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Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 3. Oktober 2000 - Straßburg Ausgabe im ABl.

5. Fortschritte der 12 Bewerberländer auf dem Weg zum Beitritt (Fortsetzung)
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  Der Präsident. – Wir setzen jetzt die gemeinsame Aussprache über die Fortschritte der 12 Bewerberländer auf dem Weg zum Beitritt fort.

 
  
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  Stenmarck (PPE-DE).(SV) Herr Präsident! Herr Kommissar! Viele Menschen haben die Vorstellung, die EU-Erweiterung sei ein Projekt, das ungemein viel Geld kosten wird. Das ist als Beschreibung der Realität nicht ganz korrekt. Dies wurde bereits während des Gipfeltreffens in Berlin im März 1999 festgestellt, als die Leitlinien für den Haushalt aufgestellt wurden. Damals wurde deutlich, dass wir die Erweiterung tatsächlich innerhalb des Rahmens bewältigen können, der dem EU-Haushalt gezogen ist. Die Stellungnahme zum Bericht Brok, für die ich die Verantwortung hatte und die vom Haushaltsausschuss unterstützt wurde, kommt zu der gleichen Schlussfolgerung.

Beinahe alle internationalen Untersuchungen deuten im Zusammenhang mit der Erweiterung auf makroökonomische Gewinne hin. Das gilt für die Betrittskandidaten, aber es gilt in der Tat auch für alle derzeitigen Mitgliedstaaten.

Hinzu müssen noch alle anderen Vorteile gerechnet werden, die nicht in Zahlen gemessen oder in wirtschaftlichen Begriffen beurteilt werden können. Durch die Erweiterung werden wir am größten gemeinsamen Markt der Welt mit beinahe 500 Millionen Menschen und 25 Prozent des Welthandels beteiligt sein. Auch in Westeuropa wird dies zu verstärktem Wettbewerb und einer Beschleunigung des Reformprozesses führen. So werden bessere Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum in ganz Europa geschaffen werden. Es wird, wenn auch auf lange Sicht, eine gemeinsame Währung für den gesamten Kontinent geben. Gemeinsam werden wir Europas grenzüberschreitende Umweltprobleme lösen können. Wir werden eine erweiterte und stabile Demokratie haben und damit die Voraussetzung für einen dauernden Frieden auf einem ständig von Kriegen verwüsteten Kontinent.

Das vollständige Bild der Erweiterung zeigt daher nicht unüberwindliche Kosten, sondern Gewinne, wie auch immer man rechnet. Diese Gewinne sind so bedeutend, dass die Erweiterung so bald wie nur irgend möglich durchgeführt werden sollte.

 
  
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  Volcic (PSE).(IT) Herr Präsident, Slowenien ist es gelungen, den Großteil der kurzfristigen Prioritäten der Beitrittspartnerschaft zu erfüllen, und dieses positive Urteil trägt dazu bei, den Beitrittsverhandlungen neuen Schwung zu verleihen. Ich spreche über Slowenien, weil ich mich damit befasst habe und weil dieses Land ein klares Beispiel dafür liefert, wie die verschiedenen Prozesse beschleunigt werden können, wenn das Ziel in greifbare Nähe rückt.

In wenigen Tagen finden Parlamentswahlen in Slowenien statt. Das ist nicht gerade die günstigste Zeit, um sich außenpolitischen Fragen zu widmen, und die gegenseitigen Anschuldigungen der einzelnen Parteien werden mitunter angeheizt und instrumentalisiert. Dennoch wird das Hauptziel der slowenischen Politik – der frühestmögliche Beitritt zur Europäischen Union – abgesehen von einigen unbedeutenden Minderheiten von keiner politischen Gruppierung in Frage gestellt.

Der politische Standpunkt bleibt also unverändert. Die Beiträge aller Redner, die sich heute in der Aussprache über die EU-Erweiterung zu Wort gemeldet haben, ergeben ein ziemlich einheitliches Bild. Im Bericht über Slowenien wird uns ein Problem aufgezeigt, das auch Bestandteil der tschechischen oder der kroatischen Frage bzw. ein Problem anderer Nationen ist. In verschiedenen Phasen, d. h. stets während des Zweiten Weltkriegs oder unmittelbar danach, wurden nämlich Maßnahmen ergriffen, die aufgrund des damals herrschenden Geistes offensichtlich nicht den Kriterien von Kopenhagen entsprechen, und trotzdem wurde später gerade auf der Grundlage jener Gesetze die politische und ideologische Architektur der damaligen Zeit entwickelt – einschließlich der Friedensverträge.

Im dritten Änderungsantrag zum Dokument über Slowenien heißt es beispielsweise: „... begrüßt es, dass die slowenische Regierung zu überprüfen gedenkt, ob die aus den Jahren 1943, 1944 und 1945 stammenden, immer noch geltenden Gesetze und Verordnungen im Widerspruch zu den Kriterien von Kopenhagen stehen oder nicht.“ Über diese Fragen werden interne Auseinandersetzungen in den einzelnen Ländern entfacht. Während nämlich, wie wir gehört haben, in einem Änderungsantrag von der Freude darüber die Rede ist, dass die slowenische Regierung zu überprüfen gedenkt, ob die Gesetze im Widerspruch zu den Kriterien von Kopenhagen stehen oder nicht, bekräftigt der mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattete Außenpolitische Ausschuss des slowenischen Parlaments die entscheidende Bedeutung der zwischen 1934 und 1935 erarbeiteten Grundlagen der Entstehung Jugoslawiens und verlangt, dass die slowenische Regierung diesen Standpunkt entschlossen und vollständig umsetzt, den ein Teil des Landes …

(Der Präsident unterbricht den Redner.)

 
  
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  Väyrynen (ELDR). – (FI) Herr Präsident, in der Erweiterungsdebatte war von einem sehr raschen Zeitplan die Rede. Andererseits ist gefordert worden, dass die neuen Mitgliedstaaten vor ihrem Beitritt das gesamte Regelwerk der Union akzeptieren und umsetzen müssen und es nur einige wenige und kurze Übergangsfristen geben soll. Zwischen diesen Standpunkten besteht ein unvereinbarer Widerspruch. Es wurde vorgeschlagen, diesen Widerspruch dadurch zu lösen, den Bewerberländern zu Beginn eine EWR-Mitgliedschaft anzubieten. Diese Überlegung ist unrealistisch. Der EWR für die Bewerberländer nicht geeignet und außerdem geben diese sich nicht mit weniger als der Mitgliedschaft in der Europäischen Union zufrieden.

Die rasche Erweiterung der EU ist eine politische Notwendigkeit. Deshalb habe ich die Frage gestellt und ich stelle sie auch jetzt, warum verändern wir nicht die Bedingungen für den Beitritt? Wir könnten die wichtigsten Vorschriften festlegen, die die Kernpunkte aus dem ETA-Abkommen sowie die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik umfassen. Außer der Zustimmung und Umsetzung dieser Vorschriften müssten die neuen Mitglieder natürlich die Kriterien von Kopenhagen erfüllen, die Billigung des gesamten Regelwerks auf längere Sicht zu ihrem Ziel erklären und sich zu den politischen Zielen der Union bekennen. So könnten wir bereits in den nächsten Jahren die Voraussetzungen für den Beitritt der meisten bzw. sogar aller Kandidatenländer schaffen. Wenn das Regelwerk der EU zweigeteilt werden würde, könnte einerseits das erreichte Integrationsniveau der jetzigen Mitgliedstaaten gesichert und andererseits die Vertiefung ihrer Zusammenarbeit gefördert werden.

Wird die Erweiterung der Union rasch vollzogen, würde das in hohem Maße dezentral erfolgen, wie es die Fraktion der ELDR in ihrer Stellungnahme zur Erweiterung formuliert. Deshalb sollten Aufgaben und Zuständigkeiten der Union ausgewählt werden. Sie sollte sich auf die Kernfragen konzentrieren, die nur auf der Ebene der Europäischen Union behandelt werden können. Dann wäre die Union natürlich auch in der Weise differenziert, dass einige der heutigen Mitgliedstaaten bei der Integration weiter vorankämen als andere. Eine sich erweiternde Union brächte Dezentralisation und Differenzierung. Die Reden über einen raschen Beitritt der Bewerberländer zur Union sind nur leere Worte, wenn die Bedingungen für den Beitritt nicht geändert werden.

 
  
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  Κorakas (GUE/NGL).(EL) Herr Präsident, die Abgeordneten der Kommunistischen Partei Griechenlands werden weder für den Bericht von Herrn Brok noch für die anderen Berichte stimmen, weil diese den Beitritt der Kandidatenländer für diese Völker als besonders vorteilhaft hinstellen und deren Vorbereitungsmaßnahmen zur Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands, vor allem aber die Förderung der Privatisierung von allem und jedem, den Abbau der sozialen Errungenschaften usw. begrüßen.

Diese Vorbereitung, so wie sie von den Völkern erlebt wird, führt jedoch genau zu konträren Ergebnissen: Aufhebung der nationalen Souveränität und Unabhängigkeit, Plünderung dieser Länder durch das multinationale Kapital, starke Zunahme der Arbeitslosigkeit, der Armut, der Verelendung, der Korruption, der Prostitution und des Sexgeschäfts. Das Gesundheits- und das Bildungswesen, die Kultur, die Industrie und die Landwirtschaft werden von den Regierungen dieser Länder freigiebig zur Disposition gestellt, wofür sie im Gegenzug die Unterstützung der USA, der Europäischen Union und der NATO für die neue, oft von der Mafia durchsetzte herrschende Klasse erhalten. Aus all diesen Gründen, aber auch ausgehend von unseren Erfahrungen in Griechenland ist unser Widerstand gegen die Erweiterung der Europäischen Union Ausdruck der brüderlichen Solidarität gegenüber den Arbeitnehmern und generell den Völkern der Kandidatenländer.

Wir fordern diese Völker auf, gemeinsam mit den Völkern der Europäischen Union gegen eine Europäische Union der Ausbeutung, der ­ auch militärischen – Interventionen, der Plünderung des Reichtums und des Ausverkaufs der Mühen und des Schweißes der Völker sowie der Abschaffung der unter langwierigen, harten und opferreichen Kämpfen errungenen sozialen Rechte zu kämpfen. Wir fordern sie auf zum Kampf für ein anderes Europa, ein Europa aller Völker, das von diesen unmenschlichen Stigmata befreit ist, in dem alle Völker ihr Schicksal selbst bestimmen und untereinander Beziehungen des Friedens, der Freiheit, der Brüderlichkeit und der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen herstellen können.

Abgesehen davon und trotz der zahlreichen zutreffenden Aussagen im Bericht Poos lässt sich insbesondere im Falle Zyperns festhalten, dass das Verfahren zum Beitritt zur Europäischen Union und die Beschlüsse von Helsinki nicht nur keine Lösung für das Problem der Besetzung gemäß der UN-Resolutionen bieten, sondern vielmehr auf die Legalisierung der Besetzung und die endgültige Zweiteilung der Insel hinauslaufen. Der Deutlichkeit halber verweisen wir auf die Verleihung des Kandidatenstatus an das Land des Eroberers, ohne dass die Frage des Abzugs der Besatzungstruppen überhaupt zur Sprache gebracht worden wäre.

Da heute oft vom 10. Jahrestag der deutschen Einheit die Rede gewesen ist, möchte ich abschließend den Rat und Herrn Verheugen fragen, ob ihnen bekannt ist, wann das nunmehr vereinte Deutschland die Zwangsanleihe aus der Besatzungszeit und die Kriegsentschädigungen an Griechenland zu zahlen gedenkt.

 
  
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  Gallagher (UEN).(EN) Herr Präsident, ich möchte mich in meinen Ausführungen auf die Waisenhäuser in Rumänien konzentrieren. Ich glaube, dass die rumänische Regierung Probleme hat, was die Schätzung der Zahl der in den Waisenhäusern des Landes untergebrachten Kinder angeht. In einem Schreiben, das das Büro der Delegation der Europäischen Kommission in Bukarest von der rumänischen Regierung erhielt, wird die Zahl der Waisen in Rumänien auf derzeit 100 000 bis 140 000 geschätzt. Die Brutalität des Ceausescu-Regimes hatte dafür gesorgt, dass seit Ende der 60er Jahre in Rumänien sehr viele Kinder ihre Eltern verloren. In den rumänischen Waisenhäusern selbst sind bis zu 100 000 Personen beschäftigt. Dieser Faktor erschwert die gesamte Problematik.

Ich habe Rumänien Ende Juli besucht, um mich selbst von der Arbeitsweise eines der größten Waisenhäuser, das sich in Nordrumänien befindet, zu überzeugen. Dabei wurde deutlich, dass das für das Land typische streng geordnete Anstaltsregime langfristige Konsequenzen für die Gesundheit der Waisenkinder hat. Deutlich wurde auch, dass die Betreuungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter in den rumänischen Waisenhäusern verbessert werden müssen. Viele dieser Häuser sind in alten Gebäuden, die heutigen Ansprüchen in keiner Weise genügen, untergebracht. Zur Verbesserung der Lebensqualität der Waisenkinder werden neue, moderne Einrichtungen gebraucht von der Art, wie sie vom Romanian Challenge Appeal gebaut werden. Ich habe zwei dieser Häuser besucht und kann sie nur jedem empfehlen. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie gut diese Heime, denn das sind wirklich Heime, diesen Waisenkindern tun.

Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zwischen Rumänien und der Europäischen Union ist genau festzulegen, welche Maßnahmen von der rumänischen Regierung zur Verbesserung des Standards und der Qualität der Waisenhäuser des Landes zu ergreifen sind. Dabei reichen Verpflichtungen allein nicht aus, sondern Rumänien muss handeln.

In Rumänien konnte ich auch mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen zusammenzutreffen, die mit den Waisenhäusern zusammenarbeiten. Ich möchte die Arbeit dieser Organisationen hiermit öffentlich würdigen. Dazu zählen vor allem auch der Romanian Challenge Appeal, der in Birmingham seinen Sitz hat, sowie Organisationen aus Irland, die von vielen Menschen unterstützt werden, so auch von dem irischen Unterhaltungskünstler Daniel O'Donnell, der sich zu einer Spende in Höhe von 1 Mio. Pfund verpflichtet und diese Summe in Irland und anderen Teilen der Welt gesammelt hat. Menschen wie er haben Großes geleistet.

Wir müssen dafür sorgen, dass Rumänien so lange nicht in die Europäische Union aufgenommen wird, wie es keine ernsthaften Anstrengungen zur Lösung dieses Problems unternimmt.

 
  
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  Langenhagen (PPE-DE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Fischereiausschusses. – Herr Präsident! Hut ab vor dem Generalberichterstatter und seinem Team! Ich denke, der Bericht ist eine großartige Leistung. Die Erweiterung schließt nicht nur die Menschen ein, sondern auch die Tier- und Pflanzenwelt. Diese Gesamtsicht zeigt die ungeheure Komplexität des Themas Erweiterung. Viele Einzelaspekte sind zu berücksichtigen. Der Ausschuss für Fischerei will auch mitreden, versteht sich aber keineswegs als Bremsklotz. Wir haben ganz konkrete Vorstellungen. Wir fangen nicht bei Null an, sondern beharren auf dem gemeinsamen Besitzstand, natürlich dem so genannten acquis communautaire. Das tut auch der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Im Bericht Brok gibt es immerhin zehn Punkte, die sich mit den agrarpolitischen Aspekten der Erweiterung befassen. Das gilt jedoch nicht für den Bereich der gemeinsamen europäischen Fischereipolitik. Diese ist doch nun wirklich eine Gemeinschaftspolitik, eine umfassende dazu. Sie erfasst alle Bereiche unseres täglichen Lebens und hat unmittelbare Auswirkungen auf den europäischen Arbeitsmarkt.

Die Konsequenzen einer nicht berücksichtigten Fischereipolitik könnten verheerend sein und sollten nicht mit dem bloßen Hinweis auf die Solidarität der Völker abgetan werden. Leider haben diese Aspekte bisher im Bericht keine Berücksichtigung gefunden, mit der Ausnahme, dass die einstimmige Stellungnahme des Ausschusses für Fischerei als Anhang wiederzufinden ist. Das reicht nicht. So bitten wir den Berichterstatter, die Kommission und den Rat, den agrarpolitischen Teil um den fischereipolitischen Teil zu ergänzen, zum Beispiel, indem wir aus dem Titel „agrarpolitische Aspekte der Erweiterung“ „agrar- und fischereipolitische Aspekte der Erweiterung“ machen.

Die redaktionelle Aufnahme dürfte sich mühelos durchführen lassen. Rechtsvorschriften und Informationspflichten beispielsweise hält nämlich auch der Ausschuss für Fischerei für elementar wichtig. Ich bitte um Unterstützung der entsprechenden Anträge.

 
  
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  Hoff (PSE). – Herr Präsident! Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu Polen machen. Dort ist man der Auffassung, dass das Land für einen Beitritt ab dem 31. Dezember 2002 bereit ist, und in der Tat sind in Polen seit Beginn der Beitrittsverhandlungen im März 1998 große Fortschritte erzielt worden.

Es liegen bereits mehrere Fortschrittsberichte vor, und auch das Parlament, das einen wichtigen Part in diesem Prozess spielt, hat sich dazu immer wieder geäußert. Das Parlament unterstützt die Strategie der Kommission, wonach jedes Bewerberland nach seinen eigenen Fortschritten und Verdiensten behandelt und beurteilt werden muss. Es gibt aber auch Fragestellungen, die grenzübergreifend gelöst werden müssen.

Im Bericht von Herrn Gawronski wird die Kommission z. B. vom Berichterstatter aufgefordert, Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung und zur Verstärkung von Synergien zwischen Polen, Litauen und dem russischen Gebiet Kaliningrad zu prüfen. Ich denke, dass das eine Bitte an die Kommission ist, die durchaus angemessen ist und wo die Kommission auch noch einen Vorschlag unterbreiten sollte. Ich habe das heute Nachmittag an anderer Stelle schon einmal erwähnt.

Insgesamt ist zum Thema positive Haltung der Bevölkerung zum Erweiterungsprozess zu sagen, dass Umfragen in mehreren Kandidatenländern zeigen, dass die Begeisterung für einen Beitritt in die EU weiterhin abnimmt. Nicht in allen Ländern, aber in einigen. Das ist nicht überraschend, denn seit der historischen Wende von 1989/1990 ist nun ein volles Jahrzehnt vergangen, und es fehlt nach wie vor eine umfassende Informations- und Kommunikationsstrategie für die Bevölkerung. Herr Verheugen hat heute Nachmittag davon gesprochen.

Jetzt richten sich alle Hoffnungen und Erwartungen auf Frankreich. Der Gipfel in Nizza muss vor allem Klarheit bringen, ob und wie sich die EU ihrerseits in die Lage versetzen kann, selbst umfassend und rechtzeitig erweiterungsfähig zu werden. Mit dem Abschluss der laufenden Regierungskonferenz sollte die institutionelle Reform die institutionellen Voraussetzungen für eine erweiterte EU schaffen, d. h., für eine Union mit 25 oder mehr Mitgliedstaaten. Die Funktions- und Handlungsfähigkeit einer erweiterten Europäischen Union ist ein ganz zentraler Punkt. Davon hängt nicht allein der Erfolg der französischen Präsidentschaft ab, sondern es steht für die Beteiligten und auch für Polen der Fortgang des gesamten Erweiterungsprozesses auf dem Spiel.

 
  
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  Van den Bos (ELDR).(NL) Herr Präsident! Wir wollen nicht mehr über die Erweiterung sprechen, wir wollen über den Beitritt, oder besser noch, über die Wiedervereinigung Europas reden. Die Kandidatenländer haben enorme Anstrengungen unternommen, um den Anforderungen zu entsprechen. Zweifellos hat jedoch das eine Land erheblich größere Fortschritte erzielt hat als das andere. Deshalb ist es nicht möglich, ein generelles Beitrittsdatum festzulegen, jedes Land ist willkommen, sobald die Kopenhagener Kriterien erfüllt sind, sei es vor oder nach den Europawahlen. Bemerkenswerterweise sind die Länderberichte häufig viel positiver als der Bericht Brok. Den Bewerberländern ist nicht damit geholfen, wenn die Anforderungen zu hoch geschraubt werden oder die Situation besser dargestellt wird als sie ist. Es ist nämlich noch eine ganze Menge zu tun. Ich denke dabei an Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Dezentralisierung, Bekämpfung der Korruption, EU-Rechtsvorschriften, industrieller Anpassungsprozess, Verbraucherschutz, Umweltmaßnahmen und Agrarreform. Die EU muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Beitrittskandidaten bei diesen Themen zu unterstützen, und sie darf selbstverständlich keine neuen Hürden aufbauen. Und das Bestreben aller Parteien muss auf Übergangsfristen gerichtet sein, die so kurz als auch so begrenzt wie möglich zu halten sind. Besser später und gut als früher und schlecht.

Ich konstatiere eine gefährliche Entwicklung. Die Enttäuschung in den Kandidatenländern wächst, weil der Beitrittsprozess ihrer Ansicht nach viel zu lange dauert. Und gleichzeitig wächst unter der Bevölkerung in den Mitgliedstaaten der Widerstand gegen den Beitritt. Und selbst wir, die europäischen Politiker, haben zu wenig Einblick in den Verhandlungsprozess. Wenn sich an dieser Situation nichts ändert, wird der gesamte Vereinigungsprozess in Frage gestellt sein.

Deshalb appelliere ich an die Staats- und Regierungschefs, ihre Verantwortung zu übernehmen und dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Sie müssen den Dialog mit ihrer eigenen Bevölkerung aufnehmen, und selbstverständlich kann diese dann überzeugt werden, wie überaus wichtig Frieden, Stabilität und Wohlstand auf dem gesamten Kontinent sind und welch historische Bedeutung die Wiedervereinigung Europas hat.

 
  
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  Graefe zu Baringdorf (Verts/ALE). – Herr Kommissar Verheugen, ich habe die Gelegenheit wahrgenommen, als Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung die beitrittswilligen Länder zu besuchen. Man hört, dass auch Sie viel unterwegs sind in diesen Ländern. Ich denke, Sie teilen meine Einschätzung, dass in diesen Ländern viel passiert ist, dass dies aber im Wesentlichen – auch finanziell – doch auf die eigenen Anstrengungen, die dort geleistet wurden, zurückzuführen ist.

Die EU ist im Wesentlichen mit verbilligten Agrarprodukten, die die Preise in diesen Ländern nach unten treiben, präsent: Dies trifft ganz besonders auf die Zeit der Schweinekrise hier zu, als schon fast bezahlte Schweine über die Sowjetunion schließlich in Polen gelandet sind. Das hat die Auseinandersetzungen verschärft. Wenn jetzt von einer Liberalisierung im Handel gesprochen wird, in der so genannten Null-Lösung, dann hat das damit zu tun, dass die Kommission den Aufforderungen des Europäischen Parlaments, bloß keine Exportsubventionen in die Beitrittsländer zu gewähren, nicht frühzeitig nachgekommen ist.

Nun wird in diesen Ländern, vor allen Dingen auch in Polen, diskutiert, was mit den Ausgleichszahlungen ist. Die Polen fragen sich: Werden sie dann, wenn wir beigetreten sind, auch uns gezahlt, oder sind wir Länder zweiter Klasse? Ich habe versucht, deutlich zu machen, dass das noch einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen wird, und es wird eben erst nach dem Beitritt diskutiert werden. Das wird noch ein paar Jahre dauern. Wichtiger wäre es jetzt, sich auf die Strukturmittel zu konzentrieren. Es wäre vernünftig, wenn die Polen eine Erhöhung von SAPARD fordern, möglicherweise auch eine Modifizierung, um diese Mittel besser auf die Bedingungen, in diesem Falle Polens, aber auch der anderen Beitrittsländer anzuwenden.

Wenn man mal den Vergleich nimmt: Es gibt in Polen 168 Mio. Euro an SAPARD-Mitteln. Die Ausgleichszahlungen belaufen sich auf 1,5 oder 1,8 Mrd. Euro, die breit gestreut sind und für die Entwicklung dieser Länder nichts bringen. Es wäre vernünftig, wenn wir auch den Forderungen der Polen nach Erhöhung dieser Strukturmittel jetzt nachkämen und bei der nächsten Agrarreform, die ich zeitlich früher ansetze – zumindest in der Konzeption – als den Beitritt dieser Länder, unsere Instrumentarien anpassten und auch die Ausgleichzahlungen bei uns in Richtung Strukturmittel veränderten. Das würde dann eine gemeinsame Zielsetzung in der dann gemeinsamen Agrarpolitik mit diesen Ländern begründen und hätte dann auch im Agrarbereich eine Finalität zur Folge, um mit Joschka Fischer zu sprechen.

 
  
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  Κoulourianos (GUE/NGL ).(EL) Herr Präsident, verehrte Kollegen und Kolleginnen! Die Frage der Erweiterung ist vielschichtig und lässt sich nicht in zwei Minuten abhandeln. Deshalb werde ich mich auf den Fall Zyperns beschränken. Meine Glückwünsche an Herrn Poos für seinen detaillierten und objektiven Bericht.

Herr Poos geht an das Thema Zypern aus der Sicht eines Europäers heran. Ich glaube, sein Bericht wird einen für das Parlament nachahmenswerten Präzedenzfall schaffen, und ich bin sicher, die Kollegen und Kolleginnen werden ihn einstimmig annehmen. Als Zypern noch eine britische Kolonie war, schrieb der Dichter: „Du hast sehr oft deine Herren gewechselt, dein Herz aber hat sich nicht gewandelt.“ Und das Herz Zyperns schlug stets auf europäischer Seite. Zypern ist Europa, ist Teil seiner Geschichte. Höchste Zeit also, dass Europa die Insel in seine Reihen aufnimmt. Dank der engen Beziehungen Zyperns zu den Völkern des östlichen Mittelmeerraums wird der Beitritt der Insel die Präsenz Europas in diesem überaus wichtigen Gebiet verstärken. Zypern wird gleichsam als Brücke zu den Ländern dieser Region fungieren. Auf die wirtschaftliche Dimension der Frage brauche ich nicht einzugehen, sie wurde im Bericht Poos und in den Berichten der anderen Organe der Europäischen Union erschöpfend und dezidiert abgehandelt. Ich erinnere lediglich daran, dass Zypern hinsichtlich der Erfüllung der wirtschaftlichen Kriterien unter allen beitrittswilligen Ländern den ersten Platz einnimmt und sofort auch Mitglied der WWU werden könnte. Im Falle Zyperns gibt es keine Schwierigkeiten mit der Anpassung an den gemeinschaftlichen Besitzstand. Im Bericht Poos wird unterstrichen, dass die Republik Zypern reibungslos funktioniert, die Wahrung der Menschenrechte und der Freiheiten den Grundstein der sozialen und kulturellen Tradition der Insel darstellt und die sozialen Strukturen des Landes sehr stark auf den Menschen ausgerichtet sind.

Natürlich stellt sich die Frage der Spaltung der beiden Volksgruppen. Ich bin jedoch sicher, dass bei gutem Willen und mit Hilfe der Europäischen Union eine Lösung gefunden werden kann, die den beiden Gemeinschaften ein harmonisches Zusammenleben und ein Leben in Wohlstand ermöglicht, so wie dies jahrhundertelang der Fall gewesen ist. Wie der Bericht Poos ganz richtig hervorhebt, wird der Beitritt zur Europäischen Union beiden Volksgruppen zugute kommen. Zwischen den griechischen und türkischen Zyprioten gibt es nichts Trennendes. Verantwortlich für die Teilung der Insel sind die Interventionen von außen. Unser Wunsch ist es, die Insel bald in der großen Familie der Europäischen Union wiedervereint zu sehen.

 
  
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  Hyland (UEN).(EN) Herr Präsident, ich schließe mich der von meinen Kollegen zum Ausdruck gebrachten breiten Zustimmung zur Erweiterung an. Das ist eine natürliche Entwicklung für die derzeitigen Mitgliedstaaten, die bei voller Funktionsfähigkeit der erweiterten EU die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der EU maßgeblich voranbringen wird.

Als Mitglied der Delegation für Malta und als jemand, der von einer der entlegensten Inseln in Europa stammt, unterstütze ich den Antrag Maltas auf EU-Mitgliedschaft. Aus der Sicht der EU wird die Aufnahme Maltas bezeugen, dass die Ziele, Ideale und Hoffnungen der Gründungsväter der Europäischen Union nach wie vor Gültigkeit haben. Nach einem etwas unglücklichen Start hat Malta mit seiner Kandidatur nun wieder den richtigen Kurs eingeschlagen, wobei es meines Erachtens die Kriterien von Kopenhagen für die EU-Mitgliedschaft in vollem Umfang erfüllt. Es bleibt allerdings noch sehr viel zu tun, was die Auflagen in Bezug auf den gemeinsamen Besitzstand betrifft. Dennoch ist das Tempo, mit dem Malta die Beitrittsanforderungen angeht, ein sicheres Zeichen für das Engagement des Landes für die europäische Integration und seinen Wunsch, sich beim europäischen Projekt zu einem gleichberechtigten Partner zu entwickeln.

Ich unterstütze die Ansicht der Berichterstatterin, dass Malta im Rahmen der ersten Erweiterungsrunde aufgenommen werden sollte und dass die Verhandlungen Ende 2001 abgeschlossen sein sollten.

Ich wünsche den Unterhändlern auch weiterhin viel Erfolg auf diesem wichtigen Gebiet.

 
  
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  Pack (PPE-DE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Kulturausschusses. – Herr Präsident! Im Ausschuss für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport gehören die wenigsten Dinge zum Gemeinschaftsrecht. Das heißt, wir haben sehr vieles, was auf Subsidiarität gründet und auch weiter darauf gründen soll. Deswegen haben wir uns auch nur auf ganz wenige Dinge beschränkt, und ich will auch nur zwei Aspekte herausgreifen.

Das Audiovisuelle ist sehr wichtig. Wir haben festgestellt, dass einfach noch zu wenig Anstrengungen im legislativen Bereich unternommen wurden und die Rechtsvorschriften für die audiovisuellen Medien noch lange nicht im Einklang mit dem gemeinschaftlichen Besitzstand sind. Das ist das eine.

Das zweite ist, dass es auch beim geistigen Eigentum, beim Copyright, noch sehr wenige Anstrengungen gibt, die Rechtsvorschriften anzugleichen. Dies sind die zwei wichtigsten Themen aus unserem Ausschuss.

Wir haben uns aber auch um die Frage der Minderheiten gekümmert, weil die Frage der Integration dieser Minderheiten, auch ihrer sprachlichen Integration, in diesen Ländern ebenfalls von Bedeutung ist. Wir haben einige Anmerkungen gemacht, was die Russen in Estland, Lettland und Litauen und die Roma in den anderen Ländern betrifft.

Ich möchte aber – um nicht nur Kritik anzubringen und nicht nur Fragen zu stellen –, etwas positiv herausstreichen. Wir haben gerade in den Bereichen Erziehung, Bildung und Kultur etwas Positives zu vermerken. Seit Jahren sind diese Länder im TEMPUS-Programm an uns angeschlossen, und seit eineinhalb Jahren sind sie in den Bildungs-, Kultur- und Austauschprogrammen für die Jugend ebenfalls zur vollen Teilnahme berechtigt. Ich denke, wir haben da eine sehr gute Brücke gebaut. Wir können nicht nur über die ökonomischen Fragen diskutieren, wir müssen eben auch in diesen Fragen Gemeinsamkeiten finden und ausbauen. Sie sind ja schon da.

Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen gerne darauf hinweisen, dass es bei diesem Austausch im Rahmen des SOKRATES-Programms nicht angehen kann, dass alle aus dem Osten in den Westen kommen sollen, sondern dass wir unsere Jugendlichen animieren, in die mittel- und osteuropäischen Länder zu gehen. Dann schaffen wir Gemeinsamkeiten in Europa.

 
  
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  Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Kommissar Verheugen hat vor kurzem im Rahmen eines Interviews, das für viel Aufregung gesorgt hat, unter anderem gemeint, dass die Kommunikation, das Gespräch vor allem seitens der Politiker der Mitgliedsländer mit der eigenen Bevölkerung hinsichtlich der Erweiterung nicht wirklich funktioniert. Recht hat er! Es hat nicht funktioniert, funktioniert noch immer nicht, und ich glaube, dass dieses Gespräch mit den Bürgern ein absolut wichtiges Thema ist. Das sollten sich die Politiker sehr zu Herzen nehmen, nicht nur durch das Gespräch allein, sondern auch durch Taten.

Wir haben vor kurzem in meinem Land Österreich – das ja immerhin an die Tschechische Republik, an die Slowakei, Ungarn und Slowenien grenzt – eine Studie fertiggestellt, der zufolge in den Grenzregionen, in denen Gespräche geführt und auch Taten und Investitionen gesetzt werden, die Zustimmung zur Erweiterung eindeutig höher liegt als in den Regionen, die allein gelassen werden. Es fällt schon auch in unsere Verantwortung, wie wir die Erweiterung durch Reden und durch Taten vermitteln.

Eine zweite Art der Kommunikation ist natürlich auch wichtig zwischen unseren Ländern und den Erweiterungsländern, um zu vermitteln, worum es bei der Europäischen Union geht. Es geht eben nicht nur um generelle Zielsetzungen oder darum, einfach dabei zu sein, sondern der acquis communautaire ist auch sehr wichtig. Ich höre manchmal in unseren Nachbarländern: Was schert Ihr euch so um den acquis communautaire, für uns ist doch entscheidend, dass wir bestätigt bekommen, wir sind europareif! Aber Europareife misst sich ja auch am acquis communautaire, und ich glaube, das ist sehr wichtig.

Die dritte Art der Kommunikation, auf die ich eingehen wollte, ist die Kommunikation innerhalb der Kandidatenländer. Wenn es hier sehr oft an Gesprächsbereitschaft zwischen Regierung und Opposition oder zwischen Regierung und Öffentlichkeit mangelt, dann ist auch das etwas, das besser organisiert werden müsste. Die Sozialpartner müssen engagiert werden, alle gesellschaftlichen Gruppen müssen engagiert werden, um auch der eigenen Bevölkerung zu vermitteln, worum es bei der Erweiterung eigentlich geht. Es ist ein schwieriger Weg, ein Weg, der sicherlich auch Opfer erfordern wird, der aber letztendlich doch wirklich zum Ziel führt. Ich glaube, in diesem Sinne soll unsere Arbeit im Europäischen Parlament dazu beitragen, dass dieses Gespräch und diese Kommunikation in Zukunft besser funktioniert.

 
  
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  Olsson (ELDR).(SV) Herr Präsident! Die heutige Aussprache gilt der großen Herausforderung des neuen Jahrtausends, nämlich Europa zu einen, um Frieden, Sicherheit und eine soziale, wirtschaftliche und umweltbezogene Entwicklung zu schaffen. Leider musste dieses Gefühl im Laufe der Verhandlungen den eher technischen Überlegungen weichen. Die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft ist eigentlich die Erfüllung der grundlegenden Kriterien von Kopenhagen. Die Verhandlungen sollten in erster Linie darauf hinzielen, den Beitritt für die neuen Mitglieder möglichst unproblematisch zu gestalten. Natürlich müssen diese die Rechtsvorschriften der EU erfüllen, aber die Forderung dies bereits vom ersten Tag an zu tun, erscheint mir manchmal etwas hart. Es gibt Mitgliedstaaten in der Union, die auch nicht alles erfüllt haben, obwohl sie von Anfang an dabei waren.

Diese Diskussion wurde auch im Umweltausschuss geführt. Manche sind der Meinung, die Anforderungen müssten erfüllt sein, um Mitglied werden zu können. Ich finde es wichtig zu betonen, dass die Umwelt nicht besser wird, wenn die betreffenden Länder noch etwas länger außerhalb der EU stehen. Statt dessen sollten wir versuchen, sie soweit und so früh wie möglich zu unterstützen und vielleicht eher etwas längere Übergangsregelungen in Kauf nehmen.

In diesem Zusammenhang gilt es, ein positives Meinungsbild für die Erweiterung zu schaffen. Wir können es uns nicht leisten, noch mehr vom Schwung aus dem Beginn der 90er zu verlieren. Wir haben schon ziemlich viel davon verloren und ich halte es für notwendig, dass wir hier in diesem Hause, in der Kommission und unter den nationalen Spitzenpolitikern Verantwortung übernehmen. Wir dürfen uns nicht länger hinter demokratischen Rücksichten verstecken und auf die Meinungslage verweisen. Es ist an der Zeit, die öffentliche Meinung in Europa in die richtige Richtung zu lenken.

Es geht hier um politische Ziele und politischen Willen, mehr als um technische Lösungen. Das müssen wir den Menschen erklären, sowohl in den Beitrittsländern und nicht zuletzt auch in unseren eigenen Mitgliedstaaten, wenn dies Unternehmen glücken soll – und die Zeit drängt.

 
  
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  Evans, Jillian (Verts/ALE).(EN) Herr Präsident, als Mitglied der Delegation im Gemischten Parlamentarischen Ausschuss EU-Litauen befürworte ich die von Frau Hoff in ihrem Bericht getroffenen Feststellungen. Auf mehreren Gebieten sind bemerkenswerte Fortschritte zu verzeichnen, doch ein Aspekt, auf den im Bericht nicht eingegangen wird, ist die Chancengleichheit. Wir haben viel über die Vorzüge der Erweiterung gehört, doch das ist ein Bereich, in dem wir von Litauen lernen können. 17,5 % der Abgeordneten des litauischen Parlaments sind Frauen. Dieser Wert liegt weit über dem Durchschnitt der anderen Bewerberländer und ist auch höher als in vielen der jetzigen Mitgliedstaaten. Es gibt in Litauen einen Bürgerbeauftragten zur Durchsetzung der Chancengleichheit, die damit nicht nur Lippenbekenntnis ist, sondern in die Tat umgesetzt wird.

Wie Frau Hoff sagte, ist das Kraftwerk Ignalina nach wie vor das größte Problem. Die litauische Regierung hat sich zur Schließung von Block 1 verpflichtet, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt, als ursprünglich geplant. Das ist ein schwieriges Problem. Es steht jedoch außer Zweifel, dass die Anlage geschlossen werden muss. Weitere Verzögerungen können nicht hingenommen werden. Neben der finanziellen Unterstützung seitens der EU für die Schließung müssen wir das Land auch bei der Erarbeitung einer wirklich nachhaltigen und umweltgerechten Energiestrategie unterstützen.

 
  
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  Seppänen (GUE/NGL). – (FI) Herr Präsident, die Erweiterung wird weder administrativ noch organisatorisch nach dem von der Kommission vorgelegten Zeitplan umgesetzt. Die Verhandlungen müssen nicht nur aus Gründen des politischen Ehrgeizes bis Ende 2002 abgeschlossen sein, wenn die Probleme bis dahin nicht gelöst werden. Der politischen Eile muss Einhalt geboten werden.

Das größte Problem ist das unterschiedliche Entwicklungsniveau der Länder, wofür die Wiedervereinigung Deutschlands das beste Beispiel liefert. In Deutschland waren die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Unterschiede nicht so groß wie die Unterschiede zwischen vielen heutigen Mitgliedstaaten und den meisten Bewerberländern, aber der Prozess hat bereits 600 Milliarden Euro gekostet. Wer bezahlt die noch viel größeren Summen, die Überwindung der noch viel größeren Entwicklungsunterschiede?

Die Überlegung von Herrn Verheugen, einen Volksentscheid hinsichtlich der Erweiterung, durchzuführen, wurde abgeschmettert, und der Grund liegt auf der Hand: Die Kostenträger können nicht darüber entscheiden. Ich schlage vor, das gleiche Modell der Erweiterung beizubehalten, das bei der vorangegangenen Erweiterung angewandt wurde. Die Kandidatenländer treten zunächst dem Europäischen Wirtschaftsraum bei, wo sie ohne politische Verpflichtungen und Zwänge ihre Wirtschaft der der EU anpassen können.

 
  
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  Cashman (PSE).(EN) Herr Präsident, zunächst möchte ich als Berichterstatter der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas für den Bericht über Rumänien der Berichterstatterin zu ihrem ausgezeichneten Produkt gratulieren.

Ich meine, dass sich Rumänien der mit dem Übergang zu einer offenen demokratischen Marktwirtschaft verbundenen Bewährungsprobe erfolgreich stellt. Mit großem Erfolg hat das Land Reformen in Angriff genommen, die eine wesentliche Voraussetzung für eine gedeihlichere und sicherere Zukunft darstellen. Wie sowohl im Bericht der Kommission als auch im Bericht von Frau Nicholson of Winterbourne festgestellt wird, konnten Fortschritte in bezug auf die Lage einiger Minderheiten erzielt werden. Rumänien hat bedeutende Menschenrechtsübereinkommen wie die Europäische Menschenrechtskonvention und die Europäische Sozialcharta in ihrer abgeänderten Form ratifiziert. Doch die Ratifikation allein genügt nicht. Was zählt, das ist die Verwirklichung der in diesen Übereinkommen garantierten Rechte.

Ich bin außerdem der Meinung, dass die Kommission mit der Beschränkung der Definition der Minderheitsrechte auf die Bevölkerungsgruppen der Roma und Ungarn einen Fehler macht. Die Sicherung der Rechte dieser Minderheiten ist für ein freies, offenes, demokratisches und europäisches Rumänien von wesentlicher Bedeutung. Besondere Sorgen bereiten mir aber auch die Rechte anderer Minderheiten wie die der in Artikel 13 des EU-Vertrags aufgeführten Gruppen, also all jener, die aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung diskriminiert werden. Gesetze selbst können diese Probleme nicht lösen. Es ist sogar so, dass sich das rumänische Oberhaus weigert, die strafrechtliche Verfolgung von Homosexualität aufzuheben. Das ist einfach skandalös.

Auch in anderen Ländern wie Polen und Malta wird ganz offen diskriminiert. So ließ sich Lech Walesa, der frühere polnische Präsident, unlängst auf einer Kundgebung in Polen wie folgt vernehmen: „Ich glaube, diese Leute (Homosexuelle) müssen medizinisch behandelt werden. Stellen Sie sich vor, wir wären alle so! Dann hätten wir keine Nachkommen!“ Das ist ebenso ignorant wie desinformiert, deshalb müssen wir bei der Prüfung der Bewerberländer ein besonderes Augenmerk auf die Menschenrechte und die Behandlung von Minderheiten legen.

 
  
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  Flesch (ELDR).(FR) Herr Präsident, ich möchte zunächst den Berichterstatter, Herrn Elmar Brok, und alle weiteren Berichterstatter beglückwünschen, die sich jeweils mit dem Dossier eines Kandidatenlandes befasst haben. Auch wenn sie den einen oder anderen Widerspruch enthalten, ermöglichen uns diese Texte doch, eine eingehende und differenzierte Bilanz des Standes der Verhandlungen zu ziehen. Gleichzeitig gestatten sie, den Umfang der von der Kommission und ihren Dienststellen im Rahmen des Screening und der Verhandlung geleisteten Arbeit zu ermessen. Nun erwarten wir mit Ungeduld Ihren eigenen Fortschrittsbericht in dieser Frage, Herr Kommissar.

Der Beitritt der Länder Mittel- und Osteuropas, von Zypern und Malta bietet uns die historische Chance, alle europäischen Länder auf der Grundlage gemeinsamer Ideale zusammenzuführen und den gesamten Kontinent zu stabilisieren.

Als Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu Lettland möchte ich beispielhaft kurz auf diesen speziellen Fall eingehen. Von Lettland sind bedeutende Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung der politischen Kriterien gemacht worden. Natürlich müssen noch weitere Fortschritte in bestimmten Bereichen folgen, so, um nur ein Beispiel zu nennen, das nicht von der Berichterstatterin, Frau Schroedter, angeführt wurde, bei der Modernisierung der gerichtlichen Verfahren und Infrastrukturen, doch der Wille der lettischen politischen Kräfte, den Reformprozess zum Erfolg zu führen, ist unbestreitbar und ein gutes Zeichen für die Zukunft.

Angesichts der doppelten Herausforderung, die es Europa ermöglichen soll, sich mit sich selbst zu versöhnen, und der institutionellen Reform, die die Demokratie und die Effizienz in seinen Institutionen stärken soll, befindet sich die Europäische Union – wie schon so oft – an einem bedeutenden Wendepunkt ihrer Geschichte.

Für die Institutionen, für die Mitgliedstaaten, für uns alle geht es darum, uns dieser Herausforderung, aber auch den Ängsten unserer eigenen Öffentlichkeit gewachsen zu zeigen, und wieder die Kraft, den Ehrgeiz und die Visionskraft der Gründerväter Europas zu finden.

 
  
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  Gomolka (PPE-DE). – Herr Präsident! Bitte entschuldigen Sie meine Verspätung. Ich habe es leider immer noch nicht verstanden, mich aus dem Gewirr der Garagen auf kürzestem Wege herauszufinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu einem Problem sprechen, das insbesondere in den baltischen Staaten, und dort besonders in Lettland und Estland, präsent ist. Das ist die Existenz einer relativ großen russischsprachigen Bevölkerungsgruppe, ergänzt durch Bürger aus Kleinrussland und aus der Ukraine. Zum überwiegenden Teil sind diese Bürger dort das Resultat einer Jahrzehnte währenden Okkupation, und deswegen ist ihre Präsenz dort mit erheblichen emotionalen Vorbehalten verbunden.

In den letzten Jahren gelang es nun nicht zuletzt auch durch das Einwirken europäischer Institutionen, hier eine entscheidende Verbesserung der Situation zu erzielen. Ich erinnere daran, dass noch vor wenigen Jahren das Sprachengesetz bei der negativen Beurteilung eine Rolle spielte. Ich erinnere noch an die größeren Schwierigkeiten beim Staatsbürgerschaftsrecht, das es zu novellieren und an die europäischen Normen anzupassen galt.

Diese gesetzlichen Hürden sind mittlerweile genommen, so dass auch viele russischsprachige Bürger jetzt bereit sind, die Staatsbürgerrechte und -pflichten, sowohl in Lettland als auch in Estland als den am meisten betroffenen Ländern, anzuerkennen. Das ist ein Prozess, der sich sehr differenziert vollzieht, aber trotzdem kann er sehr viel Hoffnung machen, denn er schließt ja ein, dass diese Bürger künftig auch Unionsbürger werden und damit in besonderer Weise aufgerufen sein werden, die Verbindungen zu ihrem Heimatland, wo ihre Vorfahren herkommen, zu suchen. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Bürger zu Trägern einer grenzüberschreitenden Kooperation in einer künftig erweiterten Europäischen Union werden.

 
  
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  Maes (Verts/ALE).(NL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich möchte ebenfalls Herrn Brok und den übrigen Berichterstattern danken und sie beglückwünschen, aber ich möchte mich vor allem auf die Slowakei konzentrieren, insbesondere auf die Minderheitenpolitik.

Achtung der kulturellen Identität einer Gemeinschaft, auch wenn diese Gemeinschaft eine Minderheit darstellt, erhöht die Selbstachtung derer, die dieser Gemeinschaft angehören, und diese Selbstachtung ist notwendig, um sich selbst entfalten zu können. Ein solches Streben nach Emanzipation und Selbstverwirklichung wird dann der Motor, der dazu antreibt, einen Beitrag zum Ganzen zu leisten. Aus dieser philosophischen Sicht sollten die Minderheiten betrachtet werden – das wäre weitaus positiver. In vielen beitrittswilligen Ländern werden diese Minderheiten, die Roma und andere, als Probleme bezeichnet. Auch in der Slowakei ist das so.

In dem Bericht – ich meine den Bericht von Herrn Wiersma – wird eine grundlegende Änderung der Haltung gegenüber den Roma als notwendig erachtet. Das besagt schon, dass noch ein langer Weg zurückzulegen ist. Aber auch die ungarische Minderheit befürchtet, dass sie trotz des Minderheitensprachengesetzes von 1999 weiterhin in ihrer gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entfaltung behindert wird.

Ich komme aus Belgien, einem Land, in dem Sprachengesetze die Probleme zwischen den Bevölkerungen nicht lösen konnten; dazu bedurfte es mehr, eines entsprechenden Unterrichts von der Sekundarstufe, einschließlich der Universitäten, bis zur Primarstufe. Erforderlich war mehr Autonomie. Das sage ich nur, weil einfache Rezepte in der Regel nicht zur Lösung komplizierter Probleme beitragen.

Die kulturelle und ethnische Vielfalt in Mittel- und Osteuropa sowie auf dem Balkan erhält im Rahmen eines sich vereinigenden Europas zweifellos neue Chancen, aber gleichzeitig muss sich auch Europa darüber im Klaren sein, dass beispielsweise die Frage der Roma-Minderheit das Problem einer Nation ohne Land ist, und das geht auch uns an. Dieses Problem dürfen wir nicht auf die Slowakei allein beziehungsweise auf Rumänien oder die anderen Länder abwälzen.

 
  
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  Gahler (PPE-DE). – Herr Präsident, einen Monat vor Veröffentlichung der nächsten Fortschrittsberichte steige ich nicht in die Exegese eines alten ein. Als Schattenberichterstatter meiner Fraktion für Litauen möchte ich aber gerne Frau Kollegin Hoff zu ihrem Bericht gratulieren. Ich möchte vor allem an den Rat gerichtet, der leider im wesentlichen abwesend ist, doch einige Erwartungen und Bedenken äußern.

Ich habe leider den Eindruck, dass dieser Erweiterungsprozess trotz vieler schöner Worte und trotz fleißigen Öffnens und Schließens zahlreicher Kapitel vom Rat nicht mit dem notwendigen politischen Nachdruck vorangetrieben wird. Es besteht die Gefahr, dass das Fenster der Gelegenheit, von dem Kommissar Verheugen gesprochen hat, fahrlässig zugeschlagen wird, weil die Handelnden im Rat, insbesondere die Regierungschefs selbst, in erster Linie von ihren nationalen Tagesordnungen bestimmt sind und leider nicht den Ehrgeiz haben, um ganz Europa willen eigenes Profil zu entwickeln.

Seitdem der Ehrenbürger Europas, Helmut Kohl, von der europapolitischen Bühne abgetreten ist, fällt mir spontan nur noch Jean-Claude Junker als Regierungschef ein, dem die europäische Sache eine echte Herzensangelegenheit ist. Gleichwohl fordere ich politische Führung seitens des Rates insgesamt ein, die der Größe der Aufgabe gerecht wird.

Nehmen Sie von Überlegungen Abstand, das Prinzip „Jeder nach seinen Leistungen“ durch das Prinzip „Jeder nach seinen Leistungen, aber erst nach meinen Wahlen“ zu ersetzen. Das gilt sowohl für die französische Präsidentschaft wie für die deutsche Bundestagswahl. Diese Wahlen sind kein Grund, den Abschluss von Verhandlungen hinter diese Daten zu verschleppen. Wer historische Entscheidungen kleinlichen nationalen oder gar parteipolitischen Erwägungen unterordnet, wird vor der Geschichte keinen Bestand haben.

Ich fordere Sie auf, in Nizza ein Datum festzulegen, bis wann Sie mit den am weitesten fortgeschrittenen Kandidatenländern – ohne Namensnennung – beabsichtigen, die Verhandlungen zu beenden. Hören wir alle auf, von den Kandidaten Sachen zu verlangen, die außerhalb des gemeinschaftlichen Rechtsbestands liegen! Das sage ich gegenüber einigen Gutmenschen im Parlament, aber vor allem auch an die Adresse der nationalen Ratsdelegationen bei den Verhandlungen. Wie sich hier einzelne Regierungen von bestimmten Lobbyisten im Rahmen der Verhandlungen teilweise einspannen und aufbocken lassen, ist manchmal unwürdig!

Meine nochmalige Aufforderung an den Rat: Zeigen Sie politische Führung und geben Sie den Kandidaten in Nizza eine konkrete zeitliche Perspektive, auf die sie hinarbeiten können! Im Übrigen: Die französischen und alle anderen Landwirte sind sowohl vor als auch nach jeder Wahl immer noch da!

 
  
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  Carnero González (PSE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte zunächst über Bulgarien sprechen, das in den letzten Jahren, nicht ohne wirtschaftliche und soziale Probleme, bei seinem Übergang zu einer demokratischen Gesellschaft mit freier Marktwirtschaft spürbar vorangekommen ist.

Gleichwohl hat Bulgarien heute eine Wirtschaft, die sich in einem stabilen Tempo entwickelt. Es ist wahr, dass sich dies nicht in einer ausgewogenen Verbesserung der Lebensqualität der gesamten Bevölkerung widerspiegelt. Vielleicht könnte ein konstruktiver Dialog zwischen Regierung, Oppositionsparteien und gesellschaftlichen Repräsentanten einen positiven Impuls in die richtige Richtung geben.

Dieser Dialog würde auch zur Schaffung der erforderlichen administrativen Kapazität für die wirksame Führung des Landes beitragen, indem die heute noch nicht vorhandenen Strukturen geschaffen und die Korruptionsfälle reduziert werden.

Viele Länder der Union hatten zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Entwicklung mit ähnlichen Problemen zu kämpfen und können Bulgarien beraten, um zu helfen, die gegenwärtigen Probleme zu überwinden.

In Bulgarien sind 20 % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter arbeitslos. Es ist unumgänglich, für ein solches Problem, für das es keine einfache Lösung gibt, ein günstiges Umfeld für die Arbeit der Industriebetriebe und wettbewerbsfähige Wirtschaftsstrukturen zu schaffen.

Bulgarien spielt eine wichtige geopolitische Rolle für die Zukunft des Balkans. Seine Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft während des Kosovo-Konflikts und seine damals ausgewogene Rolle sind für die gesamte Region von großer Bedeutung. Bulgarien nutzt praktisch seine Brückenposition zwischen Mitteleuropa und dem Balkan auf eine für alle fruchtbare Weise.

Die Europäische Union muss Bulgarien weiterhin auf seinem Weg zum Eintritt in die Union helfen und natürlich bewirken, dass die Planung dieser Hilfe noch dezentralisierter erfolgt.

Herr Präsident, nachdem ich von Bulgarien gesprochen habe, möchte ich nicht enden, ohne eine globalere Überlegung anzustellen, ohne unser Ja zur Erweiterung erneut zu bekräftigen.

Wenn wir die Erweiterung ernsthaft und aufrichtig durchführen wollen, müssen wir uns für zwei wesentliche Fragen einsetzen. Zum einen muss die Erweiterung mit einer Vertiefung einhergehen. Deshalb muss die Regierungskonferenz ein wirksamer Schritt vorwärts auf dem Weg zur politischen Union sein.

Zum anderen muss die Union die Erweiterung mit ausreichenden Haushaltsmitteln in Angriff nehmen. So wird die Erweiterung sowohl für diejenigen, die künftig mit uns zusammengehen wollen, als auch für unsere Öffentlichkeit an Glaubwürdigkeit gewinnen.

 
  
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  Turmes (Verts/ALE). – Herr Präsident! Ich werde mich auf die Demokratieaspekte im Zusammenhang mit dem Beitritt von Malta beschränken. Dänemark hat gezeigt, dass das aktuelle Demokratieverständnis der EU bei den Bürgern, und ich würde sagen, den besonders interessierten, ja gut informierten Bürgern, auf Kritik und Ablehnung stößt. Malta soll bloß vier Abgeordnete im Europäischen Parlament bekommen, wenn es nach den Vorschlägen von Dimitrakopoulos und Leinen geht. Wird der Leinen-Vorschlag angenommen, dann führt dies zu einer Diskriminierung der kleinen Länder sowie zu einer Diskriminierung der neuen kleinen Parteien in den kleineren Mitgliedsländern. Die politische Vielfalt der Diskussion wird damit beschnitten.

Wenn Malta bloß vier Abgeordnete bekommt, dann wird das jahrzehntelang auf Konfrontation ausgelegte Zweiparteiensystem dort weiter betoniert und politische Innovation verhindert. Malta sollte wie auch die anderen kleineren Mitgliedsländer durch mindestens sechs Abgeordnete vertreten werden. Die Demokratie ist nicht nur eine Frage der Mehrheiten, sondern vor allem auch eine Frage der angemessenen Mitentscheidung von Minderheiten. Ich wünsche mir, dass der Beitritt Maltas sich in diesem Geist vollzieht.

 
  
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  Schwaiger (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vom Sorgenkind zum Musterschüler – so könnte man die Entschlossenheit der slowakischen Regierung, des slowakischen Parlaments umschreiben, den Weg zur Mitgliedschaft zügig zu beschreiten und seit zwei Jahren alle Anstrengungen zu unternehmen, die Kriterien von Kopenhagen zu erfüllen. Wir hoffen, dass das slowakische Parlament und die Regierung den eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgen und die notwendige Geduld aufbringen, Widerstände zu überwinden und das slowakische Volk auf seinem Weg nach Europa zu bestärken.

Dazu gehört aber auch die konsequente Privatisierung und Umstrukturierung der Wirtschaft. Der Banken- und Finanzsektor muss vollständig reformiert werden, die steuerliche Konsolidierung sollte weitergeführt werden. Der Dialog zwischen den Sozialpartnern, den anderen Gruppen der Zivilgesellschaft, der Regierung und dem Parlament spielt dabei eine wichtige und – wie wir feststellen – positive Rolle. Die Differenzierung der Wirtschaft muss vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen. Die Slowakei sollte auf Dauer ihre Devisen zunehmend aus Wirtschaftsbereichen verdienen, die nichts mit der Weiterverarbeitung des Erdöls und mit der Waffenproduktion zu tun haben.

Wir begrüßen die nunmehr enge Zusammenarbeit zwischen Ungarn und der Slowakischen Republik. Wir freuen uns besonders darüber, dass die Slowakei auf dem Weg ist, der ungarischen Minderheit und den anderen Minderheiten Rechte zu gewähren, die sich langsam den Standards des Europarates annähern. Sie sind eine wichtige Voraussetzung für eine reibungslose Mitgliedschaft der Slowakei in der Europäischen Union. Die slowakische Regierung unternimmt im übrigen bemerkenswerte Anstrengungen, den Staatsapparat zu modernisieren und die Randregionen zu fördern.

Wir sehen mit Genugtuung, dass sich das slowakische Parlament der Voraussetzung für einen Beitritt bewusst ist und versucht, ihn systematisch und zügig herbeizuführen. Wir stellen auch fest, dass die Slowakische Republik als Durchgangsland in Mitteleuropa und nach Westeuropa eine besondere Verpflichtung hat, den Menschenhandel wirksam zu bekämpfen, den Kampf gegen die Korruption, das organisierte Verbrechen noch konsequenter als bisher zu führen, und dass die richterliche Gewalt durch die letzten Gesetzesänderungen weiter gestärkt wurde.

Lassen Sie mich im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei abschließend unserem Berichterstatter, Herrn Wiersma, für seinen ausgezeichneten und umfassenden Bericht danken und ihm namens der EVP-Fraktion unsere Unterstützung zusichern.

 
  
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  Paasilinna (PSE). – (FI) Herr Präsident, verehrte Mitglieder der Kommission, liebe Kollegen! Eine Erweiterung über den alten Eisernen Vorhang hinweg ist Friedensarbeit. Der Frieden schafft Hoffnung und der Krieg zerstört sie.

Wenn wir von den Beitrittsländern Gesetzestreue und Beendigung der Korruption fordern, müssen wir auch selbst die Grundsätze von Gleichbehandlung und Ehrlichkeit umsetzen. Einkommens- und Bildungsunterschiede haben bei uns nur zugenommen.

Die Erweiterung kann jedoch nicht dadurch bewerkstelligt werden, dass die neuen NATO-Staaten zuerst aufgenommen werden. Das würde bedeuten, der Logik der Militärmaschinerie zu folgen. Wir können auch nicht davon ausgehen, dass irgendein Bewerber selbstverständlich der erste ist und ohne ihn die Erweiterung überhaupt nicht beginnen könnte. Die Bewerberländer müssen gleichbehandelt werden und ihr Beitritt darf nur von ihrer Entwicklung abhängig sein. Einige bekannte Personen, die eine Abkürzung anbieten, sind wie unfaire Schiedsrichter bei einem Sportwettkampf.

Die Union ist nicht bereit, neue Mitglieder aufzunehmen, wenn unsere Arbeitslosigkeit weiterhin so hohe Zahlen aufweist. Das führt unausweichlich zu Konflikten und erhöht das Ungleichgewicht, auf das die extremistischen Bewegungen hinweisen. Das ist unser Betätigungsfeld. Wir müssen den Eisernen Vorhang zwischen uns herunterreißen, denn die Überwindung der sozialen und Bildungsunterschiede ist eine weitaus wichtigere Bedingung als das Stimmengewicht von Kommission und Rat.

Unwissende und ausgegrenzte Menschen können keine Informationsgesellschaft entwickeln, sondern sind ein Zeichen für ihr Scheitern. Ich warne diejenigen, die die Union zweiteilen wollen: in den inneren Kreis und in andere. Wir sind doch gerade dabei, die Zweiteilung Europas zu überwinden und keine neue zu schaffen. Am besten ließe sich die Bürokratie vereinfachen, wenn wir uns auf die Fragen konzentrieren, für die es eine gemeinsame Lösung zu finden gilt. Es ist unabdingbar, dass über die Dinge, die diese gemeinsamen Fragen betreffen, in den Mitgliedstaaten und Kommunen entschieden wird; sonst verstricken wir uns in einer beängstigenden Überwachungsgesellschaft, die von einem immer dunkleren Kern beherrscht wird.

Herr Präsident, ich schlage weiterhin vor, dass die Kommission dem Parlament ihre Einschätzung über die Entwicklung der inneren Bedingungen unter dem Aspekt der Beschäftigung, Ausgrenzung und digitalen Verteilung vorlegt.

 
  
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  Titley (PSE).(EN) Herr Präsident, in den 80er Jahren bestand die große Herausforderung für die Europäische Union in der Vollendung des Binnenmarktes. In den 90er Jahren war es die Währungsunion. Im ersten Jahr des neuen Jahrtausends geht es darum, die Europäische Union in einer dem Frieden, der Stabilität und dem Wohlstand des Kontinents zuträglichen Form zu erweitern, ohne dass diese Stabilität gefährdet wird.

Zu diesem Zweck muss die Erweiterung jetzt absolute Priorität genießen. Wir sollten das von Kommissionsmitglied Verheugen erwähnte Fenster der Gelegenheit unbedingt nutzen, was ja nicht heißt, dass wir mit verbundenen Augen losmarschieren müssen. Kein Land hat ein absolut verbrieftes Recht auf Beitritt. Es müssen die entsprechenden Bedingungen vorhanden sein. Deshalb waren viele von uns besorgt über die im letzten Bericht der Kommission geäußerte Kritik an den Bemühungen der Tschechischen Republik, die auf ein gewisses Nachlassen des Engagements hindeutete. Wir können nur hoffen, dass sich die gewaltigen Anstrengungen, die die Regierung gerade in letzter Zeit unternommen hat, im nächsten Bericht der Kommission widerspiegeln werden. Gleichzeitig sollten wir anerkennen, mit wie viel Einsatz Länder wie Litauen versuchen, verlorenen Boden wettzumachen. Das wurde im letzten Bericht der Kommission deutlich, und das wird hoffentlich auch diesmal der Fall sein.

Wir müssen dafür sorgen, dass die Länder auf ihren Beitritt entsprechend vorbereitet sind und dass sie insbesondere über die für eine Übernahme des gemeinsamen Besitzstandes erforderliche Verwaltungskapazität verfügen. Deshalb waren auch einige von uns besorgt darüber, dass die Tschechische Republik die Inkraftsetzung des Gesetzes über den öffentlichen Dienst vertagt und die Reform ihres Justizsystems abgebremst hat. Andererseits kann Litauen, wo man die Bedeutung der Verwaltungskapazität erkennt, auf diesem Gebiet auf enorme Fortschritte verweisen.

Im Rahmen ihrer Partnerschaftsvereinbarungen mit den Bewerberländern könnten die Mitgliedstaaten durchaus mehr tun, um diese beim Ausbau ihrer Verwaltungskapazität zu unterstützen.

Abschließend sei noch festgestellt, dass es uns vor allem gelingen muss, die Wähler in der Europäischen Union für die Erweiterung zu gewinnen. Zu viele von ihnen haben über die Bewerberländer Ansichten, die seit zehn Jahren nicht mehr der Realität entsprechen. Diese Länder sind heute viel moderner und in vielerlei Hinsicht in der Lage, die mit der EU-Mitgliedschaft verbundenen Aufgaben zu bewältigen. Wenn wir wollen, dass unsere Bürger die Erweiterung künftig unterstützen, dann müssen wir ihnen diese Entwicklung vor Augen führen.

 
  
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  Laschet (PPE-DE). – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rumänien ist ein Land, das sicher nicht in der ersten Runde Mitglied der Europäischen Union werden wird, aber es ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Strategie der Kommission richtig war, zwölf Länder zu gleichberechtigten Verhandlungspartnern zu machen und dann an Kriterien abzulesen, wann welches Land Mitglied wird. Das ermöglicht es uns einerseits, unseren Bevölkerungen die Ängste zu nehmen, dass mit einem Schwung zwölf Länder bis hin nach Bulgarien und Rumänien in die Europäische Union kommen und diese überfordern; zugleich kann man argumentieren, dass ganz klare Kriterien festgelegt werden, bevor ein Land Mitglied wird. Dies alles ist in dem Bericht von Baroness Nicholson of Winterbourne enthalten, und ich danke ihr im Namen unserer Fraktion ganz herzlich für diesen Bericht.

Rumänien hat erst sehr spät nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs den Weg nach Europa eingeschlagen. Erst seit 1996 kann eine demokratische Regierung all das aufholen, was andere Länder bereits sehr schnell beginnen konnten, und insofern sind die Erfolge, die in diesen vier Jahren erzielt wurden, sehr beachtlich. Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zur Sicherheitslage machen: Rumänien ist ein Land, das in dem Kosovo-Konflikt an der Seite Europas und an der Seite des Atlantischen Bündnisses gestanden hat.

Deshalb sollten wir auch bereits an dieser Stelle darüber nachdenken, ein Signal zu setzen. Wenn der Beitritt zur Europäischen Union noch länger dauern wird, so sollte das Atlantische Bündnis darüber nachdenken, Rumänien bereits früher in seine Mechanismen einzubauen. Das gilt auch für unsere europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wenn man weiß, dass bei der ersten Erweiterungsrunde der NATO Rumänien und Slowenien als NATO-Beitrittskandidaten bereits im Gespräch waren, so sollte die NATO bei ihrem Erweiterungsprozess nicht stehen bleiben.

An Rumänien lässt sich auch für unsere Bevölkerung deutlich machen, dass es in unserem Interesse liegt, Europa zu stabilisieren. Rumänien wird auch in Zukunft eine Außengrenze zur Europäischen Union darstellen. Rumänien ist wichtig für die Stabilisierung des gesamten Balkans, für die gesamte Region Südosteuropa. Insofern liegt es in unserem Interesse, unser Rechts- und Freiheitssystem bis nach Rumänien auszudehnen, und dies ist sicher in einer kritischen Debatte mit unserer Öffentlichkeit ein Argument. Wenn wir Ländern wie Rumänien und Bulgarien keine Perspektive geben, bleibt die Instabilität, und die ist nicht im europäischen Interesse.

 
  
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  Souladakis (PSE).(EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Mit Blick auf die Berichte, über die wir heute zum Thema Erweiterung in Verbindung mit dem Bericht Brok debattieren, aber auch angesichts der heutigen Aussprache über die institutionelle Reform können wir den heutigen Tag wohl ohne Übertreibung als einen Festtag für das Europa des 21. Jahrhunderts bezeichnen.

Sämtliche Berichte enthalten sehr viele positive Aussagen, so dass wir nunmehr mit Entschlossenheit und Begeisterung – so kann man es sicherlich guten Gewissens formulieren ­ zur nächsten Phase übergehen können. Der Tenor der Berichte ist durchweg positiv und damit sind jegliche Nörgler ins Abseits gedrängt. Wir dürfen nicht den einzelnen Baum, sondern wir müssen den Wald sehen. Jetzt fallen historischer Augenblick und politischer Augenblick zusammen. Jetzt gilt es, den nächsten Schritt zu wagen. Jetzt muss sich Europa seiner Zukunft stellen, jetzt müssen wir die Erweiterung auch ideologisch ausgestalten.

Neben diesen generellen Bemerkungen möchte ich jedoch besonders die beiden Mittelmeerinseln, die Inselstaaten Zypern und Malta, erwähnen, die jetzt auf den Beitritt zur Europäischen Union zusteuern. Sie zählen zu den europäischen Regionen, die für den Beitritt am besten gerüstet sind, vor allem Zypern. So gesehen, wird hier über die Logik der Erweiterung nicht nur auf der Grundlage einiger wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Kriterien, sondern auch anhand der Einhaltung allgemeinerer Grundsätze entschieden, die unsere Vorstellungen von der Zukunft Europas inspirieren sollten ­ eines friedlichen Europas, eines Europas der Völker, eines Europas der Staaten, eines Europas der Gleichheit, eines Europas der Achtung der Menschenrechte.

Diesem Verständnis zufolge dürfte Zypern meiner Meinung nach das Thema schlechthin sein, das über die Fähigkeit Europas, politisch Gestalt anzunehmen, entscheiden wird. Die Frage des Beitritts von Zypern und Malta wird für Europa den Beweis erbringen, dass es seine Erweiterung auch aus geopolitischer Sicht zu akzeptieren bereit ist, das heißt, nicht nur aus Gründen der geographischen Symmetrie, sondern auch aus Gründen der politischen Vollendung einer Einheit von Völkern, einer Einheit von Kulturen, einer Einheit mit einer gemeinsamen Perspektive.

 
  
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  Carrilho (PSE).(PT) Herr Präsident! Die heutige Aussprache wird als eines der wichtigsten Zeugnisse der Arbeit des Europäischen Parlaments in Bezug auf den Erweiterungsprozess der Union in die Geschichte eingehen. Gestatten Sie mir hier insbesondere den Verfasserinnen und Verfassern des Berichts, aber auch Herrn Minister Mocovici und Herrn Kommissar Verheugen für ihre Beiträge meine Anerkennung auszusprechen. Ihnen ist es gelungen, bei der Analyse Realismus und Pragmatismus zu zeigen, ohne die ideellen Ziele aus dem Auge zu verlieren, die dem europäischen Projekt einen wahren Sinn verleihen. Trotz der offensichtlich unterschiedlichen Standpunkte erleben wir eine wichtige Übereinstimmung zu den grundlegenden Aspekten, von denen ich den folgenden hervorheben möchte: Die vollständige Einbindung jedes neuen Landes in die Europäische Union verlangt hundertprozentigen Einsatz und die Anbindung der wirtschaftlichen Konvergenz zum Beitritt an ein politisches Projekt. Dieses Projekt zeichnet sich durch verschiedene Wesenszüge aus, die von den Bewerberländern und den derzeitigen Mitgliedstaaten zwingend zu respektieren sind, damit die Erweiterung nicht zur Auflösung führt. Unter diesen Merkmalen, die das europäische Projekt prägen, ragen der Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten, die Demokratie und die verantwortungsbewusste Ethik, die soziale Dimension und die Chancengleichheit heraus.

Abschließend, Herr Präsident, möchte ich sagen, dass uns die Tatsache, dass diese Aussprache zu einem Zeitpunkt stattfindet, da Deutschland den 10. Jahrestag seiner Vereinigung begeht, Anlass zum Nachdenken sein sollte. Wir haben die Gespenster der Vergangenheit besiegt. Und wenn das 20. Jahrhundert mit zwei furchtbaren Weltkriegen für den höchsten Grad der Teilung Europas stand, dann wird das 21. Jahrhundert, so wir es wollen, für die Einheit der europäischen Völker stehen. Eine Einheit um ein gemeinsames Projekt, das sehr wohl ein Projekt des Friedens zwischen den Europäern und zwischen Europa und der Welt ist.

 
  
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  Andersson (PSE).(SV) Herr Präsident! Ich komme aus Schweden, einem Land in dem die Skepsis gegen das Projekt EU immer noch recht bedeutend ist. In Bezug auf eine Sache herrscht dort allerdings große Einigkeit, und das ist die Erweiterung. Man kann sich fragen weshalb. Ich meine, es ist die Möglichkeit, in der EU eine gesamteuropäische Zusammenarbeit zu entwickeln, die der Erweiterung Legitimität verleiht.

Der Gewinn liegt vor allem auf politischer Ebene. Es ist phantastisch, dass die Länder in diesem vor zehn Jahren noch geteilten Europa in naher Zukunft gemeinsame Beschlüsse zu gemeinsamen Angelegenheiten fassen sollen. Diese Veränderung bringt demokratische Vorteile und auch die Möglichkeit, zukünftig Frieden und Stabilität zu schaffen.

Das bedeutet einen wirtschaftlichen Kraftakt, zugegeben, aber dieser Kraftakt kann auch große zukünftige Gewinne bringen, indem unser Markt wächst und das Wirtschaftswachstum auf unserem Kontinent zunimmt.

Auch für die Umwelt werden sich Vorteile ergeben. Ich selbst wohne nahe der Ostsee, die für uns alle eine gemeinsame Angelegenheit ist. Wenn wir für die Verbesserung der Umwelt gemeinsame Regeln festlegen, schaffen wir bessere Lebensbedingungen in der Zukunft. Dies ist unsere gemeinsame Aufgabe.

Im Bericht heißt es, jedes einzelne Land solle der EU entsprechend seinen Fortschritten beitreten können. Es ist wichtig, dass dies auch umgesetzt wird, dass ein Land Mitglied der EU werden kann, wenn es zum Beitritt bereit ist. Wir stehen jetzt vor zwei Aufgaben. Zum einen müssen die Beitrittsländer ermuntert werden, damit sie nicht in ihren Bemühungen nachlassen. Dafür müssen wir schnell einen Beitrittstermin festlegen. Und zum anderen muss der Dialog mit unseren Bürgern zu Hause geführt werden, damit dieses Projekt auch in Zukunft Legitimität genießt.

 
  
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  Scheele (PSE). – Herr Präsident! Herr Kommissar Verheugen hat heute Nachmittag gesagt, dass es durch die Erweiterung zu keinem sozialen und Umweltdumping kommen wird. Ich glaube, das ist ein wesentliches Ziel, und alle Seiten müssen den Beitrag dazu leisten, damit wir dieses Ziel auch ganz sicher erreichen.

Die Punke, die der Umweltausschuss in den Bericht Brok eingebracht hat, sind notwendige Schritte hierfür, und sie sind die Voraussetzung dafür, der Verlangsamung der europäischen Umweltpolitik entgegenzutreten. Meine Fraktion unterstützt daher die Befristung der Übergangszeiten im Umweltbereich auf maximal fünf Jahre.

Die vorrangige Behandlung der ökonomischen Problemfelder – Wasser, Luft und Abfall – ist unsere politische Forderung. Werden Übergangsfristen gewährt, ist es notwendig und hilfreich, im Beitrittsvertrag realistische Zwischenziele festzulegen und das Nichteinhalten dieser Zwischenziele als Vertragsverletzung zu werten.

Das Parlament muss die notwendigen Informationen erhalten, um die Situation in den Kandidatenländern beurteilen zu können. Jährliche Berichte der Kommission ermöglichen es, den Umsetzungsprozess zu verfolgen. Die Frage der nuklearen Sicherheit ist eine große Herausforderung im Erweiterungsprozess. Die Anstrengungen, die bereits in diesem Bereich geleistet wurden, zeigen, dass der Erweiterungsprozess auch hier eine große Chance hin zu mehr Sicherheit in den Kandidatenländern, aber auch im gesamten Europa, darstellt. Mehr Sicherheit für die Bevölkerung in den Kandidatenländern und mehr Sicherheit für die gesamte europäische Bevölkerung ist die Folge.

Atomkraftwerke sowjetischer Bauart der ersten Generation gelten für Europa als besonders gefährlich. Wir fordern die Kandidatenländer auf, ihre nichtnachrüstbaren Atomkraftwerke bis spätestens zum Beitrittstermin stillzulegen. Ich spreche hier von drei Atomkraftwerken, Bohunice, Ignalina und Kosloduj.

 
  
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  Schierhuber (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die historische Chance, unseren Kontinent in Frieden zu vereinen, darf von uns in ihrer Bedeutung und Tragweite nicht verkannt werden. Als Politiker müssen wir diesen tiefgreifenden Prozess mit einem eindeutigen Ja unterstützen, auch wenn es noch viele Punkte zu diskutieren und zu verhandeln gibt. Die politische Vision bleibt bestehen. Die Verantwortung, die wir als Parlamentarier in dieser Stunde tragen, muss dazu führen, dass zukünftige Generationen auf unserem Kontinent in Frieden und Freiheit leben können. Der Lebensstandard wird sich durch eine marktorientierte Wirtschaft und gestützt durch demokratische Regierungsformen auch in den mittel- und osteuropäischen Ländern heben. Auch wenn es uns viel Kraft kostet, es ist der richtige Weg.

Wir Österreicher sind aufgrund unserer geografischen Nähe besonders an der Erweiterung interessiert und davon betroffen. Nur zu gut erinnere ich mich persönlich noch an den Eisernen Vorhang, da mein Bauernhof nur wenige Kilometer davon entfernt lag. Mir sind die Probleme, die wir durch die Grenzöffnung bekommen haben, immer noch um vieles lieber, als weiterhin mit dem Rücken zur Wand am Eisernen Vorhang zu leben, wie wir es jahrzehntelang getan haben.

Neben dem grundsätzlichen Ja zur Erweiterung der Union betone ich, dass diese so schnell wie möglich erfolgen sollte. Die Landwirtschaft im besonderen spielt eine wichtige Rolle, da in den Beitrittsländern noch viel mehr Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt ist. Wir müssen den Kandidatenländern sagen, dass sie hier den Strukturwandel durchführen müssen, um im zukünftigen Markt wettbewerbsfähig zu sein, und es müssen vermehrt alternative Beschäftigungsmöglichkeiten im ländlichen Raum geboten werden. Das SAPARD-Programm ist dazu eine gute Möglichkeit, und ich begrüße es sehr, dass die Kommission schon sechs Programme genehmigt hat.

Übergangsfristen und Übergangsregelungen sollen so kurz wie möglich gehalten werden, aber eines betone ich: Der acquis communautaire muss vollständig übernommen werden. Besonderes Augenmerk gilt hier den sanitären, phytosanitären und vor allem den Umweltauflagen und Fragen, die für uns als Konsumenten und auch als Bauern von großer Wichtigkeit sind, um weiter das Vertrauen der Konsumenten zu haben. Die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik muss eigentlich die effiziente Basis für die multifunktionalen Leistungen sein, die die Bauern in allen Belangen erbringen. Was eine grundsätzliche Ausrichtung des europäischen Agrarmodells und die Entwicklung des ländlichen Raums anbelangt, so gibt es keinen Interessenskonflikt zwischen den Bauern der EU und den Bauern der mittel- und osteuropäischen Länder. Wir wollen gemeinsam die Probleme lösen und gemeinsam in die Zukunft gehen.

 
  
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  Myller (PSE). – (FI) Herr Präsident, wir müssen unbedingt eine positive Bewegung in die Erweiterung bringen. Neben vielen anderen Gebieten profitiert zum Beispiel die Umwelt von der Erweiterung. Dies setzt jedoch voraus, dass wir eindeutige Regeln aufstellen, nach denen die Erweiterung erfolgt. Für die Umwelt ist es notwendig, den Spielraum für Übergangsregelungen einzuschränken und festzulegen, wie während der Übergangsfristen vorgegangen wird.

Bei uns wird sehr viel davon gesprochen, wie die Erweiterung finanziert wird. Wir haben entsprechend der Agenda 2000 Mittel im Haushalt bereitgestellt, aber es muss dafür gesorgt werden, dass die erforderlichen Mittel, die insbesondere auf dem Umweltsektor benötigt werden, vor allem vor dem Beitritt zur Verfügung stehen. Die Mittel müssen in einem größerem als derzeit in der Agenda 2000 vorgeschlagenen Umfang vor allem für die Arbeit vor dem Beitritt eingesetzt werden. Nur so können wir sicherstellen, dass die Vorschriften umgesetzt werden. Hinzuzufügen ist natürlich, dass in gleicher Weise für die administrativen Voraussetzungen Sorge zu tragen ist.

Insgesamt sind die Kosten im Zusammenhang mit der Erweiterung in der allgemeinen Aussprache besonders nachdrücklich angesprochen worden. So haben wir mit besonderer Freude den Wunsch von Klaus Hänsch zur Kenntnis genommen, der für die PSE-Fraktion gesprochen hat, dass die Kommission eine wirkliche Bewertung der Auswirkungen der Erweiterung und auch der wirtschaftlichen Konsequenzen geben möge, falls es nicht zur Erweiterung kommt. Denken wir doch mal darüber nach, welche Kosten auf uns zukommen, wenn die Zweiteilung fortbesteht, und was das für den sozialen und Umweltbereich bedeutet.

 
  
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  Fiori (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Viele Kolleginnen und Kollegen haben bereits daran erinnert, dass die Erweiterung ein wichtiges und ehrgeiziges Ziel ist. Ich möchte hinzufügen, dass sie auch eine moralische Verpflichtung für Westeuropa ist: Vor 11 Jahren ging das sowjetische Regime unter, und jene Länder wandten sich voller Hoffnung an uns. Auf diese Hoffnung müssen wir großzügig und weit blickend reagieren. Selbstverständlich verhehlen wir dabei nicht die beiderseitigen Schwierigkeiten dieses Vorhabens. Wir müssen die institutionellen Reformen durchführen, während die Beitrittsländer wichtige interne Reformen umsetzen und dabei unter anderem die Kriterien von Kopenhagen erfüllen müssen.

In diesem Zusammenhang weise ich auf die Änderungsanträge hin, die Herr Oostlander zu den Berichten über die Tschechische Republik und über Slowenien vorgelegt hat, damit endlich auch die nach wie vor ungelösten Probleme der Minderheiten in Angriff genommen werden; dabei denke ich beispielsweise an den langen Streit der italienischen Gemeinschaft in Slowenien. Über die Einzelheiten und spezifischen Fragen hinaus dürfen wir dabei nicht die historische Tragweite dieses Prozesses aus den Augen verlieren. In der Debatte, die in letzter Zeit geführt wird, geht es um vier entscheidende Fragen: das Datum für den Abschluss der Verhandlungen, den Beitrittstermin, die Reihenfolge des Beitritts der neuen Länder und die Übergangszeit.

Meine Fraktion hat bereits ihren Wunsch zum Ausdruck gebracht, die ersten Verhandlungen bis 2003 abzuschließen, um bis Juni 2004 den Beitritt zu ermöglichen. Selbstverständlich ist noch über die Reihenfolge des Beitritts der Kandidatenländer zu diskutieren, u. a. weil noch die Fortschritte bei den internen Reformen beurteilt werden müssen. Ich würde eine Lösung für vernünftig halten, die einen tragfähigen Kompromiss zwischen einer zeitlich nicht zu sehr gestaffelten Erweiterung, die sicher schockartige Auswirkungen auf die Funktionsweise unserer Organe hätte, und einer die berechtigten Erwartungen jener Länder in Bezug auf den Zeitpunkt erfüllenden Erweiterung beinhaltet.

Im Hinblick auf die Übergangszeiträume dürfen wir nicht der Versuchung anheim fallen, diese als Instrumente für die Verringerung der Auswirkungen der Erweiterung zu nutzen und somit die Zugehörigkeit der neuen Staaten zur Europäischen Union zu verwässern, nur damit die Termine, die wir uns gesetzt haben, eingehalten werden. Allerdings können diese Übergangszeiträume im allgemeinen Interesse aller Länder mit einem hohen Maß an Transparenz, Ausgewogenheit und Verantwortungsbewusstsein entsprechend eingeteilt werden.

 
  
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  Berger (PSE). – Herr Präsident, im Ausschuss für Recht und Bürgerrechte war es unsere Aufgabe, vor allem den Bereich des Binnenmarktes und die dafür relevante Rechtsetzung in den Beitrittsstaaten zu bewerten. Da es sich aber dabei – wie heute bereits vielfach betont – um einen der Kernbereiche der europäischen Erweiterung handelt und hier die Fortschritte nur im Detail wirklich zu beurteilen sind, möchte ich noch einmal mein Bedauern ausdrücken, dass wir diese Erweiterungsdebatte zu einem Zeitpunkt führen, zu dem die Fortschrittsberichte 2000 der Kommission noch nicht vorliegen. Nur auf dieser Grundlage könnten wir den Fortschritten in den einzelnen Staaten wirklich gerecht werden. So müssen wir uns mit einer eher pauschalen Bewertung zufrieden geben, die vielleicht der Situation in den einzelnen Staaten nicht wirklich angemessen ist.

Wir können davon ausgehen, dass gerade seit den letzten Berichten wesentliche Fortschritte erzielt wurden. Als Vizepräsidentin unseres Gemischten Ausschusses mit der Tschechischen Republik weiß ich, dass das jedenfalls für die Tschechische Republik, aber ich nehme an, auch für einige weitere Staaten der Fall ist.

Der Binnenmarkt ist ein zentraler Bestandteil für das Gelingen der Erweiterung, und mir ist daher klar, dass mit Ausnahmen und Übergangsfristen besonders vorsichtig umgegangen werden muss. Dennoch teile ich die Ansicht unseres Berichterstatters, des Kollegen Wuermeling, dass es ohne Übergangsfristen im Interesse beider Vertragsparteien nicht gehen wird, und gerade als Abgeordnete einer Grenzregion, die so wie die Kollegin Schierhuber einen Bauernhof in der Nähe der tschechischen Grenze besitzt, ist es mir ein Anliegen, dass das Entstehen naher gemeinsamer Wirtschaftsräume ohne größere Probleme bewältigt werden kann und zu einem positiven Ergebnis auf beiden Seiten führt.

Abschließen möchte ich mit einer Bemerkung aus dem Bericht des Kollegen Schröder, die mir besonders gut gefallen hat und die, wie ich glaube, auch im Sinne dessen ist, was Kommissar Verheugen zu Beginn dieser Debatte gesagt hat. Kollege Schröder schreibt, wenn auch nur auf Tschechien bezogen, aber ich glaube, das gilt generell: „Viele Schwächen, die in diesem Land noch erkennbar sind, sind das Erbe einer jahrzehntelangen Diktatur.“ Insofern tun Politiker aus dem Teil Europas, dem nach dem Zweiten Weltkrieg ein glücklicheres Schicksal beschieden war, und das gilt insbesondere für Österreich, gut daran, maßvoll mit der Kritik an diesen Ländern umzugehen.

 
  
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  Ebner (PPE-DE). – Herr Präsident! Es freut mich, dass ich zu dieser Flickenteppich-Diskussion auch zwei Minuten beitragen kann, eine Diskussion, die aufgrund der Uhrzeit – und eine Minute möchte ich für diese meine Kritik verwenden – ja die Missachtung der Wichtigkeit der Thematik unterstreicht. Ich glaube, es ist einfach beschämend, dass wir uns mit der Erweiterung und der Ausweitung der Europäischen Union, die 100 Millionen Menschen betrifft, um Mitternacht auseinandersetzen! Wir sollten diesbezüglich etwas in uns gehen und uns überlegen, ob unsere parlamentarische Auseinandersetzung mit diesem Thema in Form einer so generellen Abwaschtaktik erfolgen sollte. Wir brauchen uns nicht zu wundern, dass wir als Parlament außerhalb dieser Hallen die entsprechende Aufmerksamkeit und Achtung nicht bekommen, wenn wir uns so verhalten!

Die zweite Minute verwende ich nun zum Thema Slowenien. Es freut mich, dass der Bericht so positiv ausfällt und dass Slowenien sich – und das habe ich als Leiter der Delegation mehrfach überprüfen können, und der Herr Kommissar war ja mehrfach mit dabei – wirklich massiv angestrengt hat, die Kriterien zu erfüllen. Es ist sicherlich noch einiges zu tun, und es gibt noch einige Fragen zu klären. Die Kriterien von Kopenhagen sind ja nichts Statisches, was man einmal erreicht und dann beibehält, sondern sie sind etwas, was man in ständiger Ausübung nutzen bzw. anwenden muss. Auch wir in der Europäischen Union überprüfen regelmäßig, ob überall die Menschenrechte ordnungsgemäß eingehalten werden. In diesem Sinne ist es ein Entwicklungsprozess, den wir aufmerksam verfolgen, aber wir hoffen, dass Slowenien weiterhin diese positive Position einnimmt und in der ersten Gruppe sein wird.

 
  
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  Stockmann (PSE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist der rechte Zeitpunkt, über die Erweiterung zu diskutieren. Zehn Jahre Mitgliedschaft des vereinigten Deutschlands in der Europäischen Union ist eine Geschichte der Solidarität für uns, die jetzt anderen zuteil werden sollte, auch wenn es bei der Erweiterung nicht nur um Solidarität geht.

Über den Bericht Rack hat der Verkehrsausschuss seine Position in den Bericht Brok eingetragen. Drei Punkte will ich als Sozialdemokrat unterstreichen. Erstens: Wir brauchen ein ehrgeizigeres Verkehrsinfrastrukturprogramm für die Beitrittsländer. Deshalb scheint uns die Finanzielle Vorausschau nicht ausreichend, denn die Kluft zwischen diagnostiziertem Infrastrukturbedarf und vorhandenen Finanzierungsinstrumenten der Union plus den Möglichkeiten der Beitrittsländer selbst ist groß, und public private partnership-Finanzierungsmodelle werden sich nur bedingt realisieren lassen. Entwicklungszeiträume über 50 Jahre sind jedoch politisch unakzeptabel.

Zweitens: Die transeuropäischen Korridore sind intermodal definiert. Aus dem, was zunächst aus der Not geschehen ist – es galt, voraussichtliche Hauptströme von Güter- und Personenbewegungen zu lokalisieren –, sollten wir eine Tugend machen, das heißt, die Verknüpfung der Verkehrsmodi von Anfang an im Auge behalten. Auch sollte der traditionell starke Gütertransport auf der Schiene die meiste Unterstützung erhalten. Dann sparen wir uns vielleicht später das Ausmaß an Revitalisierungsanstrengungen, die wir in unseren eigenen Ländern jetzt unternehmen müssen.

Drittens: Für den Straßengüterverkehr wollen wir Übergangszeiten, die eine stufenweise Öffnung ermöglichen. Die könnten schon in der Vorbeitrittszeit beginnen. In beiderseitigem Interesse ist uns an einer wirtschaftlichen und sozialen Balance bei der Integration der Transportmärkte gelegen, denn die Folgen eines verzerrten Wettbewerbs auf unseren Straßen halten uns schon jetzt in Atem.

 
  
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  Korhola (PPE-DE).(FI) Herr Präsident, die vom Kollegen Elmar Brok heute angestellte Überlegung über eine Regelung in der Art eines EWR-Abkommens als Alternative für die Bewerberländer, die die Kriterien von Kopenhagen nicht erfüllen, wurde relativ wenig kommentiert. Ich halte den Vorschlag für diskussionswürdig.

Das EWR-Abkommen darf die eigentliche Mitgliedschaft auf keinen Fall ersetzen und die Länder nicht in eine ewige Warteschleife versetzen, aus der es kein Herauskommen gibt. Es könnte jedoch ein gewisses Instrument sein, das die Bewerberländer in lohnenswerter Weise motiviert, das Regelwerk der Gemeinschaft umzusetzen. Das Abkommen könnte eine Art Brutstätte sein, in der die EU-Embryonen für die Vollmitgliedschaft heranreifen.

Wenn die Vollmitgliedschaft im Rahmen eines kurzen Zeitplans gewährt wird, bereiten die langen Übergangsfristen den Unternehmen in den Mitgliedstaaten große Sorgen, weil der Wettbewerb verzerrt wird. Andererseits ist auch das langsame Tempo ein offensichtliches Problem, das die Kandidatenländer frustriert. Aus diesem Spannungszustand betrachtet, macht das EWR-Modell Sinn, weil der Bewerber bereits in der Phase, in der er den Beitritt anstrebt, honoriert wird. Das würde eine stärkere Verpflichtung zur Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften bedeuten, wie es in den derzeitigen Beitrittsabkommen gefordert wird. Der Fragen des ersten Pfeilers enthaltende EWR gewährt der Wirtschaft in den Bewerberländern Zugang zum Binnenmarkt, der Jugend und Wissenschaft zu juristischen Austauschprogrammen, verpflichtet die EU andererseits aber noch nicht, ihr System der Agrarbeihilfen auf diese Länder auszudehnen. Somit würden von dem EWR-Abkommen positive Impulse ausgehen, insbesondere für die Wirtschaft in den Bewerberländern – sie brauchen ja Wachstum, um ihre Gesellschaft für den Beitritt fit zu machen – wie auch für die Volkswirtschaft in der EU, wenn eingeschätzt wird, dass die Kosten der Erweiterung über das Wirtschaftswachstum sogar zwei Drittel ausmachen, im EWR-Modell möglicherweise sogar noch mehr.

Der Markt im östlichen Mitteleuropa sei mit Hilfe der Assoziierungsabkommen so offen, dass die westlichen Geschäftsleute nicht ganz uneigennützig fragen können, wofür die Erweiterung gebraucht wird. Die Antwort lautet: für die Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften. Wenn der Markt eingeschränkt ohne soziale und ökologische Regeln geöffnet werden würde, gäbe es für die Bürger der Bewerberländer keinen Schutz vor sozialem und ökologischem Dumping. Letzten Endes müssen wir uns auch selbst davor schützen. Der Sinn des EWR-Modells gründet sich ja auf die Überlegung, dass die Bemühungen bei der Umsetzung unmittelbar honoriert werden. Die Interessen und Verantwortlichkeiten gehen Hand in Hand.

Das zur Mitgliedschaft führende und zugleich honorierende EWR-Modell würde sich seinerseits auch im Hinblick auf die Meinung der Bürger als nützlich erweisen. Wenn bereits vor dem eigentlichen Beitritt die für die Volkswirtschaft positiven Seiten aufgezeigt werden, schafft das die Basis, die Erweiterung in hohem Maße als berechtigt anzusehen. Das gilt sowohl für die Bürger der Bewerberländer als auch der heutigen Mitgliedstaaten.

 
  
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  Prets (PSE). – Herr Präsident! Die Tatsache, dass das Thema Chancengleichheit als letzter Punkt im Erweiterungsbericht behandelt wird, sagt hoffentlich nichts über ihren Stellenwert aus, obwohl es manchmal doch den Anschein hat. Umso wichtiger ist es daher, dass die Gleichstellung der Geschlechter als eine wesentliche Frage der Menschenrechte in den gemeinsamen Besitzstand integriert wird und die Schaffung notwendiger Einrichtungen in diesem Bereich eine entscheidende Voraussetzung für die Umsetzung des acquis communautaire ist.

Daher muss die Chancengleichheit bei den Beitrittsverhandlungen parallel zu allen anderen Themen mit gleicher Intensität und Wichtigkeit mit verhandelt werden. Gesetzgebungsprogramme und die Richtlinien der Beitrittsländer müssen Umsetzungsmechanismen beinhalten, die Chancengleichheit ermöglichen und Diskriminierungen eindeutig verbieten. Durch den Dialog mit dem Europäischen Parlament und die Unterstützung durch fachkundiges Personal sowie die Einbindung von NGO, Verbänden und Organisationen sowie finanzieller Mittel muss den Ländern dieser Prozess erleichtert werden.

Die öffentlichen und privaten Einrichtungen in den Kandidatenländern müssen Chancengleichheit in allen politischen Bereichen anstreben und frauenspezifische Themen in sämtliche soziale, ökonomische und kulturelle Bereiche einbeziehen. Sehr nützlich ist die Einrichtung von Frauenberatungsstellen durch die öffentliche Hand, die den Frauen vor Ort Beratung, Hilfe und Vermittlung anbieten.

Ganz besonders ist auf die Beschäftigungspolitik zu achten. Gleicher Zugang zu Bildung und Ausbildung und als Folge davon gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist ein Muss. Die Bewerberländer sollen auch ermutigt werden, an den gemeinschaftlichen Programmen für Chancengleichheit zu partizipieren, insbesondere auch an solchen, die sich mit Gewalt gegen Frauen beschäftigen. Statistiken belegen, dass seit der Ostöffnung die Gewalt gegen Frauen in diesen Ländern um 10% gestiegen ist. Frauenhandel ist ebenfalls ein brutal boomendes Geschäft. Diese Formen der Gewalt und des Frauenhandels sind bereits jetzt mit allen Mitteln sowohl in der EU als auch in den Beitrittsländern zu verurteilen und zu bekämpfen.

Viele Fortschritte sind erfreulicherweise schon erzielt worden, aber Ziel aller Bemühungen darf nicht ausschließlich die wirtschaftliche Anpassung sein. Respektvolles Miteinander, sorgsamer und fairer Umgang müssen zur wesentlichen Säule unserer europäischen Gemeinschaft wachsen.

 
  
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  Sacrédeus (PPE-DE).(SV) Herr Präsident! Für die christdemokratische Partei Schwedens ist die Osterweiterung die vorrangige Aufgabe der EU. Nach zwei grauenhaften Weltkriegen und fünfzig Jahren kommunistischer Unterdrückung und Diktatur, in denen im Namen eines auf Unterdrückung ausgerichteten Klassenkampfes die christliche und universelle Menschenwürde, die Demokratie, die Religionsfreiheit und die Umwelt mit Füßen getreten wurden, ist es nun endlich an der Zeit, unseren Kontinent und Erdteil zu vereinen.

Ich möchte mich mit einigen Bemerkungen an Herrn Kommissar Verheugen persönlich wenden, aber zuvor möchte ich beteuern, dass wir schwedischen Christdemokraten niemals den Willen Verheugens zur Osterweiterung bezweifelt haben und dass die gegen ihn gerichtete Kritik zum Teil böswillig war.

Nun würde ich gern folgende Punkte kommentieren: Erstens: Lassen Sie jeden einzelnen Beitrittskandidaten entsprechend seinen Fortschritten verhandeln. Sorgen Sie dafür, dass es sich lohnt, beim Erreichen der Zielvorgaben der EU ehrgeizig zu sein. Zweitens: verabschieden Sie sich von der big bang­Idee, viele Beitrittskandidaten gleichzeitig aufzunehmen, dies würde dem Prinzip widersprechen, jedes Land entsprechend seinen Fortschritten aufzunehmen. Drittens: erarbeiten Sie nach und nach einen eigenen Zieltermin für jeden Beitrittskandidaten. Viertens: Zeigen Sie im Hinblick auf das furchtbare Erbe an Umweltschäden aus der Zeit des Kommunismus, unter dem die osteuropäischen Länder zu leiden haben, eine starke europäische Solidarität, die wirtschaftliche Maßnahmen für die Verbesserung der Umwelt in diesen Ländern einschließt. Fünftens: Fordern Sie keine neue Regierungskonferenz und keine erneuten Vertragsänderungen nach Nizza, um weitere Beitrittskandidaten aufnehmen zu können. Sechstens und letztens: Sorgen Sie dafür, dass die derzeitigen Mitgliedstaaten bei der vertieften Zusammenarbeit Solidarität und Augenmaß zeigen, damit wir keine EU schaffen, die erneut in verschiedene Klassen aufgeteilt ist. Lassen Sie uns Europa vereinen!

 
  
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  Zacharakis (PPE-DE).(EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter Herrn Brok und den Verfassern der Berichte zu den einzelnen Kandidatenländern meine Anerkennung für ihre äußerst detaillierten und ausgewogenen Arbeiten zollen. Ich möchte insbesondere meiner Hoffnung und meinem Wunsch Ausdruck verleihen, der Verhandlungsprozess mit Bulgarien und Rumänien möge trotz der verständlichen Schwierigkeiten reibungslos und ohne Verzögerungen verlaufen, damit bei Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen der Beitritt dieser beiden Balkanländer zur Europäischen Union zugunsten der Festigung des Fortschritts, der Sicherheit und des Friedens in der ausgedehnten Region Südosteuropas vollzogen werden kann.

Ganz besonders aber möchte ich den Berichterstatter, Herrn Poos, beglückwünschen und meine Zufriedenheit über den erfolgreichen Verlauf der Beitrittsverhandlungen mit Zypern bekunden, die von denen mit allen beitrittswilligen Ländern am weitesten vorangeschritten sind. 16 Kapitel sind bereits unter Dach und Fach, was zweifelsohne einen positiven Abschluss dieser Verhandlungen erwarten lässt. Natürlich hoffen wir alle in der Zwischenzeit auf eine Lösung der Zypernfrage gemäß den UN-Resolutionen und den Vereinbarungen auf höchster Ebene, damit so die gesamte einheimische – ich betone einheimische – Bevölkerung der Insel, griechische wie türkische Zyprioten, in den Genuss der Vorzüge des Beitritts kommt.

Sollte sich dies jedoch trotz der allseits anerkannten konstruktiven Haltung der zypriotischen Regierung aufgrund der unverändert ablehnenden Einstellung der türkischen Seite als unerreichbar erweisen, dann darf die Europäische Union nach meinem Dafürhalten nicht zulassen, dass der Beitritt Zypern zur Geisel der türkischen Unnachgiebigkeit wird. Dann muss sie vielmehr die sofortige Aufnahme der Republik Zypern einleiten, die damit zum Mitglied der Union in Erwartung einer künftigen Mitgliedschaft des gesamten Landes würde, so wie dies ja auch bei einem Gründungsmitglied der Fall war, dessen Jahrestag der Vereinigung wir heute feiern.

Abschließend möchte ich mich bei dieser Gelegenheit den Überlegungen und der Besorgnis vieler Kollegen anschließen, die es für notwendig halten, endlich einmal eingehend die Frage der Grenzen Europas und damit des Umfangs seiner Erweiterung sowie die Zweckmäßigkeit der Erarbeitung eines diesbezüglichen Berichts des Europäischen Parlaments zu prüfen.

 
  
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  Karas (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Als letzter Redner möchte ich noch einmal kurz auf vier Punkte eingehen.

Zum ersten: Für uns ist die Erweiterung nicht bloß eine Verpflichtung. Wir wollen sie auf der einen Seite aus moralischen Gründen, aber auch aus vollster politischer Überzeugung. Die Erweiterung ist eine win-win-Situation. Beide Seiten, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Beitrittsländer, werden von dieser Erweiterung, wenn sie stattgefunden hat, profitieren.

Zweitens: Es geht bei der Erweiterung - sowohl der Erweiterung der Europäischen Union als auch der Erweiterung der Wirtschafts- und Währungsunion - um die Erfüllung von Kriterien. Auf der einen Seite sind die Kriterien von Kopenhagen, auf der anderen die von Maastricht zu erfüllen. Allen Ländern ist zu sagen, dass der Beitritt zur Europäischen Union noch nicht der Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion und zur Eurozone ist, sondern dass die Fristen unterschiedlich sind. Klar ist, dass es kein opting out bei der Wirtschafts- und Währungsunion geben soll und beide Verhandlungen kein Basar sind.

Drittens: Wir müssen alles tun, um bis 2003 die Europäische Union im Sinne der großartigen Rede des Kommissionspräsidenten Prodi auf den Erweiterungsprozess vorzubereiten.

Viertens - das ist mir ganz wichtig zum Schluss: Trotz der Pakte, die zu erfüllen sind, ist der Erweiterungsprozess ein politischer Prozess. Es geht um Ängste und Hoffnungen von Menschen, um Chancen und Risiken, um Vorurteile und Fakten. Diesen politischen Prozess müssen wir der historischen Dimension entsprechend ernst nehmen und das Gespräch mit dem Bürger suchen. Wir brauchen eine Politisierung der Politik des Erweiterungsprozesses in der Dialogfähigkeit mit dem Bürger. Der Erweiterungsprozess und die Wirtschafts- und Währungsunion sind nicht nur Sache der europäischen Institutionen. Ich fordere die Mitgliedstaaten und alle öffentlichen Mandatsträger und Medien auf allen Ebenen auf, sich verstärkt in diesen Prozess einzubringen, denn nur so können wir dem Vertrauen der Bürger in diese notwendigen Initiativen, deren Ziele für uns alle positiv sind, auch gerecht werden.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 11.00 Uhr statt.

(Die Sitzung wird um 22.45 Uhr geschlossen.)(1)

 
  

(1) Tagesordnung für die nächste Sitzung: siehe Protokoll.

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