstaates, der Menschenrechte und des Minderheitenschutzes) und Artikel 35 (Jahresbericht über die Wahrung der Grundsätze der Demokratie und des Rechtsstaates sowie die Achtung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und des Völkerrechts). Leider hat der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik des Europäischen Parlaments dem Druck des Rates nachgegeben, der dem türkischen Regime gegenüber eine prinzipienlose Realpolitik verfolgt, und so auch den Bürgern der Türkei selbst die demokratischen Impulse vorenthalten, die die EU geben könnte.

 
  
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  Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL), schriftlich. (FR) Die Integration der Türkei in die Europäische Union ist für das europäische Großkapital, als dessen Fürsprecher die europäischen Institutionen, inklusive Parlament, auftreten, selbstverständlich von höchstem Interesse. Das Europäische Parlament könnte zumindest den gleichzeitig geäußerten Wunsch der türkischen Regierung nach Aufnahme in die Europäische Union dazu nutzen, so elementare Maßnahmen wie die Abschaffung der Todesstrafe, die demokratischen Freiheiten oder die Beendigung der Unterdrückung des kurdischen Volkes zu fordern.

Aber sogar in diesen Bereichen verwendet der Bericht derart abgeschwächte Formulierungen, dass sie keine Bedeutung mehr haben, und zwar aufgrund der Besorgnis, dies würde „irgendwelche Empfindlichkeiten verletzen“. Die Empfindlichkeit, die vor allem nicht verletzt werden darf, ist diejenige des türkischen Generalstabs, der in den von Kurden bewohnten Regionen bombardiert, Razzien durchführt und foltert.

Und während sich der Berichterstatter des Parlaments den Kopf darüber zerbricht, wie er die Menschenrechte zur Sprache bringen könnte, ohne das Militär zu verärgern, das diese Rechte mit Füßen tritt, bereitet sich, wie kürzlich in der Zeitung zu lesen war, ein deutsch-französisch-belgisches Konsortium gerade auf die Lieferung einer Munitionsfabrik an die Türkei vor.

Dies zeigt wesentlich klarer die tatsächliche Art der Beziehungen zwischen dem europäischen Großkapital und der türkischen Diktatur als alle Abgeschmacktheiten, zu denen man uns um eine Stellungnahme bittet.

 
  
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  Lang (TDI), schriftlich. – (FR) In dieser Sitzungswoche treibt das Europäische Parlament die Heuchelei auf die Spitze. Innerhalb von 24 Stunden haben Sie einen Finanzrahmen von mehreren zehntausend Millionen Euro zu Gunsten der Türkei gebilligt und gleichzeitig eben diese Türkei verurteilt, weil sie unter Verletzung des Luftraums eines anderen Landes die kurdische Bevölkerung im Nordirak bombardiert hat! Und wenn ich „verurteilen“ sage, so ist dies eine starke Übertreibung, nicht nur hinsichtlich der Tragweite des Textes, sondern auch hinsichtlich der Tragweite Ihrer Absichten.

Man fragt sich, wo die Achtung der Menschenrechte geblieben ist, die Sie ständig im Munde führen, und die als Voraussetzung für jegliche Unterstützung für oder Zusammenarbeit mit der Türkei genannt wird. In diesem konkreten Fall scheint sie in Vergessenheit geraten zu sein, und Ihr Gewissen weist offenbar eine variable Geometrie auf.

Es wäre an der Zeit, Ihre Taten in Einklang mit Ihren Worten zu bringen. Dies würde Ihnen gut tun, und vor allem würde es der europäischen Politik mehr Kohärenz und Autorität verschaffen.

 
  
  

- Bericht Schörling (A5-0196/2000)

 
  
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  Fatuzzo (PPE-DE). - (IT) Frau Präsidentin, ich habe für diesen Bericht gestimmt, mit dem die strategische Umweltprüfung, d. h. die besondere Berücksichtigung der Umweltbelange bei Großprojekten, eingeführt wird, weil ich alles, was zur Schönheit der Natur, der Landschaft usw. beiträgt, für positiv halte. Das ist auch für die Rentner von Bedeutung. Trotzdem gibt es einiges zu bemängeln. Bei Großvorhaben, deren Verwirklichung die Staaten beschließen, sollte die Entscheidung darüber, ob das Projekt den Umweltanforderungen genügt oder nicht, dem betreffenden Staat überlassen bleiben, ohne eine Überregulierung dieser Materie zu treffen. Die Großvorhaben müssen zügig verwirklicht werden, und die älteren Rentner haben keine Zeit, allzu lange darauf zu warten!

 
  
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  Kuntz (UEN), schriftlich. (FR) Dieser Text geistert nun seit fast fünf Jahren durch das Labyrinth der Verfahren.

Wenn wir den Änderungsantrag zur Zurückweisung der Richtlinie nicht unterstützt haben, so geschah dies mit Sicherheit nicht aus dem Grund, dass wir diejenigen aus der Kommission, dem Rat und dem Parlament, die jahrelang an diesem Text gearbeitet haben, belohnen wollten. Unsere Aufgabe besteht nicht darin, die oftmals seltsamen Wünsche der Brüsseler Technokraten zu legitimieren, die alles Mögliche und Unmögliche gesetzlich regeln wollen. Wir haben diesen Änderungsantrag abgelehnt, weil die Unternehmen einen klaren Handlungsrahmen brauchen.

Das Kernproblem ist also der Geltungsbereich, das heißt die eigentliche Definition der „Pläne und Programme“.

Der verbindliche Teil des Geltungsbereichs betrifft die Pläne und Programme, die Projektgenehmigungen in folgenden Bereichen umfassen: Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung und Stadtplanung. Dieses verbindliche Kriterium wird durch einen Auswahlmechanismus ergänzt, eine Voruntersuchung („screening“) auf Initiative der Mitgliedstaaten (so genannter nicht verbindlicher Bereich).

Auch ich bin der Ansicht, dass der Umweltschutz und seine Berücksichtigung eine Notwendigkeit oder gar eine Verpflichtung darstellen, aber unsere Staaten haben unter Berufung auf die Subsidiarität bessere Möglichkeiten, dies zu gewährleisten. Wir werden die Änderungsanträge zur Erweiterung des Geltungsbereichs nicht unterstützen, da er auf die Pläne und Programme, die erhebliche Auswirkungen haben können, beschränkt sein muss.

Wir sind es leid, immer wieder feststellen zu müssen, dass ständig von allen Seiten und auf Umwegen versucht wird, der Union zu Lasten der Staaten größere Kompetenzen einzuräumen. In diesem Fall möchte der Berichterstatter, unter dem Vorwand des Umweltschutzgedankens, alle Politikbereiche der Staaten einbeziehen. Der Sinn einer Berücksichtigung von Umweltfragen im Rahmen der Politikbeurteilung soll gar nicht in Frage gestellt werden, aber hier darf auf keinen Fall dasselbe Verfahren und vor allem kein von der Europäischen Union vorgeschriebenes Verfahren angewandt werden.

Wir haben Vertrauen in unsere Staaten, und wir verteidigen den Gemeinsamen Standpunkt; das Alibi „Umwelt“ ist lediglich ein Instrument der Einflussnahme der Union in allen Bereichen, die hier als „politisch“ bezeichnet werden. Uns sind die Kompetenzen der Union in diesem Sektor durchaus bekannt, und wir kennen ihr Arsenal. Die Umwelt wird dazu benutzt, sich überall einzumischen, von unseren Wasserleitungen bis hin zur Leitung unserer nationalen Politiken! Unsere Antwort lautet „nein“. Frankreich hat, wie mehrere andere Delegationen, klar zum Ausdruck gebracht, dass es die Ausweitung des Geltungsbereichs auf die nationalen Politiken nicht befürwortet.

 
  
  

- Bericht Valdivielso de Cué (A5-0204/2000)

 
  
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  Fatuzzo (PPE-DE). - (IT) Frau Präsidentin, ich habe für diesen Bericht des Kollegen Valdivielso de Cué über die neue Verordnung für das MEDA-Programm gestimmt. Ich befürworte zutiefst - und nicht nur, weil ich hier als Vertreter Italiens spreche - sämtliche Initiativen, die die Mittelmeerländer einander näher bringen; ich würde mir sogar wünschen, dass die Finanzausstattung der MEDA-Verordnung erhöht wird. Entsprechend meinen bescheidenen Möglichkeiten habe ich einen Verband der Rentner der Mittelmeerstaaten gegründet, um die Bedeutung des Mittelmeers für Europa und seine Nachbarländer herauszustellen, denn auch die Mittelmeeranrainerstaaten in Afrika und im Osten sind Nachbarländer Europas. Aus diesem Grunde habe ich dafür gestimmt.

 
  
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  Alyssandrakis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die Politik der EU gegenüber den Mittelmeerländern zielt nicht auf die Entwicklung dieser Länder ab, sondern darauf, die Einflussnahme des europäischen Kapitals zu verstärken. Ebendiesen Zielen dient das Finanzierungsprogramm MEDA.

Mit der Schaffung einer Frei­handelszone Europa-Mittelmeer wird lediglich bezweckt, das Vordringen europäischer Industrieprodukte auf die Märkte dieser Länder zu erleichtern und gleichzeitig jeglichen Reichtum der betreffenden Staaten ihrem räuberischen Regime zu unterstellen.

Die Berufung auf die Stabilisierung der Demokratie, des Rechtsstaates und der Menschenrechte ist nichts anderes als der EU-übliche Vorwand für die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder.

Die durch die MEDA-Programme geförderten strukturellen Anpassungen zielen vor allem darauf ab, die so genannten Gesetze des Marktes und die Herrschaft der wirtschaftlich Stärkeren in diesen Ländern durchzusetzen. Im Ergebnis dessen werden sie noch tiefer in Unterentwicklung versinken und auf Grund der ungleichen Partnerschaftsabkommen zu Satellitenstaaten der EU werden.

Die Kommunistische Partei Griechenlands kämpft für die gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen den Völkern, ohne Einmischung eines Landes in die inneren Angelegenheiten eines anderen. Sie verweist mit Nachdruck auf die Verantwortung der entwickelten kapitalistischen Länder für die gegenwärtige Situation der unterentwickelten Länder, die auf ihre bisherige räuberischen Ausbeutung zurückzuführen ist. Auch aus diesem Grund sind die entwickelten Länder verpflichtet, den unterentwickelten Ländern zu helfen, ihre Produktionsbasis zu entwickeln und den Lebensstandard ihrer Einwohner anzuheben.

Weil sowohl das vorangegangene MEDA-Programm als auch die eingereichten Änderungsanträge weit von den oben genannten Zielen entfernt sind, stimmen wir Abgeordneten der Kommunistischen Partei Griechenlands im Europäischen Parlament gegen den Bericht von Herrn Valdivielso de Cué.

 
  
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  Martinez (TDI), schriftlich. (FR) Europa wird sich nach Osten ausdehnen. Dies ergibt sich aus der Agenda 2000. Aber im Süden hat Europa eine Wassergrenze, und dies ergibt sich aus seiner Geografie.

Von dort, im Süden Italiens und Spaniens, kommen Boote und Flöße nach Europa. Sie sind beladen und überladen mit Albanern, Türken, Muslimen, Männern, Frauen und Kindern aus allen Ländern rund um das Mittelmeer. Dies ist eine Welle, eine Brandungswelle. Sie wird von Jahr zu Jahr zunehmen, sie wird Europa überschwemmen, auch wenn es 1999 in El Elejido und an einigen wenigen anderen Orten Reaktionen seitens der ansässigen Bevölkerung gegen diese Flut von Nomaden gegeben hat.

Da die europäischen Regierungen kein Rollback möchten und keine Politik des Containment zustande bringen, versuchen sie eben, dieses Wandervolk vor seiner Abreise sesshaft zu machen. Darauf läuft das gesamte, vom gesunden Menschenverstand geprägte MEDA-Programm hinaus.

Diese europäische Mittelmeerpolitik, die auf dem Gipfel von Cannes im Juni 1995 entwickelt, von der Konferenz von Barcelona im November 1995 unter der Bezeichnung „Partnerschaft Europa-Mittelmeer“ eingeführt und mittels der MEDA-Verordnung vom 23. Juli 1996 umgesetzt wurde, beruht auf einigen regionalen und nationalen Investitionsvorhaben. Ihr Umfang ist gering: 3,3 Milliarden Euro von 1995 bis 1999, von Marokko bis Gaza und Westjordanland, auch wenn sich unter Einbeziehung der 3,6 Milliarden EIB-Darlehen eine Finanzhilfe ergibt, die über den 4,4 Milliarden Euro der Weltbank liegt.

Dies ist eine geringe Summe, nicht nur, weil diese 3,6 Milliarden Verpflichtungsermächtigungen sich in Wirklichkeit auf eine Gesamtauszahlung von insgesamt 648 Millionen Euro beschränken, sondern auch, weil diese Maßnahmen nicht der Tragweite des Problems entsprechen.

Es ist sicher gut, dass wir von bilateralen Hilfen zu einem globalen und multilateralen Ansatz übergegangen sind. MEDA II für die Jahre 2000-2006 erhöht zwar die Mittel um nicht weniger als 47,1 % und erreicht damit einen Finanzrahmen von 8,5 Milliarden Euro. Die europäischen Landwirte würden sich mit einer zwei- oder dreimal geringeren Erhöhung zufrieden geben.

Als Mittelmeerpolitik kann man dies jedoch nicht bezeichnen. Hier haben wir es nicht mit Programmen zu tun, sondern mit noch mehr Beamten in Brüssel für deren Verwaltung. Eine Mittelmeerpolitik, die den demografischen, umweltpolitischen, klimatischen, islamischen und kulturellen Aufgabenstellungen gewachsen ist, stellt eine bedeutende strategische Vision dar, bei der der Mittelmeerraum gefestigt, stabilisiert und geordnet wird, und zwar mit Hilfe von eigenständigen und zwischenstaatlichen Institutionen mit großen gemeinsamen Sektoren, die noch zu erschließen sind, wie etwa die Bereiche Wasser, Umwelt, Migration oder Abholzung der Wälder.

Unter diesen Voraussetzungen und mit dieser Methode sowie mit integrierten Institutionen, wie etwa einem Hohen Sekretariat für Mittelmeerfragen, könnte man von einem Haushalt sprechen, da in diesem Fall strategische Projekte vorlägen und nicht nur die taktische Vergabe von einigen Mitteln nach dem Gießkannenprinzip. Wir müssen jedoch rasch, sehr rasch vorankommen, bevor das kolonisierte Europa nur noch den Niedergang ihrer Kultur beraubter Völker zu bieten hat.

 
  
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  Schröder, Ilka (Verts/ALE), schriftlich. - Die Partnerschaft zwischen der EU und den südlichen Mittelmeeranrainerstaaten enthält eine Reihe positiver Elemente. Sie sollte weiterentwickelt und vertieft werden. Der Bericht zur Reform des MEDA-Programms weist jedoch mehrfach in eine falsche Richtung.

Die Europäische Union ist darauf fixiert, mit den Ländern südlich des Mittelmeers Freihandelsabkommen abzuschließen - die paradoxerweise nur einseitig liberalisieren. Solche Abkommen wirken sich besonders negativ auf finanziell Benachteiligte aus; das haben bereits bestehende Freihandelsabkommen bewiesen. Der Bericht gibt zu, dass diese Gefahr im Zusammenhang mit Freihandelsabkommen besteht. Warum sonst werden „Stützungsmaßnahmen“ beschrieben und gefordert, mit denen die negativen Auswirkungen des Freihandels gelindert werden sollen?

Wenn man die Gefahren der Freihandelsstrategie erkennt, aber dennoch an dieser Strategie festhält, haben die sozialen, ökologischen und kulturellen Bestandteile des Programms immer nur Reparatur- und Schadensbegrenzungscharakter - obwohl sie das Leitprinzip für solche Abkommen sein müssten.

Um außerdem eine Zuschussfähigkeit zu erreichen, müssen die MEDA-Länder den Bretton-Woods-Institutionen genügen (zum Beispiel dem IWF). Gerade deren Programme sind für ihre unsozialen und rein auf Liberalisierung angelegten Strategien bekannt.

In der Partnerschaft EU-Mittelmeer muss es darum gehen, Ungleichgewichte zwischen den Regionen nördlich und südlich des Mittelmeerraums abzubauen, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und die Verständigung zwischen ihnen in den unterschiedlichen Regionen zu fördern. Wenn aber der Freihandel zum Leitprinzip gemacht wird, dann verkommen diese Ziele zur Fassade, und die Gewinner sind einmal mehr wenige Reiche.

Außerdem protestiere ich dagegen, dass die Partnerschaft Europa-Mittelmeer als Instrument missbraucht wird, um Migration von dort in die EU zu verhindern. Nicht nur in Verträge mit den Mittelmeerstaaten, sondern in jedes Abkommen mit einem oder mehreren Drittländern schreibt die Europäische Union seit einiger Zeit den „Kampf gegen illegale Migration“ und die „Rückführung“ von „illegalen“ Flüchtlingen als Ziel hinein. So baut jedes einzelne Abkommen die Festung EU einen Mauerstein weiter auf. Auch dieser Bericht ist ein Beispiel für die europäische Politik der Abschottung gegenüber MigrantInnen und Flüchtlingen. Die Länder des südlichen Mittelmeerraums werden zu Vorhöfen der Festung Europa erklärt. Sie sollen dafür Sorge tragen, dass „unerwünschte Personen“ nicht in die EU gelangen. Ich frage mich, wie die EU gegenüber den Partnerstaaten im Mittelmeerraum auf die Einhaltung der Menschenrechte und auf die Freiheit des Individuums pochen will, wenn sie die Rechte von Migrantinnen und Migranten selbst nicht achtet, diese Menschen illegalisiert, und sie um jeden Preis - bis hin zur Tötung - von Europa fernhalten will. Dieser Bericht sichert einmal mehr die Freiheit der Waren, der Dienstleistungen und des Kapitals. Er tritt einmal mehr die Freiheit und die Rechte der Menschen mit Füßen. Deshalb stimme ich trotz einiger positiver Elemente dagegen.

 
  
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  Vlasto (PPE-DE), schriftlich. (FR) Ich habe für den Bericht von Herrn Valdivielso de Cué gestimmt, denn die Partnerschaft Europa-Mittelmeer muss sich auf ein operationelles und leistungsfähiges MEDA-Programm stützen können. Als Abgeordnete einer am Mittelmeer gelegenen Stadt wünsche ich mir, dass der Partnerschaft Europa-Mittelmeer im Zeitraum 2000-2006 Mittel gewährt werden, die mit den für die mittel- und osteuropäischen Länder bereitgestellten vergleichbar sind.

Für die Umsetzung des MEDA-Programms sind die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen vereinfachenden Maßnahmen, die durch diesen Bericht noch verstärkt werden, hilfreich. Bei der Betrachtung der Mittelinanspruchnahme beim ersten MEDA-Programm stellt sich die Frage, wie man rechtfertigen will, dass lediglich ein Viertel der Finanzmittel tatsächlich ausgezahlt wurde, und dies über einen durchschnittlichen Zeitraum von vier Jahren? Derartige Probleme schaden unserer internationalen Glaubwürdigkeit und zeigen den europäischen Steuerzahlern ein beklagenswerten Bild von der Verwendung öffentlicher Gelder durch die Institutionen der Gemeinschaft. Mit einer solchen Bilanz können wir uns nicht zufrieden geben.

Daher kann man die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Änderungen nur unterstützen. Die Hilfe für die Mittelmeerländer muss effizient und rasch erfolgen, im Einklang mit den politischen Prioritäten der Europäischen Union. Der Bericht von Herrn Valdivielso de Cué, der eine Dezentralisierung der Verwaltung und der Projektabwicklung sowie eine Neuausrichtung des MED-Ausschusses sowie die verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten vorschlägt, trägt auf diese Weise zur Verbesserung von MEDA bei.

Die stärkere Einbeziehung des Europäischen Parlaments in die MEDA-Entscheidungsprozesse ist meines Erachtens ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Im Übrigen bedauere ich es, dass sich das Parlament bei einer so wichtigen Frage wie der Änderung der MEDA-Verordnung lediglich im Rahmen des Konsultationsverfahrens äußern kann.

Mit den Änderungen, die wir in diesem Bericht vorschlagen, wird das MEDA-Programm über vereinfachte, dezentralisierte und transparente Umsetzungsverfahren verfügen. Nun sollten für dieses Programm meines Erachtens auch Finanzmittel aus dem Gemeinschaftshaushalt bereitstehen, die unseren politischen Bestrebungen hinsichtlich des Mittelmeerraums entsprechen. Die Europäische Kommission hat sich für eine Erhöhung der Anzahl der MEDA-Mitarbeiter eingesetzt, damit dieses Programm mit der Zeit über vergleichbare Mitarbeiterzahlen wie die anderen großen Programme PHARE und TACIS verfügt. Das Europäische Parlament sollte sich anlässlich der Prüfung des Haushalts 2001 vergewissern, dass diese Verpflichtung auch eingehalten wird.

Was die Mittelausstattung des MEDA-Programms anbelangt, so sollte der Finanzrahmen meiner Ansicht nach den vom Rat und vom Parlament erklärten politischen Willen widerspiegeln, wonach die Partnerschaft Europa-Mittelmeer zu einer Priorität im Rahmen unserer externen Politikbereiche werden soll.

Die Änderung der MEDA-Verordnung im Hinblick auf die Stärkung des Entscheidungsprozesses und die Vereinfachung des Verfahrens zur Projektumsetzung ist eine wichtige Etappe der Partnerschaft Europa-Mittelmeer. Ich erwarte, dass die Abstimmung über den MEDA-Haushalt einen weiteren Schritt darstellen wird, der die Bedeutung, die wir der Partnerschaft Europa-Mittelmeer beimessen, noch stärker hervorhebt.

 
  
  

- Berichte Varela Suanzes-Carpegna (A5-0194 und A5-0188/2000)

 
  
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  Fatuzzo (PPE-DE).(IT) Frau Präsidentin, ich habe für den Bericht Varela über das Fischereiabkommen mit Guinea gestimmt, obgleich er sicherlich von den Garnelen und den Thunfischen nicht wohlwollend aufgenommen wird, da er ihren Fang regelt. Ich habe diese Meinung Herrn Fernández Martín mitgeteilt, als über die Kanarischen Inseln verhandelt wurde, und er hat mir zu Recht entgegnet: „Ja gut, aber die Garnelen stimmen nicht ab, und außerdem bin ich Angler“.

Frau Präsidentin, diese Verordnung weist einige Unzulänglichkeiten auf, weil der Staat Guinea auf ihrer Grundlage eine finanzielle Unterstützung erhält, um einerseits den Erhalt der Fischbestände zu fördern und die Fangmengen zu verringern und andererseits die Fischereifahrzeuge der Europäischen Union zum Garnelen- und Thunfischfang in die dortigen Gewässer schicken zu können. Ich halte das für eine Form des Kolonialismus, die beseitigt werden müsste.

Ich habe auch dem zweiten Bericht Varela betreffend das Fischereiabkommen mit Mauritius meine Zustimmung gegeben, wenngleich ich betonen muss, dass mir das schwer gefallen ist. Warum? Weil der Ausschuss für Entwicklung und Zusammenarbeit einen Änderungsantrag eingereicht hatte, in dem gefordert wurde, dass die Lohnbedingungen der Fischer, und ich möchte hinzufügen, auch die Rentenbedingungen, überwacht werden. Leider wurde dieser Änderungsantrag nicht angenommen. Auf der Grundlage dieses Dokuments werden wir demnächst ein Handelsabkommen schließen und Geld der Europäischen Union zur Verfügung stellen, ohne zu verlangen, dass wir die mit den Fischern abgeschlossenen Verträge kontrollieren dürfen. Ich halte das für schädlich!

 
  
  

- Bericht Watson (A5-0201/2000)

 
  
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  Ludford (ELDR).(EN) Frau Präsidentin, ich möchte im Namen der ELDR eine Erklärung zu den Abstimmungen abgeben. Unser vorrangiges Ziel war die Verabschiedung dieses äußerst wichtigen Berichts, durch den erstmals die Einwanderungsgesetze der europäischen Gemeinschaft vereinheitlicht und die gerechtere Behandlung von Drittstaatsangehörigen sichergestellt werden soll. Wir haben uns daher mit gleichgesinnten Fraktionen und Mitgliedern solidarisch erklärt. Wir haben die Änderungsanträge der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas zur Streichung von Personen unterstützt, die subsidiären Schutz genießen, da das Kommissionsmitglied zugesagt hat, einen Vorschlag für diese Personengruppe sowie für Personen unter zeitweiligem Schutz vorzulegen.

Wir hätten es zwar prinzipiell vorgezogen, dass in die Richtlinie auch Personen einbezogen werden, die subsidiären Schutz genießen, weil sich diese Menschen langfristig und rechtmäßig in einem Land aufhalten, wir haben uns aber zu diesem Kompromiss entschlossen, weil wir die Verabschiedung dieses Berichts nicht gefährden wollten. Wir haben uns deshalb auch im Hinblick auf die Behandlung von Verwandten in aufsteigender Linie der Stimme enthalten, um möglichst alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen und so eine klare Mehrheit für den Bericht sicherzustellen, denn uns ist klar, dass die Einbeziehung dieser Verwandten für einige Abgeordnete sehr problematisch ist. Einige unserer Fraktionsmitglieder hätten es jedoch lieber gesehen, wenn wir hier eine großzügigere Haltung an den Tag gelegt hätten. Frau Malmström und Frau van der Laan haben mich gebeten, sie in diesem Zusammenhang ausdrücklich zu erwähnen.

Unsere Fraktion hat sich bewusst für die Einbeziehung unverheirateter Partner ausgesprochen, wenn der betreffende Mitgliedstaat solche Partnerschaften rechtlich anerkennt, wie das meines Wissens zur Zeit in drei Staaten der Fall ist. Wir halten es für sinnvoll, nicht in die interne Entscheidung über die rechtliche Anerkennung solcher Partnerschaften einzugreifen.

 
  
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  Fatuzzo (PPE-DE).(IT) Frau Präsidentin, ich habe ebenso wie die gesamte Fraktion der Europäischen Volkspartei gegen den Bericht Watson gestimmt, nicht nur, weil die Änderungsanträge der Fraktion, der anzugehören ich die Ehre habe, nicht übernommen wurden, sondern auch, weil es die Rentner müde sind zu beobachten, wie das gesamte Territorium der Europäischen Union immer mehr mit Drittstaatsangehörigen überschwemmt wird, die über keine Existenzmittel verfügen. In dem Richtlinienvorschlag ist die Möglichkeit der Einreise und Zusammenführung – an sich eine hervorragende Sache, der ich zustimme – auch der Angehörigen von Einwanderern vorgesehen, die lediglich von einem Einkommen entsprechend der Mindestrente der Sozialversicherung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union leben. Diese Mindestrente ist jedoch schon für eine Person nicht ausreichend! Wie soll der Einwanderer, der über ein so niedriges Einkommen verfügt, all seine Familienangehörigen ernähren?

 
  
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  Berthu (UEN), schriftlich. (FR) Der Bericht Watson über den Richtlinienvorschlag zur Familienzusammenführung wurde soeben trotz seiner äußerst laxen Grundausrichtung vom Europäischen Parlament mit einer großen Mehrheit von 323 Stimmen gegen 212 Neinstimmen verabschiedet. Dieses Votum zeigt, in welchem Maße die Europaabgeordneten wie auch die Kommission, die den ursprünglichen Vorschlag verfasst hat, derzeit an ihrer vorrangigen Aufgabe scheitern, die nicht darin besteht, alle Welt zufrieden zu stellen, sondern darin, die europäischen Völker zu schützen.

Außerdem ist dieses Votum eine Bestätigung dessen, was wir stets über die Vergemeinschaftung der Einwanderungspolitik durch den Vertrag von Amsterdam gesagt haben, die hier auf den speziellen Fall der Familienzusammenführung gemäß Artikel 63 Absatz des EG-Vertrags angewandt wird. Die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen von der nationalen auf die europäische Ebene soll nicht der Stärkung der Nationen dienen, wie dies von einigen zur Wählertäuschung behauptet wurde, sondern im Gegenteil zur besseren Zerstörung der Verteidigungsmöglichkeiten der Nationen.

Der Richtlinienvorschlag zur Familienzusammenführung in der vom Bericht Watson gebilligten Form fordert auf europäischer Ebene ein Recht auf Familienzusammenführung, das aus juristischer Sicht auf diesem Niveau noch nicht existiert und das unseres Erachtens nicht als Recht bestehen sollte. Der Aufnahmestaat verpflichtet den Einwanderer nämlich nicht zur Einreise. Diese Entscheidung trifft der Einwanderer aus eigenem Antrieb, und wenn er aufgenommen wird, steht es ihm nicht zu, dieses Recht auch für andere Personen einzufordern.

Des Weiteren ist festzustellen, dass sich die Begründung des Richtlinienvorschlags tugendhaft auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die internationalen Pakte von 1966 beruft, die anerkennen, dass „die Familie die natürliche Keimzelle der Gesellschaft ist und Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat“ hat. Gleichzeitig weigert sich jedoch der so genannte Konvent, der eine Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausarbeitet, hartnäckig, ebendieses Prinzip zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich, dass die Anerkennung der Familie als natürliche Keimzelle der Gesellschaft Gültigkeit besitzt, wenn sie zur Rechtfertigung der Familienzusammenführung dient, dass sie aber keine Gültigkeit mehr besitzt, wenn sie der Unterstützung der europäischen Familien dienen könnte.

Der vom Bericht Watson gebilligte Richtlinienvorschlag begnügt sich nicht mit der Verkündung dieses nicht vorhandenen Rechts. Er spricht dieses Recht nicht nur legalen Einwanderern zu, sondern auch Personen mit Flüchtlingsstatus. Außerdem handelt es sich bei den Nutznießern der Familienzusammenführung nicht nur um den Ehepartner und die minderjährigen Kinder des Zusammenführenden, sondern auch um seinen „nicht verheirateten Lebenspartner“ bei Bestehen einer auf Dauer angelegten Beziehung, so dass auch homosexuelle Paare eingeschlossen sind, sofern sie laut Rechtsvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats Ehepaaren gleichgestellt sind. Die Richtlinie schließt auch die volljährigen Kinder ein, die objektiv „nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können“, sowie Verwandte in aufsteigender Linie des Zusammenführenden, seines Ehegatten oder sogar seines nicht verheirateten Partners.

Die Tore sind also bis zum Anschlag geöffnet, und es wird darauf abgezielt, die Einwanderung mit Ansiedelungscharakter massiv zu fördern, was die Grundzüge der europäischen Gesellschaften verändern wird.

Die nationalen politischen Klassen hätten einen derartigen Text mit Sicherheit nicht verabschieden können, denn sie werden in stärkerem Maße von ihren Bürgern überwacht. Daher haben sie Brüssel die Zuständigkeit übertragen, wo nun an ihrer Stelle heimlich dieses schmutzige Geschäft abgewickelt wird. Dies sind gegenwärtig die wahren Aufgaben Europas.

 
  
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  Blak, Lund und Thorning-Schmidt (PSE), schriftlich. - (DA) Die dänischen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament begrüßen die Initiative betreffend gemeinschaftliche Regelungen im Bereich der Familienzusammenführung. Wir haben jedoch gegen einzelne Punkte gestimmt, u. a. gegen die Einjahresregelung. Aufgrund dieser Tatsache und unter Verweis auf den dänischen Vorbehalt betreffend den Bereich der Justiz haben sich die dänischen Sozialdemokraten bei der Abstimmung über den endgültige Antrag der Stimme enthalten.

 
  
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  Busk, Haarder, Jensen und Riis-Jørgensen (ELDR), schriftlich. - (DA) Die Mitglieder der liberalen Partei Venstre bedauern, dass die dänische Regierung aufgrund des dänischen Vorbehalts keinen Einfluss auf die Gestaltung der Richtlinie nehmen konnte und dass Dänemark als einziges Land über kein Vetorecht verfügt. Wir bedauern ferner, dass die Regierung nicht wie andere Staaten strengere Forderungen hinsichtlich Eigenversorgung, Wohnraum usw. an Einwanderer in Dänemark stellt, die eine Familienzusammenführung wünschen. Das im Richtlinienvorschlag anvisierte Recht auf Familienzusammenführung nach einem Jahr wäre in Dänemark kein Problem, wenn Dänemark - ebenso wie die anderen Staaten - solche Forderungen stellen würde, wie sie im Richtlinienvorschlag ausdrücklich festgelegt sind. Dann wäre es nicht Aufgabe der Kommunen, Wohnraum zu beschaffen und die betreffenden Personen zu versorgen, wie dies heute der Fall ist. Aber unter den gegebenen Umständen lässt sich die Einjahresregelung in Dänemark nicht ohne erhebliche Probleme umsetzen. Wir enthalten uns deshalb bei der Abstimmung über den Bericht der Stimme. Wir bedauern dies, da wir Befürworter einer gemeinschaftlichen Politik, insbesondere im Asylbereich, sind.

 
  
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  Caudron (PSE), schriftlich. (FR) Nach den auf dem Europäischen Rat von Tampere im Oktober 1999 hinsichtlich eines europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beschlossenen Weiterentwicklung und zu einem Zeitpunkt, da wir über die Charta der Grundrechte diskutieren, kommt dem heute erörterten Bericht meines Erachtens größte Bedeutung zu, in dem es um das Problem der Familienzusammenführung geht.

Bisher wird dieses Recht lediglich von internationalen Rechtsinstrumenten anerkannt, insbesondere von der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und der Grundfreiheiten von 1950. Auf nationaler Ebene sind die Gegebenheiten sehr unterschiedlich. Nun ermöglicht aber die Familienzusammenführung den Schutz der familiären Einheit, und sie erleichtert die Integration von Drittstaatsangehörigen in den Mitgliedstaaten. Somit war die Aufnahme des Rechts auf Familienzusammenführung in die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften unerlässlich.

Der Vorschlag der Europäischen Kommission zielt also darauf ab, ein Recht auf Familienzusammenführung für die Drittstaatsangehörigen einzuführen, die legal in einem Mitgliedstaat leben, und zwar unter Berücksichtigung einiger Bedingungen materieller und verfahrenstechnischer Art.

Ich begrüße die Arbeit meiner Kollegen vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, die sich entschieden gegen die äußerst restriktive und konservative Sichtweise der zuerst benannten Berichterstatterin gewehrt haben. Sie haben einen Text erarbeitet, der dem Grundsatzvorschlag der Europäischen Kommission nahe kommt, der meiner Ansicht nach insgesamt betrachtet zufrieden stellend war.

Laut diesem Text werden die Personen, die einer der folgenden Gruppen angehören, in den Genuss der Familienzusammenführung kommen:

- Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten und über eine mindestens ein Jahr gültige Aufenthaltserlaubnis verfügen;

- Flüchtlinge, unabhängig von der Gültigkeitsdauer ihrer Aufenthaltserlaubnis, oder Unionsbürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht ausüben.

Folgende Personen haben Anspruch auf Nachzug:

- der Ehegatte oder der nicht verheiratete Partner des Zusammenführenden (einschließlich der Partner gleichen Geschlechts); zu beachten ist, dass die Bestimmung über den nicht verheirateten Partner nur in den Mitgliedstaaten gilt, in denen nicht verheiratete Paare verheirateten Paaren gleichgestellt sind;

- die verheirateten oder unverheirateten Kinder des Paares, die innerhalb oder außerhalb der bestehenden oder in einer früheren Ehe geboren sind;

- unter diese Bestimmung fallen auch die Kinder eines der Ehegatten oder Partner, vorausgesetzt, letzterer ist für diese Kinder tatsächlich erziehungsberechtigt und unterhaltspflichtig;

- Verwandte in aufsteigender Linie, für die der Zusammenführende unterhaltspflichtig ist, sowie die volljährigen Kinder, die nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können.

 
  
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  Evans, Robert J.E. (PSE), schriftlich. – (EN) Ich spreche im Namen meiner 28 Kollegen von der britischen Labour-Partei. Wir haben für diesen Bericht gestimmt, obwohl die Regierung des Vereinigten Königreichs aus verschiedenen Gründen von ihrem Recht auf Nichtteilnahme Gebrauch gemacht und sich dieser Initiative nicht angeschlossen hat.

Wie Sie wissen, hat auch die Regierung des Vereinigten Königreichs die Beschlüsse befürwortet, die auf der Tagung des Europäischen Rates in Tampere gefasst wurden. Es bestehen jedoch verschiedene praktische Fragen und Probleme im Hinblick auf die Souveränität, welche im Vereinigten Königreich sehr ernst genommen werden und dazu geführt haben, dass das Vereinigte Königreich diese Initiative derzeit nicht unterstützen kann. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich auch unsere Regierung den Kernaussagen in diesem Bericht und den zugrunde liegenden Werten verbunden fühlt. Es ist die erklärte Absicht der Regierung, dass die Haltung des Vereinigten Königreichs auf dem wichtigen Gebiet der Einwanderungspolitik nicht gravierend von der Position unserer europäischen Partner abweichen sollte.

Die britischen Labour-Abgeordneten dieses Hauses haben daher für diesen Bericht und für das grundsätzliche Recht auf Familienzusammenführung gestimmt.

 
  
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  Lulling (PPE-DE), schriftlich. - Luxemburg ist das Land in der Europäischen Union mit dem größten Anteil an Ausländern in der Bevölkerung: 37 %. Die Mehrheit derselben – 87 % - stammt aus den EU-Ländern. Aber seit einiger Zeit wächst der Anteil an Immigranten aus Drittländern schneller als der Anteil an EU-Bürgern aus den anderen 14 Mitgliedstaaten.

Für unseren Arbeitsmarkt sind wir auf Einwanderer angewiesen, obwohl die größten Engpässe auf unserem Arbeitsmarkt durch Grenzgänger aus Frankreich, Belgien und Deutschland wettgemacht werden. Fast ein Drittel der Arbeitskräfte, über 80 000, sind Grenzgänger. Über die Hälfte der aktiven Bevölkerung hat nicht die Luxemburger Staatsangehörigkeit. Diese Zahlen illustrieren das Interesse, das mein Land an einer vernünftigen Immigrationspolitik und selbstverständlich an dem wichtigen Aspekt der Familienzusammenführung hat. Es gehört sicher zu den Aufgaben der Kommission, insbesondere nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags, Maßnahmen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft über die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen vorzuschlagen, vor allem mit dem sicher lobenswerten Ziel, eine Annäherung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Bedingungen für die Zulassung und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen herbeizuführen.

In ihrem Vorschlag zu einer Richtlinie betreffend das Recht auf Zusammenführung bemerkt die Kommission mit Recht, dass die Anwesenheit der Familienmitglieder ein normales Familienleben und somit eine größere Stabilität und bessere Verwurzelung der Menschen in dem Einwanderungsland ermöglicht. Wir wissen und schätzen es auch, dass die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und andere internationale Konventionen die Familie als die natürliche Kernzelle der Gesellschaft anerkennen, die Schutz und Beistand erfahren soll.

Auf diesem Hintergrund, und auch wenn verschiedene internationale Abkommen kein Recht auf Familienzusammenführung vorsehen, begrüße ich doch im Prinzip den Vorschlag der Kommission für ein gemeinschaftliches Rechtsinstrument im Bereich der Familienzusammenführung. Allerdings wollen wir weder das absolute Chaos noch neue Möglichkeiten für Schlepperbanden. Wir müssen vor allem gewährleisten, dass diesbezügliche Regelungen der Aufnahmekapazität der einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Das wäre sicher nicht der Fall, wenn wir dem Bericht des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten in seiner vorliegenden Form zustimmen würden. Die Berichterstatterin hat gut daran getan, ihren Namen von dem im Ausschuss mit 25 gegen 13 Stimmen angenommenen Bericht zurückzuziehen. Eine Richtlinie in der Form, in der sie jetzt von der Mehrheit des federführenden Ausschusses vorgeschlagen wird, ist einfach undurchführbar, gefährlich und kontraproduktiv. Nur die Änderungsanträge meiner Fraktion und der ursprünglichen Berichterstatterin, Frau Klamt, hätten mich dazu bringen können, für diesen Bericht zu stimmen.

Familienzusammenführung, ja! Aber wie wird die Familie definiert? Wie viel Ehegatten bei Mehrehen, wie viel Kinder, Lebensgefährten, Angehörige im weitesten Sinne des Wortes, Scheinehepartner soll ein einziger Drittstaatsangehöriger mit rechtmäßigem Aufenthalt zusammenführen können? 10, 20, 100, je nach Tradition und Religion?

Sicher sollten humanitäre Erwägungen eine Rolle spielen. Aber das Ganze muss noch überschaubar und kontrollierbar sein. Es kommt vor allem darauf an, dass den einzelnen Mitgliedstaaten nicht aufgrund einer europäischen Richtlinie eine Situation beschert wird, die sie nicht mehr zu meistern imstande sind.

Selbstverständlich sollen Mitgliedstaaten, die großzügigere Regelungen haben, diese beibehalten können.

Es kam mir bei dieser Erklärung darauf an, vor Übertreibungen mit unabsehbaren Folgen zu warnen, ohne deshalb den Grundsatz der Einheit der Familie in Frage zu stellen. Im Gegenteil!

 
  
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  Sacrédeus und Wijkman (PPE-DE), schriftlich. – (SV) In dieser Richtlinie geht es vor allem um zwei verschiedene Gruppen, Drittstaatsangehörige und Flüchtlinge, sowie um deren Recht auf Familienzusammenführung in EU-Ländern. Wir schwedischen Christdemokraten sind der Meinung, dass diese getrennt behandelt werden sollten. Das Recht von Flüchtlingen auf Familienzusammenführung sollte auf gleiche Weise gestaltet werden, jedoch Gegenstand einer separaten Richtlinie sein.

Die Familie ist der wichtigste Baustein unserer Gesellschaft. Darum muss das Recht auf Familienleben verteidigt werden. Wir müssen uns dabei vor allem für das Recht der Kinder auf Wiedervereinigung mit ihren Eltern einsetzen, wobei das Recht auf Familienzusammenführung in bestimmten Fällen (z. B. bei Vorliegen ernster medizinischer Gründe) auch auf nahe Familienangehörige in aufsteigender Linie sowie auf volljährige Kinder ausgedehnt werden sollte. Ebenso angemessen ist es, Familienmitgliedern beispielsweise im Falle von Scheidung oder Tod eine eigene Aufenthaltsgenehmigung im Gastland zu gewähren. Außerdem sollten die Familienmitglieder das Recht erhalten, im Aufenthaltsland zu arbeiten und sich weiterzubilden.

Mit diesen Einschränkungen und Präzisierungen unterstützen wir den Bericht.

 
  
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  Schröder, Ilka (Verts/ALE), schriftlich. -Trotz der Beschränkung auf Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention stimme ich für diesen Bericht. Für die allermeisten Homosexuellen und die Flüchtlinge, die unter temporärem oder subsidiärem Schutz stehen, bringt der Kommissionsvorschlag keinen Fortschritt.

Gerade aus deutscher Sicht stellt er aber eine Verbesserung der Situation für jene Flüchtlinge dar, die nach dem Kriterium Familienangehöriger anderen Menschen eine legale Migration ermöglichen können. Und ich stimme auch deswegen zu: Werden inzwischen nahezu täglich die Flaggen gehisst gegen Rechtsextremismus in Deutschland, ist es gerade der deutsche Innenminister Schily, der sich gegen die migrationsfreundliche Regelung ausspricht. Er befürchtet, dass „sechsstellige Zahlen“ von MigrantInnen nach Deutschland kommen werden, wenn die Richtlinie in Kraft tritt. Damit betätigt er sich als verbaler Türöffner für jene, die diese „sechsstellige“ Menschenmenge mit Gewalt aus der BRD vertreiben wollen - tot oder lebendig. Damit wird das Engagement gegen Rechtsextremismus nicht nur zur scheinheiligen Maske, sondern ins Gegenteil verkehrt.

 
  
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   Lulling (PPE-DE).(FR) Frau Präsidentin, könnte man nicht wie früher vorgehen, das heißt, es werden all diejenigen genannt, die eine schriftliche Stimmerklärung abgeben möchten, damit sie die Sitzung verlassen können. Die gegenwärtige Situation ist unmöglich. Man muss eine halbe Stunde nach den Abstimmungen hier warten, bis man mitteilen kann, dass man eine schriftliche Stimmerklärung abgeben möchte. Früher hatten wir eine andere Regelung, die wirklich besser war.

 
  
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  Die Präsidentin. Kein Grund zur Aufregung, Frau Lulling. Wissen Sie, es ist nicht einfach, manchmal muss man sich heiser schreien beim Aufruf der Kollegen, die eine schriftliche Stimmerklärung abgeben möchten. Unsere Dienste überprüfen, ob die Kollegen tatsächlich anwesend sind, und wir registrieren alle schriftlichen Anträge, ohne sie dann ankündigen zu müssen. Es wird überprüft, ob der Kollege zu Beginn der Erklärungen zur Abstimmung wirklich anwesend ist, und ich rufe dann nur noch die mündlichen Stimmerklärungen auf. Sie können daher jetzt gehen.

 
  
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  De Rossa (PSE). (EN) Seit fast einer halben Stunde sitze ich nun schon hier und warte darauf, dass mein Name aufgerufen wird. Ich bin durch den Sitzungsdienst aufgefordert worden, ins Plenum zu kommen, damit meine Erklärung zur Abstimmung in schriftlicher Form entgegengenommen werden kann. Ich verstehe das Problem nicht. Weshalb kann uns der Sitzungsdienst nicht einfach eine klare Information geben? Ich habe angegeben, dass ich eine schriftliche Erklärung zur Abstimmung abgeben möchte. Daraufhin wurde mir gesagt, dass ich in jedem Fall bei der Abstimmung anwesend sein und warten müsse, bis ich aufgerufen würde, damit ich bekannt geben könne, dass ich eine schriftliche Erklärung zur Abstimmung abgeben möchte. Warum musste ich hier eine halbe Stunde verschwenden?

 
  
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  Die Präsidentin. - Nein, nach meinen Informationen handelt es sich um ein Missverständnis. Ihnen wurde gesagt, Sie müssen während der Abstimmung anwesend sein. So war dies meines Erachtens immer geregelt, aber Sie müssen nicht sämtliche Stimmerklärungen abwarten.

 
  
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  De Rossa (PSE).(EN) Frau Präsidentin, man hat mir ausdrücklich gesagt, ich müsse anwesend sein und ankündigen, dass ich eine schriftliche Erklärung zur Abstimmung abgeben wolle. Als ich es bei einer früheren Gelegenheit versäumte, im Plenum anwesend zu sein, wurde ich dafür gerügt.

 
  
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  Die Präsidentin. Wir können diese Debatte nicht endlos ausdehnen, aber ich verspreche Ihnen, dass wir diese Fragen im Präsidium näher erörtern werden, so dass zunächst einmal alle Sitzungspräsidenten dieselben Regeln bei den Stimmerklärungen anwenden. Ich persönlich bin der Ansicht, dass die korrekteste Vorgehensweise darin besteht, genau zu prüfen, ob die Kollegen bei der Abstimmung anwesend sind, damit sie dann gehen können, falls sie eine schriftliche Erklärung abgeben möchten, und dass die schriftlichen Stimmerklärungen der Kollegen, die nicht an der Abstimmung teilgenommen haben, nicht berücksichtigt werden. Ich denke, dies ist die richtige Vorgehensweise, aber zuvor möchte ich diese Frage mit den Vizepräsidenten, die wie ich selbst die Abstimmungsstunden leiten, besprechen. Danke für Ihr Verständnis.

- Schaffung einer Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess

 
  
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  Caudron (PSE), schriftlich. (FR) Ich möchte betonen, dass ich die Ausarbeitung eines neuen Tätigkeitsbereichs für eine der Agenturen der Europäischen Union unterstütze, der auf die Analyse und insbesondere die Prognose des industriellen Wandlungsprozesses abzielt. Dies ist ein deutliches politisches Signal, das den Willen zum Ausdruck bringt, auf diesen Wandel, der das Ergebnis verschiedener Umwälzungen infolge wirtschaftlicher und finanzieller Veränderungen, der Entwicklung neuer Technologien, des internationalen Wettbewerbs und der Globalisierung des Handels ist, reagieren zu wollen.

Auf dem Gipfel von Luxemburg im November 1997 hat man die Erkenntnis gewonnen, dass die genauere Untersuchung dieser Phänomene bedeutsam ist, damit wir ihnen nicht hilflos ausgeliefert sind und ihren negativen Auswirkungen entgegenwirken können. Diese Überlegung hat zur Bildung einer Expertengruppe geführt, besser bekannt unter der Bezeichnung Gyllenhammar-Gruppe, die mit der Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Folgen des industriellen Wandels betraut war.

Die Schlussfolgerungen dieser Gruppe empfahlen dem Europäischen Rat von Cardiff im Dezember 1998 die Schaffung einer Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess, ein Vorschlag, über den wir heute endlich diskutieren und der, wie ich hoffe, in nächster Zukunft umgesetzt wird!

Die letzten Jahre waren in der Tat gekennzeichnet durch die Zunahme von Betriebsverlagerungen, Umstrukturierungen und Fusionen, die die industrielle Landschaft in Europa erheblich verändert haben und die gravierende Auswirkungen im Bereich der Beschäftigung und des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts hatten.

Die Mitgliedstaaten, die auf diese Veränderungen nicht ausreichend vorbereitet waren, standen ihnen oft recht hilflos gegenüber und versuchten mehr schlecht als recht, den Schaden möglichst gering zu halten, unter den zuweilen strafenden Blicken der Europäischen Kommission, die nicht gezögert hat, mehrfach Verurteilungen wegen des Vergehens der Gewährung staatlicher Beihilfen auszusprechen!

Die Opfer dieser unvorhergesehenen Veränderungen sind natürlich die Arbeitnehmer, die trotz der Wiederbelebung des Wachstums und der Verbesserung der allgemeinen Wirtschaftslage weiterhin in einem Klima der Unsicherheit leben.

Wie wir kürzlich gesehen haben, entlassen die Unternehmer nämlich auch dann Mitarbeiter, wenn sie Gewinne machen, denn es muss umstrukturiert und fusioniert werden, selbstverständlich ohne dabei an die Einhaltung der vorgeschriebenen Pflichten im Bereich der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer zu denken! In diesem Zusammenhang möchte ich an den Rat appellieren, der den Richtlinienvorschlag zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer blockiert!

Kurz gesagt, diese Beobachtungsstelle sollte uns als Instrument der Prognose des industriellen Wandels dienen. Auf diese Weise können Maßnahmen zur besseren Vorbereitung der Arbeitnehmer ergriffen werden, insbesondere indem man ihnen Umschulungsmöglichkeiten für den Einsatz in zukunftsträchtigen Tätigkeitsfeldern anbietet! Ich unterstütze den in der Entschließung enthaltenen Vorschlag, der auf die Aufnahme des Rechts auf lebenslange Bildung in die Charta der Grundrechte abzielt! Die Analysen der Beobachtungsstelle müssen selbstverständlich eine möglichst große Verbreitung finden.

 
  
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  De Rossa (PSE), schriftlich. – (EN) Ich bedauere die Entscheidung der PPE, der ELDR und der UEN, den Entschließungsantrag der PSE über die Schaffung einer europäischen Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess abzulehnen. Ein solches Zentrum könnte dazu beitragen, dass schon im Vorfeld auf mittel- und langfristige industrielle Wandlungsprozesse reagiert werden kann, und dies käme allen Beteiligten, der Kommission, dem Europäischen Parlament, den Sozialpartnern, den Regierungen und den lokalen Gebietskörperschaften, zugute.

Das Zentrum könnte, wie im Entschließungsantrag der PSE vorgeschlagen, durch die Erweiterung bestehender Kompetenzen in eine bereits bestehende Organisationseinheit oder Stiftung eingegliedert werden.

Es ist völlig unverständlich, dass einige irische Mitglieder des Parlaments gegen diesen Vorschlag stimmen, da die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in Dublin durchaus geeignet wäre, diese Aufgabe zu übernehmen.

 
  
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  Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Die gewaltigen industriellen Wandlungsprozesse der letzten Jahre, die ein Ergebnis der zunehmenden Globalisierung, der neuen Technologien und der sozialen Veränderungen sind, brachten nicht nur Wirtschaftswachstum und neue Produktionsfelder hervor, sondern auch eine steigende Konzentration, die Schließung und Verlagerung von Unternehmen. Die Folge waren der Verlust lokaler Märkte, Arbeitslosigkeit, eine Verschlechterung der Sozial- und Arbeitsschutzsysteme, eine größere soziale Ausgrenzung und enormes menschliches Leid.

Deshalb ist die Schaffung einer Beobachtungsstelle für den industriellen Wandlungsprozess mit dem Ziel, unter Einbeziehung der Sozialpartner ein aktiveres und verantwortungsbewussteres Herangehen an die industrielle Entwicklung zu fördern, äußerst wichtig, könnte sie doch dazu beitragen, die schlimmsten Auswirkungen des industriellen Wandlungsprozesses zu verhindern.

Ebenso dringend notwendig ist es, dass die Kommission die Überarbeitung der Richtlinie 94/45/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats und der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 beschleunigt, um eine breitere Einbeziehung der Arbeitnehmerorganisationen bei Entscheidungen über den Zusammenschluss oder die Übertragung von Unternehmen und eine umfassendere Sicherung und Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer zu gewährleisten.

 
  
  

- Prioritäten im Rahmen der externen Politikbereiche

 
  
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  Korakas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Wir stimmen gegen den gemeinsamen Entschließungsantrag zu den Prioritäten im Rahmen der externen Politikbereiche der Europäischen Union, weil wir der Auffassung sind, dass die Mitgliedstaaten damit, und das auf Vorschlag des Europäischen Parlaments, noch stärker jeder Möglichkeit beraubt werden, eine unabhängige Außen- und Verteidigungspolitik zu gestalten, und ihre Eingliederung in die zu schaffende Gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik forciert wird, die durch die politische und militärische Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Drittländern zur Befriedigung der imperialistischen Interessen der EU und unter Verstoß gegen jeden Begriff des Völkerrechts und zu Lasten der Völker der EU sowie der anderen Länder bereits zu erkennen gegeben hat, wes Geistes Kind sie ist. So geschah es vor kurzem im Falle des Kosovo und generell in Jugoslawien.

Die Militarisierung der EU, das Wettrüsten, die Harmonisierung im Bereich der Rüstungsgüter und der Rüstungsindustrie, das Diktat des Mächtigen im Dschungel der „Globalisierung“ und des freien Marktes stehen im Widerspruch zu den Visionen und Kämpfen der Völker für Frieden, für eine politische und friedliche Lösung der Differenzen und die Durchsetzung des Völkerrechts.

Diese Politik geht offensichtlich konform mit den jüngsten Beschlüssen des Rates, jeglichen Zugang zu den die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik betreffenden Dokumenten zu verbieten.

Sie ist generell darauf ausgerichtet, die Völker der Mitgliedstaaten der Union von den Zentren der Entscheidungsfindung fernzuhalten, damit sie nicht in die Entwicklungen eingreifen können. Auf diese Weise sollen der Volksbewegung, den nationalen Parlamenten sowie dem Europäischen Parlament bei der Ausübung jeglicher demokratischer Kontrolle Hindernisse und Barrieren in den Weg gelegt werden.

Besonders beunruhigt uns, dass die EU gegenwärtig unter eklatantem Verstoß gegen ihre eigenen Verträge indirekt versucht, ihre inneren Widersprüche zu verschleiern. Sie ist bestrebt, die Interessen des europäischen Großkapitals noch schneller zu bedienen, neue Märkte zu erobern und den Euro sogar militärisch zu stützen. Die neue Weltordnung erhebt gegenüber den Völkern und den weniger entwickelten Ländern weitere Forderungen, um ihre Herrschaft zu festigen.

In Wirklichkeit wird eine Politik vorangetrieben, die dem Großkapital treu zu Diensten steht und sich an die Seite der USA stellt, sich ihren Befehlen unterwirft und auf Kosten der Völker die neue Weltordnung durchsetzen will. Das erklärt auch, warum sich die EU nicht an der barbarischen Invasion und der andauernden Besetzung von 38 % Zyperns sowie den Bombenangriffen der Türkei auf den Irak stört.

Das Problem ist unserer Ansicht nach nicht allein und nicht so sehr, ob die gemeinsamen Aktionen überhaupt aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert werden oder nicht, und wenn ja, in welcher Höhe, sondern dass diese für die Interessen der Völker und den Frieden verheerende Politik endlich ein Ende hat.

Es geht nicht darum, ob Herr Solana oder irgendein anderer Mr. GASP dem Europäischen Parlament jährlich Bericht erstattet, sondern wie die Völker Europas ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen und entscheidend daran mitwirken können, Frieden, Freundschaft und internationale Zusammenarbeit auf der Grundlage des gegenseitigen Vorteils durchzusetzen.

Die gemeinsame Entschließung beschränkt sich auf die zwei erwähnten weniger wichtigen Themen, um zu der willkürlichen und gleichzeitig extrem gefährlichen Schlussfolgerung zu gelangen, dass das „zwischenstaatliche System“, auf dem die Außenpolitik der EU beruht, den Grund für den Misserfolg der gemeinsamen Außenpolitik darstellt und dass ihr Erfolg von ihrer Vergemeinschaftung abhängt. Auf diese Weise werden die Völker in die Irre geführt und zur leichten Beute jeglicher nunmehr unkontrollierbarer Entscheidungen des Großkapitals.

Aus all den aufgeführten Gründen glauben wir, dass die betreffende „gemeinsame“ Entschließung auf höchst dramatische Weise aufzeigt, wie dringend es geboten ist, dass die Völker den gemeinsamen Widerstand gegen diese verbrecherische Politik organisieren und die Initiative zum Gegenangriff ergreifen.

 
  
  

- Bericht Veltroni (A5-209/2000)

 
  
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  Fatuzzo (PPE-DE).(IT) Frau Präsidentin, ich habe für den Bericht Veltroni gestimmt, auch und vor allem deshalb, weil ich als Vertreter der italienischen Rentnerpartei im Europäischen Parlament weiß, dass die Senioren viel Zeit vor dem Fernseher verbringen. Ich hätte mir allerdings in dem Bericht einen Hinweis darauf gewünscht, dass endlich ein europäisches Fernsehprogramm geschaffen wird. Die Unionsbürger haben das Recht zu sehen, dass die Union existiert, was wir, und zwar ganz leicht, mit europäischen Fernsehprogrammen erreichen können. Ferner wäre es wünschenswert, Regeln für die Fernsehanstalten der EU-Staaten aufzustellen, um zu gewährleisten, dass alle Formen der politischen Mitwirkung in den einzelnen Staaten frei zum Ausdruck gebracht werden können, was heutzutage leider nicht in jedem Falle geschieht.

 
  
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  Speroni (TDI).(IT) Frau Präsidentin, ich habe gegen den Bericht gestimmt, weil mit dieser Politik nach wie vor schwer wiegende Elemente der Verstaatlichungstheorie und Wohlfahrtspolitik fortbestehen. Es vollzieht sich keine wirkliche Öffnung für den Wettbewerb, und vor allem werden weiterhin Finanzhilfen für einen industriellen Bereich – die Filmindustrie – vorgesehen, ohne dessen Ergebnisse zu berücksichtigen. Es werden also weiterhin Gelder an Regisseure fließen, die scheußliche Filme produzieren, die sich zwar niemand anschaut, die aber dennoch auch von denjenigen bezahlt werden, die sich sogar weigern, sich die Werbung dafür anzusehen.

 
  
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  Alavanos (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Der Bericht Veltroni des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport stellt zweifellos eine Verbesserung der Mitteilung der Europäischen Kommission „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter“ dar. Die wesentlichen Punkte, in denen das Europäische Parlament seine Auffassung geltend gemacht hat, sind:

1) Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, insbesondere gegenüber den USA, muss mit der Gewährleistung von Pluralismus und kultureller Vielfalt einhergehen.

2) Die Erhöhung der Effizienz der Maßnahmen im Rahmen der Richtlinie 89/552/EG „Fernsehen ohne Grenzen“ hinsichtlich der Förderung europäischer Werke.

3) Die Förderung der sprachlichen Vielfalt.

4) Der Schutz der Minderjährigen durch neue Methoden der Programmkontrolle.

5) Die Schaffung eines europäischen Forums zur Zusammenarbeit in Fragen der Transparenz sowie der Entwicklung von Strategien zur Verhinderung von Marktkonzentrationen.

6) Die Unterstützung des öffentlich-rechtlichen audiovisuellen Sektors mit Möglichkeiten zur weltweiten Ausstrahlung.

7) Die Förderung des Binnenmarkts für Kinofilme durch den Erlass einer neuen Richtlinie.

Ich stimme zwar für den Bericht Veltroni, da er die Mitteilung der Kommission in wesentlichen Punkten verbessert, möchte jedoch auch meine Bedenken nicht verhehlen. Diese betreffen einerseits die Auffassung von Wettbewerb, die erhebliche Marktkonzentrationen und die Bildung von Konzernen in den audiovisuellen Medien mit dem Argument rechtfertigen kann, wir müssten stärker werden als die Amerikaner, und so zu einer Ausweitung des Phänomens Berlusconi führt, und andererseits das Fehlen von Umsetzungsmechanismen und Kontrollinstrumenten, damit die politischen Ziele des Europäischen Parlaments nicht einmal mehr nur fromme Wünsche bleiben, wie es gewöhnlich bei den immer wieder erfolgten Änderungen der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ der Fall war.

 
  
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  Caudron (PSE), schriftlich. – (FR) Ich bin sehr erfreut über diesen Bericht über die Mitteilung der Kommission, die auf die Definition der Grundsätze und Leitlinien der audiovisuellen Politik der Gemeinschaft abzielt, um sie dem digitalen Zeitalter anzupassen. Angesichts der jüngsten Entwicklungen im Bereich der Digitaltechnologien ist eine derartige Anpassung in der Tat unerlässlich.

Dies ist nur unter Einhaltung der in diesem Sektor geltenden Grundsätze möglich.

- Wahrung des Pluralismus:

Hinsichtlich dieser Aufgabe betone ich erneut, dass, wie aus dem Protokoll im Anhang des Vertrags von Amsterdam hervorgeht, der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Wahrung des Pluralismus und der kulturellen und sprachlichen Vielfalt von zentraler Bedeutung ist.

- Mögliche Ausrichtung der Interventionen zur strategischen Unterstützung der Dienste von öffentlichen Interesse:

Der Zugang der Bürger zu den audiovisuellen Diensten muss nach den Kriterien der Universalität, Erschwinglichkeit und Nichtdiskriminierung gewährleistet werden.

- maximaler Schutz für die Produzenten audiovisueller Werke und somit die Möglichkeit einer besseren Gewährleistung der geistigen Eigentumsrechte, des Urheberrechts und der damit verbundenen Vermögensrechte:

Die Effizienz der Wahrung der Urheberrechte ist aufgrund des digitalen Umfelds gefährdet. Die Achtung des geistigen Eigentums ist jedoch ein Fundament für die Lebensfähigkeit des audiovisuellen und kinematografischen Sektors. Daher muss der Richtlinienvorschlag über Urheberrechte und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft rasch angenommen werden, sowohl um die schöpferische Tätigkeit zu schützen, als auch um den Zugang zu den Werken und ihre Verbreitung sicherzustellen.

- verstärkter Schutz der Benutzer, die in den Genuss verschiedener Garantien in Abhängigkeit der von ihnen genutzten Dienste kommen:

Auch ich bin der Auffassung, dass die Erprobung von Systemen zur Filterung der Programme und anderer Methoden der elterlichen Kontrolle zum Schutz von Minderjährigen verstärkt werden muss.

Abschließend möchte ich erneut die Notwendigkeit der Überarbeitung der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ (RL 89/552/EWG) hervorheben. Die Bestimmungen zur Verbreitung europäischer Werke und zur unabhängigen Produktion müssen im Hinblick auf größere Effizienz erweitert werden. In diese Rechtsvorschrift muss auch die Bestimmung aufgenommen werden, wonach die privaten und öffentlichen Fernsehanbieter einen Teil ihrer jährlichen Nettoeinnahmen für Investitionen in die Produktion und den Erwerb von europäischen audiovisuellen Programmen verwenden müssen, einschließlich Filme sowie für Jugendliche und von unabhängigen Produzenten hergestellte Werke.

 
  
  

- Bericht Heaton-Harris (A5-0199/2000)

 
  
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  Fatuzzo (PPE-DE).(IT) Frau Präsidentin, ich habe dem Bericht Heaton-Harris über den Studentenaustausch an den Hochschulen in der Europäischen Union meine Zustimmung gegeben. Es wurde eine Erhebung durchgeführt, die jedoch eine nach meinem Dafürhalten äußerst negative Tatsache ans Licht brachte: Das Programm ERASMUS wurde nämlich nur von der Hälfte der anspruchsberechtigten Hochschulstudenten genutzt. Irgendetwas daran muss also nicht funktionieren!

Trotzdem möchte ich hervorheben, dass ich mit meiner Zustimmung auch einen Wunsch zum Ausdruck bringen wollte, nämlich dass wir in Zukunft in Europa nicht nur ein Programm für die Mobilität junger Hochschulstudenten, sondern auch für die der an den Seniorenuniversitäten eingeschriebenen älteren Bürger bekommen, die glücklich über einen Austausch mit ihren Altersgenossen der anderen Staaten der Europäischen Union wären, die natürlich 60, 70, 80 Jahre alt oder noch älter sind.

 
  
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  Caudron (PSE), schriftlich. (FR) Es freut mich, dass ich heute zu diesem Bericht Stellung nehmen kann, der auf ein entsprechendes Ersuchen des Europäischen Parlaments vor dem Hintergrund der Verhandlungen über die Überprüfung der Mittel für die erste Phase des Sokrates-Programms im Jahr 1998 erarbeitet wurde. Diese sozioökonomische Erhebung, die in den ersten Monaten des Jahres 1998 vorgenommen wurde, stützt sich auf die Antworten von nahezu 10 000 Studenten, die in den Jahren 1997/1998 an Mobilitätsprogrammen teilgenommen haben.

Das Erasmus-Programm, das 1987 im Rahmen des Sokrates-Programms eingeleitet wurde und 40 % dessen Gesamthaushalts umfasst, soll zur Förderung der Mobilität von Studenten beitragen, indem es die europäische Dimension des Bildungswesens weiter entwickelt und den Studenten ermöglicht, einen Teil ihrer Studien in einem anderen Mitgliedstaat zu absolvieren. Das Sokrates-Programm ist laut Beschluss vom 24. Januar 2000 in seine zweite Phase eingetreten. Im Übrigen ist es bedauerlich, dass dieser Bericht erst so spät nach der formellen Annahme von Sokrates II veröffentlicht wurde, weshalb seine Ergebnisse nicht mehr berücksichtigt werden konnten.

Diese Initiative wird von allen Seiten begrüßt, da sie jedes Jahr 90 000 Studenten ein Studium im Ausland ermöglicht. Mehr als 9 von 10 von ihnen haben erklärt, dass sie mit ihrem Auslandsaufenthalt sowohl in Bezug auf die Lehrinhalte als auch in soziokultureller Hinsicht sehr zufrieden waren.

Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Beteiligungsquote immer noch gering ist, wenn man berücksichtigt, dass dieses Programm in 18 Mitgliedstaaten angeboten wird. Aus der Erhebung der Kommission geht hervor, dass 1998 lediglich 1 % aller Studenten an den Erasmus-Mobilitätsmaßnahmen beteiligt waren. Es bleibt daher noch viel zu tun, um das im Programm angestrebte Ziel von 10 % zu erreichen.

Es muss daher versucht werden, die Gründe für diese geringe Beteiligungsquote herauszufinden. Diese Fragen werden in der Erhebung teilweise beantwortet.

So hatten beispielsweise 57 % der Erasmus-Studenten finanzielle Schwierigkeiten, obwohl es sich bei den Teilnehmern häufig um Jugendliche aus privilegierten Kreisen handelt. Dies ist übrigens eine inakzeptable Diskriminierung, die durch Gewährung einer besonderen Unterstützung für die benachteiligten sozioökonomischen Gruppen bekämpft werden kann. Im Bereich der Anerkennung von Diplomen sind noch zahlreiche Probleme zu lösen. Als Abgeordneter einer Grenzregion treffe ich immer wieder junge Diplomierte, die verzweifelt sind, weil ihr in einem anderen Mitgliedstaat absolvierten Studium nicht anerkannt wird.

Abschließend möchte ich daher an die französische Präsidentschaft appellieren, sie möge all diese Elemente in die Überlegungen einbeziehen, die sie mit Hilfe der Gruppe zu Fragen der transnationalen Mobilität im Bildungssektor eingeleitet hat und die zur Vorlage eines Aktionsplans zur Beseitigung dieser Mobilitätshemmnisse auf dem Gipfel von Nizza führen sollen.

 
  
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  Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir begrüßen die Annahme dieses Berichts, zu dem wir mit mehreren Vorschläge beigetragen haben. Nun hoffen wir, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um vor allem durch eine optimalere Abstimmung der nationalen Zuschüsse für den Hochschulsektor und der Stipendien mehr Studenten aus wirtschaftlichen benachteiligten Gruppen den Zugang zum Programm ERASMUS zu ermöglichen und so die soziale Gerechtigkeit beim Zugang zum Programm und seine umfassende Umsetzung zu fördern.

Es ist nicht länger hinzunehmen, dass die Teilnehmerquote am Programm insgesamt kaum mehr als 50 % betrug und selbst so etwa 57 % der ERASMUS-Studenten mit ernsten finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten.

Wie der Bericht bestätigt, nahmen am Programm ERASMUS leider im wesentlichen Studenten aus sozialen Schichten teil, deren Eltern ein hohes Bildungsniveau besitzen und wirtschaftlich relativ gut gestellt sind, und/oder sie kamen aus Ländern, in denen Studenten besser von der öffentlichen Hand unterstützt werden. Deshalb sind Maßnahmen erforderlich, um das anfängliche Ziel zu erreichen, d. h. 10 % aller Studenten der Gemeinschaft – und nicht nur 1 % wie 1997/98 – zu ermöglichen, einen Teil ihres Hochschulstudiums in einem anderen Mitgliedstaat zu absolvieren, indem Studenten aus wirtschaftlich benachteiligten Gruppen aufgenommen werden.

 
  
  

- Bericht Boumediene-Thiery (A5-0207/2000)

 
  
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  Fatuzzo (PPE-DE).(IT) Frau Präsidentin, „in cauda venenum“ hieß es bei den Lateinern, „am Ende das Gift“. In diesem Bericht, dem ich meine Zustimmung – und zwar aus gutem Grund – verweigert habe, wurde ein von mir eingereichter Änderungsantrag abgelehnt: Darin hatte ich gefordert, dass die Behinderten, die Blinden, die Gehörlosen, die Schwerkranken oder die älteren Bürger, die deshalb von den Mitgliedstaaten eine entsprechende Rente beziehen, nicht nach Maßgabe der gegenwärtigen Regelungen der Europäischen Union behandelt werden, da sie ansonsten bei der Auswanderung in einen anderen EU-Staat ihre Rentenansprüche verlieren. Ein Behinderter kann nämlich nicht innerhalb der Europäischen Union umziehen – von Italien nach Großbritannien, von Frankreich nach Deutschland usw. –, weil er beim Wechsel seines Wohnsitzes sämtliche Renten, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreitet, einbüßen würde. Wann machen wir Schluss mit dieser Ungerechtigkeit?

 
  
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  Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL), schriftlich. (FR) Unseres Erachtens müssen alle erwerbstätigen Einwanderer, die in irgendeinem Land der Europäischen Union leben und arbeiten, über dieselben Rechte und Freiheiten, insbesondere dieselbe Reisefreiheit, verfügen wie die Bürger der Europäischen Union.

Trotz der diesbezüglichen Unzulänglichkeiten des Berichts und obwohl wir nicht alle darin enthaltenen Formulierungen teilen, haben wir für diesen Text gestimmt, denn die hier vorgeschlagenen Maßnahmen bedeuten einen Fortschritt gegenüber der derzeitigen beklagenswerten Situation der erwerbstätigen Einwanderer und der Wanderarbeitnehmer, die Bürger der Europäischen Union sind.

Außerdem bestärkt uns der rassistische Widerstand der extremen Rechten gegen diesen Bericht in unserer Haltung.

 
  
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  Caudron (PSE), schriftlich. (FR) Bereits der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 1957 enthielt Bestimmungen hinsichtlich der Gewährleistung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern auf dem Gebiet der Gemeinschaft. Verschiedene Gemeinschaftsinstrumente haben es ermöglicht, dieses Recht in die Tat umzusetzen.

Zwei Richtlinien (90/364/EWG und 90/365/EWG) aus dem Jahr 1990 haben das Aufenthaltsrecht erweitert, und zwar mittels der Festlegung von allgemeinen Grundsätzen und Regeln für Arbeitnehmer, die nicht mehr erwerbstätig sind. Eine dritte Richtlinie (93/96/EG), die 1993 verabschiedet wurde, enthält spezifische Bestimmungen für Studenten. Seit 1993 und dem Vertrag von Maastricht kann sich jeder Bürger eines Mitgliedstaats in der Europäischen Union frei bewegen und aufhalten (Artikel 14 des EG-Vertrags), wobei dieses Recht mit der Unionsbürgerschaft (Artikel 18) verknüpft ist.

Mit dem heute diskutierten Bericht sollte Bilanz über die Umsetzung der Richtlinien zum Aufenthaltsrecht für Studenten, Rentner und Nichterwerbstätige gezogen sowie die speziellen Maßnahmen bezüglich der Einreise und des Aufenthalts von Unionsbürgern aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (Richtlinie 64/221/EWG) geprüft werden.

Hinsichtlich des ersten Teils muss betont werden, dass die fraglichen Richtlinien zwar bisweilen sehr langwierig in die nationalen Rechtsordnungen umgesetzt wurden, dass aber weiterhin zahlreiche Hindernisse bestehen, die mit Hilfe einer Reihe gezielter Maßnahmen beseitigt werden müssten. Was ein mir gut bekanntes Problem in Bezug auf die Studenten anbelangt, so ist es meines Erachtens unerlässlich, diese Personengruppe besser über ihre Rechte zu informieren, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat weiterstudieren möchten. Weiterhin müsste die Frage der Anerkennung von Diplomen, die in einigen Berufszweigen von höchster Dringlichkeit ist, gelöst werden.

In Bezug auf den zweiten Teil gibt es noch zahlreiche Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Richtlinie 64/221/EWG. Der Vertrag erlaubt den Mitgliedstaaten die Festlegung von Beschränkungen im Bereich der Freizügigkeit von Personen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit. Doch die Kommission stellt fest, dass die Mitgliedstaaten diese Begriffe völlig unterschiedlich und häufig auch sehr weit auslegen. Sie weist darauf hin, dass sie im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angewandt und mit einer tatsächlichen und ausreichend schweren Bedrohung der fundamentalen Interessen der Gesellschaft begründet sein müssen. Jedenfalls müssen diese Begriffe der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechen.

Zur Ausräumung dieser Schwierigkeiten ist zweifellos die Verabschiedung einer Rahmenrichtlinie, die die grundsätzliche Ausübung der Reise- und Aufenthaltsfreiheit regelt und garantiert, dringend erforderlich. Dies kann mittels einer generellen Neufassung der bestehenden Texte realisiert werden, so dass der derzeit in den einzelnen Mitgliedstaaten vorherrschenden Ungleichbehandlung ein Ende gesetzt wird.

Nur unter dieser Voraussetzung wird es möglich, den Begriff der Unionsbürgerschaft, der für viele noch immer eine leere Formel darstellt, mit Leben zu erfüllen, so dass die Bürger der Mitgliedstaaten sich seiner bewusst werden.

 
  
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  Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Die Annahme des Berichts, den die Berichterstatterin im Parlament vorgelegt hat, ist positiv, was man allerdings von den meisten Änderungsvorschlägen, die auf der Plenarsitzung vorgebracht wurden, nicht sagen kann. Die Verwirklichung des Grundsatzes des freien Personenverkehrs, der vor fünfzig Jahren in den Vertrag von Rom aufgenommen wurde, ist in der Praxis nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Wie im Bericht erwähnt ist die Umsetzung der Richtlinien (90/364, 90/365, 93/96) über das Aufenthaltsrecht von Studenten und Rentnern völlig unzureichend. Dies trifft auch auf die Wanderarbeitnehmer zu.

Arbeitnehmer mit „atypischen“ Beschäftigungen, kurzfristigen oder anderen Beschäftigungen sowie Teilzeitarbeitnehmer stoßen beim Aufenthalt in den Aufnahmeländern auf Schwierigkeiten. Zum anderen gibt es derzeit, wie von der Berichterstatterin hervorgehoben wird, Millionen von Drittstaatsangehörigen, die rechtmäßig ihren Wohnsitz in der Europäischen Union haben, sich jedoch oftmals ihres Rechts auf Freizügigkeit und Niederlassung beraubt sehen. Deshalb wäre es überaus wichtig, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Wahrung der Rechte der Wanderarbeitnehmer zu gewährleisten und ihre Situation zu verbessern.

Auch in Bezug auf Studenten und Rentner müssen die bürokratischen Vorgänge beschleunigt und Freizügigkeit, Reisen und Aufenthalt in jedem Mitgliedstaat erleichtert werden.

 
  
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  Lulling (PPE-DE), schriftlich. - Ich habe nichts dagegen, dass wir uns bemühen, die noch bestehenden Probleme betreffend den Aufenthalt von Unionsbürgern, die sich ja im gesamten Hoheitsgebiet der Europäischen Union frei bewegen und aufhalten können, insbesondere auch wenn sie Rentner und Studenten sind, zu lösen.

Ich kann aber diesem Bericht grundsätzlich nicht zustimmen, weil er die Gelegenheit missbraucht, um für alle Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, die Freizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit in der gesamten Union zu verlangen.

Es gibt Millionen solcher Drittstaatsangehöriger, und es ist einfach unannehmbar, anderen Mitgliedstaaten zuzumuten, die Folgen der Freizügigkeit von Millionen Menschen ohne Rücksicht auf deren Aufnahmekapazität zu tragen.

Manche haben Bedenken, wenn es um die Aufnahme von Malta in die Europäische Union geht. Was in dem Bericht Boumediene in puncto Freizügigkeit für Drittstaatler verlangt wird, wäre weitaus gravierender, als wenn wir den Bürgern der Beitrittskandidaten aus Mittel- und Osteuropa sofort die Freizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit, ohne Übergangsperiode, gewähren würden, woran kein vernünftiger Mensch denkt.

Wenn wir wirklich Fremdenhass in der Gemeinschaft schüren wollen, dann ist das beste Mittel, den übertriebenen und unvernünftigen Vorschlägen des Berichtes Boumediene zu folgen, der ja Gott sei Dank im Ausschuss mit nur 23 Stimmen bei 15 Gegenstimmen angenommen wurde.

Es ist schon eine Zumutung für die anderen Mitgliedstaaten, wenn die deutsche Bundesregierung ein paar Millionen Drittstaatlern, die auf ihrem Hoheitsgebiet wohnen, die deutsche Staatsangehörigkeit neben ihrer eigenen gewährt. Sie schafft so mit einem Federstrich ein paar Millionen neue Unionsbürger, mit Recht auf Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, ja sogar mit Wahlrecht bei Kommunal- und Europawahlen, während gleichzeitig ihr Genosse Kommissar Verheugen aber ein Referendum für die Osterweiterung verlangt. Wo bleibt denn unser Recht auf Referendum dagegen, dass die Bundesrepublik, ohne die anderen Mitgliedstaaten zu konsultieren, uns mit ihrem einsamen Beschluss ein paar Millionen mehr Unionsbürger beschert?

Wir können mit den Folgen einer solchen vielleicht gutgemeinten Großzügigkeit, die vor allem auch von Schlepperbanden missbraucht werden wird, nicht leben.

Vernünftige Migrationspolitik, die wir zu verkraften imstande sind, ja! Chaos, wie es vom Bericht Boumediene vorprogrammiert wäre, nein!

 
  
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  Theonas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die Probleme und Hindernisse hinsichtlich der Rechte europäischer Bürger, die sich innerhalb der EU bewegen oder nicht Staatsangehörige des Aufenthaltsstaates sind, aber auch der Bürger von Drittländern, die sich rechtmäßig in der Europäischen Union aufhalten, sind so zahlreich, dass das vielzitierte Recht auf „Freizügigkeit“ für viele Bürger entweder gar nicht besteht oder aber zu einem dauernden und kräftezehrenden Hürdenlauf führt.

Studenten, Rentner und bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern, besonders solche mit atypischer oder Teilzeitbeschäftigung, müssen für ihren Aufenthalt im Aufnahmeland eine Unmenge an Schwierigkeiten und Problemen bewältigen, da es für die Ausstellung und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zahlreiche und komplizierte Formalitäten zu erledigen gilt und weitere Barrieren überwunden werden müssen, die damit zusammenhängen, dass der Nachweis ausreichender Existenzmittel zu erbringen ist.

In Wirklichkeit existiert der berühmt-berüchtigte „europäische Raum der Freiheit“ nicht nur gar nicht, sondern er ist so eng mit wirtschaftlichen Kriterien verknüpft, dass das Aufenthaltsrecht zwar als „unveräußerliches“ Recht anerkannt, jedoch nur finanziell unabhängigen Personen gewährt wird. Auf diese Weise werden also nicht nur bestimmte Begriffe in jeder Hinsicht entstellt, sondern auch Hunderttausende europäische Bürger und ihre Familien auf das übelste getäuscht.

Wenn wir dann zu alledem noch die unannehmbaren Fälle missbräuchlicher Auslegung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen, erweist sich, dass die Reise- und Niederlassungsfreiheit in vielen Fällen nicht nur unterminiert und umgangen wird, sondern zudem als Vehikel für die Aushöhlung demokratischer und individueller Grundrechte wie des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten dient. Unter dem Vorwand, die öffentliche Ordnung zu gewährleisten, werden mit Hilfe des Schengen-Informationssystems Daten von Bürgern gespeichert, weitergegeben und ausgewertet, was einen Verstoß gegen die Verträge, das Gemeinschafts-, aber auch das Völkerrecht darstellt. Wir verweisen ferner auf die zahlreichen Fälle, in denen Bürger aus wirtschaftlichen und generalpräventiven Gründen ausgewiesen wurden, die in keinem Fall reale und hinreichend fundierte Anklagen begründen, durch die eine gewaltsame Abschiebung gerechtfertigt wäre.

Um die Grundrechte sowie die Würde der europäischen Bürger und der Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten, als solche in grundlegender Weise zu wahren, ist es unabdingbar, die Verfahren bei Niederlassung und Aufenthalt unverzüglich so zu vereinfachen, dass die ungehinderte Ausübung dieses Rechts gegeben und gewährleistet ist und die Ungleichheiten und Verstöße gegen grundlegende demokratische Prinzipien ein Ende haben.

Was die nachzuweisenden finanziellen Mittel sowie die Gewährung und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis betrifft, so müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Verfahren und Formalitäten für Studenten und Rentner so weit wie möglich vereinfachen und lockern. Die Ausstellung und Verlängerung von Aufenthaltstiteln für Wanderarbeitnehmer ist zu vereinfachen und das Sozialschutz- und Krankenversicherungssystem zu verbessern, damit die Diskriminierungen, denen diese Arbeitnehmer ausgesetzt sind, ein Ende haben. Weiterhin sollten die Familienzusammenführung durch die Ausweitung der Voraussetzungen für die Niederlassung von Familienmitgliedern sowie generell das System zur Gewährung und Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren vereinfacht werden, sofern der Antragsteller die notwendigen Bedingungen erfüllt. Schließlich darf es nicht mehr vorkommen, dass man missbräuchlich das Argument der öffentlichen Ordnung bemüht, womit die europäischen Bürger aus Gründen, die mit der öffentlichen Sicherheit nicht das Geringste zu tun haben, zu den „üblichen Verdächtigen“ degradiert werden, denn dies stellt einen eklatanten Verstoß gegen den Rechtsstaat, die Erklärung der Menschenrechte und die Grundrechtecharta dar.

 
  
  

(Die Sitzung wird um 13.50 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wiederaufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: JOAN COLOM I NAVAL
Vizepräsident

 
  

(1) Eingereicht von den Abgeordneten Brok und anderen im Namen der PPE-DE-Fraktion, Haarder im Namen der ELDR-Fraktion, Hautala, Maes und Élisabeth Schroedter im Namen der Verts/ALE-Fraktion und Dupuis im Namen der TDI-Fraktion zur Ersetzung der Entschließungen B5-0659, 0662, 0668 und 0671/2000 durch einen neuen Text.
(2) Der Entschließungsantrag B5-0666/2000 ist hinfällig.
(3) Eingereicht von den Abgeordneten Chichester im Namen der PPE-DE-Fraktion, Plooij-van Gorsel im Namen der ELDR-Fraktion und Montfort im Namen der UEN-Fraktion zur Ersetzung der Entschließungen B5-0653, 0656 und 0675/2000 durch einen neuen Text.
(4) Alle anderen Entschließungsanträge sind hinfällig.


6. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung
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  Der Präsident. – Das Protokoll der gestrigen Sitzung wurde verteilt.

Gibt es Einwände?

 
  
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  Gorostiaga Atxalandabaso (NI).(EN) Herr Präsident, in der Genehmigung des Protokolls heißt es, ich hätte gesagt, ich sei absichtlich falsch zitiert worden. Das habe ich nicht gesagt. Ich erwähnte dies lediglich als Möglichkeit. Das ist wichtig. Ich möchte keinesfalls sagen, dass die Niederschrift absichtlich nachlässig ausgeführt worden ist, ich erwähnte das nur als mögliche Ursache. Im Protokoll hat es nun den Anschein, als hätte ich eine Anschuldigung ausgesprochen. Ich würde mir das nicht erlauben, da ich keinerlei Beweise dafür habe. Das ist nur eine Möglichkeit. Ist das damit klar geworden?

 
  
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  Der Präsident. – Wir nehmen Ihre Bemerkung zur Kenntnis. Wie Sie wissen, ist natürlich der ausführliche Sitzungsbericht maßgeblich dafür, was gesagt wurde. Somit wird dort klar stehen, ob Sie das eine oder das andere gesagt haben.

 
  
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  Gorostiaga Atxalandabaso (NI).(EN) Herr Präsident, ich habe versucht, den ausführlichen Sitzungsbericht zu korrigieren, denn im Protokoll heißt es nur, dass ich mich zu Wort gemeldet habe, nichts weiter. Was den ausführlichen Sitzungsbericht betrifft, wollte ich insbesondere darauf hinweisen, dass darin ein Ausdruck wiedergegeben wird, den ich nicht verwendet habe. Das war das Problem.

 
  
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  Der Präsident. – Sie können den Sitzungsdienst schriftlich auffordern, ihre Aussage zu korrigieren. Wie es scheint, hat man Ihren Beitrag dort anders verstanden. Sie haben das Recht, Ihren Redebeitrag zu korrigieren.

 
  
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  Gorostiaga Atxalandabaso (NI).(EN) Herr Präsident, ich möchte darauf hinweisen, dass einige Kollegen sich lautstark geäußert haben und meine Worte deshalb schwer zu verstehen waren. Im Moment ist das kein Problem. Zum betreffenden Zeitpunkt waren meine Äußerungen aufgrund der Rufe der spanischen Kollegen nur schwer zu verstehen. Deshalb kann ich nicht sagen ...

 
  
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  Der Präsident. – Herr Gorostiaga Atxalandabaso, im Plenum werden nicht die Ausführlichen Sitzungsberichte gebilligt. Es geht um das Protokoll. Wenn Sie also ein Problem haben ...

(Der Präsident wird unterbrochen.)

Bitte mäßigen Sie sich und respektieren Sie den Vorsitz. Wir nehmen Ihre Anmerkungen zum Protokoll zur Kenntnis. Sie können den Sitzungsdienst schriftlich auffordern, den Ausführlichen Sitzungsbericht zu korrigieren. Das ist alles.

 
  
  

(Das Parlament genehmigt das Protokoll.)

 

7. Fusionen im Telekommunikationssektor
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Erklärung der Kommission zu Fusionen im Telekommunikationssektor.

 
  
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  Monti, Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich danke Ihnen, dass Sie mir die Möglichkeit geben, neben den häufigen Gelegenheiten, zu denen ich mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung spreche, hier in der Plenarsitzung mit Ihnen gemeinsam dieses interessante und wichtige Thema zu behandeln.

Die Liberalisierung des europäischen Telekommunikationsmarktes gipfelte 1998 in der vollständigen Liberalisierung der Dienste und der Infrastruktur in den meisten EU-Staaten. Sie hat maßgeblich zum beschleunigten Wachstum unserer Volkswirtschaften, zur Senkung der Tarife um bis zu 35 %, zum Marktzugang zahlreicher neuer Wirtschaftsteilnehmer und zur fortschreitenden Einführung innovativer Dienstleistungen beigetragen. Das brachte selbstredend erhebliche Vorteile für die Verbraucher, aber auch für die Arbeitnehmer mit sich.

Durch die Ausbreitung der Telekommunikationsbereiche und des Internet werden viele neue Arbeitsplätze in diesen wie auch in anderen Sektoren geschaffen, die von den Effizienzsteigerungen profitieren können. Allein im Bereich der Mobiltelefonie sind in den letzten fünf Jahren mehr als 500 000 Arbeitsplätze entstanden.

Im Juli 2000 hat die Kommission ein neues Paket für die elektronische Kommunikation vorgeschlagen, bei dem besonderer Nachdruck auf die notwendige Förderung des schnellen Internet-Zugangs – zu vertretbaren Kosten – und auf die Festlegung rechtlicher Rahmenbedingungen ohne übermäßige Belastungen für die Wirtschaftsakteure dieses Sektors gelegt wurde. Aufgabe der Kommission ist es jedoch auch, zu gewährleisten, dass die Vorteile des Wettbewerbs erhalten bleiben und künftig keine Hindernisse für die Innovation bestehen.

Die Möglichkeiten des Eingreifens der Kommission im Rahmen der Wettbewerbspolitik sind klar geregelt, und zwar zum einen durch Artikel 81 und 82 EG-Vertrag und zum anderen durch die Fusionskontrollverordnung.

Ich komme nun zu den Fusionen, die unmittelbarer Gegenstand der Anfrage sind. In den letzten Jahren war eine wachsende Anzahl von Zusammenschlüssen im Telekommunikationssektor festzustellen, und dieser Trend scheint sich fortzusetzen. Gegenwärtig fällt auf, dass sich auf dem europäischen Markt der Schwerpunkt von den Konsolidierungsmaßnahmen auf Maßnahmen, die auf die Konvergenz abzielen, verlagert, was die kürzlich von der Kommission geprüften Zusammenschlüsse wie z. B. zwischen Vodafone und Vivendi oder die derzeit untersuchten Fusionen wie etwa die zwischen America Online und Time Warner belegen.

Die ungestüme technologische Entwicklung hat ferner der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Sektoren und der Konvergenz Impulse verliehen. Die Globalisierung veranlasste viele Unternehmen zu dem Versuch, sich zu vergrößern, um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sein zu können: Dies war der Fall bei der im Bereich Mobiltelefonie tätigen Gruppe Vodafone; beim jüngsten Erwerb von Global One und Orange durch France Télécom; bei der Zusammenführung der internationalen Tätigkeit von AT&T und BT in dem Unternehmen Concert und bei dem Übernahmeangebot der Deutschen Telekom für Voice Stream in den USA. All dies sind, unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs betrachtet, positive Veränderungen; sie signalisieren die Öffnung der Märkte, steigern die Effizienz der Unternehmen und bewirken unter anderem die Vollendung eines wirklichen Binnenmarkts in Europa.

Gleichwohl muss die Kommission im Telekommunikationssektor gewährleisten, dass die betreffenden Operationen nicht die mit der Liberalisierung erreichten Vorteile aufweichen oder den Innovationsfluss beispielsweise durch die Erlangung der Kontrolle über einen neuen Markt behindern. In diesem Zusammenhang möchte ich diese beiden Gefahren und die Maßnahmen, mit denen die Kommission hier gegensteuern will, ganz kurz erörtern.

Nehmen wir beispielsweise das Problem des Festhaltens an der Liberalisierung auf den nationalen Märkten. Eine der ersten Entscheidungen der gegenwärtigen Kommission im Bereich der Fusionen betraf die an bestimmte Auflagen geknüpfte Genehmigung des Zusammenschlusses zwischen dem schwedischen Unternehmen Thelia und der norwegischen Telenord im Herbst letzten Jahres. Die Operation wurde zwar später von den betreffenden Unternehmen fallen gelassen, doch belegt sie anhand der durch die Kommission erteilten Auflagen die Absicht, die Liberalisierung der nationalen Märkte vor Zusammenschlüssen beherrschender Unternehmen zu schützen. Aufgrund der Zeitknappheit kann ich nicht weiter auf die von der Kommission gestellten Bedingungen eingehen, die jedoch öffentlich bekannt gegeben wurden.

Ich komme nun zu einer weiteren erheblichen Gefahr, gegen die wir ankämpfen müssen, d. h. wir müssen verhindern, dass die Unternehmenszusammenschlüsse die Kontrolle über die Innovation und über die neuen Märkte erlangen. Ich möchte zwei wesentliche Beispiele anführen: Das Erste betrifft Worldcome und Sprint. Am 28. Juni dieses Jahres hat die Kommission den Zusammenschluss von zwei US-Unternehmen, nämlich Worldcome und Sprint, vereitelt. Aus der Zusammenlegung der riesigen Internet-Netze und des großen Kundenkreises von Worldcome und Sprint wäre ein neues Unternehmen einer solchen Größenordnung im Vergleich zu seinen Konkurrenten hervorgegangen, das imstande gewesen wäre, die Bedingungen für den Zugang zu seinen Internet-Netzen und zu seinen Kunden zu diktieren, was von Nachteil für die Verbraucher gewesen wäre und die Innovation behindert hätte. Leider kann ich im Interesse der Einhaltung meiner Redezeit nicht ins Detail gehen, was ich sehr bedauere.

Das andere Beispiel für unsere Aktivitäten, mit denen wir die Gefahr der Erlangung einer marktbeherrschenden Stellung über die Innovation abzuwenden bestrebt sind, betrifft die Entscheidungen Vodafone/Mannesmann und später Vodafone/Vivendi/Canal Plus. Die Kommission hatte die Auswirkungen der Fusionen auf die Entwicklungsmärkte zu prüfen, wobei sie in beiden Fällen zunächst eine Genehmigung erteilte, nachdem die Betreffenden vorgeschlagen hatten, bestimmte Verpflichtungen zu übernehmen. Diese Verpflichtungen sollten die aus der Zusammenlegung von Marktanteilen entstehenden üblichen Probleme lösen und darüber hinaus den Wettbewerb auf den neuen aufstrebenden Märkten bewahren.

Die Operation Vodafone/Mannesmann warf Probleme auf dem Entwicklungsmarkt der gesamteuropäischen Dienstleistungen der kontinuierlichen Funktelefonie für die multinationalen Gesellschaften auf. Zur Lösung dieser Wettbewerbsprobleme schlug Vodafone vor, einen nichtdiskriminierenden Zugang zu seinem integrierten Netz zu gewähren und seinen Konkurrenten während des Zeitraums, in dem sie mit dem Aufbau ihrer eigenen Netze befasst sind, die Anbietung ähnlicher Dienste zu gestatten.

Um zu gewährleisten, dass die Wettbewerber sich nicht nur auf das aus der Fusion hervorgehende Unternehmen verlassen und auf die selbständige Entwicklung eigener Dienste verzichten, hat die Kommission jedenfalls die Dauer der Verpflichtung auf drei Jahre begrenzt.

Kurze Zeit später hatte die Kommission den Fall Vis-à-vis zu prüfen, eines gemeinsamen Unternehmens, das aus Vodafone und Attach, Vivendi und Canal Plus gebildet wurde, um ein Zugangsportal zum Internet zu schaffen. Vis-à-vis wird ein multiples Internet-Zugangsportal für ganz Europa entwickeln, mit dessen Hilfe die Kunden der beteiligten Unternehmen aus einer ganzen Palette von Web-Diensten wählen können, die über die Personalcomputer der Kunden, Mobiltelefone und Fernsehempfänger mit Set-Top-Box zugänglich sind.

Die Untersuchung der Kommission ergab, dass das gemeinsame Unternehmen Probleme auf den nationalen aufstrebenden Märkten für Portale für den Internet-Zugang via Fernsehen sowie auf den einzelstaatlichen und gesamteuropäischen Entwicklungsmärkten der Portale für den Internet-Zugang via Mobiltelefon geschaffen hätte.

Um diese Probleme aus der Welt zu schaffen, verpflichteten sich die Partner, zu gewährleisten, dass die Kunden der an dem gemeinsamen Unternehmen beteiligten Gesellschaften auch andere Portale wählen könnten und ihr Internet-Zugang nicht unbedingt über das Portal einer dieser Gesellschaften erfolgen müsse. Diese Verpflichtung ergänzte die in dem vorangegangenen Fall Vodafone/Mannesmann vorgeschlagene Verpflichtung, von der ich gesprochen habe.

Die soeben kurz von mir erläuterten Beispiele sind ein Beweis dafür, dass die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften im Bereich des Wettbewerbs eine wesentliche Rolle spielen, um sicherzustellen, dass die Vorteile der Liberalisierung und Innovation den Unionsbürgern auch wirklich zugute kommen.

Die Aufgabe der gemeinschaftlichen Fusionskontrollbestimmungen besteht darin, zu gewährleisten, dass keine marktbeherrschenden Stellungen aufgebaut oder verstärkt werden, die den wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt hemmen würden, und dafür Sorge zu tragen, dass die Verbraucher in der Europäischen Union Nutzen aus diesem Fortschritt ziehen.

Die Erfahrungen dieser ersten Jahre der Liberalisierung und der strengen Wettbewerbsaufsicht haben gezeigt, dass auch den Arbeitnehmern Vorteile daraus erwachsen, was durch die soeben von mir als Beispiel angeführte Zahl belegt wird.

 
  
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  Harbour (PPE-DE).(EN) Herr Präsident, ich möchte Herrn Monti im Namen meiner Fraktion und aller meiner Kollegen zu der wichtigen Diskussion über die Regulierungsmaßnahmen im Telekommunikationssektor begrüßen, treten wir doch in die äußerst bedeutsame Erörterung des Telekompakets ein.

Ich möchte kurz auf die wesentlichen Aussagen von Herrn Monti eingehen. Wir alle wissen, dass die Welt der elektronischen Kommunikation nicht nur uns vor eine große regulative Herausforderung stellt, sondern angesichts der rasanten Entwicklung der Technologie auch an Sie, Herr Monti, und an die Wettbewerbsbehörde hohe Anforderungen stellt. Auch die Prognosen über Marktanteile ändern sich rasch. Im Fernmeldesektor verändern sich Marktanteile schneller als in anderen großen Sektoren, für die in der Vergangenheit gesetzliche Regelungen eingeführt wurden.

Ich begrüße es, dass Sie mit Ihrer Vorgehensweise die Innovation nicht durch eine übersteigerte Kontrolle bremsen wollen. Das ist sehr wichtig. Sie müssen sicherstellen, dass sie die notwendigen fachlichen Kapazitäten schaffen, um die zusätzlichen Aufgaben bewältigen zu können, die durch die Prüfung von Fusionen zukünftig auf Sie zukommen werden.

Wie wir dem Bericht der Peer-Group entnommen haben, sollen in Ihrer Dienststelle 92 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Ich würde gerne erfahren, welche Maßnahmen Sie zur Bewältigung dieser Aufgaben in Ihrer Dienststelle planen.

Der zweite Punkt, mit dem wir uns in der Debatte um den Telekommunikationssektor befassen müssen, ist die Besorgnis der Branche und der Investoren, dass in diesem sich schnell verändernden Sektor zu starre Vorgaben im Hinblick auf die Obergrenze des Marktanteils, bei dem die Wettbewerbsbehörde einschreitet, vorgegeben werden könnten. Diese Grenzen könnten in einigen Fällen zu hoch, in anderen zu niedrig angesetzt sein, doch darf dies nicht dazu führen, dass Bereiche nicht überprüft werden, in denen es um echte Wettbewerbsprobleme geht. Ich möchte Sie bitten, später in Ihrer Stellungnahme auf diese Punkte einzugehen.

 
  
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  Read (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte Herrn Monti und seinen Mitarbeitern zu der gewissenhaften und professionellen Arbeit gratulieren, die sie in Bezug auf die geplante Fusion zwischen MCI Worldcom und Sprint geleistet haben. Ich möchte ihm und seinen Mitarbeitern ganz besonders dafür danken, dass sie mit Gewerkschaftsvertretern aus allen Teilen der Europäischen Union und auch aus den USA gesprochen und diesen Gelegenheit gegeben haben, ihre Haltung darzulegen.

Fusionen und Unternehmensübernahmen wirken sich immer auch auf die Beschäftigung aus, und ich weiß, dass Herr Monti die beschäftigungspolitischen Folgen sorgfältig berücksichtigt, soweit dies im Rahmen des Vertrags möglich ist. Besonders hervorzuheben sind außerdem die speziellen technischen Gründe, weshalb eine Eigentümerkonzentration und der potentielle Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung hier mit so großer Vorsicht zu betrachten sind. In den meisten anderen Wirtschaftssektoren wäre eine solche Konzentration oder der potentielle Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nur eine vorübergehende Erscheinung. Im Fernmeldesektor wird ein Unternehmen, das eine so starke Position erringt, diese mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn auch nicht für immer, so aber doch für sehr lange Zeit behaupten können.

In Ihrer Erklärung haben Sie, Herr Monti, auf die Gefahr hingewiesen, dass ein einziges Unternehmen die Kontrolle über diese Märkte erlangen könnte. Hier liegt das wirkliche Dilemma für das Parlament und die Kommission. Einerseits sehen wir, dass Fusionen und Übernahmen nahezu unvermeidlich und in vielen Fällen sogar wünschenswert sind, aber andererseits erkennen wir auch die damit verbundenen potentiellen und bereits real bestehenden Gefahren. Nach wie vor ist das Parlament der Ansicht, dass Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit nicht behindert werden dürfen. Wir begrüßen Ihre Haltung in dieser Frage.

Ich möchte noch auf einen anderen Punkt hinweisen: Der größte Teil des Wettbewerbs in diesem Sektor findet zwischen der Europäischen Union und den USA statt. Ich weiß, dass Sie sich durchaus darüber im klaren sind, welchen Stellenwert die führende Rolle in den beiden wichtigen Bereichen der Mobiltelefone der dritten Generation und beim digitalen Fernsehen für Europa hat, und ich hoffe, Sie werden sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass wir diesen Vorsprung nicht verlieren, der von so großer Bedeutung für die Arbeitsplätze, die Beschäftigung und den Wohlstand in der Europäischen Union ist.

 
  
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  Clegg (ELDR). – (EN) Ich möchte das Thema aufgreifen, das soeben von meiner Vorrednerin angesprochen wurde, und auf die transatlantischen Aspekte der Liberalisierung des Telekommunikationssektors eingehen. Besonders wichtig erscheinen mir die Randnummern 6 und 7 des vorgelegten Entschließungsantrags, in denen es um die bedauerliche Initiative von Senator Hollings geht, durch die der Transfer von Lizenzen an Telekommunikationsunternehmen eingeschränkt werden soll, die zu mehr als 25 % im Besitz des Staates sind.

Diese Wende hin zu einer protektionistischen Position erfolgt nun ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem wir hier in Europa und in diesem Parlament über das neueste Maßnahmenpaket beraten, mit dem wir weit über die meisten unserer GATT- und WTO-Verpflichtungen hinausgehen und den Telekommunikationsmarkt in der Europäischen Union so stark liberalisieren und öffnen wollen, wie dies aus meiner Sicht in keinem anderen Land der Welt der Fall ist.

Hier besteht ein politisches und auch technisches Ungleichgewicht, das die Aufmerksamkeit dieses Hauses verdient. Ich hege zwar von meiner Einstellung her eine gewisse Sympathie für die Sichtweise von Senator Hollings und dessen Kollegen, wonach staatliche Unternehmen versteckte und manchmal auch deutliche Vorteile gegenüber ihren Mitwettbewerbern im Privatsektor haben, aber die Art und Weise, in der dieses Problem vom amerikanischen Kongress angegangen wird, steht im Widerspruch zu den Buchstaben und zum Geist der multilateralen Verpflichtungen, die die USA eingegangen sind. Ich bitte meine Kollegen in diesem Haus, bei der Prüfung des jüngsten Maßnahmenpakets in den nächsten Wochen darauf zu achten, dass dies nicht unbemerkt bleibt oder einfach übergangen wird.

 
  
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  Ortuondo Larrea (Verts/ALE).(ES) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich erinnere mich, wie sich Mitte vergangenen Jahres, als die Fusion zwischen den USA-Unternehmen Time Warner und America Online angekündigt wurde, Stimmen erhoben, die dies in kultureller und technologischer Hinsicht als vorgezogenen Beginn des dritten Jahrtausends bezeichneten. Damals wurden Vergleiche angestellt. In den USA hatten 40 % der Haushalte Zugang zu diesem großen Netz der Netze, genannt Internet, während es in der Europäischen Union knapp 20 % waren und dieses Niveau nur von einigen wenigen, in der technologischen Entwicklung fortgeschritteneren Staaten der Union überboten wurde.

Ich glaube, hier müssen wir weiterarbeiten und besonderes Augenmerk darauf legen, dass wir nicht zweierlei Gesellschaften, nicht Bürger erster und Bürger zweiter Klasse haben, technologisch fortgeschrittene und technologisch zurückgebliebene Bürger. Es muss erreicht werden, dass alle Bürger Zugang zu dieser neuen Informationsgesellschaft erhalten können. Aber während wir uns speziell mit der Unternehmenskonzentration befassen und den Binnenmarkt weiterentwickeln, dürfen wir nicht die von der Unsicherheit im Telekommunikationssektor ausgehenden Gefahren außer Acht lassen. Ich erinnere mich gerade jetzt an den Fall Echelon, der viel mit derartigen Fragen zu tun hat. In Europa, in dieser Europäischen Union, müssen wir auf Sicherheit achten, denn sie gehört zu den Menschenrechten.

 
  
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  Markov (GUE/NGL). - Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen, dass die Kommission und das US-Department of Justice die geplante Fusion von MCI Worldcom und Sprint untersagt hat, und vernehmen auch mit Freude, dass die US-Behörden den Deal von AOL und Time Warner nicht genehmigen wollen. Das Internet muss ein Kommunikationsmedium für alle bleiben. Deshalb muss verhindert werden, dass Telekommunikations- und Mediengiganten eine dominierende Position aufbauen können. Das Wettbewerbsrecht ist dafür ein wirksames Instrument.

Doch Fusionen haben auch Folgen für Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt. Telekommunikation und Medien sind keine krisengeschüttelten Branchen, sondern ein expandierender Bereich. Dies macht es objektiv leichter, auch sozial- und beschäftigungspolitische Aspekte in Fusionsentscheidungen einzubeziehen.

In den USA hat die Federal Communication Commission seit Mitte der neunziger Jahre in mehreren Fusionsentscheidungen Selbstverpflichtungen der Unternehmen zur Erhöhung der Beschäftigtenzahl, zur Verbesserung der Servicequalität und zur verbesserten Wahrnehmung öffentlicher Interessen ausgehandelt. Wir verstehen deshalb nicht, warum man sich ausgerechnet im sozialstaatlichen Europa bloß auf das Wettbewerbsrecht zurückzieht. Wir fordern, dass die EU verbindliche Sozialklauseln für die Genehmigung von Fusionen einführt.

Über die wettbewerbsrechtliche Prüfung hinaus brauchen wir weitere Kriterien bei Fusionsentscheidungen, zum Beispiel: Erstens: Die Unternehmen sollen sich verbindlich zum Erhalt oder zum Ausbau des Beschäftigungsniveaus verpflichten. Zweitens: Sie sollen die Servicequalität für breite Verbraucherschichten verbessern. Drittens: Sie müssen die Mechanismen des europäischen sozialen Dialogs und die Bestimmungen der Richtlinie zur Information und Konsultation der Arbeitnehmer auch in der Übergangsphase zur neuen fusionierten Firma strikt umsetzen. Viertens: Die Fusion soll einen Zusatznutzen zur Förderung öffentlicher Interessen erbringen. Dies betrifft Punkte wie die Sicherstellung eines umfassenden und modernen Universaldienstes sowie Anforderungen an Daten- und Verbraucherschutz. Nur so können wir sicherstellen, dass die Wettbewerbspolitik auch das europäische Sozialmodell in der new economy stärkt.

 
  
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  Gallagher (UEN).(EN) Herr Präsident, ich freue mich, dass die Kommission am 12. Juli die neuen Telekommunikationsrichtlinien und ­verordnungen vorgelegt hat. Diese Regelungen sind Bestandteil unseres Rahmenprogramms zur Verbesserung der Qualität der Telekommunikationsdienste in Europa. Das Parlament und die Kommission bestehen zu Recht auf einer Verbesserung des Telekommunikationsnetzes in der Europäischen Union. Was die Nutzung des Internets angeht, sind die USA der Europäischen Union sicherlich um drei Jahre voraus. Mit Hilfe der neuen Richtlinien wird die Europäische Union diesen Vorsprung Amerikas bald aufholen können.

Dies steht auch im Einklang mit den Beschlüssen, die kürzlich auf der Tagung des Europäischen Rates in Portugal gefasst wurden. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben bei diesem Treffen unterstrichen, wie wichtig die Verbesserung der Telekommunikations-Dienstleistungen ist. Ich unterstütze die Empfehlung, alle Schulen in Europa mit einem Internet-Zugang auszustatten. Ich freue mich ganz besonders, dass dieses Programm in Irland so zügig umgesetzt wird.

In den nationalen und internationalen Medien wurde die Versteigerung der Mobilfunklizenzen der dritten Generation in Europa mit großem Interesse verfolgt. Die Versteigerung dieser Lizenzen in Deutschland und Großbritannien hat den Finanzministern der jeweiligen Länder hohe Einnahmen beschert, doch wer wird letztendlich für diese Mobiltelefone bezahlen? Ich bin davon überzeugt, dass wieder einmal die Verbraucher die Zeche zahlen müssen, weil die hohen Kosten für diese Lizenzen an sie weitergegeben werden.

 
  
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  Della Vedova (TDI). - (IT) Herr Kommissar, ich beneide Sie keineswegs um Ihre Aufgabe im Allgemeinen, aber noch weniger in einem Bereich wie dem der Telekommunikation, der neu ist und eine solche unvorhersehbare Dynamik entwickelt, dass die Entscheidungen in Bezug auf den Wettbewerb und die Fusionen besonders erschwert werden. Diese Entscheidungen liegen, gemessen an den traditionellen Kriterien, nicht immer im Interesse der Unternehmen eines Sektors wie dem der Telekommunikation, der in Europa expandieren muss, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern, und oftmals auch nicht im Interesse der Verbraucher. Dies zeigt der Fall Microsoft: Als man annahm, dass das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung maximal ausgebaut hatte, griff nicht das amerikanische Justizministerium ein, sondern seine Monopolstellung wurde von einem anderen Softwareunternehmen, nämlich Linux, unterwandert.

Ich wäre noch gern auf den Fall Vodafone/Mannesmann und seine teilweise problematischen Auswirkungen auf den späteren Fall France Télécom/Orange eingegangen; ich wollte nämlich meine Befürchtung zum Ausdruck bringen, dass die EU-Behörden und ganz sicher das Europäische Parlament den Versuch unternehmen oder dahin tendieren könnten, für diesen Bereich offiziell eine Überregulierung zu schaffen.

Heute hat das Parlament - und ich bitte den Herrn Kommissar, dies zur Kenntnis zu nehmen - mit nur wenigen Gegenstimmen, darunter auch der unseren, eine Entschließung angenommen, in der die Kommission aufgefordert wird, die Einrichtung einer europäischen Stelle zur Verhinderung pluralismusgefährdender Marktkonzentrationen zu fördern. In dieser Entschließung ging es zwar um den multimedialen Bereich, doch Telekommunikation und Multimedia bilden einen einzigen Markt, und meines Erachtens ist äußerste Vorsicht geboten, wenn es um Eingriffe in Konzentrations- und Umstrukturierungsprozesse dieses Sektors geht. Im Interesse …

(Der Präsident unterbricht den Redner.)

 
  
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  Paasilinna (PSE). - (FI) Herr Präsident! Liebe Kollegen! Ich danke der Kommission, dass sie die Fusion von WorldCom und Sprint energisch und zu Recht verhindert hat. In der letzten Zeit haben solche Zusammenschlüsse in erschreckendem Maße zugenommen. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der Fusionen verfünffacht, etwa 300 pro Jahr. Kollege Harbour hat das Telekom-Paket angesprochen. Dabei wird deutlich, wie schnelllebig dieser Sektor ist. Das nötigt uns allen viel Können ab.

Der Bereich Telekommunikations- und Informationstechnik hat seine Besonderheiten. Er ist nicht nur ein Anhängsel, sondern ein sehr außergewöhnlicher Bereich, weil die Information derzeit das wichtigste Produktionsmittel ist. Das schließt aber – wie wir aus dem Echelon-Fall und anderen Kontexten wissen – auch die Möglichkeit der Kontrolle ein, also der Kontrolle durch Menschen, die ebenfalls zu einem wichtigen Geschäftszweig geworden ist. Ein weiteres Merkmal ist die Globalisierung, die staatliche und kulturelle Grenzen überschreitet. Diese liegen in gewisser Weise außerhalb der Beherrschung und Kontrolle. Im Gegenteil, durch sie können die Unternehmen sogar Abhängigkeiten schaffen, da sich ein Teil dieser Geschäftstätigkeit in den Köpfen der Menschen abspielt. Hier handelt es sich um eine bedeutende neue Form der Eroberung. Deshalb bitte ich darum, dass die Kommission bei diesen Fusionen sehr genau hinsieht. Wo wir um Deregulierung bemüht sind, verehrter Herr Monti, neigen die Unternehmen zur Reregulierung – nämlich zur Neuaufteilung des Marktes an den demokratischen Kontroll­ und Lenkungssystemen vorbei. Wie Kollege Clegg es formulierte, bestehen natürlich auch Probleme zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, wie zum Beispiel im Hinblick auf die Beschränkung der Fusionen mit der Deutschen Telekom, in die natürlich eingegriffen werden muss.

 
  
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  Gasòliba i Böhm (ELDR).(ES) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Mein Kollege Clegg hat bereits im Namen der Fraktion der Liberalen seine Unterstützung für die Vorschläge der Kommission im Allgemeinen und seine Sorge über einige spezifische Aspekte in Bezug auf die USA, von denen gerade die Rede war, zum Ausdruck gebracht.

Ich möchte die Beunruhigung über einen Aspekt hervorheben, der im ursprünglichen Entschließungsantrag der Fraktion der Liberalen enthalten ist und sich im ersten Absatz darauf bezieht, dass jegliche politischen Eingriffe in die Wettbewerbspolitik der Kommission zurückgewiesen werden müssen. Auf das Thema dieser Aussprache, den Telekommunikationssektor, angewendet, geht es um eine Besorgnis, die solche Fälle ausgelöst haben, wie sie vor einigen Monaten in Spanien bei der Fusion von Telefónica mit einem holländischen Unternehmen, wie sie in Portugal und in anderen Sektoren in Frankreich aufgetreten sind. Uns stimmt bedenklich, dass es noch Eingriffe der Regierungen in die Tätigkeit von Unternehmen gibt, die nach einer geeigneten Dimension und einer angemessenen Wettbewerbsfähigkeit auf europäischer Ebene streben. Deshalb unterstützen wir die Vorschläge der Kommission und lenken die Aufmerksamkeit auf diesen Aspekt.

 
  
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  Ainardi (GUE/NGL).(FR) Herr Präsident, die Rekorde bezüglich der Zahl der Unternehmenszusammenschlüsse werden ganz klar im Telekommunikationssektor gebrochen, der mit Megafusionen in Europa und auf beiden Seiten des Atlantik aufwarten kann. Bei diesen Geschäften geht es um Milliarden von Dollar, zum Vorteil der Verbraucher, die zugleich von Unternehmensschließungen, -verlagerungen und Arbeitsplatzabbau betroffene Arbeitnehmer sind. Der Telekommunikationssektor hat sich zu einem der Symbole der kapitalistischen Globalisierung entwickelt, die ihn die Kosten dieses Wachstumswettrennens tragen lässt.

Auf dem Gipfel von Lissabon wurde wiederholt auf die Informationsgesellschaft eingegangen, die zweifellos beeindruckende Fortschritte ermöglicht. Ja, es handelt sich wirklich um eine große Aufgabe! Heute gehen diese Umwälzungen für gewöhnlich mit einem Abbau der sozialen Rechte, der Entwicklung der Teilzeitarbeit und der Flexibilisierung der Arbeit einher. Auch die Auswirkungen auf die Informationsfreiheit, die kulturelle Vielfalt und den öffentlichen Dienst können nicht außer Acht gelassen werden. Die Kommission hat die Fusion zwischen MCI/Worldcom und Sprint nur deshalb untersagt, weil dadurch das Risiko einer Behinderung des freien Wettbewerbs bestand.

Jedoch sollten Fusionen zu einer Zeit, in der die Europäische Union die Beschäftigung erneut in den Vordergrund stellt, auch vor dem Hintergrund ihrer Folgen für den Arbeitsmarkt und die Raumordnung betrachtet werden. Zudem gilt es, die Rechte und Befugnisse der Arbeitnehmer und Gewerkschaften innerhalb der Europäischen Verwaltungsräte zu stärken, es sollte ihnen sogar ein Einspruchsrecht im Falle von Umstrukturierungen und Fusionen eingeräumt werden. Schließlich wäre es notwendig, die Ausarbeitung gemeinsamer Vorschriften voranzutreiben, damit die Informationsgesellschaft allen Bürger zum Vorteil gelangt und auf Chancengleichheit, Informationsfreiheit und kultureller Vielfalt beruht.

 
  
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  Villiers (PPE-DE).(EN) Ich möchte Herrn Monti heute im Namen aller Mitglieder hier im Parlament willkommen heißen. Wir alle wissen, wie wichtig die Arbeit ist, die Sie in der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission leisten. Den freien Wettbewerb zu gewährleisten und das Funktionieren des Markts in der Europäischen Union sicherzustellen, gehört möglicherweise zu den wichtigsten Aufgaben der Kommission.

Im Zusammenhang mit dem Telekommunikationssektor muss sichergestellt werden, dass die Verbraucher all die Vorteile eines freien Markts, insbesondere den kostengünstigen Zugang zum Internet, nutzen können. Der Weg zu diesem kostengünstigen Internetzugang, der für den Aufbau eines elektronischen Wirtschaftssektors in Europa für die europäische Bevölkerung von großer Bedeutung ist, wird durch die Liberalisierung und den freien Wettbewerb geebnet. Bisher unterlag der Telekommunikationssektor der Regulierung durch die nationalen Behörden, aber dies wird sich ändern, denn in Zukunft wird ein einziges, globales Regulierungsinstrument, nämlich der Markt, diese Rolle übernehmen.

Der Markt ist das wirksamste Regulierungsinstrument, er bietet den Verbrauchern den besten Schutz und verleiht ihnen mehr Gewicht als alle Beratungsgruppen der Kommission. In Zukunft wird noch mehr Arbeit auf die für Fusionen zuständige Dienststelle zukommen, denn der Markt wird im Telekommunikationssektor eine noch größere Rolle spielen, als das jetzt schon der Fall ist. Wir wollen die Vorteile abschaffen, die einige der alten staatlichen Monopole noch genießen.

Ich hoffe, Sie werden auf die strenge Anwendung des Wettbewerbs- und Kartellrechts achten und trotzdem sicherstellen, dass jede einzelne Fusion anhand der jeweiligen Umstände geprüft wird. Wenn durch eine Fusion ein einflussreiches oder großes Unternehmen entsteht, wirkt sich dies nicht zwangsläufig nachteilig auf den Markt aus oder beeinträchtigt den Wettbewerb. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Europa durchaus einige große Unternehmen brauchen werden, um die Vorteile nutzen zu können, die sich aus der durch das Internet ausgelösten Revolution ergeben.

 
  
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  Rapkay (PSE). - Herr Präsident! Ich möchte an den Debattenbeitrag von Mary Read anknüpfen, und zwar an den Teil, in dem sie auf die Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Beschäftigung eingegangen ist. Es ist ja nicht so, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unseren Regionen und in unseren Wahlkreisen immer mit großer Begeisterung auf die Liberalisierung ehemals geschützter Bereiche warten. Das Gegenteil ist oft der Fall.

Im Bereich der Betriebe im öffentlichen Nahverkehr werden wir in den nächsten Wochen und Monaten eine Menge Fragen der Beschäftigten beantworten müssen. Wir, die Volksvertreterinnen und Volksvertreter, müssen das beantworten, nicht die Kommission, die allenfalls mit den Verbandsoberen spricht. Es ist ja auch nicht so, dass alles Heil in der grenzenlosen Liberalisierung und der Marktöffnung liegt. Die Marktöffnung in der Telekommunikation selbst ist aber ein Beispiel dafür, dass Marktöffnung Vorteile für die Verbraucherinnen und Verbraucher durch sinkende Preise und durch Zugang zu neuen Diensten bringen kann. Sie hat eine rasante technologische Entwicklung bewirkt, was schließlich zur Folge hatte, dass auch ein Zuwachs an Arbeitsplätzen, in großen Bereichen sogar qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen zu verzeichnen ist.

Die Globalisierung unserer Volkswirtschaften hat dabei für die Öffnung der Telekommunikationsmärkte in Europa wichtige Impulse gegeben, und umgekehrt hat sie die Entwicklung auf internationaler Ebene begünstigt. Dass man gewisse Unternehmensgrößen braucht, um als global player auftreten zu können, liegt auf der Hand. Aber das darf natürlich nicht dazu führen, dass neue Monopole auf Märkten und Teilmärkten entstehen.

Was wir brauchen, ist eine konsequente Wettbewerbspolitik über die Unternehmen, damit das Entstehen einseitiger Marktmacht im neuen Gesamtkomplex Multimedia/ Telekommunikation verhindert wird. Deswegen ist die Kommission in ihrer Entscheidung in Sachen World Com und Sprint zu unterstützen. Wir hoffen auch, dass sie in einer ähnlich konsequenten Art und Weise jetzt bei Time Warner und AOL vorgeht. Vor allem aber ist es wichtig, dass sie bei ihren Bemühungen um die Modernisierung des Wettbewerbsrechts insbesondere im Bereich der Fusionskontrollverordnung dies zum Anlass nimmt, sehr konsequent auch in ihren Reformbemühungen vorzugehen. Wir hoffen, dass dies nicht dazu beiträgt, dass durch so etwas die Wettbewerbspolitik vielleicht beeinträchtigt wird.

 
  
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  Kauppi (PPE-DE). - (FI) Herr Präsident! Herr Monti! Verehrte Anwesende! Es handelt sich um eine natürliche Aktivität des Marktes, wenn die Unternehmen des Telekommunikationssektors, auf dem gerade jetzt von den Akteuren Investitionen in Milliardenhöhe und gewaltige Infrastrukturvorhaben verlangt werden, versuchen, unter Wahrung der Spielregeln des freien Marktes Kooperationspartner zu finden. Es liegt im Gesamtinteresse der Gesellschaft, dass in Europa ein Geschäftsumfeld geschaffen wird, in dem die Unternehmen, d. h. der private Sektor, diese für die Informationsgesellschaft unabdingbaren Infrastrukturvorhaben eigenständig abwickeln können. Wenn diese Unternehmen noch weitere Arbeitskräfte einstellen, wie wir Ihren heutigen Ausführungen, Herr Monti, entnehmen konnten, und damit das Wirtschaftswachstum in Europa fördern, dann verstehe ich die hier vom anderen Flügel des Saals geäußerten Befürchtungen wirklich nicht, dass diese ganz im Gesamtinteresse der Gesellschaft liegenden Fusionen die Beschäftigungssituation in Europa schwächen sollten.

Politiker und trust-buster wie Herr Monti sollten nur dann in die derzeitige Entwicklung auf dem Markt eingreifen, wenn die Kommission hinreichende Gründe zu der Annahme hat, dass eine bestimmte Fusion Wettbewerbsverzerrungen verursachen kann und den Interessen der Verbraucher schadet. Sie können sicher sein, Herr Rapkay, dass niemand hier im Saal sich Monopole oder gar Oligopole auf dem Markt wünscht. Das muss auf bestimmte Fälle beschränkt bleiben, d. h. hier ist Konsequenz gefragt. Auf der anderen Seite sollte die Kommission aktiv verfolgen, dass der freie Zugang zu allen Marktsegmenten verwirklicht wird, wie es in Punkt 3 des Gemeinsamen Entschließungsantrags des Parlaments heißt. Die Kontrolle muss auf den globalen Wettbewerb ausgerichtet werden, bei dem es in jüngster Zeit zumindest im Geschäft mit der Deutschen Telekom und Voice Stream zu Problemen gekommen ist. Ich bitte Sie, Herr Monti, auf die Absicht des US-Kongresses einzugehen, Lizenzübertragungen auf Unternehmen im Besitz ausländischer Gesellschaften zu verbieten, was ganz und gar gegen die WTO-Bestimmungen verstößt.

 
  
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  Monti, Kommission. - (IT) Herr Präsident, ich möchte den Damen und Herren Abgeordneten, die das Wort ergriffen haben, für ihr Interesse an diesen Themen, für ihre großzügige Wertschätzung, die sie für die Tätigkeit der Kommission zum Ausdruck gebracht haben, und für ihre Unterstützung danken. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich mich mit meinen Antworten äußerst kurz fassen muss.

 
  
  

(EN) Herr Harbour, Sie haben einen entscheidenden Punkt angesprochen: Innovationen dürfen nicht durch Markttrends gestört werden. Dies ist in der Tat eines unserer größten Anliegen. Sie haben das Ergebnis der Untersuchung durch die Peer-Group der Kommission angesprochen. Ich freue mich, dass die Peer-Group die Anforderungen der Wettbewerbspolitik so klar erkannt hat. Wir arbeiten derzeit an Konzepten, wie wir zusätzliche Ressourcen in der Generaldirektion Wettbewerb einsetzen können, aber dazu müssen wir zunächst die Unterstützung der Haushaltsbehörde sicherstellen.

Frau Read hat ebenso wie andere Abgeordnete unsere Entscheidung begrüßt, die wir Ende Juni im Zusammenhang mit der Fusion MCI Worldcom und Sprint getroffen haben. Diese Entscheidung basierte auf vielfältigen Überlegungen, in die wir auch die Positionen der Gewerkschaften einbezogen haben, was uns jedoch nicht zu einer Abweichung von den bestehenden Regelungen veranlasst hat.

Frau Read und andere Mitglieder des Parlaments erwähnten einige Sektoren, in denen Europa führend ist, wie zum Beispiel im Bereich der Mobiltelefone der dritten Generation und beim digitalen Fernsehen. Eine besonders wirksame Methode zur Erhaltung einer Führungsrolle ist die Schaffung eines effizienten Marktes. Daher fordern wir vor dem Hintergrund der Marktsituation in Europa die rigorose Durchsetzung der Wettbewerbspolitik so nachdrücklich ein, ungeachtet der Nationalität der Unternehmen. Wenn Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung schaffen oder ausbauen, ohne die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, haben wir keine andere Möglichkeit, als eine Fusion zu verhindern, wie dies unlängst im Fall zweier europäischer Unternehmen, Volvo und Scania, geschehen ist, die auch noch im selben Mitgliedstaat ansässig sind. Wir hätten auch in einem anderen Fall so gehandelt, bei dem es um ein europäisches Unternehmen (Pechiney) und eine amerikanisch-kanadische Firma (Alcan) ging, wenn die Fusion nicht zurückgenommen worden wäre. Bei der unlängst geplanten Fusion zwischen MCI/Worldcom und Sprint haben wir ähnlich gehandelt. Die Zusammenarbeit mit unseren amerikanischen Partnern im Justizministerium und in der Bundeskartellbehörde funktioniert ausgezeichnet.

Da wir gerade von den USA sprechen, möchte ich auf die Warnungen einiger Mitglieder im Hinblick auf den Gesetzesentwurf von Senator Hollings eingehen. Bis jetzt handelt es sich ja lediglich um einen Vorschlag, und ich hoffe, dass dieser keine Mehrheit finden wird, obwohl dies natürlich von Ihren amerikanischen Kollegen abhängt. Sollte dieser Gesetzesentwurf jedoch verabschiedet werden, so wäre dies ein besorgniserregendes Zeichen von Protektionismus. Es wäre bedauerlich, wenn die enorme Liberalisierung, die in den letzten Jahren in den USA, in Europa und in der übrigen Welt vorangetrieben worden ist, nun in den Vereinigten Staaten einer entgegengesetzten Tendenz weichen würde. Wir halten den Gesetzesentwurf darüber hinaus für völlig unvereinbar mit den WTO-Verpflichtungen und anderen grundlegenden Telekommunikationsvereinbarungen der USA, und die Kommission hat dies durch meinen Kollegen Pascal Lamy unseren amerikanischen Partnern gegenüber klar zum Ausdruck gebracht. Die Kommission spricht sich ebenfalls vehement gegen ein solches Gesetz in unseren Mitgliedstaaten aus. Um die Befürchtungen von Herrn Gasòliba i Böhm zu zerstreuen, möchte ich ihm versichern, dass nur die Kommission befugt ist, Unternehmenszusammenschlüsse auf Gemeinschaftsebene zu prüfen. Wenn ein Mitgliedstaat unbefugt eingreift, wird die Kommission dies zu verhindern wissen, wie sie es im letzten Jahr bereits in einem Fall bewiesen hat, bei dem es um eine Intervention der portugiesischen Regierung ging.

Die Herren Ortuondo Larrea, Markov und Rapkay haben die wichtige Fusion von AOL und Time Warner angesprochen. Sie werden verstehen, dass ich dazu im Moment nicht viel sagen kann. Der Endtermin für die Entscheidung der Kommission ist der 24. Oktober. Die Anhörung über diese Fusion findet heute und morgen in Brüssel statt. Wir haben unsere Bedenken am 22. August in unserer Mitteilung der Beschwerdepunkte an die beteiligten Parteien zum Ausdruck gebracht. Im Moment kann ich dem nichts hinzufügen.

Herr Gallagher und ein anderes Mitglied dieses Hauses haben das Zuteilungssystem für die UMTS-Lizenzen angesprochen. Durch diese Versteigerungen wird die Zahl der Mobilfunkbetreiber in der Europäischen Union steigen. Mehr Marktteilnehmer werden für mehr Wettbewerb sorgen, und deshalb können wir das Ergebnis der Versteigerungen aus wettbewerbspolitischer Sicht nur begrüßen.

Wir werden natürlich dafür sorgen, dass es durch die gebildeten Konsortien nun nicht zu aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen kommt, da die Mitgliedschaft von Land zu Land unterschiedlich ist. Zum Teil wurde geltend gemacht, dass die Beträge für die Lizenzen, die an die europäischen Regierungen gezahlt wurden, zu hoch gewesen seien und die Mobilfunkbetreiber deshalb ihre Erstinvestitionen über höhere Verbraucherpreise wieder ausgleichen müssten und diese hohen Kosten sogar die Entwicklung neuer, moderner Mobilfunkdienstleistungen behindern könnten. Dies ist jedoch kein Sachverhalt, der wettbewerbsrechtliche Schritte rechtfertigen würde. Eine Einschränkung des Wettbewerbs mit dem Ziel, die Kostendeckung auf einfachere Art und Weise zu bewerkstelligen, würde allerdings einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellen und könnte entsprechend geahndet werden.

Dennoch kann ungeachtet des Systems, egal ob es sich dabei um Versteigerungen, Schönheitswettbewerbe oder anderes handelt, eine Überprüfung der genauen Regeln eines Schönheitswettbewerbs oder einer Auktion erforderlich sein, um sicherzustellen, dass zum Beispiel die etablierten Unternehmen nicht bevorzugt werden, dass keine Diskriminierung stattfindet und Transparenz und Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Auch wenn es den Mitgliedstaaten freisteht, einen Schönheitswettbewerb, ein Auktionssystem oder eine Mischung aus beidem zu wählen, so müssen sie sich doch an das Wettbewerbsrecht halten und die sektorspezifische Gesetzgebung für die Vergabe von Telekommunikationslizenzen sowie die Rechtsvorschriften für staatliche Beihilfen einhalten.

In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass die Generaldirektion Wettbewerb derzeit gemeinsam mit der Generaldirektion Informationsgesellschaft eine Beschwerde gegen die Niederlande prüft. Außerdem wird derzeit eine Beschwerde gegen Frankreich, Belgien, die Niederlande und Deutschland geprüft und eine UMTS-Auktion im Hinblick auf die Einhaltung der Rechtsvorschriften für staatliche Beihilfen untersucht. Sie sehen also, wir kommen Ihrer Forderung nach und versuchen, wachsam zu sein.

 
  
  

(IT) Herr Della Vedova fürchtet den etwaigen Versuch, die Entwicklung dieses für die europäische Wirtschaft so zukunftsträchtigen Sektors mit zu vielen zwingenden Rechtsvorschriften zu belasten. Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission im Hinblick auf die Rechtsetzung alles daran setzen wird, die Zwänge auf ein Mindestmaß zu beschränken, und eben deshalb hält sie eine umfassende Rolle der Wettbewerbspolitik für so wichtig.

In Bezug auf den von Herrn Della Vedova erwähnten Pluralismus möchte ich nur daran erinnern, dass die Nationalstaaten im gegenwärtigen System der Union die Möglichkeit haben, Maßnahmen zum Schutz des Pluralismus zu ergreifen. Dies wird in der Fusionskontrollverordnung als ein legitimer Grund für Eingriffe der Mitgliedstaaten anerkannt, sofern es natürlich konsequent der Verteidigung des Pluralismus dient.

 
  
  

(EN) Frau Villiers forderte uns auf, das Wettbewerbsrecht konsequent anzuwenden. Ich hoffe, wir werden Ihre Erwartungen zukünftig erfüllen, ohne Vorbehalte gegenüber der Größe eines Unternehmens an sich. Wir müssen jeden einzelnen Fall individuell prüfen. Die Größe kann manchmal Probleme aufwerfen. Aber auch kleinere Unternehmen können Wettbewerbsprobleme verursachen, bei denen wir einschreiten müssen.

Einige Abgeordnete, nämlich Frau Read, Herr Markov, Frau Ainardi und Herr Rapkay, haben speziell auf die positiven Auswirkungen hingewiesen, welche die Entwicklung dieses Sektors auf die Beschäftigung hat. Gleichzeitig haben sie ihre Besorgnis über die sozialen Auswirkungen von Fusionen zum Ausdruck gebracht. Ich kann leider nur kurz auf diesen Punkt eingehen. Hier geht es im wesentlichen um zwei Dinge. Was die allgemeinen Auswirkungen auf die Beschäftigung betrifft, bin ich der festen Überzeugung, dass sich ein lebhafter Wettbewerb in der Regel positiv auf die Beschäftigungslage auswirkt. Dies ist im Telekommunikationssektor eindeutig der Fall. Auch wenn die etablierten Unternehmen eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern entlassen haben, so wurde durch die Liberalisierung der Markteintritt vieler neuer Unternehmen möglich, in denen neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Kommission achtet sehr genau darauf, dass die Rechte der Arbeitnehmer geschützt werden. Der Einsatz der politischen Instrumente der Kommission und die Überprüfung von Unternehmenskonzentrationen ist ausschließlich auf die wettbewerbsrechtlichen Aspekte beschränkt. Die Kommission begrüßt jedoch die Einbeziehung der Arbeitnehmervertreter in die Kontrollverfahren, die bei Unternehmenszusammenschlüssen angewandt werden. Diese Vertreter haben das Recht, in allen Phasen des Verfahrens gehört zu werden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sie meiner Dienststelle wertvolle Beiträge liefern.

Ich bin davon überzeugt, dass ein harter Wettbewerb sowohl in den traditionellen als auch in den neuen Sektoren ein Schlüsselfaktor der sozialen Marktwirtschaft ist, und ich betone hier beide Begriffe, der „sozialen“ und der „marktorientierten“ Wirtschaft.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Monti, für Ihre detaillierte Antwort.

Ich habe gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung vier Entschließungsanträge zum Abschluss dieser Erklärung erhalten(1).

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am morgigen Donnerstag statt.

 
  

(1) Siehe Protokoll.


8. Klonen von Menschen
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Erklärung der Kommission über das Klonen von Menschen.

 
  
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  Busquin, Kommission. – (FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die jüngsten wissenschaftlichen Fortschritte im Bereich der Biowissenschaften eröffnen bedeutende Anwendungsmöglichkeiten, werfen jedoch zugleich auch ethische Fragen auf, die eine Mehrheit unserer Mitbürger betreffen. Es wird immer wichtiger, diesen ethischen Fragen vorzugreifen, um sie in einen breiteren Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu integrieren.

In ihrer Mitteilung vom Januar 2000 hat die Kommission auf die Tatsache hingewiesen, dass sich ein wirklicher europäischer Forschungsraum nur dann entwickeln kann, wenn wir zugleich die Entstehung eines europäischen Raums der gemeinsamen ethischen Werte vorantreiben. Zu diesem Zweck will die Kommission z. B. Initiativen zur Ausweitung der Beziehungen zwischen den Ethik­Ausschüssen in Europa und zum Austausch bewährter Praktiken im Bereich der ethischen Evaluierung von Forschungsprojekten einleiten.

Das therapeutische Klonen, oder genauer gesagt die therapeutische Nutzung von durch Klonen erzeugten embryonalen Stammzellen ist ein Beispiel für ethische Fragestellungen, die durch den rasanten wissenschaftlichen Fortschritt in den Biowissenschaften aufgeworfen werden. Das therapeutische Klonen ist aus ersichtlichen kulturellen, religiösen oder ethischen Gründen ein ganz besonders heikles Problem.

Der Bericht der britischen Expertengruppe vom 16. August räumt ein, dass die Erforschung der embryonalen Stammzellen des Menschen und ihre therapeutische Anwendung von besonderem Interesse sind. Er befürwortet die Genehmigung von Forschungsvorhaben in diesem Bereich sowie vor allem die Nutzung von durch Klonen mittels Austauschen des Zellkerns erzeugten Embryonen und fordert zugleich die Schaffung eines eindeutigen rechtlichen und ethischen Rahmens. Die Veröffentlichung des Berichts hat in ganz Europa zu zahlreichen Stellungnahmen geführt, und über die betroffenen wissenschaftlichen Kreise hinaus eine echte europäische Debatte ausgelöst. Wie Kommissionspräsident Prodi vor kurzem in einer Pressemitteilung ankündigte, wird die Kommission dabei nicht abseits stehen und wünscht die Fortsetzung einer fundierten Debatte im engen Zusammenwirken mit dem Europäischen Parlament.

Aufgrund der Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten hat der EU­Vertrag das Prärogativrecht bei Legislativvorhaben, die ethische Fragestellungen implizieren, bei den Mitgliedstaaten belassen. Und in der Tat gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften oder auch Gesetzeslücken, die darauf hinweisen, dass das Problembewusstsein in den einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander abweicht. Jedoch stützen sich Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der biotechnologischen Forschung unter Berücksichtigung der nationalen Empfindlichkeiten mehr und mehr auf die strengsten ethischen Grundsätze. Dies trifft auf die Gemeinschaftsvorschriften für die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen zu, die ausdrücklich auf der Wahrung der Grundprinzipien beruhen, die die Würde und die Unversehrtheit des Menschen gewährleisten und den Grundsatz bekräftigen, wonach der menschliche Körper in allen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung, einschließlich der Keimzellen, sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile oder seiner Produkte, einschließlich der Teilsequenz eines menschlichen Gens, nicht patentierbar sind.

Gemäß diesen Rechtsvorschriften ist es untersagt, das Klonen von Menschen zu reproduktiven Zwecken oder die Vermarktung von aus dem menschlichen Körper stammenden Embryonen oder Bausteinen zu patentieren. Die Richtlinie legt zwar die Bedingungen fest, unter denen eine Erfindung auf der Grundlage von biologischem Material durch ein Patent geschützt werden kann, hat aber nicht zum Ziel, Maßgaben für die Forschung selbst zu bestimmen.

Die Europäische Kommission unterstützt die biomedizinische Ausrichtung der Forschung seit vielen Jahren. Das im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens verabschiedete fünfte Rahmenprogramm achtet die ethischen Grundprinzipien und stützt sich auf die Stellungnahme, die die europäische Beratergruppe für ethische Fragen vor Annahme des Rahmenprogramms abgegeben hat. Demnach sind Forschungen, die Klonen zu reproduktiven oder therapeutischen Zwecken zum Ziel haben, ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem ist das Klonen von Tieren nur dann zugelassen, wenn es sich ethisch rechtfertigen lässt und vorausgesetzt, der Eingriff wird so vorgenommen, dass das Tier nicht unnötig leiden muss.

Das Rahmenprogramm, das zugleich vorausschauend angelegt ist, unterstützt derzeit bioethische Studien über die potentiellen Risiken und Vorteile des Klonens. Darüber hinaus laufen derzeit ergänzende Forschungen zum therapeutischen Klonen, mittels derer vor allem durch umfangreiche Untersuchungen erwachsener Stammzellen neue Zelltherapieverfahren entwickelt werden sollen. Diese Forschungen werden unter Wahrung ethischer Grundprinzipien und geltender nationaler Vorschriften durchgeführt.

Ich möchte darauf hinweisen, dass ethische Aspekte bei der Evaluierung der Vorschläge systematisch Berücksichtigung finden und dass bei Vorschlägen, die problematischere ethische Fragen aufwerfen, eine umfassende ethische Prüfung vorgenommen wird. Die Kommission erwartet mit großem Interesse die Stellungnahme der europäischen Beratergruppe für ethische Fragen über die Nutzung menschlicher Stammzellen, die im November dieses Jahres veröffentlicht werden soll. Diese Gruppe hatte bereits Gelegenheit, ihre Unabhängigkeit und große Kompetenz bei problematischen und zugleich hochtechnischen Sachverhalten unter Beweis zu stellen. Wie auch ihre Vorläufer wird diese Stellungnahme sicherlich wichtige Anhaltspunkte für die Forschungspolitik der Gemeinschaft liefern.

Allgemeiner betrachtet muss die Hochrangige Expertengruppe für Biowissenschaften, die vor kurzem auf meine Initiative ins Leben gerufen wurde, ihren Beitrag dazu leisten, dass sich zwischen der Welt der Forschung und der Gesellschaft ein wirklicher Dialog über die Biowissenschaften entwickelt. Das von dieser Gruppe für den 6. und 7. November in Brüssel einberufene Diskussionsforum, zu dem ich natürlich alle interessierten Mitglieder Ihres Hauses herzlich einladen möchte, ist ein wichtiger Schritt zur Einleitung dieses Dialogs. Obwohl die Kommission weder die Absicht hat, im Bereich der Ethik Vorschriften zu erlassen noch zu harmonisieren, will sie sich unter Berücksichtigung der kulturellen Vielfalt und der Empfindlichkeiten in Europa doch an dieser Debatte beteiligen. Dies ist auch eine der Zielsetzungen des europäischen Forschungsraums, dessen Entwicklung nach und nach Gestalt annimmt.

 
  
  

VORSITZ: NICOLE FONTAINE
Präsidentin

 
  
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  Lannoye (Verts/ALE).(FR) Ich möchte gerne eine Frage zum Arbeitsplan stellen.

Herr Busquin hat soeben eine Erklärung zum Klonen abgegeben. Wann findet die Aussprache statt?

 
  
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  Die Präsidentin. – Um 17.00 Uhr, also direkt im Anschluss an die Aussprache über die Erweiterung.

 

9. Äußerungen von Herrn Verheugen zur Erweiterung
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  Die Präsidentin. – Nach der Tagesordnung folgt nun die Mitteilung zu den Äußerungen von Herrn Verheugen zur Erweiterung.

Ich freue mich, dass Kommissionspräsident Romano Prodi eingetroffen ist, und danke ihm für sein Kommen.

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass uns Kommissionspräsident Prodi um 16.35 Uhr verlassen muss, um seine Reise nach New York zum Millenniumsgipfel anzutreten. Wir danken ihm dennoch, dass er Wert darauf gelegt hat, bei dieser Aussprache anwesend zu sein, und ich möchte ihm nun ohne weitere Umschweife das Wort erteilen.

 
  
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  Prodi, Kommission. – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemeinsam mit Kommissar Verheugen wollte ich persönlich eine Erklärung vor diesem Hohen Haus abgeben, um die politische Bedeutung seines Interviews vom 2. September 2000 für die Süddeutsche Zeitung sowie einer Reihe sich daran anschließender Presseerklärungen zu erläutern. Kommissar Verheugen wird Ihnen sogleich den Inhalt seines Interviews nach Geist und Buchstaben genau darlegen.

Ich persönlich möchte vor Ihnen, den Mitgliedern des Europäischen Parlaments, den bedingungslosen Einsatz meiner Kommission für die weitere Ausgestaltung des außergewöhnlichen Vorhabens der Erweiterung bekräftigen. Ich habe mehrfach betont, dass die Erweiterung die wichtigste Aufgabe ist, die diese Kommission mit der Verpflichtung, sie auf den richtigen Weg zu bringen, übernommen hat.

Diese neue Seite im Buch der Geschichte der Union muss gemäß den vom Europäischen Rat und von der Kommission selbst festgelegten und mehrmals vor diesem Parlament erläuterten Zielen so schnell wie möglich geschrieben werden. Wie Ihnen bekannt ist, handelt es sich dabei um ein politisch äußerst kompliziertes Vorhaben, wobei die Kommission den Verhandlungsprozess mit Ihrer rückhaltlosen und stetigen Unterstützung transparent und objektiv vorantreibt und sich dabei strikt an die Regeln ihres Mandats hält.

Vonseiten der Demokratien in den Beitrittsländern werden enorme Anstrengungen unternommen, die wir oftmals nicht richtig anerkennen. Wir müssen jedoch auf diese Anstrengungen mit politischer Großzügigkeit reagieren, die auf vielfache Weise zum Ausdruck gebracht werden muss. Der erste Akt der Großzügigkeit, den ich noch einmal unterstreichen muss, besteht in der notwendigen Bereitschaft der Union, den neuen Mitgliedern die Türen bis zum 1. Januar 2003 zu öffnen. Demnach steht die Union, wenn sie ihr Haus in Ordnung bringen will, als Erstes vor der Aufgabe, Ende dieses Jahres in Nizza eine institutionelle Reform auf hohem Niveau zu vereinbaren, um eine Verwässerung unseres Systems zu vermeiden.

Die politische Großzügigkeit, die wir unter Beweis stellen müssen, beinhaltet noch einen weiteren Aspekt: Wir alle müssen uns bemühen, die breitestmögliche Zustimmung der Bürger zu dem Erweiterungsprozess zu erlangen. Ich für meinen Teil fürchte nämlich, dass die Öffentlichkeit noch nicht ausreichend davon überzeugt ist.

Das Bemühen um demokratischen Rückhalt für dieses historisch bedeutsame Unterfangen ist gewiss kein Zeichen für unsere Absicht, diesen Prozess zu verzögern, sondern zeugt vielmehr von unserem Wunsch, ihn zu verstärken. Die Entscheidung darüber, welche Methoden und Instrumente geeignet sind, sich diesen Rückhalt in den Mitgliedstaaten oder Kandidatenländern zu sichern, liegt selbstverständlich bei diesen selbst. Insbesondere müssen die Beitrittsverträge in den einzelnen Mitgliedstaaten entsprechend der jeweiligen Rechtsordnung ratifiziert werden. Es liegt mit Sicherheit nicht in der Absicht der Kommission oder von Kommissar Verheugen, sich in diese Debatte einzumischen.

Trotzdem - und das ist ein anderes Thema - muss jeder von uns dazu beitragen, unseren Mitbürgern klar zu machen, was auf dem Spiel steht. Ich habe stets festgestellt, dass sich das Europäische Parlament uneingeschränkt dafür einsetzt, unseren Mitbürgern wieder und wieder zu erklären, dass die Erweiterung keine Bedrohung, sondern in jeder Hinsicht, vor allem im Hinblick auf den Frieden auf unserem Kontinent, eine historische Chance darstellt.

Das aufrichtige Engagement aller Kommissionsmitglieder für die weitere Ausgestaltung der Politik des Kollegiums ist ein Unterscheidungsmerkmal meiner Präsidentschaft, und dieses Hohe Haus ist sich dessen bewusst, dass ich erforderlichenfalls über angemessene Instrumente verfüge, um dessen Einhaltung zu sichern.

In diesem spezifischen Fall bin ich der festen Überzeugung, dass Günter Verheugen die Politik der Kommission, der auch dieses Hohe Haus mehrfach zugestimmt hat, voll und ganz vertritt. Ich habe daher vollstes Vertrauen in seine Fähigkeit, die Verhandlungen über die Erweiterung zu einem raschen und erfolgreichen Abschluss zu führen.

(Beifall)

 
  
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  Verheugen, Kommission. - Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar für diese Aussprache, weil sie mir die Gelegenheit gibt, ein erläuterndes und aus meiner Sicht dann auch abschließendes Wort zu dem Interview zu sagen, das diesen Sturm ausgelöst hat.

Ich habe in diesem Interview auf persönlicher Basis und in einem rein deutschen Kontext darauf hingewiesen, dass Volksentscheide hilfreich sein können, um bei großen europäischen Projekten, die die Verfassungsnatur des Staates verändern, die Bürgerinnen und Bürger stärker einzubeziehen. Ich habe als Beispiel dafür den Maastricht-Vertrag genannt, und nicht die Erweiterung. Schließlich habe ich auch gesagt, dass diese Möglichkeit in der deutschen Verfassung nicht besteht. Niemand bedauert mehr als ich, dass diese Äußerung so interpretiert worden ist, als hätte ich für ein Referendum zur Erweiterung plädiert. Ich stelle hiermit klar, dass ich eine solche Forderung nicht erhoben habe, weder für Deutschland noch für irgendein anderes Land.

(Beifall)

Wenn man den Text in aller Fairness liest und sich nicht auf Berichte aus zweiter Hand stützt, wird man zu keinem anderen Ergebnis kommen können.

Was aber war die wirkliche Botschaft? Die Botschaft war zu sagen: Wir wollen die Erweiterung und wir wollen sie so schnell wie möglich und so gründlich wie nötig. Viele, viele Mitglieder des Hauses wissen, dass ich mich seit einem Jahr mit Leidenschaft darum bemühe, in unmittelbarem Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Beitrittsländern und in den Mitgliedsländern deutlich zu machen, dass wir diese neuen Mitglieder wirklich wollen.

Was ich zu tun versuche, ist, einem Prozess, der leicht ins rein technische abgleiten könnte, eine Seele zu geben. Wir wollen Frieden und Stabilität in ganz Europa sichern. Wir wollen jungen Demokratien die Chance geben, gleichberechtigt an der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung Europas teilzunehmen. Wir wollen die Rolle Europas im internationalen Wettbewerb weiter stärken. Es gibt dazu keine Alternative. Die Bilanz der Erweiterungsverhandlungen seit dem Amtsantritt der Kommission Prodi ist positiv. Die Fortschrittsberichte, die die Kommission im Herbst vorlegen wird, werden zeigen, dass die Kandidaten erhebliche Fortschritte gemacht haben und sich der Beitrittsreife nähern.

Die Kommission beabsichtigt, im Herbst neue Elemente für die Verhandlungsstrategie vorzuschlagen, die es ermöglichen sollen, die Verhandlungen noch zügiger zu führen und die substantiellen Kernfragen des Verhandlungsgeschehens in Angriff zu nehmen.

Ich möchte feststellen, dass diese Fortschritte nur möglich sind im engen Zusammenwirken mit den Mitgliedstaaten und mit dem Europäischen Parlament. Ich danke dem Europäischen Parlament ausdrücklich für die hervorragende Zusammenarbeit und dafür, dass es mich bisher jedenfalls uneingeschränkt unterstützt hat. Ich erkenne auch ausdrücklich die positive Rolle an, die das Europäische Parlament und seine Mitglieder in dem Bemühen spielen, die Menschen in Europa über dieses historische Projekt aufzuklären. Ich bin immer dafür eingetreten, eine möglichst breite Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen und in einer breit angelegten Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern die großen Vorteile des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zu erläutern.

Davon, dass die Erweiterung politische und wirtschaftliche Vorteile für beide Seiten von Anfang an bringen wird, müssen wir die Menschen überzeugen. Wir brauchen eine breite demokratische Debatte über dieses historisches Projekt. Um diesen Grundgedanken ging es mir in dem Interview.

(Beifall)

Es ist absolut nicht die Absicht der Kommission - und meine Absicht wäre es ganz gewiss als allerletzte - irgendwelche neuen politischen Bedingungen in den Verhandlungsprozess oder in den Entscheidungsprozess einzuführen. Die Strategie ist vom Europäischen Rat festgelegt. Sie wird von der Kommission mit allem Nachdruck verfolgt.

Und wie Präsident Prodi bereits gesagt hat, ist es ganz selbstverständlich, dass die Beitrittsverträge in den einzelnen Mitgliedstaaten entsprechend der jeweiligen Rechtsordnung ratifiziert werden. Für mich ergeben sich drei Schlussfolgerungen: Erstens müssen wir eine breite Kommunikationsoffensive in den Mitgliedsländern und in den Beitrittsländern durchführen. Die Kommission hat die notwendigen Vorbereitungen dafür bereits getroffen. Zweitens, sollten wir, wo es Sorgen und Ängste gibt, diese nicht wegwischen, sondern offen mit den Bürgerinnen und Bürgern reden; wir sollten ihnen helfen, ...

(Beifall)

... die neuen Chancen zu ergreifen und die neuen Herausforderungen zu meistern. Ich denke besonders an die Grenzregionen. Auch hier hat die Kommission ein Konzept in Arbeit.

Und drittens müssen wir bei Themen, die mit Ängsten und Emotionen beladen sind, - und es gibt sie im Erweiterungsprozess, wie z.B. die Zuwanderung - mit größtmöglicher Sorgfalt und mit größtmöglichem Augenmaß vorgehen. Aber es gibt Wege und Möglichkeiten, diese Probleme zu lösen. Und darüber muss und wird Zeit- und problemnah entschieden werden.

(Beifall)

 
  
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  Poettering (PPE-DE). - Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich wünschte, wir müssten diese Debatte heute nicht führen. Hier liegt ein schwerwiegender Vorgang zugrunde, ein schwerwiegender politischer Fehler. Nach dem, was wir gerade von Kommissionspräsident Prodi und Herrn Kommissar Verheugen gehört haben, hoffe ich, dass nach dieser Debatte die Dinge wieder klar sind.

Wir haben keine Erklärung des Präsidenten gefordert, sondern eine Erklärung der Kommission. Aber ich bin Herrn Kommissionspräsidenten Prodi ausdrücklich dankbar dafür, dass er den Vorgang für so wichtig hält, dass er selbst heute Stellung bezogen hat. Herr Kommissar Verheugen, ich habe Ihr Interview mehrfach durchgelesen. Ehe ich zum eigentlichen Kern komme, möchte ich auf folgenden Satz hinweisen, über den ich wirklich fassungslos und auch erschüttert bin. Ich sage das in aller Sachlichkeit, weil ich zutiefst an jedes Wort, das ich hier in Ruhe sage, auch glaube, und weil das meine Überzeugung widerspiegelt.

Herr Verheugen in dem Interview: „Es gehört zu den fast tragischen Entwicklungen der letzten Jahre, dass das Parlament nur in einem einig ist, in der Opposition zur Kommission.“ Herr Verheugen, welches Verständnis haben Sie von diesem Europäischen Parlament? Sie wären nicht im Amt, wenn Sie nicht unsere Zustimmung bekommen hätten.

(Beifall)

Ich nehme für unsere Fraktion in Anspruch, und Kommissionspräsident Prodi weiß, dass wir uns im Prinzip als den Verbündeten der Europäischen Kommission betrachten, wenn es um die Wahrung der Verträge geht, wenn es darum geht, dass Herr Patten in die Außenpolitik eingebunden wird, wenn es darum geht, dass wir keine Sekretariate bekommen. Wir stehen an der Seite der Kommission und bitten auch, dass Sie dies so zur Kenntnis nehmen und uns nicht unterstellen, wir stünden grundsätzlich in Opposition zur Kommission und seien uns in diesem Hause nur in dieser Frage einig. Ich weise das in aller Schlichtheit zurück.

(Beifall)

Ich weise das zurück, weil ich bitte, dass unsere Arbeit auch als eine Unterstützung der Kommission verstanden wird. Wir haben eine gemeinsame Aufgabe für dieses Europa zu meistern!

Nun zum Sachverhalt selbst. Sie haben gesagt, dass man, wenn man Ihren Text mit Fairness liest, zu einem anderen Ergebnis kommen könnte. Ich glaube - und das ist ja die europaweite Diskussion -, dass man auch, wenn man diesen Text mit Fairness betrachtet, eben zu den Schlussfolgerungen kommen musste, die wir in die öffentliche Debatte eingebracht haben. Herr Verheugen, ich bin dankbar dafür und erkenne ausdrücklich an, dass Sie sagen wollen, es sollen keine neuen Bedingungen geschaffen werden. Damit ist ein für alle Mal klar, was der Kommissionspräsident auch gesagt hat, dass Sie nicht mehr dafür plädieren, dass ein Volksentscheid aus dem Land, aus dem Sie kommen, die Grundlage für eine Erweiterung der Europäischen Union sein sollte. Es gibt nämlich viele, die sich fragen, ob hinter dieser Bemerkung von Kommissar Verheugen eine Strategie steckt. Es haben ja andere Persönlichkeiten - ich will das nicht parteipolitisch in die Debatte einführen -, z. B. eine wichtige Persönlichkeit aus der Bundesrepublik Deutschland, die Ihnen politisch nahe steht, gerade heute diese Forderung eines Volksentscheids erhoben. Aber ich bin froh, dass dies heute klargestellt wurde.

(Zuruf)

Erregen Sie sich nicht! Ich bin ja froh darüber, dass wir einvernehmlich der Meinung waren, dass wir über diese Frage reden, denn diese Frage der Erweiterung der Europäischen Union ist eine Zukunftsfrage des europäischen Kontinents im 21. Jahrhundert. Es ist eine Zukunftsfrage, dass die Kommission und das Parlament den gleichen Weg gehen.

(Beifall)

Wir müssen jetzt gemeinsam gegenüber den Regierungen darauf drängen, dass Nizza ein Erfolg wird. Wir sollten dies gemeinsam tun und uns gegenseitig guten Willen unterstellen. Das Wichtigste ist - insofern habe ich Verständnis für den Teil ihrer Äußerungen, mit dem wir völlig einig gehen -, dass wir die Menschen in unseren Ländern für die Erweiterung der Europäischen Union gewinnen, damit sie diesen Weg mitgehen. Wir als Abgeordnete des Europäischen Parlaments sind ständig in dieser Frage engagiert. Denn es waren die Menschen in Mitteleuropa, die den Wandel und den Niedergang des Kommunismus möglich gemacht haben. Die Einheit Deutschlands wäre ohne Solidarnosc in Polen nicht möglich gewesen.

(Beifall)

Lassen Sie uns jetzt - und dazu fordere ich die Kommission und uns alle auf - gemeinsam diesen Weg Europas gehen! Dieses Parlament ist sich darin einig, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen müssen. Herr Verheugen, ich möchte Sie bitten, dies auch so anzuerkennen. Wir stehen im Prinzip an der Seite der Kommission, wenn es um die Entwicklung Europas in der Zukunft, die Einheit unseres Kontinents und die Erweiterung geht, denn die Völker Mitteleuropas wollen Teil unserer Wertegemeinschaft der Europäischen Union sein. Es ist unsere politische und moralische Verpflichtung, alles zu tun, dass diese Erweiterung so schnell wie möglich Wirklichkeit werden kann. Das liegt im Interesse der Sicherheit, des Friedens und der Freiheit unseres europäischen Kontinents.

(Lebhafter Beifall)

 
  
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  Hänsch (PSE). - Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident! Herr Verheugen, Sie haben eben gesagt, dass Sie Ihr Interview innerdeutsch gemeint haben - aber es ist eben kein innerdeutsches Problem. Und auch wenn gerade Poettering gesprochen hat und jetzt ich, schließen Sie nicht daraus, dass das eine deutsch-deutsche Debatte ist.

Die Äußerungen von Ihnen, Herr Verheugen, haben in der Sozialistischen Fraktion Erstaunen, Irritation und auch Verärgerung hervorgerufen.

(Beifall)

Dabei geht es nicht um Wert oder Unwert von Volksabstimmungen für Demokratie und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungen der Europäischen Union. Als Sprecher meiner Fraktion sage ich auch nichts zur innerdeutschen Debatte um solche Volksabstimmungen oder ähnliches. Selbstverständlich entscheidet jeder Mitgliedstaat über den Beitritt neuer Staaten nach den Regeln seiner Verfassung, also auch Deutschland. Aber eben weil die deutsche Verfassung ein solches Referendum nicht vorsieht, sind Ihre Äußerungen verstanden worden als Ruf nach der Einführung einer Volksabstimmung und damit als Versuch, die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten aufzuschieben. Ich weiß, Herr Kommissar, das war wirklich nicht Ihre Absicht! Aber dieser Eindruck ist entstanden, und der muss weg!

(Beifall)

Die Sozialistische Fraktion will, dass die Europäische Union die Verpflichtung einhält, die sie gegenüber Osteuropa eingegangen ist. Wir wollen, dass die Verhandlungen zügig und sorgfältig zu Ende geführt werden. Wir lehnen es ab, neue Hindernisse vor einem Beitritt aufzubauen! Aber das gilt dann auch für bestimmte Äußerungen aus Ihrer Fraktion, Herr Poettering, zum Beispiel, was die Haltung der EVP zum Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion anbelangt.

(Beifall)

Meine Fraktion, die Sozialistische Fraktion, begrüßt es, dass Kommissionspräsident Prodi und Kommissar Verheugen hier heute die notwendigen Klarstellungen vorgenommen haben. Wir sind Ihnen dankbar dafür. Diese Klarstellung reicht uns aus!

Nun könnten wir natürlich sagen: „Romano“ locuto, causa finita.

(Heiterkeit)

Aber ganz so einfach sind die Dinge natürlich nicht, denn das Grundproblem, Herr Kommissar Verheugen, das Sie angesprochen haben, ist ein Grundproblem, vor dem wir alle stehen: Kommission, Abgeordnete im Europäischen Parlament, Regierungen, Parteien in unseren Mitgliedstaaten. Das Grundproblem ist, wie wir die Menschen in den Mitgliedstaaten informieren über den Beitritt osteuropäischer Staaten, sie überzeugen und gewinnen für diesen Beitritt. Das ist das Entscheidende, das wir leisten müssen! Da allerdings gibt es bei uns allen ein Defizit. Das kann man nur dadurch machen, dass man den Menschen immer wieder klar macht, die Größe der Aufgabe hängt mit der Größe der Chance zusammen, die sich uns allen in Europa bietet. Das müssen wir klar machen! Dazu müssen Sie, Herr Kommissionspräsident und Herr Kommissar, und dazu müssen wir alle auch aus unseren bürokratischen Löchern der Details und der Bedenken herauskommen! Heben wir das, was wir tun, wirklich auf die historische Höhe, in die es gehört!

Die Politikergeneration der fünfziger Jahre - Adenauer, Monnet, Schuman und andere -, die hatten den Mut und die Weitsicht, den jahrhundertealten Gegensatz zwischen Deutschland und Frankreich in einer Europäischen Gemeinschaft aufzuheben und die Einigung der Völker Europas im Westen zu beginnen.

Unsere Politikergeneration, meine Damen und Herren, Ihre und meine, hat zum ersten Mal seit tausend Jahren die Chance, auf der Grundlage der Freiwilligkeit, des Friedens und der Demokratie alle Völker Europas zu einer Gemeinschaft zusammenzuführen. Diese Chance dürfen wir uns nicht kaputt machen lassen, und diese Chance dürfen wir nicht versäumen!

(Beifall)

 
  
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  Cox (ELDR).(EN) Frau Präsidentin, wir haben heute die Gelegenheit, wichtige Korrekturen vorzunehmen und in dieser Debatte einen großen Schritt voranzukommen. Ich freue mich sehr, dass der Kommissionspräsident heute anwesend ist, und ich hoffe, dass Herr Prodi in seiner Eigenschaft als Kommissionspräsident regelmäßig an den Debatten über wichtige strategische Fragen wie die Erweiterung teilnehmen wird. Ich begrüße daher seine heutige Erklärung ganz besonders.

Ich akzeptiere die Versicherung von Herrn Verheugen, er habe sich in dem Interview auf Deutschland bezogen und als Privatperson gesprochen. Als für die Erweiterung der Union zuständiges Kommissionsmitglied kann er sich jedoch den Luxus persönlicher Äußerungen nicht leisten. Das größte Problem ist, dass wir bei zweideutigen, schlecht formulierten oder falsch verstandenen Botschaften Gefahr laufen, die falsche Meldung in die Welt zu setzen. Genau das ist hier geschehen, wie die Reaktionen und Kommentare zu diesem Interview zeigen.

Was die Frage einer Volksabstimmung betrifft, kann ich seine Erklärung akzeptieren. Dennoch ist der Grundgedanke richtig. Wir brauchen die Zustimmung der Öffentlichkeit, und wenn er dies damit ausdrücken wollte, ist das ein wertvoller Ansatz.

Was die Äußerung betrifft, die Mitgliedstaaten würden der Kommission die Drecksarbeit überlassen, so hoffe ich, dass damit nicht die Erweiterung gemeint war. Ich bin sicher, dass diese Schlussfolgerung nicht beabsichtigt war.

(Beifall)

Wenn Sie, Herr Verheugen, damit gemeint haben, dass einige unserer Staats- und Regierungschefs auf ihren Reisen durch die mitteleuropäischen Länder vollmundig verkünden, die Erweiterung mache gute Fortschritte, und es dann der Kommission überlassen, sich um die Details zu kümmern, sollten Sie dies auch ganz klar sagen. Wir werden Sie unterstützen, wenn Sie dies im Rat vorbringen.

(Beifall)

Ich bitte Herrn Verheugen, seine Äußerungen über das Europäische Parlament zurückzunehmen, in denen er behauptet hatte, das Europäische Parlament sei sich nur in seiner Opposition gegen die Kommission einig. Das können wir so nicht stehen lassen. Die Beziehungen des Kommissionsmitglieds zu unserem Parlament und dessen Ausschüssen waren immer konstruktiv und positiv, und das soll auch in Zukunft so bleiben. Wir können eine solche Verunglimpfung unserer interinstitutionellen Beziehungen nicht tolerieren.

(Beifall)

 
  
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  Hautala (Verts/ALE). - (FI) Frau Präsidentin! Ich danke Herrn Prodi und Herrn Verheugen für ihre Bereitschaft zu dieser Aussprache mit uns. Damit bietet sich uns eine ausgezeichnete Gelegenheit zu einem ernsthaften und aufrichtigen Gespräch über die Erweiterung, in dem wir auch gemeinsam erörtern können, wie wir die Bürger in diese Debatte einbeziehen. Nichts kann von größerer Bedeutung sein.

Ich kann verstehen, dass die Kommission mitunter etwas verärgert über die Haltung ist, die der Rat gelegentlich in Fragen der Erweiterung einnimmt. Er war nicht imstande, einen konkreten Erweiterungsplan vorzulegen. Hier muss der Rat wirklich Einmütigkeit in seinen Reihen anstreben. Es ist wenig vorteilhaft, wenn Staatschefs von Mitgliedstaaten in Kandidatenländer reisen und dort unverbindliche Zusagen zu ihrem bald möglichen Beitritt abgeben. Das ist keine seriöse Arbeit für die Erweiterung. Natürlich kann das Vertrauen der Bürger wiedergewonnen werden, aber das erfordert zunächst einmal mehr Transparenz im gesamten Verhandlungsprozess. Auch das Parlament muss in diese Gespräche einbezogen werden. Dies ist nun eine gute Gelegenheit festzustellen, dass wir diese Debatte regelmäßig auch im Europäischen Parlament führen werden.

Was soll man nun davon halten, Volksentscheide zu den Resultaten der Erweiterung durchzuführen? Es ist sicher nicht der richtige Zeitpunkt, dieses Thema zu erörtern, da wir jetzt vielmehr couragiert den Menschen sagen müssen, dass die jetzigen Kandidatenländer bereits vor acht Jahren zum Beitritt ermuntert wurden. Ich wiederhole, acht Jahre liegt das bereits zurück, und ich hoffe, dass wir uns den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen getrauen, dass dieser Prozess schon weit gediehen und unumkehrbar ist. Ein Referendum an sich ist ein ausgezeichnetes Mittel für die Einbeziehung der Bürger in Entscheidungsprozesse. Ich danke Herrn Verheugen, dass er dieses Wort benutzt hat. Sogar Deutschland sollte meines Erachtens darüber nachdenken, seine historisch bedingten Ängste hinsichtlich einer Gefahr abzulegen, die von Volksentscheiden im Allgemeinen ausgehen kann.

Betrachten wir doch die für die Charta der Grundrechte geleistete Arbeit. Hier wird derzeit eine Charta geschaffen, aber enthält sie auch nur ein einziges Recht auf Mitgestaltung für die Bürger? Warum haben wir keine Debatte über europaweite Volksabstimmungen oder das Recht auf Bürgerinitiativen geführt, das beispielsweise die Schweizer automatisch haben? Ich kann verstehen, dass die Schweizer der Union erst dann beitreten wollen, wenn für sie als künftige Bürger der Union auch diese Rechte garantiert sind. Das ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam angehen können, um ein echtes Europa der Bürger zu schaffen. So können auch unnütze Ängste abgebaut werden, weil die Menschen sich dann selbst informieren und diskutieren müssen, sich die Informationen selbst beschaffen müssen. Direkte Bürgerrechte sind gemeinhin unentbehrlich, aber in diesem Fall können wir nicht über die Erweiterung abstimmen.

 
  
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  Brie (GUE/NGL). - Frau Präsidentin! In meiner Fraktion gibt es unterschiedliche Auffassungen zur geplanten Erweiterung. Ich selbst halte sie für eine historische Notwendigkeit und Chance, die weder durch Unbedachtheiten, undemokratische Verfahren und bürokratischen oder nationalen Kleingeist, noch durch soziale Rücksichtslosigkeit der Politik gefährdet werden darf.

Herr Kommissar, ich habe keinen Zweifel an Ihrem persönlichen Engagement für die Erweiterung. Wenn Sie uns heute aber sagen, wir alle hätten das Interview nur falsch gelesen, ich dann aber entdecke, dass Sie in der morgigen Ausgabe der „Zeit“ selbst sagen, dass es sich um Ihren jährlichen Flop gehandelt habe, dann stellt sich mir natürlich schon die Frage, woran wir hier wirklich sind!

(Beifall)

Ich würde Sie doch noch einmal bitten, uns das hier zu erläutern. Sie haben im Juli im zuständigen Ausschuss sehr dunkle Andeutungen über die Schwierigkeiten gemacht. Auch auf Nachfrage waren Sie damals nicht bereit, das zu konkretisieren. Sie haben völlig recht, dass die Bevölkerung in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden muss. Aber das heißt natürlich auch, dass die demokratisch gewählten Abgeordneten solche Möglichkeiten haben müssen. Ich denke, es muss Schluss sein mit den Auswüchsen der Geheimdiplomatie von Rat und Kommission gegenüber dem Parlament.

Es gibt ein zweites Problem: Ich unterstütze sehr entschieden Ihre Auffassung, dass existenzielle Entscheidungen den Bürgerinnen und Bürgern nicht durch die Regierungen übergestülpt werden dürfen, wie das - da stimme ich Ihnen zu - im Fall des Euro geschehen ist. Aber ein deutscher Volksentscheid darf niemals über Wohl und Wehe der Erweiterung entscheiden können. Das ist für mich instinktlos und inakzeptabel! Ansonsten werden Sie immer unsere konsequente Unterstützung erhalten, wenn Sie es mit dieser demokratischen Beteiligung ernst meinen. Ich erinnere mich aber auch daran, dass auch Sie einen Volksentscheid über den Maastrichter Vertrag damals in Deutschland grundsätzlich abgelehnt haben.

Drittens - und das ist das Wichtigste -: Um die Bevölkerungen für die Erweiterung und den Beitritt zu gewinnen, sind ihre Sorgen und Hoffnungen sehr ernst zu nehmen. Für mich geht das nicht primär mit einer 150 Millionen Euro teuren PR-Kampagne, sondern durch eine demokratische, soziale und beschäftigungspolitische Orientierung dieser Erweiterung. Davon ist bisher zu wenig zu spüren, weder in der Diskussion über eine Grundrechtecharta, noch in der Reform der Union, auch nicht in den Beitrittsverhandlungen.

Herr Kommissar, unsere zentrale Forderung ist: Tragen Sie mit Ihrer anerkannt großen Kompetenz dazu bei, dass die Osterweiterung ein Projekt gemeinsamer Sicherheit wird, ein Projekt sozialer Solidarität, ein Projekt, das von den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam entschieden und mitgestaltet werden kann! Dann haben Sie uns alle an Ihrer Seite.

 
  
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  Muscardini (UEN). - (IT) Frau Präsidentin, den Worten von Kommissionspräsident Prodi nach ist die Öffentlichkeit nicht ausreichend überzeugt, und andere Kolleginnen und Kollegen haben diese Formulierung aufgegriffen. Das ist wahrscheinlich das eigentliche Kernproblem: Die Öffentlichkeit ist nicht ausreichend überzeugt, weil sich die Union zu sehr mit einzelnen Fragen betreffend die Nationalstaaten anstatt ausführlich mit den großen Problemen befasst: Arbeitslosigkeit, Einwanderung, Menschenrechte, Neuaushandlung der internationalen Finanzregeln, Finanzbetrug, Beziehungen zu den USA, die Fähigkeit Europas, eine starke Wirtschaft und ein spezifisches Gewicht zu erlangen.

Die Bürger Europas haben Angst, das müssen wir uns bewusst machen! Wenn wir wollen, dass die jetzigen und künftigen Unionsbürger die Erweiterung am Ende begrüßen, müssen wir damit beginnen, die Bürger in die politischen und institutionellen Prozesse einzubeziehen, und zwar nicht bedingungslos, wie Sie, Herr Präsident Prodi, in Ihrer Rede ausführten, sondern sehr wohl unter einer Bedingung, und zwar dass die Erweiterung den jetzigen Unionsbürgern und auch denen, die hoffentlich schnellstmöglich Mitglieder unserer Europäischen Union werden, auch wirklich zum Vorteil gereicht.

 
  
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  Dell'Alba (TDI). - (IT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, es sind gewiss nicht die italienischen Radikalen, die Kritik an der Verkündung des Vorschlags zur Durchführung eines Volksentscheids über ein sehr wichtiges Thema üben werden, obwohl auch das ein falscher Schritt war, der die Kommission und unsere gesamte Europäische Union in Schwierigkeiten gebracht hat: in Schwierigkeiten gegenüber den legitimen Bestrebungen der Völker Osteuropas, die nach 50 Jahren kommunistischer Diktatur, die von uns geduldet wurde, nun das Recht haben, Mitglied der Europäischen Union zu werden.

Ich wende mich daher an die Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten und fordere Sie auf, sich eine Gewissensfrage zu stellen; ich frage die Kommission, aber auch dieses Parlament: Wie steht es mit unseren Vorbereitungen für die Gipfel von Biarritz und Nizza, bei denen so wichtige Fragen auf der Tagesordnung stehen und im Hinblick auf die überhaupt nichts passiert? Nichts im Hinblick auf die institutionellen Reformen, vor allem aber nichts in Bezug auf die vor Jahren von uns übernommene Verpflichtung, die Erweiterung um die südeuropäischen Länder zustande zu bringen: Ich denke hierbei an das Delors-I- und an das Delors-II-Paket. Zudem wollen wir die Erweiterung durchführen, ohne einen Pfennig mehr als in dem schon für die 15 EU-Staaten nicht ausreichenden Haushalt vorgesehen auszugeben. Das sind riesige Probleme, und Ihr Interview, Herr Kommissar, hat Verwirrung ausgelöst. Zwar hoffe ich, dass man mit den heutigen Erklärungen wieder auf den rechten Weg zurückfindet, doch die wirklichen Probleme sind damit nicht gelöst: Welche Reformen, welche finanziellen Mittel brauchen wir, um die Ost-Erweiterung tatsächlich zum Erfolg zu führen?

 
  
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  Van Orden (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin, ich bin davon ausgegangen, dass Herr Verheugen eine umfassende Erklärung zu seinem Interview mit der Süddeutschen Zeitung abgeben wird. Ein wichtiger Punkt in seiner Erklärung war seine Aussage, er sei der Meinung, dass in Deutschland eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro hätte stattfinden sollen. Nun, dazu ist es noch nicht zu spät. Ist er noch immer der Auffassung, dass in Deutschland die öffentliche Meinung zum Euro auf die Probe gestellt werden sollte, und welches Ergebnis würde eine solche Volksbefragung aus seiner Sicht erbringen?

 
  
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  Verheugen, Kommission. - Frau Präsidentin! Ich möchte zunächst einige Fragen beantworten, die konkret an mich gestellt wurden. Zunächst zu Herrn Poettering und Herrn Cox, für deren faire Beiträge ich danke. Ich nehme das sehr gerne zur Kenntnis, dass Sie eine andere Analyse von dem Rollenspiel zwischen Parlament und Kommission haben, als ich sie dort sehr verkürzt vorgenommen habe. Ich muss auch zugeben, für meinen eigenen Erfahrungsbereich trifft das auch vollkommen zu. Ich bin gebeten worden, diese Einschätzung zurückzunehmen. Ich tue das gerne, ….

(Beifall)

…. weil diese Diskussion gezeigt hat, dass ich mich hier offenbar im Irrtum befunden habe, und das fällt mir gar nicht schwer, das zuzugeben!

Ich wende mich noch einmal an Herrn Cox: Sie haben sich an einem bestimmten deutschen Wort gestoßen, das ich gebraucht habe und das ins Englische übersetzt wird mit dirty work. Ich möchte nur erklären, in dem Teil Deutschlands, aus dem ich komme, bedeutet dieses Wort nichts anderes als im Englischen painful and hard work. Nichts anderes war gemeint, …..

(Zurufe aus dem Plenum)

…. und die Interpretation, die Sie angeschlossen haben, kommt dem, was ich denke, auf jeden Fall schon sehr, sehr nahe.

Wir brauchen nicht noch einmal Diskussionen zu führen über den Entscheidungsprozess zur Einführung des Euro in Deutschland. Ich war seinerzeit der Vorsitzende des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages, der die Ratifizierung des Euro in Deutschland vorbereitet hat. Dieser Prozess war bereits Ende 1993 abgeschlossen. Da gibt es nichts mehr zu entscheiden, das Thema ist erledigt. Es gab damals eine Diskussion darüber, dass die Einbeziehung der Bevölkerung nicht ausreichend war. Jeder deutsche Kollege wird mir das bestätigen, und daran hatte ich im Interview noch einmal erinnert.

Im übrigen möchte ich gerne zusammenfassend feststellen, dass nach meinem Gefühl die Debatte gezeigt hat, dass es erstens eine sehr große und breite Übereinstimmung gibt zwischen der Kommission und dem Parlament in der Frage selbst, wie notwendig, wichtig und irreversibel die Erweiterung ist, und dass es zweitens auch eine große Übereinstimmung gibt in der Frage, dass wir gemeinsam daran arbeiten wollen, die Bürgerinnen und Bürger Europas bei diesem epochalen Projekt mitzunehmen.

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. – (FR) Vielen Dank, Herr Verheugen. Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, ist diese Aussprache geschlossen, und wir setzen die Aussprache zum Klonen von Menschen fort. Ich danke Kommissar Verheugen und freue mich über die Rückkehr von Kommissar Busquin.

 
  
  

VORSITZ: JAMES L. C. PROVAN
Vizepräsident

 

10. Klonen von Menschen (Fortsetzung)
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  Fiori (PPE-DE). - (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, jedem vom Glauben an den Menschen beseelten Wesen muss vom ersten Augenblick seiner Existenz an der bedingungslose, dem Menschen in seiner Gesamtheit moralisch gebührende Respekt garantiert werden.

Deshalb muss Experimenten, welche die Vernichtung menschlicher Embryonen beinhalten, eine klare und entschiedene Absage erteilt werden: Der Embryo ist bereits ein menschliches Wesen mit einer klaren Identität, und jeder Eingriff, der nicht zum Wohle des Embryos erfolgt, stellt eine Verletzung des Rechts auf Leben dar. Unser Parlament muss daher seine Auffassung bekräftigen, die es in den letzten Jahren schon mehrfach, u. a. im Mai dieses Jahres, geäußert hat. Es ist unmoralisch, menschliche Embryonen zu Forschungszwecken zu verwenden; ganz speziell zu jenen Zwecken, für die USA-Präsident Bill Clinton die Bereitstellung öffentlicher Mittel zugesichert hat und die von der britischen Regierung Tony Blairs gebilligt wurden.

Leider scheinen kommerzielle Interessen zu Forschungen anzuspornen, bei denen durch die Hintertür jedwede Erwägung hinsichtlich des Schutzes des menschlichen Lebens, das für uns mit der Empfängnis beginnt, außer Acht gelassen wird. Der menschliche Körper fällt nicht in die Domäne des Habens, sondern in die des Seins, der Existenz einer lebenden Person, weshalb er nicht auf einen Apparat, bestehend aus verschiedenen Teilen und einem Getriebe, aus Geweben und Funktionen, reduziert werden kann.

Was man hier in die Tat umsetzen will, ist quasi eine Vorstellung vom Raub des Lebens, was gegen die Ethik verstößt, gegen die Liebe zum Menschen, zu seinem Körper, auch in diesem ersten Stadium des Lebendig-Seins, des Auf-der-Welt-Seins, auf der menschlichen Welt, mit dem Körper, der er ist. Diejenigen, die den menschlichen Embryo nehmen und aushöhlen, indem sie ihm die Zellmasse entnehmen und Leben vernichten, befleißigen sich jedenfalls zu behaupten, darin befände sich kein Leben, denn wenn dem so wäre, würde es Liebe verdienen oder hätte in einer Welt ohne Liebe zumindest das Recht auf die Wahrung seiner menschlichen Würde, andernfalls würde die Welt nur aus Gewalt, Brutalität und Zynismus bestehen.

Sich gegen Forschungen, bei denen Embryonen vernichtet werden, zu wenden, ist nicht nur eine Frage der Religion, sondern auch eine Frage der Kultur: Es geht um das absolute Verbot, über einen anderen Menschen zu herrschen, das noch stark in unserer Kultur verwurzelt sein müsste. Man darf nicht zulassen, dass ein Mensch über einen anderen so viel Macht gewinnt.

Aber deshalb sind wir nicht gegen die Forschung, ganz im Gegenteil. Es sind alternative Forschungsmethoden möglich, wie beispielsweise die Entnahme von Stammzellen von Erwachsenen oder aus der Nabelschnur Neugeborener. Zudem werden bereits Forschungen an Erwachsenenzellen durchgeführt, die sehr viel versprechend sind. Viele Wissenschaftler bemühen sich um Alternativen zur Klonierung und sind im Begriff, wichtige nationale Forschungsgruppen auf diesem spezifischen Gebiet zu bilden.

Schließlich wird die Einsetzung eines nichtständigen Ausschusses vorgeschlagen, der sich mit diesen Fragen befassen soll. Wir sind an der genauen Untersuchung der neuen durch die Biowissenschaften aufgeworfenen Probleme interessiert, sofern Klarheit darüber besteht, dass die Positionen des Europäischen Parlaments nicht in Frage gestellt werden können. Auf sie muss sich der Ausschuss stützen, um uns dabei zu helfen, fundierte Empfehlungen zu geben.

 
  
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  Goebbels (PSE).(FR) Herr Präsident, in Artikel 1 des Entwurfs der Charta der Grundrechte heißt es, ich zitiere: „die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen“. In Artikel 3 heißt es, dass im Rahmen der Medizin und der Biologie folgende Grundsätze eingehalten werden müssten: das Verbot eugenischer Praktiken, besonders derjenigen, welche die Auswahl von Personen zum Ziel haben; das Verbot, den menschlichen Körper oder Teile davon zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen; das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.

Derart feierliche Erklärungen reichen nicht unbedingt aus. Der wissenschaftliche Fortschritt ist verblüffend. Die wissenschaftliche Forschung schreitet zuweilen mit einer für den normal Sterblichen und sogar für die politisch Verantwortlichen schwer nachvollziehbaren Geschwindigkeit voran. Dieses Entwicklungstempo der Techno-Wissenschaften, also der Vereinigung von Wissenschaft und Technologie, wirft folgenschwere ethische Fragen auf, die vor allem den neuen Umgang mit den Biomechanismen betreffen. In diesem Zusammenhang hat der Vorschlag der britischen Regierung, das Parlament von Westminster mit einer Gesetzgebung zu befassen, mittels derer bestimmte wissenschaftliche Forschungsvorhaben zum Klonen zu therapeutischen Zwecken, einschließlich am menschlichen Embryo, genehmigt werden, die unterschiedlichsten positiven und negativen Reaktionen und Kommentare hervorgerufen.

Einige Fraktionen dieses Parlaments schlagen die Verabschiedung einer so genannten Dringlichkeitsentschließung vor. Nach Auffassung der Sozialdemokraten sind derartige Fragen von zu grundlegender Bedeutung für die Zukunft der Medizin, der Biologie und der menschlichen Gesellschaft und erfordern daher von unserem Parlament umfangreichere Bemühungen, als eine hastig zusammengeschusterte Entschließung. Wir sind hier nicht in OK Coral. Es geht hier nicht darum, wer als Erster zieht.

Die Erörterungen des heutigen Vormittags über die Beobachtungsstelle für den industriellen Wandel haben gezeigt, dass dieses Parlament in der Lage ist, innerhalb weniger Minuten über die unterschiedlichsten Sachverhalte abzustimmen. Die Sozialdemokraten bedauern, dass die Abstimmung auf diese Weise erfolgen musste, die mehr an russisches Roulette als an fundierte parlamentarische Arbeit erinnert. Wir fordern bei einem so gravierenden Problem eine ausführliche Debatte über die Möglichkeiten der Genforschung und über die Grenzen, die in diesem Bereich nicht überschritten werden dürfen.

Mit all diesen Fragen sind mehrere ständige Ausschüsse unseres Parlaments befasst. Tatsächlich handelt es sich hierbei ganz klar um ein horizontales Problem, mit dem sich ein nichtständiger Sonderausschuss beschäftigen und zu diesem Zweck Experten anhören und kritische „Hearings“ veranstalten sollte, um in der Lage zu sein, eine objektive, von lähmenden Vorurteilen freie Debatte gründlich vorzubereiten.

Herr Präsident, abschließend möchte ich Sie und uns alle bitten, unsere Arbeit ernst zu nehmen. Wir sind bereit, unsere Entschließung zurückzuziehen, wenn die anderen Fraktionen dies ebenfalls tun, und gemeinsamen etwas Sinnvolles zu unternehmen.

 
  
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  Wallis (ELDR). – (EN) Ich begrüße die wohlüberlegte und ernsthafte Erklärung des Kommissars.

In dem von der ELDR vorgelegten Entschließungsantrag wird dieselbe Auffassung vertreten. Uns ist nicht an einer schnellen, unüberlegten Reaktion auf die Ereignisse in meinem Heimatland und die Ankündigung der britischen Regierung gelegen. Das ist ein ernstes Thema, das unsere Bürger mit großer Besorgnis verfolgen, aber wir sollten den gesamten Kontext der britischen Ankündigung und das Subsidiaritätsprinzip berücksichtigen, auf das der Kommissar verwiesen hat.

Bisher liegt nur ein Vorschlag vor, keine Entscheidung. Der Vorschlag basiert auf einem sehr sorgfältigen und wohldurchdachten Bericht der medizinischen Sachverständigengruppe zum Thema Klonen. Über dieses Thema wird schon seit zwei Jahren diskutiert, viel zu lange schon, meinen einige, wenn man an diejenigen denkt, die an Krebs, der Parkinsonschen Krankheit oder einem Organversagen leiden, und denen durch diese Forschung geholfen werden könnte. Von der Sachverständigengruppe wird lediglich die Ausweitung der britischen Rechtsvorschriften auf die Zwecke vorgeschlagen, zu denen Embryonen für Forschungszwecke herangezogen werden können.

Ich betone, dass es sich hier um eine Ausweitung der bestehenden Rechtsvorschriften und der Kontrollen in diesem überaus sensiblen Bereich handelt. Wir müssen respektieren, dass die Öffentlichkeit, und zwar auf beiden Seiten, sehr besorgt ist, und in unserem Entschließungsantrag versuchen wir, beiden Seiten gerecht zu werden. Die britische Regierung hat dies in ihrem Vorschlag ebenfalls berücksichtigt und wird deshalb eine Abstimmung ohne Fraktionszwang über dieses Thema noch im Laufe dieses Jahres durchführen. Ich bin der Auffassung, dass die britische Regierung, die zwar nicht von meiner Partei gestellt wird, sich maßvoll verhalten hat. Ich bitte das Parlament, sich in seiner Reaktion auf diese wichtige Angelegenheit ebenso maßvoll zu verhalten.

 
  
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  Lannoye (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident, erneut werden wir angesichts des Fortschritts der auf den Menschen angewendeten Biotechnologie mit einer ethischen Grundsatzdebatte konfrontiert. Dabei liegen zwei Ansichten im Widerstreit. Die einen lehnen die Instrumentalisierung des Menschen und ganz besonders des Embryos ab und warnen vor den möglichen Gefahren der generellen Freigabe bestimmter Verfahren wie des Klonens für die menschliche Gesellschaft. Die anderen sind der Auffassung, dass das Recht von an einer schweren und bis heute unheilbaren Krankheit leidenden Menschen, von den Möglichkeiten der medizinischen Forschung zu profitieren, Vorrang vor jeder anderen Erwägung, wie sie auch lauten möge, haben müsse.

Die britische Regierung scheint sich angesichts des Fehlens internationaler Absprachen, und dies möchte ich besonders betonen, für die zweite Haltung entschieden zu haben, indem sie sich für das Klonen zu therapeutischen Zwecken ausspricht. Dieser Entscheidung liegt die Annahme zugrunde, dass das Klonen zu therapeutischen Zwecken, also die Klonierung undifferenzierter Embryozellen, die aus für die Forschung und die Produktion zur Verfügung stehenden menschlichen Embryos stammen, ein vielversprechender Weg sei. Auch wenn diese Annahme begründet sein mag, verleiht diese Entscheidung dem menschlichen Embryo dennoch den Stellenwert eines Zelllagers für medizinische Zwecke und führt zunächst zu der Erzeugung von Embryonen zu Forschungs- und bald darauf mit Sicherheit auch zu Produktionszwecken.

Meiner Ansicht nach sollte man an diesem Punkt zwei Anmerkungen machen. Zunächst möchte ich an die im April 1997 in Oviedo verabschiedete Konvention des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin erinnern. Sicherlich hat sie den Nachteil, bezüglich einiger Punkte ungenau zu sein, doch in Artikel 18 heißt es ganz klar, dass menschliche Embryonen nicht für die Forschung verwendet werden dürften. Bis vor kurzem herrschte in Europa Einvernehmen über diesen Punkt. Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat diesen Konsens mit ihrer Stellungnahme gebrochen.

Zweite Anmerkung: zahlreiche Experten, und Forschungskommissar Busquin hat soeben darauf hingewiesen, sind der Ansicht, dass es andere Möglichkeiten gibt, um die legitimen Erwartungen von Menschen mit schweren genetisch bedingten Krankheiten zu erfüllen. Hierzu gehören vor allem Verfahren, bei denen die Verwendung von durch Klonen erzeugten Embryonen nicht erforderlich ist, weil dafür Zellen von Erwachsenen herangezogen werden. Warum sollten wir also angesichts dieser Möglichkeiten einen ethisch und sozial umstrittenen Vorstoß wagen?

Abschließend denke ich, dass das im Rahmen der Gentherapie gesammelte Wissen der Menschheit ausgesprochen hilfreich sein kann, es jedoch auch extreme Risiken und Gefahren birgt. Dementsprechend benötigen wir strenge Rechtsvorschriften und klare rechtliche Bezugspunkte. In dieser Hinsicht ist es dringend erforderlich, das Verbot des Klonens von Menschen beizubehalten, und ich spreche hier ganz klar von beibehalten und nicht davon, es zu erlassen. Es liegt in der Verantwortung unseres Parlaments, dies zu bekräftigen, und zwar nicht durch überstürztes Handeln, sondern unter Berücksichtigung früherer Stellungnahmen.

 
  
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  Thomas-Mauro (UEN).(FR) Herr Präsident, vor zweihundert Jahren schlug der Arzt und Philosoph der Aufklärung, Pierre Jean George Cabanis, vor, man sollte den Schritt wagen, das Werk der Natur zu revidieren und zu korrigieren, denn wenn man sich bereits so ausführlich mit den Möglichkeiten befasst habe, die Tierrassen zu verschönern und zu verbessern, sei es dann nicht eine Schande, dass man dabei völlig die Menschenrasse vergessen habe, als ob es wichtiger sei, große und starke Rinder zu haben, als kräftige und gesunde Menschen, duftende Pfirsiche zu züchten, als weise und gute Erdenbürger.

Heute befindet sich der Traum des Philosophen auf dem besten Wege dazu, Wirklichkeit zu werden. Und dieser Traum hat einen Namen: Eugenik. Dieser Traum ist ein Alptraum, der vielerlei Gesichter hat, wobei eines grässlicher ist als das andere, ob es sich dabei z. B. um die pränatale Diagnostik handelt, die bei der Vernichtung von Embryonen mit Trisomie 21 behilflich ist, damit man sich die Mühe ersparen kann, die Krankheit selbst auszurotten, um die Vermehrung überschüssiger Embryonen, die sich in Gefrierschränken stapeln, oder schließlich um das Klonen von Menschen.

Doch diese Embryonen sind menschliche Wesen, deren Leben heilig ist. Es handelt sich um Menschen. Ihre Würde zu wahren ist unsere Pflicht. Welchen Wert haben unsere großartigen Menschenrechtserklärungen, wenn wir die Würde des Menschen in der Verborgenheit unserer Labors mit Füßen treten. Ganz ohne Zweifel würde das Klonen von Menschen eine neuen Form der Sklaverei hervorbringen, wobei das Reagenzglas die Funktion der Ketten und die Labors die der Sklavenschiffe übernehmen.

Natürlich werden uns unsere guten Seelen vorwerfen, wir verwehrten der wissenschaftlichen Forschung die Mittel für weitere Fortschritte, und noch schlimmer, für die Heilung der Kranken. Doch ich akzeptiere diese Form des geistigen Terrorismus nicht. Zudem bin ich fast geneigt anzunehmen, dass die Forschung all diesen Leuten nur als Vorwand dient, um Zauberlehrling zu spielen. Als Ehefrau eines Arztes liegt mir der Fortgang der Forschung sehr am Herzen.

In diesem Zusammenhang wäre es zweifellos angebrachter, die Wissenschaftler dazu aufzufordern, ihre Forschungen bezüglich der Möglichkeit zu vertiefen, differenzierbare Stammzellen zu therapeutischen Zwecken vorzugsweise aus den Organen Erwachsener zu gewinnen. Gegenüber denen, die nur davon träumen, sich des Geheimnisses des Lebens zu bemächtigen, haben wir das Recht, die Würde eines jeden Menschen zu verteidigen, indem wir das Klonen von Menschen unmissverständlich untersagen.

 
  
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  Bonino (TDI). - (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach meinem Dafürhalten hat der Kollege Fiori die Dinge vorhin klargestellt: Er hat eindeutig bekräftigt, dass hier die religiösen - d. h. seine - Grundsätze und die kulturellen Grundsätze gleichgesetzt werden müssen.

Ich persönlich glaube allerdings, dass die Institutionen den Grundsatz der Weltlichkeit bekräftigen müssen; sie müssen klarstellen, dass das, was einigen moralisch verwerflich erscheinen mag, deshalb nicht unbedingt als rechtlich nicht machbar gelten muss. Es geht also um die Bekräftigung des Unterschieds zwischen den Rechtsnormen und den religiösen Grundsätzen. Wenn wir das versäumen, wird meines Erachtens ständig alles aus dem Ruder laufen.

Zurück zum eigentlichen Thema: Wir sind uns bewusst, dass die normale, althergebrachte Reaktion auf das Neue - auch wenn es im Hinblick auf die Heilung von Krankheiten vieler Millionen Menschen viel verspricht - stets das Verbot, der Kreuzzug, der Ruf „Nieder mit den Barbaren!“ ist, ohne sich zu fragen, ob dieses Verbot dann auch funktioniert bzw. funktionieren würde, oder ob wir in der Lage sind, es durchzusetzen und zu überwachen.

Das ist dieselbe Haltung, die schon seit geraumer Zeit gegenüber normalen gesellschaftlichen Erscheinungen eingenommen wird, sei es beispielsweise in Bezug auf die Schwangerschaftsunterbrechung, die Einwanderung oder sogar die Drogensucht. Man erlässt ein Verbot, und damit ist alles erledigt.

Ich glaube jedoch, dass die - vielleicht schwierigere, umfassendere - Verantwortung der Politik darin besteht, bestimmte Phänomene zu beherrschen, Grenzen zu setzen, das Far West zu verhindern. Eben das müssen die Institutionen tun, unabhängig von der religiösen Überzeugung eines jeden von uns, sofern wir eine solche besitzen. Speziell aus diesem Grund meinen wir Radikalen von der Bonino-Liste, dass wir den Kompromiss der ELDR-Fraktion unter einigen Vorbehalten unterstützen können. Wir wollen versuchen, die Kluft zwischen Wissenschaft und Politik, zwischen Kultur und Politik, zu verringern und das Neue auf weltliche Art, mit dem Pragmatismus der Erprobung sowie der anschließenden Annäherung, zu verwalten, ohne uns wie üblich gleich in Verbotskampagnen zu stürzen, von denen wir bereits wissen, dass sie zu nichts führen.

Gegenwärtig ist man dabei, genau wie im Falle der illegalen Abtreibung schlichtweg den medizinischen Tourismus von Millionen von Bürgern, die sich anderswo illegal behandeln lassen werden, wieder anzukurbeln. Ich stelle eine äußerst schwer wiegende Behauptung auf, die mich selbst mit Besorgnis erfüllt, aber bedenken Sie bitte: Der Weg der Verbote hat unter dem Gesichtspunkt der Wissenschaften und der gesellschaftlichen Erscheinungen noch nie etwas gebracht.

Unsere Verantwortung besteht darin, die Grenzen für spätere Annäherungen festzulegen bzw. das Risiko ihrer Festlegung einzugehen, ohne zu versuchen, unsere eigenen ethischen Grundsätze - sofern vorhanden - als Grundsätze der Kultur durchzusetzen. Die wahrhafte Kultur der Institutionen ist die der Weltlichkeit, des Experimentierens und des Meinungsaustauschs.

 
  
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  Wurtz (GUE/NGL).(FR) Herr Präsident, ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich vorhin nicht anwesend war, ich hatte den Sitzungsdienst von meiner vorübergehenden Verhinderung in Kenntnis gesetzt.

Meine Fraktion lehnt die Entscheidung der britischen Regierung über das Klonen menschlicher Zellen ab. In unseren Augen berücksichtigt diese weder die einschlägigen europäischen Rechtsvorschriften noch die Stellungnahme, die die Ethikkommission der Europäischen Union derzeit zu den Auswirkungen der Klonierungsforschung erarbeitet. Wir sprechen uns für ein generelles Verbot der Erforschung des Klonens von Menschen aus und widersetzen uns jeglicher kommerziellen Nutzung biotechnologischer Erfindungen, die das Klonen betreffen.

Nachdem über diese Grundprinzipien Einigkeit herrscht, steht die Debatte über die Haltung gegenüber der biotechnologischen Forschung erst an ihrem Anfang. Es geht darum, die ethischen Auswirkungen dieser Forschung in ihrer ganzen Tragweite zu ermessen, ohne dabei jedoch das Risiko einzugehen, Vorhaben zu behindern, die zu einer Verbesserung der menschlichen Gesundheit beitragen können.

Angesichts des äußerst sensiblen Charakters dieser gesellschaftlichen Problematik war meine Fraktion gegen die übereilte Aushandlung von Entschließungen. Vielmehr haben wir uns von Anfang an dafür ausgesprochen, einen nichtständigen Ausschuss zum Klonen und zur biotechnologischen Forschung einzusetzen, damit die erforderlichen Anhörungen vorgenommen werden können, um zum gegebenen Zeitpunkt eine sachkundige Stellungnahme abgeben zu können.

Aus diesem Grund hat meine Fraktion keine der uns heute vorliegenden Kompromissentschließungen unterzeichnet. Beim derzeitigen Stand der Dinge wird sich jeder von uns nach den von mir soeben genannten Grundsätzen seinem Gewissen entsprechend äußern.

 
  
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  Blokland (EDD).(NL) Herr Präsident! Im Januar 1998 haben wir eine Aussprache über das Protokoll des Europarats geführt, mit dem das Klonen von Menschen verboten wurde. Damals äußerte ich die Befürchtung, Länder wie das Vereinigte Königreich und die Niederlande, die es seinerzeit ablehnten, das Protokoll zu unterzeichnen, wollten sich eventuell nicht auf ein so absolutes Verbot festlegen.

Das liegt nun über zwei Jahre zurück. Mittlerweile ist die britische Regierung bereit, das therapeutische Klonen von Embryonen für Forschungszwecke zuzulassen. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass ständig ein Schritt weitergegangen wird. Zuerst war es nicht erlaubt, jetzt darf zu therapeutischen, nicht aber zu Fortpflanzungszwecken geklont werden. Als würde damit alles erklärt und gerechtfertigt. Worin besteht überhaupt der große Unterschied zwischen therapeutischem und reproduktivem Klonen menschlicher Embryonen? Und was soll geschehen, wenn demnächst darauf gedrungen wird, die Forschungsergebnisse für pharmazeutische Zwecke anzuwenden? Oder für reproduktives Klonen?

Ich sehe in jedem neuen menschlichen Leben ein Geschenk Gottes. Jede Form menschlichen Lebens muss achtungsvoll behandelt werden. Das ist auch die einzige Möglichkeit, die Menschenwürde zu schützen. Deshalb widerstrebt es mir, wenn menschliche Embryonen als Gebrauchsartikel verwendet werden und dies mit dem Argument gerechtfertigt wird, es gehe sozusagen um Forschung, zumal auch andere Möglichkeiten bestehen, Stammzellen zu klonen. Weshalb entscheidet man sich dann trotz aller weltweit bestehenden ethischen Bedenken dennoch dafür?

Ich richte an die britische Regierung den nachdrücklichen Appell, ihre folgenschwere Entscheidung zu überdenken, und fordere das britische Parlament auf, diesen Vorschlag nicht zu unterstützen.

 
  
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  Paisley (NI). – (EN) Herr Präsident, der Mensch will Gott spielen. Er gibt sich nicht damit zufrieden, nur ein Geschöpf zu sein. Er will der Schöpfer sein. In der heutigen Debatte geht es um den Streit zwischen der Schöpfung und den von Menschen gemachten Entdeckungen. Heute gibt es Wissenschaftler, die sind so arrogant, dass sie sich ihre Entdeckungen bereits patentieren lassen, so, als ob sie gerade auf ihre eigene Schöpfung gestoßen wären. Dr. William Hesseltine, der Direktor von Human Gene Sciences Inc., hat bereits 100 menschliche Gene patentieren lassen und seine Firma hat 8 000 Patentanmeldungen eingereicht. Es wird behauptet, das Klonen von Menschen geschehe im Interesse des Gesundheitsschutzes. Ich behaupte hier und heute, dass es beim Klonen von Menschen um die Bereicherung bestimmter Wissenschaftler und deren Unternehmen geht. Einige Wissenschaftler haben den faschistischen Wahnsinn von Hitler vom Schlachtfeld geholt und sind dabei, ihn im Labor auf den Prüfstand zu stellen. Das Parlament muss diesen Versuch zurückweisen, und als Mitglied des britischen Parlaments werde ich in meinem eigenen Parlament diesen Vorschlag ablehnen.

 
  
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  Liese (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als EVP-Fraktion sind erschüttert über die Pläne der britischen Regierung zum Klonen von menschlichen Embryonen. Bisher waren sich alle Verantwortlichen in der Europäischen Union einig, dass das Klonen von menschlichen Wesen in keinem Fall akzeptiert werden darf.

Der Rat, einschließlich der britischen Regierung, hat beim fünften Forschungsrahmenprogramm einstimmig einer Formulierung zugestimmt, die das Klonen, auch das so genannte therapeutische Klonen, ausschließt. Bei der Richtlinie über die Patentierung biotechnologischer Erfindungen haben Parlament und Rat einem Text zugestimmt, der einen umfassenden Ausschluss des Klonens von menschlichen Wesen vorsieht, da diese Technik gegen die guten Sitten und die öffentliche Ordnung verstößt.

Sehr geehrter Herr Kommissar! In einigen Veröffentlichungen in der Presse der vergangenen Tage und auch in Ihrer Rede gab es einige Unklarheiten bezüglich des fünften Forschungsrahmenprogramms und vor allem bezüglich der Patentrichtlinie. Es wurde der Eindruck erweckt, als sei nur das reproduktive Klonen ausgeschlossen. Dies ist falsch! Ich habe an beiden Texten sorgfältig mitgearbeitet, und beide Richtlinien schließen sowohl therapeutisches als auch reproduktives Klonen aus.

Schauen Sie sich die Dokumente ganz genau an, Herr Kommissar, und stellen Sie dies klar, sonst bekommen Sie Ärger mit dem Europäischen Parlament. Und ich glaube nicht, dass Sie das möchten. Jetzt wird diese allgemeine Übereinstimmung zwischen den Staaten der Europäischen Union und den Institutionen durch die Regierung eines Mitgliedstaats aufgekündigt.

Wir als Parlament müssen diesem Tabubruch widerstehen. Aber es ist auch wichtig, dass wir nicht nur unsere Meinung zum Ausdruck bringen, sondern dass unsere Meinungsäußerung auch Folgen hat. Deswegen haben wir als EVP-Fraktion beantragt, dass in die Charta der Grundrechte ein strenges Verbot des Klonens von Menschen in allen Stadien ihrer Entwicklung aufgenommen wird.

Schließlich fordere ich die Kommission auf, dass die Forderung aus dem fünften Forschungrahmenprogramm, alle Formen des Klonens von Menschen nicht zu unterstützen, streng umgesetzt wird. Das bedeutet auch, die Quersubventionen innerhalb von Forschungsinstitutionen in Großbritannien zu vermeiden. Der sicherste Weg, dies zu erreichen, ist, dafür zu sorgen, dass die Institutionen, die am Menschen klonen, überhaupt nicht mehr von der Europäischen Union gefördert werden.

(Beifall)

 
  
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  Gebhardt (PSE). - Herr Präsident! Man sollte dem Kommissar zuhören! Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es besteht überhaupt kein Zweifel, dass die Bio- und Gentechnologie heute eine bedeutende Rolle spielt. Sie wird in der Forschung und mit all ihren Anwendungen weiter an Bedeutung gewinnen. Auch daran zweifelt niemand. Ist aber auch der Umgang mit diesem schwierigen Feld voller Hoffnungen und Ängste über jeden Zweifel erhaben? Ich fürchte nein.

Den besten Beweis für dieses Nein liefern wir mit der heutigen Debatte. Wir reagieren mit einem parlamentarischen Schnellschuss auf ein Gesetzesvorhaben in einem Mitgliedsland der Europäischen Union, das vor wenigen Tagen die Öffentlichkeit in Alarmstimmung versetzt hat. Und wie sieht diese Reaktion aus? Ein einziger Blick in die vorliegenden Entschließungsentwürfe zeigt, dass dem Europäischen Parlament in der Eile nicht viel mehr bleibt, als seine bereits mehrfach ausgedrückte Haltung zu kritischen Bereichen der Forschung und der Anwendung der Bio- und Gentechnologie zu wiederholen. Das ist zwar richtig, aber nicht genug!

Wir müssen die Bio- und Gentechnik, vor allem aber die Bioethik, zu einem zentralen Thema des Europäischen Parlaments machen. Mit dieser Forderung stehe ich nicht alleine. Meine Fraktion steht hinter mir. Die Bürgerinnen und Bürger verlangen in diesem Bereich mehr vorausschauendes Engagement von uns. Wir dürfen den Ereignissen nicht länger hinterherhinken. Wir dürfen nicht länger mit heraushängender Zunge bereits fortgeschrittene Entwicklungen kommentieren. Das Europäische Parlament muss Wege weisen, damit sich die Bio- und Gentechnik zum Segen der Menschheit entwickelt und sich nicht durch Überschreitung ethischer Grenzen gegen sie wendet.

Deshalb sollten wir mit großer Mehrheit den vorgeschlagenen Ausschuss beschließen, der das Fundament für eine vorausschauende Gesetzgebung liefert. Wir müssen uns bewusst sein, dass mit der Biotechnologie die vermutlich größte Revolution der Medizin und der Technik verbunden ist. Diese Revolution darf nicht von einer sorglosen Gesetzgebung begleitet sein. Wir müssen den Rat der besten Experten einholen und für eine kohärente Gesetzgebung in den Staaten der Europäischen Union sorgen. Insbesondere die Fragen der Ethik und des Schutzes der Menschenwürde sind so wichtig, dass wir sie nicht einer zersplitterten, möglicherweise sogar widersprüchlichen einzelstaatlichen Gesetzgebung ausliefern dürfen.

Wir müssen dringend alle Fragen der Ethik in der Medizin, in der Technik und in den Wissenschaften aufarbeiten. Deshalb muss der notwendige Ausschuss des Europäischen Parlaments seine Arbeit so schnell wie möglich aufnehmen. Unsere Abstimmung wird den Startschuss dazu geben.

 
  
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  Plooij-Van Gorsel (ELDR).(NL) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Biotechnologie ist derzeit eine der verheißungsvollsten Technologien, die in der Medizin zu einem Durchbruch führen können. Werden die Klonungsverfahren in Europa nicht weiterentwickelt, so bewirkt das lediglich, dass die Forschung anderswo, beispielsweise in den USA oder schlimmstenfalls in Ländern mit weniger hohen ethischen Normen als in der Europäischen Union fortgesetzt wird. Damit geht ein Abzug von Spezialisten, Forschungstätigkeiten und Arbeitsplätzen ins Ausland einher. Darüber hinaus werden die Produkte jedoch in der Europäischen Union vermarktet.

Worum geht es nun eigentlich? Wer sind wir denn, dass wir Menschen das Recht auf Gesundheit absprechen? Ist es nicht kinderleicht, eine äußerst viel versprechende potentielle Technologie aus ethischen Gründen zu verbieten? Hat nicht jeder Mensch Anspruch auf Gesundheit und Wohlergehen? Wer wagt es, daran ein sittliches Gebot zu knüpfen? Ich kann Ihnen mitteilen, dass ich zusammen mit der Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei Europas den vorliegenden Entschließungsantrag uneingeschränkt unterstütze.

 
  
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  Breyer (Verts/ALE). - Herr Präsident! Wir haben die schreckliche Situation, dass in einem Mitgliedstaat der EU therapeutisches Klonen erlaubt wird, was wir immer kritisiert haben. Dazu erwarten die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union eine Position des Europäischen Parlaments. Wenn man das versteckt, indem man sagt, wir geben euch nur eine Beruhigungspille, wir richten einen Endlos-Debattierclub, einen nichtständigen Ausschuss ein, finde ich das unverantwortlich. Zu dieser Entscheidung, die in den nächsten Monaten - ja sogar in den nächsten Wochen - getroffen wird, müssen wir heute und jetzt Position beziehen, und dann selbstverständlich auch zu den Themen, die in der Zukunft anstehen. Aber bitte lassen Sie uns dies nicht verbrämen, indem man keine Stellungnahme bezieht, indem man versucht, das in Ausschüssen zu verstecken und somit die Bevölkerung zu beruhigen.

Ich glaube, es ist so wichtig, was jetzt passiert. Wer therapeutisches Klonen akzeptiert, der öffnet die Büchse der Pandora; damit rückt auch der Alptraum des geklonten Menschen näher, des Menschen nach Maß. Die willkürliche Unterscheidung zwischen reproduktivem und nicht reproduktivem Klonen ist ein semantischer Trick. Genauso problematisch ist die Bezeichnung therapeutisches Klonen, denn von einer Therapie kann nicht die Rede sein. Klonen, auch therapeutisches Klonen, öffnet die Tür dazu, den Menschen nur noch als biologisches Material zu sehen.

Es ist unverantwortlich, vorsätzlich - ich betone vorsätzlich - Leben zu erzeugen, um es als Forschungsmaterial zu nutzen. Dies widerspricht den Menschenrechten. Dies ist auch eine Spaltung der Menschenwürde, wenn wir gezielt Embryonen als Ersatzteillager herstellen. Von daher muss das Parlament seine Handlungsmöglichkeit nutzen.

Herr Forschungskommissar, ich erwarte mir heute auch von Ihnen eine eindeutige Aussage darüber, wie Sie vorzugehen gedenken, wenn ein Mitgliedstaat die Beschlüsse des Parlaments und des Rates missachtet. Wir brauchen ein klares Signal, und ich glaube, es wäre ein politisches Armutszeugnis, wenn wir aus Treue zu Blair sämtliche ethischen Bedenken über Bord werfen.

 
  
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  Grossetête (PPE-DE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Es versteht sich von selbst, dass das Klonen von Menschen, das ausschließlich der Herstellung eines einem anderen Lebewesen gleichenden Geschöpfes dient und zum alleinigen Ziel hat, dieses zu verbessern, ganz klar verboten werden muss. Dies ist immer der Standpunkt unseres Parlaments gewesen, und meiner Ansicht nach ist es richtig, diesen zu bekräftigen. Heute jedoch geht es um die Nutzung des Klonens zu therapeutischen Zwecken, und das zieht zahlreiche Konsequenzen nach sich.

Diese Konsequenzen sind medizinischer Natur. Man muss einen klaren Unterschied zwischen dem Klonen zu therapeutischen und dem Klonen zu reproduktiven Zwecken machen. Die Zelltherapie ist heute eine Quelle der Hoffung für zahlreiche Patienten, die an genetischen oder auch degenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder Krebs leiden.

Die Konsequenzen sind auch ethischer und philosophischer Natur. Welchen Stellenwert hat ein Embryo? Eine Antwort auf diese Frage können die zahlreichen Aussprachen liefern, die wir über die Abtreibung oder die In­vitro­Befruchtung geführt haben. Welchen Stellenwert haben überschüssige Embryonen, die durch eine Befruchtung im Reagenzglas entstanden sind und vernichtet werden sollen? Könnten sie nicht auch Leben schenken?

Weiterhin sind die Konsequenzen wirtschaftlicher und sozialer Art. Es handelt sich um eine gesellschaftliche Debatte. Welchen Standpunkt vertreten die US-Amerikaner oder die Japaner in diesem Zusammenhang? Europa muss diese Frage aus einem internationalen Blickwinkel betrachten und das Forschungspotential des Klonens zu therapeutischen Zwecken berücksichtigen.

Wir müssen eine Grundsatzdebatte einleiten. Sie haben diese gefordert, und wir sind damit einverstanden. Es wäre vielleicht angebracht, zunächst die Verbote zu definieren, die man sich auferlegt, und klar abzustecken, welche Praktiken annehmbar sind. Wir können nicht auf Sicherheitsvorkehrungen verzichten. Diese Fragen rufen in den einzelnen Ländern aufgrund der kulturellen Unterschiede verschiedenartige Reaktionen hervor.

Daher kann das Handeln der Europäischen Union in diesem Bereich nur auf Grundprinzipien beruhen. Diese Grundsätze gibt es bereits. Es handelt sich um die Achtung des Menschen, des Lebens und der Freiheit, aber auch um den Fortschritt, der allen Menschen zugute kommt.

(Beifall)

 
  
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  Muscardini (UEN). - (IT) Herr Präsident, das Klonen und die Patentierbarkeit aller den Menschen betreffenden Bereiche sind verboten und müssen es auch bleiben. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Klonen zu therapeutischen und dem zu Reproduktionszwecken; der Zweck heiligt keineswegs die Mittel, wenn die menschliche Würde, die zu allererst gewahrt werden muss, auf dem Spiel steht.

Die Verwendung menschlicher Embryonen zur Herstellung von Organen kann daher durch nichts gerechtfertigt werden. Mit deren Verwendung wird nämlich ein potentielles menschliches Wesen ausgelöscht, was augenscheinlich dem Wert, der dem erklärten Ziel der Rettung menschlichen Lebens beigemessen wird, widerspricht. Selbstredend wäre es eine ganz andere Frage, wenn es nur um die Verwendung von Stammzellen und nicht von Embryonen ginge.

Der Versuch, in die Natur, in die Grundregeln des Ursprungs menschlichen Lebens einzugreifen, verstößt gegen die Ethik. Hier müssen wir einhalten und darüber nachdenken, welche Konsequenzen es haben kann, wenn das natürliche System aus den Angeln gehoben wird. Das Vorsorgeprinzip muss auch beim etwaigen therapeutischen Klonen herangezogen und angewandt werden. Nicht zufällig werden nämlich im für den Zeitraum 1998-2002 geltenden Fünften Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung die Förderung von Projekten auf dem Gebiet des Klonens von Embryonen zu Reproduktionszwecken ausgeschlossen und auch keine Finanzierung von Forschungsarbeiten im Bereich des therapeutischen Klonens vorgesehen.

Bei Wahrung der unterschiedlichen Auffassungen zu diesem Thema halten wir es für unerlässlich, ethische Normen festzulegen, die auf der Achtung der menschlichen Würde im Bereich der Biotechnologien basieren.

Wir fordern die europäische Beratergruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der neuen Technologien auf, die Gefahren in Betracht zu ziehen, die mit der Überschreitung gewisser Grenzen, jenseits derer alles den Anschein des Erlaubten erwecken kann, wenn die menschliche Würde nicht gewahrt wird, verbunden sind. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Europäer, wie Kommissionspräsident Prodi meint, um gemeinsame Werte zusammenfinden.

Hierzu muss die Kommission eine offene Debatte voranbringen, mit dem Ziel, das richtige Gleichgewicht zu finden zwischen ethischer Strenge, beruhend auf der Ablehnung der Ausbeutung des menschlichen Körpers zu kommerziellen Zwecken, und der Pflicht, therapeutischen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Wir fordern den Rat auf, die Initiative für eine internationale Konvention zur Verwendung lebender Materie zu ergreifen, um zu verhindern, dass menschliche Embryonen vermarktet und für widernatürliche Zwecke genutzt werden. Es geht darum, keine neue menschliche Spezies zu schaffen, wie es offenbar auch aufgrund von Natur- und Umweltkatastrophen geschieht.

 
  
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  Linkohr (PSE). - Herr Präsident! Schade, dass von den britischen Kollegen, die die Haltung der Regierung unterstützen, niemand das Wort ergriffen hat. Es wäre interessant gewesen, auch deren Argumente zu hören, denn ich kann mir schon denken, dass sie sich auch etwas dabei gedacht haben. In Großbritannien ist ja seit 1990 Embryonenforschung bis zum 14. Tag erlaubt. Ich glaube, es ist eine logische Folge, wenn jetzt diesem Schritt der nächste folgte.

Warum verhält sich Großbritannien anders als der Kontinent? Das ist doch eine interessante Frage. Der Unterschied besteht offensichtlich unabhängig von den Regierungen. Es war vorher eine konservative und jetzt ist es eine Labour-Regierung, und es hat sich nichts geändert. Warum ist die öffentliche Meinung in Großbritannien anders als auf der anderen Seite des Kanals? Das wäre zum Beispiel eine Frage, die zu diskutieren in dieser Runde durchaus angebracht wäre, denn wir haben das Privileg, Volksvertreterinnen und Vertreter aus der gesamten Europäischen Union zu haben. Das war meine erste Bemerkung.

Die zweite Bemerkung ist, dass mir sehr gut gefallen hat, was Frau Bonino gesagt hat. Das geht mir sehr nahe. Ich würde auch befürworten, dass wir uns bei unseren Prinzipien von der Laizität leiten lassen. Der Staat ist nicht religiös. Der Staat hat die Religion zu respektieren. Auch ich respektiere, dass jemand katholisch, evangelisch, jüdisch oder was auch immer ist. Aber ich verlange auch, dass meine Meinung respektiert wird. Das kann man aber nur im Rahmen der Laizität. Dieser Anspruch auf Unfehlbarkeit hat Europa schon wahnsinnig viel geschadet. Wir sollten versuchen, davon abzukommen. Niemand hat ein Privileg auf Ethik. Auch die, die eine andere Meinung haben, sind ethisch.

Wir haben im übrigen immer wieder erlebt, wie Verbote durch die Praxis aufgeweicht wurden. Dafür kann jeder Beispiele nennen. Deswegen bin ich der festen Überzeugung - was immer wir auch hier entscheiden -, dass sich in einer weltoffenen Gesellschaft bei der Forschung, die unter verschiedenen Gesichtspunkten betrieben wird, das Wissen seinen eigenen Weg suchen wird. Wir werden am Schluss nicht umhin kommen, mit diesem Wissen in der Weise verantwortlich umzugehen, dass wir versuchen, es einzugrenzen. Ein Verbot jeglicher Forschung, Francis Wurtz, kann man fordern. Aber es ist außerordentlich naiv zu glauben, dass dieses Verbot eingehalten wird. Am Schluss werden wir nicht umhin kommen, Grenzen aufzuzeigen.

In diesem Fall geht es mir ähnlich wie vielen anderen. Mir sträubt sich auch alles bei dem Gedanken, dass an Embryonen rumgepfuscht, rumgeforscht usw. wird. Es gibt durchaus Grenzen. Aber die praktische Erfahrung zeigt mir, dass man am Schluss vielleicht nicht viel mehr tun können wird, als dies alles schlicht einzugrenzen. Wir haben keinen Handlungsbedarf im Moment. Wir haben Zeit. Wir sollten uns sehr genau überlegen, wie wir uns in dieser Angelegenheit verhalten. Wir haben dazu Ausschüsse, und manchmal ist es auch nützlich, ein gutes Buch zu lesen.

 
  
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  Ahern (Verts/ALE). – (EN) Ein wichtiger gemeinsamer Wert in Europa, dem wir uns ungeachtet unserer weltlichen oder religiösen Anschauungen alle verbunden fühlen, ist, dass Experimente an Menschen nur ausschließlich zu deren eigenem und direktem Nutzen durchgeführt werden dürfen. Wenn wir von diesem Prinzip abweichen, schaden wir uns selbst, und in dieser Angelegenheit sind wir bereits klar von diesem Prinzip abgerückt. In keinem Stadium der Entwicklung dürfen Experimente an Menschen durchgeführt werden, und wir müssen die Massenproduktion von Embryonen zu Forschungszwecken mit allem Nachdruck verhindern. Die nächste Stufe wird die kommerzielle Nutzung sein, die nach unserer eigenen Richtlinie über die Patentierung biotechnischer Erfindungen zulässig ist.

Von Seiten der britischen Behörden wird argumentiert, das menschliche Klonen sei trotz ethischer Bedenken erforderlich, da dies der einzige Weg sei, um Patienten mit den unterschiedlichsten Erkrankungen zu helfen. Viele Wissenschaftler bezweifeln diese Behauptung und empfehlen die intensivere Forschung an erwachsenen Stammzellen, mit denen sich dieselben Ergebnisse bei der Heilung von Krankheiten erzielen ließen. Können wir uns nicht einigen und einen Weg finden, Stammzellen ohne direkte Experimente an Menschen zu erforschen? Ich hoffe, das Haus stimmt mir darin zu, dass dieser Wert zu den Grundwerten des europäischen Aufbauwerks gehört.

 
  
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  Purvis (PPE-DE).(EN) Dies ist ein sehr emotionales Thema, und zur Emotionalisierung trägt auch der Titel der Debatte „Klonen von Menschen“ bei. „Forschung an Stammzellen“ wäre ein neutralerer Titel. Mit meiner Wortmeldung möchte ich aber vor allem um Reflektion in aller Ruhe und um Berücksichtigung sämtlicher Fakten und Auswirkungen bitten, die dies für die Menschheit, für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden, für die Zukunft der Wissenschaft und der Gesundheitsindustrie in Europa und nicht zuletzt für unser geistiges Wohlbefinden hat.

Lassen Sie uns einige Fakten klären. Tatsache ist, dass das reproduktive Klonen von Menschen im Vereinigten Königreich verboten ist. Es besteht nicht die Absicht, dies zu ändern, und in der britischen Fachbranche besteht weder jetzt noch zukünftig die Absicht, mit dem reproduktiven Klonen von Menschen zu beginnen. Die Nutzung von Embryonenstammzellen zu Forschungszwecken ist eine kurzfristige Reaktion auf einen wissenschaftlichen Bedarf, der darin besteht, Wege zur Neuprogrammierung adulter Zellen zu finden.

Tatsache ist, dass die Forschung an Stammzellen strikten gesetzlichen Vorschriften unterliegt, deren Einhaltung von der angesehenen und strengen Human Fertilisation and Embryology Authority überwacht wird. Es wäre sicher sinnvoll, wenn auch in anderen Mitgliedstaaten eine ähnliche Einrichtung geschaffen würde.

Tatsache ist, dass unlängst interessante Fortschritte in der Forschung an adulten Stammzellen erzielt worden sind, dass im Vergleich zu den embryonalen Stammzellen mit ihren einzigartigen Merkmalen jedoch noch immer erhebliche Nachteile bestehen. Das Ziel der Forschung an embryonalen Stammzellen besteht nun darin, Möglichkeiten zu finden, wie adulte Stammzellen ohne diese Nachteile genutzt werden können.

Damit kommen wir nun zum grundsätzlichen Dilemma. Ist ein Embryo bis zum Alter von 14 Tagen ein menschliches Wesen mit den vollen Rechten einer lebenden Person oder mit den Rechten eines Fötus? Ob zu Recht oder zu Unrecht sei dahingestellt, Tatsache ist jedoch, dass diese Art der Forschung im Vereinigten Königreich und in den USA seit zehn Jahren erlaubt ist und viele positive Ergebnisse erbracht hat. Nach monatelangen und weltweiten Konsultationen wird nun im Donaldson-Bericht die Ausweitung dieser Forschungen zu therapeutischen Zwecken empfohlen.

Die Entscheidung liegt nun bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie müssen Ihre Entscheidung Ihrem Gewissen und Ihrem Glauben gegenüber verantworten können, aber Sie müssen dabei auch an die zukünftigen Möglichkeiten und das Wohl Ihrer Mitmenschen denken. Sich um das Wohlergehen seines Nächsten zu kümmern, der an Alzheimer, an der Parkinsonschen Krankheit oder an Diabetes leiden könnte, gehört auch zu den christlichen Pflichten.

 
  
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  Hermange (PPE-DE).(FR) Herr Präsident, das durch die britische Entscheidung ausgelöste Thema ist ernst und äußerst kompliziert. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Gesetzesvorschriften in diesem Bereich stark voneinander abweichen. Dies ebnet den Weg für unkontrollierte Praktiken, angesichts derer wir uns, wie auch Françoise Grossetête soeben gesagt hat, fragen können, welche Bedeutung einige Länder der Verwirklichung des Grundsatzes der Achtung des menschlichen Lebens vom embryonalen Stadium an beimessen, der auf Artikel 18 der europäischen Menschenrechtskonvention beruht, in dem die Herstellung von Embryonen zur humanen Verwendung untersagt wird.

Die Verschiedenartigkeit der Instrumentarien zeigt, wie komplex die Debatte ist, und wirft einige ineinander greifende Fragen auf. Was bedeutet die Achtung des Lebens? Was ist ein Präembryo im Vergleich zum Embryo? Können Forschungen am Embryo zu therapeutischen Zwecken genehmigt werden? Woher kommen die Stammzellen? Müssen Embryos geklont werden? Stammen die Stammzellen nicht sowohl aus erwachsenem als auch aus fötalem Gewebe? Kann man die Herstellung von Embryonen für Vorhaben genehmigen, die nicht dem Leben dienen? Hat man angesichts von schweren und bis zum heutigen Tage unheilbaren Krankheiten das Recht, Forschungsvorhaben zu verhindern, die uns als vielversprechend angepriesen werden?

Das sind schwere Fragen, bei denen es um den Sinn des Lebens geht. Daher bedarf es eines Dialogs, der zunächst innerhalb unserer europäischen Institutionen erfolgen muss, und ich bedaure, Herr Kommissar, dass Präsident Prodi seine Überlegungen am Montag zuerst der Presse kundtat, bevor er sie dem Europäischen Parlament vortrug. Ich stelle fest, dass seine Worte sehr zurückhaltend und wohl abgewogen waren.

Zweitens bin ich der Ansicht, dass unser Parlament für diese Debatte eine parlamentarischen Ad­hoc­Ausschuss einrichten sollte, der rasch die Initiative zur Anhörung europäischer und überseeischer Experten aller Fachrichtungen ergreifen könnte. Jedoch muss diese Debatte auch in der Öffentlichkeit stattfinden. Deswegen empfehle ich, ein europäisches Bioethik-Forum zu veranstalten und in einer Zeit, da wir unnötigerweise alle möglichen Beobachtungsstellen ins Leben rufen, endlich die Regelungen für die Tätigkeit in diesem Bereich zu schaffen. Ich schlage die Einrichtung einer europäischen Agentur für Fortpflanzungsmedizin und Biotechnologie vor.

 
  
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  Busquin, Kommission. – (FR) Herr Präsident, ich erlaube mir zu antworten, da Herr Liese im Verlauf der Aussprache eine konkrete Frage gestellt hat. Es ging um das Fünfte Rahmenprogramm. Dabei ist es ganz klar, wie Herr Liese sicher weiß, da dies Gegenstand eines Mitentscheidungsverfahrens ist, dass im Fünften Forschungsrahmenprogramm eindeutig gesagt wird, dass Forschungen über Klonverfahren zu reproduktiven und therapeutischen Zwecken ausgeschlossen sind.

Daher ist es im Zusammenhang mit dem Rahmenprogramm ganz klar, dass dies zurzeit völlig ausgeschlossen ist. Ich wollte auf diesen Punkt nur noch einmal hinweisen, Herr Liese, weil Sie die Frage gestellt haben.

Was dagegen die Debatte betrifft, möchte sich die Kommission, wie ich es bereits in meiner einleitenden Erklärung gesagt habe, an einer Debatte mit dem Parlament zu diesen Fragen beteiligen, die, wie wir gesehen haben, sehr komplex und ausgesprochen interessant sind.

 
  
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  Der Präsident. – Ich habe acht Entschließungsanträge gemäß Artikel 37 Absatz 2(1) der Geschäftsordnung erhalten.

Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 
  
  

VORSITZ: ALONSO JOSÉ PUERTA
Vizepräsident

 
  

(1) Siehe Protokoll.


11. Fragestunde (Kommission)
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  Der Präsident. Nach der Tagesordnung folgt die Fragestunde (B5-0535/2000). Wir behandeln die Anfragen an die Kommission.
Teil I

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 41 von Ilka Schröder (H-0613/00):

Betrifft: Kooperation mit Drogenberatungsnetzwerken

Bereits seit 1998 hat sich die Kooperation zwischen der Kommission und den von Ihnen geförderten Netzwerken deutlich verschlechtert: Verträge zwischen den Netzwerken und der Kommission werden häufig erst fertiggestellt, wenn die geförderten Projekte bereits seit Monaten laufen. Dennoch besteht die Kommission darauf, dass die Projekte auch dann begonnen werden, wenn nur ein vorläufiger schriftlicher Bescheid vorliegt. Abschlagszahlungen durch die Kommission verzögern sich zum Teil um Jahre. Alle Netzwerke sind von dem immer umfangreicheren Verwaltungsaufwand und vor allem den fehlenden Rückzahlungen seitens der Kommission betroffen und in ihrer Arbeit massiv eingeschränkt. Einige Vereine mussten sogar aufgrund von Zahlungsverzögerungen durch die Kommission geschlossen werden.

Warum ist es der Kommission in den letzten Jahren nicht gelungen, den geförderten Netzwerken Verträge und Abschlagszahlungen rasch und wirklich projektbegleitend zukommen zu lassen?

 
  
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  Byrne, Kommission. – (EN) Die Kommission teilt die Besorgnis der Damen und Herren Abgeordneten über die Probleme, die im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen und der Auszahlung von Mitteln an die durch das Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Prävention der Drogenabhängigkeit geförderten Drogenberatungsnetzwerke aufgetreten sind.

Diese Probleme haben verschiedene Ursachen. Offensichtlich ist, dass in Luxemburg in der Direktion Volksgesundheit, die für diesen Bereich zuständig ist, ein Personalproblem besteht. Kurz gesagt, reicht das vorhandene Personal nicht aus, um die komplizierten Verfahren zu bearbeiten, und außerdem werden von unerfahrenen Begünstigten oft zu viele kleine Projekte vorgeschlagen. Diese Situation verschärfte sich im Sommer des letzten Jahres noch, als vor dem Hintergrund des Berichts, der vom Ausschuss Unabhängiger Experten vorgelegt wurde, der Vertrag mit dem Büro für technische Hilfe aufgelöst wurde, das die Durchführung dieses Programms unterstützte.

Zweitens werden im Rahmen des Programms zur Bekämpfung des Drogenmissbrauchs viele kleine Projekte durchgeführt, und dies bedeutet eine zusätzliche Belastung für die wenigen Mitarbeiter, die uns zur Verfügung stehen. In den letzten fünf Jahren stellte die Kommission im Rahmen der Kofinanzierung durchschnittlich 180 000 Euro für jedes Projekt zur Verfügung.

Drittens zeigt die Erfahrung, dass die am Netzwerk Beteiligten nicht ausreichend über die Vertrags- und Auszahlungsverfahren der Kommission informiert waren. In vielen Fällen musste die Kommission daher mehrmals fehlende Unterlagen von den Drogenberatungsnetzwerken anfordern, um die Verträge fertig stellen und die Zahlungen anweisen zu können.

Viertens sind angesichts der Erfahrungen mit Subventionen aus dem Gemeinschaftshaushalt und der Kritik des Rechnungshofs die Unterlagen über die durch die Ausführung der Verträge entstehenden Kosten möglicherweise noch konsequenter eingefordert worden, was zusätzlich zu einer Verzögerung der Zahlungen geführt hat.

Zur Lösung dieser Probleme habe ich eine Reihe von Maßnahmen veranlasst. Im Vorschlag der Kommission für einen neuen Aktionsrahmen und eine neue Strategie im Bereich der Volksgesundheit wird unterstrichen, wie wichtig eine klarere Zielsetzung, ein effizienteres Management und eine stärkere Berücksichtigung der Kernprioritäten sind. Daher sollen zukünftig weniger, aber größere Projekte kofinanziert werden, was zu einem rationelleren Einsatz der personellen Ressourcen führt, die zur Durchführung des Programms erforderlich sind. Wie von der Haushaltsbehörde immer wieder betont wird, müssen wir zukünftig die zur Verfügung stehenden Mittel und die Prioritäten realistischer aufeinander abstimmen.

Wie Sie wissen, soll nach der kürzlich durchgeführten Überprüfung des Personalbedarfs der Kommission bei der Haushaltsbehörde die Schaffung zusätzlicher Stellen beantragt werden. Dazu gehört auch eine erhebliche Aufstockung des Personals in der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz. Wenn die Haushaltsbehörde zustimmt, könnte einem Teil der Mitarbeiter auf diesen Stellen die Aufgabe zugewiesen werden, sich um die Probleme zu kümmern, über die wir heute sprechen.

Aufgrund der geringen Erfahrung der Auftragnehmer in Fragen der Finanzkontrolle werden trotz des ohnehin knappen Personalbestands auch zukünftig umfangreiche Beratungs- und Unterstützungsleistungen erforderlich sein. Die Direktion Gesundheit plant eine Informationskampagne, um die Auftragnehmer umfassender über die Verfahren und Anforderungen der Kommission aufzuklären.

Was die Bürokratie betrifft, prüfen die betroffenen Dienststellen derzeit ihre Dokumentationsanforderungen mit dem Ziel, die Auszahlungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, ohne jedoch die notwendigen Finanzkontrollmaßnahmen zu vernachlässigen. Die bereits eingeleiteten Maßnahmen zeigen erste Wirkung, und ich gehe davon aus, dass sich die Situation noch weiter verbessern wird, so dass die Verträge zügiger geschlossen werden und die Mittelauszahlungen innerhalb der von der Kommission festgelegten Frist von 60 Tagen erfolgen können.

Wenn Sie dazu spezielle Anmerkungen haben, möchte ich Sie bitten, diese schriftlich einzureichen, damit ich sie mit meinen Mitarbeitern erörtern kann.

 
  
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  Schröder, Ilka (Verts/ALE). - Sehr geehrter Kommissar, es freut mich, zu hören, dass bestimmte Maßnahmen ergriffen werden sollen. Allerdings ziehe ich in Zweifel, dass die Kommission, wenn sie Probleme mit den Partnern entdeckt, die an bestimmten Projekten teilnehmen, die Probleme mindestens zu 50% bei diesen Partnern sucht. Ich habe Informationen, dass auch kleine Projektpartner sehr kompetent darüber Bescheid wissen, wie genau die Verträge laufen, was sie genau einreichen müssen. Mir wurde ein Fall geschildert, wo dreimal dieselben Anlagen eingereicht wurden und die Kommission dann immer noch behauptet hat, sie hätte diese Anlagen nie bekommen. Deswegen möchte ich noch einmal dafür plädieren, dass es ganz klare und von vornherein festgelegte Richtlinien zur Antragstellung gibt. Ich kenne diese Probleme nicht nur aus dem Drogenbereich, sondern auch von vielen anderen Partnern, die mit der Kommission zusammenarbeiten und eine Kofinanzierung anstreben. Nicht nur im Drogenbereich dauert es sehr lange, ist es sehr kompliziert, und ich glaube, das liegt nicht einfach nur an inkompetenten kleinen Projektpartnern, sondern auch daran, dass die Voraussetzungen von der Kommission nicht klar formuliert werden.

Eine Frage war noch, ob man die kleinen Organisationen in der Europäischen Union dann wirklich beschneiden will, wenn es darum geht, auch in Regionen Drogenprojekte mit ganz verschiedenen Ansätzen zu unterstützen, speziell in diesem Bereich, aber auch generell. Ich glaube, es kann nicht darum gehen, nur großen Organisationen eine Möglichkeit zu geben, hier etwas zu bewegen, sondern es muss das Ziel bleiben, unterschiedliche Organisationsstrukturen zu fördern. Das halte ich für einen ganz falschen Lösungsansatz.

 
  
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  Byrne, Kommission. – (EN) Was Ihren ersten Punkt betrifft, so habe ich nicht behauptet, dass das Problem allein durch, wie Sie es formuliert haben, inkompetente Projektpartner verursacht wird. Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass dies der Grund für einige der aufgetretenen Probleme ist. Ich bin besorgt darüber, und ich möchte versuchen, diese Schwierigkeiten mit klaren Leitlinien, wie auch Sie sie fordern, zu beheben. Somit sind wir in diesem Punkt völlig einer Meinung.

Was den Umfang der Projekte betrifft, wurden seit 1996 insgesamt 149 Projekte mit einem Gesamtfinanzvolumen von 25 Mio. Euro ausgewählt, wobei auf jedes Projekt ein Förderumfang von durchschnittlich 180 000 Euro entfällt. Im Rahmen der neuen Strategie im Gesundheitsbereich werden wir die Anzahl der Projekte verringern und deren Finanzvolumen und Wirkung erhöhen und somit unsere begrenzten personellen Ressourcen effizienter nutzen. Nicht in jedem Fall sind kleinere Projekte besser als größere, aber wenn wir das Personal effizient einsetzen, wird sich dies positiv auf alle betroffenen Projekte auswirken.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 42 von John Bowis (H-0629/00):

Betrifft: Wissenschaftliches Sachverständigengutachten betreffend Phthalate

Wird die Kommission nunmehr die in dem Protokoll des Wissenschaftlichen Lenkungsausschusses vom 10. Dezember 1999 erwähnte Erklärung veröffentlichen, die der CSTEE (Wissenschaftlicher Ausschuss „Toxizität, Öko-Toxizität und Umwelt“) am 25. November 1999 angenommen hatte; darin äußerte er sich dazu, dass die Kommission sein Wissenschaftliches Sachverständigengutachten zum Thema Phthalate fehlinterpretiert hatte. Kann die Kommission mitteilen, wer bei ihr für diese Nichteinhaltung der üblichen Praxis verantwortlich ist, alle Protokolle, Berichte und Erklärungen der Wissenschaftlichen Ausschüsse zu veröffentlichen, und wer die Verantwortung für die bis zum April 2000 verschleppte Veröffentlichung des Hauptprotokolls der CSTEE-Sitzung vom 25. November 1999 trägt?

 
  
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  Byrne, Kommission. – (EN) Ich werde den Punkt, den Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, gerne näher erläutern. Wie im Protokoll der Sitzung des Wissenschaftlichen Lenkungsausschusses vom 10. Dezember 1999 ausgeführt, informierte der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Ausschusses „Toxizität, Öko-Toxizität und Umwelt“ (CSTEE) den Lenkungsausschuss über den Beschluss des CSTEE vom 25. November 1999, dem Sitzungsprotokoll eine Erklärung beizulegen, in der die Haltung des Ausschusses in Bezug auf Phthalate in Spielzeug näher erläutert werden sollte.

Das betreffende Sitzungsprotokoll wäre normalerweise bei der folgenden Sitzung des CSTEE, die am 4. Februar 2000 stattfand, genehmigt worden. Bei der Sitzung bemängelten einige Mitglieder des Ausschusses jedoch, dass das Protokoll insgesamt zu lang sei und forderten das Sekretariat auf, sich bei der formalen Gestaltung nach den anderen wissenschaftlichen Ausschüssen zu richten. Aufgrund dieser Forderung beschloss der Ausschuss, die Genehmigung des Protokolls auf die nächste Sitzung zu verschieben, bei der eine kürzere Version vorgelegt werden sollte. Dadurch wurde die Genehmigung des Protokolls natürlich zwangsläufig bis zur nächsten Sitzung am 11. April 2000 verzögert.

Unmittelbar nach der Genehmigung des Protokolls, das heißt, noch in derselben Woche, wurde der Inhalt des Protokolls im Internet veröffentlicht. Das ist die übliche Vorgehensweise der Kommission. Das Protokoll ist also ordnungsgemäß veröffentlicht worden.

 
  
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  Bowis (PPE-DE).(EN) Ich danke Herrn Byrne für seine Antwort, obwohl ich sagen muss, dass fünf Monate bis zur Veröffentlichung eines Protokolls doch sehr lang sind. Was ich nun sage, ist keineswegs auf Herrn Byrne persönlich bezogen, aber ich hoffe, er wird mir darin zustimmen, dass die Wissenschaft uns die notwendigen Informationen liefern muss, damit wir die richtigen Entscheidungen über bestehende Risiken und den Umgang mit diesen Gefahren treffen können. In diesem Fall war die Leistung der Wissenschaft mehr als unzureichend. Eine Peer-Review unterblieb und so weiter. Als die Ergebnisse im Wissenschaftlichen Ausschuss vorgelegt und vom Vorsitzenden geprüft wurden, veranlassten sie diesen zu der Aussage, dass die ihm vorliegenden Fakten ­ um mit seinen Worten zu sprechen ­ ein Verbot nicht rechtfertigten. Das nachfolgend ausgesprochene Verbot für andere Phthalate hatte nicht das Geringste mit Spielzeug oder Beißringen zu tun. Durch diese Angelegenheit ist das Vorsorgeprinzip in Misskredit geraten. Dieses Prinzip macht nur dann Sinn, wenn die Entscheidungen auf unanfechtbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Diese Sache ist nicht gerade glücklich gelaufen, und ich hoffe, die Kommission wird mir zustimmen, dass sowohl die Kommission als auch das Parlament aus dieser Erfahrung ihre Lehren ziehen müssen.

 
  
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  Byrne, Kommission. – (EN) Ich teile die Auffassung des Herrn Abgeordneten, wonach die Wissenschaft die erforderlichen Erkenntnisse für unsere Entscheidungen liefern muss, und das ist in diesem Fall auch geschehen. Der verantwortliche Ausschuss erstellte seinen Bericht, wie dies in dessen Zuständigkeitsbereich, der Risikobewertung, vorgeschrieben ist. Diese Information wurde an die Kommission weitergeleitet, da diese neben anderen EU-Institutionen für das Risikomanagement zuständig ist. Die Kommission gelangte nach der Prüfung der Fakten in den vom zuständigen Ausschuss vorgelegten Unterlagen zu der Auffassung, dass Phthalate oder Spielzeugartikel, die dazu bestimmt sind, in den Mund genommen zu werden, eine unmittelbare und erhebliche Gefahr für Kinder unter drei Jahren darstellen.

Die Kommission hat diese Sache sorgfältig geprüft. Gemäß den Befugnissen, die mir im Rahmen der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit übertragen worden sind, habe ich der Kommission Vorschläge für Sofortmaßnahmen vorgelegt, und meine Kollegen bestätigten diese Maßnahmen unter den gegebenen Umständen als angemessene Reaktion.

Kommisionsmitglied Liikanen verfolgt in Bezug auf den Einsatz von Phthalaten und Weichmachern in Spielzeugartikeln und anderen Produkten eine langfristigere Strategie. Ich möchte nochmals betonen, dass ich ebenfalls der Auffassung bin, dass die Wissenschaft die erforderlichen Fakten für unsere Entscheidungen vorlegen muss und dies aus meiner Sicht im vorliegenden Fall auch geschehen ist.

 
  
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  Der Präsident. – Da der Fragesteller nicht anwesend ist, ist die Anfrage Nr. 43 hinfällig.

Anfrage Nr. 44 von Ioannis Souladakis (H-0688/00):

Betrifft: Wasserbedarf im mittleren Osten

Der ständig steigende Wasserbedarf im mittleren Osten wird zweifellos eine wichtige Rolle bei einer möglichen Zusammenarbeit und Verständigung der Völker dieser Region spielen. Nach einer dreijährigen Unterbrechung hat der Lenkungsausschuss der multilateralen Arbeitsgruppe für Wasserressourcen für die Region seine Arbeit im Jahr 1999 wieder aufgenommen und spezifische Programme für die Einsparung und den Einsatz von Wasserressourcen im mittleren Osten mit EU-Finanzierung angenommen. Das Thema Wasser im mittleren Osten wurde auch im Rahmen des Assoziierungsabkommens EU-Israel erörtert, und die israelische Seite hat auch die Frage einer weiteren Finanzierung derartiger Programme angesprochen.

Welche Politik wird die Kommission in dieser Angelegenheit verfolgen, um die Zusammenarbeit zwischen den Völkern der Region zu fördern und Konflikte wegen Wasserbedarf zu vermeiden?

 
  
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  Byrne, Kommission. – (EN) In den kommenden Jahrzehnten wird das Thema Wasser im Nahen Osten eine entscheidende Rolle spielen. Die Menschen in dieser Region müssen weltweit gesehen mit der geringsten Wassermenge pro Kopf auskommen, und selbst diese geringe Menge sinkt ständig. Wasser ist daher auch einer der wichtigsten Faktoren im Nahost-Friedensprozess, und das nicht nur in den Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern, sondern auch zwischen Israel und Syrien. Im Mittelpunkt der Kommissionspolitik stehen die verschiedenen Aspekte der Wasserfrage im Nahen Osten, dazu gehören die sicherheitspolitischen und die wirtschaftlichen Aspekte ebenso wie die Umweltaspekte und die sozialen Gesichtspunkte.

Gerechte und umfassende Vereinbarungen über die Nutzung der Wasserressourcen zwischen Israel und seinen Nachbarn, die durch die wirksame Zusammenarbeit auf regionaler Ebene unterstützt werden, sind für einen dauerhaften Frieden in der Region unverzichtbar. Die Kommission beteiligt sich aktiv an der im Rahmen des Friedensprozesses für den Nahen Osten (MEPP) eingerichteten multilateralen Arbeitsgruppe für Wasserressourcen und gehört zu deren größten Gebern. Als konkreten Beitrag haben wir 1999 weitere 4 Millionen Euro für die Fertigstellung der regionalen Wasserdatenbanken bereitgestellt. Wir fördern darüber hinaus das Konzept einer regionalen Kooperationsstruktur. Die Sonder-Taskforce des Rates für die Wasserversorgung im Nahen Osten hat Kontakt mit den israelischen, jordanischen und palästinensischen Wasserbehörden aufgenommen und koordiniert aktiv die EU-Wasserpolitik.

Die Politik der Kommission zielt darauf ab, die Region beim Aufbau eines nachhaltigen Bewirtschaftungssystems der knappen Wasserressourcen und beim Aufspüren neuer Ressourcen zu unterstützen. Der derzeitige Stand der Wasserbewirtschaftung und des Wasserverbrauchs im Nahen Osten kann nicht beibehalten werden. Schätzungen zufolge gehen im gesamten Mittelmeerraum mehr als zwei Drittel des gesamten nationalen Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft zurück, während dieser Sektor nur mit einem Drittel zum BSP und zur Beschäftigung beiträgt. Diese Diskrepanz ist im Nahen Osten noch stärker ausgeprägt. Daher gehört die Unterstützung der Reform der Wasserpolitik in den Ländern des Nahen Ostens zu unseren Prioritäten. Auf der Europa-Mittelmeerkonferenz der Außenminister, die 1999 in Stuttgart stattfand, wurde die Wasserversorgung als Priorität der Partnerschaft festgelegt. Ein erster Schritt zur Umsetzung ist der von der Europa-Mittelmeer-Ministerkonferenz über die kommunale Wasserbewirtschaftung, die im Oktober 1999 in Turin stattfand, verabschiedete Aktionsplan mit einem Finanzvolumen von 40 Millionen Euro, durch den die Zusammenarbeit in diesem Sektor weiter gefördert werden soll. Eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen soll schon bald veröffentlich werden.

 
  
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  Souladakis (PSE).(EL) Ich danke dem Kommissar für seine Antwort. In meiner Anfrage wollte ich nicht nur auf das Ausmaß des Problems und seinen Einfluss auf den Friedensprozess im Nahen Osten hinweisen, sondern den Mangel an Wasserressourcen auch als ernstes politisches Problem zur Debatte gestellt wissen. Alle sprechen von den bevorstehenden Konflikten um Wasservorräte. Da muss doch etwas geschehen. Ich frage den Kommissar, welche Maßnahmen ergriffen werden, um völkerrechtlich verbindliche Regeln zur Bewirtschaftung der Wasserressourcen aufzustellen und damit mögliche Auslöser für lokale bzw. regionale politische Konkurrenz, die Vorboten von Krisen und eines speziellen Imperialismus, auszuschalten. Die Antwort selbst zu Israel und Syrien führt uns ein wenig darüber hinaus, an den Euphrat und den Tigris, in die Türkei, nach Syrien und anderswo. Meiner Meinung nach sollten völkerrechtliche Regeln zur Bewirtschaftung der Wasserressourcen eingeführt werden, die eindeutige Bedingungen für alle betroffenen Länder enthalten, deren Flüsse auch durch andere Staaten fließen. Das gleiche muss für Seen gelten, die von mehr als einem Land umgeben sind.

 
  
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  Byrne, Kommission. – (EN) Die Kommission unterstützt durch MEDA wichtige Wasserprojekte im palästinensischen Autonomiegebiet und in Jordanien. Das jüngste Beispiel hierfür ist ein Zuschuss der Gemeinschaft in Höhe von 5 Millionen Euro für die Durchführung des Programms zur Verbesserung des Wassersektors im Großraum Amman sowie ein beträchtliches Darlehen der Europäischen Investitionsbank.

Neben der Unterstützung der multilateralen Arbeitsgruppe für Wasserressourcen möchte ich das dreijährige Europa-Mittelmeer-Aktionsprogramm erwähnen, das dem Aufbau eines Wasserinformationssystems dient und von der Europäischen Kommission mit 1,2 Millionen Euro unterstützt wird. Die Euro-Mittelmeer-Konferenz zu Fragen der Wasserwirtschaft, die am 25. und 26. November 1996 in Marseille stattfand, wurde auf Initiative der Europäischen Kommission und der französischen Regierung sowie mit Unterstützung der Stadt Marseille organisiert. Das International Office for Water übernahm die Verantwortung für das Sekretariat. Die Kommission hat sich schon in der Vergangenheit kontinuierlich an diesem Projekt beteiligt und wird dies auch in Zukunft tun.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 45 von Mikko Pesälä (H-0689/00):

Betrifft: Tiertransporte

In den Mitgliedstaaten sind in diesem Jahr erneut Fernsehdokumentationen ausgestrahlt worden, aus denen hervorgeht, dass lebende Tiere innerhalb der Europäischen Union im Widerspruch zu den Regelungen der Richtlinie über den Tiertransport und unter Missachtung aller ethischen Prinzipien transportiert wurden.

Wie beabsichtigt die Kommission die Behörden der Mitgliedstaaten dazu zu bringen, dass sie die Transporte kontrollieren und die Streckenpläne für Transporte in andere Mitgliedstaaten kritisch prüfen?

Wann wird die Kommission die geänderten Vorschläge für die Richtlinien über den Transport lebender Tiere unterbreiten?

Wie berücksichtigt die Kommission, dass den Mitgliedstaaten, die die Transporte sachgerecht abwickeln, höhere Kosten entstehen als denen, die wiederholt die Vorschriften verletzen? Der Lebensmittelmarkt ist immerhin ein gemeinsamer Markt.

Was wird die Kommission unternehmen, damit lange Transporte überhaupt eingestellt und durch Transporte tiefgefrorener und verarbeiteter Erzeugnisse ersetzt werden können?

Teil II

 
  
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  Byrne, Kommission. – (EN) Auch ich bin besorgt darüber, dass die Vorschriften für Tiertransporte in bestimmten Bereichen zu nachlässig angewandt werden. Während die Mitgliedstaaten für die tägliche Einhaltung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zuständig sind, werden vom Lebensmittel- und Veterinäramt meiner Generaldirektion spezielle Kontrollbesuche durchgeführt, bei denen geprüft wird, ob die Mitgliedstaaten die Gemeinschaftsvorschriften wirksam und einheitlich umsetzen. Bei diesen Kontrollen wurden in einigen Mitgliedstaaten Mängel bei der Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften festgestellt. Daher wurden gegen einige Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 226 des Vertrags eingeleitet, in anderen Mitgliedstaaten laufen die Untersuchungen noch.

Ich werde dem Rat und dem Europäischen Parlament in Kürze einen Bericht über die Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über den Tierschutz im letzten Quartal dieses Jahres vorlegen. Der Bericht zeigt deutlich, dass die Mitgliedstaaten noch immer Probleme mit der vollständigen Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften haben. Als Schlussfolgerung aus dem Bericht werde ich Vorschläge zur Verbesserung der Tiertransporte vorlegen, ich werde mich um eine Lösung der angesprochenen Probleme bemühen und sicherstellen, dass Kontrollen durch das Lebensmittel- und Veterinäramt durchgeführt werden, und ich werde, wenn nötig, Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

Einige der grundlegenden Elemente der Richtlinie sollten so schnell wie möglich wissenschaftlich untersucht werden, insbesondere die Transportdauer, der Stressfaktor beim Be- und Entladen und die Ladungsdichte. In diesem Zusammenhang sollten auch die Maßnahmen geprüft werden, mit denen die Schlachtung der Tiere möglichst nahe am Aufzuchtsort gefördert werden könnte.

Ich möchte Ihnen abschließend versichern, dass der Tierschutz hohe Priorität in der Kommission genießt. Ich freue mich auf die weitere Diskussion über dieses Thema, die wir nach der Vorlage meines Berichts über Tiertransporte in ein paar Wochen führen werden.

 
  
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  Pesälä (ELDR). - (FI) Herr Präsident! Herr Byrne! Ich danke Ihnen für die Antwort, möchte aber anmerken, dass gegenwärtig, da sich die Erweiterung der EU nach Osten in rascher Folge vollzieht, unter anderem aus den baltischen Staaten Pferde auf das Gebiet der EU verbracht wurden, wobei diese Transporte sogar hundert Stunden gedauert haben, es mir doch merkwürdig vorkommt, dass wir gleichzeitig von den Kandidatenländern verlangen, die Regeln und Bestimmungen strikt einzuhalten. Auf dem eigenen Gebiet lassen wir solche Verstöße zu, die - wie ans Licht gekommen - für das zivilisierte Westeuropa unmenschlich sind. Diesen Aspekt wollte ich auch hervorheben und die Frage stellen, welcher Zeitplan nun tatsächlich vorgesehen ist, wenn wir berücksichtigen, dass wir das Problem in den Griff bekommen müssen, bevor neue Mitgliedstaaten aufgenommen werden.

 
  
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  Byrne, Kommission. – (EN) Ich kann Ihnen zwar keinen genauen Zeitplan nennen, aber ich versichere Ihnen, dass in einigen Fällen bereits Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden sind und andere Fälle derzeit noch geprüft werden. Wir verfolgen die Situation kontinuierlich, und ich habe zahlreiche Gespräche mit dem Generaldirektor meiner Generaldirektion geführt, der Experte auf dem Gebiet der Tiertransporte ist, und in dessen Fachkompetenz ich großes Vertrauen habe.

Sie haben außerdem unserer Beziehungen zu den Beitrittsländern angesprochen. Die Kommission ist der Auffassung, dass die umfassende Verbesserung der Tierschutzstandards am besten durch einen internationalen Konsens zu erreichen ist. Der Transport von Pferden über große Entfernungen wurde mit den Veterinärämtern in den mittel- und osteuropäischen Ländern erörtert, mit denen derzeit Beitrittsverhandlungen geführt werden.

Ein Aktionsplan zur Verbesserung des Schutzes von Pferden und Eseln auf Langstreckentransporten wurde im April verabschiedet. Die ersten Ergebnisse der Durchführung dieses Plans sollen Ende September auf einer Sondersitzung mit allen zuständigen Behörden der Beitrittsländer besprochen werden. Ich kann Ihnen versichern, dass diesem Punkt in meiner Dienststelle hohe Priorität eingeräumt wird, und wir die Situation sorgfältig verfolgen und die Angelegenheit aktiv bearbeiten.

 
  
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  Rübig (PPE-DE). - Herr Präsident! Es wäre interessant zu erfahren, ob die Kommission auch vorhat, Forschungen in diesem Bereich zu realisieren, und zwar nach dem Modell der best practice. Haben Sie auch vor, Anreize dafür zu schaffen, dass Tiertransporte so gestaltet werden, dass sie für das Tier auch tatsächlich verträglich sind?

 
  
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  Byrne, Kommission. – (EN) Wie mir von meiner Dienststelle versichert wurde und wie ich aus den anderen Informationen, die mir vorliegen, ersehe, sind alle notwendigen Maßnahmen eingeleitet worden. Auf dieser Basis soll die Richtlinie geändert werden, um den Tierschutz bei Transporten zu verbessern. Insbesondere sollen zusätzliche Maßnahmen zum Schutz von Pferden aufgenommen werden, zu denen obligatorische Entladezeiten und festgeschriebene Ruhezeiten bei der kommerziellen Verfrachtung von Pferden gehören, welche eine Grenzkontrollstelle der Europäischen Union passieren.

 
  
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  Tannock (PPE-DE).(EN) Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Frage stellen, die sich auf das Verbot von Staffordshire-Terriern in Deutschland bezieht, das im Rahmen des deutschen Verbots von Kampfhunden verhängt wurde. Viele meiner Wähler im Vereinigten Königreich haben schriftlich gegen dieses deutsche Gesetz protestiert, nach dem bestimmte Hunderassen verboten werden, die augenscheinlich keinerlei Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Vor dem Hintergrund des Projekts zur Einführung eines europäischen Tierpasses, mit dem Tierhalter ihre Tiere in jedes Land der Europäischen Union mitnehmen können, stelle ich die Frage, ob die Kommission in dieser Sache rechtliche Schritte einleiten kann, um zu gewährleisten, dass der Tierschutz nicht unterminiert wird und insbesondere die Hunde in Deutschland geschützt werden, die unnötigerweise getötet werden sollen, und um zu verhindern, dass eine hervorragende britische Hunderasse möglicherweise sogar ausgerottet wird?

 
  
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  Der Präsident. – Herr Kommissar, gemäß Geschäftsordnung ist dies keine Zusatzfrage. Wir könnten Herrn Tannock bitten, diese Anfrage für die nächste Sitzung zu formulieren, doch wenn Sie sie beantworten möchten, können Sie es tun.

 
  
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  Byrne, Kommission. – (EN) Ich möchte den Herrn Abgeordneten freundlich darauf hinweisen, dass ich ihm eine detailliertere Antwort auf seine Frage hätte geben können, wenn er diese Frage vorher angekündigt hätte. Der Tierschutz fällt in meinen Zuständigkeitsbereich. Ich bin auch für die Bereiche zuständig, die mit dem Tierschutz in Zusammenhang stehen. Wenn ich über diese Fälle informiert werde und sie zum Anwendungsbereich der entsprechenden Richtlinie gehören, können auch Maßnahmen ergriffen werden. Der einzige praktische Vorschlag, den ich Ihnen machen kann, ist, dass Sie mich nochmals schriftlich über Ihr Anliegen informieren und in diesem Schreiben die Details schildern. Ich werde meine Dienststelle dann anweisen, den Sachverhalt zu prüfen und die notwendigen Schritte einzuleiten.

 
  
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  Der Präsident. Herr Tannock, Sie können Ihre Meinung schriftlich in bilateraler Form oder öffentlich gemäß Geschäftsordnung äußern und erhalten dann die Antwort des Kommissionsmitglieds.

Vielen Dank, Herr Byrne, für Ihre Zusammenarbeit mit dem Parlament am heutigen Nachmittag.

 
  
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Anfragen an Herrn Vitorino

  Der Präsident.

Anfrage Nr. 46 von Mary Elizabeth Banotti (H-0600/00):

Betrifft: Mitteilung über Rechte der Kinder

Kann die Kommission im Anschluss an ihre Erklärung vom November 1999 vor dem Parlament zur Feier des 10. Jahrestages der Konvention über die Rechte des Kindes, in der sie auf die von ihr geplante Veröffentlichung einer Mitteilung über die Rechte des Kindes hinwies, dem Parlament nunmehr einen endgültigen Zeitplan für die Veröffentlichung der Mitteilung vorlegen? Wie lauten die Pläne der Kommission für die Koordinierung der Beiträge der EU und ihrer Mitgliedstaaten mit Blick auf die für September 2000 geplante Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNGASS) zum Thema Kinder? Erkennt die Kommission an, dass im Hinblick auf die Sondersitzung eine Mitteilung über die Rechte des Kindes von größter Bedeutung ist?

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (EN) Ich möchte die Frau Abgeordnete auf das Schreiben vom 20. Juni verweisen, das sie und einige ihrer Kollegen von Kommissionspräsident Prodi zu diesem Thema erhalten haben. In diesem Schreiben bekräftigte der Präsident die klare Verpflichtung der Kommission in Bezug auf alle Maßnahmen zum Schutz der Rechte des Kindes und verwies auf mehrere externe und interne Bereiche, in denen die Kommission in dieser wichtigen Frage aktiv geworden ist.

Der Präsident verwies jedoch darauf, dass die Maßnahmen der Kommission in diesen und anderen Bereichen im Kontext der Revision der Verträge betrachtet werden müssen. Er machte darauf aufmerksam, dass die Zuständigkeit für Maßnahmen zum Schutz von Kindern in erster Linie bei den Mitgliedstaaten verbliebe, da in den Verträgen keine eindeutige Rechtsgrundlage gegeben sei, die von der Gemeinschaft zum Schutz der Rechte des Kindes über den bestehenden Rahmen hinaus verwendet werden könne.

Innerhalb des derzeit bestehenden Rahmens hat die Europäische Kommission bereits zahlreiche Initiativen zum Schutz der Rechte des Kindes ins Leben gerufen, wie zum Beispiel in den Programmen DAPHNE und STOP, für die ich zuständig bin. Die Kommission unterstützt darüber hinaus mit dem Ziel, die Situation von Kindern zu verbessern, Maßnahmen im sozialen und im Bildungsbereich.

Ein weiterer Beweis für die große Bedeutung, die wir diesem Thema beimessen, ist die Aufnahme eines speziellen Artikels über die Rechte des Kindes in die Charta der Grundrechte auf Initiative der Kommission. Der Entwurf für diesen Artikel zum Schutz der Kinder beinhaltet die wichtigsten Grundlagen der New Yorker Konvention wie das Recht auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen unerlässlich sind.

Wir werden auch weiterhin darauf drängen, dass ein Verbot der Kinderarbeit in die Charta aufgenommen wird. In seinem Schreiben erklärte der Präsident außerdem, es könne durchaus sinnvoll sein, durch die Kommission überprüfen zu lassen, ob alle Mitgliedstaaten sich an die UN-Konvention über die Rechte des Kindes hielten. Obwohl alle Mitgliedstaaten die Konvention ratifiziert haben, wird sie auf sehr unterschiedliche Weise umgesetzt, und in den Mitgliedstaaten gehen die Auffassungen darüber, wie die Rechte des Kindes am besten geschützt werden können, weit auseinander.

Ich bin der Meinung, dass eine solche Evaluierung ein wertvoller Beitrag zur Teilnahme der Europäischen Union an der Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2001 wäre. Die Kommission ist davon überzeugt, dass ihr anhaltendes Engagement für die Belange der Kinder, ihre aktiven Bemühungen um die angemessene Einbeziehung in die Charta der Grundrechte und ihre Unterstützung der geplanten Evaluierung ihre Verpflichtung gegenüber diesem wichtigen Thema eindrucksvoll belegen.

 
  
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  Banotti (PPE-DE).(EN) Sie wissen, dass ich Sie sehr bewundere, und ich bin sicher, dass Ihnen Ihre heutige Antwort ebenso viel Unbehagen bereitet hat wie mir. Ich weiß, wie sehr Sie sich persönlich engagieren, aber Sie haben mir keine klare Antwort auf meine Frage gegeben, welchen Beitrag die Kommission nun tatsächlich zur UN-Konferenz leisten wird, die in einigen Wochen stattfindet. Wir sind vorhin über die umfassenden Pläne der Kommission für den Tierschutz informiert worden, und ich kann nur hoffen, dass die Kommission ähnliche Pläne für den Schutz der Kinder hat.

Ich habe Verständnis dafür, dass Sie sich innerhalb des vorgegebenen rechtlichen Rahmens bewegen müssen, aber können Sie mir konkret sagen, ob zum Beispiel ein Mitglied der Kommission an dieser UN-Konferenz im September teilnehmen wird? In welchem Kontext wird dies erfolgen, und plant die Kommission, einen Beitrag zu der Konferenz zu leisten?

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (EN) Ich werde gerne auf Ihre Fragen eingehen. Im Grunde sprechen wir beide über dieselbe Sache, nämlich die den Rechten der Kinder gewidmete Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2001. Ich bin im Zusammenhang mit dieser Konferenz der Auffassung, dass wir eine Studie durchführen sollten, um zu evaluieren, wie die UN-Konvention über die Rechte des Kindes in unseren Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Diese Studie sollte rechtzeitig fertiggestellt werden und als Grundlage für die Beteiligung der Europäischen Union an der Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen im nächsten Jahr dienen.

Ich bin sicher, dass wir auf die Unterstützung Schwedens, das in den ersten sechs Monaten des nächsten Jahres den Vorsitz im Rat führen wird, rechnen können. Schweden hat bereits klargestellt, dass den Rechten des Kindes hohe Priorität eingeräumt werden soll. Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen erklären, welche Maßnahmen aus unserer Sicht zu welchem Zeitpunkt ergriffen werden sollten.

 
  
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  Bowis (PPE-DE).(EN) Herr Vitorino, können Sie meiner Feststellung zustimmen, dass es in der Europäischen Union neuerdings offenbar zu einem Missbrauch von Kindern kommt, und das in zunehmendem Maße? Kinder werden von ihren Müttern aus Ost- und Mitteleuropa zum Betteln auf die Straßen unserer Städte geschickt. Sie kommen meist als Flüchtlinge in die Europäische Union. Man sollte sich um diese Kinder kümmern, doch wenn das bereits geschieht, ist ihr Betteln nicht gerechtfertigt, weil sie Sozialhilfe vom Staat erhalten. Wir sollten diese Fälle in die Liste des Missbrauchs von Kindern aufnehmen, dem wir als Gemeinschaft sehr sorgfältig nachgehen.

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (EN) Ich teile die Besorgnis des Herrn Abgeordneten, denn mit dem Betteln werden die Kinder ­ oft von ihren eigenen Familien – dazu gezwungen, gegen ihre Würde zu handeln. Wie Sie wissen, obliegt es in erster Linie den Mitgliedstaaten, die Würde der Kinder zu schützen. Dennoch sind wir nun dabei, eine Debatte über eine spezielle Gesetzesinitiative zu initiieren, in deren Rahmen eine Liste von Verbrechen gegen Kinder erstellt werden soll. Ich werde Ihre Vorschläge sorgfältig prüfen.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 47 von Lennart Sacrédeus (H-0606/00):

Betrifft: Passfreiheit im Schengen-Gebiet

Wie hat nach Auffassung der Kommission die im Rahmen des Schengener Abkommens geregelte Passfreiheit während der Fußball-Europameisterschaften funktioniert, wenn man die Massenverhaftungen in Brüssel und Charleroi bedenkt?

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (FR) Zunächst ist meines Erachtens festzustellen, dass eine Vielzahl der an den Vorfällen in Brüssel und Charleroi beteiligten Personen aus dem Vereinigten Königreich stammen, also aus einem Mitgliedstaat der Union, der nicht Mitglied des Schengener Abkommens ist. Demnach handelt es sich um Personen, die bei ihrer Reise zu Fußballspielen im Rahmen der Europameisterschaft 2000 an den Außengrenzen des Schengener Raums Personenkontrollen unterlagen.

Zudem sollte darin erinnert werden, dass sich die Regierungen Belgiens und der Niederlande für die Dauer der Europameisterschaft 2000 auf eine in Artikel 2 Absatz 2 des Schengener Abkommens vorgesehene Schutzklausel berufen haben, die einem Mitgliedstaat bei einer Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit – und meines Erachtens entsprechen die Befürchtungen, die durch die Fälle von Fußballrowdytum hervorgerufen wurden, diesem Kriterium – ermöglicht, für eine vorübergehende Zeit der Situation angemessene Kontrollen an den nationalen Grenzen und sogar an den Binnengrenzen des Schengener Raums durchzuführen.

Die Regierungen Belgiens und der Niederlande haben das im Schengener Abkommen vorgeschriebene Verfahren der vorherigen Konsultation durchgeführt. Die entsprechenden Kontrollen wurden zwar vorübergehend an den Binnengrenzen wieder eingeführt, jedoch nicht systematisch vorgenommen. Es handelte sich um gezielte Kontrollen, wobei man sich vorwiegend auf Angaben aus den Mitgliedstaaten stützte, die im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit weitergegeben wurden und Fans betrafen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen könnten.

Die Durchführung von Kontrollen an den Außen- sowie zeitweilig an den Binnengrenzen des Schengener Raums bedeutet nicht die Schließung einer Grenze oder die systematische Zurückweisung von Personen, die in das Staatsgebiet einreisen wollen, um sich ein Fußballspiel anzuschauen. Tatsächlich haben Unionsbürger gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft das Recht, sich auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen. Jedoch kann es in Einzelfällen bei einer möglichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu Einschränkungen kommen, falls die betreffende Person eine tatsächliche und hinreichend große Gefährdung eines grundlegenden Interesses der Gesellschaft darstellt.

Demgemäß bestätige ich Ihnen, dass das Gemeinschaftsrecht ein kollektives Einreiseverbot nicht zulässt. Es reicht nicht aus, die Staatsbürgerschaft eines bestimmten Mitgliedstaats zu besitzen und sich ein Fußballspiel anschauen zu wollen, um an der Grenze abgewiesen zu werden. Meines Erachtens wurde aus diesem Grunde bereits eine Evaluierung der Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Behörden eingeleitet, und ich denke, dass diese gemeinsame Arbeit dazu dienen könnte, Lehren aus der Europameisterschaft 2000 zu ziehen und herauszufinden, wie die gerichtliche und polizeiliche Zusammenarbeit im Kampf gegen das Fußballrowdytum in Zukunft verbessert werden kann.

 
  
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  Sacrédeus (PPE-DE).(SV) Ich möchte Kommissar Vitorino für die Antwort danken. Ich habe vor Ort im König-Baudouin-Stadion in Brüssel solange es ging zu Portugal gehalten. Schließlich hat dann allerdings Frankreich gewonnen, in einem Spiel, bei dem man doch sagen musste, das Frankreich die bessere Mannschaft hatte. Aber solange ich nur konnte, habe ich auf Portugal gesetzt.

Ich bedanke mich, wie gesagt, für die Antwort, möchte aber dennoch eine Anschlussfrage stellen: Viele Menschen finden die Krawalle, das Rowdytum, die aggressive Sprache und die Gewalt abstoßend, die in Europa im Zusammenhang mit Sportereignissen vorkommen und die man beispielsweise in den USA so nicht kennt. Ich weiß, dass Großbritannien sich nicht am Schengener Abkommen beteiligt, aber vielleicht wird es ja einmal dazu kommen. Sind Sie der Ansicht, dass die jetzt von uns ergriffenen Maßnahmen ausreichen, und welche Lehren können für die Zukunft gezogen werden? Beim nächsten Mal geht ja vielleicht außerdem auch Portugal ins Finale.

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (FR) Meines Erachtens besteht weder ein direkter noch ein indirekter Zusammenhang zwischen der Niederlage Portugals und dem Rowdytum. Das war der Ausgang des Spiels, aber manchmal hat man keine Chance. Natürlich wird Portugal auf alle Fälle die Europameisterschaft 2004 ausrichten, und daher hat die Kommission im Rahmen von Euro 2000 mehrere konkrete Initiativen zur polizeilichen Zusammenarbeit unterstützt, um neue Methoden der Zusammenarbeit zu erproben und Erfahrungen zu sammeln.

Wir sind zurzeit damit beschäftigt, diese Maßnahmen zu evaluieren. Sobald der Bericht vorliegt, wird er Gegenstand von Überlegungen sein. Zudem werden Legislativmaßnahmen auf europäischer Ebene ergriffen. Das Ziel besteht darin, Legislativmaßnahmen auf europäischer Ebene zu verabschieden, mittels derer die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Fußballrowdytums unterstützt werden kann. Im Moment liegt mir der Bericht noch nicht vor. Sobald er fertig ist, wird er ohne Zweifel veröffentlicht, und die Debatte über die zu ergreifenden Initiativen kann beginnen.

 
  
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  Sjöstedt (GUE/NGL).(SV) Ich habe eine ebenfalls das Schengener Abkommen und die Passfreiheit betreffende Anschlussfrage. Wie Sie sicherlich wissen, Herr Kommissar, werden sich die nordischen Länder im März nächsten Jahres dem Schengener Abkommen anschließen.

Es ist bekannt geworden, dass die schwedischen Bürger auch danach bei Reisen ins Schengengebiet ihren Pass mitführen müssen, da die schwedischen Ausweispapiere nicht die laut Schengener Abkommen geforderte Angabe der Staatsangehörigkeit enthalten. Was also den Versprechungen nach eine Union der Passfreiheit sein sollte, bedeutet für die schwedischen Bürger auch weiterhin einen Passzwang.

Können Sie bestätigen, dass die Vorschriften des Schengener Abkommens auch zukünftig erfordern, dass die Schweden nach dem Beitritt zum Abkommen ihren Pass bei Reisen ins Schengengebiet mitführen müssen. Welche Meinung haben Sie dazu?

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (PT) Herr Abgeordneter, ich würde sagen, dass sich diese Frage aus einer anderen Perspektive stellt. Notwendig sind doch einheitliche Vorgaben für Reisedokumente, seien es nun Pässe oder Personalausweise. Im Vertrag ist vorgesehen, dass es solche einheitlichen Vorgaben geben soll, und die Kommission hat bei der Ausarbeitung eines Vorschlags zur Annahme gemeinsamer Richtlinien für die betreffenden Instrumente bereits ein fortgeschrittenes Stadium erreicht. Ich kann Ihnen keinen festen Zeitplan nennen, das heißt ich kann Ihnen nicht garantieren, dass diese Dokumente vor dem geplanten Termin für die Integration der Nordischen Passunion in die Schengener Freizügigkeit angenommen werden. Was ich Ihnen allerdings garantieren kann, ist, dass wir aktiv an der Formulierung einheitlicher Muster für Dokumente arbeiten, womit dann die Probleme wie das von Ihnen jetzt angesprochene aus der Welt geschafft werden.

 
  
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  Der Präsident. – Anfrage Nr. 48 wird schriftlich beantwortet.(1)

Anfrage Nr. 49 von Bernd Posselt (H-0692/00):

Betrifft: Europäische Polizeiakademie

Wie ist der aktuelle Stand der Planung einer Europäischen Polizeiakademie, was die virtuelle Vernetzung bestehender Einrichtungen und die Schaffung einer konkreten Akademie an einem konkreten Ort betrifft?

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (EN) Auf der Tagung des Europäischen Rates vom Oktober 1999 in Tampere wurde die Schaffung einer Europäischen Polizeiakademie zur Schulung von leitenden Polizeibeamten gefordert, die zunächst aus einem Netzwerk vorhandener Schulungseinrichtungen in den Mitgliedstaaten bestehen sollte. Bisher sind beachtliche Fortschritte erzielt worden. Der portugiesische Ratsvorsitz legte Ende Juni 2000 einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates vor. Die französische Ratspräsidentschaft hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende des Jahres eine Entscheidung des Rates zu erreichen. Damit könnte der angestrebte Zeitplan für die Einrichtung einer Europäischen Polizeiakademie bis zum Jahr 2001 eingehalten werden, wie dies im Anzeiger der Kommission für den Bereich Justiz und Inneres festgelegt ist.

Einige Mitgliedstaaten möchten diese Europäische Polizeiakademie als dauerhaftes Netzwerk der nationalen Schulungseinrichtungen gestalten. Andere Mitgliedstaaten wiederum betrachten den vorliegenden Vorschlag des Ratsvorsitzes für ein Netzwerk als Vorstufe für eine konkrete Akademie an einem konkreten Standort. Die Kommission hat sich von Anfang an dafür ausgesprochen, dass die Europäische Polizeiakademie nach einer Anfangsphase, in der sie als Netzwerk der bestehenden Schulungseinrichtungen arbeitet, eine konkrete Einrichtung werden soll, so wie dies auf dem Ratstreffen in Tampere beschlossen wurde. Deshalb wird im Vorschlag für eine Verordnung nun die folgende Vorgehensweise empfohlen:

Ab Januar 2001 wird die Europäische Polizeiakademie als Netzwerk nationaler Schulungseinrichtungen ihre Arbeit aufnehmen, d. h. als virtuelle Akademie. Sie wird drei Jahre in dieser Form bestehen bleiben. Danach ist über die Form der Weiterführung der Europäischen Polizeiakademie zu entscheiden. Die Kommission ist jedoch nach wie vor der Auffassung, dass in dem Vorschlag für eine Verordnung bereits die klare Verpflichtung festgeschrieben werden sollte, dass die Europäische Polizeiakademie nach einigen Jahren ihres Bestehens als Netzwerk in eine konkrete Einrichtung umgewandelt wird.

 
  
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  Posselt (PPE-DE). - Herr Präsident, ich danke dem Kommissar für seine präzise Antwort und für seinen großen Einsatz in dieser Sache. Ich bin ja inzwischen zum Berichterstatter für das Thema benannt worden, und wir werden sicher eng zusammenarbeiten, um die Sache voranzutreiben.

Meine Frage ist aber: Plant die Kommission nach wie vor, eine Studie über die Realisierbarkeit einer tatsächlichen Akademie zu erstellen? Denn Sie wissen, das Europäische Parlament hat eine tatsächliche und keine virtuelle Akademie gefordert. Planen Sie, eine Studie über die Realisierungschancen zu erstellen? Sie haben dafür sicher unsere volle Unterstützung.

 
  
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  Vitorino, Kommission. – (EN) Es liegt eine erste Durchführbarkeitsstudie des Generalsekretariats des Rates vor, welche die Grundlage für den vorliegenden Entwurf einer Entschließung des Rates bildete. Wir wollen jedoch unsere eigene Initiative in diesem Bereich vorantreiben, um sicherzustellen, dass wir über alle notwendigen Informationen verfügen, damit wir so bald wie möglich einen weiteren Schritt vorankommen. Es ist wichtig, diesen zweiten Schritt zu tun, damit die Europäische Polizeiakademie zu einer konkreten Einrichtung werden kann. Die Kommission wird sich davon nicht abbringen lassen.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Vitorino, für die Antworten am heutigen Nachmittag.

Anfrage Nr. 50 wird schriftlich beantwortet(2).

Anfragen an Frau Diamantopoulou

  Der Präsident.

Anfrage Nr. 51 von Michl Ebner (H-0647/00):

Betrifft: Soziale Sicherheit im Rahmen einer gestärkten europäischen Wirtschaft

Im angehenden 21. Jahrhundert wird zweifelsohne eine der Hauptaufgaben der Europäischen Union darin bestehen, der sozialen gegenüber der wirtschaftlichen und politischen Dimension gebührenden Rang einzuräumen. Gemeinsame sozialpolitische Ziele müssen definiert und verwirklicht werden, um so zu gewährleisten, dass die europäischen Bürger den Prozess der fortschreitenden Integration und der bevorstehenden Erweiterung mittragen. Die Kommission wird aus diesem Grund gebeten, Auskunft zu erteilen, ob sie eine stärkere Harmonisierung der immer noch so unterschiedlichen Sozialversicherungssysteme sowie eine Harmonisierung der Berufsbefähigungen in allen Bereichen in die Wege zu leiten beabsichtigt.

Lässt sich zu Recht vermuten, dass die bislang spärlichste Kompetenz der EU in Sachen Soziales und Beschäftigung in Zukunft zunehmen wird?

 
  
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  Diamantopoulou, Kommission. – (EL) Herr Präsident, die beiden Kernpunkte der Anfrage lauten, ob die Harmonisierung der Sozialpolitik vorangetrieben und die Zuständigkeit der Kommission auf Fragen der Sozialpolitik ausgedehnt wird.

Beginnen will ich mit dem Beschluss des Rates von Lissabon, in dem folgende Ziele klar benannt werden: die Verbindung der Politiken im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit und den sozialen Zusammenhalt, die Modernisierung des Gesellschaftsmodells, Investitionen in den Menschen und die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung. Gemäß den Verträgen hat die Kommission bekanntlich nicht die Möglichkeit, Vorschläge für die Sozialpolitik einzubringen. Es sei jedoch darauf verwiesen, dass nach Lissabon nun auch die Zustimmung des Rates vorliegt, dass wir also einen einstimmigen Beschluss des Rates über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sozialpolitik sowie über die Ausweitung der Methode der offenen Zusammenarbeit auch auf Fragen wie die soziale Ausgrenzung bzw. die Themen des Sozialschutzes haben.

In der im Juli vorgeschlagenen Agenda, bei der eine besonders enge Zusammenarbeit mit dem Parlament und der Berichterstatterin des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, Frau Van Lancker, bestand, werden die Maßnahmen und Aktionen zur Sozialpolitik im Rahmen des Vertrages detailliert beschrieben, es wird aber auch ganz deutlich dargelegt, dass eine Harmonisierung der Sozialpolitik nicht angestrebt werden soll. Dies wird für nicht machbar gehalten. Unsere Ziele können allerdings mit Instrumenten wie dem sozialen Dialog, den Strukturfonds, insbesondere dem mit einem umfangreichen Haushalt ausgestatteten Europäischen Sozialfonds, dem mainstreaming, der politischen Analyse, der Forschung und schließlich der Gesetzgebung verwirklicht werden.

Im Juli 1999 legte die Kommission eine neue Mitteilung mit dem Titel „Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes“ vor. Sie umfasst zwei wesentliche Aktionsbereiche: erstens die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und zweitens die künftige Zusammenarbeit in Fragen des Sozialschutzes und der Rentensysteme. Im Hinblick auf beide Ziele räumt die Kommission Instrumenten wie der Festlegung und Anwendung sozialer Indizes, die zur Bewertung der Politiken nunmehr unabdingbar sind, der Konkretisierung von Zielen hinsichtlich Armut und Kultur – dies wird im Verlauf der französischen Ratspräsidentschaft debattiert werden – und der Einigung auf Schwerpunkte betreffend die Nachhaltigkeit der Renten Priorität ein.

 
  
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  Ebner (PPE-DE). - Frau Kommissarin! Vielen Dank für diese Klärungen. Lassen Sie mich das, was ich mir besonders wünsche, als zusätzliche Frage formulieren: Wie weit versucht die Kommission, in Zukunft in besonderer Art und Weise in die Richtung zu arbeiten, dass Sozialversicherungssysteme, Berufsbefähigungen, die Sozialkompetenz insgesamt einer Harmonisierung unterliegen? Die Aufzählung des derzeitigen Standes war hoch interessant und auch die Entwicklung, die sich ja positiver darstellt, als sie in der Vergangenheit gewesen ist.

Aber ich glaube, dass wir die Bevölkerung der Europäischen Union davon überzeugen müssen, dass Niederlassungsfreiheit nicht ein leeres Wort ist, das letztendlich zu 100 % für Touristen gilt, sondern dass Niederlassungsfreiheit für die Menschen, die arbeiten, dass Niederlassungsfreiheit für Menschen, die gearbeitet haben - was zuerst das Versicherungssystem und dann das Rentensystem anbelangt -, eine Realität ist und nicht nur ein leeres Wort. Ich glaube, dass wir diesbezüglich mit vereinten Kräften versuchen müssen, den Rat zu überzeugen, hier eine offenere, eine fortschrittlichere, zukunftsorientiertere Politik zu gestalten.

 
  
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  Diamantopoulou, Kommission. – (EL) Herr Präsident, ich teile den generellen Ansatz des Abgeordneten, möchte jedoch an den Handlungsspielraum dieser Politiken auf europäischer Ebene erinnern, zumal es sich dabei um nationale Politiken handelt. Zweitens sind unseren Untersuchungen zufolge die Unterschiede in der Struktur und Organisation der Renten- und Sozialversicherungssysteme so groß, dass es unmöglich ist, von ihrer Harmonisierung zu sprechen. Was drittens die Rechte von Beschäftigten bei der Arbeitsaufnahme in einem anderen Land betrifft, so gibt es bereits zwei Verordnungen. Der Rat der Arbeitsminister hat im Juli eine gründliche Aussprache über die Änderung der Verordnung über Beschäftigte, die in einem anderen als dem Wohnsitzstaat arbeiten, geführt, doch muss ich unterstreichen, dass die Schwierigkeiten bei der von Ihnen vorgeschlagenen Harmonisierung angesichts derart enormer Differenzen zwischen den Systemen nahezu unüberwindbar sind.

 
  
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  Kauppi (PPE-DE). - (FI) Herr Präsident! Frau Diamantopoulou! Die Harmonisierung der Sozialversicherungssysteme setzt eine Harmonisierung der Finanzierung der sozialen Sicherheit und damit der Besteuerung voraus, und zwar nicht nur beim technischen Rahmen, sondern auch bei den Steuerklassen. Uns allen ist bekannt, dass die Politik hier noch zu keinem Einvernehmen gelangt ist und dies auch nicht so bald erreichen wird. Deshalb glaube ich, dass auch hier eine Politik der kleinen Schritte angebracht ist, und möchte die Frage stellen, wie weit die Richtlinie über den einheitlichen Markt für Zusatzrenten gediehen ist. Die Kommission sollte dem Europäischen Parlament diese Richtlinie bereits im Juli zur Behandlung vorlegen; nun wurde gesagt, dass sich der Termin wohl bis zum September hinziehen wird. Womöglich wird das Dokument während der französischen Präsidentschaft nicht behandelt. Könnten Sie etwas zum aktuellen Stand dieser Richtlinie sagen?

 
  
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  Diamantopoulou, Kommission. – (EL) Herr Präsident, diese Richtlinie, an deren Erarbeitung auch andere Direktionen und andere Kommissare wie zum Beispiel die für Binnenmarkt und Wettbewerb beteiligt sind, ist derzeit im Entstehen begriffen. Deshalb kann ich Ihnen erst auf einer der nächsten Sitzungen einen vollständigeren Text vorlegen. Wir befinden uns noch in der Diskussionsphase.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 52 von Glenys Kinnock (H-0649/00):

Betrifft: Im sozialen Bereich tätige europäische Nichtregierungsorganisationen

Die Rolle von im sozialen Bereich tätigen europäischen Nichtregierungsorganisationen als wichtige Verbindung zwischen den Bürgern Europas und der Kommission, dem Parlament und dem Rat wird in zunehmendem Maße in Bereichen wie dem der Sozialpolitik, des Handels, der Entwicklung und der Umwelt anerkannt. Welche Pläne hat die Kommission in Bezug auf Vorschläge für eine Rechtsgrundlage für den Zivildialog zwischen den Organen der EU und der organisierten Zivilgesellschaft?

 
  
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  Diamantopoulou, Kommission.(EL) Bei der Vorbereitung des Weißbuchs über neue europäische Entscheidungsstrukturen mit dem Titel „Stärkung der Demokratie in Europa“ wird die Rolle der Zivilgesellschaft bei den neuen Formen der Demokratiegestaltung in Europa und in allen Mitgliedsländern ganz eindeutig eines der Hauptthemen sein.

Das Niveau und die Formen der Zusammenarbeit der Kommission mit den Nichtregierungsorganisationen sind ein besonderes Anliegen aller Ressorts, deren Programme durch die Nichtregierungsorganisationen umgesetzt werden, und meines Erachtens gerade im Bereich der sozialen Themen besonders wichtig.

Bekanntlich wird gegenwärtig auf der Grundlage des Arbeitsdokuments der Kommission mit dem Titel „Die Kommission und die Nichtregierungsorganisationen – Stärkung der Partnerschaft“ ein Dialog geführt. Ziel dieses Dialogs ist die Erarbeitung neuer Vorschläge, und zwar im Hinblick auf wichtige politische Themen, aber auch Verfahrensfragen: politische Themen wie beispielsweise die Repräsentativität der Organisationen und Verfahrensfragen wie deren Finanzierung und Arbeitsweise. Im Rahmen dieses Dialogs bin ich am 30. März 2000 mit den Mitgliedern der Plattform der europäischen Nichtregierungsorganisationen zusammengekommen, um einen Dialog zu zwei Themenkomplexen zu führen: erstens zu den von ihnen vorgelegten Vorschlägen, die für die Sozialagenda durchaus wertvoll waren, und zweitens zu Fragen in Bezug auf die Repräsentativität und Organisation der im sozialen Bereich auf europäischer Ebene tätigen Nichtregierungsorganisationen, ihre wirtschaftlichen Probleme und ihre besonderen Verfahrensprobleme bei der Finanzierung, der Qualität und den Vorgaben für die von den Nichtregierungsorganisationen erbrachten Dienstleistungen. Im Rahmen dieses Dialogs ist ihr Beitrag natürlich außerordentlich wichtig.

Erst kürzlich, im Juni, fand eine Tagung der dienststellenübergreifenden Gruppe des Generalsekretariats und der Plattformen der europäischen Nichtregierungsorganisationen im Sozial- und Entwicklungsbereich statt, und dieser Dialog wird unserer Überzeugung nach bald abgeschlossen sein, so dass die Kommission nach der Bewertung der bisherigen Zusammenarbeit, der Bewertung des institutionellen Rahmens, innerhalb dessen die Nichtregierungsorganisationen tätig sind, in der Lage ist, einen neuen, umfassenden Vorschlag vorzulegen, womit sowohl deren institutionelle Rolle als auch deren Wirkungsmöglichkeiten gestärkt werden.

 
  
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  Kinnock, Glenys (PSE).(EN) Vielen Dank. Ich stimme Ihnen im Grundsatz zu. Dies gilt insbesondere für den ersten Teil Ihrer Antwort. Ich begrüße es, dass die NRO im Rahmen der Aktionsprogramme zur Bekämpfung der Ausgrenzung und Diskriminierung gefördert werden. Ich möchte jedoch eine ganz spezielle Frage stellen: Weshalb werden, wie mir gesagt wurde, nur acht oder neun NRO durch diese beiden Haushaltslinien gefördert?

Zweitens haben die NRO den Eindruck, dass man ihnen in unfairer Weise den Zugang zur Kernfinanzierung verwehrt. Meines Wissens werden die NRO in die Projektfinanzierung gedrängt, und 18 im Umweltbereich tätige NRO erhalten zum Beispiel von der Kommission finanzielle Unterstützung bei der Deckung ihrer laufen Kosten. Zwei Jahre nach dem Einfrieren des Haushalts 1998 halte ich es nun für angebracht, dass die Kommission auf die Forderungen der im sozialen Bereich tätigen europäischen NRO nach einer Kernfinanzierung zur Deckung ihrer Betriebskosten reagiert.

 
  
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  Diamantopoulou, Kommission. – (EN) Wie Ihnen bekannt ist, bestehen insbesondere in Bezug auf die Wahrnehmung sozialer Aufgaben durch die NRO Vorschriften über die Größe, die Repräsentativität und die Ergebnisse dieser NRO. Uns ist bekannt, dass im sozialen Bereich zahlreiche NRO tätig sind, und es ist für die Generaldirektion der Kommission nur schwer zu beurteilen, mit welchen dieser NRO sie zusammenarbeiten kann. Manchmal herrscht auf nationaler Ebene ein großes Durcheinander. Wir haben deshalb beschlossen, gemeinsam mit den NRO Kriterien festzulegen, aufgrund derer wir NRO für die Zusammenarbeit auswählen können. Daher müssen wir das Problem der Repräsentativität lösen und uns mit der Schaffung eines Netzwerks auf europäischer Ebene befassen.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 53 von Mihail Papayannakis (H-0675/00):

Betrifft: Beschäftigung in Griechenland

In ihrer Antwort auf meine mündliche Anfrage H-0778/99(3) betreffend den griechischen Aktionsplan für die Beschäftigung erklärte die Kommission, dass die griechische Regierung das Problem bezüglich der Schwierigkeiten bei der Registrierung der Arbeitslosigkeit anerkennt und sich daher verpflichtet hat, zum ersten die öffentlichen Arbeitsvermittlungsdienste zu reorganisieren, zum zweiten effiziente Einrichtungen zur Förderung der Beschäftigung ins Leben zu rufen und zum dritten ein Computersystem mit Beschäftigungskarteien einzuführen sowie gebräuchliche elektronische Mittel einzusetzen, um die Ausführung all dieser Politiken zu überwachen.

Wie hoch ist die derzeitige Arbeitslosenrate in Griechenland? Inwiefern erfüllt die griechische Regierung die Verpflichtungen, die sie in den vorgenannten Bereichen eingegangen ist? Kann die Kommission Statistiken bezüglich der Zahl der Arbeitsplätze vorlegen, die aufgrund der Ausführung der Beschäftigungsprogramme geschaffen wurden, d.h. wie viele Arbeitslose haben eine Beschäftigung gefunden?

 
  
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  Diamantopoulou, Kommission. – (EL) Den Angaben von Eurostat zufolge betrug 1998 die Arbeitslosenquote in Griechenland 10,7 %, während der europäische Durchschnitt im gleichen Zeitraum bei 9,9 % lag. Derzeit verfügt Eurostat zwar noch nicht über Angaben für Griechenland für 1999, die Schätzungen für das betreffende Jahr liegen aber bei 10,4 %. Es fehlen also eindeutig aussagekräftige statistische Angaben über die Entwicklung der Arbeitslosenrate, was die Bewertung der Politiken und Maßnahmen erschwert, die im Rahmen des neuen Aktionsplans für Beschäftigung sowie der neuen von der griechischen Regierung auf der Basis dieses Aktionsplans für Beschäftigung angekündigten Maßnahmen umgesetzt werden und die in die richtige Richtung weisen.

Es liegen jedoch wesentliche Zusicherungen vor, die folgende Bereiche betreffen: erstens die Organisation und Anpassung der statistischen Dienste und Arbeitsbereiche in Griechenland an die der europäischen Länder sowie die von Eurostat, denn ohne statistisches Fundament lassen sich spezielle Politiken natürlich nur schwer auf den Weg bringen, und zweitens eine beschleunigte Umstrukturierung der öffentlichen Dienste, der Arbeitsvermittlungsdienste sowie der statistischen Dienste. Diese Umstrukturierung soll bis Ende 2001 abgeschlossen sein.

Der Kommission liegen keine Daten darüber vor, wie viele Erwerbslose dank der verschiedenen Beschäftigungsprogramme in Griechenland wieder Arbeit gefunden haben, weshalb zugesichert wurde, die Ausbildungsprogramme in Zusammenarbeit mit der Kommission ständig zu bewerten, so dass man einen exakten Überblick über diejenigen hat, die solche Ausbildungsprozesse durchlaufen.

Ihre Anfrage fällt wohl mit der Übermittlung der Empfehlungen an alle Länder zusammen. Die wichtigsten Griechenland betreffenden Empfehlungen beziehen sich auf die Neuordnung der Statistiken, der Indizes, der Studien und der Arbeitsvermittlungsdienste, die gründliche Untersuchung der Tatsache, dass steuerliche Regelungen und Gemeinschaftshilfen bisweilen eher von der Suche nach einem Arbeitsplatz abhalten, die Förderung des lebenslangen Lernens und die Einbeziehung der Sozialpartner in diesen Prozess, die Stärkung des Unternehmergeistes und die Vereinfachung der Verfahren zur Gründung neuer Unternehmen sowie die Ermutigung der Sozialpartner, im Hinblick auf die Modernisierung der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse zusammenzuarbeiten und gleichzeitig Flexibilität und Sicherheit zu gewährleisten.

 
  
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  Papayannakis (GUE/NGL).(EL) Herzlichen Dank, Frau Kommissarin. Mir liegen fast die gleichen Statistiken vor wie Ihnen, genau genommen halte ich gerade die letzte Ausgabe des Bulletins von Eurostat vom 5. September 2000 in der Hand. Das sind ungefähr die Zahlen.

Folgendes möchte ich unbedingt hervorheben: Schon seit sehr vielen Jahren, lange bevor Sie, Frau Kommissarin, in Ihrer Funktion ernannt wurden, bemühe ich mich, in Erfahrung zu bringen, wie viele Menschen, sei es auch grob geschätzt, durch die Beschäftigungsmaßnahmen Arbeit gefunden haben, aber das ist mir noch nicht gelungen. Welche Aussicht besteht, dass wir irgendwann einmal darüber informiert werden, meinetwegen auch nur in Bezug auf eine Aktion, wenn schon keine allgemeinen Angaben verfügbar sind?

Zweitens sagten Sie, bis Ende 2001 würden wir Ergebnisse haben. Ich halte es jedenfalls für vollkommen inakzeptabel, angesichts dieser Daten derzeit auch nur irgendeine Debatte zu führen, wenn für alle Länder und nach Monaten aufgeschlüsselt alle Arbeitslosenzahlen insgesamt sowie nach verschiedenen Kriterien vorliegen und nur die Spalte für Griechenland leer bleibt. Ich frage mich, was wir da noch diskutieren sollen. Entschuldigen Sie, dass ich das so offen ausspreche, aber ich bin mit meiner Geduld langsam am Ende.

 
  
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  Diamantopoulou, Kommission.(EL) Griechenland befindet sich in einer Übergangsphase, die meines Erachtens mit dem ersten Zeitraum vergleichbar ist, in dem die Politiken für seinen Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion umgesetzt wurden.

In bestimmten Bereichen, die genannt wurden, besteht zweifellos Nachholbedarf im Vergleich zu anderen Ländern. Ich stimme Ihnen zu, dass vor allem der Aspekt der statistischen Angaben ganz besonders wichtig ist, nicht nur für die Bewertung, sondern auch für die Umsetzung von Politiken. Die im Rahmen des Aktionsplans für Beschäftigung eingegangene Verpflichtung ist eindeutig, die Empfehlungen beziehen sich auf diesen konkreten Gegenstand, die Richtlinien sowie die Leitlinien für Beschäftigung für das Jahr 2000 messen ihm Priorität bei, und er ist eines der Themen, zu denen die griechische Regierung verbindliche Zusagen gemacht hat. Im nächsten Jahr um dieselbe Zeit werden wir hoffentlich Erfreulicheres zu vermelden haben.

 
  
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  Hatzidakis (PPE-DE).(EL) Frau Kommissarin, Sie persönlich sind mir ja ganz sympathisch, aber von der griechischen Regierung kann ich das wirklich nicht behaupten, insbesondere wenn es um Beschäftigungsfragen geht, und dies ist an den Resultaten abzulesen. Es wird aber auch aus Ihren bisherigen Ausführungen deutlich. Wie kann man denn eine Beschäftigungspolitik machen, wenn man nicht einmal weiß, wie es um die Beschäftigungslage bestellt ist, wenn man nicht einmal weiß, wie viele Menschen dank der Ausbildungsprogramme Arbeit gefunden haben?

Ich möchte mich auf einen Punkt konzentrieren und Ihnen eine konkrete Frage stellen, damit unsere Debatte hier nicht ausufert. Was sollte sich Ihrer Meinung nach speziell im Bildungsbereich im vor uns stehenden Zeitraum 2000–2006 im Vergleich zum abgelaufenen ändern, was werden Sie der griechischen Regierung dahingehend vorschlagen, da wir doch alle den Eindruck haben, dass die Dinge bisher nicht sonderlich gut gelaufen sind, selbst wenn wir keine genauen Angaben haben. Schon die vorliegenden Daten beweisen doch, dass sich die Lage zusehends verschlechtert. Was wird sich also im Zeitraum 2000–2006 ändern?

 
  
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  Diamantopoulou, Kommission.(EL) Eingangs möchte ich darauf hinweisen, dass in jedem Land aus historischen und politischen Gründen eine andere Ausgangssituation herrscht und dass sich in den nächsten fünf Jahren allen Ländern die große Chance bietet, sowohl die Strategien als auch die Mittel im Rahmen des dritten Gemeinschaftlichen Förderkonzepts zu nutzen.

Was konkret den von Ihnen angesprochenen Bildungsbereich betrifft, so gibt es in Griechenland bekanntlich das mit der Kommission vereinbarte Nationale Zertifizierungszentrum EKEPIS, eine Einrichtung mit sehr zufriedenstellenden Ergebnissen und positiven Bewertungen, das die Zertifizierungsverfahren im kommenden Planungszeitraum abschließen wird. Erstmalig werden damit Ausbilder und Programme zertifiziert.

Zweitens muss die Ausrichtung der Ausbildung mit den Entscheidungen des Landes auf dem Gebiet der Dienstleistungen und der Informationsgesellschaft verknüpft, die Schwerpunktsetzung in der Ausbildung also auf die Entscheidungen des Landes abgestimmt werden.

Drittens ist die Schaffung von Zentren für Beschäftigungsförderung abzuschließen. Bisher sind 24 solcher Zentren entstanden. Der auf nationaler Ebene erstellten Planung zufolge sollen es mindestens 100 sein. Diese Zentren müssen von der herkömmlichen Erbringung von Dienstleistungen für Arbeitslose abkommen und zu Modellen übergehen, wie wir sie heute auch in der Europäischen Union haben, also Modellen der Erbringung individualisierter Leistungen für Arbeitslose. Natürlich sind auch die Pläne zur Einführung einer elektronischen Beschäftigungskarte umzusetzen, damit man die Situation im Auge behalten kann. Der Aktionsplan für Beschäftigung für das Jahr 2000 enthält solche Verpflichtungen. Auch die Finanzmittel zur Realisierung dieser Programme sind vorhanden, und sie müssen sich im Zeitraum 2000–2006 meiner Einschätzung nach, was den Ausbildungsbereich betrifft, auf die von mir genannten konkreten Punkte ausrichten.

 
  
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  Der Präsident. – Da die Fragestellerin nicht anwesend ist, ist die Anfrage Nr. 54 hinfällig.

Die Anfragen Nr. 55, 56 und 57 werden schriftlich beantwortet(4).

 
  
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Anfragen an Herrn Fischler

  Der Präsident.

Anfrage Nr. 58 von Guido Sacconi (H-0602/00):

Betrifft: Verzögerungen bei der Ausstellung der „Bescheinigung über Nahrungsmittelspezifität“

1994 wurde nach langen Vor- und Forschungsarbeiten sowie Diskussionen in der italienischen Branche ein Dokument über naturreinen Bienenhonig gemäß der Verordnung 2082/1992/EG(5) fertiggestellt. Dieses Dokument wurde, versehen mit einem Antrag auf „Bescheinigung über Nahrungsmittelspezifität“ vom Verband für naturreinen Bienenhonig vorbereitet und der Kommission am 8. September 1995 vom italienischen Umweltministerium übersandt. Es dauerte bis August 1999, bis die positive Stellungnahme der Kommission eintraf, die erst nach mehrmaliger Intervention der italienischen Regierung und Minister De Castro persönlich erfolgte. Seither hat der Förderverband keinerlei Nachricht mehr erhalten. Kann die Kommission, nachdem nun 11 Monate vergangen sind und die oben genannte Verordnung klar definierte Fristen für die Ausstellung der Bescheinigung vorsieht, mitteilen, welche Hindernisse der offiziellen Ausstellung der Bescheinigung entgegenstehen und wie sie diese zu beseitigen gedenkt?

 
  
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  Fischler, Kommission. - Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Eintragungsantrag auf miele vergine integrale, um den es hier geht, steht leider nicht im Einklang mit den Anforderungen der geltenden Rechtsvorschriften in der Gemeinschaft. Insbesondere die Verwendung dieser Bezeichnung steht im Widerspruch zu der bisherigen Richtlinie 409 aus dem Jahr 1974. Daher konnte bisher dem italienischen Antrag auf Schutz durch Bescheinigung besonderer Lebensmittelmerkmale im Sinne der Verordnung 2082 nicht stattgegeben werden. Wie Sie aber wissen, gibt es einen Vorschlag, diese Richtlinie zu ändern.

Sobald nun der Rat und das Parlament die Richtlinie geändert haben und eine solche Bezeichnung zulässig sein wird, kann auch die Prüfung des Antrags für den genannten Honig endlich zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden.

 
  
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  Sacconi (PSE). - (IT) Herr Kommissar, ich danke Ihnen sehr für Ihre präzise Anwort, mit der ich mich allerdings nicht zufrieden geben kann.

Mir ist bekannt, dass die Kommission vor 11 Monaten eine befürwortende Stellungnahme abgegeben hat, wie meiner Anfrage zu entnehmen ist. Inzwischen wurde zwar der Gemeinsame Standpunkt zu der Richtlinie geändert, und das Parlament wird demnächst eine Aussprache darüber führen. Trotzdem meine ich, dass man bei der Bezugnahme auf die Verordnung 2082/92 von dieser Richtlinie absehen und dass man die Richtlinie und die Verordnung getrennt voneinander betrachten kann.

Ich bitte daher diesbezüglich um eine weiter Klarstellung, weil ich anderenfalls den italienischen Landwirten keine gute Nachricht überbringen könnte.

 
  
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  Fischler, Kommission. - Herr Präsident, Herr Abgeordneter, das ist ganz einfach zu klären. Wir können keinen Herkunftsschutz für ein Produkt einführen, wenn eine solche Schutzbezeichnung im Widerspruch zu einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung steht. Daher ist es eine Voraussetzung, dass zuerst eben diese geänderte gemeinschaftsrechtliche Regelung in Kraft tritt, denn dann besteht eben dieser Widerspruch nicht mehr. Dann haben wir auch kein Problem mehr, den von der italienischen Regierung oder der betroffenen Region gewünschten Schutz auch zu erklären.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 59 von Patricia McKenna (H-0609/00):

Betrifft: EU-Beihilfen für Coillte

Gemäß einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom August 1999 hat Coillte von 1993 bis 1999 unrechtmäßig EU-Aufforstungsbeihilfen zum Ausgleich von Einkommensverlusten nach der Aufforstungsbeihilfen-Verordnung 2080/92(6) in Höhe von £ 6,5 Mio. erhalten. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass Coillte, das für die forstwirtschaftliche Entwicklung zuständige halbstaatliche irische Unternehmen, eine öffentliche Stelle sei und daher keinen Anspruch auf diese Beihilfen habe.

Ist die Kommission angesichts dieses Urteils der Auffassung, dass Coillte keinen Anspruch auf weitere Beihilfen in Höhe von £ 30,5 Mio. im Zuge der nächsten Runde der Aufforstungsbeihilfen nach der Verordnung 2080/92 hat?

 
  
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  Fischler, Kommission. - Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Frage der Frau Abgeordneten läuft darauf hinaus, ob das Unternehmen Coillte befugt ist, aus Mitteln des Agrarfonds, und zwar Abteilung Garantie, kofinanzierte Beihilfen zum Ausgleich von Einkommensverlusten bei Aufforstungsmaßnahmen im Sinne der Verordnung 2080 aus dem Jahr 1992 zu beziehen.

Ich möchte klarstellen, dass es zu dieser speziellen Frage kein Urteil des Gerichtshofs gibt. Es trifft jedoch zu, dass die Kommission dieses Unternehmen Coillte als ein staatliches Unternehmen einstuft, weil sich dieses Unternehmen im irischen Staatsbesitz befindet. Damit besteht kein Anspruch auf Beihilfen zum Ausgleich von Einkommensverlusten. Diese Beihilfen sind nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Aufforstungsverordnung Landwirten und anderen natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts vorbehalten. Deshalb beabsichtigt die Kommission, die Kofinanzierung der gezahlten Beihilfe rückwirkend vom 1. August 1996 an abzulehnen.

Für die Jahre 1997 und 1998 geht es um einen Gesamtbetrag von etwa 4,8 Millionen Euro. Diese finanzielle Berichtigung wurde von den irischen Behörden im so genannten Schlichtungsverfahren angefochten. Die Schlichtungsstelle ist derzeit noch an der Arbeit und hat diese Frage noch nicht abschließend behandelt. Die Kommission vertritt in diesem Verfahren den Standpunkt, dass die irischen Behörden bisher keinen Nachweis vorgelegt haben, dass Coillte als privatwirtschaftliches Unternehmen einzustufen wäre.

Die Kommission kann auch weder den von der Frau Abgeordneten genannten Betrag von 6,5 Millionen Pfund bestätigen noch den Betrag von 30,5 Millionen, der sich offenbar auf künftige Zahlungen bezieht. Die Kommission wird jedoch auch bei allen künftigen Anträgen denselben Standpunkt einnehmen, den sie bisher vertreten hat.

 
  
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  McKenna (Verts/ALE). – (EN) Ich begrüße die Antwort der Kommission sehr, da die Finanzierung des Unternehmens Coillte durch den Staat erfolgte, durch den es auch gegründet wurde. Coillte ist ein halbstaatliches Unternehmen, das für die forstwirtschaftliche Entwicklung zuständig ist. Nun hat das Unternehmen das Geld, das es aus diesen Zinszahlungen erhalten hat, für den Erwerb von Land verwendet. Das ist ebenso interessant wie die Tatsache, dass der Vorstand dieses Unternehmens der frühere Agrarkommissar Ray MacSharry ist, der sich nach wie vor weigert, anzuerkennen, dass Coillte eine öffentliche Stelle ist und deshalb keinen Anspruch auf solche Zahlungen hat. Bei einer kürzlichen Besprechung mit Coillte wurde mir mitgeteilt, dass die Regierung diese Entscheidung anfechten wird. Ich halte dieses Revisionsverfahren für eine Verschwendung von Steuergeldern, da jedem, der auch nur über ein Quäntchen gesunden Menschenverstand verfügt, klar ist, dass Coillte dieses Geld nicht zusteht. Besonders empörend ist, dass sie letztlich den Menschen das Geld weggenommen haben, die es hätten bekommen sollen, damit sie nicht aus den ländlichen Regionen abwandern und damit sie ihre Einkommensverluste ausgleichen können. Ich bitte die Kommission, dafür zu sorgen, dass Coillte kein Geld mehr erhält, da dem Unternehmen das Geld von Anfang an nicht zustand, und ich hoffe, dass die Kommission sich für die Rückzahlung des Geldes durch Coillte einsetzen wird. Von Coillte wird nun behauptet, der Staat müsse das Geld zurückzahlen, aber das ist auch nicht akzeptabel.

 
  
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  Fischler, Kommission. - Herr Präsident! Ich kann dem eigentlich nichts hinzufügen. Das ist genau die Position der Kommission, die die Frau Abgeordnete hier dargestellt und dargelegt hat. Es kann keine Frage sein, dass ein Staat als Staat und, wie in diesem Fall, 100%iger Eigentümer eines Unternehmens kein Einkommensbezieher ist und daher auch keine Einkommensverluste aufweisen kann. Daher ist es klar, dass diese Mittel zurückgezahlt werden müssen und dass dieses Unternehmen auch keine neuen Gelder bekommen kann.

Darüber hinaus kann ich Ihnen, was das Schlichtungsverfahren anbelangt, sagen, dass dieses Schlichtungsverfahren nicht einem schiedsgerichtlichen Verfahren gleichkommt, sondern nur die Meinung einer Einrichtung darstellt, die von der Gemeinschaft geschaffen wurde. Die Schlussfolgerungen sind jedoch für die Kommission, wie wir das ja auch schon mehrmals hier im Parlament erörtert haben, nicht bindend. Auf der anderen Seite steht es natürlich jeder Partei offen, dann zum EuGH zu gehen, aber es liegt nicht in unserer Kompetenz, darüber zu entscheiden.

 
  
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  Der Präsident. – Da der Fragesteller nicht anwesend ist, ist die Anfrage Nr. 60 hinfällig.

Anfrage Nr. 61 von María Izquierdo Rojo (H-0618/00):

Betrifft: Kosten der Erweiterung und Landwirtschaft im Mittelmeerraum

Die Prognosen und die letzten Legislativvorschläge zur Landwirtschaft im Mittelmeerraum für Erzeugnisse wie Baumwolle, Reis, Obst und Gemüse, Tomaten, Schalenfrüchte und Olivenöl dürften sich äußerst nachteilig auf die Beschäftigung und den sozialen Fortschritt in diesen armen Gegenden Europas auswirken. Dabei spielen auch die Budgetplanungen im Hinblick auf die Erweiterung der EU eine Rolle. Wie will die Kommission vermeiden, dass im Endeffekt die Landwirte im Mittelmeerraum für die Kosten der nächsten Erweiterung aufkommen müssen?

 
  
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  Fischler, Kommission. - Herr Präsident, ich möchte Ihnen sagen, dass ich diese Frage deshalb für wichtig halte, weil sie die Gelegenheit für eine Klarstellung bietet. Denn es wird hier eine Verbindung zwischen der Art und Weise hergestellt, wie die südlichen Staaten und die südlichen Produkte behandelt werden, und der Erweiterung. Frau Abgeordnete, ich kann Ihnen wirklich versichern, dass die geplanten Reformen in den genannten Sektoren, die Sie in Ihrer Anfrage genannt haben, wirklich nichts mit der Erweiterung zu tun haben. Der Zeitplan, der hier vorgesehen ist, ergibt sich nämlich aus den Verpflichtungen, die die Kommission eingegangen ist, nachdem der Rat die entsprechenden Verordnungen erlassen hat. Sie ergeben sich auch aus der Notwendigkeit, dass wir die Wirksamkeit der Instrumente der gemeinsamen Agrarpolitik unter Berücksichtigung der Marktentwicklung in vollem Umfang gewährleisten.

Die Reformvorschläge der Kommission dienen letztlich der Realisierung des europäischen Agrarmodells in diesen Sektoren. Es geht darum, die Nachhaltigkeit in all ihren drei Dimensionen sicherzustellen. Wir wollen die wirtschaftlichen, die sozialen und die umweltpolitischen Ziele in diesen Bereichen miteinander in Einklang bringen. Die Beschäftigung und der soziale Fortschritt insbesondere in den ländlichen Gebieten im Mittelmeerraum spielen dabei natürlich eine ganz wichtige Rolle.

Da die gemeinsame Agrarpolitik nach der Agenda 2000, wie Sie wissen, auf zwei Pfeilern aufgebaut ist, und die Durchführung der neuen Entwicklungspläne für den ländlichen Raum, insbesondere in den Ziel I-Gebieten einen spürbaren Beitrag zur Erreichung dieser Ziele leisten, ist es, glaube ich, auch klar, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

In der Finanziellen Vorausschau, auf die sich der Europäische Rat im letzten Jahr in Berlin geeinigt hat, gibt es eine strikte Trennung zwischen den Mittelbindungen für die 15 Mitgliedstaaten und zwischen den zusätzlichen Mitteln, die für die Beitrittsländer vorgesehen sind. Es gibt deshalb zur Zeit gar nicht die Möglichkeit, Mittel, die für die EU 15 bestimmt sind, für Ausgaben für künftige Mitglieder, also für die Kandidatenländer heranzuziehen. Daher ist diese Sorge, die hier geäußert wurde, aus meiner Sicht wirklich nicht begründet.

 
  
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  Izquierdo Rojo (PSE).(ES) Herr Kommissar! Vielleicht könnten Sie mir auf die folgende, für die Erweiterung außerordentlich wichtige Frage deutlicher antworten:

Beinhalten die einschlägigen Bestimmungen der Gemeinschaft, die auf die Kandidaten ab ihrem Beitritt Anwendung finden – der so genannte gemeinschaftliche Besitzstand – Ihrer Meinung nach konzeptionell die von der GAP finanzierten Beihilfen und Unterstützungen?

 
  
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  Fischler, Kommission. - Herr Präsident, sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich nehme an, wenn Sie von den Beihilfen sprechen, meinen Sie in erster Linie die Direktzahlungen, wie sie in den Marktordnungen vorgesehen sind und über die es im Zuge der Erweiterungsdebatte eine große Diskussion gibt.

Grundsätzlich haben Sie Recht. Auf Dauer gilt für alle Mitgliedstaaten dasselbe acquis communautaire. Es kann daher auch nur eine Gemeinsame Agrarpolitik geben, und nicht zwei verschiedene. Aber Sie wissen selber ganz genau - und das war bisher in jedem Erweiterungsfall so, mit Spanien, mit Portugal, mit allen anderen Staaten -, dass es im Beitrittsvertrag, der ja ein Primärrecht darstellt, Übergangsregelungen gibt, und in diesen Übergangsregelungen sind natürlich auch Ausnahmen vom acquis communautaire enthalten. Das ist ja der Sinn von Übergangsregelungen. Daher kann man die Frage, ab wann die neu hinzukommenden Mitgliedstaaten tatsächlich in vollem Umfang Direktzahlungen, wie sie in den gemeinsamen Marktordnungen vorgesehen sind, bekommen, erst nach Abschluss der Erweiterungsverhandlungen beantworten. Denn diese Frage ist ja genau Gegenstand der Erweiterungsverhandlungen.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 62 von Marjo Matikainen-Kallström (H-0633/00):

Betrifft: Beihilfen für Tabakanbau

Der Tabakanbau wird in der Europäischen Union jährlich mit mehreren Millionen Euro unterstützt, während gleichzeitig im Jahr über eine halbe Millionen EU-Bürger an durch Tabak hervorgerufenen Krankheiten sterben. Die für den Tabakanbau vorgesehenen Beihilfen müssen so umgeschichtet werden, dass sie die Landwirte dazu anspornen, Tabakpflanzen durch der Gesundheit eher förderliche Kulturen zu ersetzen.

Wie beabsichtigt die Kommission, künftig die Grundsätze für die Vergabe strukturpolitischer Beihilfen zu ändern, damit der großflächige Tabakanbau in der Europäischen Union eingestellt wird? In welchen Zeiträumen ließen sich nach Ansicht der Kommission die Umsetzung der notwendigen Änderungen herbeiführen?

 
  
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  Fischler, Kommission. - Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fragestellung der Frau Abgeordneten ist ja aus meiner Sicht nicht gerade neu. Ich erinnere das Hohe Haus daran, dass die Kommission schon im Jahr 1996 dem Parlament und dem Rat einen Bericht über die gemeinsame Marktorganisation für Rohtabak vorgelegt hat. In diesem Bericht wurde auch darauf hingewiesen, dass dieser Sektor entscheidend zur Erhaltung der Lebensfähigkeit einiger zum Teil sehr benachteiligter Regionen in der Gemeinschaft, in denen es auch kaum Alternativen gibt, darstellt.

Angesichts der damals erstellten Analyse der sozialen und wirtschaftlichen Folgen einer Abschaffung der gemeinsamen Förderung des Tabakanbaus, wurde diese Möglichkeit verworfen. Sie wurde aber auch deshalb verworfen, weil der Nachweis erbracht wurde, dass die Anbauförderung auf den Tabakkonsum und damit auf das Gesundheitsrisiko in der Gemeinschaft praktisch keine Auswirkungen hat.

In der Folge wurde dann im Jahr 1998 der Tabaksektor tiefgreifend reformiert. Die Kernpunkte der Reform sind: Erstens, die Verbesserung der Qualität, insbesondere auch die Umstellung auf teer- und nikotinärmere Sorten. Zweitens, eine verstärkte Forschung, die aus dem gemeinschaftlichen Tabakfonds finanziert wird. Die Mittel wurden hier verdoppelt. Zu den vorrangigen Aufgaben dieser Forschung zählt, dass insbesondere die Möglichkeiten einer Umstellung vom Tabakanbau auf andere Aktivitäten untersucht wird. Drittens, im Bereich der Umstellung auf andere Kulturen sieht die Reform auch einen Mechanismus vor, nach dem Quoten von Landwirten zurückgekauft werden, die bereit sind, die Produktion aufzugeben. Damit wird diesen Landwirten sozusagen Geld angeboten, um ihre Umstellung auf andere Erzeugnisse zu erleichtern.

Diese Bestimmungen, die in der Tabakmarktordnung vorgesehen sind, können auch noch im Rahmen der Fördermaßnahmen für die ländliche Entwicklung ergänzt werden.

Schließlich möchte ich noch sagen, dass die Kommission die Maßnahmen, die im Zuge der Reform getroffen worden sind, selbstverständlich bewerten wird. Wir werden dem Europäischen Parlament bis zum 1. April 2002 einen Bericht über das Funktionieren der geänderten Marktordnung vorlegen.

 
  
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  Matikainen-Kallström (PPE-DE). - (FI) Herr Präsident! Herr Fischler! Für diese Antworten bin ich Ihnen dankbar, geht es doch um die Umschichtung der Beihilfen auf andere Erzeugnisse. Zu dieser Frage habe ich mich schon mehrfach geäußert, denn Tabak ist schließlich ein Problem, das die gesamte Menschheit sehr bewegt und vielen Menschen den Tod bringt. Was die von Ihnen erwähnten Analysen betrifft, möchte ich wissen, auf welche objektive Analysen sich diese stützen; ich bin nämlich besorgt um unser aller Gesundheit, aber auch um das Einkommen der Tabakerzeuger. Ihre Lebensgrundlage muss verändert und auf einem Niveau gehalten werden, damit sie sichere Erzeugnisse für uns alle anbauen können.

 
  
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  Fischler, Kommission. - Herr Präsident, sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es tut mir leid, dass am Anfang nicht gedolmetscht werden konnte. Um es kurz zu machen: Selbstverständlich sende ich Ihnen gerne die Analyse zu, die damals erstellt wurde. Es wurde auch die soziale Wirkung, die Einkommenswirkung in dieser Analyse geprüft. Die von Ihnen erbetenen Unterlagen werde ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen.

 
  
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  Purvis (PPE-DE).(EN) Ist der Kommissar über die Forschungen am Scottish Crop Research Institute in Invergowrie in der Nähe von Dundee informiert, die ergeben haben, dass Tabakpflanzen genetisch so verändert werden können, dass die Implantierung von Stoffen möglich ist, die potentielle Impfstoffe gegen Krebs produzieren? Das hätte nun wirklich niemand gedacht. Wäre es nicht wünschenswert, die europäische Tabakindustrie auf solche der Gesundheit förderliche Zwecke umzustellen und diese Forschungen weiter zu unterstützen?

 
  
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  Fischler, Kommission. - Herr Präsident, Herr Abgeordneter, ich muss Ihnen ganz offen sagen, ich bin über diese Forschungsergebnisse nicht informiert, aber vielleicht auch deshalb nicht, weil sie in erster Linie ja aus Gesundheitsüberlegungen heraus gemacht wurden und daher in die Zuständigkeit unseres Gesundheitskommissars fallen. Aber ich werde mich gerne darüber informieren. Nur, unabhängig davon, ob diese Ergebnisse positiv oder weniger positiv sind, müssen wir meiner Meinung nach - das dürfen wir nie vergessen - eigentlich die Raucher davon überzeugen, damit sie dann auch bereit sind, Zigaretten zu kaufen, die diesen Voraussetzungen entsprechen.

Es ist nicht ein Problem der Tabakerzeuger, denn die Tabakerzeuger werden sicher jenen Tabak erzeugen, den der Markt verlangt. Vielleicht ist es überhaupt das Beste, dabei zu bleiben, so wie ich das seit 15 Jahren - früher habe ich auch geraucht - praktiziere, nämlich am besten überhaupt nicht zu rauchen: Dann entsteht das Problem nur in sehr geringem Ausmaß.

 
  
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  Schierhuber (PPE-DE). - Herr Präsident! Gesundheitsvorsorge hat für uns alle in diesem Hause große Priorität. Wir wissen, dass der Tabakanbau in den Mitgliedstaaten verschiedene Prioritäten hat. Daher frage ich, obwohl ich Nichtraucherin war und bin, die Kommission: Meint die Kommission, dass, wenn heute der Tabakanbau in der Europäischen Union total - wie von machen gefordert wird - eingestellt würde, nicht trotzdem geraucht würde, weil durch Importe die Rauchwaren in die EU kämen?

 
  
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  Fischler, Kommission. - Frau Abgeordnete! Wenn man sich die Handelsbilanzen im Tabakbereich ansieht, stellt man fest, dass bereits jetzt ein sehr großer Teil vor allem der Tabake, die für die Zigarettenproduktion verwendet werden, importiert wird. Der Unterschied ist lediglich, dass wir mit Hilfe der Gemeinsamen Marktordnung gewissermaßen versuchen, einen Teil dessen, das ohnehin konsumiert wird, selbst zu erzeugen, um nicht alles zu importieren. Damit geben wir verschiedenen Familien eine Chance, aus diesem Anbau ein Einkommen zu beziehen.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das Gesundheitsproblem, das es im Zusammenhang mit Tabakkonsum zweifellos gibt, nur dadurch in den Griff zu bekommen ist, dass wir die Konsumenten darauf aufmerksam machen, welche gesundheitlichen Folgen der Tabakkonsum haben kann. Nur dann, wenn wir in der Lage sind, die Konsumenten zu überzeugen, wird auch der Verbrauch von Tabak zurückgehen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass man diese Frage von der Angebotsseite her steuern kann. Ökonomisch betrachtet geht das nur von der Nachfrageseite.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Fischler, für Ihre Antworten.

Die Anfragen Nr. 63 bis 109 werden schriftlich beantwortet(7).

Damit ist die Fragestunde mit Anfragen an die Kommission beendet.

(Die Sitzung wird um 19.25 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: GUIDO PODESTÀ
Vizepräsident

 
  

(1) Siehe Anhang „Fragestunde“.
(2) Siehe Anhang „Fragestunde“.
(3) Mündliche Antwort vom 18.1.2000.
(4) Siehe Anhang „Fragestunde“.
(5) ABl. L 208 vom 24.7.1992, S. 9.
(6) ABl. L 215 vom 30.7.1992, S. 96.
(7) Siehe Anhang „Fragestunde“.


12. Wasserpolitik
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  Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0214/00) von Frau Lienemann über den vom Vermittlungsausschuß gebilligten gemeinsamen Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (C5-347/2000 - 1997/0067 (COS)).

 
  
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  Lienemann (PSE), Berichterstatterin. – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass wir mit dieser Rahmenrichtlinie über die Wasserpolitik gemeinsam etwas Nützliches vollbracht haben.

Wir haben etwas Nützliches getan und gemeinsam einen Kompromiss erarbeitet, der jedoch hohe Anforderungen stellt, durch die meiner Ansicht nach ein qualitativer wie quantitativer Sprung in der Wasserwirtschaft ermöglicht wird. Auf lange Sicht muss unseren europäischen Mitbürgern überall qualitativ hochwertiges Wasser zur Verfügung stehen, egal ob es sich dabei um Oberflächen­ oder um Grundwasser handelt.

Der Kompromiss ist dem aktiven Engagement, dem vom Europäischen Parlament geschaffenen Kräfteverhältnis und der Mobilisierung aller Fraktionen, vor allem der Schattenberichterstatter, die mich unterstützt haben, sowie der Beteiligung des Vorsitzenden unserer Delegation, Herrn Provan, bei diesem schwierigen Vermittlungsverfahren zu verdanken.

Mein Dank gilt jedoch auch allen anderen Beteiligten, zu denen natürlich die Kommission gehört, die die Rolle des Vermittlers und des technischen Erneuerers übernehmen musste und dies auf konsequente und effiziente Weise getan hat, der Kommissarin sowie allen Dienststellen der Kommission. Zudem möchte ich mich beim Rat und vor allem bei der portugiesischen Präsidentschaft und ihrem Staatssekretär, Herrn Pedro Silva Perreira, bedanken, die diese Einigung möglich gemacht haben. Ich betone dies besonders, da für die Länder Südeuropas die Anforderungen dieser Richtlinie sicherlich schwieriger umzusetzen sind, als für andere Länder der Gemeinschaft, die sich bezüglich des Zugangs zu Wasser in einer vorteilhafteren Lage befinden.

In welchen Bereichen konnten nun entscheidende Fortschritte erzielt werden? Erstens: Die Richtlinie hat eine hohe Rechtsverbindlichkeit. Zweitens: Durchsetzung einer Forderung, die wir im Parlament als wesentlich erachtet haben, nämlich die Beseitigung und vollständige Einstellung des Ableitens prioritärer gefährlicher Stoffe. Sie kennen die Forderungen unseres Hauses, dass unsere Richtlinie mit den im Rahmen internationaler Konventionen, vor allem dem OSPAR­Abkommen, eingegangenen Verpflichtungen übereinstimmen soll, worauf auch die Richtlinie erneut hinweist. Der eingeleitete Mechanismus ermöglicht die regelmäßige, in vierjährigen Abständen erfolgende Erstellung einer Liste der prioritären Stoffe, deren Mengen zu reduzieren sind, und der prioritären gefährlichen Stoffe, die schlicht und einfach zu beseitigen sind.

Drittens waren wir mit dem kritischen, grundlegenden Problem der Grundwasservorkommen konfrontiert. Wir standen vor der schwierigen Aufgabe, eindeutige Kriterien für die Beurteilung des guten Zustands des Grundwassers festzulegen. Um diesen guten Zustand genauer zu beschreiben, wurde der Erlass einer Tochterrichtlinie zur Konkretisierung der Rahmenrichtlinie in Betracht gezogen. Das Parlament hegte die Befürchtung, dass diese neue Richtlinie Gelegenheit bieten würde, die notwendige Bekämpfung der Verschmutzung und die Sofortmaßnahmen zur Vermeidung der Verschmutzung des Grundwassers auszusetzen.

Daher haben wir uns dafür eingesetzt, und dies auch erreicht, dass für den Fall einer Ablehnung der Richtlinie durch die europäischen Abgeordneten ein Hinweis darauf aufgenommen wird, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen müssen, mittels derer ein guter Zustand des Grundwassers gewährleistet werden kann. Falls die Mitgliedstaaten dies nicht tun – und dies ist eine Art Damoklesschwert –, wenn also bezüglich der Verschmutzung 75 % der Norm für den guten Zustand des Grundwassers erreicht werden, wären sie zu diesem Zeitpunkt verpflichtet, Maßnahmen zur Trendumkehr zu ergreifen. Generell wird in der Richtlinie die Forderung des Parlaments berücksichtigt, zu gewährleisten, dass die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu einem Rückgang der gegenwärtig feststellbaren erhöhten Grundwasserverschmutzung beitragen.

Wie Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir meines Erachtens die Voraussetzungen dafür geschaffen, mit großen Schritten voranzuschreiten, und dies nicht nur was die wichtigsten Grundsätze betrifft, sondern auch hinsichtlich der uneingeschränkten Wirksamkeit unserer Entscheidungen.

Nichtsdestotrotz müssen wir alle wachsam sein. Zunächst was die Tochterrichtlinien betrifft, mittels derer die Rahmenrichtlinie abgewandelt wird. Wir werden uns im Rahmen der Mitentscheidung an der Ausarbeitung der Liste der prioritären Stoffe und der prioritären gefährlichen Stoffe beteiligen. Ein erster Bericht wird bereits durch die Kommission geprüft, und ein Berichterstatter wurde ernannt. Die zweite große Aufgabe unseres Hauses wird die inhaltliche Gestaltung der Grundwasserrahmenrichtlinie sein.

Kurz gesagt haben wir meiner Meinung nach die entscheidende Wegstrecke zurückgelegt. Wir werden in unserem gemeinsamen Engagement nicht nachlassen, doch ich habe das Gefühl, dass Europa an der Schwelle des 21. Jahrhunderts mit dieser Rahmenrichtlinie eine neue Ära einleitet, in der der Schutz dieser grundlegenden Ressource, des Wassers, zum Schwerpunkt des staatlichen Handelns und der Maßnahmen aller Akteure, Landwirte, Industrieunternehmen und Verbraucher, wird. In jedem Fall ist dies der Zweck unserer Richtlinie, und ich bin mir sicher, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten genauestens über ihre Umsetzung wachen werden.

 
  
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  Schleicher (PPE-DE). - Herr Präsident! Mit dem Vermittlungsergebnis zur Wasserrahmenrichtlinie beschließen wir eine für das Europäische Parlament harte, aber erfolgreiche zehnjährige Arbeit, und doch stehen wir damit gleichzeitig wieder am Beginn neuer, mindestens ebenso wichtiger Aufgaben. Seit Ende der 80er Jahre lagen eine Reihe Kommissionsvorlagen zur Überarbeitung bestehender Richtlinien vor, die aufgrund wissenschaftlicher und technischer Entwicklungen notwendig geworden waren. Bei der ersten Prüfung stellten wir im Umweltausschuss fest, dass weder Inhalte noch Begriffe aufeinander abgestimmt waren.

Auf Drängen unserer Fraktion führte der Ausschuss für Umweltfragen des Europäischen Parlaments im Juni 1995 dann eine Expertenanhörung zur Gewässerschutzpolitik der Europäischen Union durch. Die Expertenaussagen bestätigten unsere Besorgnisse. Rat und Kommission folgten der Forderung nach Erarbeitung einer umfassenden europäischen Gewässerschutzgesetzgebung. Das war die Geburtsstunde und Idee der heutigen Wasserrahmenrichtlinie. Im Februar 1996 legte die Europäische Kommission ihre Vorschläge in Form einer Mitteilung vor. Kollege Florenz von unserer Fraktion hat in einem sehr umfassenden Bericht die Ziele des Europäischen Parlaments und bestehende Defizite deutlich gemacht. Der unter großem zeitlichen Druck entstandene Kommissionsvorschlag vom Dezember 1996 wurde aufgrund der Auseinandersetzung des Umweltausschusses mit der Kommission 1997 in zwei Stufen ergänzt. Schließlich lag dann im Februar 1998 der endgültige offizielle Kommissionsvorschlag vor.

Durch diese enge Zusammenarbeit sind Parlament und Europäische Kommission nach und nach aufeinander zugegangen. Das gilt auch für die intensiven Beratungen der ersten und zweiten Lesung im Europäischen Parlament und während des Vermittlungsverfahrens. Für diese konstruktive Zusammenarbeit möchte ich den verantwortlichen Kommissarinnen Bjerregaard und Wallström und besonders auch den beteiligten Kommissionsbeamten ausdrücklich danken.

Aus Sicht des Parlaments ist das heute vorliegende Ergebnis ein großer Erfolg, der vor zwei Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Dazu gehören die Beseitigung der bisherigen zersplitterten EU-Gesetzgebung im Bereich des Gewässerschutzes, die Kohärenz der einschlägigen Wasserrichtlinien auf EU-Ebene, die Rechtsverbindlichkeit der Maßnahmen nach Artikel 4, die Fristverkürzung für die Erfüllung der Ziele der Richtlinie, die befriedigende Kostenregelung auch im Sinne Irlands, Einführung des kombinierten Ansatzes, nämlich Grenzwerte und Qualitätsziele für Schadstoffminderung festzulegen, wesentliche Verbesserungen der Anforderungen an den Grundwasserschutz im Vergleich zum Gemeinsamen Standpunkt und schließlich Einbeziehung des Ziels und der Definition der OSPAR-Konvention ohne zeitliche Vorgabe.

Ich möchte hier noch einmal ausdrücklich betonen, dass es für uns besonders wichtig ist, dass wir zwar die inhaltliche Übereinstimmung von internationalen Konventionen und Gemeinschaftsrecht erreichen wollen, nicht aber, dass automatisch der Inhalt von internationalen Konventionen rechtsverbindlich im Gemeinschaftsrecht festgeschrieben wird. Schließlich ist die Sicherstellung der Mitentscheidung bei den künftigen Verfahren zu erwähnen. So erfreulich dieses Ergebnis ist, können wir uns doch nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Es bedarf jetzt der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.

Besonders möchte ich natürlich auch der portugiesischen Präsidentschaft danken und schließlich ganz besonders auch der Berichterstatterin, Frau Lienemann. Unser gemeinsamer Erfolg war nur möglich, weil sie unglaublich engagiert und mit hohem Einsatz an Energie und Zeit gearbeitet hat. Es war für mich eine erfreuliche Zusammenarbeit. Ihnen, Frau Lienemann, und unseren eigenen Mitarbeitern im Haus gilt mein besonderer persönlicher Dank.

 
  
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  Myller (PSE). - (FI) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin Frau Lienemann von Herzen danken, weil sie – wie wir alle gesehen haben – so engagiert an ihre Arbeit gegangen ist. Das Parlament hat zudem seine Auffassungen hier recht gut einbringen können, wobei besonders der wichtige Aspekt hervorzuheben ist, dass es endlich auch bei uns Bedingungen geben wird, die die Einleitung gefährlicher Stoffe in das Grundwasser untersagen. Für meine Begriffe sollte es selbstverständlich sein, dass eine Substanz, wenn uns ihre Gefährlichkeit bekannt ist, auf keinen Fall in das Grundwasser gelangen darf, weil doch das Wasser für den Menschen unter anderem eine besonders wichtige Quelle der Gesundheit ist. Leider sind die Fristen für die Umsetzung dieser Richtlinie jedoch ziemlich lang angesetzt.

Insgesamt möchte ich feststellen, dass die Europäische Union in bestimmten Bereichen wirklich vorangekommen ist. Oft haben dabei Gesellschaft und Industrie ihren Beitrag geleistet. Land- und Forstwirtschaft sind mit ihrer gestreuten Gewässerbelastung aber nach wie vor ein Problem. Hier müssen mehr Ressourcen bereitgestellt werden. Für den Verbraucher ist natürlich relevant, wie der Verbrauch gesteuert wird, wobei Gebühren und Abgaben Priorität besitzen. Aus diesem Grunde kann ich nicht ohne weiteres verstehen, wie man überhaupt auf die Idee kommt, dass Wasser ein Gut ist, das aus gemeinsamen Steuergeldern finanziert wird, denn nur über die Gebühren kann der Verbrauch in vernünftige Bahnen gelenkt werden.

 
  
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  De Roo (Verts/ALE).(NL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor fast zehn Jahren haben Kohl und Major auf dem Gipfel in Edinburgh zueinander gesagt: Wir brauchen keine europäische Wasserpolitik. Wenn die Spanier ihr Wasser verschmutzen möchten, so sollen sie es ruhig tun. Bei der Deregulierung hat sich der Wind allerdings gedreht. 1996 hat die Kommission die ökologische Wasserrichtlinie vorgeschlagen. Diese umfasste jedoch lediglich fünf Seiten. Heute liegt uns ein stattliches legislatives Dokument – 60 Seiten plus 90 Seiten Anlage – vor, was der Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg, insbesondere der Kooperation der verschiedenen Fraktionen im Europäischen Parlament, zu verdanken ist, und ich möchte ausdrücklich Frau Lienemann, aber auch Chris Davis von der Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei Europas sowie Frau Schleicher von den Christdemokraten meinen Dank aussprechen.

Für die Grünen stellt das vorliegende Dokument zu 80 % einen Erfolg dar. Kein Erfolg ist die Festlegung der Wasserpreise. Ein Erfolg ist, dass für chemische Stoffe ein neuer Grundsatz gilt. Verboten werden chemische Stoffe künftig nicht mehr, weil sie auch für die menschliche Gesundheit gefährlich sind, sondern nach einem neuen Prinzip, wonach gefährliche Stoffe nicht ins Wasser gehören. Darauf können wir meines Erachtens stolz sein.

 
  
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  Sjöstedt (GUE/NGL).(SV) Herr Präsident! Die Vermittlung war verhältnismäßig kompliziert, da das Thema an sich äußerst umfassend und technisch komplex ist. Ein weiterer Grund dafür war, dass das Parlament und der Ministerrat bei Beginn der Vermittlung relativ weit voneinander entfernt standen.

Dass dennoch ein so gutes Ergebnis erzielt werden konnte, ist zum großen Teil auf die unermüdliche und engagierte Arbeit der Berichterstatterin, Frau Lienemann, zurückzuführen, der wir hiermit unseren Dank aussprechen wollen.

Natürlich hätte die Richtlinie noch kraftvoller und besser ausfallen können, z. B. was die Zeitpläne betrifft. Das wäre wünschenswert gewesen. Gleichzeitig ist jedoch offensichtlich, dass das Europäische Parlament in den Verhandlungen am meisten gewonnen hat und der Rat am meisten zurückstecken musste. Der deutlichste Beweis dafür ist, dass die Ziele verbindlichen Charakter erhalten haben, wie es vom Parlament gefordert wurde.

In einigen Teilen stellt die Richtlinie einen Rahmen mit noch unklarem Inhalt dar, nicht zuletzt was die stufenweise Einstellung der Einleitung gefährlicher Stoffe betrifft. Diese Frage soll nun in einer Tochterrichtlinie weiterbehandelt werden. Entscheidend für die Wirksamkeit der Richtlinie wird ihre Umsetzung und Überwachung sein. Alles zusammengenommen kann man sagen, dass die Grundlagen für eine kohärente Wasserpolitik und die langfristige Verbesserung der Wasserqualität gelegt wurden. Darum stimmen wir dem Entwurf mit Freude zu.

 
  
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  Ojeda Sanz (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich bemerken, dass ich diese Rede im Namen meiner Kollegin Cristina García Orcoyen halte, der es nicht möglich ist, an dieser Sitzung teilzunehmen.

Die morgige Annahme dieser Rahmenrichtlinie bedeutet einen großen Schritt vorwärts auf dem Wege der Kohäsion und der Harmonisierung der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Quantität und Qualität ihrer Gewässer. In dieser letzten Etappe des langen parlamentarischen Verfahrens zu dieser Richtlinie, insbesondere während des Vermittlungsverfahrens, hat es das Europäische Parlament verstanden, seine Argumente gegenüber dem Rat ohne Wenn und Aber zu verteidigen. Die hervorragende Koordinierung durch die Berichterstatterin und der von allen Fraktionen gezeigte Wille zur Verständigung haben zu einem abschließenden Text geführt, der in grundlegenden Aspekten, wie der Rechtsverbindlichkeit der Ziele, verstärkt wurde, ohne die unterschiedlichen Problemstellungen in den Mitgliedstaaten außer Acht zu lassen.

Gleichzeitig ist dem Rat zu gratulieren, dass er zur Flexibilität gegenüber den vom Parlament aufgeworfenen kritischen Punkten in der Lage war, und Glückwünsche gehen auch an die Kommission für ihre effiziente Vermittlungstätigkeit. Morgen beginnt eine neue, nicht weniger wichtige Etappe der Umsetzung der Richtlinie, an der das Europäische Parlament weiterhin ganz aktiv mitwirken muss, indem es die Erfüllung der Ziele und Fristen begleitet und kontrolliert und sich daraus ableitende Berichte oder Gesetzgebungsakte erarbeitet. Dazu wird es erforderlich sein, einen der schwächsten während der Ausarbeitung zutage getretenen Punkte nachzubessern: die absolute Notwendigkeit, mehr und bessere Mittel zur fachlichen Beratung im Zusammenhang mit Themen zu haben, die wie dieses ganz spezifische Kenntnisse erfordern und bei denen ein kleiner Rechenfehler in der Praxis zu teuren sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen führen kann.

Abschließend möchte ich den Aspekt hervorheben, der diese Richtlinie zu einem echten Werkzeug für eine nachhaltige Entwicklung macht: das erreichte Gleichgewicht bei der Betrachtung des Wassers als hochwertige Wirtschaftsressource und wesentliches Element für den Erhalt der Ökosysteme Europas. Ökonomie und Ökologie, ein so oft geschmähtes Begriffspaar, können einen wichtigen Schnittpunkt bei der Durchsetzung dieser Richtlinie bilden.

 
  
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  Breyer (Verts/ALE). - Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wasserrahmenrichtlinie enthält viele positive Ansätze für einen integrierten und ganzheitlichen Gewässerschutz. Doch bleiben die Zielvorgaben schwach, unklar und in ferner Zukunft. Wir können nicht dreißig Jahre warten, bis der Europäische Gerichtshof entschieden hat, ob die Umweltziele rechtlich nun verbindlich oder unverbindlich sind. Die Mitgliedstaaten sind gefordert, rasch die Qualität unserer Gewässer zu verbessern, um die Ziele in fünfzehn Jahren zu erreichen.

Beim Grundwasserschutz hat sich das Parlament leider den Interessen der industriellen Landwirtschaft gebeugt und ihr das Recht auf unverminderte Verschmutzung zuerkannt. Es liegt nun auch bei den Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass bestehende Standards nicht aufgeweicht werden. Daran wird auch der Erfolg der Wasserrahmenrichtlinie zu messen sein. Ein erneuter Kniefall vor der industriellen Landwirtschaft würde langfristig zur endgültigen Zerstörung unserer wichtigsten Trinkwasserressourcen führen. Wir freuen uns aber, dass den Grünen ein großer Durchbruch bei der Emission gefährlicher Stoffe gelungen ist, die nun auf der Liste prioritärer Stoffe identifiziert werden müssen. Hier müssen wir versuchen, wirklich auch den OSPAR-Vorgaben gerecht zu werden und ein unkalkulierbares hohes Risiko für die Umwelt und für die Gesundheit zu vermeiden.

 
  
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  Fiebiger (GUE/NGL). - Herr Präsident! Die zu erwartende Wasserrahmenrichtlinie lässt sich von dem berechtigten Grundsatz leiten, dass die Bürger der Europäischen Gemeinschaft ein Recht darauf haben, täglich Trinkwasser zu benutzen. Dafür soll per Gesetz Vorsorge getroffen werden. Ein einheitliches, einfaches und abgestimmtes Recht der Gemeinschaft zum Schutz der Gewässer und des Grundwassers ist zu begrüßen. Wichtige Richtlinien wie die zum Schutz der menschlichen Ernährung, zur kommunalen Abwasserbeseitigung, zum Pflanzenschutz und zu Nitraten werden überarbeitet und sowohl nach ökologischen als auch nach Ursprungskriterien neu definiert. Die Aufgaben haben also eine breite Definition.

Als Landwirtin spreche ich mich dafür aus, die berufsständischen Interessenvertreter enger einzubeziehen und ihre kritischen Hinweise ernsthaft aufzunehmen. Die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und insbesondere der Gartenbau sollten in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden, damit die erforderliche Kombination von freiwilliger Selbstverpflichtung und staatlicher Reglementierung erreicht wird. Die Forderungen nach Nullgrenzwerten sind nur per Gesetz kaum machbar. Die Umsetzung der Richtlinie stellt eine echte Herausforderung für die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft dar. Ich stimme der Berichterstatterin zu: Es geht nur gemeinsam!

 
  
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  Flemming (PPE-DE). - Herr Präsident, Frau Kommissarin! Es war eine sehr turbulente Nachtsitzung, in der sich Parlament, Rat und Kommission auf eine gemeinsame Wasserpolitik für alle Mitgliedstaaten einigten. Der ganz große Sieg des Parlaments besteht darin, dass diese Richtlinie verbindlich sein wird.

Erinnern wir uns doch: Einige Mitgliedstaaten haben sich bis zuletzt vehement dagegen gewehrt, verpflichtet zu werden, in Zukunft vorsichtiger und umweltbewusster mit ihrem eigenen Wasser umzugehen. Aber die Mitglieder des Europäischen Parlaments waren sich über alle Parteigrenzen hinweg - und das war etwas sehr schönes - ganz klar darüber einig: kein gemeinsamer Standpunkt ohne Rechtsverbindlichkeit.

Ein weiterer wichtiger Sieg der Parlamentarier war der Schutz des Grundwassers. Gefährliche Stoffe müssen innerhalb von zwanzig Jahren nach Veröffentlichung der Richtlinie zur Gänze aus dem Grundwasser verschwunden sein. Werden wir das schaffen? Welche gefährlichen Stoffe gemeint sind, muss ja noch in einem Anhang zur Richtlinie aufgelistet werden. Und es ist mir schon klar, dass es darüber sicherlich noch heiße Diskussionen geben wird. Aber ich glaube, das große Ziel, Europas Grundwasser zu schützen und für unsere Nachkommen zu erhalten, ist unbestritten. Der Umdenkprozess hat stattgefunden: ein ganz großer Sieg für die Politik, ein ganz großer Sieg für unsere Kinder!

 
  
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  Piétrasanta (Verts/ALE).(FR) Ich freue mich über den positiven Ausgang des Vermittlungsverfahrens zu diesem überaus wichtigen Bericht, der sich mit zahlreichen technischen Fragen zur Wasserpolitik beschäftigt. Diesen Erfolg verdanken wir der Unnachgiebigkeit, der Kompetenz und der Entschlossenheit unserer Berichterstatterin, Frau Lienemann.

So werden wir in diesem Bereich im Verlauf des kommenden Vierteljahrhunderts vor allem Fortschritte bezüglich des Schutzes, der vorbildlichen Verwaltung und der Erneuerung der Ressource sowie hinsichtlich der Erschließung und Nutzung neuer Wasservorkommen machen. Ich möchte zwei Punkte bezüglich der Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Wasser besonders hervorheben:

- Erstens sollte die Möglichkeit der Einrichtung eines einheitlichen Systems „Wasser und Umwelt“ in den einzelnen Ländern sowie auf Ebene der Union untersucht werden.

- Zweitens muss die Umsetzung der in der Richtlinie enthaltenen Vorschläge nicht nur auf Ebene der Europäischen Union überwacht und gefördert werden, sondern auch bezüglich der Beihilfen an Drittländer im Rahmen von Wasservorhaben, die Auswirkungen innerhalb eines Wasserökosystems haben, zu dem auch die Mitgliedstaaten gehören, aber auch Länder, wie z. B. MEDA­Vertragsstaaten, die bei den MAP-Vorhaben berücksichtigt werden müssen, und sogar andere Gebiete, wie das Obere Nilbecken oder die Schweiz.

 
  
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  Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident! Der im Text der neuen Rahmenrichtlinie im Bereich der Wasserpolitik erzielte Kompromiss ist im Großen und Ganzen positiv, obwohl er spezifische, polemische und kritische Aspekte enthält, die jedoch bei der Erarbeitung der verschiedenen Studien, Aktionsprogramme und Entwürfe für Regelungen, die im jetzt angenommenen Text vorgesehen sind, noch abgemildert werden können.

Es ist positiv, dass die Anforderungen an die Wasserwirtschaft in einem einheitlichen System integriert sind, und zwar die Bewirtschaftung des Einzugsgebietes, die sich auf geographische und hydrologische Bereiche und nicht auf Verwaltungs- und Staatsgrenzen bezieht, was insbesondere für Portugal bedeutsam ist, das seine größten Flüsse mit seinem Nachbarland Spanien teilt.

Ebenso positiv ist die Aussage, dass Wasser keine Handelsware wie andere ist. Daraus erwächst natürlich die Notwendigkeit besonderer Maßnahmen zum Schutz eines Gutes, das öffentlich ist, wobei jedoch stets die Interessen der Bevölkerung, insbesondere die Versorgung der Haushalte und der Landwirtschaft als Wirtschaftsbereich, vor allem der kleinen und Familienbetriebe, zu wahren sind. Es ist richtig, dass im endgültigen Text gesagt wird, die Mitgliedstaaten könnten die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sowie die geographischen und Klimabedingungen der betreffenden Region berücksichtigen. Dies erlaubt eine Anpassung an die unterschiedlichen Situationen der Mitgliedstaaten durch vorgesehene Streichungen, die sich jedoch für die Landwirtschaft im Süden, namentlich für Portugal, als unzureichend erweisen können. Wir werden dessen ungeachtet ihre praktische Umsetzung in den kommenden Jahren aufmerksam verfolgen.

 
  
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  Doyle (PPE-DE).(EN) Herr Präsident, dies ist eine Rahmenrichtlinie, mit der ehrgeizige Ziele zum Schutz und zur Verbesserung der Wasserqualität verfolgt werden, und bei der das Verursacherprinzip berücksichtigt wird. Das gesamte Regelwerk wird jedoch erst vollständig sein, wenn in den nächsten Jahren auch die entsprechenden Einzelrichtlinien in Kraft treten.

Bei der Gestaltung der Wasserpreise bis zum Jahr 2010 müssen Anreize für die Verbraucher zu einer rationelleren Wassernutzung gegeben werden. Durch den neuen Absatz 4 in Artikel 9 kann die in Irland gültige Regelung beibehalten werden, nach der den Haushalten keine direkten Gebühren für Wasser- bzw. Abwasser in Rechnung gestellt werden. Hier kann nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden werden, und bis zum Jahr 2010 kann sich die Lage soweit ändern, dass auch die irischen Bürger die direkte Abrechnung des Wasserverbrauchs der Haushalte akzeptieren. Im Moment jedoch ist dies ein politisch sehr brisantes Thema.

Ich danke meinen Kollegen für ihr Verständnis. Mein besonderer Dank gilt Frau Schleicher, die in allen Stadien, insbesondere im Vermittlungsverfahren, sehr viel Verständnis für die irische Regelung aufgebracht hat. Bei der Festlegung der Wasserpreise wird in Irland sehr genau auf die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips geachtet, aber vielleicht kommt es bis zum Jahr 2010 ja auch zu einem Umschwung in der öffentlichen Meinung. Wenn wir den Haushalten bis dahin noch immer keine Gebühren für Wasser bzw. Abwasser in Rechnung stellen, werden wir unser Vorgehen der Kommission gegenüber rechtfertigen müssen.

In Irland wächst die Einsicht, dass sauberes Trinkwasser eine knappe Ressource ist und dass alle Leistungen, insbesondere die Kosten für die Versorgung der Haushalte mit sauberem Trinkwasser, bezahlt werden müssen. Derzeit erfolgt die Bezahlung dieser Dienstleistungen, von denen aber nicht die gesamte Bevölkerung profitiert, durch den Finanzminister bzw. letztlich den Steuerzahler. In Irland müssen viele Haushalte eine eigene Wasserpumpe einbauen lassen und die Stromkosten für den Betrieb dieser Pumpe tragen. Viele Haushalte sind an Gruppenversorgungssysteme angeschlossen, die nicht Teil der öffentlichen Wasserversorgung sind, und bezahlen teuer für das Privileg, dass ihre Häuser mit Wasser versorgt werden, das nicht immer von bester Qualität ist. Es geht hier also um eine Frage der Gerechtigkeit und um die Aufklärung der Bevölkerung, durch die ein Stimmungswandel erreicht werden soll, aber wir begrüßen es, dass man der irischen Regierung die Entscheidung und die Überzeugungsarbeit überlassen will, die bei den Bürgern noch zu leisten ist.

 
  
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  De Palacio, Kommission. – (ES) Herr Präsident! Ich glaube, wir wohnen heute einem wichtigen Akt bei. Wir kommen endlich zum Ende eines langen, von langwierigem Kampf und breiten Diskussionen gekennzeichneten Weges, aber letztendlich sind eine positive Einigung und konstruktive Positionen seitens der drei Institutionen, Rat, Parlament und Kommission, erreicht worden, die diese Einigung ermöglicht haben. Wie immer in solchen Fällen meinen die einen, dass es zu wenig sei, andere halten es für zu viel, aber es gibt einen Mittelpunkt, einen akzeptablen Ausgleich der verschiedenen Interessen und Standpunkte derer, die die ganze Zeit daran gearbeitet haben.

Darüber hinaus wurde eine sachkundige Arbeit auf dem Gebiet einer überaus komplizierten Materie geleistet. Im Namen meiner Kollegin Wallström möchte ich für die Glückwünsche von Frau Lienemann danken, die als Berichterstatterin für alle diese Arbeiten eine Hauptrolle gespielt und mit ihrer Hartnäckigkeit und Prinzipientreue eine gewaltige Aufgabe bewältigt hat, die in Verbindung mit einer Dosis Realismus diese Einigung ermöglicht haben.

Wie sie selbst ausführt, und das ist nicht unwesentlich, erkennt man an einer Frage wie der des Wassers die Vielfalt Europas mit von Land zu Land radikal unterschiedlichen Merkmalen. In einigen von ihnen verzeichnen breite Landstriche, Halbtrockengebiete, weniger als 400 Millimeter Niederschläge pro Jahr, während in anderen im Mittel 2 500 bzw. 3 000 Millimeter weit überschritten werden. Der Ansatz dieser Richtlinie, die das Wasser als Ganzes betrachtet, ohne zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser zu unterscheiden, was über lange Zeit der Fehler war, ist das richtige Konzept und bedeutet einen Schritt vorwärts. Die Anstrengungen, unsere Wasserläufe in der Europäischen Union so sauber wie möglich bzw. so wenig verschmutzt wie möglich zu halten, nehmen eine Schlüsselstellung ein, wenn wir eine ausgewogene, nachhaltige Entwicklung und ein für die künftigen Generationen bewohnbares Europa gewährleisten wollen.

Dazu muss ich sagen, dass einer der Herren Abgeordneten vor wenigen Minuten auf Gespräche zwischen zwei europäischen Staatsmännern Bezug genommen hat. Nun, es mag sein, dass der eine oder andere noch seine Wasserläufe verschmutzt, aber es gibt jemanden, der dies seit langer Zeit tut, beispielsweise mit riesigen Schweinemasten. Ich möchte keine Einzelheiten nennen, aber manchmal sollte man erst vor der eigenen Tür kehren, ehe man andere kritisiert.

Herr Präsident! Ich möchte darauf hinweisen, dass das Kernstück dieser Richtlinie ihre Begleitung und Weiterführung ist. Eine Begleitung und Weiterführung, die uns durch Flexibilität und einen realistischen Ansatz in allen ihren Artikeln zweifellos die Reinheit unserer Gewässer sichern wird. Das ist von größter Bedeutung, denn letztendlich gibt es ohne sauberes Wasser kein Leben.

 
  
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  Schleicher (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich möchte die Kommission fragen, was mit der Richtlinie über die ökologische Gewässerqualität von 1991 geschieht, die bis heute nicht offiziell von der Europäischen Kommission zurückgezogen wurde. Eine Bitte noch sowohl an die Parlamentspräsidentin als auch an Rat und Kommission: Die Texte sind noch insofern mangelhaft, als die fachspezifischen Ausdrücke in der jeweiligen Sprache nicht in Ordnung sind. Ich würde bitten, dies noch einmal zu überprüfen, denn die Ausdrücke sind in jedem Land ganz speziell. Es ist ein Problem, das die Übersetzer nicht lösen konnten, weil der Text so fachspezifisch ist. Es wäre schlimm, wenn in den Gesetzestexten die notwendigen richtigen Ausdrücke fehlen würden. Ich bitte darum, dies noch einmal zu überprüfen. Allein in der deutschen Fassung habe ich über zwanzig Punkte gefunden. Ich schicke es Ihnen gerne zur Überprüfung zu.

 
  
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  De Palacio, Kommission.(ES) Herr Präsident! Was die Richtlinie über die ökologische Gewässerqualität betrifft, auf die sich der Herr Abgeordnete offenbar bezieht, so beinhaltet die vorliegende Rahmenrichtlinie alle wesentlichen Elemente des Vorschlags über ökologische Gewässerqualität, und soweit ich weiß, ist er bereits zurückgezogen worden. Wenn nicht, wird dies umgehend geschehen.

Das von Ihnen angeschnittene Übersetzungsproblem ist eine sehr wichtige Frage, denn die Begriffe sind auf diesem Gebiet wirklich sehr fachspezifisch, und wir brauchen eine ordentliche Übersetzung. Ich werde Ihre Bemerkungen an die zuständigen Dienste, namentlich an die Übersetzungsdienste übermitteln, damit gegebenenfalls eine gründliche Überarbeitung der konkreten Ausdrücke und Definitionen der Richtlinie vorgenommen wird.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin!

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 

13. Altfahrzeuge
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  Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0212/2000) von Herrn Florenz über den vom Vermittlungsausschuß gebilligten gemeinsamen Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Altfahrzeuge (C5-258/2000 - 1997/0194 (COD)).

 
  
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  Florenz (PPE-DE), Berichterstatter. - Herr Präsident! Ich möchte gerne zu Anfang die Gelegenheit wahrnehmen, meinen Kollegen für die tapfere und intensive Mitarbeit zu danken! Es war ja nicht immer so ganz einfach, mit mir ist es sowieso nie ganz einfach! Aber ich bin Ihnen sehr dankbar, dass wir das alles überstanden haben.

Die Europäischen Institutionen haben vor einigen Jahren die richtige Entscheidung getroffen, sich dem Individualverkehr anzunehmen. Da haben wir bei Auto und bei Oil angefangen und sind jetzt bei der Frage, was machen wir mit 9 Millionen Autos, die jedes Jahr auf den Schrottplatz kommen? Und heute Nacht werden wir auch über Reifen reden, und sicherlich werden wir dann eines Tages auch noch darüber reden müssen, wie denn so eine Straße in Zukunft auszusehen hat, weil die nämlich viel zu laut sind.

Ich denke, vor dem Hintergrund von 9 Millionen Autos, die jedes Jahr aus dem Verkehr gezogen werden, und etwa 45 Millionen Liter Altöl musste in dieser Frage etwas geschehen. Die Kommission, so glaube ich, hat zwar einen etwas dirigistischen Vorschlag vorgelegt mit meiner Meinung nach auch überalteten umweltpolitischen Ansätzen; das ist aber glücklicherweise in den drei Lesungen aufgearbeitet worden, und wir haben heute einen Vorschlag, der in die richtige Richtung geht.

Denken wir bitte daran, dass bei der gesamten Mobilität 80 % der Umweltbelastung durch das Fahren entstehen, 19 % durch den Bau eines Autos und nur 1 % durch die Entsorgung des Autos. Also müssen wir auch in dieser Frage die richtigen Schwerpunkte setzen: Deswegen glaube ich, dass wir mit Abgaswerten und Qualitätsnormen bei Treibstoffen den richtigen Anfang gemacht haben, und heute haben wir mit der Frage geschlossen: Wie handhaben wir die Frage der alten Autos? Wir haben starre Quoten eingeführt - ohne sie wird es nicht gehen. Aber dieses Parlament hätte auch den Mut besitzen sollen, eine wirklich mutige Entscheidung im Sinne eines wirklich neuen Automobils zu treffen, eines Automobils, das in Zukunft nicht 1 500 kg wiegen wird, sondern vielleicht nur noch 1 000 kg, und wenn Sie das mal 300 000 kg Lebensleistung sehen, dann sind das die echten umweltpolitischen Vorteile, die Sie beim Automobil haben.

Wir haben uns leider Gottes aufgrund der Vorlage der Kommission zu alten Quoten bewegen lassen, die geradezu ein Blechauto fördern, und nicht das moderne, vielseitige Werkstoffauto, das viel leichter wird. Aber ein solches Werkstoffauto aus Plastik, aus Glasfaser, was auch immer, hat nicht die Recyclingqualität, das können Sie nicht mehr recyceln. Was wollen Sie denn ernsthafterweise zum Beispiel an einem Airbag recyclen? Dieses Instrument hat eine Rettungsfunktion, keine Recyclingfunktion. Deswegen hätte hier ein mutiger Schritt hin zu einer Sonderquote für wirklich leichte Autos hergehört. Das haben wir leider Gottes versäumt, was ich außerordentlich bedauere.

Ein Generalpunkt, und auch wirklich ein Streitpunkt in diesem Hause, war die Frage der Kosten. Die Kommission hat sehr schnell gesagt, alle Kosten soll in Zukunft der Produzent tragen. Das ist im allerersten Moment eine ganz schöne Idee. Nur, am Ende wird es den Verbraucher erwischen, denn so schaltet man den Wettbewerb aus. Und das ist der generelle Punkt, den ich an dieser Richtlinie kritisiere. Wir haben zwar die Kosten jetzt klar zum Produzenten verwiesen, aber der hat keinen Wettbewerb mehr und wird in Zukunft vorschreiben, was das Recycling von Autos kostet, und genau das ist verbraucherfeindlich. Hier muss mehr Markt hinein, und nicht weniger. Das ist eine Fehlentscheidung, die ich sehr bedauere, denn das wird Folgen haben. Wir sehen das schon bei den Computern - diese Richtlinie liegt ja auf dem Tisch. Demnächst sind es die Rasenmäher, dann die Mopeds, dann die Möbel, und eines Tages frage ich mich, wem geben wir denn die alten Straßen zurück, wenn sie mal zu laut sind, und wer soll das bezahlen? Also so einfach ist das mit der Kostenzuweisung nicht. Ich hätte mir das wirklich anders gewünscht, aber ich akzeptiere die mehrheitliche Entscheidung.

Die Metallverbote sind richtig, weil wir über wissenschaftliche Ergebnisse hinaus auf Dauer zu einem Verbot kommen müssen. Wir haben Ausnahmen gemacht, die über die Kommission überprüft werden, in drei Jahren, denn die Kommission hat die Oberverantwortung, mit dem wissenschaftlichen Beirat in drei Jahren hier die entsprechenden Entscheidungen zu treffen. Ich glaube, dass sie das tun wird.

Alles in allem glaube ich, dass diese Richtlinie, abgesehen von der Kostenfrage, ein guter Erfolg, ein Schritt nach vorne ist. Ich bedanke mich bei der Kommission, ich bedanke mich beim Rat und noch einmal bei meinen Kollegen. Es war eine Freude, mit Ihnen zu arbeiten!

(Beifall)

 
  
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  Lange (PSE). - Herr Präsident! Auch ich kann den Dank an Herrn Karl-Heinz Florenz zurückgeben. Ich fand auch, dass die Parlamentsdelegation sich in der Vermittlung sehr zusammengerauft und ein sehr gutes Ergebnis auf den Tisch gelegt hat. Dabei sind für mich zwei Aspekte von besonderer Bedeutung: Zum einen ist es uns gelungen, klarzustellen, dass ab Ende nächsten Jahres in der ganzen Europäischen Union Altautos ordnungsgemäß entsorgt werden müssen. Das heißt, es gibt nicht mehr die Situation, dass Autos illegal entsorgt werden, irgendwo in die Wälder gestellt werden, oder den Drang, alte Autos auf irgendeine Art und Weise nach Osteuropa zu exportieren. Nein, sie müssen vor Ort ordnungsgemäß in zugelassenen Betrieben entsorgt werden. Das ist für mich ein zentraler, großer Erfolg dieser Richtlinie.

Der zweite wichtige Punkt - und das ist jetzt nicht die Frage der Kosten und des Wettbewerbs, da haben wir uns ein bisschen gestritten und letztendlich die Probleme ganz vernünftig gelöst und einen Kompromiss geschaffen, der für alle Seiten tragfähig ist -, ist für mich, dass wir in dieser Richtlinie festgelegt haben, dass neue Autos in der Typprüfung ihre Recyclingfreundlichkeit nachweisen müssen. Wir fordern die Kommission in dieser Richtlinie auf, die Richtlinie zur Typzulassung dahingehend zu ändern, so dass in Zukunft neue Autos recyclingfreundlich konstruiert werden müssen. Das ist das Entscheidende! Damit kommen wir weg von der end of pipe-Technologie, also immer überlegen zu müssen, was wir mit dem Rest, der übrigbleibt, machen. Nein, wir müssen von vornherein bei der Konstruktion daran denken, dass Autos wie auch andere Produkte wiederverwertet und entsorgt werden müssen. Das ist genau der richtige Weg, und darum bin ich froh, dass wir die Richtlinie so auf den Weg gebracht haben.

 
  
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  Breyer (Verts/ALE). - Herr Präsident! Der gefundene Kompromiss ist ein großer Erfolg für Umwelt- und Verbraucherschutz. Es ist das erste Mal, dass die Produzentenverantwortung im Abfallbereich überhaupt zur Debatte stand, und es ist zu begrüßen, das die Produzentenverantwortung schnell greift. Auch der gefundene Kompromiss bei den Schwermetallen ist ein Riesenschritt hin zu einer ökologischen Stoffstrompolitik. Ich glaube, dass dieses auch aus grüner Sicht hervorragende Ergebnis dazu beiträgt, dass wir im Automobilsektor einen Innovationsschub hin zu mehr recyclingfreundlichen Autos bekommen.

Der Kompromiss ist aber auch eine Ohrfeige für unseren Bundeskanzler und gerade für die deutsche Automobilindustrie, insbesondere Volkswagen, die leider versucht hat, diese Autorichtlinie zu verhindern. Ich hoffe auch, dass der Berichterstatter Florenz die Lehren aus der Debatte zieht und bei der Elektronikschrottrichtlinie, bei der es ja auch wieder um die Produzentenverantwortung geht, auch wirklich versucht, im Sinne der Verbraucher zu agieren, und dass wir uns nicht von einzelnen Industrieinteressen unter Druck setzen lassen.

 
  
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  Sjöstedt (GUE/NGL).(SV) Herr Präsident! Unsere Fraktion ist alles in allem zufrieden mit dem Vermittlungsergebnis, auch wenn man natürlich immer noch ein wenig weiter gehen kann.

Wir haben stets das Ziel verfolgt, so schnell wie möglich ein umfassendes Rücknahmesystem für Altfahrzeuge mit strengen Vorgaben für das Recycling und einem Verbot der Verwendung von Schadstoffen zu erreichen. Außerdem hätten wir gerne eine vollständige Herstellerhaftung gesehen, die den Herstellern die Kosten für die Rücknahme auferlegt.

Wenn dieser Beschluss gefasst ist, werden wir in einigen Jahre unserem Ziel ziemlich nahe gekommen sein. Das Bemerkenswerte an diesem Vermittlungsverfahren war, dass das Parlament leider die Entwicklung in Richtung auf eine Herstellerhaftung gebremst, anstatt beschleunigt hat. Es wäre recht besorgniserregend, wenn das Parlament seine Rolle wechselte und nicht länger die Entwicklung vorantreiben, sondern dies seinem Gegenspieler überlassen würde.

 
  
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  Sacconi (PSE). - (IT) Herr Präsident, wie bereits der Berichterstatter und Herr Lange ausführten, ist der erfolgreiche Abschluss dieses Gesetzgebungsverfahrens nicht nur aufgrund der Bestimmungen der Richtlinie, sondern auch deshalb zweckdienlich, weil damit ein Prozess eingeleitet und eine Perspektive angebahnt werden, die eine allmähliche Anpassung des gesamten Produktionsprozesses in einem so wichtigen Sektor wie dem der Automobilindustrie sowie ein Umdenken – angefangen bei der Fahrzeugprojektierung bis hin zur Auswahl neuer Materialien und Bauteile – im Sinne eines wirklich möglichen Recyclings beinhalten.

Damit wird nicht nur der Standpunkt der Produktion mit dem des Umweltschutzes in Einklang gebracht, sondern auch – ich sage es noch einmal – in einem so wichtigen Sektor ein Weg eröffnet, der seinerzeit als ökologische Umstellung der Wirtschaft bezeichnet wurde. Allerdings wurde dieses Ergebnis erst nach komplizierten Verhandlungen mit den Herstellern erreicht, die es am Ende akzeptierten, ab dem Jahr 2007 die finanzielle Verantwortung für die Verschrottung zu übernehmen.

Abschließend halte ich es für wichtig, noch einen anderen, überaus politischen und institutionellen Aspekt hervorzuheben. Seien wir doch ehrlich: Wir alle sind uns dessen bewusst, dass wir zu Beginn des Vermittlungsverfahrens sehr unterschiedliche Standpunkte vertreten haben – es kam sogar zu gewissen Spannungen zwischen Parlament und Rat –, und dass viele nationale Gegensätze hinsichtlich der Erfahrungen und Interessen bestanden. Und trotzdem ist es uns dank des Engagements und des Verantwortungsgefühls aller Akteure gelungen, zu einem so speziellen, so heiklen und wichtigen Thema eine Einigung zu erzielen und damit dem europäischen Einigungswerk einen weiteren Baustein hinzuzufügen: In diesen Zeiten ist ein solches Ergebnis im Hinblick auf die allgemeine Debatte, die im Gange ist, keineswegs belanglos.

 
  
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  De Roo (Verts/ALE).(NL) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Hinsichtlich der Altfahrzeuge haben wir ein akzeptables Kompromissergebnis erzielt. Erstmals ist in den europäischen Rechtsvorschriften die Herstellerhaftung eindeutig festgelegt worden. 1994 wurde bei der Verpackungsrichtlinie eine zwischen den Behörden und den Herstellern geteilte Haftung beschlossen. Die Praxis hat gezeigt, dass dies nicht funktioniert. Für Altfahrzeuge gilt nun jedoch die Produzentenverantwortung. Das ist zu begrüßen, denn dann sind die Hersteller daran interessiert, ihre Fahrzeuge recyclingfreundlicher zu konstruieren. In der Richtlinie steht allerdings leider, dass die Hersteller die vollen Kosten oder einen wesentlichen Teil zu tragen haben. Dies wird zu unterschiedlichen Systemen auf einzelstaatlicher Ebene führen, was insofern schlecht ist, als dies bedeutet, dass es keinen Binnenmarkt gibt.

Bei der Elektronikschrottrichtlinie muss dies besser geregelt werden. Wir müssen den Weg der individuellen Haftung der Hersteller einschlagen. Mein eigenes Land, die Niederlande, hat ebenfalls noch eine Menge zu lernen.

 
  
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  De Palacio, Kommission. – (ES) Herr Präsident! Wie ich bereits sagte, war das Legislativverfahren langwierig und schwierig. Es sei daran erinnert, dass der ursprüngliche Entwurf der Kommission im Juli 1997 vorgelegt wurde. In diesem lang andauernden Verfahren konnte trotz der Komplexität der Gesetzgebung eine Reihe von Problemen dank der Mitgesetzgeber und dem neuerlichen Einigungswillen der drei Institutionen gelöst werden. Deshalb freue ich mich über die am 23. Mai dieses Jahres im Vermittlungsausschuss zustande gekommene Einigung auf einen gemeinsamen Text.

Mein besonderer Dank gilt dem Berichterstatter, Herrn Florenz, und den Mitgliedern des genannten Ausschusses. Ich bin überzeugt, dass der gemeinsame Text ein gutes Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit der Gewährleistung eines hohen Umweltschutzniveaus und den legitimen Interessen der verschiedenen Akteure herstellt.

Allerdings möchte ich auf drei Erklärungen hinweisen, die die Kommission bei Annahme der Richtlinie abgeben wird. Sie sollen nach Ansicht der Kommission unerlässliche Erläuterungen geben.

Erstens verpflichtet die in Artikel 5 Absatz 1 vorgesehene Bestimmung die Mitgliedstaaten nicht, andere Entsorgungssysteme mit speziellen Finanzierungsbedingungen einzurichten, sondern gestattet ihnen die Nutzung der bestehenden Entsorgungssysteme.

Zweitens ist, was den Absatz 3 des Artikels 5 betrifft, die Entscheidung, welche Hersteller, Vertragshändler und Entsorgungseinrichtungen sich gemäß der Rahmenrichtlinie über Abfälle oder in einem neuen, speziell geschaffenen Verzeichnis registrieren lassen müssen, den Mitgliedstaaten überlassen.

Drittens möchte ich klarstellen, dass der Absatz 1 des Artikels 7 keine zusätzlichen Voraussetzungen, Bedingungen oder Kriterien im Hinblick auf die technischen Fahrzeugüberprüfungen festlegt.

Ganz allgemein stellt der vorliegende Text einen wichtigen Schritt in Richtung auf eine nachhaltige Herstellung und Nutzung, auf ein Modell für künftige Gemeinschaftsinitiativen zur Lenkung der spezifischen Entsorgung dar, wie beispielsweise die bereits angesprochene Richtlinie über Elektronik- und Elektroschrott.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich beglückwünsche nochmals alle Redner und ganz besonders den Berichterstatter, Herrn Florenz, für die geleistete Arbeit.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin!

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 

14. Luftverkehr und Umwelt
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  Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0187/2000) von Frau Lucas im Namen des Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr über die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen – Luftverkehr und Umwelt: Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung (KOM(1999) 640 – C5­0086/2000 – 2000/2054(COS)).

 
  
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  Lucas (Verts/ALE), Berichterstatterin. – (EN) Herr Präsident, ich möchte die Kommission zu ihrer aktuellen und weitreichenden Mitteilung beglückwünschen, in der die rapide zunehmenden Umweltauswirkungen des Luftverkehrs deutlich herausgestellt werden und nachdrücklich zum Ausdruck gebracht wird, dass diese Zunahme nicht tragbar ist. Bevor ich auf die Vorschläge in meinem Bericht eingehe, sollten wir uns einige der Kernpunkte dieser Debatte in Erinnerung rufen. Im Grunde kann das Problem ganz einfach auf einen Nenner gebracht werden: Die Zuwachsraten im Luftverkehr sind unhaltbar. Der Luftverkehr gefährdet die Umwelt ganz erheblich, doch nicht nur das stellt ein Problem dar, dieser Sektor wird von uns auch noch subventioniert, und das verschlimmert die Situation noch weiter!

Prognosen zufolge wird der Zuwachs im Luftfahrtsektor in den nächsten 15 Jahren nahezu zu einer Verdoppelung des Flugverkehrs führen. Wenn man bedenkt, was das an Verkehrsbelastung und Umweltauswirkungen bedeutet, dann kann nur von einem Alptraum gesprochen werden. Ich möchte als Beispiel das Vereinigte Königreich nennen, weil ich hier mit den Fakten vertraut bin. In den Prognosen der Regierung über die Entwicklung des Luftverkehrs, die im Juni dieses Jahres veröffentlicht wurden, geht man davon aus, dass die Zahl der Fluggäste auf britischen Flughäfen von 160 Millionen im Jahr 1998 in den nächsten gut 20 Jahren auf 400 Millionen anwachsen wird. Um diese Zunahme von 240 Millionen Fluggästen bewältigen zu können, wären vier neue Flughäfen in der Größe des Flughafens London Heathrow oder acht neue Flughäfen von der Größe von London Gatwick erforderlich. Die Umweltkonsequenzen einer solchen Expansion wären völlig inakzeptabel, und diese Prognosen führen uns lediglich vor Augen, wie unsinnig die Annahme ist, es könne eine kontinuierliche exponentielle Zunahme des Luftverkehrs geben.

Welche Umweltauswirkungen hat diese Zunahme? Im Hinblick auf die Lärmbelästigung der Bürger ist bekannt, dass die Verbesserungen, die durch den Einsatz weniger lärmintensiver Flugzeuge erzielt worden sind, durch die Zunahme der Luftverkehrsbewegungen wieder zunichte gemacht werden könnten. Was die Abgasemissionen betrifft, so ist der Luftverkehr weltweit die am schnellsten wachsende Quelle der Klimaänderungen bewirkenden Treibhausgase. Heute stammen zwar nur 3 % der gesamten Emissionen aus dem Luftverkehr, aber Prognosen zufolge könnte dieser Wert bis zum Jahr 2050 auf bis zu 15 % der gesamten weltweiten Emissionen oder sogar noch darüber hinaus ansteigen. Man könnte nun annehmen, dass angesichts dieser zahlreichen Umweltprobleme und der prognostizierten unhaltbaren Zunahme des Luftverkehrs Maßnahmen getroffen worden sind, um das exponentielle Wachstum dieses Sektors zu verhindern. Weit gefehlt, genau das Gegenteil ist der Fall: Durch die globalen Luftverkehrspolitiken wird das ungehinderte Wachstum in diesem Sektor geradezu noch gefördert!

Der Luftverkehr wird in großem Stil subventioniert. Anders als bei Kraftfahrzeugen oder Zügen, müssen Luftverkehrsunternehmen keine Steuern auf Kerosin bezahlen, und es wurde errechnet, dass der europäische Luftverkehrssektor jährlich etwa 30 Milliarden EUR an Subventionen erhält.

Ich möchte nun kurz auf einige Kernpunkte meines Berichts eingehen: Zum Thema Lärmbelästigung ist anzumerken, dass die heutigen Lärmschutznormen für neue Flugzeuge bereits seit 1977 bestehen und daher dringend durch strengere Normen ersetzt werden müssen. Die EU sollte die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation zum Thema Lärm in der Europäischen Gemeinschaft als Grundlage heranziehen und bis zum Jahr 2003 neue Leitlinien für Lärmemissionen während des Tages und in der Nacht entwickeln. Im Hinblick auf die Abgasemissionen wäre ein durchaus erreichbares Ziel für die entwickelten Länder eine fünfprozentige Reduzierung der gesamten Treibhausgasemissionen aus dem Luftverkehr, und zwar gemessen am Stand von 1992, bis 2012, dem ersten Haushaltszeitraum nach dem Protokoll von Kyoto. Dies wäre ein erster Schritt zur Aufhebung der Sonderstellung, die der internationale Luftverkehr genießt.

Was den Bereich Subventionen betrifft, wird im Bericht deutlich, dass wir die Kerosinbesteuerung auf internationaler Ebene grundsätzlich unterstützen. Wir sind uns jedoch über die mit einer solchen Regelung verbundenen politischen Schwierigkeiten im Klaren, da innerhalb der ICAO neu über internationale Vereinbarungen verhandelt werden müsste. Angesichts dieser politischen Hindernisse schlagen wir stattdessen eine Umweltabgabe auf der Basis des Verursacherprinzips vor. Eine solche Abgabe wäre ein besser geeignetes Instrument, da nicht nur der Treibstoffverbrauch, sondern durch die Einbeziehung der Turbinencharakteristika auch die Menge der ausgestoßenen Schadstoffe berücksichtigt werden könnte. Politische Hindernisse würde es bei der Einführung einer solchen Maßnahme nicht geben, da die EU berechtigt ist, eine Gebühr für alle Abflüge von Flughäfen innerhalb der Gemeinschaft zu erheben.

Ein letzter aber sehr wichtiger Punkt ist, dass die Luftverkehrsunternehmen die Auffassung vertreten werden, dass eine solche Regelung durch die ICAO, das internationale Gremium, getroffen werden sollte. Gerade weil die ICAO ein internationales Gremium ist, arbeitet sie sehr langsam. Die Kommission spricht sich in ihrer Mitteilung dafür aus, dass die industrialisierten Regionen wie die EU die Möglichkeit erhalten sollten, schneller als andere Regionen, d. h. die Entwicklungsländer, strengere Normen einzuführen. Ich unterstütze diesen Vorschlag in meinem Bericht. Dies bedeutet nicht das Ende der ICAO. Die ICAO wird dadurch nur etwas flexibler werden, so wie dies auch bei anderen internationalen Organisationen der Fall ist. Dies ist ein durchaus übliches Vorgehen.

Die Luftfahrtunternehmen beklagen sich darüber, dass wieder einmal sie es sind, die durch diese Maßnahmen stark belastet werden. Im Grunde ist aber genau das Gegenteil der Fall. Die Luftverkehrsunternehmen sind in den letzten 50 Jahren immer glimpflich davongekommen. Einige Mitglieder dieses Parlaments haben natürlich sofort die Behauptung parat, die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen hätten katastrophale Auswirkungen auf den europäischen Luftfahrtsektor. Das ist Unsinn. Eine Umweltabgabe wie ich sie beschrieben habe, würde den Wettbewerb nicht beeinträchtigen, da sie ungeachtet der Herkunft von allen Luftverkehrsunternehmen erhoben würde, die EU-Flughäfen nutzen.

Auch die Behauptung, diese Abgabe werde der europäischen Wirtschaft schaden, ist Unsinn. Der Luftfahrtsektor bietet zwar Arbeitsplätze, wir dürfen jedoch nicht übersehen, dass durch die Steuern, die durch diese Regelung eingenommen würden, Tausende von Arbeitsplätzen in anderen Sektoren geschaffen werden könnten. Daher empfehle ich Ihnen diesen Bericht.

 
  
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  Foster (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte als erstes darauf hinweisen, dass es keinen Abgeordneten gibt, dem die Umwelt nicht sehr am Herzen liegen würde, auch wenn die Berichterstatterin und die Mitglieder der Grünen das Gegenteil behaupten.

Beim Schutz der Umwelt müssen jedoch auch die Bedürfnisse der Luftfahrtindustrie berücksichtigt werden, damit der Erfolg dieses Sektors auch in Zukunft gesichert ist. Ich war enttäuscht über den Bericht der Kommission, nicht zuletzt wegen der überaus negativen Haltung gegenüber der Luftfahrt. Leider wird dieser Tenor durch die Berichterstatterin noch verstärkt. Ich möchte die Damen und Herren Abgeordneten auf folgende Fakten aufmerksam machen: Durch den Luftverkehr selbst werden weltweit 25 Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Im Vereinigten Königreich allein hängen fast 500 000 Arbeitsplätze vom Luftverkehr ab. Im Vereinigten Königreich werden über den Luftverkehr, der wie kein anderer Sektor den Zugang zu den globalen Märkten sichert, jährlich Waren im Wert von 35 Mrd. GBP exportiert, und in die Kassen des Finanzministers gelangen aus dieser Branche pro Jahr 3 Mrd. GBP. Wenn man diese Beträge mit der Zahl der Länder in der Europäischen Union multipliziert, wird deutlich, wie wichtig dieser Sektor für unsere Volkswirtschaften ist.

Was die Umweltauswirkungen der Luftfahrt betrifft, so liegt der Landbedarf gegenüber dem Eisenbahnverkehr bei nur 8 % und gegenüber dem Straßenverkehr bei nur 1 %. In der Praxis bedeutet dies, dass der Luftverkehr, abgesehen vom Schiffsverkehr, die einzige Form des internationalen Verkehrs ist, durch den heute ein Drittel alle Güter weltweit transportiert werden.

In den letzten 15 Jahren sind die CO2-Emissionen um 70 % und die unverbrannten Kohlenwasserstoffe um 85 % zurückgegangen. Durch den Luftverkehr werden lediglich 2,5 % der CO2-Emissionen verursacht. Kurzfristig können Maßnahmen zur Verbesserung des Flugverkehrsmanagements ergriffen werden, um zum Beispiel die Verspätungen zu verhindern, die derzeit bei 44 % der Flüge auftreten, und die 30 überlasteten Knotenpunkte in Frankreich, Italien, Spanien und Teilen Deutschlands zu entlasten. Die nationalen Regierungen müssen nun die entsprechenden Schritte einleiten. Sie sollten sich darüber hinaus mit den Raumordnungsmaßnahmen in der Umgebung bestehender Flughäfen befassen und zu ihren früheren Entscheidungen stehen.

Die Lösung der Probleme liegt weder in der Besteuerung von Kerosin, das für die Luftfahrtindustrie weltweit steuerfrei ist, noch in einer Mehrwertsteuer auf Flugtickets oder den Erwerb von Flugzeugen. Die Luftfahrtindustrie trägt bereits alle ihre Infrastrukturkosten, und ein Teil dieses Geldes kommt der Verbesserung der Umwelt zugute. Sie wird nicht subventioniert.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die Annahme der Vorschläge von Frau Lucas die Dezimierung der Luftfahrtindustrie zur Folge hätte, zu der nicht nur die Luftfahrt selbst zählt, sondern auch der Tourismus, die Unternehmen und die Luft- und Raumfahrtindustrie. Die Befürworter dieser Vorschläge würden die günstigen Flüge nur allzu gern abschaffen. Schon bald wäre Europa nicht mehr wettbewerbsfähig, und dies würde amerikanischen und überseeischen Transportunternehmen ungerechtfertigte Vorteile verschaffen. Ich hoffe, dass die zukünftigen Vorschläge der Kommission etwas besser durchdacht sein werden. Andernfalls werden die Kommissionsmitglieder bald feststellen müssen, dass sie keine Wahl mehr haben und für Flüge von oder nach Brüssel oder Straßburg ebenso wie für Urlaubsflüge keine europäische Fluglinie mehr auswählen können.

 
  
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  Wiersma (PSE).(NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Lucas, meine Glückwünsche aussprechen. Meine Fraktion hat für diese Plenardebatte keine weiteren Änderungsanträge eingereicht. Daran zeigt sich, dass wir dem vorliegenden Bericht, so wie er jetzt abgefaßt ist, weitgehend zustimmen können, und ich möchte mich auch etwas von den Bemerkungen von Frau Foster distanzieren, aus denen herausklang, die Vorschläge der Kommission bzw. die in dem Bericht enthaltenen Empfehlungen bedeuteten für die Luftfahrt eine Katastrophe. Mit solchen Drohungen sollte man meines Erachtens eine vernünftige Umweltpolitik nicht zu verhindern versuchen.

Die Mitteilung der Kommission über Luftverkehr und Umwelt ist ein erster Schritt auf dem Weg zu besseren europäischen Rechtsvorschriften. Eine solche Verbesserung ist angesichts des wachsenden Flugverkehrs und damit auch der zunehmenden Umweltbelastung durch Flugzeuge notwendig. Wir unterstützen deshalb im Großen und Ganzen die Vorschläge der Kommission. Die PSE-Fraktion stimmt uneingeschränkt der Notwendigkeit zu, der Luftfahrtindustrie europäische Regelungen aufzuerlegen und sie an der Finanzierung der auch durch den Flugverkehr verursachten Umweltverschmutzung zu beteiligen. Wir wollen, und Frau Lucas hat das ebenfalls gesagt, keine Sonderstellung der Luftfahrt. Heute geht es jedoch erst einmal um die Festlegung der Rahmenbedingungen, um die Frage, welchen Voraussetzungen diese europäischen Rechtsvorschriften entsprechen müssen. Danach warten wir gespannt auf die weiteren Regelungs- und Gesetzgebungsvorschläge, in denen auch die Einzelheiten und die exakten Normen verankert werden.

Welches sind nun die Ausgangspunkte der PSE-Fraktion? Unserer Ansicht nach zwingt die rasche Zunahme des Luftverkehrs dazu, mehr und bessere Alternativen in Form der Eisenbahn zu schaffen, um ein Beispiel für den Kurzstreckenverkehr zu nennen. Meines Erachtens ist die Verlagerung von dem einen zu einem anderen, umweltfreundlicheren Verkehrsträger ganz wichtig. Für uns ist das Kapazitätswachstum in der Luftfahrt nicht unbegrenzt.

Zweitens: Sowohl im Interesse der Bürger als auch, um dem Wettbewerb zwischen bestimmten Flughäfen entgegenzuwirken, wollen wir europäische Normen für Lärmemissionen. Nächtlichem Fluglärm muss unseres Erachtens besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, und wie Frau Lucas sind auch wir der Meinung, dass man sich bei der Erarbeitung der Lärmschutznormen und detaillierteren Vorschriften unbedingt auf die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation stützen sollte. Wir erwarten deshalb von der Europäischen Kommission ehrgeizige Vorschläge.

Der dritte Punkt betrifft selbstverständlich die Emissionen, den Ausstoß von Schadstoffen. Unseres Erachtens muss dieses Problem ebenfalls angegangen werden. Deshalb sind wir auch grundsätzlich für eine Kerosinbesteuerung. Inwieweit diese Ideen und Vorschläge verwirklicht werden können, ist allerdings noch fraglich. Wir möchten, wie im Bericht gefordert, dass auf internationaler Ebene darüber beraten wird und eingehendere Studien durchgeführt werden. Da die Ergebnisse solcher Untersuchungen ungewiss sind, befürworten wir die in Ziffer 20 des Berichts in Form einer gemeinschaftsweiten Umweltabgabe vorgeschlagene Lösung.

Schlussendlich geht es darum, dass wir die in Kyoto getroffenen Vereinbarungen umsetzen, wozu der Luftverkehrssektor gleichermaßen einen wesentlichen Beitrag leisten muss. Wir sind vorzugsweise für solide internationale Lärm- und Emissionsvereinbarungen, möchten jedoch für den Fall, dass solche Vereinbarungen nicht getroffen werden, europäische Maßnahmen selbstverständlich nicht ausschließen. Das halten wir ebenfalls für ein wichtiges Element in dem Bericht. Dieser Punkt ist unseres Erachtens auch gut formuliert. Wir erhoffen uns von internationalen Übereinkommen gewisse Ergebnisse. Sollten diese nicht zustande kommen, dann müssten wir in einigen Jahren auch über europäische Vorschriften sprechen.

 
  
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  Sterckx (ELDR).(NL) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin für ihren Bericht danken. Der Flugverkehr nimmt in der Tat rasch zu. Ich pflichte Frau Foster bei, dass der Luftverkehr ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, ein Sektor, der Dienstleistungen erbringt, die bis zu einem gewissen Grade unentbehrlich sind. Ganz ohne Zweifel wirkt sich jedoch ein solcher Sektor durch Lärm und Luftverschmutzung auch nachteilig auf die Umwelt aus, und wir müssen den Luftverkehrssektor anspornen, so aktiv und so schnell wie möglich etwas dagegen zu unternehmen, mehr als jetzt der Fall ist. Sowohl die Mitteilung der Kommission als auch der Bericht von Frau Lucas zeigen auf, in welcher Richtung Maßnahmen ergriffen werden können und müssen.

Lassen Sie mich daraus einige Punkt herausgreifen. Zweifellos, und Herr Wiersma hat dies ebenfalls bereits gesagt, müssen die verschiedenen Verkehrsträger – Straße, Schiene usw. sowie der Luftverkehr – weitestgehend gleichbehandelt werden. Das ist heute nicht der Fall. Dafür gibt es zwar spezifische Gründe, doch wir müssen zweckdienliche Schritte unternehmen.

Bei der Behandlung solcher Probleme wie Kerosinsteuer, Lärm, Normen usw. sollten wir heute eindeutig einer globalen Vorgehensweise den Vorrang geben. Ein regionaler Ansatz ist derzeit verfrüht, und erfreulicherweise hat die Berichterstatterin ihren ursprünglichen Text in einigen Punkten auch in diesem Sinne geändert. Meiner Meinung nach dürfen wir, die Europäische Union, gegenwärtig keine, wenn ich es so sagen darf, einseitigen Maßnahmen ergreifen. Zur Zeit finden wichtige Verhandlungen statt, von denen wir uns, Frau Kommissarin, immer noch ein gutes Ergebnis erhoffen dürfen. Das erscheint mir wichtig.

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft den Lärm, für dessen Bekämpfung ein ganzes Bündel von Maßnahmen erforderlich ist. Deshalb habe ich einen Änderungsantrag mit der Forderung eingereicht, diese Maßnahmen zu spezifizieren. Des Weiteren habe ich einen Änderungsantrag eingebracht, dem zufolge eine gemeinsames Messverfahren entwickelt werden sollte, um damit die von Herrn Wiersma angesprochene Konkurrenz zwischen den verschiedenen Flughäfen begrenzen zu können. Selbstverständlich darf ein solcher Wettbewerb den in der Nähe von Flughäfen lebenden Menschen und der Umwelt nicht zum Nachteil gereichen Dies halte ich für wesentlich, und deshalb sind europäische Vorschriften erforderlich, um dem Wettbewerb zwischen verschiedenen Flughäfen vorbeugen zu können.

 
  
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  MacCormick (Verts/ALE).(EN) Herr Präsident, derzeit sind die Mineralölsteuern im Vereinigten Königreich weitaus höher als in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dies wirkt sich unter anderem besonders nachteilig auf die abgelegenen Teile des Landes aus. Die Folge ist eine überproportional starke Wettbewerbsverzerrung, unter der lokale Unternehmen in den Randregionen zu leiden haben, die im Wettbewerb mit großen multinationalen Unternehmen im Vereinigten Königreich stehen. Dies darf nicht übersehen werden, denn es zeigt, wie Mineralölsteuern die lokale Wirtschaft beeinträchtigen können.

Aus meiner Sicht gibt es kein vernünftiges Umweltargument, das es rechtfertigen würde, dass der Großteil der britischen Bevölkerung in den Südosten abwandert. Ich bin nicht Politiker geworden, damit noch mehr Menschen aus den Highlands abwandern. Absurd ist es auch, den Luftfahrtsektor von der Verpflichtung zur Reduzierung der Treibhausgase und des Ozonzabbaus auszunehmen. Es ist besser, ein einheitliches Besteuerungsniveau in der Europäischen Union anzustreben, so wie Frau Lucas es vorgeschlagen hat, als enorme und wettbewerbsverzerrende Abweichungen in verschiedenen Teilen der Union zuzulassen.

Ich habe erhebliche Bedenken, ob dies in der Praxis funktionieren wird, aber wir sollten den grundsätzlichen Ansatz von Frau Lucas unterstützen.

 
  
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  Esclopé (EDD).(FR) Herr Präsident, die Bekämpfung von Lärmbelästigung und Abgasemissionen ist ein berechtigter Kampf, den wir unterstützen, weil er dem Wohl der Bevölkerung und der Umweltqualität dient. Nichtsdestotrotz muss sich die Reduzierung der Lärmbelästigung oder der Abgasemissionen auf die lobenswerte Suche nach für alle Menschen vorteilhaften technischen Lösungen beschränken. Sie darf nicht als Vorwand für andere Zielsetzungen steuerpolitischer Art oder die Ausweitung der Zuständigkeiten der Kommission dienen. Vielmehr muss sie sich darauf beschränken, ihre bereits umfangreichen Aufgaben zu erfüllen.

Unter diesen Umständen können wir die Einführung der erwähnten Ökosteuer nicht billigen. Dieser erste Schritt in Richtung einer europäischen Besteuerung würde nur einmal mehr die Verbraucher treffen, ohne dass dadurch auch nur ein einziges der Ziele des vorliegenden Berichts erfüllt würde. Die Steuerlast, die unsere Bürger tragen müssen, ist schon hoch genug, und in einer Zeit, in der die Mitgliedstaaten versuchen, diese zu verringen, birgt eine europäische Steuer die Gefahr, unsere Unternehmen vor allem gegenüber ihren US-amerikanischen aber auch gegenüber anderen Konkurrenten in eine prekäre Lage zu versetzen, was katastrophale Auswirkungen für die Beschäftigung nach sich ziehen würde. Wir können dies nicht akzeptieren.

Darüber hinaus fordern wir die Achtung der Steuersubsidiarität zugunsten der Mitgliedstaaten. Anstatt seinen Haushalt mit Hilfe dieser Steuer künstlich in die Höhe zu treiben, sollte Europa diesen unter Berücksichtigung der Freiheit des Einzelnen lieber besser handhaben. Die politischen Abhängigkeiten der Staaten stehen in direktem Verhältnis zu ihrer Steuerfreiheit. Die Ökosteuer liefert keine Lösungen. Es handelt sich dabei um eine rein ideologische Maßnahme, die keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt hat. Wir bevorzugen ein wohldurchdachtes Vorgehen, das die Interessen des Einzelnen berücksichtigt und bei höchstmöglichem Schutz der Umwelt zur wirtschaftlichen Entwicklung beiträgt.

 
  
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  Jarzembowski (PPE-DE). - Herr Präsident! Die EVP-Fraktion unterstützt die Initiative der Europäischen Kommission und der zuständigen Vizepräsidentin, Frau Palacio, auch im Luftverkehr die Interessen der Bürger und der Unternehmen an Mobilität mit den Interessen an einer möglichst geringen Beeinträchtigung der Umwelt in Einklang zu bringen. In diesem Sinne hat auch der Ausschuss entschieden, wobei wir im Sinne der Wahrhaftigkeit lieber sagen sollten, dass wir den Bericht von Frau Lucas völlig umschreiben mussten, da er von völlig irrealen Vorstellungen ausging. Aber wir haben uns dann schließlich doch mehrheitlich geeinigt.

Der Sommer hat erneut gezeigt, wie wichtig der Luftverkehr für die Bürger bei der Erreichung ihrer Urlaubsziele ist. Gerade für Familien mit Kindern ist das Flugzeug das schnellste und nervenschonendste Transportmittel zur Erreichung sonniger Inseln. Das ist zugleich die Grundlage für Unternehmen und Arbeitsplätze in manchen Teilen der Europäischen Union. Auch der Geschäftsreiseverkehr und der Luftfrachtverkehr auf internationalen Strecken sind für Handel und Wirtschaft unverzichtbar.

Auf der anderen Seite wirkt sich der Luftverkehr durch Abgasemissionen und Lärmemissionen natürlich negativ auf die Umwelt aus. Wir müssen sehen, dass wir diese Umweltbeeinträchtigungen verringern, wobei wir allerdings zwischen Gesundheitsschäden an Flughäfen und Wohlbefindensschäden unterscheiden sollten. Wenn wir die Bestimmungen der WHO übernehmen würden, fürchte ich, dass wir alle hier heute Abend nicht mehr arbeiten dürften, denn nach zehn Stunden in diesem Hause ist dies kaum noch mit den WHO-Bestimmungen zu vereinbaren. Also lassen Sie uns bitte auf dem Teppich bleiben!

Die EVP-Fraktion fordert jedenfalls, die Normen für Lärmemissionen, die wegen des globalen Charakters des Luftverkehrs sinnvollerweise im Rahmen von ICAO geregelt werden sollten, deutlich zu senken und lärmintensivere Flugzeuge nach kurzen Übergangsfristen vom Anfliegen europäischer Flughäfen auszuschließen. Wir hoffen - und dafür kämpfen wir -, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission ein klares Mandat erteilen. Herr Präsident, falls wir aber auf ICAO-Ebene kein Ergebnis erreichen sollten, dann müssen wir selbst handeln, denn Europa ist dicht besiedelt, und wir können uns nicht auf die Entfernungen in Amerika oder Afrika berufen. Wir haben unsere Bürger vor überflüssigem Lärm zu schützen.

(Beifall)

 
  
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  Myller (PSE). - (FI) Herr Präsident! Uns ist bekannt, dass die vom Verkehr verursachten Emissionen zu den größten Umweltproblemen zählen und sich hinsichtlich ihrer Beseitigung auch als äußerst schwierig erweisen. Das hat sicher damit zu tun, dass der Verkehr schneller wächst als die Wirtschaft. Dabei sind die Probleme im Flugverkehr noch gravierender, da für sie globale Lösungen gefunden werden müssen. Zum anderen haben wir vernommen, dass das Protokoll von Kyoto keine Angaben über Emissionen aus dem Flugverkehr enthält. Auch in der vorliegenden Emissionsrahmenrichtlinie wurden Probleme des Flugverkehrs nicht behandelt. Angesichts dieser Tatsachen müssen die allergrößten Anstrengungen unternommen werden, um die Arbeit der ICAO und ihres mit der Aufstellung internationaler Umweltnormen befassten Ausschusses für den Umweltschutz zu unterstützen. Zwar geschieht dies bedauerlicherweise nur langsam, aber dennoch müssen wir ehrgeizige Ziele setzen und entsprechende Verhandlungsvollmachten erteilen, damit es uns gelingt, auf diesem Wege voranzukommen.

Mir scheint es gar nicht so abwegig, dass die entwickelten Industrieländer, unter ihnen die Europäische Union, in diesen Fragen beispielgebend auftreten. Von Bedeutung ist dabei die Entwicklung der Motorentechnologie, da eine Verringerung des Verkehrsaufkommens nicht zu erwarten ist. Herangezogen werden müssen differenzierte Bestimmungen, Umweltsteuern, Abgaben und andere Verwaltungsauflagen, beispielsweise die Regulierung der Abflug- und Ankunftszeiten, wobei ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass es neben dem Flugverkehr in Regionen, wo große Entfernungen kein Hindernis darstellen, einen Schienenverkehr gibt, den es zu entwickeln gilt.

 
  
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  Pohjamo (ELDR). - (FI) Herr Präsident! Ich möchte das im vorliegenden Bericht genannte Ziel, anstelle kurzer Flugstrecken alternative Verkehrsträger zu entwickeln, herausstellen. Die Hochgeschwindigkeitszüge, in einigen Fällen auch der Kurzstreckenseeverkehr, bieten eine umweltfreundlichere Alternative zu Kurzstreckenflügen. Ihre stärkere Nutzung ist wegen der Überlastung der Flughäfen ebenso erforderlich wie aus Umweltgründen.

Kurzstreckenflüge durch alternative Verkehrsformen zu ersetzen, schafft Raum für Langstreckenflüge, für die es keine Alternative gibt. Wir haben hier vor der Sommerpause eine Reihe von Berichten behandelt, die auf eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Schienen- und Seeverkehr abzielen. Daneben bedarf es aber auch anderer Maßnahmen. Eine Möglichkeit sehe ich in der geplanten Umweltsteuer für den Flugverkehr. Diese muss in einer Form erhoben werden, dass sie weniger die alternativlosen Langstreckenflüge belastet als vielmehr Kurzstreckenflüge, für die sich eine umweltfreundlichere Lösung findet.

 
  
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  Van Dam (EDD).(NL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt heute der dritte Bericht aus einer Reihe von Berichten über die Situation im Luftverkehr vor. Während es in den beiden vorigen mehr um die Freiheit und die Wachstumsmöglichkeiten des Flugverkehrs ging, werden in dem vorliegenden Dokument die Schattenseiten beleuchtet. Meiner Meinung nach zu Recht. Wie ich bei der Behandlung des Berichts Atkins bereits erklärt habe, stellen die derzeit für die Luftfahrt vorbereiteten Maßnahmen nur temporäre Lösungen dar. Eine dauerhafte Regelung der Probleme der Überlastung und der Beeinträchtigung, unter anderem der Umwelt, ist von ihnen nicht zu erwarten.

Der vorliegende Bericht blickt über die unmittelbare Zukunft hinaus. Dazu möchte ich die Kollegin Lucas beglückwünschen. Das Abstecken der Rahmenbedingungen für das Funktionieren des Luftverkehrs sowohl im raumplanerischen als auch umwelttechnischen Sinne stellt keinen unnötigen Luxus dar. Dazu bedarf es jedoch hinreichender Kenntnisse und Alternativen. In beiden Punkten sind derzeit noch erhebliche Fortschritte vonnöten. Das braucht uns allerdings nicht davon abzuhalten, schon jetzt Konzepte für die Zukunft zu entwerfen und diese auch auf internationaler Ebene durchzusetzen. Der vorliegende Bericht gibt dazu die richtigen Anstöße, insbesondere in Richtung der Kommission.

Wir stehen positiv zu dem vorliegenden Bericht, obgleich er einige Elemente enthält, die unseres Erachtens nicht in ein solches Dokument gehören. Damit meine ich die von der Fraktion der Grünen und Regionalisten eingereichten Änderungsanträge. Zwar scheinen diese Anträge recht sympathisch, doch können solche Dinge besser von den Mitgliedstaaten durchgeführt werden.

 
  
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  Peijs (PPE-DE).(NL) Herr Präsident! Ohne Flugverkehr wäre dieses Parlament nicht mehr arbeitsfähig. Das fänden manche zwar nicht schlimm, doch müssen wir unsere ganze Aufmerksamkeit darauf richten, für die Umweltauswirkungen des raschen Wachstums dieses Sektors einen Ausgleich zu schaffen. Lassen Sie mich einige Punkte nochmals hervorheben.

Meiner Meinung nach muss die Europäische Union den ICAO-Prozess unterstützen. Einzig und allein in diesem internationalen Gremium kann über striktere Vorschriften für den Flugzeuglärm diskutiert werden. Allerdings ist Vorsicht geboten. Werden neue Normen vorgeschlagen, so hat das nämlich erhebliche Folgen für die Luftverkehrsindustrie in der gesamten Europäischen Union. Wesentlich strengere Lärmschutzormen als die derzeit geltenden hieße konkret, dass von den 3 300 Maschinen der heute bestehenden europäischen Flotte 1 067 ersetzt werden müssten. Bei einer derart raschen und forcierten Ausmusterung ist ein Ersatz durch neue Maschinen praktisch unmöglich, unter anderem aufgrund der geringen Produktionskapazität für neue Flugzeuge. Wir haben nur zwei Hersteller.

Die Folgen für den europäischen Luftverkehr sind unschwer abzuschätzen. Der europäische Luftverkehr müsste einen Teil des Marktes der Konkurrenz überlassen, und es ist sehr fraglich, ob unserer Sicherheit damit gedient ist. Des Weiteren wird die Beschäftigung erheblich zurückgehen, mit allen sich daraus ergebenden Problemen. Die Flugpreise werden steigen. Mir ist sehr wohl bewusst, dass dies einigen durchaus zupass käme, doch sollte bedacht werden, dass für den Kurzstrecken-Flugreisenden, im Gegensatz zu dem, was einer meiner Kollegen vorhin sagte, den wir alle lieber den Zug nehmen sähen – nicht diesen Kollegen, sondern den Kurzstrecken-Passagier – noch keine echten Alternativen bestehen.

Die Mitgliedstaaten und insbesondere mein eigenes Land, die Niederlande, tun sich mit der Einführung von Hochgeschwindigkeitszügen, die zu solchen Kurzstrecken eine tatsächliche Alternative bilden könnten, äußerst schwer.

Auf die Flugzeughersteller muss erheblicher Druck ausgeübt werden, damit sie umweltfreundlichere und geräuschärmere Maschinen bauen. Deshalb dürfen die neuen Normen nicht ewig aufgeschoben werden. Wir werden auf internationaler Ebene darum bemüht sein, aber irgendwann sind wir mit unserer Geduld am Ende.

Was letztendlich die Entwicklung lärmsensibler Flughäfen anbelangt, so müssen meines Erachtens die Messungen tatsächlich objektiv erfolgen und darf nicht ausschließlich von den Beschwerden der in der Nachbarschaft von Flughäfen wohnenden Bürger ausgegangen werden. Erforderlich sind internationale Normen, wobei jedoch einige Flughäfen, die für die Anwohner keinerlei Belästigung verursachen, ausgenommen werden müssen, damit ihre Entwicklung nicht blockiert wird.

 
  
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  Ojeda Sanz (PPE-DE).(ES) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Ich glaube, wir alle sind uns unserer Pflicht bewusst, die Umwelt zu schützen und durch eine Umweltpolitik, die nach dem Vertrag von Amsterdam eine erhöhte Bedeutung erfahren hat, zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen.

Ich bin mit der Kommission einer Meinung, was die Erarbeitung von strengeren Lärmschutznormen und auch die Festlegung von Übergangsvorschriften betrifft, um den Forderungen der lärmbelästigten Regionen gerecht zu werden. Wir erachten es auch für grundlegend, auf der 33. ICAO-Versammlung im Herbst 2001 vereint und mit einer Stimme aufzutreten, denn die Stärke liegt zweifellos in der Gemeinsamkeit, und die ist bei so wichtigen Themen wie der Verschärfung der Lärmschutznormen sehr notwendig. Gleichzeitig sollte die Kommission aufgefordert werden, Vorschläge zur Einführung ökonomischer Anreize vorzulegen, die auf die Reduzierung der negativen Folgen für die Umwelt zielen.

Nicht einverstanden sind wir allerdings mit der einseitigen Festlegung einer Kerosinsteuer, denn ein einseitiger Beschluss ohne die Unterstützung durch die ICAO hätte nur minimale Auswirkungen auf die Umwelt, würde rechtliche Probleme schaffen, wäre nachteilig für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Fluggesellschaften und folglich, wegen der erhöhten Preise, für die Fluggäste. Bevor Maßnahmen zur Besteuerung der Luftverkehrsindustrie ergriffen werden, wäre auch grundsätzlich eine Kosten-Nutzen-Analyse derartiger Maßnahmen erforderlich.

Abschließend möchte ich unterstreichen, welche Bedeutung eine effiziente Verwaltung der Luftverkehrsindustrie für die Verminderung der Faktoren der Umweltverschmutzung hätte, und ich weise besonders auf die Verbesserung der Verwaltung der Flughäfen hin, wobei ich klar für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums eintrete, mit dem wir ebenfalls ohne Zweifel zur Reduzierung der Umweltverschmutzung beitragen würden.

 
  
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  Vatanen (PPE-DE). - (FI) Herr Präsident! Liebe Kollegen! Ich zolle Frau Lucas hohe Anerkennung für den von ihr vorgelegten Bericht. Dabei meine ich ihre ursprüngliche Version. Sie hat recht, wenn sie betont, dass eine weitere rasche Zunahme des Luftverkehrs Maßnahmen erforderlich macht, um die Folgeerscheinungen unter Kontrolle zu bringen. Wenn wir Emissionen und Lärm verringern, bedeutet dies nachhaltige Entwicklung. Der Bericht erhielt auch die volle Unterstützung unseres Ausschusses. Die eingereichten Änderungsanträge allerdings schütten das Kind mit dem Bade aus.

Der ursprüngliche Bericht stellte eine angemessene Weiterführung der früheren Rechtsvorschriften der EU dar. Wenn aber die Änderungen angenommen werden, würde das für die europäischen Unternehmen, die ihre Investitionsentscheidungen auf der Grundlage der EU-Rechtsvorschriften getroffen haben, große finanzielle Verluste mit sich bringen. Der Zeitraum für die Umsetzung von Investitionen zur Lärmbegrenzung beispielsweise ist lang. Von der Entscheidung bis zum Abschluss der Arbeiten können bis zu zwei Jahre vergehen. Nun aber müssen die nach Kapitel 3 umgerüsteten, erstklassigen Flugzeuge innerhalb von vier Jahren ausgemustert werden.

Bürger und Unternehmen der Gemeinschaft müssen sich schon auf die Rechtsvorschriften verlassen können, denn ein ständiges Verrücken der Zielpfähle verwässert langfristige Planungen. Die dadurch entstehenden Kosten schwächen die Wettbewerbsfähigkeit des regionalen Flugverkehrs gegenüber Gesellschaften außerhalb der EU und erschweren gleichzeitig die Inbetriebnahme umweltfreundlicher Technologien bei den auf dem Gebiet der EU ansässigen Fluggesellschaften. Wo bleibt der wirtschaftliche Realismus, wenn im Namen des Umweltschutzes neue Technologien zur Ersetzung noch nutzbarer und gut erhaltener Maschinen gefordert werden? Im Gegenteil, damit wird die Umwelt belastet, da bereits vor Ablauf der Lebensdauer der vorhandenen Flugzeuge neue Materialien hergestellt und Maschinen gebaut werden müssen. Darüber hinaus wird die Umwelt durch die Ausmusterung der noch einsetzbaren Flugzeuge zusätzlich belastet. Grundlegende neue Vorschriften zur Lärmemission müssen in einem weltweiten Rahmen und unter Leitung der ICAO erarbeitet werden, wobei auch Raumordnung und Flächenplanung eine Schlüsselrolle zukommt.

Abschließend möchte ich noch daran erinnern, dass eine Erhöhung der Kerosinsteuer im Flugverkehr für die Bewohner dünn besiedelter Regionen zusätzliche Belastungen bringen würde. Wenn man von weither kommt, sind die Wege lang.

 
  
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  De Palacio, Kommission. – (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Frau Lucas zu dem Bericht beglückwünschen, der heute die Grundlage unserer Debatte bildet. Wie wir alle wissen, stellen die Umweltauswirkungen des Luftverkehrs in letzter Zeit ein Thema von höchstem Interesse dar.

Auf lokaler Ebene werden die Diskussionen über die Entwicklung der Flughäfen immer mehr von Umweltgesichtspunkten bestimmt, die sich auf die Lärmbegrenzung und die Verbesserung der Luftqualität im Umfeld der Flughäfen beziehen. Viele in diesen Gebieten lebende Bürger sind der Meinung, dass viel mehr zur Verbesserung ihrer Situation getan werden könnte, und dem entsprechen auch ihre Forderungen. Daneben sind die langfristigen Auswirkungen der Abgase aus dem Luftverkehr auf die Klimaveränderungen heute zweifellos ebenso wie die anderer Emissionsarten überall in der Welt Gegenstand der Besorgnis.

Daher muss das Problem des Luftverkehrs aus umweltpolitischer Sicht angepackt werden, und zwar global und zusammenhängend, das heißt, es sind die Aspekte der Luftverkehrstätigkeit einzubeziehen.

Es muss versucht werden, Interessen auszugleichen, die nicht immer leicht auszugleichen sind, denn im Zusammenhang mit dem Luftverkehr bestehen zweifellos wirtschaftliche Interessen, die durch hohe Investitionskosten gekennzeichnet sind, für deren Amortisation eine lange Lebensdauer erforderlich ist. Ein Flugzeug beispielsweise benötigt für seine entsprechende Abschreibung eine längere Zeitspanne als eine andere Investition. Dazu ist ein stabiles Betriebsumfeld notwendig, ohne Hin und Her und ohne Veränderungen in den Spielregeln, die unheilvolle wirtschaftliche Folgen für den Betrieb der Luftverkehrsunternehmen haben können.

Ein Sektor mit hohen Wachstumsraten, der auf äußerst kostspieligen Technologien basiert, hat direkte Auswirkungen auf die Beschäftigung in mit ihm verbundenen Sektoren, wie der Forschung, der Industrie und auch des Tourismus. Meiner Meinung nach ist der Versuch, die Umwelt zu bewahren, indem einfach nur das Wachstum des Luftverkehrssektors und der Luftfahrtindustrie gebremst wird, keine tragfähige in Betracht zu ziehende Option. Aber niemand zweifelt daran, dass die Bürger, nicht nur die Anwohner, die unmittelbar bestimmten Umweltbelastungen wie Lärm und Emissionen ausgesetzt sind, sondern alle Bürger, die eine höhere Lebensqualität und eine anhaltende Entwicklung wünschen, mit Recht Aktionen und Bewegungen von uns fordern, die diese Art des Wachstums als europäisches Modell gewährleisten.

In ihrer Mitteilung über Luftverkehr und Umwelt unterstreicht die Kommission, dass die Luftfahrtindustrie ihre Anstrengungen zur Verbesserung der Umweltqualität der neu gebauten Flugzeuge verdoppeln muss. Setzt sich die derzeitige Wachstumsgeschwindigkeit fort, werden sich die erforderlichen Verbesserungen, mit denen die durch das Anwachsen des Luftverkehrs voraussichtlich verursachten Umweltfolgen kompensiert werden können, nicht einstellen. Ich weiß, dass diese Feststellung in vielen Bereichen des Sektors nicht gut aufgenommen wird, aber zweifellos gibt es mittel- und langfristig keinen anderen Weg als die Suche nach einer Alternative, wenn wir nicht wollen, dass der Luftverkehr seinem eigenen Erfolg zum Opfer fällt.

Aber die Kommission ist sich auch bewusst, dass der Luftverkehrssektor völlig Recht hat, wenn er sagt, dass vor der Durchführung umweltpolitischer Maßnahmen eine ernsthafte, tief greifende Studie der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen dieser Maßnahmen notwendig sei. Ich habe den Eindruck, dass die Hauptverfechter des Umweltschutzes heute langsam, aber in zunehmendem Maße zugestehen, dass bei der Umsetzung einer bestimmten Umweltpolitik das Gleichgewicht zwischen Kosten und Effizienz der vorgeschlagenen Maßnahmen berücksichtigt werden muss.

Der vor uns liegende Bericht behandelt diese wesentlichen Aspekte und berücksichtigt sowohl die Notwendigkeit der Verstärkung des Umweltschutzes über die Routinebemühungen hinaus als auch den Faktor der Rentabilitätsprüfung. Ich möchte Frau Lucas für ihre Flexibilität danken, denn durch ihre Änderungen wird deutlich, das dies nicht genau der Bericht ist, den sie angestrebt hat, aber sie sucht einen Kompromiss, der seine Annahme im Parlament gestattet. Was sie beispielsweise zum Kerosin sagt, halte ich für eine vernünftige Darlegung dieses Problems, das sicher nicht im europäischen Rahmen gelöst werden kann, sondern einer globalen Lösung im Rahmen des internationalen Luftverkehrs und der ICAO bedarf.

Denn diese Fragen müssen hier, im Bereich der Luftfahrt, der Industrie, in der sich die Globalisierung wie auf keinem anderen Gebiet manifestiert, gelöst werden. Ich möchte für die Unterstützung danken, die der Kommission im Bericht gegeben wird, und bemerken, dass wir uns in einer schwierigen Phase der Aussprache über die neuen Lärmschutznormen und eine Regelung über die allmähliche Ausmusterung der lärmintensivsten Flugzeuge im Rahmen der ICAO befinden.

Bei zahlreichen Anlässen haben wir zum Ausdruck gebracht, dass wir einer internationalen Lösung dieser Probleme den Vorzug geben, und die Kommission konnte mit Genugtuung die positive Entwicklung des Standpunkts der USA im Hinblick auf den in der ICAO stattfindenden Prozess der Ausarbeitung von Normen feststellen. Ich muss sagen, dass die Regelung zu den so genannten „hushkits“, also die Regelung hinsichtlich der lärmintensivsten Flugzeuge, die seinerzeit von Parlament, Rat und Kommission angenommen wurde, gerade darauf beruhte, dass die USA einseitige Maßnahmen außerhalb der ICAO ergriffen hatten. Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Arbeit im Rahmen der ICAO erfolgen muss.

Wir werden die Aktionen der verschiedenen Mitgliedstaaten im Rahmen des CAEP koordinieren, denn es sind die Mitgliedstaaten, die ihren Sitz in der ICAO haben, und ich hoffe, dass das Parlament Initiativen wie den einheitlichen Luftraum, auf den Herr Ojeda eingegangen ist und der sich natürlich, wenn er Realität wird, auch auf die Kerosineinsparung auswirken wird, sowie die Verbesserung der Systeme der Zuteilung und Bewirtschaftung der „Slots“ im Allgemeinen unterstützt.

Herr Präsident! Ich danke nochmals für die Bemühungen, die von allen zur Erreichung eines realistischen, flexiblen und für die verschiedenen Seiten annehmbaren Textes unternommen wurden. Wir sehen dem Votum des Parlaments entgegen, das bei der Kommission selbstverständlich starke Beachtung finden wird.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin!

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 

15. Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern
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  Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt die Empfehlung für die zweite Lesung (A5-0218/00) im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 92/23/EWG des Rates über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und ihre Montage (C5-0220/2000 - 1997/0348(COD)) (Berichterstatter: Herr de Roo).

 
  
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  De Roo (Verts/ALE), Berichterstatter.(NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um Lärm durch Autoreifen. Lärm ist ein Umwelt- und Gesundheitsproblem, das unterschätzt wird. Ein Drittel der Unionsbürger wird dadurch belästigt und führt darüber Klage. Vor zehn Jahren war es noch ein Viertel der Bürger. Das Lärmproblem, insbesondere im Straßen- und Flugverkehr, nimmt also zu. In erster Lesung hat das Europäische Parlament auf die schwachen Vorschläge der Europäischen Kommission zu Unrecht nicht reagiert. Dieses Dokument der Europäischen Komission enthielt beispielsweise keine Revisionsklausel. Eine solche Klausel findet sich in sämtlichen die Umwelt betreffenden Kommissionsvorschlägen, nicht jedoch in dem vorliegenden Vorschlag. Das ist auch nicht verwunderlich, wurde er doch von der GD Industrie ausgearbeitet. Im Rat wurde dieses Umweltthema zu Unrecht von den Ministern für Wirtschaft und Binnenmarkt behandelt. Dies hätte im Rat der Umweltminister erfolgen müssen. Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik hat mit 32 Stimmen bei 10 Gegenstimmen vier Änderungsanträge angenommen. Wir schlagen vor, bei normalen Personenkraftwagen den Grenzwert um 2 Dezibel zu verschärfen. Der unabhängige deutsche Technische Überwachungsverein TÜV hat eine Vielzahl auf dem Markt befindlicher Autoreifen geprüft. Sie entsprachen sämtlich den vom Rat vorgeschlagenen Grenzwerten. Eine Minderung um zwei Dezibel ist ohne Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit technisch möglich. Dies wird von Fachleuten des Schwedischen Instituts für Straße und Verkehr bekräftigt. Bei Lieferwagen und Lastkraftwagen schlägt der Umweltausschuss ebenfalls eine Verschärfung der Grenzwerte um zwei Dezibel vor. Lieferwagen und Lastkraftwagen verursachen mehr Lärm als gewöhnliche Autos. Deshalb sind auch in diesem Bereich Fortschritte erforderlich, und hoffentlich werden es auch einige Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Christdemokraten fertig bringen, dafür zu stimmen. Die Reifenindustrie hat bis Oktober 2005 Zeit, den strengeren Grenzwerten zu genügen. Dieser Zeitraum erscheint mir mehr als ausreichend. Um den Lärm im Straßenverkehr zu mindern, ist selbstverständlich noch mehr erforderlich. Flüsterbelag, wie ihn unsere flämischen Freunde bezeichnen, oder ZOAB, sehr offener Asphaltbeton, wie wir in den Niederlanden sagen, ist um 20 Dezibel leiser als eine Straße mit Pflastersteinen. Pflastersteine gibt es zwar nicht mehr auf unseren Autobahnen, aber eine Geräuschreduzierung um 3 bis 5 Dezibel ist möglich, wenn überall Flüsterbelag aufgebracht wird. Bei der Lärmrichtlinie werden wir auf diese Probleme zurückkommen. Flüsterasphalt und Verringerung der Reifenbreite könnten zu einer Reduzierung um 6 Dezibel führen. Das erscheint zwar nicht viel, doch sollte bedacht werden, dass Dezibel ein Logarithmus ist. Demzufolge kann der Lärm um reichlich die Hälfte vermindert werden, ohne dass weniger gefahren wird. Autos werfen zahlreiche Umweltprobleme auf. Das Europäische Parlament hat vor gut zehn Jahren die erste Generation Katalysatoren und vor zwei Jahren im Rahmen des Berichts Langen/Hautala über das Auto-Oil-Programm die zweite Katalysatorengeneration durchgesetzt. Die Luftverschmutzung durch Personen- und Lastkraftwagen wird damit in den Jahren 2005 und 2007 um 70 bis 90 % verringert. Das Recycling von Altfahrzeugen haben wir mit dem Bericht Florenz ebenfalls gut geregelt. Es bleiben noch zwei wichtige Umweltprobleme, die auf europäischer Ebene bewältigt werden müssen. Erstens Lärm, dazu habe ich schon genügend gesagt, und zweitens das C02-Problem, das Problem der Treibhausgase. Hinsichtlich der C02-Emissionen schlägt der Umweltausschuss vor, dass die Europäische Kommission eine Gesetzesvorlage unterbreitet, um den Rollwiderstand der Reifen um 5 % zu senken. Das bedeutet, dass auch 5 % weniger Kraftstoff verbraucht werden und der C02-Ausstoß ebenfalls um 5 % verringert wird. Wir hoffen auf eine positive Stellungnahme seitens der Europäischen Kommission.

 
  
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  Florenz (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr Kommissar! Mir persönlich ist es ziemlich egal, in welcher Generaldirektion diese Richtlinie diskutiert wird. Ich bin kein Jurist, ich kann das nicht beurteilen. Fest steht, dass die Umweltbelange bisher nicht in hinreichendem Umfang berücksichtigt worden sind. Die Automobilindustrie und die Reifenindustrie haben gerade in den letzten drei Tagen in diesem Hause hier signalisiert, dass sie sehr wohl in der Lage sind, gerade bei den Autoreifen das eine oder andere zu tun.

Meiner Fraktion geht es heute nicht so sehr um die Frage, ob es 3, 4 oder 1 Dezibel sind, sondern wir möchten klarmachen, dass wir einen positiven Handlungszwang auf die Reifenindustrie ausüben wollen, dass sie hier mehr tun müssen. Auch die Autoölindustrie, die Autoindustrie und die Recycling-Industrie haben beim individuellen Verkehr viel möglich gemacht. Die Reifenindustrie hat sich dabei weitgehend enthalten. Das wollen wir jetzt nachholen. Ohne Zweifel werden wir irgendwann auch über andere Straßenbeläge in Europa reden müssen.

Ich glaube, dass es hier um den positiven Handlungszwang geht. Da möchte ich gleich einigen meiner Kollegen vorgreifen, die ab und zu als Witzbolde hier auftreten und sagen, dass der Florenz womöglich 2 Dezibel weniger haben will, dafür aber 10 Meter längere Bremswege akzeptiert. Selbstverständlich wollen wir die Standards beibehalten! Wir erwarten Innovation; wir erwarten, dass die Reifenindustrie junge Ingenieure und Ingenieurinnen einstellt und den berechtigten Forderungen der Bürger, weniger Krach in ihren Wohngebieten ausgesetzt zu sein, endlich etwas entgegenkommt. Das ist eine Aufgabe, der wir uns verschrieben haben, und ich hoffe auf die Kooperationsbereitschaft der Kommission. Es ist möglich, und wir werden in ein, zwei Jahren sehen, dass die Industrie unsere Ziele bis 2005 erreichen kann. Wenn das nicht gehen sollte, bin ich der allererste, der bereit ist, zuzugestehen, dass wir eben einen etwas größeren Rahmen abstecken müssen. Aber der Handlungszwang muss her, und dafür werden wir ja in diesen Tagen kämpfen.

 
  
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  Lange (PSE). - Herr Präsident! Herr Kommissar! Es ist ja bekannt, dass Sie dem Auto nicht ganz skeptisch gegenüberstehen und auch gerne Auto fahren. Da wäre es doch schön, wenn das eigene Auto 40 % weniger Lärm verursachen und gleichzeitig 5 % weniger Kraftstoff verbrauchen würde und damit auch weniger CO2 emittieren würde - allein durch neue Reifen. Diesen Weg sollten wir gehen.

Schon jetzt gibt es Reifen, die sowohl was das Abrollgeräusch betrifft, aber auch was den Rollwiderstand anbelangt, der für den Verbrauch und die CO2-Emission verantwortlich ist, weit unter den im Gemeinsamen Standpunkt vorgeschlagenen Werten liegen. Es gibt sogar Reifen, die in der Bundesrepublik Deutschland einen Blauen Engel, ein Umweltzeichen, bekommen, weil sie so vorbildlich leise und verbrauchsarm sind. Nun sind diese Reifen nicht besonders unsicher. Im Gegenteil! Reifen von Michelin und Dunlop haben sogar einen kürzeren Bremsweg und sind auch noch leise und verbrauchsarm. Da frage ich mich doch, warum dieses Parlament nicht den Mut aufbringen sollte zu sagen: Was jetzt schon Stand der Technik ist, fordern wir 2005 für alle Reifen, insbesondere für die Pkw-Reifen.

Deshalb möchte ich nachdrücklich darum bitten, den Änderungsantrag 1, mit dem wir neben den Abrollgeräuschen auch einen Grenzwert für den Rollwiderstand fordern, und insbesondere den Änderungsantrag 2 - leisere Reifen - zu verabschieden. Ich gebe zu bedenken, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das ja noch nicht das Ende der Verhandlungen ist. Wir gehen in die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss mit dem Rat, und dann werden wir sehen, was dabei herauskommt. Aber wir müssen auch Raum für Manöver haben.

 
  
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  Helmer (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, bevor ich auf das Thema Abrollgeräusche bei Reifen eingehe, möchte ich eine allgemeine Bemerkung an die Kommission richten. Die Kommission legt zu viele Legislativvorschläge vor, und bei Legislativvorschlägen führt dies in der Regel dazu, dass sich die Qualität mit steigender Quantität verschlechtert. Das Ziel besteht darin, weniger, dies dafür aber sorgfältiger tun. Doch genau das Gegenteil ist der Fall, denn wir tun mehr und verlieren dabei die Qualität aus den Augen.

Damit komme ich nun auf das Thema Reifen zurück. Als ich in dieses Haus kam, konnte ich mir wirklich nicht vorstellen, dass ich einmal die Haltung der Kommission verteidigen würde. Heute möchte ich jedoch ausdrücklich sagen, dass die Kommission ihre Hausaufgaben gemacht hat. Sie hat die Verantwortlichen der Branche konsultiert. Sie hat einen Vorschlag mit ehrgeizigen, aber durchaus realistischen Zielen vorgelegt, die zum Umweltschutz beitragen und zugleich den Interessen der Straßenbenutzer und der Reifenhersteller entsprechen.

Einige unserer Kollegen versuchen, diese sorgfältige Arbeit zu sabotieren, indem sie willkürliche und wenig fundierte Dezibelreduzierungen fordern. In einigen Fällen können die geforderten Werte erreicht werden, in anderen nicht. Sie haben jedoch vergessen, dass Änderungen an den Produktionsspezifikationen von Reifen sich nicht nur auf die Abrollgeräusche, sondern auch auf das Haftvermögen, die Sicherheit, den Kraftstoffverbrauch, die Kosten und die Langlebigkeit auswirken werden. Das könnte dazu führen, dass die Rollgeräusche zwar verringert werden, dass die Reifen jedoch teurer werden, dass sie schneller verschleißen, die Haftfähigkeit sinkt und damit die Unfallgefahr steigt!

Ich will es ganz offen sagen. Wenn die Änderungsanträge von Herrn de Roos gebilligt werden, wird die Zahl der Verkehrsopfer steigen. Damit tun wir unseren Wählern keinen Gefallen. Wir gehen mit den Vorschriften zu sehr ins Detail. Unsere Aufgabe ist es, einen breiten rechtlichen Rahmen zu setzen, in dem die Interessen der Öffentlichkeit berücksichtigt werden. Stattdessen wollen wir ein höchst technisches und kompliziertes Entwicklungsprogramm der Industrie bis in jede Einzelheit regeln, eine Aufgabe, für die wir weder die Zeit noch die erforderliche Fachkompetenz haben. Ich bitte die Kollegen, die Änderungsanträge abzulehnen und den Vorschlag der Kommission zu unterstützen.

 
  
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  Bowe (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich begrüße diesen Vorschlag. Er ist längst überfällig. Die Änderungsanträge von Herrn de Roo und Herrn Lange, meiner Kollegen, gehen in die richtige Richtung. Seit der ersten Veröffentlichung dieser Richtlinie im Jahr 1997 haben die Hersteller sich bemüht, die von der Kommission geforderten Normen zu erfüllen. Ich kann den Wunsch von Herrn de Roo nachvollziehen, diese Normen noch zu verbessern. Dennoch möchte ich zur Vorsicht mahnen.

Erstens sind die Reifennormen nicht das einzige Problem. Der Fahrbahnbelag spielt eine ebenso große Rolle und ist unter bestimmten Umständen, wie zum Beispiel an besonders befahrenen Stellen in den Städten, sogar noch wichtiger als eine Änderung der Reifennormen. In vielen Fällen ist es sinnvoller, den Fahrbahnbelag zu ändern und nicht die Reifennormen.

Zweitens halte ich es für sehr wichtig, dass bei den Maßnahmen zur Verringerung der Rollgeräusche die Reifensicherheit nicht in den Hintergrund gerät. Während wir heute Abend versuchen, neue Reifennormen zur Verringerung der Abrollgeräusche zu verabschieden, kommen wir bei den Reifennormen für das Haftvermögen oder die Adhäsion von Reifen auf der Straße überhaupt nicht voran. Die guten und ernstzunehmenden Vorschläge, die vor längerer Zeit vom Vereinigten Königreich vorgelegt wurden, sind noch immer nicht verabschiedet oder ernsthaft geprüft worden.

Unser Unvermögen, uns auf Reifensicherheitsnormen zu einigen, führt in dieser wichtigen Frage zu einem nicht hinnehmbaren Maß an Ungewissheit. Aus diesem Grund bin ich äußerst besorgt über die potentiellen Auswirkungen der Änderungsanträge 3 und 4 und über ihre Auswirkungen auf die Reifensicherheit, insbesondere bei Bussen und LKW. Daher kann ich die Änderungsanträge 3 und 4 von Herrn de Roo nicht unterstützen. Er sollte bedenken, dass diese Vorschläge verfrüht sind. Die Kommission bitte ich, diese Vorschläge abzulehnen.

 
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