1. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung
Der Präsident. –Das Protokoll der gestrigen Sitzung wurde verteilt.
Gibt es Einwände?
Santini (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident! Ich stehe nicht in der Anwesenheitsliste, obwohl ich bei der gestrigen Sitzung anwesend war, wie durch meine Unterschriften bei sämtlichen Sitzungen meiner Fraktion belegt wird. Ich möchte Sie bitten, für eine Korrektur dieses Versäumnisses Sorge tragen zu wollen.
Der Präsident. –Herr Santini, das wird korrigiert.
(Das Parlament genehmigt das Protokoll)
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De Rossa (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich verfolgte gestern von meinem Platz aus die gesamte Aussprache über die Erklärungen der Kommission und des Rates zu den tragischen Ereignissen in den Vereinigten Staaten. Mit keinem einzigen Wort wurde dabei aber die Krise erwähnt, in der sich die Luftfahrtindustrie in Europa im Ergebnis dieser Gräueltat jetzt befindet. Es ist die Pflicht dieses Hohen Hauses, der Kommission und dem Rat klarzumachen, dass die europäische Luftverkehrsindustrie und die Luftfahrtindustrie im Allgemeinen ihre Hilfe benötigen, damit wir die europäische Luftfahrtindustrie, vor allem aber unsere Luftverkehrsgesellschaften, am Leben erhalten können. Sonst geraten wir in eine sehr ernste Lage, vor allem dann, wenn die USA, wie es vorgeschlagen worden ist, ihren Luftverkehrsgesellschaften Hilfe leisten. Es ist außerordentlich wichtig, dass Zehntausende von Arbeitsplätzen, die in der Luftfahrtindustrie jetzt bedroht sind, gerettet werden.
Der Präsident. – Herr De Rossa, wir nehmen das zur Kenntnis. Die Tagesordnung der nächsten Sitzung wird von der Konferenz der Präsidenten festgelegt. Wir werden Ihre Anregung weiterleiten.
2. Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0274/2991) von Herrn Marinho im Namen des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über die Initiative der Französischen Republik, des Königreichs Schweden und des Königreichs Belgien im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses des Rates (5126/2001 – C5-0055/2001 – 2001/0803(CNS)) über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union.
Marinho (PSE), Berichterstatter. – (PT) Herr Präsident! Dieser Bericht zielt darauf ab, dass von einem Staat gerichtliche Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögenswerten oder Beweismitteln in seinem Territorium, die von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates ergehen, anerkannt werden, um die Integrität des Gerichtsverfahrens noch vor seiner Durchführung zu sichern. Dieser Rahmenbeschluss – eine Initiative der Regierungen Frankreichs, Schwedens und Belgiens – soll am 31. Dezember 2002 in Kraft treten und in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden, ohne dass er ratifiziert werden muss – ein sehr wichtiger Punkt! –, so wie es ja generell bei den bisher bestehenden Mechanismen über die Anerkennung von Strafurteilen der Fall war. Kurz gesagt geht es darum, dass durch die automatische Rechtswirkung einer gerichtlichen Entscheidung eines Mitgliedstaats gewährleistet wird, dass für die Strafermittlung und -verfolgung wesentliche Güter, Werte und Beweiselemente, die sich in irgendeinem Teil der Europäischen Union befinden, nicht verloren gehen, verschwinden oder der Ermittlung entzogen werden. Dieser Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung beruht auf dem ursprünglichen Vorschlag für einen Beschluss über grenzüberschreitende Straftaten wie den Drogenhandel, den Steuerbetrug im Zusammenhang mit dem Unionshaushalt, die Wäsche von Erträgen aus Straftaten, die Euro-Fälschung, die Korruption und den Menschenhandel.
Der Ausschuss für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten vertrat indes die Auffassung – und dies zum rechten Zeitpunkt –, dass diese Typisierung von Straftatbeständen, die speziell mit dem Funktionieren des Binnenmarkts im Zusammenhang stehen, andere Straftatbestände unberücksichtigt lässt, wie ganz besonders jenen, der uns zur Zeit am meisten Sorge bereitet und der mit dem Phänomen des Terrorismus zu tun hat. Die Neufassung von Artikel 2, die im Übrigen durch die wertvolle Mitarbeit unserer Kollegin Ana Palácio so zustande kam, wie er im Ausschuss für Freiheiten und Rechte der Bürger angenommen wurde, wird meiner Meinung nach sehr viel besser der Wirkung gerecht, die von einem Raum der Freiheit, des Rechts und der Sicherheit erwartet wird. Es handelt sich darum, den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung auf eine Basis zu stellen, die die europaweite Verfolgung von Straftätern und ihren Organisationen begründet. Wir sind uns wohl heute über ihre Bedeutung als Instrument völlig im Klaren, und deshalb ich rufe dazu auf, dass dieses Plenum den Änderungsantrag Nr. 5 zu Artikel 2 des ursprünglichen Beschlussentwurfs annimmt, dass die Kommission und der Rat ihn berücksichtigt und den derzeitigen Beschlussentwurf an andere, die ihm folgen werden – natürlich im Bereich des Kampfes gegen den Terrorismus –, wie von Herrn Kommissar António Vitorino hier gestern angekündigt, anpasst.
Herr Präsident, dieser Beschluss ist so, wie er ist. Er ist ein kleiner Beitrag zum Aufbau eines gemeinsamen Rechtsraums. Aber mit kleinen Dingen, mit kleinen Steinen werden die Grundmauern eines europäischen Rechtsgebäudes errichtet, das die Bürger zu schützen vermag. So bekämpft man die europäische Rechtslücke, und so bekämpft man die Untätigkeit und die so genannte Bürokratie der Institutionen. Unsere Arbeit besteht darin, den Bürgern zu beweisen, dass Europa auch fähig ist sie zu schützen, dass eine europäische Zivil- und Strafrechtsordnung möglich ist. Natürlich um die Unionsbürgerschaft zu fördern, aber auch, um dem gesichts- und heimatlosen Verbrechen, das allgegenwärtig ist, entgegenzutreten. Nicht einmal die größten Pessimisten werden leugnen, dass mit diesen Dingen der richtige Weg beschritten wird. Eine isolationistische Herrschaft begünstigt das Verbrechen und erweckt die Verbrecher zum Leben. Beschleunigen wir deshalb ab morgen – ja genau ab morgen – auf dem außerordentlichen Europäischen Rat, den Aufbau des Europas der Freiheiten, des weltweit größten Raums der Demokratie, der Freiheit und des Rechts.
Ford (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich pflichte den Ausführungen des Berichterstatters, Herrn Marinho, bei. Die wirklich tragischen Ereignisse der letzten Woche unterstreichen, wie wichtig der Kampf gegen den Terrorismus und das organisierte Verbrechen ist. Mit der Koalition, die wir in der ganzen Welt zur Bekämpfung des Terrorismus anstreben, soll versucht werden, dieses Problem zu lösen, doch es gibt auch noch die Frage der Vorbeugung mit sicherheitspolitischen und diplomatischen Mitteln. Zudem sind weitergehende Schritte erforderlich, wenn wir verhindern wollen, dass sich derartige Verbrechen jemals wiederholen.
Die zweite Geldwäscherichtlinie durchläuft bereits das Vermittlungsverfahren, und wir sind bemüht, sie durchzubekommen. Für die Ebene der Europäischen Union muss klar sein, dass es keinen zersplitterten Raum des Rechts geben darf. Es ist unlogisch, dass Menschen einen Asylantrag in einem Mitgliedstaat stellen und den nächsten in einem anderen. Es ist doch unlogisch, dass ein Haftbefehl nicht für die gesamte Europäische Union gilt! Das war der Fall, als jemand aus Frankreich in das Vereinigte Königreich floh und es fertig brachte, seine Auslieferung zurück nach Frankreich, wo er wegen des Verbrechens des Terrorismus angeklagt war, hinauszuzögern. Er legte sich doch tatsächlich fünf Jahre lang mit den Gerichten an.
Die uns heute Morgen vorliegenden Berichte sollen die Dinge voranbringen helfen. Der Bericht Marinho ist Bestandteil dieser Initiative der Regierungen Frankreichs, Schwedens und Belgiens, und ich beglückwünsche den Berichterstatter und die Initiatoren zu diesem Bericht. Eine in einem Mitgliedstaat gefällte Gerichtsentscheidung muss automatisch in der gesamten Union gelten. Wir müssen die gegenseitige Anerkennung haben, die Herr Marinho fordert.
Herr bin Laden hat ein Bankkonto in London. Es bleibt zu hoffen, dass es durch diesen Bericht leichter sein wird, dieses Konto und ähnliche Konten anderswo in Europa einzufrieren, sollte es sich als notwendig erweisen. Im Namen der Sozialdemokratischen Partei Europas unterstütze ich diesen Bericht sowie die entsprechenden Maßnahmen, die sich in den anderen Berichten heute Vormittag und in den kommenden Wochen und Monaten anschließen werden. Der unschuldigen Menschen, die in der vorigen Woche auf so dramatische Weise ihr Leben lassen mussten, kann man am besten dadurch gedenken, dass Maßnahmen ergriffen werden, mit denen verhindert wird, dass sich so etwas wiederholt. Das ist nur ein kleiner Mosaikstein in diesem Prozess.
Reding,Kommission. – (FR) Herr Präsident, die Kommission begrüßt die Initiative Frankreichs, Schwedens und Belgiens bezüglich der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln. Dies ist der erste grundlegende Vorschlag nach der Annahme des Maßnahmenprogramms zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen in Strafsachen. Zudem möchte ich die Arbeit des Berichterstatters, Herrn Marinho, anerkennend hervorheben. Der Bericht ist hervorragend, und im Übrigen bedeutet die gegenseitige Anerkennung, wie auch der Berichterstatter betont, einen entscheidenden Fortschritt für die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen.
Wie Sie alle wissen, ist die herkömmliche justizielle Zusammenarbeit langwierig und bürokratisch, was den Interessen der Bürger völlig zuwiderläuft, zudem wird angesichts der aktuellen Ereignisse die Notwendigkeit einer schnellen und wirksamen justiziellen Zusammenarbeit deutlich. Dem Ansatz, den der Berichterstatter in seinen Änderungsanträgen verfolgt, insbesondere wenn er darauf hinweist, dass diese Initiative nicht ehrgeizig genug ausfällt, kann ich ebenfalls zustimmen. Die Initiative bezieht sich ja lediglich auf eine begrenzte Zahl von Straftatbeständen, die auf Ebene der Union bereits harmonisiert sind, und deckt einige herkömmliche Straftaten, wie z. B. Mord, bewaffneten Raubüberfall oder Vergewaltigung nicht ab. Zudem beinhaltet sie auch keine Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Akten.
Daher schlägt der Berichterstatter vor, den Anwendungsbereich des Vorschlags auf jede Straftat auszuweiten, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten geahndet wird, womit sich die Kommission völlig einverstanden zeigt. Sie setzt sich im Übrigen bereits beim Rat für diese Ausweitung ein, und die diesbezüglichen Verhandlungen laufen an. Das Parlament verfügt demnach über gute Aussichten, diese Initiative ehrgeiziger zu gestalten, was den Zielsetzungen der Staats- und Regierungschefs entsprechen würde, die sich auf der Tagung des Europäischen Rates von Tampere auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen in Strafsachen geeinigt haben. In diesem Sinne begrüße ich die Annahme dieses positiven und ehrgeizigen Berichts.
Der Präsident. – Vielen Dank, Frau Kommissarin!
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 11.00 Uhr statt.
3. Überschreiten der Außengrenzen – Schengen-Kooperation
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0233/2001) von Herrn Coelho im Namen des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über das Überschreiten der Außengrenzen und die Entwicklung der Schengen-Kooperation (10846/1999 – C5-0042/2000) + (11329/3/1999 – C5-0043/2000) + (SCHAC 2533/1/2000 – C5-0729/2000) + (SEK(2000) 1439 – C5-0730/2000 – 2000/2015/(COS)).
Coelho (PPE-DE),Berichterstatter. – (PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Schengen-Kooperation begann 1985 zwischen fünf Mitgliedstaaten. Ziel war die Abschaffung der Innengrenzen, indem der freie Personenverkehr möglich wurde und Ausgleichsmaßnahmen u. a. im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit, bei der Drogenbekämpfung, bei der Auslieferung und bei der Schaffung des Schengen-Informationsdienstes getroffen wurden. Inzwischen gehören alle Mitgliedstaaten dem Schengen-System an, obgleich das Vereinigte Königreich und Irland nur teilweise teilnehmen. Ferner beteiligen sich noch zwei Drittstaaten – Island und Norwegen –, die der Nordischen Passunion angehören. Mit Amsterdam wurde der Schengen-Besitzstand in den Vertrag einbezogen, und bestimmte Bereiche des dritten Pfeilers wie beispielsweise Visa, Asyl, Einwanderung und justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen wurden in den Gemeinschaftspfeiler integriert.
Bei der Ausarbeitung dieses Berichts stand ich vor einer Reihe von Fragen, für die ich mir wünsche, dass schnellstmöglich Lösungen gefunden werden.
Erstens: die Erweiterung auf die übrigen Mitgliedstaaten. Auch wenn die Erweiterung des Schengen-Raums begrüßt wird, muss doch das Europäische Parlament bedauern, dass es zu der in diesem Bereich zu verzeichnenden Entwicklung nicht ausreichend informiert oder gar formell konsultiert worden ist. Was die teilweise Beteiligung des Vereinigten Königreichs und Irlands betrifft, so sehen wir sie als einen positiven Schritt, verstehen wir ihn als vorübergehende Situation, einen Schritt in Richtung einer vollen Beteiligung.
Zweitens: die fehlende Transparenz. Man würde erwarten, dass die Einbeziehung des Schengen-Besitzstandes zu einem beträchtlichen Zuwachs an Transparenz führte. Die Ergebnisse jedoch sind niederschmetternd. So wurde festgestellt, dass der Besitzstand spät veröffentlicht wurde, dass dieser Besitzstand unvollständig veröffentlicht wurde, und paradoxerweise erhält das Europäische Parlament heute weniger Informationen zum Schengen-Prozess als damals, als er ausgesprochen intergouvernementalen Charakter trug.
Drittens: die Einbeziehung des Besitzstands in den Vertrag. Sie hätte einen spürbaren Fortschritt ermöglichen können, führte jedoch zu einem chaotischen und inkohärenten Ergebnis, das vielleicht teilweise dem den Mitgliedstaaten zuerkannten Initiativrecht geschuldet war. Ferner konnte sich das Europäische Parlament aufgrund der engen Auslegung der Vertragsbestimmungen durch den Rat im Rahmen des dritten Pfeilers nicht umfassender in das Gesetzgebungsverfahren einbringen.
Viertens das, was ich als die „Schengen-Abirrung“ bezeichnen würde. Artikel 2 Absatz 2 erlaubt es jedem Staat, aus Gründen der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit einseitig Kontrollen an den Innengrenzen wieder einzuführen. Das wurde bereits von Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Spanien und kürzlich von Italien praktiziert. Wir sind nicht gegen das, was wir als „Sicherheitsventil“ bezeichnen könnten. Wir alle sind uns dessen bewusst, vor allem in den gegenwärtigen Zeiten, dass mehr Freiheit mit mehr Sicherheit einhergehen muss. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass das Nichtvorhandensein eines Rechtsrahmens, der klarstellt, unter welchen Bedingungen und in welchem Sinne dieser Artikel Anwendung finden kann, eine echte Blanko-Regelung ist. Daher möchte ich, unter Berücksichtigung des Scoreboards, die Kommission auffordern, einen formalen Vorschlag vorzulegen, der Regelungen zur vorherigen Zustimmung des Rates, zur Genehmigung für einen begrenzten Zeitraum, zur Forderung der Verhältnismäßigkeit sowie zu den Bedingungen für eine Verlängerung des Zeitraums enthält.
Fünftens: die Schengen-Kooperation und die polizeiliche Zusammenarbeit. Die Schengen-Kooperation ist von der polizeilichen Zusammenarbeit losgelöst. Es gibt eine separate Entwicklung von Europol. Wenn diese beiden Vorschriftenpakete isoliert voneinander betrachtet werden, zudem noch die Frage der Vertraulichkeit der Dokumente hinzukommt, dann hat das zu Folge, dass der Bereich der Straffrage und der Sicherheit für die Bürger noch mehr an Transparenz verliert und noch verwirrender wird. Als Teil des dritten Pfeilers sind die parlamentarische und justizielle Kontrolle der verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten nach wie vor unzureichend und müssen verstärkt werden.
Sechstens: die Erweiterung auf die Bewerberländer. Diese Erweiterung wird das Gefüge Europa erheblich verändern, und die neuen Mitgliedstaaten werden für die Kontrolle Tausender Kilometer an den neuen Außengrenzen der Europäischen Union verantwortlich sein. Für den Prozess zur Überprüfung der Einhaltung der Schengen-Vorschriften benötigten die derzeitigen Mitgliedstaaten eine erhebliche Zeit. Daher sollten wir meiner Ansicht nach zwei voneinander getrennte Zeitpunkte haben: den der Annahme des Besitzstands mit dem Beitritt und den der anschließenden vollständigen Umsetzung des Besitzstands einschließlich der Aufhebung der Grenzen, sobald die Bedingungen es zulassen.
Siebentens: das SIS. Das Schengen-Informationssystem ist die größte Datenbank Europas, die erste Erfahrung im Sinne eines groß angelegten Austauschs, des internationalen Austauschs sensibler Daten. In der Praxis wird nun erwartet, dass es sich langfristig zu einem europäischen Informationssystem entwickelt. Das SIS kann nicht länger geheim auf einer rein intergouvernementalen Basis verwaltet werden. Es müsste vielmehr auf einer gemeinschaftlichen Basis verwaltet werden, und zwar müsste ihre Verwaltung in die Hände einer eigenständigen Agentur gelegt werden, in der dieses Parlament eine Kontrollfunktion ausüben sollte, es müsste aus dem Haushalt der Europäischen Union finanziert werden, und es sollte ein Gemeinschaftsinformationssystem geplant werden, das, wenn getrennte Daten beibehalten werden, Daten enthält, die im Schutze der verschiedenen Übereinkommen gesammelt wurden.
Herr Präsident, abschließend möchte ich allen Kollegen für die Hilfe bei der Ausarbeitung dieses Berichts danken. Mein besonderer Dank gilt der Kollegin van Lancker, die an verschiedenen Kompromissvorschlägen mitgearbeitet hat.
Hannan (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, das Vereinigte Königreich ist von der Teilnahme an den Bestimmungen des Schengener Besitzstands im Wesentlichen ausgenommen. Die Politik der britischen Konservativen gegenüber Schengen gleicht daher unserer Politik gegenüber dem Euro. Wir wünschen unseren Nachbarn und Verbündeten alles Gute, aber es gehört eben nicht zu unseren Aufgaben, ihnen zu sagen, wie Initiativen zu organisieren sind, an denen wir uns selbst nicht zu beteiligen gedenken. Es ist bei solchen Anlässen folglich zu einer Tradition geworden, dass sich meine Partei der Stimme enthalten wird.
Es gibt noch etwas, das bei diesen Gelegenheiten inzwischen zur Tradition geworden ist. Es würde nämlich etwas fehlen, gäbe es in den Berichten nicht die zum Ritual gewordene Klage darüber, dass das Vereinigte Königreich und Irland nicht teilnehmen. Somit finden wir in dem Bericht von Herrn Coelho, der ansonsten großartig ist, Randnummer 2, in der die beiden Staaten in einem ziemlich barschen Ton aufgefordert werden, ihre Grenzkontrollen abzuschaffen.
Das Parlament hat mehrmals die Ansicht vertreten, und Kommissionsmitglied Vitorino hat sich dem angeschlossen, dass die Nichtteilnahme durch das Vereinigte Königreich laut den Bestimmungen der Einheitlichen Europäischen Akte rechtswidrig sei. Ich meine, dass dies juristisch gesehen fehlerhaft ist, doch dazu will ich mich heute nicht äußern. Mir geht es vielmehr darum, dass dieses Parlament, das hartnäckig versucht, eine Ausnahmeregelung anzufechten, die zu jener Zeit allen Beteiligten verständlich war, in böser Absicht handelt. Es sei hierbei nur an die Umstände erinnert, unter denen das Schengener Übereinkommen in die Verträge eingebaut wurde. Für diese Entscheidung war – wie für alle Vertragsänderungen – Einstimmigkeit erforderlich. Ohne die Zustimmung des Vereinigten Königreichs hätte Schengen weiter in einem gesonderten rechtlichen Rahmen fortbestehen müssen.
Die britische Regierung vertrat die Ansicht, dass es Großbritannien, wenn andere Staaten allein voranschreiten und dafür die Institutionen und Mechanismen der Europäischen Gemeinschaften nutzen wollten, nicht ansteht, sie davon abzuhalten. Folglich erlaubte es den anderen Staaten, ihr Vorhaben im Rahmen der Verträge voranzutreiben, aber nur vorbehaltlich der klaren Garantie, dass die Kontrollen an den Grenzen des Vereinigten Königreichs selbst davon nicht betroffen sein würden. Diese Garantie wurde schwarz auf weiß im Vertrag von Amsterdam verankert.
Doch kaum war der Vertrag von Amsterdam in Kraft getreten, da begannen die Europäische Kommission und das Europäische Parlament auch schon, die Nichtbeteiligungsklausel in Frage zu stellen. Das Vereinigte Königreich hatte nicht zum ersten Mal anderen Staaten erlaubt, die gemeinsamen Verfahren der europäischen Verträge nur für diese Staaten anzuwenden, und diese erhoben sofort lautstark die Forderung nach der Einbeziehung Großbritanniens. So wie mit Schengen war es auch beim Kapitel Sozialvorschriften und bei der Wirtschafts- und Währungsunion – in allen drei Fällen stimmte Großbritannien jeweils einer neuen Initiative der EU unter der klaren Voraussetzung zu, dass es davon nicht betroffen sein würde, nur dass dann seine Ausnahmeregelung später angefochten wurde. Das ist gewiss kein Weg, den die Union weiter gehen kann. Denn wenn auf Nichtbeteiligungsklauseln rechtlich kein Verlass mehr ist, dann bleibt als einzige Alternative nur die häufigere Anwendung des nationalen Vetos, und das wäre, wie ich zu bedenken geben möchte, für die integrationistische Mehrheit in diesem Haus bestimmt noch unangenehmer, als sie es für mich ist.
Van Lancker (PSE). – (NL) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich den Kollegen Coelho zu seinem hervorragenden Bericht ganz herzlich beglückwünschen und ihm meinerseits, im Namen meiner Fraktion, für die hervorragende Zusammenarbeit danken. Was eigentlich eine alljährlich erfolgende Aussprache über die Durchführung der Schengen-Kooperation hätte sein sollen, gewinnt nun durch die jetzt im Rat der Justiz- und Innenminister geführten Beratungen über Maßnahmen der Europäischen Union zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus an zusätzlicher Aktualität. Niemand wird wohl in Abrede stellen wollen, dass das Schengener Übereinkommen dabei eine wichtige Rolle spielen könnte.
Mich schaudert, wenn, wie in der gestrigen Sitzung, die rechte Seite sich dafür ausspricht, den freien Personenverkehr nun endgültig zu begraben, und dazu auffordert, Big-Brother-Verhältnisse einzuführen. Bei den Diskussionen über Schengen in meiner Fraktion ging es stets um ein zwar schwieriges, aber dennoch notwendiges Gleichgewicht zwischen dem Recht auf Freizügigkeit, der Achtung rechtsstaatlicher Grundsätze und der Menschenrechte einerseits und dem Recht auf Sicherheit durch die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit andererseits, und dieses Gleichgewicht muss gewahrt bleiben.
Obwohl Schengen als Vorläufer des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bereits seit sechs Jahren besteht, gibt es, wie wir in dem Bericht des Kollegen Coelho feststellen müssen, doch noch eine ganze Reihe von Mängeln. Lassen Sie mich drei davon nennen.
Erstens: Trotz Schengen besteht noch immer keine effiziente polizeiliche Zusammenarbeit und erfolgt kein wirksamer Informationsaustausch, der konkrete Ergebnisse bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens ermöglicht. In dem Jahresbericht wird zwar von einer deutlichen Verbesserung gesprochen, doch ist zu fragen, ob die Prioritäten wirklich richtig gesetzt werden. Grob ausgedrückt: Wird beim Kampf gegen die internationale Kriminalität und gegen den Terrorismus, wie sie in der UN-Konvention definiert sind, von dem Schengener Informationssystem effektiv Gebrauch gemacht? Dient es nicht hauptsächlich als Informationssystem gegen unerwünschte Migration? Gestatten Sie mir, dass ich angesichts all der jetzt gewonnenen Erkenntnisse diese Frage erneut stelle.
Zweitens: Schengen wird hingegen bei Demonstrationen anlässlich europäischer und internationaler Gipfeltreffen durchaus zur Anwendung gebracht. Dass man Randalierer, die anreisen, um Verwüstungen anzurichten, zurückhält, dagegen hat kein Demokrat etwas einzuwenden. Die Art, wie friedliche Demonstranten durch Kontrollen an den Binnengrenzen und durch den Informationsaustausch über das SIS zurückgehalten werden, geht jedoch für jeden Verfechter der Meinungsfreiheit wirklich einen Schritt zu weit.
Drittens: Die polizeiliche Zusammenarbeit und der Informationsaustausch erfordern eine sorgfältige Überwachung durch die Justiz und die Parlamente. Hier gerät Schengen völlig außer Kontrolle. Dabei wird sogar so weit gegangen, dass der Rat beschlossen hat, keine Berichte mehr zu veröffentlichen, da nun Schengen sozusagen Teil des gemeinschaftlichen Acquis ist, als ob Schengen damit aufhören würde zu bestehen. Meine Fraktion würde es in jedem Fall begrüßen, dass an die Stelle von Schengen in der Tat transparente, demokratisch kontrollierte europäische Vorschriften treten, doch bis dahin möchten wir, dass das Europäische Parlament zusammen mit den nationalen Parlamenten Schengen kontrolliert.
Boumediene-Thiery (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Unser Ziel besteht darin, die Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu entwickeln, in dem die Rechte der Bürger und die Freizügigkeit von Personen gewährleistet werden. Doch seit mehr als zwanzig Jahren fordern Verbände sowie zahlreiche Abgeordnete ein Europa der Bürger, das sich solidarisch zeigt und nicht nur Waren und Kapital, sondern vor allem auch Personen offen steht.
Für einen Augenblick haben wir an die vom Schengener Abkommen ausgehende Hoffnung geglaubt, die kurz darauf durch Ängstlichkeit, mangelnden Mut und das Fehlen einer sachlichen politischen Analyse zunichte gemacht wurde. Schengen stellt zwar dank der in einigen Bereichen wie der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit verzeichneten Verbesserungen für Europa einen bedeutenden Fortschritt dar, der aber – wenn wir ehrlich sein wollen – heute immer noch mit Ungereimtheiten und Diskriminierungen behaftet ist. Obwohl das Schengener Abkommen in mehreren EU-Staaten vollständig in Kraft getreten ist, bestehen aufgrund des Fehlens der Unionsbürgerschaft oder von Papieren nach wie vor Ungleichheiten zwischen den Menschen, auch wenn diese bzw. ihre Familien schon seit langem in Europa leben. Einige Mitgliedstaaten der Union gestehen nicht allen Menschen, die innerhalb ihres Hoheitsgebiets leben, dieselben Rechte zu, auch wenn für alle dieselben Pflichten bestehen. Hinzu kommen von Land zu Land unterschiedliche Einwanderungs- und Asylpolitiken, unterschiedliche Verfahren und Kontrollen, repressive Polizeipraktiken, die zu menschlichen Dramen führen wie derzeit in Sangatte in Nordfrankreich. Mitten in Europa versuchen täglich Tausende Männer, Frauen und Kinder unter Einsatz ihres Lebens durch den Eurotunnel in das Vereinigte Königreich zu gelangen. Während diese Menschen auf ihre Abreise warten, werden sie unter völlig unmenschlichen Bedingungen in Auffanglagern untergebracht und nur von humanitären Organisationen wie z. B. dem Roten Kreuz unterstützt, die über keinerlei Befugnisse oder Mittel verfügen. Diese Praktiken wecken bei mir böse Erinnerungen. Was die politischen Entscheidungsträger betrifft, so behandeln diese die Flüchtlinge und Asylbewerber nach wie vor mit Herablassung, Heuchelei und Zögerlichkeit. Nach Annahme der Grundrechtecharta in der Europäischen Union ist ein derartiges Verhalten inakzeptabel. Stellen Sie sich vor, dass Polizeibeamte es sogar gewagt haben, mit scharfer Munition auf Asylbewerber zu schießen! Sie müssen sich dies eigentlich gar nicht vorstellen, weil es auch andere Polizeidienste in Europa bereits getan haben. Durch derartige Vorfälle werden unsere Parlamente in den Augen Tausender Bürger, die ein Ende der Ungleichheit, Ungerechtigkeit und ein Ende der Festung Europa fordern, weiter diskreditiert.
Wir werden daher gegen den Bericht stimmen, der diesen Realitäten keinerlei Beachtung schenkt und auch keine Alternativen vorschlägt. Wir müssen vielmehr gemeinsam und schnellstmöglich konkrete Lösungen finden, die diesen dramatischen Situationen, insbesondere dem Leid der Flüchtlinge von Sangatte und den verzweifelten Schreien derer, die Asyl und Hilfe in Europa suchen, gerecht werden.
Krarup (EDD). – (DA) Die Entscheidungsprozesse dieser Tage in Bezug auf Polizei, Militär, Strafrecht, Schengen und Grenzkontrollen machen den Eindruck einer politischen Leichenfledderei. Der heutige Bericht über das Überschreiten der Außengrenzen und die Entwicklung der Schengen-Kooperation sowie der gestrige Vorschlag der Kommission sind in Wirklichkeit zwei Aspekte derselben Sache. Das Unheimliche daran ist gestern von einem dänischen Strafrechtsprofessor eindeutig formuliert worden, „dass die EU-Kommission und andere Institutionen die Angriffe in den USA nur zum Anlass nehmen, eine weitreichende Harmonisierung zu fördern, und Harmonisierung heißt, dass die nationalen Traditionen des Strafrechts, der Strafrechtspflege und der polizeilichen Ermittlungsarbeit zugunsten mehr oder weniger panikartig ergriffener Maßnahmen außer Kraft gesetzt werden, was zu schärferen Kontrollen führt und die bürgerlichen Freiheitsrechte beeinträchtigt“. Er sagt außerdem: „Die Politiker merken, dass sie Tatkraft zeigen müssen, aber für eine Harmonisierung des Strafrechts in der EU gibt es überhaupt keinen Bedarf. Dadurch werden wir nicht einen einzigen Terrorakt verhindern“. Das war also seine Botschaft.
Der heutige Bericht wird schnell von den Ereignissen überholt werden, die lange nach der Veröffentlichung eintreffen. Bei jeder politischen Entscheidung stellt sich die Frage, ob wir damit unseren Zielen näher kommen und ob die Mittel, die wir dabei einsetzen, diese Ziele behindern. Ich befürchte, dass die Antwort auf die erste Frage lautet: „Nein, wir erreichen die erklärten Ziele nicht“, und auf die Frage, ob die Mittel die Ziele behindern, müssen wir leider – aus Erfahrung – mit „ja“ antworten. Es entstehen Kontrollschäden, und jeder wird mir zustimmen, wenn er sich die Mühe macht, den Bericht der Gemeinsamen Kontrollinstanz für 1998-99 und spätere Äußerungen über die unzulängliche Kontrolle der Schengen-Behörden zu lesen.
Bautista Ojeda (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Die illegale Einwanderung gehört an allen Grenzen der Europäischen Union zum täglichen Erscheinungsbild. Sie betrifft gewisse Regionen besonders stark und in einem immensen humanitären, sozialen und wirtschaftlichen Ausmaß. Gestatten Sie mir, dass ich mich auf diese Grenzregionen der Union konzentriere, die, wie Andalusien, täglich den Zustrom von Dutzenden Menschen mit aller Härte erleben.
Andalusien ist aufgrund seiner geographischen Nähe zum Maghreb einem großen Einwanderungsdruck ausgesetzt, ohne über angemessene Instrumentarien zu verfügen, um diesem entgegenzuwirken. Die spanische Regierung hat öffentlich erklärt, dass die derzeitige Situation untragbar ist und sich andererseits die zum Maghreb und zum Königreich Marokko unterhaltenen bilateralen Beziehungen aufgrund der Probleme in der Fischerei, mit dem illegalen Rauschgifthandel und eben der illegalen Zuwanderung in einer schwierigen Phase befinden.
Einige unter uns treten seit Jahren für die im Rahmen des Schengener Übereinkommens notwendige Anerkennung eines besonderen Statuts für Grenzregionen wie Andalusien, sowie für die Zuweisung von Instrumentarien für diese Gebiete der Europäischen Union ein, die es ihnen ermöglichen, den Zustrom der Einwanderer mit größerer Effizienz zu bewältigen. Es ist außerdem erforderlich, dass man ihnen die Zuständigkeit überträgt, der spanischen Zentralregierung und der Europäischen Union Maßnahmen im Bereich der Beschäftigung, des Wohnsitzes sowie der erforderlichen sozialen Integration von Personen vorzuschlagen, die gewaltsam über die Straße von Gibraltar in Zufluchtsgebiete wie Andalusien einwandern.
Reding,Kommission. – (FR) Herr Präsident, zunächst möchte ich dem Parlament und seinem Berichterstatter im Namen der Kommission für die ausführliche Arbeit danken. Dieser Bericht über das Überschreiten der Außengrenzen und die Entwicklung der Schengen-Kooperation berührt ein Thema, das im Mittelpunkt der Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts steht. So weist das Schengener Abkommen eine Besonderheit auf. Einerseits gewährleistet es die Freizügigkeit, einen der Hauptbestandteile des EG-Vertrags, und andererseits setzt es die Notwendigkeit um, diese Freiheit durch eine solide Politik der Kontrolle an den Außengrenzen und durch andere Ausgleichsmaßnahmen zu flankieren. Doch durch seine Integration in die Union wurde dem Schengener Abkommen faktisch der Todesstoß versetzt. Es existiert nur noch aufgrund der Symbolik, die diesen Begriff umgibt, weiter. Schengen war als Versuchslabor gedacht, mit dem die Umsetzung einer in der Einheitlichen Europäischen Akte vorgesehenen Erfolgspflicht sichergestellt werden sollte. Danach wurde das Schengener Abkommen der Union zugeordnet und in die Union integriert. Das Abkommen und die damit zusammenhängenden Beschlüsse werden somit schrittweise durch die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und der Union ersetzt und weiterentwickelt.
So sind z. B. die Gemeinsamen Konsularischen Instruktionen und das Gemeinsame Handbuch in Verordnungen übergegangen, und neue Vorschläge auf der Grundlage des dritten Pfeilers ergänzen oder ersetzen die entsprechenden Bestimmungen des Abkommens, die diesem Pfeiler zugeordnet wurden. Im Übrigen hat die Kommission dem Parlament im vergangenen Juli einen Vorschlag vorgelegt, mit dem fünf Personengruppen, die sich innerhalb eines unkontrollierten Raumes frei bewegen können, in einem einzigen Rechtsakt zusammengeführt werden. Mit diesem Vorschlag wird der Forderung des Europäischen Parlaments entsprochen, die einzelnen Bestimmungen über die Freizügigkeit in einem Dokument zusammenzufassen. Die Kommission will außerdem einen Vorschlag zu Artikel 2 des Schengener Übereinkommens vorlegen, um die Schutzklausel zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen an den innergemeinschaftlichen Grenzen präziser zu flankieren. Die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen, doch das Ziel besteht darin, in naher Zukunft eine „Amsterdamisierung“ des Schengener Übereinkommens vorzunehmen. Daher ist es meiner Ansicht nach problematisch und schwierig, die Erstellung eines regelmäßigen Berichts über das Schengener Übereinkommen zu beschließen, da dies auf einen Bericht über die unterschiedlichen Instrumente hinauslaufen würde, durch die das Schengener Übereinkommen ersetzt wurde oder derzeit gerade ersetzt wird. Doch ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission das Parlament auch weiterhin regelmäßig über die Entwicklungen in diesem Bereich unterrichten wird, den man aus Gründen der sprachlichen Einfachheit weiterhin den Schengener Bereich nennen wird.
Darüber hinaus wird das Parlament mittels der im Anschluss an die Tagung des Europäischen Rates von Tampere eingeführten und regelmäßig aktualisierten Anzeigetafel über alle legislativen und praktischen Aktivitäten informiert. Die Kommission ist der Ansicht, dass bei der Umsetzung des Besitzstandes die prioritären Anliegen zu berücksichtigen sind, die sich aus der Entwicklung, der Situation und aus den politischen Hinweisen des Rates und des Parlaments ergeben. Zu diesen Prioritäten gehören natürlich die Entwicklung des Schengener Informationssystems sowie gewiss auch – und das wird Sie besonders interessieren – die Fragen im Zusammenhang mit den Beitrittskandidaten. Im Übrigen teilt auch der Berichterstatter die diesbezüglichen Besorgnisse, und die Kommission kann sich dem nur anschließen.
Was das Schengener Informationssystem der zweiten Generation, SIS II, betrifft, möchte ich Ihnen einige Informationen über den letzten Entwicklungsstand geben. Wie Sie wissen, hat der Rat „Justiz und Inneres“ am 28. und 29. Mai keine Einstimmigkeit zugunsten einer Regierungsfinanzierung erzielen können. Aus diesem Grund hat man sich auf eine Finanzierung aus dem Gemeinschaftshaushalt geeinigt. Darüber hinaus haben der belgische Vorsitz und Schweden zwei Initiativen vorgelegt, von denen sich die eine auf den ersten Pfeiler und die andere auf den dritten Pfeiler bezieht und mit denen der Kommission unter Mitwirkung eines Ausschusses die Verantwortung für die Entwicklung des Systems SIS II im Zeitraum 2002-2006 übertragen werden soll. Das Hauptziel dieser beiden Vorschläge, die derzeit durch den Rat geprüft werden, besteht zunächst darin, eine rechtliche Grundlage für die Finanzierung dieser Entwicklungsphase zu schaffen. Jedoch sollen darüber hinaus auch Legislativvorschläge zu den einzelnen Hauptaspekten von SIS II vorgelegt werden, insbesondere was die Frage der Verwaltung und der Funktionalitäten betrifft. Im Zusammenhang mit ihrer Zuständigkeit für die Finanzierung wird die Kommission zudem eine Mitteilung vorlegen, die sich mit unterschiedlichen Aspekten von SIS II beschäftigen wird, d. h. mit rechtlichen, technischen und finanziellen Fragen, aber auch mit den einzelnen einzuplanenden Vorbereitungsphasen und der noch zu erarbeitenden allgemeinen Methode, damit SIS II endgültig realisiert werden kann.
Abschließend möchte ich Ihnen versichern, dass die Kommission Ihre Entschließung bei der Bewertung der bisherigen und noch ausstehenden Bemühungen sowie bei der Festlegung ihrer Aktionsprioritäten bezüglich des Schengener Raums berücksichtigen wird.
Der Präsident. –Vielen Dank, Frau Kommissarin!
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 11.00 Uhr statt.
4. Flüchtlingsstatus in den Mitgliedstaaten
Der Präsident. –Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0291/2001) von Herrn Watson im Namen des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Watson (ELDR) Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident, ich habe die Ehre, dass mein Name unter diesem Bericht hier steht, doch die meiste Arbeit hat mein christdemokratischer Kollege, Herr Ingo Schmitt, geleistet, als er diesen Bericht durch den Ausschuss gebracht hat. Wegen des Abstimmungsergebnisses wollte er ihn nicht auf der Plenartagung vorlegen, so dass ich dies jetzt im Namen meines Ausschusses tue.
Die Kommission hat eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vorgeschlagen. Zudem hat sie Vorschläge für Vorschriften zur Behandlung von Asylanträgen vorgelegt. Das sieht schon sehr nach einem ersten Schritt in Richtung des von der Kommission vorgeschlagenen und von diesem Hohen Haus schon bei vielen Gelegenheiten unterstützten gemeinsamen Asylsystems aus. Diese Vorschriften beziehen sich auf Einrichtungen für die Aufnahme und den Gewahrsam, den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und den Antragstellungsprozess. In ihnen werden Fristen für Anträge und Rechtsbehelfe genannt und spezielle Regeln für die Vorgehensweise in unzulässigen Fällen vorgestellt.
Ich habe die Ehre, im Namen des Ausschusses eine Reihe von Änderungsanträgen zu diesen Vorschlägen vorzustellen. Uns ist bekannt, dass diese Änderungsanträge nicht verbindlich sind, doch wir hoffen, dass sie sorgfältig geprüft und bei der politischen Umsetzung berücksichtigt werden. Mit unseren Änderungsanträgen verfolgen wir das Ziel, die Stellung der Asylbewerber eindeutig zu bestimmen und ihre Position zu stärken. Wir wollen dafür sorgen, dass die Genfer Konvention und ihre Protokolle sowie die Europäische Menschenrechtskonvention bei der Bearbeitung von Asylanträgen gebührend beachtet werden. Unser Ziel ist es zudem, den Asylbewerbern das Recht zu sichern, auf dem Gebiet des Mitgliedstaats zu verbleiben, bis über ihren Rechtsbehelf entschieden worden ist. Wir empfehlen, den Fällen besonderes Augenmerk zu widmen, in denen Anträge von Frauen und Kindern gestellt werden, die in den Ländern, aus denen sie fliehen, durch Missbrauch und Angriffe besonders gefährdet sind. Wir streben an, für diese Asylbewerber den Zugang zu rechtlichem Beistand zu verbessern und wollen damit unterstreichen, dass Asylbewerber nicht dorthin zurückgeschickt werden sollen, wo ihr Leben möglicherweise in Gefahr gerät.
Grundsätzlich lehnen wir es ab bzw. sträuben wir uns dagegen, dass man Asylbewerber in Haftanstalten in Gewahrsam nimmt. Ich begrüße zum Beispiel die jüngste Entscheidung eines Gerichts im Vereinigten Königreich gegen die Praxis der britischen Regierung, Asylbewerber in Haftanstalten in Gewahrsam zu nehmen, wie modern diese Anstalten auch immer sein mögen. Wir denken, dass Asylbewerber, die in ihren Heimatländern oftmals nur knapp den allerschlimmsten Verfolgungen entkommen sind, das Recht haben, mit Würde behandelt zu werden, wenn sie unser rettendes Ufer erreicht haben. Wir verstehen die Zwänge, denen die Mitgliedstaaten ausgesetzt sind, aber wir lehnen die sich unserer Meinung nach jetzt abzeichnende schleichende Tendenz zur Abschwächung der Rechte der Asylbewerber ab.
Wir glauben, dass die Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft eine juristische Frage bleiben muss und keine Angelegenheit für die Politik bzw. der politischen Zweckmäßigkeit sein darf. Die Gesundheit einer Gesellschaft wird nicht nur nach ihren Vorgehensweisen, sondern auch nach der Richtung, in die sie schaut, beurteilt, und mein Ausschuss ist der Meinung, dass die Politik der Kommission uns auch in unserem Bemühen, die Recht der Personen, auf die die Politik abzielt, in die richtige Richtung führt.
Dies ist nicht nur eine Frage unser rechtlichen und humanitären Pflichten, sondern auch eine Frage des gesunden Menschenverstandes in wirtschaftlicher und verwaltungsmäßiger Hinsicht. Je mehr Asylbewerber ein Staat abweist – vielleicht in der Hoffnung, beim Volk um eine kurzfristige Unterstützung der niedrigsten Art zu buhlen –, umso mehr Rechtsbehelfen wird er sich gegenübersehen und umso mehr wird er es mit langwierigen Prozessen zu tun haben, die sich beim Steuerzahler in der Geldbörse bemerkbar machen. Durch unsere Änderungsanträge streben wir nicht nur Verwaltungseffizienz, sondern auch ein humanitäres Herangehen an die Lage derer auf unserem Planeten an, die unsere Unterstützung und unseren Schutz verdienen. Ich hoffe, dass das Hohe Haus sich der Richtung anschließen wird, die vom Ausschuss in diesem Bericht vorgeschlagen wird.
Duff (ELDR). Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik – (EN) Herr Präsident, der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten begrüßt die auf der Ausschuss-Stufe vorgenommenen Änderungen am Bericht, denn bei der Weiterentwicklung der gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik der EU müssen die Auswirkungen auf die Außenwelt und besonders auf unsere unmittelbaren Nachbarn umfassend berücksichtigt werden. Diese Länder, vielfach handelt es sich um Bewerberländer, stehen bei der Flüchtlingsfrage im Zentrum des Geschehens. Die meisten haben keinerlei Erfahrungen mit der Flüchtlings- und Asylpolitik. Ihnen allen fehlen Finanzmittel und Personal für eine fachkundige Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten war außerdem der Meinung, dass es wichtig ist, einen Verweis auf die Charta der Grundrechte der EU sowie die Verpflichtung zur Einhaltung aller bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen aufzunehmen. Schließlich haben wir auch darauf bestanden, dass die neuen Verfahren der EU darauf abzielen müssen, zur Verbesserung der internationalen Beziehungen beizutragen, indem sie möglichst klar, transparent und mit Gründen versehen sind, um so den Drittländern und ihren Bürgern deren Auslegung nach Kräften zu erleichtern.
Schmitt, Ingo (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, der Ausschuss, der diesen Bericht mehrheitlich so beschlossen hat, befindet sich leider auf einem Irrweg. Ich will das auch ganz kurz begründen. Wir haben vor rund einem Jahr, als das Arbeitsdokument der Kommission zu dieser Thematik vorgelegt wurde, versucht, einen Kompromiss in diesem sehr sensiblen und schwierigen Thema zu finden. Wir haben uns darauf verständigt, bewusst in drei Gruppen einzuteilen: Einmal die Asylbewerber, dann jene, die aus Krisenregionen vorübergehend zu uns kommen, und schließlich die Menschen, die bewusst in die Mitgliedstaaten einwandern wollen, um hier zukünftig ihren Lebensmittelpunkt zu schaffen.
Wir waren uns auch darüber im Klaren, dass wir gerade die letzte Säule der Zuwanderung nur dann vernünftig regeln können, wenn wir auch sicherstellen, dass die Anzahl der – ich will bewusst keine scharfen Worte wählen – unberechtigten Asylanträge reduziert werden kann, zumindest, dass wir sie konsequent abarbeiten können.
Wir wissen doch, dass allenfalls 10 % oder 15 % der Anträge, die gestellt werden, im Sinne der Genfer Konvention wirklich berechtigte Anträge sind und als solche anerkannt werden. Deswegen hat der Ausschuss meiner Ansicht nach mit seiner Mehrheit zwei Fehler gemacht: Erstens, weil er diesen Konsens, den wir mühsam versucht haben zu finden, aufgekündigt hat, und zweitens, weil er den wirklich Berechtigten, den wirklich politisch Verfolgten keinen guten Dienst erwiesen hat, indem er die unberechtigterweise nach Deutschland oder in andere Mitgliedstaaten Eingereisten sozusagen gleichbehandelt und damit das Ansehen des wirklich Berechtigten beeinträchtigt.
Der Weg, die Fluchtgründe auf nichtstaatliche Verfolgung auszuweiten, der Weg, die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten einzuschränken, jedenfalls der Mitgliedstaaten, die mit großen Zuströmen leben müssen, dass sie wirksam auf das Institut des sicheren Herkunftslandes zurückgreifen können, aber auch die Frage, wie geht man mit offensichtlich unbegründeten Anträgen um, all das, was sich jetzt in diesem Bericht befindet, führt dazu, dass es kein richtig wirksames Mittel mehr gibt, auch in dem Bereich tätig zu sein, wo unberechtigte Anträge in großer Zahl gestellt werden.
Ich darf nochmals nachdrücklich an sie appellieren! Ich weiß, wie schwierig das Thema ist. Ich weiß auch, wie sensibel das Thema ist. Aber lassen sie uns doch versuchen, diese gemeinsamen Säulen, die wir vor einem Jahr miteinander sehr konsensfähig besprochen haben, dann auch im Detail durchzuhalten! Ich habe die Hoffnung, dass die deutschen Sozialdemokraten, die ja mit ihrem Innenminister in Deutschland ganz anders reden, vielleicht heute noch ihr Abstimmungsverhalten ändern. Ich hoffe auch, dass wir wieder einen Weg finden, der auf Konsens ausgerichtet ist und der den wirklich Betroffenen, den politisch Verfolgten auch in unseren Mitgliedstaaten entsprechendes Ansehen verschafft.
Evans, Robert J.E. (PSE). – (EN) Herr Präsident, erlauben Sie mir, mich im Namen unseres Ausschusses bei Herrn Watson dafür zu bedanken, dass er diesen Bericht im Plenum vorgelegt hat. Ich habe den Ausführungen von Herrn Watson und Herrn Schmitt genau zugehört. Herr Schmitt äußerte sich ausführlich über unberechtigte Anträge, und natürlich ist es richtig, dass wir alle Anträge ordentlich prüfen müssen. Herr Schmitt sagte, und ich bin da voll und ganz einer Meinung mit ihm, dass die Mitgliedstaaten mehr tun müssen, um die Beseitigung der eigentlichen Ursachen in Angriff zu nehmen, die die Menschen veranlassen, Europa oder die Welt zu durchstreifen. Doch es ist nicht einfach, diese eigentlichen Ursachen in den Ländern in Angriff zu nehmen, aus denen viele Asylbewerber stammen. Die meisten Asylbewerber in Europa kommen aus Afghanistan, Iran und Sri Lanka, und zurzeit – wie wir ja nur allzu gut wissen – wird es nicht leicht sein, der Lage in Afghanistan rasch Herr zu werden: die Lage dort beobachten wir ja doch mit Schrecken.
Was uns selbst betrifft, so macht uns das Fehlen eines gemeinsamen funktionsfähigen Asylsystems zu schaffen. Ein gesondertes Problem ist auch die bislang fehlende gemeinsame Einwanderungspolitik, die es später einmal geben wird. Wir können es jedoch auf unseren Fernsehbildschirmen sehen, gewiss allabendlich in Großbritannien und in Frankreich – und unsere Kollegen in Spanien haben ein ähnliches Problem –, wie sich das Fehlen eines geeigneten Systems auf tragische Weise offenbart. Asylbewerber sind verzweifelte Menschen, die in vielen Fällen vor Krieg, Gewalt und Folter fliehen. Ja, Herr Schmitt, einige von ihnen fliehen auch nur vor der Armut, aber deswegen sollten wir sie nicht verachten. Wir müssen ihnen Achtung erweisen und sicherstellen, dass sie gerecht behandelt werden.
Im Bericht werden hohe Maßstäbe an die Aufnahme von Asylbewerbern gelegt, um zu verhindern, dass Kriminelle in das Aufnahmeverfahren gelangen. Menschen, die sich durch Flucht aus schlimmsten Situationen befreit haben, müssen nicht in Haft- oder sonstigen Anstalten in Gewahrsam genommen werden, und darin ich stimme mit Herrn Watson überein. Wer Krieg und Folter entronnen ist, muss nicht mit Stacheldraht und bewaffneten Wachposten begrüßt werden. Ihre Fälle müssen ordnungsgemäß angehört werden, sie brauchen ein gerechtes System, und sie brauchen ein System, in dem sich das Individuum im Mittelpunkt des Verfahrens befindet. Dieser Bericht zeigt den Weg in diese Richtung auf, auch wenn er nur ein Teil eines größeren Ganzen ist, das auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem und parallel dazu ein gesondertes Einwanderungssystem abzielt. Ich hoffe, dass wir dies so, wie in den Änderungsanträgen gefordert, durchbekommen und unsere Bemühungen fortsetzen können, den gewaltigen Arbeitsumfang, der in diesem Bereich noch vor uns liegt, zu bewältigen.
VORSITZ: CATHERINE LALUMIÈRE Vizepräsidentin
5. Begrüßung
Die Präsidentin. –Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr erfreut, Ihnen mitteilen zu können, dass eine Delegation des Chinesischen Nationalen Volkskongresses auf der Besuchertribüne Platz genommen hat.
(Beifall)
Die Delegation steht unter Leitung von Frau Li Shu-Zheng, Vizepräsidentin des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China. Frau Li Shu-Zheng wird von sieben Abgeordneten des Nationalen Volkskongresses sowie von mehreren hochrangigen Vertretern der Abteilung Auswärtige Angelegenheiten des Nationalen Volkskongresses begleitet.
Ich möchte die gesamte chinesische Delegation, die gerade am achtzehnten interparlamentarischen Treffen zwischen dem Europäischen Parlament und China teilgenommen hat, sehr herzlich begrüßen. Dieses Treffen, das am 17. und 18. September 2001 stattfand, bot auch Gelegenheit für zahlreiche bilaterale Treffen mit den Fraktions- und Ausschussvorsitzenden sowie für ein Treffen mit der Präsidentin, Frau Fontaine.
Im Laufe der Jahre konnte der Dialog zwischen dem Europäischen Parlament und dem Chinesischen Nationalen Volkskongress ausgebaut werden und befasst sich mittlerweile mit einer großen Bandbreite von Themen. Wir hoffen nachdrücklich auf eine dauerhafte Vertiefung dieses Dialogs und eine Stärkung unserer Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China.
6. Flüchtlingsstatus in den Mitgliedstaaten (Fortsetzung)
Ludford (ELDR). – (EN) Frau Präsidentin, Ziel dieses wichtigen Berichts ist die Schaffung eines Asylsystems, das gerecht ist: gerecht für die Asylbewerber, aber auch gerecht für die Steuerzahler. Es geht in diesem Bericht nicht darum, wer als Flüchtling anerkannt werden soll, und daran möchte ich auch Herrn Schmitt erinnern, sondern es geht darum, wie man entscheiden soll, welche Ansprüche begründet sind.
Es ist ein großer Trugschluss anzunehmen, dass man Zeit und Geld spart und die Asylbewerber irgendwie los werden kann, wenn man ihnen weniger dabei behilflich ist, ihre Ansprüche geltend zu machen. Regierungen, die nach populistischen Schlagzeilen über die Zahl der abgelehnten Anträge von so genannten „Scheinasylanten“ drängen, sollten den Mut haben, die Wahrheit zu sagen. Und diese Wahrheit lautet: Versucht man, im frühen Stadium des Verfahrens möglichst viel einzusparen, so führt das letztlich zu erheblichem Mehraufwand bei der Verwaltung, zu einem höheren Zeitaufwand vor den Gerichten, zu höheren Anwaltskosten und zu Mehrkosten für Verpflegung und Unterbringung. Ich fürchte, dass Herr Schmitt diese Wahrheit nicht begriffen und die Abgeordneten seiner Fraktion irgendwie irregeführt hat. Daher wende ich mich an die gemäßigten Abgeordneten in der Fraktion der Konservativen sowie der Christdemokraten, sich der Mehrheit in diesem Parlament anzuschließen, die für die Gewährleistung eines Mindestniveaus im Asylverfahren ist, weil höherer Aufwand zu Beginn - dazu gehören auch solche Fragen wie die Bereitstellung eines Dolmetschers, rechtlicher Beistand, eingehende Befragungen und angemessene Fristen - sich letztlich auszahlt.
Dann möchte ich zur Frage der fairen Behandlung vor allem die Verwendung des Begriffs des sicheren Drittlandes unterstreichen. Meine Fraktion versteht die Verwendung dieses Begriffs als Orientierung, die im Einzelfall auch umgangen werden kann. Es ist überhaupt nichts Ungerechtes daran, wenn es für einen Asylbewerber, der beispielsweise aus Kanada kommt, weitaus schwieriger ist, die Behörden davon zu überzeugen, dass sein Asylantrag gerechtfertigt ist, als, sagen wir, für einen Asylbewerber aus dem Irak. Doch es muss möglich sein, diesen Fall mit einer individuellen Beurteilung zu klären und nicht mit einer pauschalen Abweisung des Antrags.
Lambert (Verts/ALE). – (EN) Frau Präsidentin, in den letzten Tagen haben wir eine ganze Menge über die Werte gehört, die uns lieb und teuer sind, vor allem über die Werte Demokratie und Freiheit. Ich möchte noch einige hinzufügen: Menschlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Gleichheit vor dem Gesetz. Daher begrüße ich in diesem Zusammenhang vieles in dem von Herrn Watson vorgelegten Bericht: Dieser Blickwinkel erklärt allerdings auch, warum meine Fraktion die von der PPE-DE-Fraktion vorgeschlagenen Änderungsanträge, die im Ausschuss abgelehnt wurden und die unserer Meinung nach die Rechte der Asylbewerber einzuschränken versuchen, nicht unterstützen wird.
Vor allem begrüße ich die vom Ausschuss vorgeschlagenen Änderungsanträge, in denen es heißt, dass das Recht auf die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, sondern anerkannt werden muss: Die Flüchtlingseigenschaft ist ein Recht, nicht das Geschenk eines wohltätigen Regimes. Ich begrüße es auch, dass die Existenz von Formen der Verfolgung anerkannt wird, die in der Genfer Konvention nicht enthalten sind. Wir haben erst gestern Abend in diesem Hohen Haus eine Aussprache zu einer solchen Frage geführt – zur Frage der Genitalverstümmelung bei Frauen. Meine Fraktion ist der Meinung, dass uns die Genfer Konvention als Ausgangspunkt dienen sollte, und es bleibt zu hoffen, dass eine gemeinsame Asylpolitik das schließlich tun wird. Wir begrüßen auch die Tatsache, dass die geschlechtsbezogene Dimension in diesem Bericht nunmehr anerkannt wird.
Wir befürworten darüber hinaus die Anerkennung der Notwendigkeit der Durchführung des Anhörungs- und Beurteilungsverfahrens für Asylanträge in der Muttersprache des Antragstellers. Das ist ganz wichtig, da der Ausgang des Verfahrens buchstäblich über Leben oder Tod des Antragstellers entscheiden kann. Wir können doch nicht erwarten, dass eine Person, die Folter, Demütigung und sexuelle Entwürdigung erlitten hat, dies in einer Sprache zum Ausdruck bringt, die sie selbst nur mit Mühe versteht.
Meine Fraktion lehnt jedenfalls den Begriff des sicheren Drittlandes ab. Wenn wir uns einmal die gewaltigen Unterschiede anschauen, die es zwischen den Mitgliedstaaten darüber gibt, was sie als sicher betrachten, dann erkennen wir die mit diesem Begriff aufgeworfenen Probleme, vor allem unter Berücksichtigung der neuen Formen der Verfolgung. Wie es Baroness Ludford zum Ausdruck gebracht hat, muss jeder Antrag für sich selbst betrachtet und behandelt werden. Wir müssen die höchsten Maßstäbe anlegen, und in dieser Hinsicht hat der vorliegende Bericht substanzielle Verbesserungen gebracht.
Frahm (GUE/NGL). – (DA) Frau Präsidentin, die Bilder, die wir dieser Tage aus Afghanistan zu sehen bekommen, zeigen ja sehr deutlich, dass das Problem nicht beseitigt ist, sondern dass die Flüchtlingsströme leider nicht abreißen – eine unmittelbare Folge der Politik, die wir hier in unserem Teil der Welt führen. Ich habe mehrmals von einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik reden hören. Ja, das ist wirklich eine gute Idee, doch muss ich für meinen Teil die Einschränkung machen, dass ich sie nur unterstützen kann, wenn es auch eine gute Politik ist. Der Berichterstatter wollte den Bericht ursprünglich so gestalten, dass die Rechte und Möglichkeiten für Asylbewerber in unseren Ländern eingeschränkt werden. Man hat sich im Ausschuss schließlich darauf geeinigt, den Status quo annähernd beizubehalten. Ich hielte es für gut, wenn das Europäische Parlament jetzt eindeutig sagen würde, dass eine gemeinsame Asylpolitik der EU unter keinen Umständen eine Politik sein darf, durch welche die Asylbewerber schlechter gestellt werden als dies zur Zeit in den Mitgliedstaaten der Fall ist. Ich hoffe sehr, dass dies das Ergebnis der Abstimmung sein wird, die heute Nachmittag stattfindet.
Blokland (EDD). – (NL) Frau Präsidentin! Europa läuft zwei Gefahren. Erstens: Die Errichtung einer „Festung Europa“, in der kein Ausländer mehr willkommen ist und man sich nicht um die übrige Welt schert. Das ist nicht wünschenswert und steht auch nicht im Einklang mit internationalen Verpflichtungen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen sich um Flüchtlinge kümmern, und zwar nicht nur um die, die bei ihnen anklopfen, sondern auch um Flüchtlinge in anderen Ländern. Obgleich es in dem Kommissionsvorschlag nicht um dieses Thema geht, halte ich es dennoch für notwendig, auf die zahlreichen Flüchtlinge in Lagern hinzuweisen. Auch sie verdienen Unterstützung und Aufmerksamkeit, oft mehr, als ihnen heute zuteil wird. Deshalb müssen dem UNHCR kräftige finanzielle Impulse verliehen werden.
Eine Festung Europa darf es folglich nicht geben. Es besteht jedoch noch eine weitere Gefahr, nämlich dass die Europäische Union zu einer Art Spielplatz wird, zu dem fast jeder ohne weiteres Zugang findet, um in den Genuss zahlreicher Vergünstigungen zu gelangen. Auch dies ist nicht wünschenswert. Die Möglichkeiten der europäischen Länder werden dadurch überfordert. In einer Zeit wie dieser, in der viele offensichtlich die Mittel und Wege finden, um nach Europa zu gelangen und um Asyl nachzusuchen, müssen Asylverfahren sachlich und strikt sein. Andernfalls werden die Gegensätze zu den in Lagern lebenden Flüchtlingen noch krasser. Die Kommission hat einen nüchternen und realistischen Vorschlag vorgelegt, in dem zwischen der Erfordernis der Sachlichkeit und der des Rechtsstaates generell eine vernünftige Balance besteht.
Die von diesem Parlament zu dem Kommissionsvorschlag eingereichten Änderungsanträge lassen jedoch zu häufig das notwendige Gleichgewicht vermissen. Deshalb kann ich sie zum größten Teil nicht unterstützen.
Berthu (NI). – (FR) Frau Präsidentin, der Vorschlag für eine Richtlinie über das Verfahren zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die gemäß dem EG-Vertrag für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt, ist in Wirklichkeit ein ausgesprochen schulmeisterlicher Text. Er regelt bis in die kleinste Kleinigkeit z. B. in Artikel 28, was ein unbegründeter Asylantrag ist, in Artikel 22 und Anhang I, was ein sicheres Drittland ist, oder in Anhang II, was ein sicheres Herkunftsland ist. Als ob es sich bei den Mitgliedstaaten um Kleinkinder handeln würde und ihre Beamten noch nie im Leben einen Asylantrag bearbeitet hätten. Aber am erstaunlichsten ist, dass es dieser Vorschlag schafft, übergenau und gleichzeitig lax zu sein. Es gibt nämlich kaum Bestimmungen, die nicht von dem Wunsch beseelt wären, den Asylbewerbern so genannte hochrangige Garantien einzuräumen, die gleichzeitig, das darf nicht vergessen werden, zweitrangige Garantien für die Völker der Mitgliedstaaten darstellen. Lassen Sie mich ein Beispiel unter vielen nennen: In Artikel 25 wird festlegt, dass zugunsten des Asylbewerbers entschieden werden muss, wenn seine Angaben nicht nachgewiesen werden können und lediglich glaubhaft erscheinen. Diese Geste könnte man eigentlich für großzügig halten, und sie ist es tatsächlich, jedoch werden dabei angesichts der angespannten Lage, in der wir uns derzeit befinden, andere auf dem Spiel stehende Interessen, insbesondere die Interessen der Völker Europas, außer Acht gelassen.
Aus diesem Grund sind wir der Ansicht, dass der heute vorgeschlagene Text nur den ersten Teil der endgültigen Richtlinie bilden sollte. Nach diesem ersten Teil, der sich dem Schutz der Asylbewerber widmet, ist noch ein zweiter Teil zu verfassen, der sich mit dem Schutz der Völker Europas befasst, die im günstigsten Fall die Zahler und im schlimmsten Fall die Opfer sind, denn, vergessen wir auch dies nicht, mindestens drei Viertel der derzeit vorgelegten Asylanträge erweisen sich letztendlich als unbegründet. Und sagen Sie uns nicht, Frau Kommissarin, diese Texte werden später nachgereicht. Sie sind zeitgleich vorzulegen, damit wir uns eine umfassende Vorstellung davon machen können.
Nach diesen Ausführungen wage ich es kaum, auf die im Bericht des zuständigen Ausschusses des Europäischen Parlaments vorgeschlagenen Änderungen einzugehen. Ich werde in meiner Erklärung zur Abstimmung darauf zurückkommen und möchte hier lediglich sagen, dass sie derart überspannt sind, dass sie schließlich zum Rücktritt des Berichterstatters selbst führten, der dann in aller Eile ersetzt werden musste. Angesichts all dieser Texte, der Richtlinie und der Änderungsanträge meinen wir, daran erinnern zu müssen, dass es vor dem Hintergrund unserer aktuellen Debatte über die Sicherheit äußerst abträglich ist, derzeit alljährlich 400 000 bis 500 000 Asylbewerbern die Einreise in unser Hoheitsgebiet zu ermöglichen, von denen die meisten dann schließlich abgewiesen, jedoch nicht ausgewiesen werden und in einer Art Halbillegalität leben. Diese schwer zu fassende, unkontrollierte Personengruppe steigt alljährlich an und führt zu einer weiteren Verstärkung der sonstigen Quellen der illegalen Einwanderung.
Angesichts der heute vorgelegten Texte müssen wir feststellen, dass die europäischen Organe noch weit davon entfernt sind, die Sicherheit ihrer Bürger als oberste Priorität zu betrachten.
Fiori (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Wir haben zu einem zwar spezifischen, aber gleichwohl eine große Vielfalt an Handlungsmöglichkeiten bietenden Thema Stellung zu nehmen. Es ist einfach, von dem Asylrecht tout court zu sprechen und sich darauf zu stützen, dass Grundsätze heilig sind, was ja in dieser schweren Zeit, da die Welt durch die schrecklichen Ereignisse erschüttert ist und wir alle in unserer Fassungslosigkeit den Wunsch verspüren, an das Solidaritäts- und Verantwortungsgefühl für eine Neugestaltung und Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens und der Beziehungen zwischen unseren Welten und Kulturen zu appellieren, noch offenkundiger ist. Ebenso offenkundig ist es jedoch, dass wir uns gerade heute an die tatsächlichen Gegebenheiten halten und die Zukunft aus einer strikt realitätsbezogenen Perspektive planen müssen. Wie der Kollege Schmitt bereits vorweggenommen hat, enthält der Richtlinienvorschlag Formulierungen, die unseres Erachtens problematisch bzw. der Zielrichtung unserer Arbeit vom vergangenen Jahr entgegengesetzt sind und durch die politische Probleme aufgeworfen werden, die wir für ernst halten. Ist es denn beispielsweise richtig, zu akzeptieren, dass ein als sicher eingestuftes Drittland für immer als solches gilt, unabhängig von dem zwischen ihm und dem Asylsuchenden bestehenden konkreten Zusammenhang? Oder dass ein Antrag, auch wenn er offensichtlich unbegründet ist, stets und in jedem Fall zu einem komplizierten und kostspieligen Prüfverfahren führen muss? Selbstredend liegt eine Gewissheit in diesem Sinne im deutlichen Interesse derjenigen, die aus gewichtigen Gründen Schutz suchen, wie auch des Aufnahmelandes.
Ich möchte jetzt nicht näher auf den rechtsphilosophischen Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit eingehen, doch müssen wir bei solch – heute mehr denn je – heiklen Themen wie dem im Bericht Watson behandelten unsere Bereitschaft zu einer konstruktiven Haltung ohne Kontraposition sowie dazu unter Beweis stellen, ohne negative und für unsere Sozialsysteme sogar zerstörerische Reaktionen Hilfe zu leisten. Hinsichtlich der Formulierungen betreffend die Ausweitung des Asylrechts, das beschleunigte Verfahren und das Rechtsbehelfsverfahren können bei einer sorgfältigen Prüfung die diesbezüglich bestehenden Bedenken meines Erachtens also weithin geteilt werden.
Terrón i Cusí (PSE). – (ES) Herr Präsident, ich kann nicht umhin, mich zu den in diesem Saal zur Position der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas abgegebenen Wortmeldungen zu äußern.
In meiner Fraktion, Herr Schmitt, herrscht vollkommene Einigkeit über die unterschiedliche Behandlung der drei verschiedenen Personengruppen, die in die Union einwandern. Daher unterstützen wir im Gegensatz zur Europäischen Volkspartei im Falle der ersten von Ihnen genannten Gruppe den Bericht Wiebenga, um über eine Zufluchtsregelung für temporäre Flüchtlinge zu verfügen, die in Massen vor Konflikten in ihrem jeweiligen Land fliehen.
Im Hinblick auf Asyl und Zuflucht stimmen wir darin überein, Asylbewerber als eine Personengruppe zu behandeln, die um Schutz nachsucht und aus humanitären Gründen einreisen will, ebenso Personen, die eine Familienzusammenführung beantragen. Das Problem, Herr Schmitt, liegt darin, dass meine Fraktion obwohl der deutsche Innenminister, Herr Schily, das Ihren Worten zufolge bekräftigt nicht davon abgehen kann, dass Flüchtlinge Individuen sind und jeder Fall individuell unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände und nicht unter Berücksichtigung der Staatsangehörigkeit, des sicheren Drittlandes, wo man hätte verweilen können etc., behandelt werden müssen. Ein Drittland kann für den einen sicher sein, für den anderen nicht, und zwingen Sie mich nicht, Beispiele zu nennen, die immer ärgerlich sind.
Wir können nicht davon abgehen, und außerdem wollen wir, da die Europäische Union sich anschickt, sich die erste harmonisierte Gesetzgebung auf dem Gebiet der Flüchtlingspolitik zu geben, ein überzeugendes Zeichen setzen, dass wir für diesen gemeinsamen Rechtsakt sind, aber nicht auf Kosten des den Asylbewerbern gewährten Schutzumfangs und ihrer Rechte, denn das ist ein Bereich, in dem die Europäische Union, historisch gesehen, beispielgebend war und in dem sie Organisationen wie dem Flüchtlingshochkommissariat der UNO große Unterstützung gewährt hat.
Was die Asyl- und Einwanderungsproblematik angeht, so besteht kein Zweifel an unserer gemeinsamen Auffassung, dass Einwanderer keine Flüchtlinge sind. Das Problem besteht aber darin, dass es an Mut mangelt, eindeutige Einwanderungsgesetze zu erlassen, die es Personen gestatten, die von unserer Gesellschaft und unserem Arbeitsmarkt aufgenommen werden, legal einzureisen, ohne dass deshalb gleich das Asylsystem zusammenbrechen muss, das viele Jahre lang die einzige offene Tür gewesen ist. Darin stimmen wir vollkommen überein. Dies ist unser Standpunkt, der eindeutig sein dürfte.
Schmidt, Olle (ELDR).(SV) Frau Präsidentin! Ich möchte mich zunächst bei dem Vorsitzenden des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, Herrn Watson, sowie bei dem gesamten Ausschuss für den ausgewogenen Bericht bedanken. Die zunehmenden Flüchtlingsströme der letzten Jahre zeigen uns die Notwendigkeit einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik innerhalb der EU, aber auch auf globaler Ebene.
Die mehr oder weniger panikartigen Reaktionen der einzelnen Mitgliedstaaten auf die Sehnsucht von Menschen nach einer Freistatt, einem neuen Leben in Europa, stehen nicht im Einklang mit den humanistischen Werten der EU. Die Zahl der Tragödien an den Grenzen der Union ist hoch. Schiffe sind untergegangen, verzweifelte Flüchtlinge haben sich in Containern versteckt oder haben versucht, Europa schwimmend zu erreichen.
Häufig haben mich die Vorschläge und Anträge der Mitgliedstaaten und der Kommission traurig gestimmt, denn sie schienen hauptsächlich darauf abzuzielen, Flüchtlinge zu stoppen, aufzuhalten, abzuschieben und auszuweisen. Diejenigen, die davon sprechen, dass sich die EU zu einer Festung Europa entwickle, haben leider nicht ganz unrecht.
Frau Präsidentin! Vor diesem Hintergrund weist der vorliegende Richtlinienentwurf in die richtige Richtung, da die Rechte des Einzelnen hervorgehoben werden und repressive Maßnahmen darin nicht dominieren. Es ist selbstverständlich richtig, dass wir innerhalb der EU gemeinsame Asylregelungen haben müssen, aber dennoch brauchen die einzelnen Mitgliedstaaten auch einen gewissen Spielraum für eine großzügigere Auslegung. Der Ausschuss hat uns einen solchen Spielraum garantiert. Im Einklang mit der Genfer Konvention stärkt der Ausschuss außerdem die Rechte des Einzelnen. Insbesondere geht es dabei um die Rechte der Kinder, um die Möglichkeiten, Flüchtlinge in Gewahrsam zu nehmen, um verstärkte Schulung der Sachbearbeiter in Flüchtlingsfragen sowie um angemessenere Bearbeitungszeiten, kurz gesagt, um erhöhte Rechtssicherheit.
Dennoch bin ich etwas besorgt, was die kommende Erörterung im Rat betrifft. Wir müssen die uneingeschränkte Forderung der Genfer Konvention nach Einzelfallprüfung jedes Asylantrags verteidigen, so wie es auch Sarah Ludford fordert.
Nach meiner Auffassung gibt es keine sicheren Länder. Wenn wir Europäer unser Ansehen in der Welt nicht verlieren wollen, benötigen wir eine veränderte Flüchtlingspolitik, die auf Respekt, Offenheit und Rechtssicherheit baut. Wir können die Verantwortung für die Menschen, die vor einem barbarischen Regime, etwa dem in Afghanistan, auf der Flucht sind, nicht auf Länder wie Nauru abwälzen. Humanismus und Mitmenschlichkeit sind heute, eine Woche nach der Tragödie in den USA, mehr denn je gefordert.
Sylla (GUE/NGL). – (FR) Frau Präsidentin, ich bin sehr erfreut, dass die Vorschläge im Bericht unseres Kollegen, Herrn Watson, über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft derart eindeutig ausfallen. Meines Erachtens hat er es geschafft, in diesem Bericht alle unterschiedlichen Standpunkte zu berücksichtigen. Der Bericht ergänzt in meinen Augen sowohl die Grundrechtecharta als auch die Genfer Konvention. So verfügen wir zu guter letzt über eine solide Diskussionsgrundlage, was auch dem Wunsch der Kommission entspricht. Wir alle wissen, dass in den einzelnen Ländern große Unterschiede bestehen, was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft. Zudem ist uns bekannt, dass die Antragstellung kompliziert und schwierig ist. Mit Hilfe dieses Berichts können wir einen Schritt nach vorn machen. Er trägt ebenfalls zu einer Verbesserung der Hilfe und der Unterstützung bei, die wir den Flüchtlingen zuteil werden lassen können. Außerdem bin ich erfreut, dass unser Ausschuss den neuen Formen der Verfolgung Rechnung getragen hat, denn vor einigen Jahrzehnten haben wir Flüchtlinge aus Chile oder der Sowjetunion aufgenommen, die vor Diktaturen und vor Verfolgung durch ihre Regierungen auf der Flucht waren. Heute dagegen gibt es andere Formen der Unterdrückung, die ein Umdenken verlangen und erfordern, dass wir uns zumindest auch mit der Genitalverstümmelung bei Frauen und mit neuen Formen der Verfolgung durch terroristische oder fundamentalistische Gruppierungen beschäftigen, und ich denke, es ist gut, dass dies berücksichtigt wurde.
Ich möchte sogar noch weiter gehen und sagen, dass es an der Zeit ist, über ein Asyl aus Gesundheitsgründen nachzudenken, wenn eine Katastrophe wie Aids auf einem Kontinent wütet, und ebenfalls in Erwägung zu ziehen, Kindersoldaten aufzunehmen, wenn sich diese in den Händen von Waffenhändlern befinden. Darüber hinaus halte ich es für wichtig, dass dieser Bericht den Erfordernissen der Bekämpfung von Diskriminierungen gerecht wird. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass angesichts der schrecklichen Attentate der letzten Woche in den Vereinigten Staaten augenblicklich eine berechtigte Furcht vor Angriffen auf die afghanische Zivilbevölkerung besteht. Derzeit befinden sich 600 Menschen in einem Lager in Sangatte, die klare Gegner des Terrorismus sind. Sie bitten um Aufnahme. Wenn wir sie aufnehmen würden, dann wäre dies eine Geste, mit der wir jede Gleichsetzung von Terrorismus und Islam zurückweisen könnten. Zudem wären diese Menschen zuverlässige Verbündete im Kampf gegen den Terrorismus.
Herr Watson, ich möchte Ihnen sagen, dass für Sie der bekannte Satz von Camus gilt, der sagte, dass seine Revolte auch die Revolte der Anderen sei. Vielen Dank für diesen Bericht.
Pirker (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Der Vorschlag, der von Seiten des Rates gekommen ist, stellt für Flüchtlinge eine Chance dar, gemäß der Genfer Konvention den Flüchtlingsstatus zugesprochen zu bekommen, und zwar nach einheitlichen Kriterien, die in der gesamten Union gelten. Dieser Vorschlag des Rates garantiert rasche und sichere Verfahren für tatsächliche Flüchtlinge – das sind in etwa 10 % all derer, die einen Antrag auf Asyl stellen –, und er garantiert auch eine rasche Ablehnung. Das sind etwa 90 %, die aus anderen Gründen als aus wirklichen Fluchtgründen diesen Antrag gestellt haben, und das ist besser als ein jahrelanges Warten, um dann einen negativen Entscheid entgegennehmen zu müssen. Dieser Vorschlag garantiert auch ein Ende des Asylshoppings. Wir brauchen aber ergänzende Maßnahmen dazu. Das ist einmal die Dubliner Konvention, das ist Eurodac, das sind Regelungen für sichere Drittstaaten, sichere Herkunftsländer.
Wir unterstützen daher als Europäische Volkspartei diesen Vorschlag des Rates. Ich sage aber auch klar im Namen der EVP dazu, dass das Asylrecht jetzt über die Änderungsanträge und Vorschläge, die hier eingebracht werden, nicht politisch missbraucht werden darf für eine Einwanderung aus den unterschiedlichsten Gründen. Das ist eine Verkennung der Realität. Wir müssen die Instrumente, die wir uns jetzt als Europa geben, nutzen für Einwanderung, Asyl oder Hilfe auf Zeit, wenn Flüchtlinge aus Kriegsgebieten kommen. Wir dürfen keine unrealistischen Maßnahmen setzen. Es muss in Hinkunft garantiert werden, dass das Recht auf Asyl den politisch Verfolgten vorbehalten bleibt und nicht ausgedehnt wird auf Gruppen, die sich manche hier politisch wünschen, was aber keinesfalls den tatsächlichen Gegebenheiten der Genfer Konvention entspricht.
Das Ziel muss sein, dass wir optimale und rasche Hilfe für wirkliche Flüchtlinge und nachfolgende Maßnahmen für deren Integration gewährleisten können, allen anderen aber klar machen, dass es neue Instrumente für eine Einwanderung auch aus ökonomischen Gründen in die Europäische Union geben wird.
Ceyhun (PSE). – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade jetzt, vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse, ist diese Diskussion, die wir meiner Meinung nach heute wirklich sachlich durchführen, auch vorbildlich für manche andere Parlamente. Sie ist sehr notwendig, aber gerade weil sie so notwendig ist, ist sie so schwierig. Unglücklicherweise müssen wir heutzutage wieder neu beginnen, Vorurteile gegen Menschen, die Asyl suchen, abzubauen. Diese Vorurteile sind mit Ängsten behaftet, die meist unbegründet sind, die man aber dennoch ernst nehmen muss. Gerade jetzt, denke ich, ist es sehr wichtig, dass wir nicht mehr lange reden, sondern handeln.
Ich glaube, diejenigen, die nach den letzten schrecklichen Ereignissen laut nach dem Militär geschrieen haben, müssen eigentlich zugeben, dass wir als Politikerinnen und Politiker gerade heutzutage Verantwortung tragen und zeigen müssen, dass wir nicht in einer Paniksituation, sondern in der Lage sind, gerade wegen dieser Schwierigkeit, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, auch verantwortlich zu handeln. Aus diesem Grund – das muss ich meinen Kolleginnen und Kollegen von der konservativen Seite dieses Hauses erklären – verhalten wir uns nicht so, als ob wir, weil wir Herrn Schmitt oder Herrn Pirker gerne haben, mit ihnen grundsätzlich einig wären. Aus diesem Grund werden wir uns bei manchen Änderungsanträgen für ein anderes Abstimmungsverhalten als unsere Fraktion entscheiden. Hintergrund unseres Verhaltens ist folgender: Auch wenn wir uns riesig freuen, dass die Sozialistische Fraktion in diesem Haus alles versucht und alles Mögliche unternimmt, damit die Flüchtlinge mehr Schutz genießen und mehr Rechte haben, was wir begrüßen, gibt es für uns, die deutschen Sozialdemokraten, ein Problem. Wir können eine Vereinbarung oder einen Beschluss nicht akzeptieren, wenn er in unserem Land nicht verfassungskonform ist. Das heißt, das deutsche Grundgesetz ermöglicht es uns momentan nicht, ungefähr 17 der eingereichten Änderungsanträge zu akzeptieren. Aus diesem Grund müssen wir bei manchen Anträgen, die ich eben genannt habe, ein anderes Abstimmungsverhalten als unsere Fraktion haben. Aber das heißt nicht, dass wir eigentlich andere Ziele haben. Unsere Ziele sind gleich. Bei der heutigen Abstimmung wird unser Verhalten allerdings anders sein, weil wir auch an die Glaubwürdigkeit unserer Politik in Deutschland denken. Wir können unsere Bürgerinnen und Bürger nicht enttäuschen und eine Entscheidung akzeptieren, welche dann in Deutschland überhaupt nicht umsetzbar wäre. Aus diesem Grund stimmen wir anders ab.
Kaufmann (GUE/NGL). – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! In einer Situation, in der die schrecklichen Ereignisse in den USA von manchem auch als Vorwand genommen werden, um Stimmung gegen Asylbewerber zu machen, ist es umso bedeutsamer, dass die Europäische Union Mindestnormen zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft formuliert, die an der Wahrung der Menschenrechte orientiert sind. Der Vorschlag der Kommission erfüllt diese Bedingung. Ich begrüße ausdrücklich zwei Regelungen, die von ihr vorgeschlagen werden.
In Artikel 3 Absatz 3 wird auf die Möglichkeit der Mitgliedstaaten verwiesen, die Schutzgewährung nicht nur auf die Personen zu erstrecken, die sich auf die Genfer Flüchtlingskonvention berufen können. Damit könnten auch Personen, die Zuflucht vor gewalttätigen Fundamentalisten – etwa in Algerien – suchen oder Opfer von Vergewaltigungen sind, Zuflucht finden, eine Forderung, die das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen schon lange erhebt und die etwa in meinem Land gegenwärtig leider nicht Praxis ist. Im Anhang 1 werden die drei Bedingungen genannt, die erfüllt sein müssen, damit ein Land ein so genanntes sicheres Drittland ist. Legt man diese Bedingung in Zukunft zugrunde, so dürfte manche Abschiebung aus EU-Ländern künftig nicht mehr möglich sein.
Ich bin froh, dass der akzeptable Vorschlag der Kommission im zuständigen Ausschuss verbessert und nicht verschlechtert wurde, wie es der ursprüngliche Berichterstatter, Herr Schmitt, beabsichtigte. Die vorgelegte Richtlinie ist daher ein wichtiger Schritt hin zu einer humanistischeren Asylpolitik in der Europäischen Union.
Hernández Mollar (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin, dies ist die erste einer Reihe von Richtlinien, mit denen der erste Teil des Zeitplans zur langfristigen Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens und eines einheitlichen Rechtsstatus für Personen, denen man Asyl gewährt, abgeschlossen werden soll. Das entspricht dem Geist und auch dem Buchstaben der Vereinbarungen von Tampere und des Vertrags von Amsterdam, obgleich man über die Rechtsgrundlage des gemeinsamen Asylverfahrens und des Flüchtlingsstatus diskutieren müsste. Ich würde der Kommission ganz kurz einige Vorbehalte technischer Art im Zusammenhang mit dem Richtlinienvorschlag, den wir derzeit prüfen, darlegen.
Der erste Vorbehalt betrifft die Erweiterung der Mindestnormen für die Asylverfahren. Ich halte den Vorschlag für übertrieben reglementierend und meine, dass ein gemeinsames Asylverfahren nichts mit einem einheitlichen Verfahren, mit einem in allen Mitgliedstaaten identischen Verfahren zu tun hat. Ich fürchte, die Kommission ist möglicherweise über das, was in Tampere vereinbart wurde, hinausgegangen.
Der zweite Vorbehalt bezieht sich auf das Interesse der Kommission, die Fristen zu regeln, weil ich mich nämlich frage, ob ein langwieriges Verfahren auf die Asylbewerber abschreckend wirkt. Das soll nicht heißen, dass wir für ein langwieriges Asylverfahren sind. Aber praktisch gibt es in europäischen Ländern mit langen Fristen – mehr als zwei, drei Jahre – eine höhere Anzahl von Asylbewerbern, und in Ländern mit viel kürzeren Fristen wie Spanien wesentlich weniger Asylbewerber. Die Harmonisierung der Fristen ist annehmbar, wenn sie von der Sorge um eine rechtliche Verfahrenssorgfalt veranlasst ist, ich fürchte aber, dass sie sich als unwirksam erweisen wird und sowohl aus rechtlichen als auch materiellen oder politischen Gründen Besorgnis auslöst.
Der dritte und letzte Vorbehalt ist begrifflicher Natur. Ich denke, die Schwierigkeiten bei der Homogenisierung der Beschlüsse rühren eher von der Definition der Flüchtlingseigenschaft als vom Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft her. Formulierungen wie „sicheres Drittland“, „Verfolgung von Dritten“, „Verfolgung im Konfliktfall“ oder „staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung“ sind Beispiele für einige dieser Probleme. Vielleicht müsste man, wie ich bereits sagte, erst genau die Definition und erst dann das Verfahren unter die Lupe nehmen.
Cerdeira Morterero (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, ich möchte das Parlament aus verschiedenen Gründen an die Bedeutung des Vorschlags erinnern, über den wir uns heute aussprechen.
Erstens, meine ich, muss ganz deutlich festgestellt werden, dass dieser Vorschlag einen ersten, meiner Meinung nach sehr wichtigen Schritt in Richtung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems darstellt, das auf lange Sicht für die ganze europäische Union gelten soll.
Zweitens, denke ich, dürfen wir jetzt nicht aus den Augen verlieren, dass wir nichts anderes tun, als eine der vom Europäischen Rat von Tampere beschlossenen Zielsetzungen zu erfüllen, wo man die uneingeschränkte und bedingungslose Achtung des Asylrechts bekräftigt hat.
Drittens, vergessen wir trotz der Meinungsverschiedenheiten, die es zwischen den Parlamentsfraktionen in einigen konkreten Punkten des zur Aussprache stehenden Vorschlags geben könnte, nicht, dass wir in Wahrheit allen nationalen europäischen Systemen eine Struktur geben, die im Einklang mit dem Genfer Übereinkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge effizient funktionieren kann. Ich denke, die Europäische Union in Gestalt dieses Parlaments darf sich nicht abwenden, sondern muss die Instrumentarien, die Europa genau in diesem Moment hervorbringt, in die Praxis umsetzen. Ich halte es an dieser Stelle für notwendig, an die Charta der Grundrechte zu erinnern, die dieses Parlament erst vor kurzem angenommen hat. Wendet man sie auf diesen Bereich an, so doch nur, um das, was man in der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbart hat, weiterzuentwickeln und nicht, um es einzuschränken. Wir dürfen eines nicht übersehen, nämlich dass ab dem zweiten Halbjahr 1996 die Zahl der Asylbewerber in der Europäischen Union erheblich gestiegen ist, während Entschließungen zur Anerkennung und Zuerkennung dieses Rechts auf ganz alarmierende Weise abgenommen haben.
Aus allen diesen Gründen denke ich, dass mit diesen Änderungsanträgen, die wir im Ausschuss angenommen haben und die wir heute diesem Plenum vorlegen, der damalige Vorschlag des Rates wesentlich verbessert wurde. In ihnen treten einige sehr interessante Gesichtspunkte zutage, vor allem im Hinblick auf Garantien für den Asylbewerber sowie den Grundsatz der Nichtzurückweisung und unerlässliche Mindestvoraussetzungen, die im gesamten Verfahren der Entscheidungsfindung über die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfüllt werden müssen und die individuelle Betrachtung jedes einzelnen Falls erfordern. Wir können über die Asylanträge nicht pauschal entscheiden. Ich denke, dass wir mit diesen Änderungsanträgen, wenn wir sie denn heute auch im Plenum annehmen, trotz der Meinungsverschiedenheiten seitens der Kommission einen großen Schritt nach vorn machen werden.
Santini (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin! Leider muss ich mit der Feststellung beginnen, dass der vorliegende Vorschlag aus verschiedenen Gründen äußerst enttäuschend ist, so wie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die bisherige Aussprache enttäuschend ist, in der einige der Redner gezeigt haben, dass sie die Grenzen zwischen human und permissiv, zwischen notwendigen Kontrollen und unnötigen Schikanen nicht richtig kennen, in der jedoch vor allem viele bewiesen haben, sich nicht darüber im Klaren zu sein, dass Rechtsvorschriften keine Gummiparagraphen sind, also nicht von jedem nach Belieben ausgelegt werden können, sondern auf festen Grundsätzen beruhen, die nicht überschritten werden dürfen. Der Grund, weshalb die vorliegende Richtlinie abgelehnt werden sollte, ist ihre Unausgewogenheit. Sie begünstigt zu offenkundig die Position des Asylbewerbers durch Überbetonung der von mir genannten Prinzipien, während die Mitgliedstaaten und die zuständigen Organe, die über Asylanträge zu entscheiden haben, in eine wirklich sehr schwierige Situation gebracht werden.
Ein weiterer Grund liegt darin, dass es sich im vorliegenden Fall offensichtlich um eine rein theoretische Richtlinie handelt, die absolut nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, in die sie indes zwangsläufig und unvermeidbar eingebunden ist, nämlich der Realität der Länder – unter denen mein Land, Italien, zwar nicht als einziges, aber in besonderem Maße betroffen ist –, die mit dem Problem unkontrollierter Einwanderungen alltäglich konfrontiert sind.
Ein solches Konzept lehnen wir schließlich unter anderem deswegen ab, weil den Verfahren der Mitgliedstaaten zur Anerkennung des Flüchtlingsstatus keine einheitlichen Bewertungen zugrunde liegen. Dadurch sind Fälle eines sekundären Zustroms möglich, d. h. die Flüchtlinge reisen über den Mitgliedstaat mit der großzügigsten Regelung ein und gelangen anschließend auf internem Wege in einen anderen Staat, dessen Bestimmungen restriktiver sind.
Der Richtlinienvorschlag zeigt, dass noch nicht einmal exakt zwischen den drei Gruppen von Asylbewerbern unterschieden wird: den politisch Verfolgten im Sinne der bereits erwähnten Genfer Konvention; den Flüchtlingen aus Regionen, die Kriegsschauplätze sind; den Einwanderern aus wirtschaftlichen und beruflichen Gründen. Dass drei so unterschiedliche Gruppen von Asylbewerbern durch ein und dieselbe Richtlinie behandelt werden, ist inakzeptabel. Darüber hinaus möchte die Kommission das Asyl-, d. h. das Anerkennungsverfahren offenbar sogar noch beschleunigen und auch auf Personen ausweiten, deren Fälle nicht dem Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention und auch nicht den Beschlüssen des Europäisches Rates von Tampere, noch weniger aber den diesbezüglichen Ergänzungen in Titel IV des Vertrags von Amsterdam entsprechen.
Sowohl der Vorschlag der Kommission als auch der Legislativvorschlag des federführenden Ausschusses sind unzulänglich, weil sie realitätsfern sind. Vorgeschlagen wird eine gewöhnliche Rechtsvorschrift für eine äußerst ernste Situation. Schauen Sie sich doch einmal an, was seit nunmehr 10 Jahren an den italienischen Küsten geschieht; kommen und sehen Sie, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird, um die Menschen aufzunehmen und sie nicht etwa ins Gefängnis zu stecken, und Sie werden verstehen, wie unzureichend doch diese Vorschläge sind.
Wie schon gesagt, hier dürfen Menschlichkeit und Strenge nicht miteinander verwechselt werden: Beide sind miteinander vereinbar. Wenn Sie bedenken, dass in Italien täglich 300–400 Flüchtlinge an Land gehen, 1 000 allein am gestrigen Tag, dann werden Sie begreifen, dass gewisse Vorsichtsmaßnahmen notwendig, ja sogar unerlässlich sind. Daher ist es unangebracht, werte Kolleginnen und Kollegen, in larmoyante Töne zu verfallen, wie ich sie vorhin gehört habe. Es gibt keine Fälle unmenschlicher Behandlung, niemand wird vorsorglich inhaftiert; die Flüchtlinge werden aufgenommen, gestärkt und nach Feststellung ihrer Identität klassifiziert, um illegale Einwanderer, die zurückgewiesen werden, von den regulären, die während ihres Aufenthaltes Hilfe erhalten, zu unterscheiden sowie zu versuchen, die kriminell Eingeschleusten zu identifizieren.
Die Schlussfolgerung lautet also: Strikt, aber nicht zu großzügig. Deshalb wird unsere Fraktion sämtliche Änderungsanträge von Herrn Schmitt zur Wiederherstellung des ursprünglichen Berichtstextes, der vor allem für die Mitgliedstaaten, die sich in einer recht schwierigen Situation befinden, gerechtere Bestimmungen vorsieht, unterstützen. Kurz gesagt, Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Sobald sie einmal ihren Fuß über die Türschwelle Italiens gesetzt haben, werden Sie aufgrund des Schengener Übereinkommens gleichsam allesamt, die regulären Einwanderer wie auch diejenigen, die unerwünscht sind, auch bei Ihnen zu Hause vorfinden.
Die Präsidentin. –Zum Abschluss der Aussprache über den Bericht von Herrn Watson möchte ich Kommissarin Reding das Wort erteilen. Frau Kommissarin, ich erlaube mir, Sie darauf hinzuweisen, dass uns entgegen unserer sonstigen Lage noch ein wenig Zeit zu Verfügung steht, sodass es uns eine Freude wäre, wenn Sie diese Zeit nutzen würden.
Reding,Kommission. – (FR) Vielen Dank, Frau Präsidentin. Es grenzt beinahe an ein Wunder, im Europäischen Parlament gesagt zu bekommen, dass man über ausreichend Redezeit verfügt, wenn man selbst immerhin zehn Jahre Abgeordnete gewesen ist.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Die Kommission ist sehr erfreut, dass sich das Parlament so ausführlich mit diesem Vorschlag beschäftigt hat. Ich möchte Herrn Watson mitteilen, wie sehr wir seine Arbeit schätzen. Im Übrigen wird die Debatte sicherlich durch die Zahl und die Qualität der Änderungsanträge bereichert, und dies zu einem bedeutenden Zeitpunkt für die Festlegung einer gemeinsamen Asylpolitik.
Zunächst möchte ich diesen Vorschlag in den größeren Gesamtzusammenhang stellen. Auf der Tagung des Europäischen Rates von Tampere wurde beschlossen, ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem zu schaffen, das in zwei Etappen eingeführt werden soll. So sollen zunächst gemeinsame Mindestnormen für die in Artikel 63 EG-Vertrag genannten Bereiche angenommen und auf längere Sicht ein gemeinsames Verfahren und ein einheitlicher Status für unter internationalem Schutz stehende Personen entwickelt werden. Die Umsetzung der ersten Phase machte erforderlich, dass die Kommission eine Reihe legislativer Initiativen ergriff, was durch die Annahme eines Vorschlags für eine Richtlinie über die Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und die Formen des subsidiären Schutzes am 12. September d. J. geschehen ist. Diese Phase wird heute abgeschlossen. Weiterhin hat die Kommission in ihrer Mitteilung vom November 2000 – Ihr Parlament, Frau Präsidentin, wird sich zu dieser Mitteilung am 2. Oktober äußern – vorgeschlagen, die zweite Phase auf der Grundlage einer besonderen Methodik durchzuführen. Sie will in dieser Mitteilung im Vorfeld der Tagung des Europäischen Rates von Laeken diese Methode vorstellen, die Erfahrungen des ersten Jahres darstellen und impulsreiche Vorschläge vorlegen.
Der Vorschlag, den wir heute erörtern, ist einer der wichtigsten und sensibelsten Bestandteile dieses Instruments. Er wurde vorrangig auf der Grundlage von Erfahrungen erarbeitet, die sich aus einer umfangreichen Konsultation über ein im März 1999 vorgelegtes Arbeitsdokument ergaben. Das Europäische Parlament hatte Gelegenheit, sich im Juni 2000 dazu zu äußern, und die Kommission hat die damals gegebenen Empfehlungen weitgehend berücksichtigt.
Die heutige Entschließung wird an einem Wendepunkt der diesbezüglichen Aktivitäten vorgelegt. Der belgische Vorsitz beabsichtigt, die kommenden Monate mit Unterstützung der Kommission dafür zu nutzen, entscheidende Fortschritte im Bereich der Asylpolitik zu erzielen. Dieser Bereich dürfte – wie auch der der Migration generell – eines der Hauptelemente der Halbzeitbewertung der Umsetzung der Beschlüsse von Tampere darstellen, die der Europäische Rat am Jahresende vornehmen wird. Im Hinblick darauf dürfte der Ministerrat in Kürze, am 27. und 28. September, eine erste Orientierungsdebatte über die Fragen führen, von deren Beantwortung abhängt, wie weit die Ziele gesteckt sein werden, die wir uns in diesem Bereich vornehmen. Man darf nicht vergessen, dass das Ziel darin besteht, die nationalen Bestimmungen bezüglich der Verfahren anzugleichen. Ich füge hinzu, dass dies auch für die beiden anderen Vorschläge, d. h. für die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber und für die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, gilt. Die drei Texte hängen eng zusammen. Man muss sie daher im Zusammenhang betrachten, und ich denke, dass Ihr Parlament sie immer so gesehen hat. Wenn Sie gestatten, möchte ich das Parlament darum bitten, seine Stellungnahme zu den beiden anderen Initiativen so schnell wie möglich abzugeben.
Vor allem bezüglich der Verfahren darf man nicht übersehen, dass die Positionen zu einer Reihe wichtiger Punkte deutlich voneinander abweichen. Das darf uns meiner Ansicht nach jedoch nicht überraschen, weil sich diese Initiative mit zahlreichen technisch sehr komplexen Fragen beschäftigt, was noch angehen mag, die jedoch auch politisch sensibel sind, was beim derzeitigen Stand unserer Politiken ein wirkliches Problem darstellt. Zudem ist die erste Lesung in den technischen Gremien des Rates noch nicht abgeschlossen. Daher hatten die Delegationen der Mitgliedstaaten auch noch keine Gelegenheit, sich zu einigen wichtigen Bestimmungen zu äußern. Dies erklärt insbesondere, warum es gegenwärtig schwierig ist, sich definitiv zu Ihren Änderungsanträgen bezüglich der Rechtsbehelfsverfahren zu äußern, da uns die Ergebnisse der Analyse und der Prüfung durch den Rat noch nicht vorliegen.
Und schließlich bestätigen die Debatten im Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger sowie der hervorragende Entschließungsentwurf von Herrn Watson den Eindruck, dass derzeit, wie Sie wissen und wie heute Morgen zu spüren war, eine deutliche Diskrepanz zwischen den Erwartungen des Parlaments und dem Vermögen des Rates besteht, eine Einigung zu erzielen, die einstimmig ausfallen muss. Die Kommission sitzt sozusagen zwischen zwei Stühlen. Doch sie wird sich gerne von Ihrer Stellungnahme sowie von den Orientierungen, die sich sicher aus den Ministergesprächen ergeben, inspirieren lassen, um daraufhin einen geänderten Vorschlag zu erarbeiten, sodass ein möglicher Konsens leichter gefunden werden kann. In diesem Zusammenhang erscheint es besonders wichtig, das im Ausgangsvorschlag angestrebte Gleichgewicht zwischen der beabsichtigten Stärkung der Rechte der Asylbewerber – wobei es um die erforderliche Achtung der internationalen Instrumente und insbesondere der Genfer Konvention geht –, und der Verwirklichung des Ziels der Wirksamkeit sowie der Beschleunigung der Verfahren sowie der Vereinheitlichung zu wahren, um das so genannte „Asylshopping“ zu verhindern. Aus diesem Grund, und ich wiederhole dies und möchte es auch dem Berichterstatter des Parlaments ganz deutlich sagen, begrüßt die Kommission den allgemeinen Ansatz, der sich aus dem Entschließungsentwurf ergibt. Dennoch wird es ihr nicht möglich sein, einige der Vorschläge zu übernehmen, mit denen möglicherweise die Verwirklichung dieser beiden Zielsetzungen und schließlich die Annahme eines Textes, der uns sehr am Herzen liegt, in Frage gestellt würde. So ist z. B. die Unterscheidung zwischen regulärem und beschleunigtem Verfahren, die in den Mitgliedstaaten zumindest theoretisch praktiziert wird, ein zentrales Element des Gesamtsystems. Durch die Annahme von Änderungen, mit denen dies abgeschafft werden soll, würden die Chancen für die Annahme des Vorschlags stark beeinträchtigt. Die Kommission ist hingegen sicherlich bereit, bestimmte Änderungen, mit denen der Schutz der Asylbewerber verbessert werden soll, ohne die von mir soeben erwähnte grundlegende Unterscheidung in Frage zu stellen, ihrem Geist bzw. ihrem Wortlaut nach zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang teilt die Kommission das in einigen Änderungsanträgen zum Ausdruck gebrachte Anliegen, die Qualität der Entscheidungen und gleichzeitig die Situation der Asylbewerber weiter zu verbessern sowie die Effektivität der die Verfahren durchführenden nationalen Behörden zu erhöhen. Allerdings ist das Rechtsetzungsverfahren nicht immer das geeignete Mittel, ein derartiges Ziel zu erreichen, dessen Verwirklichung oftmals von einer Verbesserung und Vereinheitlichung der Verwaltungspraktiken abhängt. Derartige Standards lassen sich mit größerer Wahrscheinlichkeit durch die Anwendung weiterer Instrumente der Zusammenarbeit, vor allem der offenen Zusammenarbeit, für die die Kommission in den kommenden Wochen eine Ausweitung auf den Asylbereich vorschlagen wird, erreichen.
Einige Änderungsanträge würden im Übrigen besser in Ihre Entschließungen zur Vergemeinschaftlichung des Dubliner Übereinkommens und zur Definition des Begriffs Flüchtling passen, auf die ich vorhin eingegangen bin. Andere Vorschläge sind zu übernehmen. So befürwortet die Kommission eine stärkere Verknüpfung dieser Richtlinie mit den internationalen oder europäischen Menschenrechtsinstrumenten. Vor allem ist die Übereinstimmung mit der europäischen Grundrechtecharta eindeutig zu hervorzuheben und zu gewährleisten. Darüber hinaus ist es zweckdienlich, auf die Auswirkungen der Annahme eines solchen Textes im Rahmen der Erweiterung sowie auf seine Wirkung angesichts der Aktualisierung der Agenda für den internationalen Schutz hinzuweisen. Dabei denke ich vor allem an den durch das Hochkommissariat für Flüchtlinge anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Genfer Konvention initiierten globalen Konsultationsprozess.
Des Weiteren kann sich die Kommission Ihrem Wunsch nur anschließen, die Umsetzung dieser Richtlinie systematischer zu überwachen. Darüber hinaus ist eine derartige Maßnahme unerlässlich, um den Übergang zu einem einheitlichen Verfahren zu begleiten und zu beschleunigen, das in Tampere als letztliche Zielsetzung der Europäischen Union festgelegt wurde.
Abschließend möchte die Kommission ihre Anerkennung gegenüber dem hervorragenden Entschließungsentwurf zum Ausdruck bringen, der uns heute vorliegt. Sie kann sich dem Geiste dieses Dokuments grundsätzlich anschließen, muss das Parlament jedoch deutlich auf die bestehenden Schwierigkeiten hinweisen. Diese Zwänge müssen bei der Vorbereitung unseres geänderten Vorschlags berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist zu hoffen, dass der Europäischen Union auf der Tagung des Europäischen Rates von Laeken der nötige Impuls verliehen wird, um das 1999 in Tampere angekündigte ehrgeizige Ziel zu verwirklichen.
Die Präsidentin. –Vielen Dank, Frau Kommissarin.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet um 11.00 Uhr statt.
(Die Sitzung wird um 10.55 Uhr unterbrochen und zur Abstimmung um 11.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: DAVID W. MARTIN Vizepräsident
Banotti (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, liebe Kollegen, ich wollte Ihnen dazu eine E-Mail schicken, doch ich kann zurzeit leider keine E-Mails versenden. Wie ich weiß, sind schon viele von Ihnen auf Schwierigkeiten besonders mit der Software GroupWise gestoßen. Seit Anfang der vorigen Woche sind die anderen mit dem Hauptcomputersystem verbundenen Rechnerprobleme gelöst worden, doch die Blockierungen bei GroupWise sind noch immer nicht beseitigt. Ich bin in ständigem Kontakt mit dem LSU-MEP-Helpdesk und hoffe, noch im Laufe des heutigen Tages konkretere Informationen zum Stand der Dinge in Bezug auf GroupWise zu erhalten. Das für den Server zuständige Unternehmen ist in die Suche nach der Lösung des Problems einbezogen worden.
In einer weiteren E-Mail, die ich an die Abgeordneten zu schicken beabsichtigte, wollte ich darauf hinweisen, dass man sich mindestens zwei Stunden vor dem Abflug auf dem Flughafen einfinden sollte. Es kommt nämlich wegen der verstärkten Sicherheitskontrollen zu größeren Verzögerungen.
Lynne (ELDR). – (EN) Ich muss leider eine Bemerkung zur Geschäftsordnung machen. Sie betrifft erneut das Rauchen am Arbeitsplatz. Als ich am gestrigen Abend in der Aussprache im Plenum zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz das Wort ergreifen wollte, wurde in der Kabine hinter mir geraucht und dabei die Tür offen gelassen. Ich bekam einen Asthmaanfall, kurz bevor ich zu sprechen beginnen wollte. Das ist ein Fall von Belästigung, von Mobbing am Arbeitsplatz.
Der Präsident. –Sie haben völlig Recht. Ganz abgesehen von Ihren persönlichen gesundheitlichen Problemen ist dies auch eine Frage der Höflichkeit. Weder die Abgeordneten noch sonst jemand sollte außerhalb der Raucherzonen rauchen.
7. ABSTIMMUNGEN
Bericht ohne Aussprache (A5-0295/2001) von Christos Folias im Namen des Ausschusses für Haushaltskontrolle über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1267/1999 über ein strukturpolitisches Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt.
Folias (PPE-DE), Berichterstatter. – (EL) Herr Präsident! Wie ich sehe, liegt ein Kommentar der Kommission zu meinem Bericht vor, den ich bitte anzuhören.
Reding,Kommission. – (FR) Herr Präsident, Herr Barnier hat gestern mit der Vorsitzenden des Ausschusses für Haushaltskontrolle Kontakt aufgenommen, um ihr den Standpunkt der Kommission in dieser Angelegenheit zu erläutern. Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission, ohne die vorgeschlagenen Änderungsanträge zu übernehmen, die erforderlichen Maßnahmen ergreifen wird, um das vom Parlament gewünschte Ergebnis zu erzielen, und zum Zeitpunkt der Annahme der Änderung der Verordnung durch den Rat eine Erklärung abgeben wird, in der sie die Verbesserung der – bereits in den zwischen der Kommission und den Empfängerländern geschlossenen Finanzierungsvereinbarungen vorgesehenen – Bedingungen zur Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten und Betrug bekräftigen und sich zu einer besseren Information des Parlaments verpflichten wird.
Theato (PPE-DE), Vorsitzende des Ausschusses für Haushaltskontrolle – Herr Präsident! Vielen Dank, Frau Kommissarin Reding, für diese Erklärung. Wir wollen den Mittelabfluss in die Beitrittskandidatenländer nicht verzögern, und deshalb möchte ich in Absprache mit den Kollegen aus den verschiedenen Fraktionen hier ankündigen, dass wir unter diesen Bedingungen, wie sie eben vorgetragen wurden, zur Schlussabstimmung schreiten können.
(Das Parlament nimmt den Entwurf der legislativen Entschließung an.)
⁂
Bericht (A5-0293/2001) von Ria Oomen-Ruijten im Namen der Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss über den gemeinsamen Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft
(C5-0323/2001 – 1998-0225 (COD))
(Das Parlament billigt den gemeinsamen Entwurf.)
8. Begrüßung
Der Präsident. –Bevor wir mit den Abstimmungen fortfahren, freue ich mich sehr, Ihnen mitzuteilen, dass nunmehr Frau Chantal Compaore, die Gattin des Präsidenten von Burkina Faso und Botschafterin des Guten Willens gegen Genitalverstümmelung bei Frauen der Organisation für Afrikanische Einheit, und Frau Shamin Kahn, stellvertretende Ministerin für Sozialfragen Tansanias, ihre Plätze auf der Tribüne für offizielle Gäste eingenommen haben. Ich möchte Sie im Namen des Hohen Hauses herzlich willkommen heißen.
(Lebhafter Beifall)
9. ABSTIMMUNGEN (Fortsetzung)
Bericht (A5-0292/2001) von Riitta Myller im Namen der Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss über den gemeinsamen Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe
Bericht (A5-0274/2001) von Luís Marinho im Namen desAusschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über die Initiative der Regierungen der Französischen Republik, des Königreichs Schweden und des Königreichs Belgien im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses des Rates über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union
(Das Parlament nimmt den Entwurf der legislativen Entschließung an.)
⁂
Bericht (A5-0291/2001) von Graham Watson im Namen desAusschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft
(Das Parlament nimmt den Entwurf der legislativen Entschließung an.)
⁂
Bericht (A5-0248/2001) von Sérgio Marques im Namen des Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr über den Jahresbericht der Kommission über den Kohäsionsfonds für 1999
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
⁂
Bericht (A5-0247/2001) von Camilo Nogueira Román im Namen des Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr über den 11. Jahresbericht der Kommission über die Strukturfonds (1999) – Band I – Anhänge Band II
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
⁂
Bericht (A5-0285/2001) von María Elena Valenciano Martínez-Orozco im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und Chancengleichheit über Genitalverstümmelungen bei Frauen
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
⁂
Bericht (A5-0275/2001) von Miet Smet im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und Chancengleichheit über gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
⁂
Bericht (A5-0233/2001) von Carlos Coelho im Namen desAusschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über das Überschreiten der Außengrenzen und die Entwicklung der Schengen-Kooperation
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident! Kennen Sie den Unterschied zwischen Schwefeldioxid und Schwefelsäureanhydrid? Mit Sicherheit ja! Wie Sie wissen, wird Schwefeldioxid SO2 geschrieben, während die chemische Formel für Schwefelsäureanhydrid SO3 lautet. Ihnen ist das sicherlich bekannt. Ich habe es nicht gewusst, und durch die vorliegende Richtlinie war ich gezwungen, nochmals durchzugehen, was ich als Schüler im Chemieunterricht gelernt hatte. Für mich persönlich finde ich dies insofern positiv, als ich, wäre ich nicht Mitglied des Europäischen Parlaments geworden, keine Gelegenheit gehabt hätte, mich nochmals mit chemischen Formeln zu befassen, die in der vorliegenden Richtlinie zur Begrenzung von SO2-, d. h. Schwefeldioxidemissionen, so wichtig sind. Selbstverständlich habe ich im Hinblick auf das Wohlergehen sämtlicher Rentner dafür gestimmt.
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Auch in dieser Richtlinie geht es um die Emission von Luftschadstoffen. Ich möchte bestätigen, dass ich wie viele von uns dafür gestimmt habe, und zwar nicht nur deswegen, weil uns dadurch in den kommenden Jahrhunderten zu einer weniger verschmutzten und weniger gesundheitsschädlichen Luft verholfen wird, sondern auch, weil dann, wenn jeder weiß, in Europa wird gesündere, reinere, sauberere Luft eingeatmet, mehr Touristen zu uns kommen werden, um eben nicht nur unsere historischen Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten in der gesamten Union – beispielsweise in Schottland, wo Sie beheimatet sind, oder in meiner Heimatstadt Genua in Ligurien –, zu besichtigen, sondern auch die reinere Luft bei uns einzuatmen!
Bericht Oomen-Ruijten und Bericht Myller (A5-0293 und 0292/2001)
Bordes, Caudron und Laguiller (GUE/NGL),schriftlich. – (FR) Wir haben sowohl für den Bericht von Frau Oomen-Ruijten als auch für den Bericht von Frau Myller gestimmt, weil in beiden vorgeschlagen wird, Emissionshöchstgrenzen für bestimmte Luftschadstoffe festzulegen. Auch wenn diese Vorhaben sehr begrenzt sind, bringen sie doch eine kleine Verbesserung gegenüber der derzeitigen Situation.
Dennoch ist festzustellen, dass in den vorgeschlagenen Texten aufgrund kapitalistischer Interessen und nationaler Egoismen – die nur eine andere Ausdrucksform dieser Interessen sind – die Anwendung bis 2010 ausgesetzt wird. Wenn man selbst bei Vorschlägen von Maßnahmen im öffentlichen Interesse Rücksicht auf private Interessen nehmen will, dann leidet stets das Erstere darunter.
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident! Ich habe für die vorliegende Regelung gestimmt, bei der es darum geht, dass mit der gegenseitigen Anerkennung der gerichtlichen Entscheidungen und Urteile jeder der 15 EU-Mitgliedstaaten die Rechtsvorschriften der übrigen Staaten akzeptiert; der hier behandelte Rahmenbeschluss betrifft dabei zunächst die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union. Ein solches Europa befürworte ich nicht, Herr Präsident. Ich bin für ein europäisches Strafgesetzbuch, ein europäisches Bürgerliches Gesetzbuch, eine europäische Zivilprozessordnung und eine europäische Strafprozessordnung. Die Zukunft Europas wird meiner Meinung nach darauf beruhen, dass in allen Mitgliedstaaten gleiche Rechtsvorschriften gelten.
Berthu (NI),schriftlich. – (FR) Wir haben für den Bericht von Herrn Marinho gestimmt, in dem die Initiative Frankreichs, Schwedens und Belgiens zugunsten der Annahme eines Rahmenbeschlusses durch den Rat unterstützt wird, mit dem die justizielle Zusammenarbeit in Europa wesentlich erleichtert werden soll: Dabei geht es um die automatische gegenseitige Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln im Rahmen von Untersuchungen bei bestimmten Straftatbeständen. Mit dieser Methode würden wir über eine ausgezeichnete Möglichkeit verfügen, die Zusammenarbeit zu verstärken und gleichzeitig die strafrechtlichen Systeme der einzelnen Mitgliedstaaten zu achten.
Wir könnten uns sogar ein noch etwas weiter gehendes Vorgehen vorstellen. Gemäß dem vorgeschlagenen Text bezieht sich das neue Verfahren der gegenseitigen Anerkennung auf Sicherstellungsentscheidungen im Zusammenhang mit einer bestimmten Zahl konkret aufgeführter Straftaten, nämlich Drogenhandel, Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, Wäsche von Erträgen aus Straftaten, Euro-Fälschung, Korruption, Menschenhandel. Weitere bedeutende Straftaten sind in dieser Liste jedoch nicht enthalten. Ihre Bekämpfung ist gleichwohl dringend erforderlich, wie im Falle des Terrorismus, den wir in den vergangenen Tagen erneut verurteilt haben. Aus diesem Grund haben die Abgeordneten von „Mouvement pour la France“ den Änderungsantrag 5 unterstützt, der eine umfassendere Definition der in Frage kommenden Straftaten vorsieht: nämlich alle Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten geahndet werden.
Wenn es notwendig sein sollte, über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln hinauszugehen, dann wäre es angebracht, sich ausführlicher mit einem System von Sicherheitsrechten zu befassen, die von dem Mitgliedstaat, an den der Antrag gerichtet ist, wirksam und schnell eingesetzt werden können.
Schulz (PSE). – Herr Präsident! Ich möchte im Namen meiner 34 Kollegen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und auch in meinem eigenen Namen zur Abstimmung über den Bericht Watson, Exbericht Schmitt, folgendes erklären: Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit die Situation, dass die Frage betreffend die Zuwanderungsgesetzgebung, die Asylgesetzgebung und Fragen des Aufenthaltsrechts in der Bundesrepublik Deutschland Gegenstand einer globalen Debatte ist. Die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag, die Bundesländer, Kommissionen der Parteien, überparteiliche Kommissionen haben sich sehr intensiv mit den Fragen, die zum Teil auch den Watson-Bericht betreffen, auseinander gesetzt, und wir befinden uns jetzt in Deutschland in einer Phase der Gesetzgebungsverhandlungen im Parlament und zwischen Parlament, Regierung und Bundesrat. Genau in dieser Situation sind wir als SPD-Delegation hier im Parlament konfrontiert mit Vorschlägen der Kommission, mit den Stellungnahmen des Berichterstatters Schmitt – jetzt Watson –, mit Vorschlägen der unterschiedlichen Fraktionen, die zum Teil konträr, zum Teil übereinstimmend mit den Dingen sind, die wir als deutsche Sozialdemokraten in der innenpolitischen Debatte diskutieren.
Wir haben uns deshalb in einigen Punkten abweichend von unserer eigenen Fraktion entweder enthalten oder die Vorschläge abgelehnt, wobei unsere Nähe zur PPE-DE-Fraktion nur im Protokoll und nur typografischer Natur sein wird, inhaltlich sind wir in der Regel anderer Auffassung. Wir sind aber in der Schlussabstimmung auch aus Loyalität unserer sozialdemokratischen Familie gegenüber mit unserer Fraktion für diesen Bericht Watson eingetreten, obwohl wir gerade auch wegen des deutschen Verfassungsrechtes in einigen Punkten massive Bedenken hatten und die auch geltend machen mussten. Ich möchte das hier erklären, weil wir unsere Meinungsbildung zu einem Zeitpunkt, wo wir hier im Parlament abstimmen mussten, innenpolitisch noch nicht abgeschlossen haben, so dass das eine oder andere, was wir hier beschließen, nicht zwingend auch das ist, was zur Zeit bei uns zu Hause diskutiert wird.
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, ich bitte um Verzeihung. Nicht aus mangelndem Respekt vor Herrn Watson, für den ich große Sympathie hege, sondern weil mir Sherlock Holmes und sein treuer Freund Dr. Watson eingefallen sind, wollte ich jetzt ein „Das ist ganz klar, mein lieber Watson, das ist doch elementar!“ ausrufen, um zu sagen, dass selbstverständlich Maßnahmen zur Beendigung der unkontrollierten und der illegalen Einwanderung notwendig sind. Gleichwohl sah ich mich veranlasst, gegen den vorliegenden Richtlinienvorschlag zu stimmen. Weshalb, Herr Präsident? Wegen der Ablehnung der von unserem Freund Borghezio, der hier neben mir sitzt, eingereichten ausgezeichneten Änderungsanträge, mit denen die Einwanderung eingeschränkt werden sollte, um Vorfälle zu vermeiden, wie ich sie hier in Brüssel erlebt habe, wo mir, kaum dass ich den ersten Schritt aus unserem Parlamentsgebäude gesetzt hatte, von einigen Typen, bei denen es sich offensichtlich um Einwanderer handelte, mein EP-Mitgliedsausweis entrissen wurde, den ich noch immer suche und bis heute nicht gefunden habe.
Borghezio (TDI). – (IT) Herr Präsident! Das Institut des politischen Asyls gehört zur höchsten Rechtstradition unserer Völker. Im Bericht Watson wird unseres Erachtens jedoch ein schwer wiegender Fehler begangen, nämlich die Erweiterung seines Geltungsbereichs, seine Ausdehnung auf eine Reihe von Tatbeständen, die nichts mehr mit dem geschichtlichen Kern dieser wichtigen Einrichtung des öffentlichen Rechts zu tun haben. Die von mir eingereichten Änderungsanträge hatten nur ein Ziel – und ich danke dem Kollegen Fatuzzo, nachdrücklich darauf hingewiesen zu haben –, nämlich die Verhinderung eines Missbrauchs des Instituts des politischen Asyls und des Instituts des politisch Verfolgten, durch den die illegale Einwanderung begünstigt werden könnte, die, wie ein weiteres Mitglied des Europäischen Parlaments dieser Tage in einer Aussprache hervorgehoben hat, einen Nährboden auch für den Terrorismus bildet. Daher halte ich es für gravierend, dass einige Fraktionen, welche die illegale Einwanderung doch offensichtlich bekämpfen wollen, mit ihrem Votum meine Änderungsanträge zu Fall gebracht haben.
Berthu (NI),schriftlich. – (FR) Wie zu befürchten war, hat das Europäische Parlament den von der Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlag über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, dessen Laxheit ich bereits im Verlauf der vorangegangenen Debatte angeprangert habe, angenommen. Doch darüber hinaus hat das Parlament noch Änderungen hinzugefügt, mit denen die Mängel dieser Richtlinie sowie unsere Ablehnung weiter verstärkt werden.
So war in dem ursprünglichen Vorschlag vorgesehen, dass ein Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung über die Ablehnung des Asylantrags im Grundsatz aufschiebende Wirkung hat (der Asylbewerber darf bis zur endgültigen Entscheidung auf dem Hoheitsgebiet des betreffenden Landes verbleiben), dass die Mitgliedstaaten jedoch in bestimmten Fällen von diesem Grundsatz abweichen können, und zwar insbesondere dann, wenn der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird. Nun hat das Europäische Parlament diese Möglichkeit mit Hilfe von Änderungsantrag 85 beseitigt. Daraus ergibt sich, dass der Asylbewerber selbst im Falle eines offensichtlich unbegründeten Antrags nun auf unserem Hoheitsgebiet verbleiben kann, bis die endgültige Entscheidung über seinen Rechtsbehelf gefallen ist. Diese Absicht wird durch die Annahme des Änderungsantrags 5 bekräftigt, mit dem ein „Recht, im Hoheitsgebiet des Aufnahmelandes zu verbleiben, bis eine abschließende Entscheidung getroffen ist,“ geschaffen werden soll. Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten durch die Annahme des Änderungsantrags 96 daran gehindert, diese Katastrophe zu verhindern, da dieser ausschließt, die Möglichkeit der Berufung für den Fall auszusetzen, dass ein Asylantrag wegen offensichtlicher Unbegründetheit abgelehnt worden ist.
All diese Änderungsanträge sind sehr schwerwiegend, denn sie ermöglichen, dass sich Personen, die einen offensichtlich missbräuchlichen Asylantrag stellen, monatelang auf dem Hoheitsgebiet aufhalten können, bis eine abschließende Entscheidung getroffen wird, die zwangsläufig negativ ausfallen muss. In der Zwischenzeit sind sie natürlich untergetaucht.
Diejenigen, die für diese Texte gestimmt haben, wissen genau, was sie tun. Sie wollen eine Masseneinwanderung fördern, wie auch die Ablehnung von Änderungsantrag 126 zeigt, der vorsah, dass ein Asylantrag offensichtlich unbegründet ist, wenn er nur aus wirtschaftlichen Gründen oder mit dem alleinigen Ziel, der allgemeinen Armut oder einem bewaffneten Konflikt zu entgehen, gestellt wird. Der hinterhältige Schlag, der so unseren Ländern versetzt wird, dürfte dazu beitragen, sie noch weiter zu destabilisieren.
Blak, Lund und Thorning-Schmidt (PSE),schriftlich. – (DA) Die dänischen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament haben heute für den Bericht Watson gestimmt. Wir sind damit einverstanden, dass die EU Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft festlegen sollte. Wir stellen allerdings fest, dass die Richtlinie dem Titel IV des EG-Vertrags unterliegt und daher nicht für Dänemark gilt, vgl. Protokoll zur Stellung Dänemarks.
Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL),schriftlich. – (FR) Wir haben für alle Änderungsanträge, mit denen eine Verbesserung des Schutzes und der Rechte von Flüchtlingen erzielt werden kann, sowie für den in dieser Form geänderten Bericht gestimmt.
Wir sprechen uns jedoch gegen den Abschnitt aus, der den Mitgliedstaaten im Grunde erneut das Recht eingesteht, restriktive Maßnahmen einzuleiten, indem er ihr Recht, „die Einwanderung und Einreise in ihr Hoheitsgebiet zu kontrollieren“ hervorhebt.
McKenna (Verts/ALE),schriftlich. – (EN) Die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz begrüßt die neuen Vorschläge zur EU-weiten Harmonisierung der Asylverfahren, da dies einen wichtigen Schritt nach vorn darstellt und dringend notwendig ist. Diese Vorschläge sehen Grundnormen in drei Schlüsselbereichen vor: die für die Bestimmung der Annehmbarkeit von Asylanträgen zuständige Behörde, die unabhängige Institution, an die sich Asylbewerber zur Nachprüfung ihres Antrags wenden können, und die Rechtsbehelfe. Vor allem begrüßen wir die für die Antragsbearbeitung eingeführten Fristen, durch die gesichert werden soll, dass die zurzeit in vielen Mitgliedstaaten vorhandenen Rückstände abgearbeitet werden und ein gerechteres Verfahren auf den Weg gebracht wird.
Es sei jedoch daran erinnert, dass der Versuch, gemeinsame Normen für ein sicheres Land aufzustellen – wie auch der Begriff des sicheren Herkunftslandes selbst – generell restriktiv angelegt ist, und dies könnte von den Mitgliedstaaten ausgenutzt, ja missbraucht werden. Ich weiß, dass die Regierung meines Landes - Irland - bilaterale Abkommen mit Rumänien und Nigeria unterzeichnet hat und in Zukunft noch weitere zu unterzeichnen gedenkt. Mit diesen Abkommen soll das Verfahren der Abschiebung beschleunigt werden, und so wird längst nicht das erreicht, was zu tun ist. Wir glauben, dass eine gründliche Prüfung jedes Asylbegehrens und die Entscheidung darüber auf dem konkreten Einzelfall beruhen müssen. Diese Begriffe dürfen auf keinen Fall in einer Richtlinie verankert werden, weil dadurch jeglicher Art von Missbrauch Tür und Tor geöffnet würde. Ich denke auch, dass das Gleiche für eine Beschleunigung der Asylverfahren gilt, worunter ebenfalls die Qualität des Verfahrens selbst leiden könnte.
Malmström, Paulsen und Olle Schmidt (ELDR),schriftlich. – (SV) Uns beunruhigt, dass die Begriffe „sichere Herkunftsländer“ und „sichere Drittstaaten“ nun auch auf Gemeinschaftsebene eingeführt werden könnten. Alle Staaten können potenziell die Menschenrechte verletzen. Folglich kann auch kein Land automatisch als sicher betrachtet werden. Jeder Asylbewerber sollte das Recht auf gleiche Behandlung haben, unabhängig davon, aus welchem Land er oder sie kommt.
Der Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft ermöglicht es den einzelnen Mitgliedstaaten, selbst zu entscheiden, ob sie sich an Listen „sicherer Staaten“ halten möchten oder nicht. Auf Gemeinschaftsebene gibt die Entwicklung des Prinzips der „sicheren Staaten“ jedoch Anlass zur Sorge. Es ist von größter Bedeutung, dass wir gemeinsam an den Prinzipien der Genfer Konvention, dem Recht aller auf individuelle Prüfung, festhalten.
Souchet (NI),schriftlich. – (FR) Nach den Anschlägen von New York und Washington können alle Politiken, die sich mit der Freizügigkeit von Personen beschäftigen, nur noch unter dem vorrangigen Aspekt der Sicherheit der Bürger betrachtet werden. Diese Forderung gilt ebenfalls für die Durchführung der Asylpolitik.
Doch die Empfehlungen des Berichts von Herrn Watson erweisen sich heute mehr noch als bisher als ein Beispiel dafür, was man nicht machen sollte, da sie zu einer weit reichenden und gefährlichen Senkung des Sicherheitsniveaus führen würden, auf das die Bürger unserer Länder Anspruch haben.
Die unendliche und schon ans Absurde grenzende Vervielfachung von Garantien aller Art, wie im Bericht Watson vorgeschlagen, und die vom Parlament verabschiedeten Änderungsanträge zugunsten von Asylbewerbern, deren Anträge als offensichtlich unbegründet beurteilt wurden – und wie wir wissen, trifft dies auf drei Viertel der Asylanträge zu –, machen unter dem Vorwand der Großherzigkeit den Weg frei für die schlimmsten Fehlentwicklungen. Der Grundsatz, im Zweifelsfall zugunsten des Antragstellers zu entscheiden, ist nur schwer mit der Forderung nach Sicherheit zu vereinbaren. In einer Zeit, in der größtmögliche Konsequenz erforderlich ist, legt unser Parlament eine Laxheit an den Tag, welche die illegale Einwanderung und die Ausbreitung terroristischer Netzwerke nur verstärken kann.
Wieso befassen sich alle Vorschläge im Bericht von Herrn Watson ausschließlich mit Asylbewerbern, während es in keinem einzigen um die Sicherheit der europäischen Bürger geht? Ein derartiges Missverhältnis, das sich nebenbei gesagt genauso im Richtlinienentwurf wie im Bericht Watson findet, ist nicht hinzunehmen. Es muss auf jeden Fall ausgeglichen werden, damit sowohl die legitimen Rechte der wirklichen Asylbewerber als auch die legitimen Ansprüche der Bürger unserer Länder auf Sicherheit und Schutz berücksichtigt werden.
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident! Vor einigen Tagen saß ich in einer herrlichen Stadt Italiens beim Abendessen zusammen mit einer hübschen bulgarischen Blondine, und zu meiner Verwunderung stellte sie mir dann irgendwann die Frage: „Weshalb erhalten denn Spanien, Griechenland, Irland und Portugal von Euch weiterhin Gelder aus dem Kohäsionsfonds? Wir, die Kandidatenländer, haben die große Befürchtung, dass man uns, deren Bruttoinlandsprodukt doch weitaus geringer ist als in diesen Ländern, nicht das Gleiche zuteil werden lässt. Könnten Sie, Herr Fatuzzo, sich nicht dafür einsetzen, dass unverzüglich ein Kohäsionsfonds für die beitrittswilligen Länder eingerichtet wird, die sich ernste Sorgen machen, weil ihr Abstand zu Euch immer größer wird?“
Hätte ich dieser hübschen bulgarischen Blondine ihre Bitte abschlagen können, Herr Präsident? Was hätten Sie denn getan? Ich hielt es für richtig, mich zum Sprachrohr ihres Anliegens zu machen.
Bonde, Krarup und Sandbæk (EDD),schriftlich. – (DA) Wir haben gegen den Bericht gestimmt, weil wir der Ansicht sind, dass der Kohäsionsfonds nicht scharf genug kritisiert wird. Die Einführung der gemeinsamen Währung in den Empfängerländern Irland, Portugal, Griechenland und Spanien sollte zumindest dazu Anlass geben, die Maßnahmen des Fonds ruhen zu lassen, bis die ersten süd- und osteuropäischen Länder in die EU aufgenommen worden sind. Die Mittel müssen dorthin geleitet werden, wo sie am meisten benötigt werden – nämlich in die beitrittswilligen Länder.
Wir hätten uns auch mehr Gründlichkeit und Kritik bei der Bewertung der Zielerfüllung des Kohäsionsfonds gewünscht. Es wird ein zu starkes Gewicht auf die Einhaltung der Verteilerschlüssel zwischen den Ländern untereinander und die beiden bevorzugten Politikbereiche gelegt, es wird zu wenig darauf geachtet, ob die Mittel auch wirklich sinnvoll verwendet wurden. Es reicht nicht aus, auf eine positive wirtschaftliche Entwicklung der Empfängerländer zu verweisen und daraus zu schließen, dass die Mittel des Fonds sinnvoll eingesetzt wurden.
Coelho (PPE-DE),schriftlich. – (PT) Mein Glückwunsch gilt dem Abgeordneten Sérgio Marques für den ausgezeichneten Bericht, den er uns vorlegt. Es ist eine bemerkenswerte Arbeit, die einige wesentliche Aspekte unterstreicht. Ich möchte auf folgende eingehen:
1. Die Kohäsion ist ein Ziel des Vertrags, das dringend umgesetzt werden muss
In Artikel 2 des EG-Vertrags als eines der wesentlichen Ziele der Union verankert, verpflichtet der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt zur Verringerung der zwischen den verschiedenen Regionen bestehenden Ungleichheiten und zur Vorbeugung vor möglichen Ungleichgewichten mit Blick auf die Förderung der harmonischen Entwicklung der Gemeinschaft. Die Realität zeigt, dass es noch viel zu tun gibt, um dieses Ziel zu erreichen.
2. Der Kohäsionsfonds schließt eine wesentliche Lücke
Die Kohäsion ist auch von grundlegender Bedeutung für den Fortschritt der Wirtschafts- und Währungsunion, was die Konvergenz der Wirtschaften der Mitgliedstaaten bedingt. Wie jedoch der Berichterstatter zu Recht hervorhebt, wurde im Vertrag von Maastricht keinerlei Mechanismus zur Unterstützung und Konjunkturanpassung im Rahmen der WWU vorgesehen, was die Bedeutung der Strukturfonds und insbesondere des Kohäsionsfonds noch verstärkt.
3. Das Ziel der Kohäsion wird auch nach der Erweiterung weiter bestehen
Der Berichterstatter weist darauf hin, dass die Ungleichheiten zwischen den gegenwärtigen Mitgliedstaaten im Ergebnis der Wirkung und der Dynamik der Erweiterung noch größer werden können. Dem muss vorgebeugt werden, und es gilt zu verhindern, dass es dazu kommt. Man muss den Versuchen derjenigen entgegentreten, die sich unter Rückgriff auf die Statistik darauf vorbereiten, die Kohäsionsanstrengungen innerhalb der derzeitigen 15 zunichte zu machen. Das Kohäsionsziel wird auch nach der Erweiterung weiter bestehen, und es kann und muss danach verstärkt werden. So wird die Erweiterung für die Solidarität in der Union eine gewaltige Herausforderung darstellen, die eine sorgfältige und wirksame Vorbereitung erfordert, die die Gesamtheit der Union und ihre spezifischen Merkmale berücksichtigt.
Korakas (GUE/NGL),schriftlich. – (EL) Der viel gepriesene Grundsatz des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts ist ein Instrument zur vorsätzlichen Täuschung der Völker Europas und zu ihrer Unterordnung unter eine Politik im Interesse des Großkapitals.
Nicht nur wir sind der Meinung, dass im kapitalistischen System das unerbittliche Gesetz der ungleichen Entwicklung herrscht. Die Wirklichkeit und die Daten der Kommission selbst bestätigen, dass von Konvergenz keine Rede sein kann, sondern dass vielmehr von Divergenz zwischen den Ländern der Gemeinschaft, zwischen den reichen und armen Regionen und sogar zwischen den Regionen innerhalb eines Mitgliedstaates gesprochen werden muss.
Typisches Beispiel ist Griechenland, wo das BSP von Regionen wie dem Epirus, der Insel Lesbos oder dem Peloponnes nicht angestiegen, sondern zurückgegangen ist. Im Vergleich zum Epirus, der ärmsten Region der Europäischen Union, beträgt das Pro-Kopf-Einkommen in Hamburg 440 %. In Griechenland und Portugal beziehen 22 % der Bevölkerung ein Einkommen, das unterhalb der Armutsgrenze liegt.
Die den Interessen der Monopole dienenden Beschlüsse der Europäischen Union verschärfen die sozialen und wirtschaftlichen Gegensätze noch weiter. Die Wirtschafts- und Währungsunion und der Stabilitätspakt berauben die Mitgliedstaaten der Möglichkeit eigenständiger Währungspolitik und erzwingen die haushaltspolitische Disziplin durch die Verringerung der Sozialausgaben und der öffentlichen Investitionen. Besonders negativ für Volkseinkommen und Volkswirtschaft sind die Privatisierungen und ganz allgemein die strukturellen Veränderungen infolge der Liberalisierung der Märkte und der reaktionären Weichenstellungen in der Arbeitsmarktpolitik.
Die Dominanz informeller, kurzfristiger und provisorischer Arbeitsverhältnisse, die Teilzeitbeschäftigung und die Veränderungen in den sozialen Sicherungssystemen verschärfen in Verbindung mit der Konzentration des Kapitals die gegenwärtig bestehende inakzeptable Lage.
Die mit Gemeinschaftsmitteln finanzierten Strukturinvestitionen sind nicht auf das reale Wachstum der Regionen ausgerichtet. Sie negieren ihre Besonderheiten und ihre im Vergleich bestehenden Vorteile und sind vielmehr von der Forderung des Großkapitals nach höheren Profiten und von den Zielen der Stabilitätspakts diktiert. Als Ergebnis dieser Politik werden erhebliche Mittel für Schaufensterprojekte, die Beseitigung traditioneller Produktionssektoren und die Realisierung dem Privatkapital dienender Infrastrukturprojekte ausgegeben und Beiträge zur Liberalisierung der Märkte sowie zur Entfesselung der Monopole geleistet.
Die Arbeitnehmer kämpfen gegen die politischen Weichenstellungen und Ziele der Europäischen Union sowie ihre negativen Folgen, für die die armen Volksschichten, die Arbeitnehmer, die Rentner, die kleinen und mittleren Agrarbetriebe und die kleinen Unternehmen, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe und im Handel, jetzt und auch in Zukunft bezahlen werden.
Krivine und Vachetta (GUE/NGL),schriftlich. – (FR) Wir unterstützen die Grundsätze, die zur Errichtung des Kohäsionsfonds geführt haben. Wie auch der Berichterstatter sind wir der Ansicht, dass der Vertrag von Maastricht „keinerlei Mechanismus zur Unterstützung und konjunkturellen Anpassung im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion vorgesehen hat“ und der Pakt für Stabilität und Wachstum „in der Praxis zur Einschränkung der öffentlichen Investitionen ... geführt“ hat. Wir teilen die Meinung, dass diese Fonds eine wichtige Rolle für eine umweltverträgliche Raumplanung spielen.
Doch wir sind ebenfalls der Auffassung, dass die Logik dieser Fonds der neoliberalen Logik des europäischen Einigungswerks widerspricht. Es ist sehr achtbar, „insulare, eingeschlossene und am Rande gelegene Gebiete mit den zentralen Gebieten der Gemeinschaft zu verbinden“, doch es wäre noch besser, die räumliche Aufspaltung nicht durch die systematische Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen zu verstärken. In dieser Hinsicht geht die Kritik des Berichts nicht weit genug, denn er behauptet, dass sich die finanziellen Kriterien des Euro und des Stabilitätspaktes mit den Erfordernissen einer wirklichen regionalen Entwicklung vereinbaren ließen. Um eine solche Illusion nicht noch zu unterstützen, haben wir uns daher der Stimme enthalten.
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident! Auch in diesem Bericht geht es darum, wie die der Union im Rahmen der Strukturfonds zur Verfügung stehenden Mittel zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der weniger begünstigten europäischen Bürger auszugeben sind. Als Vertreter der Rentnerpartei möchte ich dem, wie Sie, Herr Präsident, sehen, mir mit großer Aufmerksamkeit zuhörenden gesamten Parlament – ich beziehe mich natürlich auf die in unseren Büroräumen eingeschalteten Fernseher – zu diesem Punkt mitteilen, dass die Rentnerpartei eine Aufstockung, und zwar eine kräftige Aufstockung der Fondsmittel fordert, über welche die Europäische Union zur Durchführung ihrer Tätigkeiten und ihrer Politik verfügen muss. Was wir bekommen, ist viel zu wenig. Es ist meines Erachtens lediglich ein Almosen für Europa. Damit die Bedeutung und Bürgernähe Europas von seiner gesamten Bevölkerung wahrgenommen wird, benötigt die Union jedoch mehr, und zwar erheblich mehr.
Korakas (GUE/NGL),schriftlich. – (EL) Die für die Volkswirtschaften der Europäischen Union kennzeichnende Unausgewogenheit des kapitalistischen Wachstums hat sich tendenziell auch im letzten Jahrzehnt bestätigt, im Laufe dessen sich die Asymmetrie zwischen den Mitgliedstaaten, zwischen reichen und weniger entwickelten Regionen und sogar innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vergrößert hat. Anstelle von Konvergenz und Zusammenhalt ist eine Divergenz festzustellen, die immer größer wird und damit die Polarisierung zwischen Reich und Arm verschärft.
Selbst im Bericht wird eingeräumt, dass die Europäische Union „auch weiterhin erhebliche regionale Ungleichgewichte im Hinblick auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung aufweist, während sich in einigen Fällen die Ungleichgewichte innerhalb bestimmter Staaten verschärft haben“. Das beherrschende Dreieck (North Yorkshire, Franche-Comté, Hamburg) vereinigt fast die Hälfte des Einkommens (47 %) auf sich, während es gerade einmal ein Siebtel der Fläche der Europäischen Union ausmacht, in dem ein Drittel der Bevölkerung wohnt. Zugleich beziehen 18 % der Unionsbevölkerung ein Einkommen, das unterhalb der Armutsgrenze liegt.
Das ist ein Ergebnis der Strategien für die „Mobilität der Arbeitskräfte“ – die zur Ballung der Menschen und des Reichtums in den wohlhabenden zentralen Unionsregionen führt –, der Flexibilisierung der Beschäftigung, der zügellosen Privatisierung und der Unterordnung aller politischer Interessen, nationaler wie europäischer, unter das Gesetz des Profits. Anstatt Schaffung von Beschäftigung erleben wir Massenentlassungen und einen sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit.
Der Bericht selbst führt an, dass die Arbeitslosigkeit in den zehn ärmsten Regionen die Marke von 23 % erreicht hat. In den Hauptempfängerländern der Strukturfondsmittel, in Italien, Spanien und Griechenland, zeigt ein Vergleich der offiziellen Arbeitslosenzahlen der Jahre 1988 und 1998 einen deutlichen Anstieg, vor allem in Griechenland, wo sie nach 6,7 % im Jahre 1988 zehn Jahre später 11,7 % erreicht hatten, also um ungefähr 75 % gestiegen sind.
Die Strukturinvestitionen bezwecken nicht das reale Wachstum der Regionen und berücksichtigen nicht ihre Eigenheiten, sondern dienen dem heiligen Ziel der Profitmaximierung des Großkapitals. Die Mittel der Strukturfonds sind einerseits ungenügend, andererseits fließen 30-40 % der den ärmeren Mitgliedstaaten zukommenden Gelder über den Erwerb von Know-how oder Produktionsmitteln in die reichen Staaten zurück.
Der Preis für diese Finanzzuflüsse war die Aufgabe traditioneller Produktionssektoren, die Anpassung der Anbaumethoden, die Vernichtung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Entvölkerung ganzer Regionen.
Für die Folgen müssen die armen Volksschichten aufkommen, während die Monopolgiganten und verschiedene Blutsauger in ihrer Umgebung Profite machen. Denn die Gemeinschaftsmittel sind die „Silberlinge“ für den Beitritt zur Europäischen Union, gewissermaßen eine Form der Entschädigung gegenüber dem Großkapital für die weitgehende Aufhebung des Protektionismus innerhalb des nationalen Marktes.
Krivine und Vachetta (GUE/NGL),schriftlich. – (FR) Im Bericht wird festgestellt, dass die Strukturfonds, die insbesondere die Regionalentwicklung und die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern sollen, dieser Zielsetzung noch nicht gerecht werden. Die nachdrückliche Forderung nach einer allgemeinen Politik zugunsten von Frauen ist achtbar und deutet einen erheblichen Rückstand an. Auch wir sehen die reale Gefahr, „dass die Pläne zur Wirtschafts- und Haushaltsstabilität darauf hinauslaufen, durch die Kürzung öffentlicher Investitionen, insbesondere solcher für Verkehrsinfrastrukturen und F&E in Gebieten mit Entwicklungsrückstand, umgesetzt zu werden“.
Der Bericht bringt jedoch seine Analyse nicht zum Abschluss und distanziert sich nicht ausreichend von den Auswirkungen dieser Kahlschlagspolitik. Was z. B. die Beschäftigung betrifft, fordert er die Mitgliedstaaten auf, „den in Amsterdam eingeleiteten Prozess der Beschäftigungspolitikfortzuführen“ und bezieht sich dabei auf die „nationalen Aktionspläne für Beschäftigung“. Doch mit diesen Plänen soll lediglich das Dogma von der unumgänglichen Flexibilität der Arbeitsmärkte umgesetzt und der Kampf gegen unsichere Beschäftigungsverhältnisse, den der Berichterstatter im Übrigen billigt, behindert werden. Da wir einen solchen Standpunkt nicht unterstützen wollen, haben wir uns der Stimme enthalten.
Marques (PPE-DE),schriftlich.– (PT) Der 11. Jahresbericht über die Strukturfonds (1999) beschließt den Programmplanungszeitraum 1994-1999 und damit die Gültigkeit des Delors-II-Pakets, das sowohl hinsichtlich der Infrastrukturen und der Produktion als auch in Bezug auf die soziale Integration maßgebend zur regionalen Entwicklung beigetragen hat.
Nach Ablauf des Zeitraums 1994-1999 zeigt der 11. Bericht jedoch auf, dass die Situation der Kohäsion nach wie vor unbefriedigend ist. Trotz des Haushaltsaufwands im Rahmen des Pakets von Edinburgh und ungeachtet der erzielten Fortschritte bestehen in der Europäischen Union nach wie vor große regionale Unterschiede in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, gibt es nach wie vor innerhalb der Europäischen Union Unterschiede zwischen den Regionen in Randlage (einschließlich der Regionen in äußerster Randlage) und dem Zentrum. Mithin hat die Anwendung der Strukturfonds nicht ausgereicht, um die Einkommensdisparitäten zwischen den reichsten und den am wenigsten entwickelten Gebieten zu überwinden.
In diesem Zusammenhang möchte ich meine Zustimmung zu dem Text des Kollegen Nogueira Román zum Ausdruck bringen und zugleich das Fazit ziehen, dass die Abgeschiedenheit und die Insellage – Merkmale der Regionen in äußerster Randlage – durch die Entwicklung von aus den Strukturfonds finanzierten Aktivitäten kompensiert werden können, die darauf gerichtet sind, die Wettbewerbsfähigkeit der Produktionskette zu erhöhen, den Zugang zur Information und die Integration dieser Regionen im Kontext einer erweiterten Europäischen Union zu erleichtern. Diese muss deshalb die derzeitige Kohäsionspolitik ausbauen, die noch notwendiger ist, um sich den Herausforderungen der Erweiterung stellen zu können.
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Der Bericht von Frau Martínez-Orozco, Herr Präsident, ist – darin stimmen Sie mir sicherlich zu – äußerst wichtig. Den Frauen – nicht nur den Frauen, aber im vorliegenden Fall den Frauen – müssen in der Gesellschaft die gleichen Rechte, wie sie die Männer genießen, gewährleistet werden. In manchen Gebieten besitzen sie weitaus mehr Rechte – bei mir zu Hause beispielsweise haben die Frauen mehr Rechte als die Männer –, in der übrigen Welt werden jedoch leider, wie in diesem Fall, Frauen sogar misshandelt. Daher fordere ich, dass die Europäische Union jenen Ländern, in denen noch Genitalverstümmelungen bei Frauen vorgenommen werden, keinen Pfennig Entwicklungshilfe mehr leistet, und dass wirklich eine Politik zur Förderung der Achtung der Menschenrechte in jenen Staaten, die wir finanziell unterstützen, praktiziert wird.
Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL),schriftlich. – (FR) Wir haben für diesen Bericht gestimmt, obgleich wir nicht mit allen vorgeschlagenen Maßnahmen einverstanden sind.
Genitalverstümmelung bei Frauen ist ein barbarischer Brauch, den es abzuschaffen gilt wegen der damit verbundenen Gewalt, der körperlichen Folgen sowie der Absicht, die Frau damit als niedrigeres Wesen abzustempeln.
Alle, die in diesem Zusammenhang Tradition, Brauchtum, Religion oder andere absurde Argumente anführen, wollen nur auf scheinheilige Weise verbergen, dass sie sich mit dieser Barbarei abfinden. Diejenigen, die von einem Recht auf kulturelle Unterschiede zu sprechen wagen, bringen damit nur ihre Verachtung gegenüber den Frauen im Allgemeinen sowie gegenüber den Völkern zum Ausdruck, in denen Frauen Opfer dieser Gräueltaten sind.
Darras (PSE),schriftlich. – (FR) Ich danke unserer Berichterstatterin, Frau Elena Valenciano Martinez-Orozco, und dem gesamten Ausschuss für die hervorragende Arbeit, die sie uns vorgelegt haben, und für die mutige gesellschaftliche Entscheidung, die sie uns heute abverlangen.
So erscheint es mir gegenwärtig sehr wichtig, für diesen Bericht zu stimmen und damit alle Formen der Verstümmelung weiblicher Genitalien zu verurteilen, da Genitalverstümmelung bei Frauen oft gefährliche Folgen für die Gesundheit hat und umfangreiche und bleibende Schäden hinterlässt, die beim Geschlechtsverkehr, bei der Schwangerschaft oder der Niederkunft zu ernsthaften Komplikationen bis zum Tod führen können.
Dieser Bericht verdient es umso mehr, verabschiedet zu werden, da er den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auffordert, jede Genitalverstümmelung bei Frauen als Straftat einzustufen und jede gebietsansässige Person, die dieses Verbrechen begangen hat, auch wenn die Tat außerhalb ihres Hoheitsgebiets begangen wurde, strafrechtlich zu belangen. Dieser Grundsatz der Exterritorialität der Straftat muss auf jeden Fall nachdrücklich unterstützt werden.
Sollte nach wie vor Erklärungsbedarf dafür bestehen, warum es notwendig ist, für einen solchen Bericht zu stimmen, möchte ich folgendes Argument anführen: die Tatsache, Opfer derartiger Praktiken zu sein, aber auch die Tatsache, als Frau an einem Ort geboren zu werden, an dem man dem Risiko einer Genitalverstümmelung ausgesetzt ist, stellt einen ausreichenden und zwingenden Grund für die Gewährung des Rechts auf Asyl oder humanitären Schutz dar. Im Rahmen der Asyl- und Einwanderungspolitik gemäß Titel IV des Amsterdamer Vertrags müssen die Kommission, der Rat und die Mitgliedstaaten Maßnahmen im Hinblick auf die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis für die Opfer dieser Praxis ergreifen, sowie Frauen, Jugendlichen und Mädchen, denen die Verstümmelung ihrer Geschlechtsorgane droht, das Recht auf Asyl zuerkennen.
Im Namen der Gleichheit, der Freiheit und der Würde, auf die jeder Mensch ein Anrecht hat, halte ich es für unerlässlich, und dieser Auffassung müssen wir alle sein, den Frauen Schutz zu gewähren und ohne zu zögern für diesen Vorschlag zu stimmen. Dies ist Teil unserer politischen Verantwortung.
Kirkhope (PPE-DE),schriftlich. – (EN) Die britischen Konservativen missbilligen natürlich die Praxis der Genitalverstümmelung bei Frauen, wo immer dies geschieht, und wir stellen mit Freude fest, dass diese Praxis in einigen Ländern bereits als Rechtsverstoß gilt. Dennoch sind wir nicht der Meinung, dass dieser Bericht dazu beitragen wird, dieser Vorgehensweise Einhalt zu gebieten.
Aus diesem Grund haben wir Konservativen uns der Stimme enthalten, denn betrachtet man die Problematik aus einem internationalen Blickwinkel, so meinen wir, dass mehr diplomatischer Druck gegen diese Länder ausgeübt werden muss, in denen die Praxis der Genitalverstümmelung bei Frauen noch immer erlaubt ist, und dass weltweite Aufklärung sowie diplomatische Initiativen das beste Mittel wären, mit dem dieser Praxis ein Ende gesetzt werden kann.
Wir werden auf keinen Fall dafür sein, die Genfer Konvention von 1951 in Bezug auf die in ihr festgelegten Asylkriterien zu erweitern, welche guten Gründe es dafür auch immer geben mag.
Sacrédeus (PPE-DE), schriftlich. – (SV)Ich habe für diesen dringend notwendigen Bericht zur Verteidigung der gleichen, einzigartigen und unverletzlichen Menschenwürde gestimmt. Es geht hier darum, dem gemeinsamen Wertefundament Ausdruck zu verleihen, auf dem die europäische Zusammenarbeit letztendlich ruhen muss.
Die Genitalverstümmelung bei Frauen führt zu irreparablen gesundheitlichen Schäden und in manchen Fällen auch zum Tode. Unabhängig vom Grad ist jede Form der Genitalverstümmelung bei Frauen ein Akt reiner Gewalt. Sie stellt eine Verletzung der Grundrechte der Frau oder des Mädchens dar, an der sie vollführt wird, eine Verletzung ihrer persönlichen Integrität, ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie ihrer sexuellen und reproduktiven Rechte.
Eine derartige Kränkung und Verstümmelung eines Menschen kann unter keinen Umständen mit Respekt vor einer Religion wie dem Islam oder mit dem Verweis auf kulturelle Bräuche oder Initiationsriten motiviert werden. Religionsfreiheit und weibliche Genitalverstümmelung haben nichts miteinander zu tun.
Die Genitalverstümmelung bei Frauen ist ein Verbrechen gegen die Menschenwürde der betroffenen Frauen und Kinder, wie sie ihnen in mehreren internationalen Übereinkommen garantiert wird. Sie ist nach dem Strafrecht der Mitgliedstaaten verboten und verstößt darüber hinaus gegen die Prinzipien der Europäischen Grundrechtscharta.
Es ist daher höchste Zeit, dass jede Form von Genitalverstümmelung bei Frauen in den Mitgliedstaaten der EU als Straftat eingestuft wird – und zwar unabhängig davon, ob die betroffene Frau ihr Einverständnis zu dem Eingriff gegeben hat oder nicht – sowie dass jede Person bestraft wird, die eine andere bei der Durchführung einer Genitalverstümmelung unterstützt, sie dazu auffordert, dabei berät oder dazu ermuntert.
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident! Ich konnte nicht umhin, zu dem Bericht der Kollegin Smet Stellung zu nehmen, in dem festgestellt wird, dass das Arbeitsentgelt der Frauen im Schnitt noch immer unter dem von Männern liegt. Weshalb ich mich unbedingt dazu äußern musste? Weil ich in diesem Hohen Hause bekräftigen möchte, dass es gerade aus diesem Grund richtig ist, wenn in mehreren EU-Mitgliedstaaten die Frauen fünf Jahre vor den Männern eine Altersrente beziehen. Das gilt für Italien, Griechenland, Deutschland, Spanien sowie in zahlreichen anderen, nicht aber in allen Ländern. Ich halte dies insofern für korrekt, als damit ein Ausgleich für die niedrigeren Löhne der erwerbstätigen Frauen geschaffen wird. Ich möchte, dass eine solche Regelung in allen 15 Ländern der Europäischen Union zur Anwendung gelangt.
Blak, Lund und Thorning-Schmidt (PSE),schriftlich. – (DA) 25 Jahre nach der Richtlinie über die Lohngleichheit erhalten Frauen und Männer noch immer ungleiche Löhne. Es wird geschätzt, dass 15 Prozent des Lohnunterschieds auf die Zugehörigkeit zum Geschlecht zurückzuführen sind und nicht auf andere Faktoren wie Dienstalter, Führungsposition usw. Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ ist also noch immer nicht verwirklicht worden. Deshalb bedarf es besonderer Anstrengungen um sicherzustellen, dass nicht das Geschlecht, sondern die Arbeit und die Funktion für den Lohn des Einzelnen entscheidend sind. Wir unterstützen den Bericht, der unserer Meinung nach eine Reihe vernünftiger Empfehlungen enthält. Wir möchten betonen, dass mehr Offenheit und Transparenz im Hinblick auf die Festsetzung der Löhne angestrebt werden müssen, wenn der Kampf gegen ungerechtfertigte Lohnunterschiede erfolgreich sein soll. Wir möchten außerdem darauf hinweisen, dass das jeweilige Land angemessene Bedingungen für die Teilnahme der Frauen am Arbeitsmarkt sicherstellen muss (Möglichkeit für Kinderbetreuung o. ä.), wenn das Ziel, also gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, erreicht werden soll.
Figueiredo (GUE/NGL),schriftlich.– (PT) Obwohl bekanntlich der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit im IAO-Übereinkommen von 1951 (100) und im Vertrag von Rom von 1957 sowie später in entwickelter und verbesserter Form in der anderen Gesetzgebung der Gemeinschaft niedergeschrieben wurde, bestehen, wie der Bericht Smet zu Recht erwähnt, die Diskriminierungen nach wie vor und liegen im Durchschnitt der Europäischen Union in der Größenordnung von 28 %. Selbst wenn man die strukturellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt wie Alter, Ausbildung, Beruf und berufliche Laufbahn berücksichtigt, liegt das Arbeitsentgelt der Frauen im Schnitt um 15 % unter dem der Männer, was nur durch Mechanismen der Diskriminierung von Werten zu erklären ist. Das ist unannehmbar. Das Problem der Diskriminierung der Frauen beim Arbeitsentgelt, die in der Praxis beibehalten wird, und ihre Mechanismen werden eingehend untersucht, obwohl es nach wie vor viele Unzulänglichkeiten gibt, vor allem in der statistischen Information der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten.
Doch, wie die Berichterstatterin ausführt, steht eines fest: Das Lohngefälle kann nur durch eine Politik abgebaut werden, die in zwei Richtungen geht. Zum einen muss versucht werden, die Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, und zum anderen müssen die Diskriminierungen im Zuge der Festlegung des Arbeitsentgelts ausgeschlossen werden.
So halten wir es für wichtig, dass diese Problematik, einschließlich des Vorschlags der Kommission, 2002 eine europaweite Kampagne für gleiches Entgelt zu starten, allererste Priorität genießt. Gleichermaßen wichtig ist aber auch, dass ein Vorschlag zur Revision und Aktualisierung der Richtlinie von 1975 über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen vorgelegt wird.
Lulling (PPE-DE),schriftlich.– Über gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit für Männer und Frauen diskutieren wir schon seit meiner frühesten Jugend, und das ist lange her. Seit 1951 gibt es das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über gleiches Arbeitsentgelt. Seit 1958 haben wir ja auch schon den Artikel 119 im EWG-Vertrag.
Aber wie immer, wenn es darum geht, den Frauen, in welchen Lebenslagen auch immer, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, tun sich nicht nur die Politiker, sondern leider auch die heute noch weitgehend von Männern geleiteten Gewerkschaften sehr schwer damit, diesen Lohngleichheitsgrundsatz umzusetzen.
Seit 1975 haben wir die Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen. Wir haben Aktionsprogramme und eine Gemeinschaftsstrategie für die Gleichstellung von Männern und Frauen. Wir haben unzählige Entschließungen und Leitfäden. Wir haben die Aktionsplattform der UNO-Frauenkonferenz von Peking 1995. Und jetzt haben wir diesen Bericht, der – angesichts der Tatsache, dass das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen in der EU im Schnitt noch bei fast 30 % liegt – sicher nicht überflüssig ist, denn gerade in der Frauenpolitik wissen wir: Steter Tropfen höhlt den Stein.
In 17 Erwägungen und 19 Absätzen haben wir in dieser Entschließung, der ich zustimme, viele gute, brauchbare Vorschläge gemacht, um dieses Lohngefälle, das sich auch nach der Pensionierung der Frauen noch in niedrigeren Alterspensionen auswirkt, also zu einer lebenslangen Diskriminierung führt, auszumerzen.
Es ist klar, dass hier insbesondere die Sozialpartner gefordert sind, aber auch der Mut der betroffenen Frauen und ihrer Vertreterinnen, insbesondere in den Frauenorganisationen. Wir haben ja eigentlich solide Rechtsgrundlagen, um gegen eine Lohndiskriminierung zu klagen.
Patakis (GUE/NGL),schriftlich. – (EL) Die bittere Wirklichkeit der die arbeitende Bevölkerung, Männer ebenso wie Frauen, bedrückenden gewaltigen sozialen Probleme widerlegt nicht nur in extremer Weise alle Proklamationen über die Gleichstellung und den Wohlstand der Bürger, sondern lässt sie wie Hohn und Spott erscheinen.
Unter der unerträglichen Markt- und Wettbewerbspolitik haben zuerst und hauptsächlich die Frauen zu leiden, die besonders von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Die flexiblen Arbeitsverhältnisse sind zum großen Teil für Frauen bestimmt, was zur Folge hat, dass sie ein billiges Arbeitskräftepotenzial sind und für dieselbe Tätigkeit schlechter bezahlt werden, stärker von der Unsicherheit der Beschäftigungsverhältnisse betroffen sind und geringere Zugangschancen zum Arbeitsmarkt haben, dass sie weiterhin hauptsächlich untergeordnete und gering qualifizierte Tätigkeiten ausüben und selten verantwortliche oder höhere, leitende Positionen in der Wirtschaft oder im gesellschaftlichen und politischen Leben innehaben.
Die sozialen Rechte und Leistungen werden empfindlich getroffen, was durch die vorgesehene Reform der Sicherheits- und Vorsorgesysteme noch verschlimmert wird. Dies ist eine zusätzliche Belastung für Frauen, die viele Pflichten miteinander zu verbinden haben und eine Doppel- und Dreifachrolle ausfüllen.
Die Gleichstellung der Frauen ist in einer Gesellschaft der Ausbeutung, der Arbeitslosigkeit und der Unterbeschäftigung, in einem System ohne Perspektive sozialer Gerechtigkeit und ohne Wohlfahrtsstaat schlicht undenkbar.
Es ist unbedingt notwendig, die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen zu gewährleisten, die Rechtsvorschriften im Hinblick auf gesundheitsschädigende Tätigkeiten und den Mutterschutz zu verschärfen und auszubauen sowie gesetzliche Maßnahmen zur Absicherung der informellen Arbeitsverhältnisse zu ergreifen.
Nur der Kampf der Arbeitnehmer kann dem zur Zeit verfolgten volksfeindlichen Kurs Einhalt gebieten und die Lage verbessern. Nur auf diese Weise wird sich auch die Rolle der Frau in der Gesellschaft zum Positiven verändern. An diesem Kampf beteiligen wir uns.
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident! Vor einiger Zeit habe ich mich mit meinem Bruder getroffen. Ich habe einen Bruder namens Edgardo Fatuzzo, der in Novara lebt, doch sehen wir uns leider sehr selten. Als wir das letzte Mal zusammenkamen und er hörte, dass ich, als gewählter Vertreter der Rentner, in Brüssel Abgeordneter der Rentnerpartei und in Italien Nationalsekretär dieser Partei bin, sagte er zu mir: „Du als Politiker, weißt Du denn, dass man uns Arbeitnehmern, wenn wir älter als 50 sind, deutlich zu verstehen gibt, man könne es nicht erwarten, bis wir unseren Arbeitsplatz frei machen, und dass man uns spüren lässt, wir stellten eine Belastung dar? Der Grund liegt darin, dass die Jüngeren mehr wissen und weniger verdienen; wir hingegen tun uns schwerer, mit der Entwicklung Schritt zu halten, und beziehen höhere Gehälter.“
Nun, ich möchte, dass auch als Mobbing gilt, wenn ältere Personen nur wegen ihres hohen Dienstalters davon betroffen sind, ein Aspekt, der in dem vorliegenden Bericht leider völlig unerwähnt bleibt.
Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL),schriftlich. – (FR) Der Bericht macht keinen Unterschied zwischen dem, was er als „Mobbing von oben nach unten (von einem Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen) oder von unten nach oben (von einem Untergebenen gegenüber einem Vorgesetzten), horizontales Mobbing (unter Kollegen auf der gleichen Ebene) oder gemischtes Mobbing“ bezeichnet.
Der Bericht verurteilt zwar das Mobbing, doch verschleiert er somit, dass die Beziehungen auf diesen einzelnen Ebenen nicht gleichwertig sind. Der Arbeitgeber übt eine Macht auf seine Angestellten aus, über die die Angestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber nicht verfügen.
Diejenigen, die sich an oberer Stelle der vom Arbeitgeber aufgestellten Hierarchie befinden, haben das Recht, über den Arbeitsplatz, ja sogar über die Beschäftigung ihrer Untergebenen zu entscheiden. Der neue Begriff „Mobbing am Arbeitsplatz“ beruht auf dem althergebrachten Ausbeutungsverhältnis.
Mit unserer Enthaltung wollen wir zum Ausdruck bringen, dass wir uns zwar der Verurteilung anschließen, so zurückhaltend sie auch formuliert sein mag, aber dass wir keine Lügen durch Weglassung unterstützen.
Figueiredo (GUE/NGL),schriftlich.– (PT) Wir haben für diesen Bericht gestimmt, da er unserer Ansicht nach das ernste Problem des moralischen – einschließlich des sexuellen – Mobbings am Arbeitsplatz richtig behandelt.
Wie im Bericht dargelegt, erklärten bei einer Umfrage der Dublin-Stiftung unter 21 500 Arbeitnehmern der Europäischen Union 8 %, in den letzten zwölf Monaten an ihrem Arbeitsplatz Mobbing ausgesetzt gewesen zu sein, was – extrapoliert auf die Gesamtzahl der Arbeitnehmer – bedeutet, dass in den 15 Mitgliedstaaten insgesamt vermutlich mehr als 12 Millionen Menschen dieser Situation ausgesetzt sind. Zwar ist, wie der Bericht hervorhebt, das wahre Ausmaß dieser Erscheinung nicht bekannt, doch es handelt sich um ein schwer wiegendes Problem des Arbeitslebens. Dabei tragen die wachsende Zahl von befristeten Verträgen und unsicheren Arbeitsverhältnissen, insbesondere bei Frauen, mit Sicherheit dazu bei, die Voraussetzungen für unterschiedliche Formen von Mobbing noch zu begünstigen.
Deshalb unterstützen wir die im Bericht zur Bekämpfung dieses Phänomens vorgeschlagenen Maßnahmen, so etwa die der Vorbeugung, der Vertiefung der Kenntnisse darüber, des Austauschs positiver Erfahrungen und der Vorlage eines Grünbuchs bis spätestens März 2002 und später eines Aktionsprogramms über Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene gegen das moralische Mobbing am Arbeitsplatz.
Krivine und Vachetta (GUE/NGL),schriftlich. – (FR) 8 % der Arbeitnehmer in der Union, also 12 Millionen Menschen, geben an, Opfer von Mobbing und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu sein. Dies hat verheerende Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit der Männer und Frauen – denn es handelt sich vorrangig um Frauen –, die darunter leiden. Wie der Berichterstatter hervorhebt, sind diese unterschiedlichen Formen des Mobbing auf „die zunehmende Zahl von befristeten Verträgen und die zunehmend unsicheren Arbeitsverhältnisse“ zurückzuführen. Um gegen diese Belästigung am Arbeitsplatz vorzugehen, ist es daher wichtig, jedem Arbeitnehmer wieder zu einem dauerhaften Arbeitsverhältnis, annehmbaren Arbeitsbedingungen und einem angemessenen Gehalt zu verhelfen. Doch es ist ebenfalls erforderlich, den Arbeitnehmern in ihren Unternehmen mehr Rechte zuzugestehen: das Recht auf Zusammenschluss, das Recht auf Verteidigung und das Recht auf soziale Leistungen (z. B. Arbeitsmedizin).
Zudem bedarf es in diesem Zusammenhang einheitlicher spezifischer Rechtsvorschriften, die in allen EU-Mitgliedstaaten gelten. Bisher hat nur Frankreich Anti-Mobbing-Gesetze erlassen. Es ist darüber hinaus ebenfalls wichtig, die Verantwortung des Arbeitsgebers in diesem Zusammenhang klarzustellen. Da der Bericht in die richtige Richtung geht, haben wir folglich für ihn gestimmt.
Malmström, Paulsen und Olle Schmidt (ELDR),schriftlich. – (SV)Wir haben uns bei der Abstimmung über den Bericht von Herrn Jan Andersson über Mobbing am Arbeitsplatz der Stimme enthalten.
Unsere Grundhaltung der Europäischen Union gegenüber ist positiv. Die europäische Integration eröffnet uns die Möglichkeit, Lösungen für grenzüberschreitende Probleme zu finden, wie etwa auf den Gebieten der Umweltfragen, des Handels, der grenzüberschreitenden Mobilität, der Menschenrechte und der Konfliktbewältigung. Wir glauben auch an das Subsidiaritätsprinzip, dass nämlich Beschlüsse so dicht wie möglich am Betroffenen gefasst werden sollten. Das ist auch der Grund, weshalb wir uns so aktiv für eine Verfassung der Europäischen Union einsetzen, bei der die Verteilung der Verantwortung für jedermann einsichtig ist. Es muss allen Bürgerinnen und Bürgern der EU deutlich werden, dass die Union sich ausschließlich mit jenen Fragen auseinander setzt, die sie am Besten lösen kann: den grenzüberschreitenden.
Mobbing am Arbeitsplatz ist ohne Zweifel ein großes Problem, und es muss alles Mögliche unternommen werden, um diesem Problem beizukommen. Wir sind jedoch der Ansicht, dass die EU nicht das Forum ist, um in dieser Frage Maßnahmen zu beschließen. Unserer Meinung nach sollte sich die EU lieber auf Fragestellungen konzentrieren, wo sie wirklich Nutzen bringen kann. Dieses Problem gehört ganz sicher nicht dazu.
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident! In dem vorliegenden Bericht von Herrn Coelho geht es um die Festlegung von Bestimmungen bezüglich des Überschreitens der Außengrenzen der Europäischen Union. Nicht vergessen dürfen wir dabei, dass sich unsere Grenzen in wenigen Jahren erweitern werden: Die Grenzen Europas werden sich weiter ostwärts verlagern. Deshalb müssen wir schon heute und nicht erst ab 2004 den Übergang an den neuen künftigen Grenzen, die nicht mehr den heutigen entsprechen, strikter regeln und die Freizügigkeit innerhalb unserer 15 Mitgliedstaaten tatsächlich und konkret verbessern. Fazit: Mehr Strenge an den Außengrenzen und mehr Zugang an den ehemaligen Binnengrenzen der 15 und künftig der 21 Mitgliedstaaten der Union.
Alyssandrakis (GUE/NGL),schriftlich. – (EL) Der Bericht enthält eine Vielzahl aufschlussreicher Angaben darüber, wie das System des Vertrags von Schengen in jenen zehn Mitgliedstaaten, die ihn uneingeschränkt zur Anwendung bringen, in der Praxis funktioniert, und rechtfertigt in hohem Maße unsere Bedenken hinsichtlich seines autoritären, undemokratischen und zentralistischen Zuschnitts. Im Einzelnen beklagt der Bericht Lücken und Versäumnisse in Bezug auf die Transparenz und die demokratische Kontrolle des Systems, dazu sogar Verstöße gegen die berühmte Charta der Grundrechte, ferner die Undurchsichtigkeit der Rolle von Europol sowie die mangelnde Information des Europäischen Parlaments usw. Besonders aufschlussreich ist der Bericht im Hinblick auf das Schengener Informationssystem (also die computergestützte Akte). 89 % der verzeichneten personenbezogenen Daten betreffen „unerwünschte“ Personen. Dokumente, die vernichtet werden müssten, verbleiben in den Unterlagen der Polizei. Ebenso werden Daten „über Personen, deren Identität missbräuchlich verwendet wurde“, beibehalten, „ohne dass versucht wird, den rechtmäßigen Namensträger darüber zu informieren“. Ferner „fehlen klare Kriterien für die Dateneingabe in das System, insbesondere in Bezug auf unerwünschte Ausländer“.
Im Hinblick auf die Freiheit des Personenverkehrs übt der Bericht Kritik an England und Irland, die an den Kontrollen der Außengrenzen festhalten, und auch an Frankreich, das aus Belgien oder den Niederlanden einreisende Bürger wegen der in diesen Ländern (insbesondere in den Niederlanden) gültigen Betäubungsmittelgesetze kontrolliert. Der Bericht schweigt jedoch dazu, dass Frankreich und Schweden EU-Bürger, die an den Protestaktionen in Nizza und Göteborg teilnehmen wollten, überprüft und ihnen die Einreise verweigert haben. Genua wiederum bietet ein äußerst plastisches Bild dessen, was Schengen wirklich bedeutet: einerseits die Beschränkung der Freiheit des Personenverkehrs mit strikter polizeilicher Überwachung und Einreiseverboten sowie andererseits die volle und unter Umständen missbräuchliche Nutzung der elektronischen Datenablage und der polizeilichen Zusammenarbeit im Rahmen von Europol.
All dies bestätigt, dass das Abkommen von Schengen ein Instrument zur besseren Unterdrückung, zur Erfindung und Verfolgung von Verdächtigen, zur Terrorisierung der wahren Volksbewegungen ist. Die Lage wird mit der Hexenjagd, die die USA mit Hilfe und Duldung der Europäischen Union aus Anlass der tragischen Ereignisse vom 11. September veranstalten, noch bedrohlicher. Vorgeblich im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus wollen sie jede Stimme knebeln, die sich gegen sie erhebt oder ihre volksfeindliche Politik auch nur in Frage stellt.
Von den Vorschlägen des Berichts sind einige technokratischer Art (bessere Information des Europäischen Parlaments, Verabschiedung eines verbindlichen Rechtsrahmens zum Schutz personenbezogener Daten, Aufwertung der Gemeinsamen Kontrollinstanz). In Verbindung damit schlägt der Bericht jedoch vor, ein gemeinschaftliches Informationssystem, d. h. ein integriertes Computernetz für die gemäß Schengen, Europol und Zollübereinkommen erfassten Daten zu schaffen – um, stets im Namen von Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit, den Bürger noch effizienter zu registrieren!
Aus diesen Gründen haben wir, die Abgeordneten der Kommunistischen Partei Griechenlands im Europäischen Parlament, gegen den Bericht gestimmt.
Berthu (NI),schriftlich. – (FR) Einige Tage nach den schrecklichen Attentaten in New York und Washington hat die Präsidentin von Eurojust, Michèle Conincx, die auch eine hohe belgische Richterin ist, am 14. September in einer großen Pariser Tageszeitung erstaunliche Feststellungen getroffen. Auf die Frage, ob sich die islamistischen Terroristennetze bereits massiv in Europa einnisten konnten, antwortete Frau Conincx: „Europa kann diesen Terroristen als logistische Rückzugsbasis dienen, denn seine Grenzen sind aufgrund des Schengen-Raums relativ leicht zu überschreiten.“
Diese ganz aktuelle Feststellung wird leider durch zahlreiche andere ergänzt, die im Verlauf der vergangenen Jahre in unterschiedlichen Bereichen gemacht wurden, wie z. B. Drogenhandel, Kunstraub, illegale Einwanderung, organisierte Kriminalität usw. Daher ist man doch sehr überrascht, wenn man den siegessicheren Bericht zum Schengener System liest, der uns heute vorgelegt wird. In der Einleitung des Rates liest man z. B., dass Tausende von Reisenden ungehindert die offenen Grenzen überquert haben, ohne dass die Sicherheit innerhalb des Schengen-Raums dadurch merklich beeinträchtigt worden wäre. Man muss sich fragen, ob der Verfasser des Berichts nicht unter Halluzinationen leidet.
Der Bericht des Europäischen Parlaments seinerseits enthält nicht nur dieselben Fehler, sondern fügt noch eine Aufforderung an das Vereinigte Königreich und Irland hinzu, sich voll und ganz am Schengen-Raum zu beteiligen, also ihre Personenkontrollen an den Grenzen vollständig abzuschaffen. Dies wäre höchst praktisch für Frankreich, denn so würden die vielen illegalen Einwanderer verschwinden, die im Norden Frankreichs unter dramatischen Bedingungen auf eine Möglichkeit warten, nach Großbritannien zu gelangen. Das grundlegende Problem ließe sich auf diese Weise jedoch nicht lösen: Wie konnten diese illegalen Einwanderer ungesehen bis nach Calais gelangen? Trägt hier nicht das Schengener System eine gewaltige Verantwortung?
Unmittelbar nach den terroristischen Attentaten auf die Vereinigten Staaten haben wir gefordert, dass die Europäische Union alle ihre Politiken überprüft, um der Sicherheit unserer Bürger neue Priorität zu verleihen. Gestern haben wir in diesem Saal zwar schöne Reden gegen den Terrorismus gehört, doch schon heute müssen wir feststellen, dass die gewohnte Fehlentwicklung bedenkenlos weitergeht.
Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL),schriftlich. – (FR) Unter dem Vorwand der schrittweisen Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der betroffenen Länder der Europäischen Union verstärkt das Schengener System die Kontrollen an den Außengrenzen der Union und erschwert die Einreisebedingungen.
Es wird zwar behauptet, Schengen erleichtere den Personenverkehr, doch er wird für all diejenigen erschwert, die nicht aus der Europäischen Union stammen. Mit unserem Votum gegen diesen Bericht wollten wir unsere Ablehnung gegen Geist und Buchstaben des Schengener Übereinkommens zum Ausdruck bringen.
Im Zuge der Erweiterung der Europäischen Union durch die Aufnahme einiger Länder Osteuropas wirkt sich das Schengener Übereinkommen in noch erschreckenderer Weise aus, da durch die Grenzen des Schengen-Raums zusätzliche Barrieren zwischen in mehreren Staaten lebenden nationalen Gemeinschaften geschaffen werden.
Zudem sind die wenigen Vorteile des Übereinkommens, d. h. die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums, höchst unsicher, da sie in das Ermessen der Staaten gestellt sind, die somit die Möglichkeit haben, diese Kontrollen wieder einzuführen.
Krivine und Vachetta (GUE/NGL),schriftlich. – (FR) Der Bericht von Herrn Coelho über die Entwicklung der Schengen-Kooperation kann uns aus mehreren Gründen nicht zufrieden stellen. Wenn man heute vorschlägt, die Logik des Schengener Übereinkommens zu stärken, dann verstärkt man die Ausgrenzung all der Asylbewerber und Einwanderer, die aus wirtschaftlichen und/oder politischen Beweggründen in der Europäischen Union leben und wohnen möchten. Diese Festung Europa ist ungerecht und unmenschlich, wie es die alltägliche Behandlung von Einwanderern in den Aufnahmeeinrichtungen, Gewahrsamseinrichtungen und anderen haftähnlichen Einrichtungen für Flüchtlinge beweist. Dieses Europa des Schengener Übereinkommens ist nicht demokratisch, wie auch der Berichterstatter betont, indem er darauf hinweist, dass „noch erhebliche, schwerwiegende Mängel hinsichtlich der Transparenz und der demokratischen Kontrolle“ bestehen. Wir benötigen eine neue Politik der Aufnahme von Migranten, mit der alle Immigranten ohne Papiere legalisiert und die Grundrechte geachtet werden.
Wie glaubwürdig kann dieser Raum ohne Grenzen sein, der den freien Personenverkehr gewährleisten soll, wenn sich die Staaten das Recht vorbehalten, ihre Grenzen für friedliche Demonstranten zu schließen, wie es während der Gipfeltreffen von Nizza oder Genua geschehen ist? Das Recht auf Freizügigkeit in Europa muss als unveräußerliches Recht anerkannt werden. Aus diesen Gründen können wir nicht für den Bericht stimmen.
Marchiani (UEN),schriftlich. – (FR) In Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union setzt sich die Union das Ziel der „Erhaltung und Weiterentwicklung der Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem ... der freie Personenverkehr gewährleistet ist“.
Mit anderen Worten wird der freie Personenverkehr, den man häufig ein wenig zu schnell mit dem Schengener Übereinkommen gleichsetzt, gemäß diesem Übereinkommen erst dann selbstverständlich, wenn Freiheit, Sicherheit und Recht gewährleistet werden können.
Nun werden uns aus aktuellem Anlass aufgrund der irrsinnigen Attentate auf die Vereinigten Staaten gewisse Tatsachen auf grausame Weise vor Augen geführt: das theoretische Konstrukt eines westlichen Refugiums, das vor Gewalt geschützt ist und in dem es nur noch darum geht, Rechte zu gewähren, ohne Pflichten einzufordern, und in dem Zwangsmaßnahmen grundsätzlich unangebracht sind, wurde soeben zunichte gemacht.
Wir sind zwar nicht der Auffassung, dass uns unsere offenkundige Solidarität mit den Opfern und dem Volk der USA zwangsläufig dazu veranlassen muss, uns von nun an blind an jedem in Washington geplanten Kreuzzug zu beteiligen, aber es steht doch fest, dass dieselbe Form der Bedrohung auch über unseren europäischen Hauptstädten lastet.
Angesichts der Ereignisse erscheint uns Ihr Bericht, Herr Coelho, völlig realitätsfern, denn unserer Ansicht nach war die Wiederaufnahme der Grenzkontrollen niemals so notwendig wie heute.
(Beitrag in Anwendung von Artikel 137 Geschäftsordnung gekürzt.)
Der Präsident. – Damit sind die Erklärungen zur Abstimmung abgeschlossen.(1)