Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Fortsetzung der gemeinsamen Aussprache über zwei Berichte des Ausschusses für Wirtschaft und Währung von Herrn Trentin und Herrn Marinos.
García-Margallo y Marfil (PPE-DE).– (ES)Herr Präsident, um die Diskussion zu verstehen, die wir hier zu den beiden großartigen Berichten von Herrn Trentin und Herrn Marinos führen, sollte daran erinnert werden, dass Maastricht nicht einfach ein weiterer Europäischer Rat war; es war praktisch ein Konzil, auf dem zwei Dogmen bestätigt wurden: das Dogma der Preisstabilität und das Dogma des Haushaltsgleichgewichts.
Lissabon und Barcelona fügen ein weiteres Dogma, eine Explizierung der Lehrmeinung, hinzu und bezeichnen die Reform als einzigen Weg der Erlösung, wobei unter Erlösung die Überwindung der Kluft zu verstehen ist, die uns von den USA trennt. Die Verteidigung des Dogmas wird der Europäischen Zentralbank – der Hüterin des Glaubens im Bereich der Währungspolitik – übertragen, wenngleich es im Bereich der gesamtwirtschaftlichen und der Haushaltspolitik, in dem die Gefahr des Auseinanderdriftens der Gemeinschaft noch größer ist, schwer zu ergründen ist, wem diese Rolle zukommt.
Derzeit erleben wir die Auferstehung von abweichlerischen und widernatürlichen Verhaltensweisen und – was am schlimmsten ist – das Auftreten von Lehrmeinungen – weniger im Bereich der Währungspolitik, als vielmehr in den Bereichen der Haushaltspolitik und der Makroökonomie – die diese Art von Perversionen zu rechtfertigen versuchen. Die Dokumente wiederholen sich und bestätigen immer wieder die Dogmen, aber es fehlt an Koordinierung und Entschlossenheit.
Zu diesem Zeitpunkt, da wir die Reform der Verträge in Angriff nehmen und der Konvent seine Tätigkeit aufgenommen hat, möchte ich deshalb im Zusammenhang mit diesen Grundzügen der Wirtschaftspolitik und mit den Grundzügen der Beschäftigungspolitik erklären, dass sie dazu dienen sollten, eine gemeinsame Diagnose zu erstellen sowie klare Verhaltenslinien und eindeutige Systeme für Sanktionen oder Strafen bei abweichendem Verhalten festzulegen.
Ich möchte auch – das wird wahrscheinlich Frau Randzio-Plath erläutern –, dass die Kommission weiterhin der Motor ist und das Initiativmonopol behält und dass der Grundsatz der qualifizierten Mehrheit parallel und gemeinsam mit dem der Mitentscheidung auf die meisten gesamtwirtschaftlichen Bereiche ausgedehnt wird. Herr Solbes ist kein bloßer Messdiener; er ist ein Kirchenfürst, und er spielt in diesem Reformprozess eine grundlegende Rolle als Speerspitze, wie San Vicente Ferrer.
Randzio-Plath (PSE) . – Herr Präsident! Die Interdependenz von Makropolitik und Vollbeschäftigung ist evident. Wir brauchen ein Wachstum oberhalb des Produktivitätswachstums, um Vollbeschäftigung zu erreichen und die Erwerbsquote auf das Niveau anderer Weltregionen anzuheben. Wir brauchen die Vollbeschäftigung im Übrigen, um die Binnennachfrage anzukurbeln und auch Einnahmen der EU-Staaten zu erzielen. Für ein nachhaltiges Wachstum auf einem hohen Niveau über eine längere Zeit ist dies eine Voraussetzung, die in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik in einer deutlicheren Sprache und mit Vorgaben als Auftrag an die Mitgliedstaaten stärker deutlich gemacht werden sollte.
Die jetzige Vorlage setzt immer noch zu stark auf Strukturreformen. Sie können aber nur begrenzt als Wachstums- und Beschäftigungsmotor dienen. Zweifellos wird die Umsetzung des Finanzaktionsplans einen Teil der Produktivitätslücke zwischen der Europäischen Union und den USA schließen, aber eben nur teilweise. Deswegen muss auf ein höheres Investitionsniveau gesetzt werden. In den USA waren in den 90er Jahren mit starken Wachstums- und Beschäftigungseffekten Investitionssteigerungen um 4 % möglich. Warum nicht in der EU? Die Grundzüge der Wirtschaftspolitik machen zu Investitionen nur unzureichende Vorgaben. Es ist ein Fortschritt, das will ich nicht verkennen, wenn alle EU-Mitgliedstaaten 3 % des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung investieren sollen und wollen, und auch in Humanressourcen stärker investiert werden soll. Schließlich sind die Humanressourcen der Rohstoff Europas.
Mehr aber noch muss in Bildung und Qualifizierung investiert werden, wenn die wissensbasierte Gesellschaft europäische Realität werden soll. Die Investitionen müssten von 21 % auf 25 % steigen. Das gilt in erster Linie für die privaten Investitionen, die die Produktionskapazitäten und Jobs schaffen würden, die dieses nachhaltige Wachstum auf eine längere Dauer möglich machen, aber auch den technologischen Fortschritt organisieren könnten und damit wiederum zur Nachfragesteigerung beitragen würden. Aber auch die öffentlichen Investitionen müssen anziehen. Wir brauchen hier Investitionen vor allem im Bereich der Infrastrukturmaßnahmen, die durch die Konsolidierungsprozesse im Jahr 2001 mit einem Wert von 2,3 % des Bruttoinlandsprodukts besonders gelitten haben, weil sie besonders stark betroffen waren. Hier sollte eine Zielvorgabe von 3 % für die Stabilitätsprogramme eingeführt werden. Ich denke, das wäre eine Überlegung wert.
Eine Schlussbemerkung: Die Kommission erwähnt zu Recht die Notwendigkeit der Koordinierung der Steuerpolitiken. Wir wissen, dass die Unternehmen inzwischen auch kritisieren, dass in der EU die Planbarkeit in Bezug auf die Besteuerung und vor allen Dingen in Bezug auf die grenzübergreifenden Wirtschaftstätigkeiten, die wir gerne wollen, nicht gegeben ist. Von daher müsste in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik alles dafür getan werden, dort Koordinierung zu forcieren, wo Störungen beim Funktionieren des Binnenmarktes auftreten.
Mayol i Raynal (Verts/ALE). – (FR) Der treffliche Doktor Duisenberg kündigt uns seit Monaten den wirtschaftlichen Aufschwung an. Ihm geht es wie jenen Zeitgenossen, die alles durch die rosarote Brille sehen. Auch die Wahrsagerin sieht das Glück im Kaffeesatz. Dabei muss man sich vielmehr fragen, ob wir uns nicht schon in einer Rezession befinden.
Angesichts dieser Realitäten richten die liberalen Auffassungen, von denen sich die Europäische Union in ihrer Wirtschaftspolitik leiten lässt, einigen Schaden an. Der so genannte Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie die Unabhängigkeit der Zentralbank nehmen den staatlichen Behörden jede Möglichkeit, die Krise zu bannen. Angesichts dieser Realitäten handelt es sich bei der viel zitierten Erklärung von Lissabon wohl eher um bloße Beschwörungen als um wirkliche Politik, und mit den Empfehlung der Kommission zu den Grundzügen der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft für 2002 sieht es nicht viel besser aus.
Wenn die unsichtbare Hand des Marktes funktioniert, dann läuft alles so einigermaßen. Aber eben nur einigermaßen, denn immerhin vertieft sich die Kluft zwischen Arm und Reich unaufhörlich. Was in einer Welt wie der unseren tragische Auswirkungen haben kann, denn wie am Beispiel Frankreichs ersichtlich, liegen die Demagogen auf der Lauer, um diese Situation auszunutzen.
Am Rande sei angemerkt, dass ich der Handvoll Kollegen gratuliere, die zusammen mit der NRO Quart-monde vor kurzem den Gipfel des Europas der Armen organisiert haben. Dieses Europa umfasst heute 17 % der Bevölkerung, d. h. 60 Millionen Menschen, die von weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens leben müssen.
Doch kommen wir, wenn Sie gestatten, auf diese unsichtbare Hand zurück. Wenn diese Hand zu zittern beginnt, steif wird, die Gicht bekommt, was heute der Fall zu sein scheint, dann läuft nichts mehr. Die Mitgliedstaaten werden größte Mühe haben, die liberalen Verbote wie die berüchtigte 3 %-Schwelle einzuhalten. Ganz zu schweigen von dem ausgeglichenen Haushalt bis 2004! Mehrere Länder befinden sich bereits in Schwierigkeiten, so z. B. Deutschland. Und dabei handelt es sich – wie Sie wissen – um die stärkste Volkswirtschaft der Fünfzehn. Wenn Berlin niest, bekommt Europa einen Schnupfen. Doch es gibt auch ein anderes Beispiel, das auf der anderen Seite des Atlantiks zu sehen ist. Mit ihrem bekannten Pragmatismus haben die USA, jene unermüdlichen Befürworter des Wirtschaftsliberalismus, wieder einmal demonstriert, dass man manchmal auch zu antiliberalen Maßnahmen greifen muss. Davon könnten wir uns diesseits des Atlantiks eine Scheibe abschneiden.
Zaghaft, all zu zaghaft – ich komme zum Schluss, Herr Präsident – schlägt der Berichterstatter homöopathische Änderungen am liberalen Kredo der Kommission vor. Trotz meiner Wertschätzung, die ich für Bruno Trentin empfinde, ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Bordes (GUE/NGL). – (FR) Anders als Rat und Kommission, welche die Regierungen repräsentieren, gilt das Europäische Parlament als demokratische Vertretung der gesamten Bevölkerung. Doch an dem Bericht Trentin wird deutlich, dass das Parlament zwar von allen gewählt wird, aber lediglich die Interessen der Unternehmerschaft vertritt, die im Widerspruch zu denen der arbeitenden Klassen der Union stehen.
Die vom Berichterstatter des Parlaments geforderten Änderungen gehen alle in die gleiche Richtung: sie verschlechtern die Lage der Arbeitnehmer. Im Bericht wird die Flexibilisierung im Beschäftigungsbereich gefordert. Er befürwortet, was unverschämterweise als aktives Altern bezeichnet wird, d. h. dass länger gearbeitet und das Rentenalter erhöht werden soll. Wenn er von Sozialpolitik spricht, dann um mit zynischer Brutalität zu erklären, dass sie ein produktiver Faktor sein müsse. Wenn z. B. eine Politik der Weiterbildung gefordert wird, dann nur, um den Unternehmern mobile und gemäß deren Bedürfnissen qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen.
Was die so genannten Umstrukturierungsprozesse – bei denen es sich in Wirklichkeit um Massenentlassungen handelt – betrifft, so begnügt er sich, die vorherige Konsultation der Arbeitnehmer zu fordern. Die einzige in diesem Bericht vorgesehene soziale Maßnahme besteht also darin, dass die Arbeitnehmer rechtzeitig zu informieren sind, dass sie entlassen werden.
Wir werden gegen diesen nur den Unternehmern dienenden Text stimmen.
Andria (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, ich beziehe mich insbesondere auf den Bericht von Herrn Marinos, der sicher unsere Anerkennung verdient, weil es ihm gelungen ist, alle aktuellen Themen von großer wirtschaftlicher Bedeutung in den modernen entwickelten Gesellschaften zu berühren. Kapitalbewegungen, Einwanderungsströme, Arbeitsmarkt und Rentensysteme wurden analysiert und mit zusammenfassenden Lösungsvorschlägen verbunden.
Dreh- und Angelpunkt des wirtschaftlichen Panoramas in der Union ist und bleibt jedoch der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der siegreich aus der wirtschaftlichen Krise der letzten Monate hervorgeht. Nach dem 11. September waren wir nur wenige, die daran glaubten, dass die Parameter des Pakts eingehalten werden könnten. Heute jedoch räumen die Skeptiker, oder zumindest viele von ihnen, ein, dass sie sich geirrt haben, und sie haben ihre Meinung geändert. Die Staaten, die einige Probleme hatten und sich dafür rechtfertigen mussten, insbesondere Deutschland und Portugal, haben nach Kräften daran gearbeitet, die Unsicherheiten auszuräumen und einige Kennziffern, die Aufmerksamkeit erregten, wieder in Ordnung zu bringen.
Der Berichterstatter deckt mit großem Sachverstand alle wirtschaftlichen Themen und die wichtigen Gipfeltreffen von Lissabon bis Barcelona ab, wobei er die großen Probleme des immer höher werdenden Anteils der Senioren an der Bevölkerung und der wachsenden Zahl von Wirtschaftsflüchtlingen behandelt, die mit ihren Familien einen schwankenden Unsicherheitsfaktor für die Aufnahmestaaten darstellen, weil sie teilweise vom Schwarzarbeitsmarkt aufgesogen werden.
In Ziffer 20 des Berichts findet sich zwar ein Bezug zum Arbeitsmarkt, doch erfordert diese Problematik eine umfassendere und gründlichere Behandlung. Das System des profit sharing, d. h. der Aktien- bzw. Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer, sowie des profit related pay, also der steuerlichen Entastung der Löhne, die im Vereinigten Königreich 20 Prozent der beschäftigten Arbeitskräfte betrifft, sind Modelle, die fruchtbringend vertieft und angewandt werden müssen.
Das Bemühen um bessere und produktivere Arbeitsformen muss mit dem Streben nach einer Verbesserung der Arbeitsqualität verbunden werden. Die Arbeit muss sich inhaltlich im Hinblick auf die Kreativität, die Befriedigung sozialer Bedürfnisse und die Vervollkommnung der Persönlichkeit entwickeln. Die Erhöhung des beruflichen Niveaus ist zum einen die Voraussetzung für die Neuordnung des Produktionssystems und zum anderen deren Ergebnis. Der Bildungsstand des Arbeitnehmers wird erhöht und sein schöpferischer Beitrag voll zur Geltung gebracht. Allen einen Arbeitsplatz zu geben ist eine verfassungsmäßige und eine moralische Verpflichtung.
Berès (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich in meinem Redebeitrag auf den Bericht von Bruno Trentin konzentrieren und ihm zunächst zu der Qualität des Beitrags gratulieren, den das Europäische Parlament auf diese Weise zur Erarbeitung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik leisten kann. Lassen Sie mich nun auf zwei Punkte eingehen.
Erstens, ebenso wie die Kommission und der Rat misst auch das Europäische Parlament der Erarbeitung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik sehr große Bedeutung bei. Wenn dies allerdings nur eine akademische Übung bleiben sollte, dann würden wir unsere Zeit vergeuden. Diese Grundzüge der Wirtschaftspolitik haben nur einen Zweck, wenn sie in der Folge ermöglichen, die nationalen Parlamente einzubeziehen, damit diese zu dem Zeitpunkt, da sie die Haushalte der Mitgliedstaaten aufstellen, sich diese Grundzüge vor Augen halten. Sie haben nur dann einen Zweck, wenn in der Folge die Regierungen – vor allem die der Eurozone – bereit sind, ihre Wirtschaftspolitiken in Bereichen wie Haushalt, Steuern, Strukturpolitiken stärker zu koordinieren. Anderenfalls wird das, was wir hier tun, zu nichts nütze sein. Und dann wird man aufwachen, wenn es zu spät ist, wenn die Kommission gezwungen ist, das Mahnverfahren einzuleiten. Wir verfügen über ein wunderbares Instrument, das wir nutzen sollten, um die Koordinierung zu verbessern.
In gleichem Sinne geht es bei meinem zweiten Punkt um den Beitrag, den das Europäische Parlament bei der Ausarbeitung dieser Grundzüge der Wirtschaftspolitik leisten kann. Wir wollen, dass die vom Parlament vorgeschlagenen Änderungen vermittels des Konvents, aber auch über eine bestimmte Praxis stärker bei der endgültigen Abfassung der wirtschaftspolitischen Grundzüge berücksichtigt werden. Und in diesem Zusammenhang möchte ich drei Änderungsanträge hervorheben, die Ihnen hier durch Ihren Ausschuss vorgeschlagen werden.
Beim ersten, dem Änderungsantrag 6, geht es um die Rolle der Sozialpartner und den makroökonomischen Dialog mit dem Ziel der Unterstützung einer Beschäftigungspolitik. Meiner Meinung nach handelt es sich um einen sehr wesentlichen Änderungsantrag. Der zweite ist Änderungsantrag 7. Ich möchte bestimmte Mitgliedstaaten auffordern, sich ihn doch etwas genauer anzuschauen, wenn die Rede von Steuersenkungen ist, die nur im Rahmen eines ausgeglichenen Verhältnisses in Bezug auf Schuldenabbau und Neuabgleich zugunsten öffentlicher Investitionen in Erwägung gezogen werden können.
Der dritte Änderungsantrag wird Sie nicht erstaunen. Im Grunde handelt es sich um zwei – die Änderungsanträge 16 und 18, in denen sehr zu Recht die Bedeutung hervorgehoben wird, die den öffentlichen Dienstleistungen als Beitrag zum sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union sowie zur Fähigkeit der Schaffung von Arbeitsplätzen zukommt.
Solbes,Kommission. – (ES) Herr Präsident, ich will versuchen, Antworten zu geben, und einige Bemerkungen zu beiden Berichten und zu den im Laufe des Tages in diesem Hohen Haus vernommenen Redebeiträgen machen.
Zunächst möchte ich mit dem Kommentar zum Bericht von Herrn Trentin beginnen. Dabei will ich vor allem das innovative Konzept des Berichts hervorheben. Zum ersten Mal wird nicht ein Bericht allgemeiner Art vorgestellt, sondern es wird die Technik des Vorschlags von Änderungsanträgen zur Empfehlung der Kommission angewendet. Ich würde sagen, das geht in dieselbe Richtung wie der Vorschlag von Frau Berès. Es stimmt wohl, dass wir noch eine Übung durchführen, die nicht der gegenwärtig in Kraft befindlichen Regelung entspricht, aber sie kann zweifellos sehr nützlich für künftige Entwicklungen unseres Systems der Aussprachen sein.
Aus seinem Bericht möchte ich eine Reihe spezifischer Elemente hervorheben, die mir besonders wichtig erscheinen. Um vorab eine Bemerkung zum Anwendungsbereich zu machen: Ich teile seine globale Sichtweise, in die er solche Aspekte wie Wirtschaft, soziale Angelegenheiten und Umweltfragen einbezieht, und in diesem Zusammenhang würde ich auch gern den Beitrag von Herrn Blokland erwähnen, der die Notwendigkeit hervorhob, den Umweltthemen mehr Beachtung zu schenken, die doch eigentlich ziemlich eindeutig in den seinerzeit zu diesen Punkten angenommenen Schlussfolgerungen erfasst sind.
Aus dem Bericht von Herrn Trentin will ich zwei Punkte herausstellen: seine Verweise auf die Investitionen und den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. Was die Investitionen anbelangt, so wurden sie im Laufe des Tages mehrfach angesprochen, und ich würde gern auf sie eingehen.
Aus unserer Sicht ist das erste in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik enthaltene grundlegende Element für das Funktionieren der Investitionen eine gesunde makroökonomische Politik. Das schließt Preisstabilität, Reduzierung von Risikoprämien, Verringerung von Zinssätzen, voll einsatzfähige automatische Stabilisatoren und insgesamt größere Möglichkeiten im Hinblick auf das Vertrauen in die Investitionen ein. Die Grundzüge der Wirtschaftspolitik beinhalten jedoch auch einige spezifischere Elemente, die aus dieser Sicht relevant sein können: Verbesserung der Qualität der öffentlichen Finanzen mit Bildung von Sachkapital und Humankapital (das ist ein im Dokument enthaltener Hinweis). Wir sprechen auch von der stärkeren Entwicklung der integrierten Netzwerke und ihres wirksameren Einsatzes, und ich werde später noch eine Bemerkung zu den Darlegungen von Herrn Goebbels in Bezug auf die Energie, den Verkehr und die Kommunikation machen.
Wir treiben im Einklang mit den Festlegungen von Lissabon und Barcelona auch die Förderung der Investitionen in Wissen voran und sind der Ansicht, dass wir nicht nur in Menschen, in Bildung, Berufsausbildung und Lehre investieren müssen, sondern wir schlagen auch ein spezifisches Ziel für die Forschung und Entwicklung von bis zu 3 % des BIP vor, das im Jahr 2010 erreicht werden sollte. Ich sagte, dass wir bei der Analyse der Grundzüge der Wirtschaftspolitik auch einige spezifische Bezugspunkte, zum Beispiel zu den Investitionen in große Netzwerke und ihr mögliches wirksameres Funktionieren erkennen können. Ich muss in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die Kommission im Dezember bei den Energie- und Infrastrukturnetzen vorgeschlagen hat, die Kofinanzierungssysteme seitens der Europäischen Investitionsbank zu verbessern, und auch die Möglichkeit anregte, einige Engpässe in den grenzüberschreitenden Lieferungen sowohl bei der Elektroenergie als auch beim Gas zu beseitigen, was es uns erlauben würde, die Verbindungsleitungen zu verbessern und letztendlich unser Ziel zu erreichen, unseren Wettbewerb im Energiebereich bis zum Jahr 2005 zu vervollkommnen. Etwas Ähnliches tun wir in Bezug auf die Interoperabilität der Eisenbahn, und zwar immer mit dem Ziel – wie ich vorhin sagte –, die Leistungsfähigkeit unseres Systems zu verbessern. Natürlich ist es entscheidend – und Herr Goebbels hat diesen Punkt angesprochen –, dass es sich um gesunde Investitionen handelt und öffentliche Gelder nicht falsch verwendet werden.
Auch Frau Randzio-Plath hat das Problem der Investitionen angesprochen und dabei diesen mir sehr ehrgeizig erscheinenden Gedanken geäußert, man sollte versuchen, in der Europäischen Union – sie sagt, wie in den USA – öffentliche Investitionen in Höhe von 3 % zu erreichen. Dies sehen wir als Kommission allerdings nicht quantitativ, sondern vielmehr qualitativ. Wir verleihen dem in unseren Grundzügen gebührenden Nachdruck, um die Bedeutung dieser Fragen hervorzuheben.
Herr Marinos geht in seinem Bericht in direkterer Weise auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt ein, und im Laufe der Aussprache heute Vormittag und Nachmittag sind einige Elemente angesprochen worden, die mir besonders wichtig erscheinen.
Herr Marinos betont die Wichtigkeit – und ich muss ihm dafür danken –, den Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner gegenwärtigen Form beizubehalten. Er meinte, man solle speziell gegenüber den großen Ländern keine politischen Zugeständnisse machen. Dies ist niemals die Sicht der Kommission gewesen. In der Sicht der Kommission sollte allen Mitgliedstaaten die gleiche Behandlung zuteil werden, und so sind wir vorgegangen. Wir haben sogar einige Instrumente angewendet, die eine gewisse öffentliche Debatte ausgelöst haben; ich spreche natürlich von der Frühwarnung oder early warning, die wir auf die Situation in Deutschland und Portugal angewendet haben, wobei wir letztendlich nicht mit dem Verfahren – das habe ich als Kommissionsmitglied mehr als einmal betont –, aber mit der Zielsetzung zufrieden sein dürften.
Ein zweiter Punkt, der von Herrn Marinos angesprochen wurde und den auch einige Redner hervorgehoben haben, ist die Frage, ob die Grundzüge der Wirtschaftspolitik und der Stabilitäts- und Wachstumspakt sich ergänzende oder in gewissem Maße sich widersprechende Instrumente sind. Aus der Sicht der Kommission sind die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der allgemeine Rahmen, und der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist das Instrument, über das wir verfügen, um eine Koordinierung in dem spezifischen Bereich des Haushaltsdefizits vorzunehmen. Dies ist ein grundlegender Punkt, um die beiden Ziele zu erreichen, die wir durch die Koordinierung der Wirtschaftspolitik anstreben: dass die Steuerpolitik nicht die Währungspolitik behindert und dass keine externen oder Spin-over-Effekte mit negativen Auswirkungen auf andere Länder entstehen.
Unserer Meinung nach ist es von grundlegender Bedeutung, den Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner gegenwärtigen Form beizubehalten, und wir sind der Ansicht, dass die Defizite der schlimmste Feind des Wachstums sind, wie es uns die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben. Daher ist es entscheidend, über gesunde makroökonomische Positionen zu verfügen, um das Wachstum und in der Folge die Beschäftigung zu erhöhen. Dies bedeutet, dass der Stabilitätspakt nicht etwas Starres ist, das eine Anpassung an die Realität unmöglich macht.
Wir glauben, dass uns gerade die Erfahrungen der beiden letzten Jahre zeigen, und dies geht aus unseren Vorschlägen klar hervor, dass der Stabilitätspakt auch in Situationen des Abschwungs der Wirtschaftstätigkeit funktionieren kann. Herr Jonckheer brachte heute Vormittag diese Sorge zum Ausdruck. Ich würde sagen, dass der Pakt gut funktioniert hat, dass die automatischen Stabilisatoren uns erlaubt haben, eine in steuerlicher Hinsicht expansive Politik zu betreiben. Es stimmt, dass es keine diskretionäre Politik gewesen ist, aber wir denken, dass der Pakt in Europa – relativ gesehen und aufgrund der Bedeutung der automatischen Stabilisatoren – so wichtig ist, wie es vielleicht bestimmte diskretionäre Maßnahmen in den USA sind. Unserer Ansicht nach besteht der Vorteil des von uns vorgeschlagenen Systems nicht nur in seinem Automatismus, sondern auch in der Vermeidung von künftigen Problemen, besonders wenn wir uns neuen Situationen der wirtschaftlichen Erholung stellen müssen, in denen wir von relativ bequemen Positionen in Bezug auf das Haushaltsgleichgewicht ausgehen.
Einige weitere Themen wurden heute Vormittag und heute Abend angesprochen. Herr García-Margallo y Marfil ist heute Abend in einer möglicherweise für ihn und für mich üblichen Form auf die Positionen der Dogmen und die kirchlichen Definitionen des Hüters des Dogmas eingegangen. Natürlich will niemand Hüter irgendeines Dogmas sein, aber es ist sehr wohl klar, dass uns als Kommission die Rolle der Hüterin der Verträge zukommt, was bedeutet, dass wir verpflichtet sind, die Dinge so anzuwenden, wie sie festgelegt worden sind. Und in diesem Sinne halten wir es für grundlegend, dass der Stabilitätspakt weiterhin auf alle Länder zu denselben Bedingungen wie bisher angewendet wird.
Ich möchte zwei weitere Bemerkungen zu den heute Vormittag behandelten Fragen machen. Das Problem der Erweiterung, wie jemand von Ihnen sagte, ist nicht Gegenstand der Grundzüge der Wirtschaftspolitik. Es gibt spezifische Dokumente, die dieses Thema behandeln, und wir arbeiten an einem System, das es uns gestattet, uns schrittweise an die Grundzüge anzunähern, damit wir sie zum gegebenen Zeitpunkt, wenn die Erweiterung erfolgt, anwenden können. Die zweite Bemerkung ist an Frau Berès gerichtet: Ich habe mit Interesse Ihre Gedanken zu den spezifischen Änderungsvorschlägen zur Kenntnis genommen, und wir werden sie sehr gern dem Rat übermitteln, denn ihm obliegt es jetzt bereits, die Beschlüsse über die Grundzüge der Wirtschaftspolitik zu fassen, da sie den Zuständigkeitsbereich der Kommission schon verlassen haben.
Der Präsident. – Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung über den Bericht Trentin findet am Donnerstag und die Abstimmung über den Bericht Marinos findet morgen um 11.30 Uhr statt.