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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 19. September 2001 - Brüssel Ausgabe im ABl.

7. Zukunft der Kohäsionspolitik
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Zukunft der Kohäsionspolitik.

 
  
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  Neyts-Uyttebroeck, Rat.(FR) Herr Präsident, Her Kommissar, meine Damen und Herren! Die Kohäsionspolitik hatte seit 1988 unbestreitbare Erfolge zu verzeichnen. Diese Erfolge haben wir nicht dem Zufall zu verdanken, sondern sie sind das Ergebnis einer wichtigen politischen Entscheidung zugunsten der Solidarität, die sich auf dem Gebiet der Haushaltspolitik darin niederschlug, dass mehr als ein Drittel der Gemeinschaftsausgaben für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt aufgewendet werden.

Während der Programmplanungszeitraum 2000-2006 derzeit läuft, hat die Kommission am 31. Januar dieses Jahres den Zweiten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt gemäß Artikel 159 Absatz 2 des Vertrages angenommen. Neben einer ausführlichen Auflistung von Studien und statistischen Angaben mit Blick auf die Erweiterung enthält der Bericht Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Debatte über die Zukunft der Regionalpolitik. Der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt ist eine Realität, auf die wir bereits heute unsere Aufmerksamkeit richten müssen, denn es geht darum, Antworten für den nächsten Programmplanungszeitraum finden, der am 1. Januar 2007 beginnt, also zu einem Zeitpunkt, da die Erweiterung um neue Mitgliedstaaten bereits Realität sein wird.

Betrachtet man die statistischen Angaben des Zweiten Kohäsionsberichts, so springt ins Auge, dass uns mit der Erweiterung eine doppelt so große Herausforderung gegenüber der heutigen Situation bevorsteht, denn die Zahlen belegen, dass die regionalen Disparitäten sich verdoppeln werden. Relativ gesehen werden bei 27 Mitgliedstaaten mehr Regionen von Entwicklungs- und Umstellungsrückstand betroffen sein, und zwar in größerem Maße. Darüber hinaus werden durch einen rein mechanischen Effekt einige Regionen der derzeitigen Europäischen Union aus der Gruppe der Regionen in Schwierigkeiten herausfallen, ohne dass ihre tatsächliche wirtschaftliche Situation sich wirklich positiv verändert hat.

 
  
  

(NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Zwei entscheidende Fragen verdienen hier unsere Aufmerksamkeit.

Die erste Frage ist die, ob die Erweiterung ohne eine effiziente Struktur- und Kohäsionspolitik denkbar ist. Die zweite Frage lautet, wie die Politik für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt künftig weiterhin auf die rückständigen Regionen in den heutigen Mitgliedstaaten ausgerichtet sein soll und mit Blick auf welche Ziele. Beide Fragen sind auf der informellen Tagung des Rates „Regionalpolitik“, die am 13. Juli dieses Jahres in Namur stattfand, umfassend zur Sprache gekommen.

Hinsichtlich der ersten Frage wurde allgemein anerkannt, dass die Erweiterung einen wesentlichen Mehrbedarf im Bereich des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts bedeuten wird. Das wurde auch im Zweiten Bericht der Kommission über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt klar herausgestellt. Die Zahlen in dem Bericht sind aufschlussreich. Im Zuge der Erweiterung werden sich die Unterschiede in zweifacher Hinsicht vergrößern. Erstens verdoppelt sich der Bevölkerungsteil in Regionen mit einem Pro-Kopf-BIP von weniger als 75 % des derzeitigen Gemeinschaftsdurchschnitts, das heißt also, die Einwohnerzahl, die unter das derzeitige Ziel 1 der Strukturfonds fällt, wird von 19 % in der EU mit fünfzehn auf 36 % in einer EU mit siebenundzwanzig Mitgliedstaaten steigen.

Zweitens werden die Einkommensdisparitäten größer werden. Heute liegt das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP in den Regionen mit Entwicklungsrückstand bei 66 % des Gemeinschaftsdurchschnitts. Fügt man hier die weniger weit entwickelten Regionen in den beitrittswilligen Ländern hinzu, dann geht das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP auf nicht einmal die Hälfte des Gemeinschaftsdurchschnitts zurück, um genau zu sein auf nur 77 %.

Aus diesen Daten kann man schließen, dass durch die Erweiterung das Kohäsionsproblem zwei Mal so umfassend und doppelt so groß wird, wie es heutzutage der Fall ist. Armut und Ungleichheit stellen ein hartnäckiges Problem dar, bei dem wir uns im Klaren sind, dass es noch lange Zeit bekämpft werden muss. Selbst dann, wenn die Beitrittsländer schneller wachsen würden als die Kohäsionsländer in den vergangenen zehn Jahren, verweist das derzeitige Niveau des Pro-Kopf-BIP auf einen Konvergenzprozess über mindestens zwei Generationen. Sogar mit der Wachstumsrate Irlands der letzten zehn Jahre würde es zwanzig Jahre dauern, um 90 % des Pro-Kopf-BIP der EU-15 zu erreichen.

Aus dieser Perspektive müssen wir heute die Prioritäten und Ziele unserer Regionalpolitik prüfen. Auch die Verwaltung tout court des zusammengeschnürten Maßnahmenpakets halte ich insofern für ein wichtiges Element, als nicht aus dem Auge verloren werden darf, dass die meisten beitrittswilligen Länder derzeit nicht über geeignete Strukturen verfügen, um die Regionalpolitik, wie wir sie uns gewöhnlich vorstellen, angemessen zu betreiben.

Von der informellen Tagung des Rates in Namur ging also das klare Signal aus, dass es notwendig ist, den derzeitigen rückständigen Gebieten in der Europäischen Union weiterhin zu helfen. Die Unterstützung im Rahmen der heutigen Ziele für die Gebiete mit Entwicklungsrückstand sowohl in den Mitgliedstaaten als auch in den Beitrittsländern sollte auf gerechte Weise erfolgen. Das sollte zwangsläufig mit einem noch gezielteren Einsatz der Gemeinschaftsmittel einhergehen.

Es besteht mithin Einvernehmen darüber, dass die heutige Regionalpolitik für Regionen fortgesetzt werden muss, die nach wie vor gegen strukturelle Schwierigkeiten anzukämpfen haben.

 
  
  

(FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hinsichtlich der Kohärenz der erforderlichen Maßnahmen sind die Fünfzehn dafür, diese auf allen Ebenen zu verstärken, vor allem zwischen den Strukturfonds und dem Kohäsionsfonds, indem die Interventionen stärker konzentriert werden.

Im Übrigen haben einige Mitgliedstaaten darum ersucht, zusätzliche Bewertungen, insbesondere zur Effizienz des derzeitigen Systems, vorzunehmen, bevor sie sich hinsichtlich der Modalitäten und Mechanismen für die künftige Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts festlegen wollen. Diese Modalitäten und Mechanismen werden Gegenstand eines Gesamtvorschlags sein, den die Kommission im Jahr 2004 in ihrem dritten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt unterbreiten wird. Klar ist in jedem Falle, dass die Projekte und Maßnahmen, die durch die Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts gefördert werden, von besonderer Bedeutung für die europäischen Bürger sind. Dies trägt zur Annäherung zwischen den Bürgern und europäischen Institutionen und Politiken bei.

Die Kommission hat mit der Veröffentlichung des Zweiten Berichts über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt den ersten Anstoß zu einer umfassenden Debatte über die Zukunft der Strukturpolitik in der Europäischen Union gegeben. Anlässlich der informellen Tagung zur Regionalpolitik in Namur verfolgte der Rat die Ausführungen von Kommissar Barnier mit großer Aufmerksamkeit und führte anschließend eine Aussprache in einer sachlichen und aufgeschlossenen Atmosphäre. Im Mittelpunkt der Beratungen standen Grundsatzfragen, zu denen sich ein allgemein günstiges Klima abzeichnet.

Eine definitive Option steht allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch aus. Zuvor kommt es darauf an, die im Zweiten Bericht aufgeworfenen Fragen noch zu vertiefen. Die Kommission wird weitere Analysen vornehmen und neue Elemente in die Debatte einbringen, indem sie Arbeitsgruppen zu den jeweiligen Themenkomplexen organisiert. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sollen dann in die Abfassung des für 2004 vorgesehenen dritten Berichts einfließen. Gegenwärtig müssen Rat und Parlament auf der Grundlage der Kommissionsvorschläge weitere Schritte zur Erarbeitung der künftigen Architektur der Kohäsionspolitik unternehmen.

 
  
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  Barnier, Kommission. – (FR) Herr Präsident, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich freue mich, an dieser Stelle gemäß Ihrem Wunsch Bilanz über die große Debatte ziehen zu können, die wir hier in diesem Saal am 31. Januar eröffnet haben, als ich Ihnen den von der Kommission angenommenen zweiten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt vorgestellt habe. Bei dieser Gelegenheit haben wir über die Vorstellung des Berichts hinaus eine Debatte eingeleitet. Ich sagte damals, und das möchte ich heute vor Ihnen wiederholen, dass es eine aufrichtige und objektive Debatte ohne Tabus über eine der großen Gemeinschaftspolitiken werden wird, die das Herzstück des Bildes und der Vorstellung, die wir uns von dieser Europäischen Union machen, darstellt, da es sich um die Solidaritätspolitik handelt. Seitdem sind neue Beiträge in die Debatte eingeflossen. Ich denke dabei insbesondere an das Kohäsionsforum vom 21. und 22. Mai, das hier in diesem Hause dank des Europäischen Parlaments im Einvernehmen mit Ihrer Präsidentin und unter Mitwirkung meiner Kollegen Anna Diamantopoulou und Franz Fischler stattgefunden hat.

Gleichzeitig kommen die Erweiterungsverhandlungen mit allen Kandidatenländern voran. Die Erweiterung ist, wie Sie wissen, einer der wesentlichen Gründe für diese Debatte. Lassen Sie mich einleitend daran erinnern, dass wir einen deutlichen Unterschied zwischen den Beitrittsverhandlungen, die sich auf die Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes durch die neuen Mitgliedstaaten gründet, und der Reform der Strukturpolitik für den Zeitraum nach 2006 machen müssen. In der Debatte, zu der ich Sie auffordere, geht es also um die Zeit nach 2006. Natürlich kann nicht die Rede davon sein, das in Frage zu stellen, was die derzeitigen Mitgliedstaaten bis 2006 aus den Strukturfonds erhalten.

Mit der Aufforderung an die Kommission, hier das Wort zu ergreifen, verband Ihr Hohes Haus die Absicht, Bilanz über diese Debatte zu ziehen. Ich danke Ihnen für diese Gelegenheit und möchte kurz auf einige Punkte eingehen.

Da war zunächst das Forum, das wir am 21. und 22. Mai durchgeführt haben und das Gelegenheit für eine echte Debatte war, der weitere folgten. Seit dem 31. Januar ist die Vorstellung der Schlussfolgerungen aus dem Kohäsionsbericht für mich sowie für meine Mitarbeiter in der Generaldirektion Regionalpolitik eine vorrangige Aufgabe. Sie können sicher sein, dass ich Woche für Woche vor Ort meinen Beitrag zu dieser Debatte leiste. So traf ich beispielsweise am vergangenen Freitag in Helsinki mit den Präsidenten der 20 finnischen Regionen zusammen, und morgen und übermorgen werde ich in Porto an einer Tagung der Konferenz der Meeresrandregionen teilnehmen, wo wir über diese künftige Kohäsionspolitik beraten werden. Auf diese Weise soll sich die Debatte weiter ausbreiten und dezentral weitergeführt werden, so dass dann in Brüssel und zunächst in den Mitgliedstaaten eine Reihe von Ideen, Forderungen, Beweisen oder Orientierungen zusammengeführt werden können. Dieses Forum vom 21. Mai war für mich eine sehr wichtige und aufschlussreiche Veranstaltung. Dort trafen mehrere Minister sowie ehemalige und amtierende Premierminister mit Vertretern der Regionen und der Städte nicht nur aus den 15 Mitgliedstaaten, sondern auch aus den Bewerberländern zusammen, und es wurden viele Beiträge von sehr hohem Niveau gehalten. Lassen Sie mich aus all diesen Beiträgen und aus dem von Frau Ministerin Neyts-Uyttebroeck vorhin erwähnten Dialog, den ich in Namur mit den 15 Ministern für Regionalpolitik auf Einladung des belgischen Vorsitzes hatte, drei Aspekte herausgreifen.

Erstens das Interesse, auf das die Zukunft dieser Politik nach 2006 in allen Mitgliedstaaten und in den Bewerberländern stößt, und der Nachdruck, den viele auf die wirklich politische Dimension der europäischen Solidarität legen. Das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Das ist, wie Sie, Frau Ministerin Neyts-Uyttebroeck, im Namen des Ratsvorsitzes zu Recht sagten, vielleicht der konkreteste, präziseste und sichtbarste Ausdruck der Werte, auf die sich die Union gründet. Der Beweis, dass diese Union nicht nur eine große Freihandelszone und ein großer Markt ist, sondern auch eine Solidargemeinschaft und dass sie eines Tages eine politische Macht werden soll.

Zweitens habe ich kein negatives Echo hinsichtlich des Erweiterungsprozesses vernommen. Natürlich gibt es Besorgnisse, aber auch den Sinn für die historische Aufgabe, die der Union zufällt, und das Interesse, das die neuen wie die alten Mitgliedstaaten daran haben, zur nachhaltigen und ausgewogenen Entwicklung des gesamten europäischen Kontinents beizutragen.

Drittens konnte ich auch ermessen, wie wichtig es für den Erfolg dieser Debatte ist, die Bedürfnisse der Regionen in den Staaten, die derzeit der Union angehören, nicht zu vergessen. Ich möchte nochmals meiner Überzeugung Ausdruck geben, dass durch den EU-Beitritt sehr armer Regionen aus dem Osten – in Estland, Slowenien, Polen, Bulgarien und anderswo – die armen und in Schwierigkeiten befindlichen Regionen im Norden, in der Mitte, im Süden, ganz zu schweigen von den Regionen in äußerster Randlage, nicht plötzlich wie durch Zauberhand reich werden. Es wird nach der Erweiterung weiterhin Probleme und Bedürfnisse in der derzeitigen Union geben.

Das ist letztlich eine sehr starke Ermutigung zur Beibehaltung einer Kohäsionspolitik, die den neuen wirtschaftlichen Herausforderungen und der künftigen Geografie Europas angepasst ist.

Mein zweiter Punkt betrifft das künftige Verfahren. Wie Sie wissen, hat sich die Kommission auf Ersuchen des Rates im Juni verpflichtet, ihm regelmäßig Bericht über den Fortgang ihrer Arbeiten zur künftigen Kohäsionspolitik zu erstatten. Diese Information, die ich dem Rat schulde, schulde ich natürlich auch dem Europäischen Parlament. Ich werde der Kommission vorschlagen, den ersten dieser regelmäßigen Zwischenberichte gleich zu Beginn des nächsten Jahres, im Januar, anzunehmen, sobald wir über neue Statistiken verfügen, die die jetzt im Kohäsionsbericht enthaltenen Angaben verdeutlichen, aktualisieren und präzisieren. Dazu muss ich sagen, dass die neuen Statistiken, die uns Eurostat zur Verfügung stellt, beispielsweise das Pro-Kopf-BIP von 1999 oder die Arbeitslosenstatistiken von 2000 betreffen. Je aktueller die Zahlen sind, desto seriöser und objektiver wird die Debatte sein. Dieser Zwischenbericht vom Januar wird also eine Aktualisierung der Zahlen und der Analysen aus dem ersten Teil des Kohäsionsberichts bezüglich der Situation der Regionen, zugleich aber auch die Ergebnisse der verschiedenen von uns in Auftrag gegebenen Studien sowie die Schlussfolgerungen der großen Diskussionsrunden und Seminare enthalten. Zu den in Auftrag gegebenen zusätzlichen Studien kann ich sagen, dass es sich um eine Studie zur Situation der Inseln sowie um eine Studie über die makroökonomische Wirkung der Strukturfonds handelt. Mit dieser makroökonomischen Studie würde ich Ihnen gern auch Informationen darüber liefern, welche direkten Auswirkungen der Einsatz dieser Strukturfonds in den Ländern, die Nettozahler sind, hat. Weiterhin plane ich, eine zusätzliche Studie zur Situation der Bergregionen oder der Regionen mit ständigen natürlichen Nachteilen in Auftrag zu geben. Um diese Debatte weiter zu untermauern, sind für das erste Halbjahr 2002 Seminare zu jeder der zehn im Kohäsionsbericht definierten Gemeinschaftsprioritäten vorgesehen, zu denen wir je nach Thema Sachverständige aus den Mitgliedstaaten und den Regionen einladen werden.

Mein dritter Punkt, der sich ebenfalls auf die Zukunft bezieht, betrifft den Kern der Debatte. Diesbezüglich bin ich von drei Dingen überzeugt. Erstens bin ich überzeugt, dass mit Blick auf die bevorstehende Erweiterung der Union die Mitgliedstaaten und die Regionen eher das Bedürfnis nach mehr gemeinschaftlicher Kohäsionspolitik als nach weniger Kohäsion verspüren. Ich glaube nicht, dass eine Form der Zurücknahme oder der Renationalisierung der Regionalpolitik ein geeignetes Mittel wäre, um auf diese Forderung zu reagieren, auf dieses Kohäsionsbedürfnis in einer erweiterten Union, wo es – und hier sprechen die Zahlen für sich – mehr Disparitäten geben wird als heute. Aber ich bin auch entschieden dafür, dass wir gleichzeitig mit der Bekräftigung dieses Kohäsionsbedarfs und der Konzipierung dieser neuen Kohäsionspolitik und dieser neuen Regionalpolitik zusammen mit Ihnen nach Mitteln suchen sollten, um zu mehr Dezentralisierung und Vereinfachung und weniger Bürokratie zu gelangen. Wo immer dies möglich ist, werde ich in den europäischen Verfahren bestrebt sein, alles zu tun und vorzuschlagen, um mehr Vereinfachung und Dezentralisierung zu erreichen.

Meine zweite Überzeugung ist finanzieller Art. Obgleich die eigentliche finanzielle Debatte heute noch verfrüht wäre, bin ich der Auffassung – und da stehe ich nicht allein –, wie ich es hier in meinem persönlichen Namen bereits gesagt habe, dass ein finanzieller Aufwand von insgesamt 0,45 % des BIP der Union eine Schwelle darstellt, unterhalb derer die Glaubwürdigkeit der künftigen Kohäsionspolitik in Frage gestellt wäre. Ich wiederhole also nochmals, dass man, wenn diese Kohäsionspolitik glaubwürdig sein soll, aus meiner Sicht nicht unter diese Schwelle von 0,45 % gehen kann, die generell durch die Staats- und Regierungschefs in Berlin akzeptiert wurde.

Drittens bin ich überzeugt, dass die künftige Kohäsionspolitik gerecht sein muss und niemanden diskriminieren darf. Sie muss sich also an Regionen richten, die sehr unterschiedliche strukturelle Schwierigkeiten haben, und sich äußerst heterogenen Fragen widmen, das heißt Regionen mit großem Entwicklungsrückstand, die zumeist in den Kandidatenländern gelegen sind, Regionen der heutigen Fünfzehn, in denen der Prozess einer wirklichen Konvergenz noch nicht abgeschlossen ist und die zum gegebenen Zeitpunkt gleichberechtigt behandelt werden müssen, damit sie nicht durch einen rein statistischen oder automatischen Effekt im Zusammenhang mit den Schwellenwerten oder den neuen Durchschnittswerten im Rahmen der erweiterten Union ins Hintertreffen geraten. Und schließlich muss sie den Schwierigkeiten bestimmter Zonen Rechnung tragen, die besondere Nachteile aufweisen oder mit ernsten sozialen Fragen konfrontiert sind, wie die Chancengleichheit oder die Situation der städtischen Gebiete.

Lassen Sie mich abschließend daran erinnern, dass der Bericht, den wir Anfang nächsten Jahres vorlegen werden, den Ergebnissen der großen Debatten im zweiten Halbjahr dieses Jahres Rechnung tragen wird. Das ist nur der erste Termin, den ich Ihnen zugesagt habe. Es werden noch weitere folgen, bevor ich Ihnen im Jahre 2004 den dritten Kohäsionsbericht vorlege. In diesem Sinne stehe ich heute und in den nächsten Wochen gern zu Ihrer Verfügung, um Ihre Anregungen, Empfehlungen oder Kritiken entgegenzunehmen.

 
  
  

VORSITZ: LUÍS MARINHO
Vizepräsident

 
  
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  Hatzidakis (PPE-DE), Vorsitzender des Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr. (EL) Herr Präsident! Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Aussprache über die Regionalpolitik beeindruckende Ergebnisse haben wird, da wohl zumindest der Zeitpunkt für die Vermittlung von Informationen denkbar ungeeignet ist. Die Tatsache aber, dass sich so viele Kollegen für diese Problematik interessieren und die Regionalpolitik immerhin 35 % des Haushalts ausmacht, bestätigt ein weiteres Mal ihre Bedeutung für Europa. In diesem Sinne hat die Aussprache vielleicht doch einen gewissen Nutzen.

Zweitens wäre es vielleicht gut, wenn wir irgendwann einmal – und zwar sicherlich im Ausschuss für Regionalpolitik – eine Aussprache über den Fortgang der Projekte und Programme der Gemeinschaftlichen Förderkonzepte in den einzelnen Ländern abhalten würden, denn ich bin mir persönlich ganz und gar nicht sicher, dass in allen Ländern alles glatt läuft, wobei ich dies nicht auf die Kommission, sondern auf bestimmte Mitgliedstaaten beziehe. Ich will nicht von dramatischen Rückständen sprechen, aber es ist offensichtlich, dass in einigen Ländern Probleme bestehen.

Zur zukünftigen Kohäsionspolitik hat seit dem Zweiten Kohäsionsbericht der Europäischen Kommission eine Diskussion begonnen, durch die meines Erachtens schon einige Punkte deutlich werden: Es wird in viel mehr Regionen Förderungsbedarf geben, in den gegenwärtig geförderten Regionen der Mitgliedstaaten steigt das BIP künstlich an, was aber, wie auch der Kommissar gesagt hat, nicht automatisch bedeutet, dass sie reich sind, und es liegt auf der Hand, dass weitere Mittel benötigt werden, die aber keineswegs leicht zu mobilisieren sind.

Die Schlussfolgerungen sind für mich einigermaßen klar. Erstens dürfen wir die Dinge nicht treiben lassen und Beschlüsse erst im letzten Moment fassen, da wir sonst möglicherweise explosive Zustände in der Europäischen Union schaffen. Zweitens müssen wir uns von 2006 an auf den wirklichen Bedarf konzentrieren. Drittens darf es in den Regionen, deren Förderung ausläuft, nicht zu einem Schock kommen, weil sonst Euroskepsis entsteht. Und schließlich habe ich noch zwei unangenehme Dinge zu sagen: Eines betrifft die ärmeren Länder, das andere die wohlhabenderen.

Hinsichtlich der ärmeren Länder müssen wir uns meiner Meinung nach Verfahren zur Verbesserung des Mitteleinsatzes einfallen lassen und mit geeigneten Mechanismen und Anreizen, aber auch – wenn es sein muss – mit Sanktionen bewirken, dass die finanziellen Mittel greifen. Und im Hinblick auf die wohlhabenderen Länder müssen wir noch einmal die gesamte Logik des Gemeinschaftshaushalts durchdenken, um Wege zur Aufstockung der Mittel zu finden, da der Anstieg des Bedarfs gigantisch sein wird und die Regionalpolitik, wie auch der Kommissar gesagt hat, ihre Glaubwürdigkeit verliert, wenn wir unter ein bestimmtes Niveau absinken.

 
  
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  Simpson (PSE).(EN) Herr Präsident, Herr Kommissar, wie Sie ja wissen, geht der Ausschuss für Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr in seinen Überlegungen zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt vom zweiten Kohäsionsbericht aus, und dieser Bericht eröffnet die Diskussion darüber, wie wir uns den Herausforderungen der Finanzierung regionaler Belange und der Strukturpolitik in einem erweiterten Europa stellen werden. Zwar bin ich Herrn Barnier für seine heutige Erklärung dankbar, aber in meiner Fraktion ist man weiterhin von der Kommission enttäuscht, weil sie ihr Initiativrecht nicht wahrgenommen und sich nicht mit ganzer Kraft für dieses Thema eingesetzt hat. Hier stellt sich die Frage, was denn nun die wirklichen Vorschläge der Kommission sind.

Herr Barnier verwies auf das Treffen im Mai, an dem viele Abgeordnete teilnahmen, doch auch aus diesem Treffen scheint nichts Konkretes herausgekommen zu sein. Auf unserer Seite der politischen Trennlinie erkannten wir bereits sehr frühzeitig, mit welcher Sensibilität diese Frage behaftet ist, und zu dieser Einsicht führten uns die Erfahrungen mit der Agenda 2000. Dann aber vermittelte Frau Kommissarin Wulf-Matthies den gemeinsamen Standpunkt mit dem Parlament, und dies bestärkt uns in unserer Meinung, dass genau jetzt für uns die Zeit gekommen ist, um die Arbeit mit der Kommission aufzunehmen, da sie jetzt aktiver, positiver und auch entschlossener handelt.

Meine Fraktion hat die von Ihnen aufgeworfenen Fragen ausführlich erörtert. Die Hauptpunkte, die sich aus unserer Diskussion ergeben, kreisen um das Prinzip der Beibehaltung des Konzepts des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und seines ausgeprägtesten Instruments, des Kohäsionsfonds. Es muss jedoch eine eingehende Diskussion über die Durchsetzung der Ziele der Kohäsionspolitik geführt werden, bevor von uns irgendwelche Entscheidungen zur Finanzierung der Strukturhilfe getroffen werden können.

Wir sehen uns zurzeit einer ganzen Reihe großer Herausforderungen gegenüber, und wenn wir über die Durchführung des Kohäsionsfonds sprechen, so sind auch andere Bereiche, z. B. Entwicklung und Landwirtschaft, aufzugreifen und mit der nachhaltigen Entwicklung in Einklang zu bringen. Wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass die Regionen mit Entwicklungsrückstand, die gegenwärtig Strukturhilfen erhalten, künftig nicht schlechter behandelt werden und dass Gemeinschaftsinitiativen, wie etwa INTERREG und URBAN, beibehalten werden. Wir bezweifeln auch, ob denn die in der Agenda 2000 festgelegten 1,27 % des BIP der Gemeinschaft im Hinblick auf den neuen Kohäsionsfonds ausreichen werden.

Indem wir diese Debatte auf den Weg bringen, verweisen wir auf unsere Ansicht, dass unsere Diskussionen noch fruchtbarer und aussagekräftiger wären, hätte sich die Kommission auch mit eigenen Gedanken zu Wort gemeldet, womit sie diese Diskussionen zugleich auch hätte befördern können. Wir wissen, dass es hier um eine wichtige Frage geht. Im Moment haben wir es mit den Fragebögen zu tun, aber wir können dem Kommissar zusichern, dass sich unsere Fraktion auch in den kommenden Monaten umfassend in die Diskussionen einbringen wird.

 
  
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  Pohjamo (ELDR).(FI) Herr Präsident, die Aussprache über die Zukunft der Kohäsionspolitik ist von besonderer Aktualität. Ich danke der Kommission für ihre Bereitschaft, diese Debatte auch mit dem Parlament zu führen, und ebenso für die Besuche, die es in den Mitgliedstaaten gegeben hat. Diese waren dringend notwendig.

Meine Sorge gilt dabei nicht nur der Frage, wie die Regionalpolitik sowohl in den heutigen Mitgliedstaaten als auch in den Bewerberländern effizient umgesetzt, sondern auch wie die Strukturpolitik in den heutigen Mitgliedstaaten in der nächsten Phase der Strukturfonds weitergeführt werden kann. Die Strukturfondspolitik wird derzeit zu schwerfällig betrieben. Nun ist es an der Zeit, beispielsweise zu evaluieren, welche Schlussfolgerungen aus der Verzögerung der Vorbereitungsverfahren der Programme für die nächste Phase gezogen werden können. Wie erreichen wir mehr Effizienz, bessere Ergebnisse und weniger Bürokratie? In diesem Zusammenhang hätte ich auch gern gewusst, welchen Standpunkt die Kommission zu der Frage vertritt, welche Konsequenzen die Erweiterung für den Anteil der Strukturfondsmittel haben wird. Ist die Kommission bereit, die Mittel für die Strukturpolitik im nächsten Strukturfondszeitraum aufzustocken, sofern der Zustand des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts dies erfordert?

Gleichzeitig möchte ich der Kommission zur Kenntnis geben, dass ein Finanzierungsmodell für die Erweiterung inakzeptabel ist, das zu Lasten der armen Regionen in den heutigen EU-Ländern geht, die nach wie vor beispielsweise beständig mit Problemen zu kämpfen haben, die sich aus den schwierigen natürlichen Bedingungen, großen Entfernungen und dünner Besiedlung ergeben. Die EU muss auch in Zukunft solidarisch vorgehen, damit für die neuen Herausforderungen der Strukturpolitik im Rahmen eines neuen Finanzinstruments neue Mittel bereitgestellt werden, wobei zum Beispiel die zentralen Regionen, die von der Erweiterung wirtschaftlich am schnellsten profitieren, für die Kosten aufkämen.

 
  
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  Schroedter (Verts/ALE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen ihrer Erweiterung ist wohl die Kohäsionspolitik die größte Herausforderung, vor der die Gemeinschaft stehen wird. Gleichzeitig wird die Kohäsionspolitik der Prüfstein dafür sein, ob es gelingt, in einer EU der 27 Stabilität zu erhalten, und zwar in allen ihren Teilen. Allerdings hat sich in den Mitgliedstaaten die Tendenz durchgesetzt, in der Kohäsionspolitik nicht den Erfolg in den benachteiligten Gebieten zu bewerten, sondern den Erfolg daran zu bewerten, wie viel sie bei jeder Verhandlung für sich am Ende wieder rauskriegen. Das muss sich ab 2006 klar ändern! Die Stabilität und die erfolgreiche Entwicklung einer erweiterten Union werden nach 2006 nur gewährleistet sein, wenn Besitzstandswahrung nicht die Voraussetzung ist für die Zuteilung von Fonds, sondern gemeinsame objektive Kriterien. Das heißt, eine gemeinsame neue Kohäsionspolitik muss in allen Teilen gegenüber der alten Politik auf den Prüfstand gesetzt werden.

Der zweite Kohäsionsbericht enthält einige gute Vorschläge, aber er schleppt auch viele Fehler aus der Kohäsionspolitik weiter und ist kein grundlegender Reformvorschlag. Ich sage noch einiges zu den Vorschlägen. Gut finde ich, wenn alle Regionen der erweiterten Union gleich bewertet werden, es aber gleichzeitig keinen Schock gibt für Regionen, die derzeit gefördert werden. Das phasing out-Prinzip unterstütze ich also voll. Dezentralität erhöhen, Partnerschaft fördern. Das muss aber auch für die Beitrittsländer in den Beitrittsfonds gelten – und zwar jetzt –, damit die Verwaltungen darin eingeübt werden. Phasing in für die Beitrittsländer in eine dezentrale Strukturpolitik bereits ab 2002, auch das ist notwendig, um Erfahrungen zu sammeln. Kleckern statt klotzen, eine integrierte Regionalpolitik ist das einzige, was vertrauenswürdig auch für die Geber ist. Deswegen muss Qualität vor Quantität stehen!

 
  
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  Markov (GUE/NGL). – Herr Präsident, Herr Kommissar, Frau Ratspräsidentin! Ich halte die Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts für eine der ganz positiven Errungenschaften der Europäischen Union, weil sie nämlich das Solidarprinzip zwischen weiterentwickelten und schwachen Regionen dokumentiert. Natürlich, wenn man analysiert, wie die Strukturfondspolitik bisher gewirkt hat, muss man klar sagen, es gibt eine Menge Unzulänglichkeiten.

Erstens: Die Divergenz zwischen den Mitgliedstaaten hat sich zwar verringert, aber die Unterschiede innerhalb der Mitgliedstaaten – zwischen stark entwickelten Regionen und schwachen Regionen – haben sich erhöht.

Zweitens: Die Arbeitslosenquote in den schwachen Regionen hat sich nicht signifikant verringert.

Drittens: Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der reichsten Regionen, die 10 % der Unionsbevölkerung ausmachen, ist immer noch 2,6 mal höher als in den Regionen, in denen 10 % der ärmsten Bevölkerung wohnen.

Viertens: Die unterentwickelten Regionen verfügen nach wie vor nicht über selbsttragende Wirtschafts- und Sozialkreisläufe. Damit haben sie eben auch enorme Probleme, tatsächlich den Rückstand zu den weiterentwickelten zu verkürzen.

Fünftens: Schauen Sie es sich an, die noch abzuwickelnden Verpflichtungsermächtigungen betrugen Ende 1999 fast 42 Milliarden Euro, d. h., der Einsatz der Strukturfondsmittel für bestimmte Projekte ist ineffizient! Das bedeutet, dass man entschieden andere Maßnahmen, auch andere Projekte auswählen muss. Das geht natürlich nur in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten.

Trotz der Mängel darf nicht übersehen werden, dass enorm viel bewegt worden ist. Die Unterschiede wären sonst noch entschieden größer. Das bedeutet eben auch, dass wir die Strukturfondspolitik weiterführen müssen. Herr Barnier, Sie haben eben gesagt, es darf keine Tabus geben. Das stimmt! Auf dem informellen Treffen in Namur wurde das auch von allen Mitgliedstaaten mehr oder weniger gesagt, und es wurden Vorschläge unterbreitet. Aber irgendwann muss man auf den Punkt kommen, irgendwann muss man sagen, die und die Vorschläge kosten soundso viel Geld, und dieses müssen wir entweder bereitstellen, oder wir müssen bekennen, wir werden es nicht bereitstellen.

Das kann man nicht ewig verschieben. Sie wissen, die Obergrenze beträgt 1,27 % des Bruttoinlandprodukts innerhalb der Finanziellen Vorausschau 2000 bis 2006. Wo liegen wir real? Bei 1,06 %. Das kann ja dann wohl keine Umsetzung von wirklicher Strukturpolitik sein! Das liegt auch am Parlament ...

(Zuruf von Herrn Jarzembowski)

Ich habe ja jetzt nicht nur dem Kommissar Vorwürfe gemacht, wir lassen es uns ja jedes Mal gefallen! Also meine Fraktion nicht, wir haben immer die entsprechenden Änderungsanträge eingereicht. Vielleicht, Herr Jarzembowski, macht die PPE beim nächsten Mal mit, dann wäre es ja schon fast eine Mehrheit! Wir müssen natürlich auch im Rahmen dieser Diskussion betrachten, dass es ganz spezielle Regionen gibt. Das von der Kommission aufgelegte Programm für die Grenzregionen, es tut mir leid, Herr Kommissar, das ist vollkommen unzureichend! Vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken, ob man so etwas ähnliches machen kann ...

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Raschhofer (NI). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Kohäsionsfonds wurde ins Leben gerufen, um die strukturschwachen Länder der Union auf die Wirtschafts- und Währungsunion vorzubereiten. Die Kohäsionsländer haben in den letzten Jahren kräftig aufgeholt, und sie nehmen alle an der WWU teil. Ich stelle also fest, dass dieses Ziel des Kohäsionsfonds erreicht wurde. Trotzdem wurde in der Agenda 2000 die Weiterführung des Kohäsionsfonds beschlossen. Wäre es nicht konsequent, den Kohäsionsfonds, wenn auch nicht schockartig, so doch in Form eines phasing out auslaufen zu lassen? Mit der Osterweiterung ist die Kohäsionspolitik der Union, wie sie derzeit gestaltet ist, nicht mehr fortsetzbar. Wir wissen alle, dass die Osterweiterung nicht zum Nulltarif zu haben ist, und das sollte man auch ehrlich sagen. Im Übrigen glaube ich auch, dass in der Kohäsionspolitik der Union vieles falsch läuft, was Effizienz, den Verwaltungsaufwand und die Betrugsanfälligkeit dieser Politik betrifft. Was notwendig wäre, ist eine grundsätzliche Debatte über die Stärken und Schwächen dieser Politik, also über eine Reform dieser Kohäsionspolitik.

Ich weiß, dass diese Debatte schwierig ist, denn hier geht es um Besitzstände. Hier geht es aber auch um eine ganz grundsätzliche Frage, nämlich die Frage, was bedeutet Solidarität in der Union?

 
  
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  Jarzembowski (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, lieber Herr Kommissar! Auch ich will Ihre Anregung aufgreifen, diese Frage ohne Tabu zu diskutieren. Ich glaube, dass es in diesem Hause eigentlich keinen gibt, der gegen eine Kohäsionspolitik ist. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Kann man Kohäsionspolitik nicht besser ohne einen Kohäsionsfonds betreiben?

Es gibt zwei Probleme. Erstens: Wenn die Beitritte erfolgen, dann müssten logischerweise alle Beitrittsstaaten dem Kohäsionsfonds beitreten, denn es ging um die ärmsten Länder und Staaten. Man kann nicht sagen, es gibt Regionalpolitik für alle, Kohäsionsfonds für vier Länder, und die zehn neuen kommen da alle irgendwie unter! Nein, also wenn man den Kohäsionsfonds aufrechterhalten wollte, müsste er für alle Beitrittsländer gelten. Ich persönlich glaube allerdings, man kann Kohäsionspolitik über regionale und Strukturpolitik allgemeiner Art besser ohne einen Kohäsionsfonds machen, zumal der Kohäsionsfonds aus meiner Sicht den Nachteil hat, dass auf Staaten geachtet wird und nicht auf Regionen. Wir wollen aber nicht die Staaten fördern, sondern wir wollen benachteiligte Regionen fördern. Deshalb glaube ich, dass diese Frage, Herr Kommissar, noch einmal sehr sorgfältig überlegt werden soll.

Zweitens: Ich glaube, auch wir sollten, wie Sie es immer gesagt haben, zwischen der inhaltlichen Reform und der Frage trennen, wie viel Geld wollen wir im Endeffekt dafür ausgeben? Ich glaube, wir müssen die inhaltliche Form schnell entscheiden, denn die Beitrittsländer haben einen Anspruch darauf, dass wir ihnen bis 2002/2003 sagen, wie die Kohäsionspolitik aussieht, wenn sie dann Mitglied sind.

Herr Kommissar, ich bin nicht so sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe: An sich finde ich Ihr Modell gut. Sie sagen, es gibt für alle Regionen einheitliche Kriterien, sagen wir, ein oder zwei, dann machen wir ein phasing out für die Regionen, die bisher gefördert wurden, aber nach den neuen Kriterien nicht mehr förderfähig sind, oder weil kein Geld mehr da ist. Es stellt sich nun die Frage, nach welchen Kriterien soll in Zukunft tatsächlich gefördert werden? Also, ich wäre bereit, über ein/zwei Kriterien oder auch drei Kriterien zu sprechen. Aber ich habe ein wenig den Verdacht – Sie haben das vorhin angedeutet –, dass man nachher zehn Kriterien hat. Dann guckt man, welches Kriterium passt auf die Region? Ah, da sind ein paar Berge, also ist das eine Bergregion. Ah, das ist eine Insellage, also ist das eine Inselregion!

Ich halte es für besser, man nimmt egal welchen Prozentsatz, z. B. Bruttoinlandsprodukt plus vielleicht die Arbeitslosensituation. Wenn man das noch weitertreibt und sagt, ja, auch die Geschlechterverteilung oder der Ausbildungsstand von Männern und Frauen gelten als allgemeine Kriterien, dann wird es ein wenig wirrwarrig, wenn ich es mal so sagen darf. Deshalb lassen Sie uns weiter diskutieren, so wie Sie es uns gesagt haben. Wir stehen auf Ihrer Seite, wir freuen uns auf die weitere Debatte mit Ihnen!

 
  
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  Duin (PSE). – Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, Herr Kommissar! Ich möchte ausdrücklich diejenigen unterstützen, die gesagt haben, dass es in dieser Debatte nicht um Besitzstandwahrung gehen darf, sondern um Hilfe für diejenigen, die sie am dringendsten benötigen. Lassen Sie mich auch klar aussprechen, dass meines Erachtens niemand die Augen davor verschließen darf, dass die Erweiterung uns alle vor große Herausforderungen auch finanzieller Natur stellen wird. Die Deutschen haben ihre Erfahrung bei der Wiedervereinigung gemacht, als man den Bürgerinnen und Bürgern zunächst erklären wollte, dass keine Belastungen damit verbunden wären. Das war nachweislich falsch! Damit kein Missverständnis aufkommt – natürlich wollen wir die Erweiterung. Aber man muss den Konsequenzen für die Strukturpolitik ins Auge sehen. Ein einfaches „Weiter so“ darf es und wird es, glaube ich, nicht geben.

Wenn man das Vertrauen der Menschen in den betroffenen Regionen nicht verspielen will, dann muss man auch deutlich und ehrlich frühzeitig darauf hinweisen. Um ein böses Erwachen zu verhindern, müssen wir nach Möglichkeiten suchen, die es uns erlauben, den Bewerberländern volle Unterstützung beim Aufbau ihrer Infrastruktur zu geben, und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass die schwächsten Regionen der EU 15 weiter an den Durchschnitt herangeführt werden. Dies kann nur gelingen, wenn einige Veränderungen vorgenommen werden, die auch ohne Erweiterung schon notwendig wären. Da ist zuerst die Tatsache, dass die Kohäsionsländer teilweise sehr unterschiedliche Erfolge im Aufholungsprozess aufzuweisen haben und nachweislich dort die besten Erfolge erzielt wurden, wo die Akteure vor Ort eingebunden und auf höchstmögliche Effizienz der Förderung eingeschworen wurden.

Um die Effizienz der eingesetzten Mittel überprüfen zu können, muss außerdem die Evaluierung der Projekte weiter verbessert und effizientes Wirtschaften mehr belohnt werden, als dies bisher der Fall gewesen ist. Last but not least ist eine engere Verzahnung mit den andern EU-Politiken, insbesondere der gemeinsamen Agrarpolitik, unausweichlich. Mit den von Herrn Kommissar Barnier angesprochenen Dezentralisierungen und Vereinfachungen kann es uns meiner Meinung nach gelingen, beide Ziele zu erreichen.

 
  
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  Gasòliba i Böhm (ELDR). – (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Kommissar! Ich möchte den beiden Berichten, die uns eine gute Analyse über den Einsatz der Mittel des Kohäsionsfonds und der Strukturfonds im Jahre 1999 liefern, grundsätzlich zustimmen. Ausgehend von der in diesen beiden Berichten vorgenommenen Analyse möchte ich auf drei Punkte eingehen.

Der erste liegt auf der Hand: Die Kohäsionspolitik ist Bestandteil der Politik der Europäischen Union, und ein grundlegendes Element dieser Kohäsionspolitik sind die Fonds, die wir hier behandeln. Man kann auf diese Fonds in den Regionen, deren Niveau unter dem Durchschnitt der Europäischen Union liegt, weder mit noch ohne Erweiterung verzichten. Folglich entspricht es dem Wesen der Kohäsionspolitik der Europäischen Union, dass die am schwächsten entwickelten Regionen Mittel und Ressourcen erhalten, um die bestehenden territorialen Ungleichgewichte möglichst zu beseitigen. Wie zum Ausdruck gebracht wurde, gibt es noch eine Haushaltsmarge in der Europäischen Union, um diese Erfordernisse abzudecken.

Zweitens betreffen diese Berichte das Jahr 1999. Es gibt eine Reihe von Kritiken in Bezug auf die Mittelverwendung, die berücksichtigt werden sollten. Wir hoffen, dass im Jahre 2001 dank der Tätigkeit des Kommissars und seines Teams die aufgezeigten Beschränkungen und Mängel überwunden worden sind.

Drittens beweisen die zahlreichen analysierten Statistiken und die durchgeführten Untersuchungen über den langfristigen Einsatz der Mittel in der Europäischen Union, von wenigen Ausnahmen abgesehen, dass die am stärksten benachteiligten Gebiete das Ungleichgewicht in Bezug auf den Durchschnitt der Europäischen Union verringert haben. Daher sollte dies, da wir schon von der Zukunft des Einsatzes dieser Mittel sprechen, gerade bei den neuen Politiken der Union in diesem Bereich berücksichtigt werden.

 
  
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  Nogueira Román (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie Sie alle, stelle auch ich mit großer Genugtuung fest, dass sich sowohl die Frau Ratspräsidentin als auch das für die Territorialpolitik zuständige Kommissionsmitglied zunächst darin einig sind, dass künftig, mit der Erweiterung, eine doppelte Kohäsionspolitik notwendig sein wird, wenngleich mit Minderheitscharakter: die Kohäsionspolitik für die Regionen, die zu den fünfzehn gegenwärtigen Staaten gehören, und die zusätzliche Kohäsionspolitik für die Staaten der Erweiterung.

Ich stelle fest, dass sie auch in einer Frage übereinstimmten, die mir wider alle Heuchelei als elementar erscheint: Es gibt kein politisches Europa ohne ein wirtschaftliches Europa, und es gibt kein politisches Europa ohne eine Kohäsionspolitik. So ist das ist in den derzeitigen Mitgliedstaaten, und die Europäische Union muss dieser Verantwortung auch in Zukunft gerecht werden.

Wie ist das zu bewerkstelligen? Wie kann man es erreichen und mit welchen Instrumenten? Natürlich muss die gegenwärtige Verwendung der Strukturfonds und des Kohäsionsfonds verbessert werden. Man braucht sich, wenn Sie mir gestatten, nur die Ergebnisse der letzten Jahre im Fall der Unterschiede zwischen Irland und Spanien oder zwischen Portugal und Italien oder Griechenland anzusehen. Die Verwendung war insofern unterschiedlich, als Irland einen gewaltigen Sprung gemacht hat, und Portugal hat die Strukturfonds besser als viele andere Staaten genutzt. Anders in Spanien, Italien oder Griechenland, wo sich zwar die Staatseinnahmen dem europäischen Durchschnitt angenähert haben, aber nicht die der einzelnen Regionen, was darauf hindeutet, dass die Mittel falsch eingesetzt werden, weil möglicherweise der Staat die für Regionen bestimmten Mittel für sich genutzt hat oder weil im Staat nicht die Politik der Zusätzlichkeit zum Tragen kam.

Herr Barnier, Sie sagten auch schon bei früheren Gelegenheiten , dass die Strukturfonds und der Kohäsionsfonds nicht unter 0,46 % des BIP der Gemeinschaft liegen dürfen. Ich erinnere Sie daran, dass dies das Niveau von 1999 war und dass sie im Jahre 2006 bei 0,31 % liegen werden. Wenn wir uns das Ergebnis ansehen und es uns also schon 1999 mit diesen Fonds nicht gelungen ist, die Unterschiede zwischen den Regionen Europas abzubauen, muss man demzufolge noch viel ehrgeiziger sein, als Sie vorschlagen, auch wenn Sie es auf positive Weise getan haben.

 
  
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  Musotto (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Frage, vor der wir stehen, betrifft das kohäsionspolitische Konzept, das wir uns im Rahmen der neuen Situation, die sich infolge der Erweiterung ergibt, als Ziel zu setzen haben. Die Antwort gliedert sich in zwei Teile: Zum einen müssen die der Kohäsionspolitik ab 2006 zugrunde zu legenden Prinzipien definiert werden, und zum anderen geht es um die Festlegung der Prioritäten.

Meiner Meinung nach müssen für die Kohäsionspolitik zwei Leitprinzipien gelten, nämlich erstens die Chancengleichheit und zweitens die Regionalisierung. Die modernen Wirtschaftstheorien lehren uns anhand einer Fülle von Details und gestützt auf umfassende empirische Belege, dass der Erfolg politischer Maßnahmen zur Förderung der lokalen Entwicklung in hohem Maße von einer größeren Autonomie der Entscheidungsträger sowie von der Planung und Einführung von Regionalpolitiken abhängt, die auch bei den Wählern Akzeptanz finden.

Des Weiteren bedeutet der Begriff Regionalisierung die Konzipierung der Wirtschaftspolitik auf lokaler Ebene, um so die komparativen Vorteile jeder Region zu berücksichtigen und zu bewerten, sowie die Festlegung lokaler Verwaltungseinrichtungen, die kollektive Entscheidungen auf der Grundlage einer tatsächlichen demokratischen Basis, unter der Kontrolle durch die Wähler, die sie politisch haftbar macht, treffen sollen.

Die Verwirklichung dieser Ziele setzt zweifellos neuartige statistische Angaben zur wirtschaftlichen Lage auf lokaler, nationaler sowie gemeinschaftlicher Ebene voraus. Zur Beurteilung der Zugangsmöglichkeiten der Bürger in den Regionen Europas reichen Angaben zum Pro-Kopf-Einkommen nicht mehr aus; erforderlich ist weitaus mehr: Notwendig sind Indikatoren über den Grad des Zugangs zu den Ressourcen, zur Messung der wirtschaftlichen Freiheiten, die man genießt; Indikatoren, die Aufschluss darüber geben, inwieweit die grundlegenden Menschenrechte gewahrt sind, und die ganz allgemein die Lebensqualität bewerten.

 
  
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  Walter (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, Frau Ratspräsidentin! Die Kohäsionspolitik ist ein integraler Bestandteil der Europäischen Union. Wir können keinen Fortschritt in Bezug auf das Zusammenwachsen der Europäischen Union feststellen, wenn die Solidarität nicht immer ein Stück mitspielt. Wir alle wissen, dass diejenigen, die stärker, die reicher sind, denen helfen müssen, die ärmer oder noch nicht so stark sind oder sich in Aufholprozessen befinden. Wir unterhalten uns heute über das, was in den letzten Jahren zu sehen war, und natürlich auch über die Schlussfolgerungen, die wir für die nächsten Jahre daraus ziehen müssen.

Ich will heute einmal den Blick darauf werfen, wie es denn ganz konkret im Moment in Bezug auf unsere Kohäsionspolitik aussieht, das heißt, wie geben wir denn die Gelder aus, die wir für diese wirklich wichtige Politik der Europäischen Union bereithalten? Wir hatten in der Vergangenheit bis zur Agenda 2000 die heftigsten Debatten darüber, wie viel Geld vergeben werden soll. Wenn wir uns heute aber anschauen, wie die Umsetzung tatsächlich vonstatten geht, dann müssen wir doch sehr große Zweifel haben, ob hier mit aller Ernsthaftigkeit herangegangen wird.

Wir stehen seit dem letzten Jahr am Beginn der neuen Förderperiode, das heißt, es kann natürlich am Anfang nicht so schnell losgehen, wie wenn man mitten im Lauf ist, aber trotzdem muss man darauf hinweisen, die Ausführungsraten sind in den verschiedenen Bereichen erbärmlich, anders kann man es nicht sagen! Wir haben dies im Haushaltsausschuss mehrfach zum Thema gemacht, und auch der Regionalausschuss hat es zum Thema gemacht und wird es weiter zum Thema machen.

Wenn man sich die aktuelle Diskussion im Rahmen der Haushaltsberatungen anschaut - und jetzt muss ich den Rat ansprechen -, dann sieht man, dass der Rat für neue Verpflichtungen für das nächste Jahr lediglich 1 % vorsieht, das dann tatsächlich auch in Zahlungen umgesetzt werden soll. 1 % von dem Ganzen, was wir verpflichten wollen, soll als Zahlung rüberkommen! Wir produzieren einen backlog, wie wir ihn in der Vergangenheit oft hatten. Wir türmen Mittel auf, anstatt schnelle Hilfe zu geben, und schnelle Hilfe ist gute Hilfe, weil wir wollen, dass viele Länder und Regionen, wenn die Erweiterung dann kommt, es gar nicht mehr nötig haben, Hilfe zu bekommen. Wer ihnen wirklich helfen will, da rauszukommen, wer wirklich Platz schaffen will für die neuen Länder, die dazukommen wollen, der muss jetzt schnell helfen, der muss konzentriert helfen, das heißt, hier müssen wir entsprechend nachfassen.

Ich fordere die Kommission – sie hat da schon Vorschläge vorgebracht –, aber auch den Rat auf, an der Stelle den Worten auch Taten folgen zu lassen, denn Kohäsion ist nur dann gut, wenn sie wirklich bei den Menschen ankommt, und zwar sobald wie möglich!

 
  
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  Berend (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Herr Kommissar, ein Wort des Dankes für Ihre klaren Worte und für das Doppelbekenntnis, im Rahmen des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts sowohl die neuen – bei den Beitrittskandidaten – als auch die anhaltenden Schwierigkeiten in den jetzt bestehenden 15 Mitgliedstaaten in verschiedenen Regionen angemessen zu berücksichtigen. Zum anderen auch ein Wort des Dankes dafür, dass Sie noch einmal betont haben, es gibt in der Diskussion keine Tabus! Wir stehen am Anfang dieses Diskussionsprozesses, und wir sollten auch die ganze Palette der Revision der Strukturfonds in dieser Diskussion ausloten.

Der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt von 27 Ländern gestaltet sich nun einmal anders als die Kohäsion von 15 Ländern. Fest steht, dass sich die Disparitäten in der EU durch den Beitritt von 12 neuen Staaten erheblich vergrößern werden. Den neuen Mitgliedstaaten wird einerseits Vorrang gegeben werden müssen, wobei andererseits den derzeitigen Empfängerländern gewisse Kontinuität nicht abgesprochen werden darf. Dabei wissen wir wohl, dass der Kohäsionsfonds und die Strukturfonds immer nur temporäre Maßnahmen sind und nicht in Besitzstände umgewandelt werden dürfen. Trotzdem darf es nicht passieren, dass Regionen nach 2006 nur deshalb ihren Ziel 1-Status verlieren, weil sich infolge der Erweiterung eine Verbesserung ihrer relativen Lage ergeben hat, ohne dass schon eine sich selbst tragende Entwicklung erreicht wurde.

Ich meine, die Kohäsionspolitik ist nur dann glaubwürdig, wenn wir die Finanzmittel auf der Basis objektiver Kriterien, die für alle gleichermaßen gelten, zuteilen, wobei die Kriterien des nationalen und regionalen Wohlstandes zugrunde liegen müssen. Bei einer anstehenden Revision der europäischen Regionalpolitik müssen also Lösungen gefunden werden, und das ist Sinn und Zweck des jetzt beginnenden Diskussionsprozesses – gleichberechtigt die Situationen sowohl in den neuen Mitgliedstaaten als auch in den Ziel-1-Regionen der jetzigen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen.

 
  
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  Izquierdo Collado (PSE). – (ES) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Im Gegensatz zur Bemerkung eines Kollegen halte ich den gegenwärtigen Zeitpunkt für sehr günstig, um über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu sprechen. Hoffentlich wird dieser Begriff die europäischen Grenzen überwinden und auf andere regionale Bereiche angewendet werden. Möglicherweise würden wir damit etliche Konflikte lösen.

Ich muss allerdings sagen, dass zwar der Zeitpunkt für die Debatte günstig ist, doch dass die Antworten des Rates und der Kommission zumindest meiner Meinung nach unbefriedigend ausfallen. Erstens glaube ich kaum, dass man von wirtschaftlichem und sozialem Zusammenhalt sprechen kann, ohne auch nur im Mindesten auf den Binnenmarkt und alle Politikbereiche der Europäischen Union einzugehen. Wir behandeln derzeit das Sechste Rahmenprogramm, ein Programm, das schon von Anfang an nicht die Kohäsionsbedingungen erfüllt, die die Verträge von ihm verlangen. Der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt macht es erforderlich, der Gesamtheit der Politikbereiche Aufmerksamkeit zu widmen.

Herr Barnier hat diesem Parlament in seinem Bericht einige Fragen gestellt. Als wir die gleichen Fragen an den Rat richteten, erklärte dieser, das sei nicht der richtige Zeitpunkt für ihre Beantwortung, aber das Parlament hat das Recht, diese Fragen vor der Ausarbeitung unseres Berichts der Kommission und dem Rat zu stellen, um deren Meinung zu erfahren. Ich weiche zutiefst und grundsätzlich von der Haltung des Rates und, mit Abstrichen, von der des Kommissars ab, weil ich glaube, dass bestimmte grundlegende Faktoren bereits jetzt geklärt werden müssen. Wir sprechen darüber, wie sich das Projekt 2006 in der Zukunft auf die einen und die anderen Regionen auswirken wird. Wenn wir es nicht tun, werden wir ständig über diesen Faktor diskutieren und nicht die für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in Europa erforderliche Reform in Angriff nehmen. Wir werden uns alle verstohlen ansehen, die einen werden sagen, der Kohäsionsfonds müsse abgeschafft, die anderen, bestimmte Regionen müssen aus dem Fonds herausgenommen werden. Dieser Nebel wird es verhindern, bei der Analyse der Frage bis auf den Grund vorzudringen.

 
  
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  Mastorakis (PSE).(EL) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass die Europäische Union den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt der Regionen als Kernelement ihres Daseins auffasst und auch das Ziel quantifiziert, nämlich als Untergrenze des angestrebten Zusammenhalts den Wert von 75 % des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens ihrer 15 Mitgliedstaaten festlegt.

Zugleich beschließt unsere Europäische Union sehr richtig den Beitritt neuer Mitgliedstaaten mit erwiesenermaßen niedrigem Pro-Kopf-Einkommen. Ist es aber vernünftig, moralisch vertretbar und damit letztlich akzeptabel, das zweite Ziel insofern auf Kosten des ersten zu realisieren, als die Erweiterung das neue durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen erheblich absenken wird? Erfreulicherweise haben immerhin alle registriert, dass die Kohäsionspolitik nicht schematisch mit den 75 % fortgeschrieben werden kann, und so sind verschiedene Szenarien vorgeschlagen und erörtert worden, die möglicherweise den einen oder anderen Ausweg aufzeigen, aber keine wirklich gerechte Lösung bieten. Es ist daher zweckmäßig, ich würde sogar sagen, es liegt auf der Hand, dass das erste Ziel auch in der erweiterten Europäischen Union unverändert gültig bleiben muss, dass nämlich alle Mitgliedstaaten, heutige wie künftige, die Grenze der 75 % des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens der heutigen 15 Mitgliedstaaten erreichen und überschreiten. Das wäre folgerichtig.

Natürlich werden für die Erweiterung größere als die bisher bereitgestellten Summen benötigt. Mögen also die Verantwortlichen die neue Lage in ihrem wahren Ausmaß erkennen, mögen sie ihr mit Großzügigkeit begegnen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer neuen, couragierten Regionalpolitik langfristig betrachten und nicht jene Regionen verbittern, die auch weiterhin die Hilfe Europas benötigen, des Europas, das sie sich vorgestellt haben und an das sie glauben. Nehmen wir zur Kenntnis, was auf Altgriechisch einer der Großen des antiken Griechenlands, Demosthenes, gesagt hat: „... Offenbar bedarf man des Geldes, denn ohne dieses kann Nichts, von dem was nötig ist, erreicht werden...“ Und auch, wenn die entsprechenden Entscheidungen schon gefällt sind, na und? Beschlüsse sind dazu da, revidiert zu werden, wenn es nötig ist.

 
  
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  Darras (PSE).(FR) Herr Präsident, Frau amtierende Ratspräsidentin, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Wie Herr Marques und Herr Nogueira Román in ihren Berichten unterstrichen haben, sind die Kohäsionsfonds und die Strukturfonds von herausragender Bedeutung für die Entwicklung der meisten Regionen der Union sowohl was die Infrastruktur als auch was die soziale Integration betrifft. Trotz gewaltiger haushaltspolitischer Anstrengungen sind die europäischen Regionen allerdings noch weit von einem gleichen Entwicklungsstand entfernt, und mein Kollege Fruteau ist sehr beunruhigt hinsichtlich der Regionen in äußerster Randlage. Sie werden also verstehen, dass ich in der Perspektive der Erweiterung befürchte, dass die Europäische Union ihren Blick ausschließlich nach Osten richtet. Das hätte für sehr viele der heute geförderten europäischen Regionen dramatische Folgen.

Bitte verstehen Sie mich recht: es geht hier nicht darum, die Erweiterung in Frage zu stellen, die ja der Festigung des Friedens auf unserem Kontinent dient, was in diesen schwierigen Zeiten ein edles und prekäres Ziel ist. Es geht im Gegenteil darum, über die Voraussetzungen für den Erfolg nachzudenken. Ich gehöre zu denen, die der Auffassung sind, dass die Stärkung der Kohäsion eine der Voraussetzungen für den Erfolg der Erweiterung darstellt. Aber der Preis für diese Kohäsion darf nicht den ärmsten Ländern der Union aufgebürdet werden.

Konkret wünsche ich mir, Herr Kommissar, dass die Kriterien für die Förderwürdigkeit nach Ziel 1 und 2 sorgfältig überarbeitet werden, damit die Armut der einen nicht die Hoffnungslosigkeit und Verarmung der anderen besiegelt. Die mit der Erweiterung verbundene Herausforderung ist alles andere als gering. Sie erfordert Solidarität. Vergessen wir nicht, dass sie nur zu bewältigen ist, wenn man sie versteht und akzeptiert.

 
  
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  Pittella (PSE).(IT) Herr Präsident! Die Erklärungen sowohl des Rates als auch von Herrn Kommissar Barnier, die wir heute gehört haben, sowie sämtliche Redebeiträge der Kolleginnen und Kollegen haben eindeutig bestätigt, dass die Kohäsionspolitiken weiterhin einen der Grundpfeiler der Unionspolitik bilden und angesichts der Erweiterung nicht nur erneuert, sondern auch verstärkt werden müssen.

Allerdings stellen sich meines Erachtens anderweitige Probleme, von denen ich einige nennen möchte. Erstens: Ist das Instrumentarium, mit dem wir in den vergangenen Jahren die zunehmend differenzierter werdenden Ungleichgewichte geregelt haben, denn noch aktuell? Können allgemeine Indikatoren, wie das Bruttoinlandsprodukt, oder schematische Prozentsätze, wie die 75 Prozent, weiterhin die einzigen Parameter für die Klärung und Klassifizierung der Förderwürdigkeit darstellen? Kann denn noch ein pseudoegalitäres Kriterium Bestand haben, anhand dessen gleiche Maßnahmen für Menschen und Situationen ergriffen werden, die lediglich statistisch gesehen identisch sind?

Zweitens: Haben die Kernprinzipien der Subsidiarität und der Zusätzlichkeit heute noch die gleiche Bedeutung wie vor 20 Jahren, als das Institutionengefüge der Europäischen Union anders gestaltet war? Ist denn der vor einigen Tagen von Herrn Giuliano Amato, dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten, unterbreitete Vorschlag einer tief greifenden Reform, bei der die Europäische Kommission für die großen strategischen Investitionen zuständig bleibt und die Entwicklungsmaßnahmen auf lokaler Ebene dezentralisiert werden sollen, wirklich so realitätsfern und gänzlich unmöglich?

Ich hoffe aufrichtig, bei der Debatte in den kommenden Monaten möge der nötige Mut vorhanden sein, sich auch mit diesen Problemen auseinander zu setzen.

 
  
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  Lage (PSE).(PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, Herr Kommissar! Die Kohäsion ist ein Grundpfeiler der Europäischen Union. In der Tat gibt es ohne wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt keinen politischen Zusammenhalt in der Europäischen Union, ungeachtet dessen, was einige Föderalisten denken. Andererseits jedoch gibt es keinen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt ohne politischen Zusammenhalt, so sehr das auch einigen Verfechtern der Souveränität missfallen mag. Die Kohäsionspolitik, die in den letzten Jahren eine wichtige Rolle gespielt hat, wird künftig in Folge der Erweiterung von noch größerer Bedeutung sein. Sie ist sogar eine Voraussetzung für den Erfolg der Erweiterung. Das liegt doch auf der Hand! So ist die Erweiterung, Herr Präsident, mit diesen Paradoxen verknüpft: Zwar wird die Europäische Union ärmer in Bezug auf das Pro-Kopf-Einkommen, doch die derzeit am stärksten benachteiligten Länder werden reicher, als wenn Zahlenzauberei im Spiel wäre. Das ist ein Problem. Mein Land – Portugal – sowie andere Kohäsionsländer können nicht hinnehmen, dass sie in Folge der Erweiterung an den Rand der Kohäsionspolitik gedrängt und zu Opfern eines statistischen Systems werden, durch das sie automatisch die fatale Grenze von 75 % überschreiten.

Ausgehend davon bin ich der Meinung, dass folgende Grundsätze für die künftige Kohäsionspolitik unabdingbar sind:

- Erstens: Verstärkung der für den Zusammenhalt bestimmten Haushaltsmittel; entgegen dem, was der Herr Abgeordnete Walter gesagt hat, darf man dieser Frage nicht ausweichen.

- Zweitens: die Gewähr, dass die Interessen der derzeit am stärksten benachteiligten Regionen und Länder nicht angetastet werden und dass eine gerechte Formel gefunden wird, damit sie weiter in den Genuss der heute bewilligten Hilfen kommen.

- Drittens: eine tiefgreifende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und ein stärkerer Schutz des ländlichen Raums.

- Viertens: die Festlegung und Umsetzung einer Strategie zur Entwicklung des europäischen Territoriums, die die derzeitigen städtischen Zentren mit hoher Dichte und Konzentration zum Nutzen des gesamten europäischen Territoriums entlastet.

 
  
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  Neyts-Uyttebroeck, Rat.(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte ist im Wesentlichen eine Sondierungs- und Orientierungsdebatte bezüglich der künftigen Entwicklungen der Struktur- und Kohäsionspolitik, wie Sie sie wünschen. Ich habe aufmerksam zugehört. Wir werden Ihren Anregungen natürlich Rechnung tragen. Aber für heute möchte ich es bei dieser kurzen Reaktion bewenden lassen.

 
  
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  Barnier, Kommission. – (FR) Herr Präsident, wie Frau Ministerin Neyts-Uyttebroeck habe auch ich die hier vorgetragenen Bemerkungen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Das wird Sie nicht wundern, hatte ich doch selbst den Wunsch geäußert, dass die Debatte in diesem Anfangsstadium mit viel Offenheit geführt wird und Kritiken, so sagte ich vorhin, oder Anregungen geäußert werden.

Ich muss Ihnen sagen, dass mich die Bemerkungen von Herrn Simpson vorhin sehr getroffen haben. Ich finde sie wirklich ungerecht. In anderer Weise hat auch Herr Izquierdo Collado seiner Ungeduld Ausdruck gegeben. Ich bitte Sie jedoch, der Kommission gegenüber Gerechtigkeit walten zu lassen. Da Herr Simpson auf die Vorgeschichte einging und den Namen einer Frau erwähnt hat, für die ich viel Achtung und Freundschaft empfinde, meine Vorgängerin Frau Wulf-Matthies, möchte ich Ihnen den Zeitplan der vorangegangenen Debatte über die Agenda von Berlin ins Gedächtnis rufen. Das Forum, mit dem die Debatte über die Agenda von Berlin eingeleitet wurde, fand 1996 statt, im Hinblick auf eine Tagung des Europäischen Rates von 1999, die die Agenda für den Zeitraum 2000-2006 beschloss. Drei Jahre vorher! Wenn ich mich nach dem gleichen Zeitplan gerichtet hätte, wäre ich nicht im Januar 2001 zu Ihnen gekommen, um die Debatte zu eröffnen, sondern in zwei Jahren, 2003.

Man komme mir heute nicht mit dem Argument, die Kommission sei nicht aggressiv genug und man erwarte Vorschläge von ihr. Wir haben zwei Jahre im Voraus die Debatte ohne Tabus eröffnet, ohne die Erweiterung abzuwarten. Ich bitte Sie, gegenüber der Kommission gerecht zu sein. Zum gegebenen Zeitpunkt, wenn ich Sie angehört haben werde, wenn ich den Ausschuss der Regionen sowie die Regionen selbst und die Mitgliedstaaten angehört haben werde, können Sie sich darauf verlassen, dass ich Mut und gegebenenfalls auch Aggressivität beweisen und weit gehende Vorschläge unterbreiten werde. Aber verlangen Sie heute nicht von mir, eine Debatte abzuschließen, die ja gerade erst begonnen hat, und zwar mit zwei Jahren Vorsprung gegenüber den üblichen Verfahren. Ich habe auf Transparenz gesetzt und auf Offenheit gegenüber dem Europäischen Parlament. Da finde ich es ziemlich ungerecht, dass man mir das heute zum Vorwurf macht.

Herrn Hatzidakis, Frau Schroedter, Herrn Duin, Herrn Gasòliba i Böhm und Herrn Markov, die, wenn ich sie richtig verstanden habe, in ihren Beiträgen den Akzent stärker auf das gegenwärtige Management gelegt haben, möchte ich sagen, dass ich mich vielen ihrer Bemerkungen, ihren Appellen zu einer besseren Mittelausschöpfung, zur Einhaltung der Verpflichtungen, zum Bemühen um eine echte Partnerschaft in den Regionen anschließe. Und zusammen mit den Mitarbeitern der Generaldirektion achte ich äußerst streng darauf, dass die Begriffe, die in den Verordnungen stehen – Partnerschaft, Mittelausschöpfung, Strenge, Parität und andere – auch in die Realität umgesetzt werden.

Herr Hatzidakis, ich werde in einigen Tagen vor Ihrem Ausschuss erscheinen, um Bilanz zum Zeitraum 1994-1999 und auch zur Mittelausschöpfung im vorangegangenen Zeitraum zu ziehen, die hoffentlich jetzt endgültig feststeht, nachdem bisher noch Überhänge von vor 1994 vorhanden waren. Ich will auch Alarm schlagen, was die Vornahme der Mittelbindungen und die ersten Mittelausschöpfungen im gegenwärtigen Zeitraum betrifft. Ich werde dem Ausschuss für Regionalpolitik eine sehr präzise und objektive Bilanz vorlegen.

Herr Markov ist erneut auf die Frage der Grenzregionen eingegangen. Ich muss einräumen, Herr Markov, dass die Antwort, die wir zusammen mit Herrn Verheugen gegeben haben, angesichts der Problematik der Grenzregionen nicht ganz befriedigend war. Aber auch hier bitte ich Sie, heute nicht mehr von mir zu verlangen, als ich geben kann, denn wir arbeiten in dem Rahmen, den Sie wohl kennen und den Sie gebilligt haben, den Rahmen von Berlin. Ich habe einen Finanzrahmen einzuhalten, und ich kann ihn nicht ignorieren. Ich nutze alle Flexibilitätsmargen und Handlungsspielräume, aber ich bewege mich bis 2006 in dem Rahmen von Berlin und kann diesen nicht sprengen.

Herr Pohjamo hat, wie auch andere Redner, die Finanzierung der Erweiterung angesprochen. Die Entscheidungen trifft nicht die Kommission, Herr Pohjamo. Das tut der Rat, der Rat der Staats- und Regierungschefs im Jahre 2006, auf der Grundlage der von uns zu unterbreitenden Vorschläge. Ich will Ihnen hierzu sagen, wie ich etwas später auch Herrn Nogueira Román, Herrn Walter, Herrn Mastorakis und Herrn Pittella hätte sagen können, die die Ziele und Werte der Union angesprochen haben, welche sich in dieser Kohäsionspolitik widerspiegeln, nämlich dass wir 2006 gute Finanzbeschlüsse erreichen werden, wenn wir zuvor eine wirkliche, gute politische Debatte führen und wenn, natürlich im Rahmen dieser Debatte und an ihrem Abschluss, die Kommission ihrerseits ihrer Rolle gerecht wird und mutige und starke Vorschläge unterbreitet. Sie können sich auf mich und Frau Diamantopoulou sowie auf Herrn Fischler verlassen, dass wir Positionen und Vorschläge vorlegen werden, die die Kohäsionspolitik fortsetzen und sie zugleich verändern und reformieren. Ich möchte Ihnen auch sagen, dass ich, um diese Herausforderung im Jahr 2004 oder 2005 zu bestehen, darauf angewiesen bin, dass im Vorfeld eine echte Debatte stattfindet. Ich bin darauf angewiesen, dass Sie hier, in Ihren Ländern und im Dialog mit den einen und den anderen den Nutzen dieser Regionalpolitik, ihre Notwendigkeit und ihre Wirkungen unter Beweis stellen. Wenn wir diesen Beweis nicht erbringen, so muss man um die endgültigen Finanzbeschlüsse fürchten. Ich fordere Sie also auf, sich in Ihren Fraktionen, untereinander, unter Ländern und Regionen an dieser Debatte zu beteiligen, auf die ersten Denkansätze zu reagieren, die die Kommission aufgezeigt hat, und selbst Vorschläge zu unterbreiten.

Frau Raschhofer, Sie haben gesagt, dass wir Reformen brauchen. Ich weiß nicht, ob wir uns richtig verstanden haben, aber genau zu diesem Zweck ist die Debatte eröffnet worden, und ich erwarte, dass im Rahmen dieser Debatte Wege zu Reformen aufgezeigt werden. Frau Raschhofer hat ein Wort gebraucht, das ich nicht durchgehen lassen kann, denn man muss auf die Wörter achten, die man verwendet. Sie hat von Betrug gesprochen. Ich bin äußerst genau, ja sogar unerbittlich in dieser Frage der Exaktheit bei der Verwaltung der Strukturfonds. Wahrscheinlich gibt es Fehler. Wahrscheinlich gibt es Verzögerungen und oftmals auch Unregelmäßigkeiten. Aber ich konnte den Berichten des Rechnungshofs sowie des Haushaltsausschusses und des Haushaltskontrollausschusses Ihres Parlaments nicht entnehmen, dass im Zusammenhang mit der Verwaltung der Strukturfonds viele Fälle von Betrug aufgedeckt wurden. Wo etwas vorliegt, handelt es sich um Fehler, Verzögerungen, Unregelmäßigkeiten, die wir mit der Haltung, die ich eben nannte, schrittweise überwinden werden.

Herr Jarzembowski hat sich ebenfalls in die Debatte eingeschaltet, und dafür danke ich ihm. Um Missverständnisse zu vermeiden: als ich von der territorialen Dimension der künftigen Politik sprach. Sie bemerken im Übrigen, Herr Jarzembowski, dass ich den Kohäsionsbericht unter das Motto gestellt habe „Einheit Europas, Solidarität der Völker, Vielfalt der Regionen“. Dabei gehen wir von der Idee aus, dass man vielleicht bei der neuen und zukünftigen Ziel-2-Politik, sofern es noch eine Ziel-2-Politik gibt, was ich mir wünsche, anstelle von ein wenig Bürokratie und Gebietseinteilung, diese Politik dezentralisieren sollte, jedoch ausgehend von einigen europäischen Prioritäten, die wir gemeinsam festlegen müssten. Und im Dienste jeder dieser Prioritäten könnte es ein Finanzinstrument geben, einige Finanzinstrumente im Dienste einiger Schwerpunktziele, die Sie sich wünschen: Hilfe für die Regionen mit ständigen natürlichen Nachteilen, Förderung der Stadtentwicklungspolitik, Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Soweit einige Beispiele für territoriale Ziele. Denkbar wären auch thematische Ziele, wie beispielsweise die Informationsgesellschaft.

Herr Korakas, Sie haben ebenfalls zu mehr Vertrauen und zu mehr Regionalisierung aufgerufen. Einverstanden. Ich werde in der neuen Agenda im Jahr 2004 Vorschläge für mehr Vereinfachung und für Regionalisierung unterbreiten. Die Grenze besteht aus meiner Sicht jedoch darin, dass wir eine Rücknahme oder einen Abbau dieser Kohäsionspolitik nicht zulassen dürfen, die zu den großen, zu den stärksten Gemeinschaftspolitiken gehört und das Herzstück der Solidarität in Europa bildet.

Herr Berend hat wie einige andere Redner eine Kritik zum aktuellen Kriterium des Pro-Kopf-BIP geäußert, die ich akzeptiere oder zumindest verstehe. Ich bin da ganz offen. Ich möchte jedoch bemerken, dass mir dieses Kriterium bislang als das gerechteste und objektivste erschien. Es wird durch alle Mitgliedstaaten akzeptiert. Dank der vorhandenen Instrumente verfügen wir über zuverlässige statistische Angaben. Bevor man dies ändert, muss man gründlich darüber nachdenken, um weiterhin ebenso gerecht und objektiv sein zu können, wie wir es mit dem Kriterium des Pro-Kopf-BIP sind.

Frau Darras, ich möchte Ihnen sagen, dass ich zum gegebenen Zeitpunkt eine Regional- und Kohäsionspolitik vorschlagen werde, die alle Länder der Union betrifft, natürlich mit einer Konzentration, wie wir es auch heute tun, auf die ärmsten Regionen, die ärmsten Länder, denn das ist es, was Kohäsion ausmacht, die im übrigen dazu da ist, dass sie beendet ist, sobald sie erfolgreich war. Ich bin jedoch keineswegs gewillt, eine Politik zu machen, die die anderen Regionen ignoriert, die zwar weniger Schwierigkeiten haben, jedoch noch spezifische Vorhaben und Probleme und oftmals Zonen der Armut. Ich werde also zu gegebener Zeit eine Politik vorschlagen, die mit unterschiedlicher Intensität je nach dem Entwicklungsstand alle Regionen und alle Länder Europas betrifft. Gleichzeitig werde ich mich bemühen – dies als Antwort an Herrn Lage – all diese Regionen fair zu behandeln, um den von mir selbst im Kohäsionsbericht angesprochenen mechanischen Effekt sowie den statistischen Effekt, der bei sofortiger Anwendung möglicherweise die derzeitigen Regionen der Europäischen Union benachteiligen würde, zu vermeiden.

 
  
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  Izquierdo Collado (PSE). – (ES) Herr Präsident, ich möchte kurz auf die Bemerkung des Kommissars eingehen, die ich für unangebracht halte und die vor allem nicht zu ihm passt, denn wir sind bei ihm an einen gewählten Umgang mit dem Parlament und jedem einzelnen Abgeordneten gewöhnt. Vielleicht hat es ein Verständigungsproblem gegeben.

Ich habe Ihnen, Herr Kommissar, lediglich die gleiche Frage gestellt, die Sie an das Parlament gerichtet haben. Sie können mir deshalb nicht sagen, ich sei ungeduldig. Im Januar haben Sie das Parlament im Zweiten Kohäsionsbericht gefragt, welches der vier Kriterien wir unserer Meinung nach anwenden müssen. Das Parlament stellt dieselbe Frage an den Rat und an die Kommission.

Zweitens, Herr Kommissar, befinden wir uns mitten im Erweiterungsprozess. Wir sprechen von einem anderen Zeitpunkt und von einem anderen Zeitabschnitt. Ich möchte deshalb, dass Sie wissen, dass alle meine Bemerkungen von einer konstruktiven Position aus gemacht wurden und dass ich meinen Kampf für die Kohäsion in diesem Parlament nicht erst seit heute, sondern seit vielen Jahren führe.

 
  
  

VORSITZ: ALONSO JOSÉ PUERTA
Vizepräsident

Der Präsident. – Herr Izquierdo hat eine Erklärung abgegeben und dabei seine Position und Absichten erläutert. Ich bin gerade erst in den Plenarsaal gekommen. Meiner Ansicht nach sollte damit keine Debatte unter den Abgeordneten ausgelöst werden. Daher bitte ich Herrn Jarzembowski, es bei einer Frage zur Geschäftsordnung zu belassen.

 
  
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  Jarzembowski (PPE-DE). – Herr Präsident! Es geht nicht an, dass, wenn die Redezeit abgelaufen ist und der Kommissar geredet hat, jeder noch einmal eine neue Debatte anfängt. Ich bitte, das in Zukunft zu verhindern, sonst würde ich nämlich auch gerne noch zwei Minuten reden. Ich kann jedenfalls nur sagen, dass der Kommissar alle unsere Fragen sehr gut beantwortet hat und dass wir ihm großen Dank schuldig sind!

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

 
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