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Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 27. März 2003 - Brüssel Ausgabe im ABl.

2. Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften und Europäische Staatsanwaltschaft
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache zum Bericht (A5-0048/2003) von Frau Theato im Namen des Ausschusses für Haushaltskontrolle über das Grünbuch der Kommission zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und zur Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft (KOM(2001) 715 – C5-0157/2002 – 2002/2065(COS)).

 
  
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  Theato (PPE-DE), Berichterstatterin. – Herr Präsident! Im Dezember 2001 verabschiedete die Kommission ihr Grünbuch zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft und zur Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft. Damit hat sie eine breite Diskussion über juristische Kreise hinaus unter Wissenschaftlern und Praktikern hervorgerufen. Das war auch ihre Absicht, und ich möchte der Kommission dafür danken.

Auch das Europäische Parlament hat sich in die Debatte eingeschaltet. Bereits vor dem Erscheinen des Grünbuchs hat es in mehreren Entschließungen einen besseren Schutz der EU-Finanzen durch die Einrichtung eines europäischen Finanzstaatsanwalts gefordert, der für die zunehmenden Fälle von grenzüberschreitender Kriminalität zu Lasten des EU-Haushalts zuständig sein soll.

Die Zeit ist reif. Die EU steht vor der Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten im kommenden Jahr. Der Gemeinschaftshaushalt wird weiter anwachsen, die Verwaltung der europäischen Gelder noch komplexer werden. Gleichzeitig wird die grenzüberschreitende Kriminalität zunehmen, die dank der modernen Technologie immer professioneller wird. Die territoriale Zersplitterung der Strafrechtssysteme und die Schwierigkeiten in der justiziellen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten sind Grund dafür, dass Straftäter nur selten gefasst, ja, noch seltener verurteilt werden. Die Statistiken beweisen, dass jährlich dem Haushalt der EU ein Schaden von bis zu 1 Milliarde Euro zugefügt wird, der auf das Konto von international tätigen und organisierten Straftätern geht. Mit diesem Geld werden möglicherweise andere kriminelle Strukturen finanziert. Bestes Beispiel ist der Zigarettenschmuggel. Das Geld der europäischen Steuerzahler ist verloren für die eigentlichen Ziele der EU. Ich wiederhole: verloren, da wir in Europa bis heute noch nicht über effiziente Strukturen zur Strafverfolgung von EU-Finanzdelikten verfügen.

Der Rat hat die Gefahr insofern erkannt, als er im Maastricht-Vertrag den Schutz der finanziellen Interessen in der ersten Säule verankerte und im Amsterdam-Vertrag die Zusammenarbeit mit der Kommission festschrieb. Mit dem heutigen Bericht des Haushaltskontrollausschusses reiht sich das Parlament in die 72 Stellungnahmen ein, die die Kommission bisher von verschiedenen Seiten zum Grünbuch erhalten und bearbeitet hat.

Wohlgemerkt: Unser Bericht ist ein Initiativbericht, kein legislativer! Wir haben uns im Ausschuss die Zeit zur gründlichen Analyse der Thematik „Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft“ genommen, haben Fachleute mit externen Studien beauftragt, eine Anhörung mit den nationalen Parlamenten und Vertretern der Zivilgesellschaft veranstaltet. Wir schlagen nun mit diesem Bericht Optionen vor, verlangen Verbesserungen von der Kommission, insbesondere im Hinblick auf die Wahrung der Grund- und Verteidigungsrechte, die Kontrolle des europäischen Staatsanwalts und seine Verknüpfung mit den bereits bestehenden Strukturen. Wir wollen Verknüpfung mit den bestehenden Strukturen OLAF, Eurojust und Europol. Wir wollen damit Doppelstrukturen vermeiden, gleichzeitig aber mit dem Finanzstaatsanwalt ein effizientes Instrument zum Schutze der EU-Finanzen auf europäischer Ebene schaffen. Es gibt klare Vorschläge, wie der künftige europäische Finanzstaatsanwalt mit den nationalen Instanzen in den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten könnte. Das Subsidiaritätsprinzip ist hier Maxime. Sämtliche Fragen des Funktionierens der Staatsanwaltschaft können dann durch das abgeleitete Recht geregelt werden.

Ich möchte den Kollegen aus meinem Ausschuss, aber auch aus dem konstitutionellen, dem Rechts-, dem Innen- sowie dem Petitionsausschuss herzlich für ihre positive und konstruktive Zusammenarbeit danken. Ihre Anträge sind in dem vorliegenden Bericht eingearbeitet. Unser Hauptanliegen ist es, dass eine dementsprechende Rechtsgrundlage zur Schaffung dieser Staatsanwaltschaft im Vertrag festgelegt wird und der Rat mit Zustimmung des Europäischen Parlaments dieses neue Organ ernennt. Die Revision der Verträge bleibt damit unabdingbare Voraussetzung, denn nur eine Vertragsreform kann den Vorschlag legitimieren. Wir appellieren an den Europäischen Konvent, jetzt diese Rechtsgrundlage für die Einrichtung eines europäischen Staatsanwalts zum Schutz der finanziellen Interessen der EU vorzusehen, damit sie auf die Tagesordnung der Regierungskonferenz 2004 kommt.

Wie gesagt, die Zeit ist reif. Unser Anliegen ist es, dass noch vor der Erweiterung in der Europäischen Union und für die Europäische Union die Mittel geschaffen werden, den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft zu stärken und sicherzustellen. Denn wir alle wollen einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem Betrug und Korruption zu Lasten des EU-Haushalts und damit zu Lasten der europäischen Steuerzahler Einhalt geboten wird.

(Beifall)

 
  
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  Paciotti (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten. – (IT) Herr Präsident, ich pflichte den Ausführungen der Berichterstatterin bei und gratuliere ihr zu ihrem Bericht. Das Verfahren zur Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft zur Betrugsbekämpfung ist exemplarisch für die Schwierigkeiten, die Schwerfälligkeit und die Unzulänglichkeit der europäischen Integration. Umfang und Schwere der Betrügereien zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaft sind für alle offenkundig. Ebenso offenkundig ist die Untauglichkeit der Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Form von Verbrechen, die im Wesentlichen ungestraft bleiben.

Das Europäische Parlament wies bereits vor 12 Jahren auf den Ernst der Lage hin. Jahrelange tiefgreifende Untersuchungen führten zur Formulierung eines präzisen und praktikablen Vorschlags zum Aufbau einer Europäischen Staatsanwaltschaft zur Betrugsbekämpfung, die auf den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit beruht, verbunden mit straf- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen zur vernünftigen Lösung eines Großteils der Probleme, wie sie sich aus der Notwendigkeit einer zentralen strafrechtlichen Initiative einerseits und den nach wie vor den nationalen Gerichten vorbehaltenen Strafprozessen andererseits ergeben. Die Rechtsgrundlage für diese Institution wurde von der Kommission während der Regierungskonferenz in Nizza vorgeschlagen, die leider auch in diesem Bereich in Ermangelung eines gemeinsamen Willens der Regierungen und einer europäischen Sichtweise der Probleme gescheitert ist. Die Anbahnung der justiziellen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen von EUROJUST hat zum einen ambitioniertere, aber weniger realistische Erwartungen geweckt, und zum anderen Vorwände für weitere Verzögerungen geliefert. Nun ist keine Zeit mehr für Verschleppungstaktiken: wir müssen ein einheitliches Schutzniveau der Grundrechte der Bürger in Strafverfahren und Mindestregeln für die Zulassung von Beweisen gewährleisten; andererseits muss der Konvent zur Zukunft der Union eine angemessene Rechtsgrundlage in der Europäischen Verfassung vorschlagen, die hinlänglich flexibel ist, um die Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft zur Betrugsbekämpfung zu ermöglichen, die später imstande ist, sich im Rahmen von EUROJUST mit umfassenderen Zielen der Bekämpfung des grenzüberschreitenden Verbrechens weiterzuentwickeln.

 
  
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  Patrie (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Recht und Binnenmarkt. – (FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch Betrug sowie Wirtschafts- und Finanzkriminalität entsteht für die finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft ein Schaden von – wie bereits ausgeführt – beträchtlichem Ausmaß, der sich schätzungsweise auf über eine Milliarde Euro pro Jahr beläuft. Mit der Erweiterung wird sich diese Situation gewiss nicht verbessern, da sich dadurch die Zersplitterung des Strafrechtsraumes erhöhen, die Zahl der an der Verwaltung der Gemeinschaftsmittel beteiligten Verwaltungen steigen und somit das Betrugsrisiko anwachsen wird. Um die Betrugsfälle und die Kriminalität dieser Art hat sich das Europäische Parlament bekanntermaßen schon seit langem besorgt gezeigt, und in Artikel 280 des Amsterdamer Vertrags wurde der Gemeinschaft die Kompetenz zugestanden, effektive und gleichwertige Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten zu ergreifen.

Ich befürworte daher voll und ganz das Grünbuch der Kommission zur Schaffung einer mit der Wahrung der finanziellen Interessen der Gemeinschaft beauftragten Europäischen Staatsanwaltschaft sowie den von Frau Theato vorgelegten Bericht. Ich unterstütze die Aufnahme eines neuen Artikels 280a in den künftigen Verfassungsvertrag, die von der letzten Regierungskonferenz trotz der Unterstützung, die dieser Vorschlag durch unser Hohes Haus erfahren hatte, im Jahr 2000 abgelehnt wurde.

Die Einsetzung einer europäischen Staatsanwaltschaft ist zweifellos notwendig, doch muss deren Legitimität durch eine Ernennung, die der Zustimmung durch das Europäische Parlament unterliegt, gewährleistet werden. Ebenso notwendig ist es, diesen Staatsanwalt sowie die abgeordneten Staatsanwälte mit einer Rechtsstellung auszustatten, die ihnen völlige Unabhängigkeit gegenüber den Prozessparteien, den Mitgliedstaaten, den Institutionen und den Gemeinschaftsorganen sichert. Des Weiteren muss die Einheitlichkeit seines Wirkens im gesamten europäischen Strafrechtsraum durch die Bekräftigung des Grundsatzes der Gleichheit der Strafverfolgung sowie durch eine strenge Regelung der bedingten Einstellung von Verfahren gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang ist der Grundsatz der Schaffung einer gemeinschaftlichen Gerichtsinstanz beim Gerichtshof, die mit der Bearbeitung von Strafsachen beauftragt ist, zu unterstützen. Zudem muss selbstverständlich eine bessere Koordinierung, die bestmögliche Koordinierung zwischen dem europäischen Staatsanwalt und Einrichtungen wie OLAF, Eurojust und Europol gewährleistet werden.

Wie Frau Theato soeben hervorgehoben hat, haben wir einen Appell an den Konvent gerichtet. Es bleibt zu hoffen, dass dieser ihn auch aufgreift.

 
  
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  von Boetticher (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Petitionsausschusses. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Dank zunächst an die Berichterstatterin, Diemut Theato. Vielen Dank Diemut, vor allen Dingen für deine Kompromissbereitschaft! Es freut mich, dass letztendlich ein Kompromiss gefunden werden konnte zwischen denen, die einen europäischen Staatsanwalt nahe der Kommission wollten, und denen, die gar keinen europäischen Staatsanwalt wollten. Im Bericht Theato wird nun ganz klar, einen solchen Staatsanwalt wird es nur mit einer Anbindung an Eurojust geben, nur als eine Stelle bei Eurojust. Dies macht auch Sinn, denn ein europäischer Staatsanwalt, der losgelöst davon arbeiten würde, hätte sonst mit demselben Problem zu kämpfen wie nationale Staatsanwälte bei der grenzüberschreitenden Verfolgung. Wir haben demnächst 25 nationale Rechtsordnungen, 25 Strafprozessordnungen, 25 Rechtssysteme und 21 Sprachen in dieser erweiterten Europäischen Union. Für eine solche Koordinierung müsste ein neuer Riesenapparat aufgebaut werden. Oder man greift eben einfach auf Eurojust zurück und vermeidet so Doppelstrukturen.

Das heißt aber auch, dass die eigentliche Anklage vor nationalen Gerichten durch nationale Staatsanwälte erfolgen muss. Das bedeutet also, dass ein europäischer Staatsanwalt eine Klage nur vorbereitet. Und es muss hier auch ganz deutlich werden, dass wir die Zuständigkeit des Staatsanwaltes auf den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union beschränken. Einem allgemeinen europäischen Staatsanwalt für alle schweren grenzüberschreitenden Delikte, wie sie das Präsidium des Konvents im Augenblick vorschlägt, müssen wir darum eine klare Absage erteilen, denn dadurch wird nichts gewonnen. Prozesse scheitern in den anderen Bereichen nicht an mangelndem Interesse nationaler Staatsanwälte, wie das in dem Fall des finanziellen Schutzes der Europäischen Union der Fall ist, sondern zumeist an Sprachbarrieren und Rechtsproblemen. Wir können aber in dieser Union nicht alles vereinheitlichen. So können wir nicht das Strafrecht, die Strafprozessordnung, die Ausbildung der Staatsanwälte oder das Gerichtswesen vereinheitlichen. Wir können hier nur koordinieren. Darum möchte ich hier noch einmal ein deutliches Signal an den Konvent richten: ein Staatsanwalt zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union – Ja, einen allgemein europäischen Staatsanwalt für Kriminalitätsbekämpfung – Nein.

 
  
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  Dimitrakopoulos (PPE-DE) , Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für konstitutionelle Fragen. – (EL) Herr Präsident, zunächst möchte ich Frau Theato zu ihrer ausgezeichneten Arbeit gratulieren.

In seiner Stellungnahme spricht sich der Ausschuss für konstitutionelle Fragen für die Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft aus. Er hat zugestimmt, weil er der Ansicht ist, dass die aktuellen Probleme der Europäischen Union eines effizienteren Umgangs und einer Lösung bedürfen.

Gleichzeitig hat er jedoch bestimmte Themen herausgestellt, die er für wichtig hält. Das erste Thema betrifft die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft. Wir sind uns alle darüber einig, dass der Ausgangspunkt die Bekämpfung von Betrug war, und dass unverzüglich etwas geschehen muss. Das ist traurige Realität, doch leider ist es die Realität. Der Ausschuss betonte jedoch, dass angesichts der zwischenstaatlichen Beziehungen und der kollektiven Strukturen, auf die die Mitgliedstaaten zurückgreifen, bezüglich des Zuständigkeitsbereichs der Europäischen Staatsanwaltschaft ein evolutiver Ansatz erwogen werden muss, so dass später gegebenenfalls zusätzliche Befugnisse für weitere Straftatbestände hinzukommen können. Wir wissen alle, dass im Rahmen des heutigen internationalen Systems immer neue Delikte erdacht werden.

Der zweite Punkt, um den es den Ausschuss für konstitutionelle Fragen geht, ist die Rolle des Europäischen Parlaments im Verhältnis zur Europäischen Staatsanwaltschaft. Wir sind der Ansicht, dass das Europäische Parlament, das als erste Institution die Fragen und Probleme in Bezug auf die grenzüberschreitende Kriminalität angesprochen hat, das Organ sein soll, dem die Europäische Staatsanwaltschaft unterstellt ist.

Drittens, die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft geht mit der Entwicklung eines europäischen Strafrechts einher, was unumgänglich ist. Und schließlich glaube ich, ist es wichtig, sich im Rahmen des Beziehungsgeflechts zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten mit dem Verhältnis der Europäischen Staatsanwaltschaft zu den nationalen Staatsanwaltschaften auseinander zu setzen.

 
  
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  Schreyer, Kommission. – Herr Präsident, sehr geehrte Frau Berichterstatterin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Theato, ich bedauere, dass ich noch nicht da sein konnte, als Sie Ihre Rede gehalten haben. Ich hatte Trilog hier im Hause, der jetzt gerade erst zu Ende gegangen ist. Die Bekämpfung von Betrug am europäischen Haushalt ist und bleibt eines der wichtigsten Anliegen der Kommission. Wir wissen, dass wir dabei uneingeschränkt auf das Europäische Parlament zählen können, das in diesem Bereich viele Initiativen ergriffen hat und ergreift. Uns ist allen bewusst, dass Straftaten, die sich gegen die Gemeinschaftsfinanzen richten, nur dann angemessen und wirksam bekämpft werden können, wenn auch eine konsequente strafrechtliche Verfolgung erfolgt. Daher hatte die Kommission im Jahr 2000 vorgeschlagen, in den EG-Vertrag eine entsprechende Bestimmung zur Errichtung des Amtes eines europäischen Staatsanwalts aufzunehmen. Dieses wurde damals von Seiten des Europäischen Rates nicht beschlossen.

Das Grünbuch zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen und zur Schaffung eines europäischen Staatsanwalts, über das heute diskutiert wird und zu dem der Bericht gemacht wurde, wurde im Dezember 2001 von der Kommission vorgelegt. Auf der Grundlage dieses Grünbuchs setzte die Kommission im Jahr 2002 einen Diskussionsprozess ein. Das Europäische Parlament, und hier besonders die Vorsitzende des Ausschusses für Haushaltskontrolle, Frau Theato, hat wesentlich zu dieser Debatte beigetragen und in dem Sinne auch den Anstoß gegeben. Frau Theato, alle wissen es hier, ohne Ihre aktive Unterstützung und ohne Ihr Engagement, wären wir mit dem Projekt des europäischen Finanzstaatsanwalts wirklich nicht so weit vorangekommen, wie wir das sind. Ich möchte Ihnen im Namen der Kommission dafür ausdrücklich danken.

Die Kommission hat in der vergangenen Woche einen follow up-Bericht zum Grünbuch vorgelegt, in dem die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zusammengefasst sind. In der Sache steht die Mehrheit derjenigen, die sich an der Debatte, an dem Konsultationsprozess beteiligt haben, grundsätzlich einem europäischen Staatsanwalt positiv gegenüber. Dabei haben sich die Regierungen, wie wir alle wissen, im Vergleich zu den Angehörigen der Rechtsberufe und auch von Nichtregierungsorganisationen, aber insbesondere gegenüber denjenigen, die alltäglich mit der Fragestellung zu tun haben, zurückhaltender geäußert. Es ist aber nur eine Minderheit, die das Vorhaben strikt ablehnt. Insgesamt ist im Laufe des Jahres allerdings die Aufgeschlossenheit gegenüber dem Projekt des europäischen Staatsanwalts eindeutig gewachsen.

Die Kommission bekräftigt daher ihren Vorschlag zur Errichtung eines Finanzstaatsanwalts. Dieses Ergebnis ist um so wichtiger, als der Konvent – und darauf wurde ja Bezug genommen – jetzt in seine entscheidende Phase eingetreten ist. Es werden derzeit konkrete Vorschläge für eine Verfassung erörtert. Vergangene Woche hat das Präsidiums des Konvents vorgeschlagen, in den Titel „Justiz und Inneres“ einen Artikel 20 über die europäische Staatsanwaltschaft aufzunehmen, und bereits in der kommenden Woche wird das Plenum des Konvents dazu Stellung nehmen. In dieser entscheidenden Phase ist es wirklich essentiell, dass Parlament und Kommission am selben Strang ziehen und eine klare Botschaft an den Konvent übermitteln.

Es sorgt schon für eine gewisse Genugtuung, dass sich unser gemeinsames Anliegen immerhin so weit hat durchsetzen können, dass die europäische Staatsanwaltschaft in einem eigenen Artikel des Vertragsentwurfs einen Platz gefunden hat. Das ist ein wesentliches Verdienst der Debatte und ein wesentliches Verdienst auch von Ihnen. Dennoch, der Vorschlag des Präsidiums geht nach Meinung der Kommission nicht weit genug. Er macht vor dem eigentlichen Ziel Halt. Hier wird eine Klausel vorgeschlagen, mit der der Rat ermächtigt wird, irgendwann einmal und einstimmig das Amt des europäischen Staatsanwalts zu schaffen. Mit einer solchen Ermächtigungsklausel dürfte sich der europäische Staatsanwalt in einer erweiterten Union mit 25 oder mehr Mitgliedstaaten eventuell als leeres Versprechen entpuppen. Das ist das Risiko. Wir müssen deshalb das Amt des europäischen Staatsanwalts im Vertrag selbst verankern, sonst ist zu befürchten, dass das Projekt wirklich auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben ist.

Ich freue mich, dass das Parlament und die Kommission in dieser eminent wichtigen und hochpolitischen Frage voll und ganz übereinstimmen. Ich hoffe, dass für die Plenarsitzung des Konvents am 3. und 4. April viele Änderungsvorschläge eingereicht werden, die auf die Schaffung eines europäischen Staatsanwalts im Vertrag selbst abzielen. Die Kommission begrüßt deshalb die Unterstützung des Europäischen Parlaments, die in dem Bericht von Frau Theato sehr, sehr klar zum Ausdruck kommt. Ich gratuliere Ihnen sehr zu diesem Bericht, eben auch in dem Bewusstsein, wie viel persönliches Engagement dahinter steckt.

In der nunmehr anstehenden Entscheidungsphase des Konvents ist es von größter Wichtigkeit, dass das Parlament ein deutliches Zeichen setzt. Die Kommission stimmt dem Bericht von Frau Theato zum Grünbuch in seinen Grundzügen zu, und ich habe das zum Ausdruck gebracht. Es herrscht nicht in allen Punkten volle Übereinstimmung. Wir befinden uns z. B. in dem Diskussionsprozess darüber, ob die Notwendigkeit einer Vorverfahrenskammer besteht, ob die Kontrolle durch die nationalen Gerichte für die Entscheidungen des Staatsanwalts ausreichend ist oder nicht und ob sie übertragen werden kann.

Was Eurojust betrifft, so hält die Kommission eine Annäherung zwischen der europäischen Staatsanwaltschaft und dieser Einrichtung ebenfalls für wünschenswert. Das haben wir im follow up-Bericht näher dargelegt. Zweifel bestehen noch, ob dies wirkungsvoll dadurch erreicht werden kann, dass die Aufgaben der Staatsanwaltschaft von einem gestärkten Eurojust übernommen werden. Darüber wird diskutiert. Es könnten beide Funktionen – die zentrale strafrechtliche Verfolgung von Straftaten gegen die finanziellen Interessen der Union und die Koordinierung der nationalen Strafverfolgungsbehörden in anderen Kriminalitätsbereichen – in einer gemeinsamen Struktur, sozusagen unter einem gemeinsamen Dach zusammengeführt werden. Eine Überführung von Eurojust in den ersten Pfeiler ist in dieser Hinsicht eine notwendige, allerdings eben keine ausreichende Bedingung. Das muss man auch sehr deutlich sagen.

Die Kommission stimmt dem Bericht auch darin zu, dass einige Fragen im Zusammenhang mit der Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft noch weiter zu diskutieren sind. Das betrifft die Frage des Sekundärrechts. In unserem follow up-Bericht haben wir angekündigt, insbesondere folgende Fragen noch vertiefen zu wollen, nämlich die Frage der Beweisführung, damit in einem Mitgliedstaat rechtmäßig erhobene Beweise in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen werden können, und die Verfahrensgarantien der Angeklagten, zu denen eine spezielle Konsultation auf der Grundlage eines anderen Grünbuchs, das mein Kollege Vitorino vorgestellt hat, stattfindet.

Die Kommission wird der Aufforderung des Ausschusses für Haushaltskontrolle nachkommen und sich noch in diesem Jahr eingehend mit diesen Fragen befassen. Sie wird sich dabei an den Vorschlägen des Konvents und insbesondere auch an den Arbeiten im Bereich Justiz und Inneres orientieren. Worauf es jetzt aber ankommt, ist, in dem Verfassungsvertrag selbst eine europäische Strafverfolgungsbehörde mit einer Rechtsgrundlage für die Ausarbeitung des dann notwendigen Sekundärrechts zu verankern. Nur so kann den derzeitigen Schwierigkeiten bei der Bekämpfung von Betrug und Korruption zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts wirkungsvoll auf der strafrechtlichen Seite begegnet werden. Wenn wir dem europäischen Aufbauwerk bei den Bürgern und den Steuerzahlern zu mehr Popularität verhelfen wollen, müssen wir mit dem künftigen Vertrag ein wirkungsvolles Signal setzen.

(Beifall)

 
  
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  Avilés Perea (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Mit diesem von Frau Theato vorgestellten Bericht ruft das Parlament den Konvent auf, eine Änderung in Artikel 280 aufzunehmen, mit der die Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft ermöglicht wird.

Der Kern dieser ganzen Angelegenheit ist die Sorge um den Schutz der finanziellen Interessen der europäischen Steuerzahler. Das Europäische Parlament fordert schon seit geraumer Zeit die Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft mit Zuständigkeit für die Interessen der Union.

Wichtig ist, auf die Unterschiede in den Mitgliedstaaten hinzuweisen, was zu einer mangelhaften Effizienz führt. Es geht darum, eine stärkere europäische Zusammenarbeit zu erreichen und weiter an der Schaffung eines europäischen Raums des Rechts zu arbeiten.

Die Funktion der europäischen Staatsanwaltschaft bestände in der Verfolgung von grenzüberschreitendem Betrug, indem konkrete Rechtsvorschriften erlassen werden, die seine Bekämpfung möglich machen, auch durch die Definition von Straftatbeständen. Der neue Vertrag muss eine klare Grundlage für diese europäische Staatsanwaltschaft legen, die sich auf die Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit stützt und die Probleme löst, die sich aus der Zersplitterung des bestehenden europäischen Strafrechtssystems ergeben.

Es geht um die Schaffung eines transparenten Systems, welches das Gleichgewicht zwischen Effizienz und Ermittlungsverfahren bei grenzüberschreitenden Straftaten und die Achtung der Grundrechte bewahrt und von Kohärenz und Zusammenarbeit zwischen den bereits bestehenden Strukturen – OLAF, Eurojust, Europol – begleitet wird.

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und der europäischen Demokraten hat konkrete Änderungsanträge eingereicht, in denen es gerade um diese Klarstellung geht, und ich möchte daher die übrigen Fraktionen auffordern, sie zu unterstützen.

Lassen Sie mich abschließend hervorheben, dass der Zweck dieses Berichts darin besteht, zum laufenden Verfassungsprozess beizutragen, um Klarheit in dieser Frage der europäischen Staatsanwaltschaft zu erhalten, die für die Zukunft der Union von sehr großer Bedeutung ist.

Ich muss Frau Theato beglückwünschen, die eine gewaltige und nicht einfache Arbeit geleistet hat, und ich hoffe, sie wird das angestrebte Ziel erreichen.

 
  
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  Bösch (PSE). – Herr Präsident! Die sozialistische Fraktion in diesem Hause unterstützt den Bericht der Kollegin Theato ausdrücklich und gratuliert ihr auch zu der Arbeit, die sie uns hier vorlegt. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass gerade der Haushaltskontrollausschuss immer wieder mit derartigen Initiativen vorprescht, weil wir halt die Erfahrung machen, dass man einen inzwischen auf 100 Milliarden Euro angewachsenen Haushalt nicht mit den Mitteln von vor 50 Jahren, d. h. mit nationalstaatlichen Mitteln schützen kann. Diese klare Aussage und diese Initiativen wie diesen heutigen Theato-Bericht sind wir unseren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern letztendlich auch schuldig.

Sie wissen, es gab Initiativen wie OLAF. Wir wissen, das ist noch nicht alles perfekt. Es sind Zwischenschritte und ich meine, auch ein derartiger Finanzstaatsanwalt wird nicht das Perfekteste aller Zeiten sein. Es wird aber ein ganz wichtiger Schritt in Richtung Schutz der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Europa sein. Und es ist vor allem wichtig, dass das Parlament auch klarstellt, dass diese Einrichtung ein demokratisches Fundament hat. Es gibt auch Einrichtungen in Europa, die nicht dem Parlament und seiner Kontrolle unterworfen sind, wie Europol, und es wundert dann nicht, dass man auf einmal aus den Medien erfahren muss, dass bei Europol hinter verschlossenen Türen scheinbar ganz phantastische Abfertigungen von den Mitgliedstaaten gewährt werden. Man sieht sofort: Es fehlt die Transparenz, es fehlt das Parlament, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir diese Dinge beim Staatsanwalt sicherstellen. Wir haben schon gelegentlich – auch in anderen Berichten – darauf hingewiesen, dass wir diesen Artikel 280 (a) haben wollen. Das Haus hat darüber gerade vor 14 Tagen in Straßburg wieder abgestimmt, und ich hoffe, dass hier auch der entsprechende Absatz 3 der Berichterstatterin vom Hause unterstützt wird.

Wie wichtig ein Staatsanwalt für uns ist, wird uns gelegentlich an ganz konkreten Beispielen vor Augen geführt. So haben wir vor kurzem gerade auch das kleinste Mitgliedsland, nämlich Luxemburg, aufgefordert, endlich in einem Fall – der so genannten Perilux-Affäre – tätig zu werden, der seit Jahren bei der Luxemburger Staatsanwaltschaft liegt. Es geht hier um massive Interessen der europäischen Steuerzahler. Luxemburg reagiert nicht, und wir müssen von dieser Stelle aus nochmals unterstreichen, wie wichtig eine europäische Staatsanwaltschaft wäre, um vielleicht Mitgliedstaaten, die es nicht so genau mit den Interessen der europäischen Steuerzahler nehmen, ein bisschen auf die Füße zu treten. Es gibt diese Fälle immer wieder, im Fall von Luxemburg besonders ärgerlich, weil in dem vorliegenden Fall belgische Gerichte bereits zu Ergebnissen kamen.

Nochmals herzlichen Glückwunsch, und ich denke, dass unser Haus heute mit diesem Bericht eine wichtige und gute Entscheidung treffen wird!

(Beifall)

 
  
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  Sørensen (ELDR).(DA) Herr Präsident. Ich möchte hier zum Ausdruck bringen, dass ich es völlig inakzeptabel finde, dass der Betrug mit EU-Mitteln sich möglicherweise auf 2 Mrd. EUR pro Jahr beläuft und in bestimmten Bereichen sogar eine steigende Tendenz aufweist. Gleichzeitig muss man jedoch erkennen, dass es sich hierbei grundlegend um ein nationales Problem handelt, werden doch etwa 80 % des EU-Haushalts durch die nationalen Behörden verwaltet, und hier meine ich, dass die Mitgliedstaaten nur in sehr unzureichendem Maße den erforderlichen Willen zur Durchführung jener Maßnahmen aufbringen, die insbesondere in Bezug auf den Betrug mit EU-Mitteln erforderlich sind.

Dies wird unter anderem von den Angaben der Kommission untermauert, die besagen, dass nur 25 % der Fälle, die von OLAF aufgedeckt werden und zur Verfolgung der nationalen Behörden führen müssten, auch ein rechtliches Nachspiel haben.

All das ist für mich inakzeptabel. Allerdings veranlasst mich das nicht, mich der Schlussfolgerung von Frau Theato bedingungslos anzuschließen, die darauf hinausläuft, dass das optimale und einzige Lösungsmodell in der Errichtung einer weiteren Institution besteht, einer gemeinsamen Europäischen Staatsanwaltschaft, einer Instanz, die den Vorrang gegenüber der nationalen Gesetzgebung haben soll und mit der weitgehende Harmonisierungsziele in Bereichen verbunden sind, in denen es in den Mitgliedstaaten traditionell unterschiedliche Rechtstraditionen und Rechtsauffassungen gibt. Ich will hier nur die Harmonisierung im Bereich der Strafgesetzgebung, Beweisführung und der Strafmaßnahmen sowie die prozessualen Vorschriften nennen.

Falls wir dieses Modell hier und heute umsetzen, erwarte ich größere Kompetenzstreitigkeiten zwischen der gemeinsamen Europäischen Staatsanwaltschaft und den nationalen Behörden sowie Überschneidungen mit anderen Gemeinschaftsinitiativen wie Eurojust, OLAF und Europol. Dies sind Initiativen, die unter allen Umständen, auch angesichts der erst kurzen Dauer ihrer Existenz, mehr Zeit erhalten sollten, um Ergebnisse zu erzielen – auch auf dem Gebiet des Betrugs mit EU-Mitteln.

Nach diesen Vorbemerkungen möchte ich jedoch zum Ausdruck bringen, dass ich die Idee der Errichtung dieser Behörde und ihrer Verankerung im Vertrag vom Grundsatz her unterstütze. Nur meine ich, dass die Zeit noch nicht reif ist für eine derart drastische Harmonisierung grundlegender rechtspolitischer Bereiche, wie Frau Theato sie vorschlägt.

Stattdessen bin ich der Auffassung, dass die Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft schrittweise und im Rahmen einer intensivierten Eurojust-Zusammenarbeit erfolgen sollte. Das ist im Übrigen auch das Modell, das Frau Theato in Artikel 22 Absatz 2 ihres Berichts erwähnt.

Soweit die generellen Überlegungen, die die Grundlage für den Änderungsantrag der Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei Europas zu diesem Bericht bilden.

 
  
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  Rühle (Verts/ALE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Einrichtung von OLAF wäre die Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft der nächste logische Schritt, um im Interesse der europäischen Steuerzahler Finanzbetrug in der EU zu bekämpfen. Im Namen meiner Fraktion möchte ich mich ausdrücklich bei der Berichterstatterin, Frau Theato, für ihren Mut und ihre Beharrlichkeit bedanken, mit denen sie seit Jahren für dieses Thema kämpft, und in diesen Dank schließe ich auch ausdrücklich die Kommissarin Schreyer ein, die mit dem Grünbuch und zahlreichen Anhörungen den Kampf um eine europäische Staatsanwaltschaft unterstützt.

Leider ist die europäische Innen- und Justizpolitik noch nicht wirklich vergemeinschaftet. Der dritte Pfeiler schließt nicht nur das europäische Parlament von wichtigen parlamentarischen Mitbestimmungen und Kontrollen aus, er ist auch die Ursache für zahlreiche Demokratiedefizite in der europäischen Rechts- und Justizpolitik. Die Einrichtung eines europäischen Betrugsdezernates OLAF ohne justizielle Begleitung schafft eine Rechtslücke auf europäischer Ebene. Wir haben wieder einmal den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht.

Leider scheint auch der Konvent die Schärfe dieses Problems nicht wirklich zu sehen. Wie anders kann man sich sonst erklären, dass das Konventspräsidium für einen Beschluss zur Einrichtung eines europäischen Staatsanwaltes wieder einmal auf der Einstimmigkeit im Rat beharrt? Der Rat hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es ihm an diesem einheitlichen Willen mangelt, und er hat leider auch immer wieder gezeigt, dass er nicht immer den einheitlichen Willen hat, wirklich an der Bekämpfung des Betrugs zum Schutz der finanziellen Interessen der EU zu arbeiten.

Zeigen wir deshalb heute im Parlament eine große Geschlossenheit und eine breite Mehrheit. Ich halte es für dringend angesagt, durch diese breite Mehrheit vor allem dem Plenum des Konvents zu zeigen, dass wir gegen diese Einstimmigkeit sind, dass wir der Meinung sind, dass die europäische Staatsanwaltschaft einen wirklich wichtigen Platz im neuen Vertrag haben muss, dass die Einrichtung dieser Staatsanwaltschaft auf qualifizierter Mehrheitsentscheidung beruhen muss und dass das Parlament hier auch Mitbestimmungsrechte bekommen muss.

(Beifall)

 
  
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  Crowley (UEN).(EN) Herr Präsident! Ich möchte ebenfalls der Berichterstatterin, Frau Theato, für ihre Arbeit zu diesem Vorschlag danken, auch wenn ich ihm nicht zustimmen kann.

Einer der wichtigsten Faktoren bei der Schaffung neuer Ämter oder neuer Institutionen im Rahmen der europäischen Verträge besteht darin, dass bestimmte Gesichtspunkte zuallererst betrachtet werden müssen. Dabei handelt es sich um grundlegende Fragen: Besteht eine öffentliche Nachfrage? Nein. Wird eine höhere Effizienz erreicht? Nein. Wird eine bessere Form der Rechtsprechung erreicht? Nein. Werden dadurch die finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft oder der europäischen Institutionen wirksamer gewahrt? Nein. Der Grund dafür ist, dass wir in jedem Mitgliedstaat bereits mehrere Staatsanwaltschaften mit besonderen Zuständigkeiten auf ihrem jeweiligen Gebiet haben, die sich mit Betrug und Strafverfolgung befassen und sich mit den Bestimmungen und Anforderungen für die Beweiserhebung in den einzelnen Mitgliedstaaten auskennen.

Wir müssen dafür sorgen, dass in all diesen Staatsanwaltschaften klare Vorstellungen von den finanziellen Interessen der Europäischen Union herrschen. Hinsichtlich der Klageerhebung vor nationalen Gerichten müssen OLAF, Rechnungshof und diese nationalen Staatsanwaltschaften besser zusammenarbeiten, und es muss auch, zusätzlich zum System Eurojust, für die Justizmitarbeiter in den einzelnen Mitgliedstaaten besser möglich sein, Interessen, Bildungsangebote und Kenntnisse gemeinsam zu nutzen, sodass es schließlich zu einer einheitlichen Handhabung kommt.

Ich bin ein wenig von einem der Kommentare in dem Bericht enttäuscht, in dem es heißt, dass gemeinsame Bestimmungen in Bezug auf Beweise geschaffen werden müssen. Im britischen Rechtssystem, dem Gewohnheitsrecht, wurden die Beweisbestimmungen vor über 322 Jahren eingeführt – und nun sollen wir einfach so gemeinsame Beweisbestimmungen einbringen? Wir müssen daran denken, dass die Menschen in der Europäischen Union ein Recht auf die angemessene Vertretung ihrer Belange haben. Sie haben ein Recht darauf, dass ihre Steuern geschützt werden; die beste Möglichkeit zum Schutz der Steuerzahler und ihrer Interessen besteht jedoch auf nationaler Ebene.

 
  
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  Titford (EDD).(EN) Herr Präsident, es kann niemanden im hohen Haus geben, der sich der wichtigsten Regel in der Politik nicht bewusst ist: Wer sich ein einem Loch befindet, soll nicht weitergraben. Es gibt auch den Witz über einen Touristen mitten in Irland, der sich verlaufen hat, einen Einheimischen fragt, wie man nach Tipperary kommt, und zur Antwort erhält: „Also, von hier aus würde ich nicht losgehen.“ Dennoch geht Frau Theato ohne Orientierung ganz unten im Loch los und erklärt in ihrer Begründung: „Die Notwendigkeit eines besonderen strafrechtlichen Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaften ist seit langem bekannt.“ Dem stimme ich zwar zu, doch wenn keine Gemeinschaftsmittel vorhanden wären, gäbe es auch keine finanziellen Interessen der Gemeinschaft und folglich auch keinen Bedarf für ihren Schutz. Das ist mein Ausgangspunkt. Es ist noch nie sinnvoll gewesen, einer Organisation Geld zu übergeben, damit sie es in einer Art und Weise ausgibt, bei der jegliche Reform umgangen wird und ohne dass eine Rechenschaftslegung erfolgt. Das ist sozusagen das „Loch“. Die Antwort lautet: Nicht weitergraben. Der Gemeinschaft kein Geld mehr geben.

Was die Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft betrifft: Das ist vielleicht Ihr Wunschziel, doch wenn ich Sie wäre, würde ich nicht von hier aus losgehen. Das Problem ist das im Wesentlichen korrupte und unkontrollierte System. Bekämpfen Sie die Ursache, nicht das System.

 
  
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  Ilgenfritz (NI). – Herr Präsident! Der Schutz der finanziellen Interessen muss natürlich weiterhin für uns ein vorrangiges Ziel bleiben. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang auch die Schaffung eines europäischen Staatsanwaltes, sind aber nach eingehenden Diskussionen auch der Meinung, dass dies kein Allheilmittel für die Zukunft sein darf. Es müssen auch weiterhin die bereits vorhandenen Möglichkeiten ausgebaut werden. Ich meine damit die Stärkung von OLAF bzw. die Förderung einer besseren Zusammenarbeit innerhalb der Behördenapparate. Es fällt auf, wenn zum Beispiel die Niederlande viermal so viele Betrugsfälle melden wie zum Beispiel Spanien und Griechenland. Wenn Mitgliedstaaten ihre Betrugsfälle nicht in den Griff bekommen, muss ihnen auch ein Förderstopp drohen bzw. müssen sie auch für den entstandenen Schaden, der der EU durch laxe Kontrollen ihrer Behörden entsteht, aufkommen.

 
  
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  Kirkhope (PPE-DE).(EN) Herr Präsident, als jemand, der früher selbst gelegentlich als Staatsanwalt tätig war, bin ich der Meinung, dass das Plädoyer für eine Europäische Staatsanwaltschaft keineswegs effektiv vorgetragen worden ist. Als Mitglied des europäischen Konvents denke ich, dass unsere Aufgabe darin besteht, nach Möglichkeiten zu suchen, die institutionelle Bürokratie nicht zu vergrößern, sondern die Dinge so zu vereinfachen, dass die Bürger Europas geschützt werden und zugleich zu denen, die sie vertreten, in engerem Kontakt stehen.

Ich kann die Vorteile dieses Amtes auch dann nicht erkennen, wenn es, wie einer meiner Kollegen gerade sagte, in eine andere Institution eingebettet ist. Schwierigkeiten gibt es im Zusammenhang mit Kosten und Bürokratie. Auch in Bezug auf die Einpassung dieser konkreten Aufgabe in die Rechtssysteme Europas, die sich in ihrer Wirkungsweise, in ihrer Beweiserhebung und im Wesen des Strafverfolgungsprozesses stark voneinander unterscheiden, gibt es Schwierigkeiten, wie bereits erwähnt wurde. Meiner Ansicht nach haben wir auch Probleme mit der Rechtsgrundlage. Wenn wir außerdem den derzeit bestehenden Organisationen Reformmöglichkeiten einräumen sollen, wäre dies für den Prozess nicht hilfreich.

Was wir brauchen, ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Staaten und der Kommission – zwischen den Behörden. Wir müssen die internen Nachweismodalitäten klären und gegen Staaten, die in einer unangemessenen Weise bei Betrugsfällen vorgehen, höhere Strafen verhängen. Wir müssen verstärkte Maßnahmen der Staaten fördern und die Rolle des Rechnungshofes verbessern. Wir brauchen mehr interne Reformen. Meines Erachtens ist die Reformstrategie der EU zurzeit zum Stillstand gekommen und muss wieder mit Leben erfüllt werden. Offen gesagt, ist es sinnlos, Mitgliedstaaten der EU wie ungezogene Kinder zu behandeln, ihnen ihr Spielzeug wegzunehmen und sie dann irgendeinem überarbeiteten und der Lage nicht gewachsenen neuen Babysitter zu übergeben.

Wenn wir unsere Mitgliedschaft in der EU respektieren, dann sollten wir auch unsere Fähigkeit zur wirksamen Strafverfolgung und unsere Fähigkeit, uns in erforderlicher Weise mit Betrugsfällen und Reformen zu befassen, respektieren.

 
  
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  Casaca (PSE).(PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Es steht vollkommen außer Zweifel, dass, wenn es um kriminelle Betrügereien geht und die nationalen Behörden gegen die Probleme nichts unternehmen, der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften gar nicht oder schlecht funktioniert, und dass die gegenwärtige Situation untragbar ist, wie kürzlich Herr Bösch ja in Bezug auf die Lage in Luxemburg feststellte.

Unsere Berichterstatterin Diemut Theato hat sich unermüdlich dafür eingesetzt, dass eine Europäische Staatsanwaltschaft aufgebaut wird, die hier etwas unternehmen kann. Frau Kommissarin Michaele Schreyer hat diese Initiative ebenfalls nachdrücklich unterstützt, weshalb ich beiden zu ihrer beharrlichen Arbeit und Hingabe gratulieren möchte. Doch bei aller Freundschaft, Hochachtung und Anerkennung, die ich für sie empfinde, muss ich doch zwei Aspekte hervorheben, die ich in dieser Angelegenheit für entscheidend halte.

Ich glaube, die europäischen Bürger würden es nicht verstehen, wenn sich unsere Institutionen wieder nur mit wirtschaftlichen Fragen befassen und den Bürger unbeachtet lassen. Ich halte es nicht für vertretbar, eine Europäische Staatsanwaltschaft zu schaffen, die sich um die finanziellen Interessen kümmert, aber beispielsweise Verbrechen im Bereich des Menschenhandels, vor allem des Kinderhandels, unberührt lässt.

Zudem ist es angesichts der Zahl europäischer Stellen, die im Bereich der Prävention, Bekämpfung und Bestrafung von Verbrechen tätig sind – EUROPOL, EUROJUST und OLAF –, und der komplizierten Problematik, den Arbeitsbereich für jede einzelne festzulegen, ratsam, mit Bedacht vorzugehen. Die schlimmste Situation, in die wir geraten könnten, wäre eine Erhöhung der Entropie des Systems, wenn sich die einzelnen Stellen nur um ihre eigenen Zuständigkeiten kümmern und gegen Wirtschaftsverbrechen im europäischen Maßstab nicht wirksamer vorgegangen würde.

Abschließend möchte ich noch meine Vorbehalte hinsichtlich der Grundsätze des Justizgeheimnisses und der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft äußern, wenn sie – wie im letzten Fall mit dem Grünbuch der Kommission geschehen – als absolute Grundsätze angenommen werden. Man denke doch nur an die enttäuschenden Resultate in meinem Land in diesem Bereich, um zu verstehen, dass man nicht dieselben Fehler noch einmal machen darf.

 
  
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  Di Pietro (ELDR). – (IT) Herr Präsident, auch ich war wie mein Vorredner, Herr Kirkhope, ehemals als Staatsanwalt tätig, doch kam und komme ich zu diametral entgegengesetzten Schlussfolgerungen. Ich fordere diejenigen, die wirklich an das europäische Aufbauwerk glauben, auf, konsequent zu sein und das Projekt für eine stärkere Union zu unterstützen, die sich mit allen erforderlichen Instrumenten auszustatten vermag, um dem Phänomen des Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaft tatsächlich entgegenzuwirken, denn bisher wurden diese Interessen durch die Mitgliedstaaten und ihre Rechtsvorschriften nicht ausreichend geschützt. Tatsache ist, dass durch diese Betrügereien zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts, und somit letztendlich zu Lasten des europäischen Steuerzahlers, jährlich Schäden in Höhe von etwa einer Milliarde Euro verursacht werden, wie es ganz richtig im Entschließungsantrag von Frau Theato heißt – der meine ganze Bewunderung und Anerkennung gelten –, wobei sämtliche Analysen dahin gehend übereinstimmen, dass diese Erscheinung steigende Tendenz aufweist.

Deshalb haben sich die bestehenden Rechtsinstrumente zur Betrugsbekämpfung, wie die von den Mitgliedstaaten ratifizierten Übereinkommen und Protokolle, die Schwerfälligkeit der Rechtshilfe in Strafsachen, der Charakter von OLAF, das sich aufgrund seines Mandats auf rein administrative Kontrollen beschränken muss, und vor allem die Zerstückelung des europäischen Strafrechtsraumes als völlig ungeeignet erwiesen, um dieses Phänomen wirksam zu bekämpfen, und auch die bislang vorgebrachten Ausreden überzeugen mich nicht davon, dass auf einen Europäischen Staatsanwalt verzichtet werden müsste.

Eine reine Grundsatzentscheidung genügt jedoch nicht: Wenn wir die Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft wirklich befürworten, müssen wir sie konsequenterweise auch mit wirksamen Mittel ausstatten, damit sie tätig werden kann. Deshalb müssen die Straftatbestände und die für die einzelnen Vergehen vorgesehenen Strafmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene genauestens definiert und außerdem gemeinsame Strafrechts- und Strafprozessrechtsbestimmungen der Europäischen Union ausgearbeitet werden. Demzufolge vertrete ich ebenso wie die Berichterstatterin Frau Theato die Auffassung, dass unter Beachtung der Gewaltentrennung sowohl der Europäische Staatsanwalt als auch der abgeordnete Staatsanwalt unabhängig sein und ihr Mandat getreu dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Ermittlungen ausüben müssen. Darüber hinaus wird es notwendig sein, die Handlungen des Europäischen Staatsanwalts, sowohl Ermittlungshandlungen als auch Handlungen der Überweisung an das erkennende Gericht, der gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen.

Alles in allem werden die redlichen Bürger der Union die Schaffung eines Instruments, mit dem zu jeder Zeit und in jeder Region gegen die unredlichen vorgegangen werden kann, begrüßen.

 
  
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  Van Dam (EDD).(NL) Herr Präsident! Die Diskussion über den strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften zieht sich schon eine ganze Weile hin. Sehr viel Zeit und sehr viel Energie wurden leider hauptsächlich dafür aufgewendet, die bestehende Lücke zu nutzen, um eine europäische Justizbehörde aufzubauen. Diesem Bericht liegen politische Motive zugrunde, wie der Vorredner dargelegt hat. Kein Wunder also, dass er auf politischen Widerstand stößt. Bedauerlicherweise geht dies zu Lasten einer sachlichen Diskussion.

Wo der Bericht auf die Charta der Grundrechte verweist, greift er der Realität voraus. Die Charta ist nämlich noch nicht rechtsverbindlich im EU-Vertrag verankert. Angesichts ihres dürftigen Inhalts und ihrer Überschneidung mit nationalen Verfassungen sowie der EMRK wird dies von meiner Fraktion auch nicht gewünscht.

Wäre der Entschließungsantrag wirklich auf ein effektives strafrechtliches Vorgehen gegen Betrug und Kriminalität zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaft ausgerichtet, hätte er unsere Zustimmung erhalten. Dies hat sich jedoch als nicht möglich erwiesen, nachdem nun der vorliegende Bericht über sein Ziel hinausgeschossen ist und eine Europäische Union als politische Einheit anstrebt.

 
  
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  Borghezio (NI). – (IT) Herr Präsident, der Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union wird offenbar zum Vorwand für den Aufbau – und das ist offenbar das Hauptziel – einer Superstaatsanwaltschaft genommen, was praktisch einhergeht mit der Einführung des Europäischen Haftbefehls – entsprechend einem Kurs, der auf die Ersetzung der einzelstaatlichen Rechtsprechung abzielt: ein Kurs, den die italienische Regierung eindeutig ablehnt, was sie wiederholt ausführlich begründet hat. Ein Vorschlag – nämlich zur Schaffung der Europäischen Staatsanwaltschaft –, der rein zufällig vom Präsidium des Konvents unterbreitet wird: Artikel 20 empfiehlt eine europäische Rechtsvorschrift zur Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft, über deren Struktur mehrheitlich beschlossen werden soll. Dies gibt Anlass zu weiterer Besorgnis, auch weil zum Thema Staatsanwaltschaft äußerst heikle Fragen aufgeworfen werden, wie die des Grundsatzes des freien Verkehrs von Beweisen, denn das bedeutet, dass man sich über die Beweiszulassungsvoraussetzungen der Rechtsordnung des Mitgliedstaates, in dem sich der jeweilige Gerichtsstand befindet, hinwegsetzt. Dem grenzüberschreitenden Verbrechen lässt sich nicht durch die Aufhebung der gerichtlichen Traditionen der Mitgliedstaaten beikommen, sondern vielmehr durch angemessene Kontrollen und wirksame, effiziente Maßnahmen zur Bekämpfung, Vorbeugung und Ausrottung der internationalen Finanzkriminalität.

 
  
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  Stauner (PPE-DE). – Herr Präsident! Mit Befriedigung habe ich gehört, dass vor zwei Tagen von den belgischen Behörden gegen die frühere Kommissarin Cresson Anklage wegen Betrugs erhoben wurde, vier Jahre nach dem Sturz der Kommission Santer aufgrund der Verfehlungen eben von Frau Cresson. Auch dies zeigt, dass es dringend notwendig ist, einen europäischen Finanzstaatsanwalt einzurichten, der ausschließlich und allein die Fälle von Betrügereien mit europäischen Geldern vor Gericht bringt, und zwar zeitnah zur jeweiligen Straftat, denn nur wenn Strafverfolgung und -verurteilung schnell erfolgen, ist eine präventive Wirkung zu erwarten. Obwohl ich grundsätzlich die Letzte bin, die einer weiteren Aufgabenübertragung an die EU das Wort spricht, in diesem Ausnahmefall ist sie gerechtfertigt, denn bei dem Schutz der europäischen Gelder haben alle – und ich betone alle – bisher in der Verantwortung stehenden Organe kläglich versagt, allen voran die gegenwärtige Kommission, die sich bei dieser Aufgabe in verbalen Kraftausdrücken erschöpft.

Handlungsbedarf ist aber mehr denn je gegeben, denn die Zahl der Betrügereien, Missmanagement und Nepotismus steigt. Ich weise nur auf die jüngsten Vorgänge im Europäischen Statistikamt EUROSTAT hin. Die nationalen Staatsanwaltschaften zeigen sich weitgehend überfordert. „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ wirkt sich aber verheerend auf das Vertrauen der europäischen Bürger in die europäischen Institutionen aus.

Ich appelliere deshalb an Rat und Konvent: Wir brauchen keine Grünbücher mehr. Was wir brauchen, ist eine eindeutige Rechtsgrundlage, die den Arbeitsauftrag klar abgegrenzt festlegt. Dann ist auch für die Bedenken einiger Mitgliedstaaten kein Raum mehr. Dieser erste Schritt muss jetzt getan werden bei der Neugestaltung der Verträge und von der Osterweiterung. Wenn uns das gelingt, ist diese Einrichtung untrennbar mit den Bemühungen der Kollegin Theato verbunden, der ich hier ausdrücklich noch einmal für ihre nachhaltigen Bemühungen danke.

(Beifall)

 
  
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  Morgan (PSE).(EN) Herr Präsident! Wir haben in der Europäischen Union heutzutage einen offenen Markt, was jedoch bedeutet, dass der Markt auch Betrügern offen steht. Die meisten Betrugsfälle mit Schaden für die EU treten im Zusammenhang mit nicht abgeführten Geldern auf. Nach Schätzungen der Kommission sind dem EU-Haushalt allein durch Zigarettenschmuggel 90 Milliarden Euro verloren gegangen. Wir haben einige Maßnahmen ergriffen, um Betrug zu verhindern. OLAF wurde eingerichtet; es leistet seine Arbeit und leitet die Akten an die Mitgliedstaaten weiter, wo sie dann irgendwo verstauben. Wir könnten den Rechnungshof sanktionieren, doch bleibt weiterhin die Frage offen, wer die strafrechtliche Verfolgung übernimmt. Wir könnten weitere betrugsbekämpfende Maßnahmen einführen, doch bleibt die Frage: Wer führt die strafrechtliche Verfolgung durch? Eurojust wurde geschaffen, aber: Wer führt die strafrechtliche Verfolgung durch? Die Antwort, die auf Tatsachen und nicht auf Theorien beruht, lautet: Kaum jemand.

Die Mitgliedstaaten nehmen die Betrugsbekämpfung in der EU nicht ernst. Es dauerte fünf Jahre, bis sie das Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen ratifiziert hatten. Die Strafverfolgung von Personen, die die EU ausnehmen, findet so gut wie gar nicht statt. Das derzeitige System funktioniert nicht. So ist die Verfolgung grenzüberschreitender Betrugsfälle zum Teil extrem schwierig, weil die in einem Mitgliedstaat erhobenen Beweismittel in einem anderen nicht anerkannt werden.

Was hier auf dem Tisch liegt, ist ein Grünbuch. Es ist unbedingt erforderlich, dass die Befugnisse der Europäischen Staatsanwaltschaft auf die finanziellen Interessen des EU-Haushalts beschränkt werden. Alles was darüber hinausgeht, öffnet gewaltigen Komplikationen und gravierenden konstitutionellen Auswirkungen Tür und Tor – darum ist Absatz 4, in dem die Einrichtung eines justiziellen Raums gefordert wird, Unsinn. Wenn das Problem schon jetzt da ist, wie groß soll es dann erst nach der Erweiterung werden?

Wenn es mit der Betrugsbekämpfung ernst meinen, müssen wir einsehen, dass das derzeitige System nicht funktioniert, und wir müssen solange weitermachen, bis es eine akzeptable Alternative gibt.

(Beifall)

 
  
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  Berthu (NI).(FR) Herr Präsident, im Zusammenhang mit der Betrugsbekämpfung möchte ich zunächst einmal anmerken, dass es ein Problem gibt, um das man sich dringend kümmern müsste. Es besteht heute keine Gerichtsinstanz, die befugt ist, Ermittlungen in den Gemeinschaftsverwaltungen durchzuführen, und zwar aufgrund der Privilegien, die diese genießen. Wenn es eine gerechtfertige Aufgabe für einen europäischen Staatsanwalt gäbe, dann wäre es in erster Linie diese. Was alles Übrige betrifft, d. h. die eventuelle Schaffung einer supranationalen Instanz zur Durchführung von Ermittlungen und zur Anklageerhebung in den Mitgliedstaaten bei Straftaten, die sich gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaften richten, scheint uns dieses Vorhaben mehr Nachteile als Vorteile aufzuweisen. Die Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsräumen können in gewissen Fällen die Strafverfolgung sicherlich beeinträchtigen, doch Eurojust wurde geschaffen, um dieses Problem unter Achtung der nationalen Zuständigkeiten zu lösen. Wir sollten ihm erst die Zeit lassen, zu handeln und sich zu entwickeln. Dann werden wir weitersehen.

Der Vorschlag der Kommission zur Schaffung eines supranationalen europäischen Staatsanwalts würde zu einer Spirale ohne Ende führen, denn es wäre nicht nur erforderlich, Straftatbestände, Sanktionen, Vorschriften, alle möglichen Verfahrensaspekte wie die Zulässigkeit von Beweisen zu harmonisieren, sondern man müsste sich auch mit der Frage des Schutzes der individuellen Freiheiten bei allen von dem europäischen Staatsanwalt beantragten Zwangsmaßnahmen befassen, so bei Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Abhörmaßnahmen, Haftbefehlen, gerichtlicher Aufsicht, vorläufiger Festnahme, ganz zu schweigen von der riesigen Frage der demokratischen Kontrolle, die erst noch geschaffen werden müsste. Dies ist ein enormer Aufwand, und ich appelliere an meine Kollegen, stattdessen den Weg von Eurojust weiter zu verfolgen, der die gleichen Ergebnisse erbringen kann, ohne irgendetwas zu destabilisieren.

 
  
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  McCartin (PPE-DE).(EN) Herr Präsident, ich möchte Frau Theato zu ihrem Bericht beglückwünschen. Ich bin der Überzeugung, dass sie vieles von der harten Arbeit, die in dieses Thema eingeflossen ist, herauskristallisiert hat. Ihren Vorschlag betrachte ich als ein überzeugendes Argument für den europäischen Konvent, diese Bestimmung in einen geänderten Vertrag aufzunehmen.

Bei der Erörterung dieser Angelegenheit sollten wir nicht den Eindruck erwecken – wie es einige getan haben und zu tun versuchen –, dass es sich beim Fiskus der Europäischen Union auf die eine oder andere Art um einen Topf mit mehr Löchern handelt als bei den Staatskassen der Mitgliedstaaten oder ähnlichen Finanzbehörden in der Welt. Wir sind weder besser noch schlechter, doch wir werden an den höheren Maßstäben der Prüfung und der Rechenschaftspflicht gemessen.

Andererseits sind die meisten gegen dieses Vorhaben vorgebrachten Argumente politischer und ideologischer Art. Damit sollen diejenigen angestachelt werden, die sich darüber Sorgen machen, dass Befugnisse und Kompetenzen der nationalen Parlamente auf Europa übertragen werden und mehr unnötige Bürokratie geschaffen wird. Ich sehe das überhaupt nicht so. Wir haben dieser Union 1 % unserer nationalen Steuereinnahmen übergeben, die im Interesse der Gemeinschaftspolitik verwendet werden. Dazu haben wir die entsprechende Finanzkontrolle bereitgestellt. Wir haben OLAF eingerichtet, um Verdachtsmomente näher zu untersuchen. Doch den letzten Schritt, nämlich Mittel zu schaffen, um diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die wir der Verletzung unserer Gesetze für schuldig befunden haben, gehen wir nicht. Diese Erfahrungen konnte ich in meinem Alltag machen. Ich habe Fälle erlebt, in denen Unternehmen und Einzelpersonen des Missbrauchs von Gemeinschaftsgeldern für schuldig befunden worden waren. Ich habe Situationen erlebt, in denen viele Menschen aus einem bestimmten Sektor, der großzügig von der Union finanziert wird, offenbar ständig mit einer Verletzung unserer Vorschriften und Bestimmungen zur Mittelverwendung davonkommen. In einem Fall erlebe ich, wie der öffentliche Steuerzahler in einem Mitgliedstaat gezwungen ist, durch Rechnungsbegleichung für die Straftaten einzelner Unternehmen zu bezahlen. Wieder in anderen Fällen muss ich erleben, wie Abgaben nicht bezahlt werden, sodass wiederum die nationale Regierung die Rechnung zu begleichen hat.

Wenn wir eine Europäische Staatsanwaltschaft hätten, die sich mit unseren Eigenmitteln befasst – weiter wollen wir gar nicht gehen –, dann denke ich, dass der Blick der Behörden in den Mitgliedstaaten, die diese Gelder tatsächlich ausgeben, geschärft würde. Außerdem meine ich, dass die Frustration bei OLAF geringer wäre, wenn tatsächlich etwas passieren würde, nachdem man dort seine Arbeit geleistet und hinreichend gravierende Fälle an Staatsanwaltschaften auf nationaler Ebene weitergeleitet hat. Hätten wir eine Europäische Staatsanwaltschaft, dann könnten wir unsere Steuerzahler überzeugen, dass wir die Angelegenheiten zu einem ordentlichen Abschluss bringen.

 
  
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  Santos (PSE).(PT) Herr Präsident! Ich habe kürzlich gesagt, dass die Verwendung der Finanzmittel, die der Europäischen Union zur Verfügung stehen, wahrscheinlich die komplizierteste, aber zugleich auch die attraktivste Aufgabe ist, der sich die Gemeinschaftsinstitutionen widmen. Die Verbesserung von Effizienz und Transparenz beim Einsatz der Humanressourcen ist begrüßens- und bemerkenswert und begründet. Die Qualität der Unionsbürgerschaft, also das Gefühl, dem supranationalen Raum der Solidarität anzugehören, wird auch dadurch gestärkt, wie der finanzielle Pfeiler der Union verwendet wird.

Als Haushaltsbehörde spielt das Europäische Parlament zum Erreichen dieser Verbesserung eine maßgebende Rolle. Deshalb kann man die Bemühungen der Kommission um die Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaften und speziell um die Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft nur loben. Damit die Reformen, die wir derzeit prüfen, zu einem wirksamen Schutz des Geldes der europäischen Steuerzahler und auch der Glaubwürdigkeit der Union zur Gewährleistung dieses Schutzes führen, müssen wir vor allem mit Nachdruck darangehen, Verfahren zu harmonisieren, Maßnahmen abzustimmen und für eine faire und offene Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sorgen. Ebenso unerlässlich ist aber auch, dass das Wesentliche dieser Politik unumstößlich bleibt, welche Gemeinschaftsmethode auch zur Anwendung kommt.

Deshalb begrüße ich die Empfehlung der Berichterstatterin Frau Theato, wenn sie erklärt, dass das Strafrecht nicht nur als Unionsregelungsbereich des dritten Pfeilers angesehen werden darf, und wenn sie ausführt, dass die Schaffung der Europäischen Staatsanwaltschaft im Rahmen des ersten Pfeilers für die künftige Struktur der Befugnisse der Union ein überaus bedeutsamer Schritt sein kann.

 
  
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  Dell'Alba (NI). (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bedingungen dieser Aussprache sind sicher nicht die besten, um seine Gedanken auszudrücken. Im Namen der italienischen Radikalen werden wir uns weiterhin konsequent jeglicher Idee von der Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft widersetzen, die nicht von Instrumenten und Verfahren begleitet wird, die zum rechtlichen und kulturellen Erbe unserer Länder gehören. Wie kann man auch nur an eine Europäische Staatsanwaltschaft ohne Mechanismen wie Verfahren, Berufung und Verteidigung denken, die der Justizordnung eines jeden Landes eigen sind und innewohnen? Eine derartige Flucht nach vorn würde das für Europa angestrebte Konzept zwangsläufig noch justizialistischer machen und ein Justizmodell nach italienischem Vorbild exportieren, das wir alle kennen und das unserem Land so viel Schaden zugefügt hat. Aus diesen Gründen werden wir gegen den Bericht Theato stimmen, wie wir das auch schon im Ausschuss getan haben, nicht weil das Vorhaben per se jeder Grundlage entbehrte, sondern weil ihm sämtliche Attribute fehlen, um es wirklich gerecht zu gestalten, wie dies ein Justizwesen auch auf europäischer Ebene sein müsste.

 
  
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  Bayona de Perogordo (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, ich möchte Frau Theato zu dem Bericht beglückwünschen, den ich bereits im Ausschuss für Haushaltskontrolle unterstützt habe, wie ich dies auch in diesem Plenum tun werde.

Ich möchte den Bericht in seinen Kontext stellen und darauf verweisen, dass es um die Definition einer Position des Europäischen Parlaments zum Grünbuch der Kommission zur europäischen Staatsanwaltschaft geht. Mit dieser Publikation will die Kommission eine breitestmögliche Debatte zu allen Fragen dieses Amts anfachen, und aus diesem Grund nimmt sie einige Punkte auf, die, handelte es sich um einen Gesetzesentwurf, als unausgefeilt, lückenhaft und in vielen Aspekten kritikwürdig zu betrachten wären.

Doch letztendlich lässt sich das Grünbuch in der intellektuellen Hypothese zusammenfassen, dass der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft und somit der grenzübergreifenden Interessen vielleicht auch besser durch ein Gemeinschaftsorgan in diesem Bereich gewährleistet wird.

Die Berichterstatterin ist durch diese Struktur festgelegt und muss folglich auf die relevantesten Aspekte des Grünbuchs reagieren und andererseits aus dieser zusätzlichen und vorgreifenden Information die Grundidee herausfiltern, nämlich die Errichtung einer notwendigen Rechtsgrundlage zur Weiterführung einer gewissenhaften Analyse.

Es gibt zwei aktuelle Gründe, die diese Behandlung und die Annahme dieses Berichts ratsam machen. Zum einen der gegenwärtige Konvent und die nächste Regierungskonferenz, die die Zukunft des Gemeinschaftsrechts festlegen werden, und zum anderen die bevorstehende Aufnahme der neuen Mitglieder, die bei ihrem Beitritt eine Rechtsgrundlage vorfinden müssen, die ihnen die Möglichkeit bietet, sich an dieser gemeinsamen Arbeit zur Schaffung des Amtes eines europäischen Finanzstaatsanwalts zu beteiligen.

 
  
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  Gargani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, dem Bericht Theato über das Grünbuch der Kommission zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und zur Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft gingen eine lange Vorbereitung und eine langwierige Diskussion voraus. Anfangs waren wir uns einig, sofern sich die Funktion des Staatsanwalts selbst auf die finanziellen Interessen der EG beschränken würde und darauf beschränkt bliebe. Im Laufe der Diskussion und der von den Ausschüssen des EP vorgenommenen Bewertungen drohte die ursprünglich vorgesehene Maßnahme jedoch entstellt zu werden und eine andere, gefährliche Gestalt innerhalb des europäischen institutionellen Systems anzunehmen. Deshalb hatte der Ausschuss für Recht und Binnenmark zunächst eine negative Stellungnahme vorbereitet, doch später, dank des umsichtigen Vorgehens von Herrn Lehne und der Klarstellungen seitens der Ausschussvorsitzenden Frau Theato, hat er eine Kompromissstellungnahme abgegeben und versucht, sich bei der Regelung, die man für diese Einrichtung finden wollte, wieder auf das ursprüngliche Anliegen zu besinnen. Dank weiterer Gespräche mit Frau Theato konnten wir eine einheitliche Position bzw. einen Kompromiss erzielen, von dem wir hoffen, dass er heute Morgen in diesem Hohen Haus bestätigt wird. Frau Theato hat sich dieses Problems mit großem Einfühlungsvermögen angenommen, weil die Rechtsordnung der Europäischen Union in der Tat weder Befugnisse im Straf- und Strafprozessrecht noch ein europäisches Gerichtswesen mit allen Instanzen der Rechtsprechung vorsieht, welches das Verteidigungsrecht im vollen Umfang garantieren könnte. In Ermangelung eines derartigen Gefüges würde die Schaffung einer unabhängigen und nicht kontrollierten Europäischen Staatsanwaltschaft das bereits fragile interinstitutionelle Gleichgewicht zwischen Union und Mitgliedstaaten in einem so sensiblen Bereich wie der Justiz beeinträchtigen: Sie wäre somit unlogisch und unbegründet. Insbesondere erscheint die Schaffung eines solchen Organs wirklich verfrüht, wenn man bedenkt, dass die Ziele der justiziellen Zusammenarbeit sowie der Angleichung der strafrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten, dort wo sie erforderlich ist, noch nicht erreicht wurden.

Im Rahmen von EUROJUSTdas sich zwar dem Problem der Subsidiarität und einem großen Problem hinsichtlich der Koordinierung zwischen allen europäischen Staaten gegenübersieht –, und nur in diesem Rahmen, können wir wirklich zu einem tragfähigen und einheitlichen Ergebnis gelangen, das die Staaten respektiert und gleichzeitig die Sicherheiten bietet, deren die Europäischen Union bedarf. Wir werden in diesem Sinne abstimmen und diese Abänderungen im Konvent vorbringen, der selbstverständlich keine Europäische Staatsanwaltschaft, keine allmächtige Superstaatsanwaltschaft ins Leben rufen kann, die im Widerspruch zu sämtlichen, in unserer Union gleichwohl bestehenden Garantienormen stehen würde.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet in Kürze statt.

 
  
  

VORSITZ: PAT COX
Präsident

 
  
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  Galeote Quecedo (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, heute Morgen fanden wir Europaabgeordneten der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und der europäischen Demokraten in unseren Briefkästen gleich neben dem Plenarsaal einen Zettel mit unserem Namen und dem Wort „Mörder“ vor. Meiner Ansicht nach, Herr Präsident, waren bisher nur unsere Kolleginnen und Kollegen im Baskenland an so etwas gewöhnt. Sie sahen ihre Namen in Aufschriften an Straßenwänden, und für einige von ihnen, Herr Präsident, haben wir hier im Parlament eine Schweigeminute eingelegt.

Ich halte dies ist unvereinbar mit dem Geist, in dem die Europäische Union gegründet wurde. Ebenso unvereinbar ist es – und ich sage das mit allem Respekt – mit einigen Plakaten, die wir gestern hier im Plenum sahen.

Deshalb bitte ich Sie, Herr Präsident, zur Toleranz aufzurufen, die die Grundlage der europäischen Integration bildet.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Die Reaktion der Kollegen spricht bereits Bände für Ihren Appell zu Toleranz. Was den Vorfall betrifft, auf den Sie Bezug nehmen, so findet er meine ungeteilte Missbilligung. Wer auch immer das getan hat, hat sich in nicht hinnehmbarer und skandalöse Art und Weise verhalten.

(Beifall)

Ein Parlament ist die Tribüne der Menschen, und seine Mitglieder sind voll und ganz berechtigt, ihre politischen Analysen und Präferenzen zum Ausdruck zu bringen, und zwar in aller Ruhe, in Würde und bei gegenseitiger respektvoller Toleranz.

In Anbetracht dessen, was Sie heute Morgen berichtet haben, Herr Galeote Quecedo, schlage ich vor, die Dienststellen zu fragen, ob wir herausfinden können, wie es zu diesem Vorfall gekommen ist und wer dafür verantwortlich ist, sodass wir möglicherweise eine Lehre daraus ziehen können. Falls wir, um mit skandalösen Vorfälle dieser Art umzugehen, Änderungen an der Geschäftsordnung vornehmen müssen, dann bin ich entschieden dafür, dass wir das tun.

(Beifall)

 
  
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  Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, ich hatte um das Wort gebeten, um diese unerträglichen Aktionen zu verurteilen und den Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und der europäischen Demokraten meine Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Dabei wollte ich den Vorschlag vorbringen, den Sie selbst gemacht haben. Ich unterstütze ihn im Namen meiner Fraktion.

(Beifall)

 
  
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  Nogueira Román (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident, man muss nicht erst erklären, dass ich, wie alle spanischen Abgeordneten, gegen derartige Praktiken und gegen jegliche Gewalt bin. Aber ich muss sagen, Herr Präsident, dass dies in einem Zusammenhang geschieht, da Millionen von Spaniern gegen den Krieg demonstrieren und da die spanische Regierung von Herrn Aznar Staaten wie Frankreich und Deutschland ...

(Proteste)

… im Abgeordnetenhaus mit Saddam Hussein vergleicht. Erst gestern bezeichnete er die Staaten, die gegen den Krieg sind, als Verbündete von China und Russland, anstatt zu sagen, dass es sich um eine europäische Position handelt, die im Widerspruch zu der vom Vereinigten Königreich und von Spanien steht.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Es gibt absolut keine Rechtfertigung für das skandalöse Verhalten, das wir heute hier erlebt haben.(1)

(Beifall)

 
  

(1) Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll.

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