2. Vorbereitung des Europäischen Rates von Thessaloniki am 20. und 21. Juni 2003 und Treffen der Troika und der am Stabilitätspakt für Südosteuropa teilnehmenden Länder
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission über die Vorbereitung des Europäischen Rates von Thessaloniki vom 20. und 21. Juni 2003 und zum Treffen der Troika und der am Stabilitätspakt für Südeuropa teilnehmenden Länder.
Yiannitsis, Rat. – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Der Rat von Thessaloniki wird ein besonders schwieriges Halbjahr zum Abschluss bringen und den Weg für die Fortsetzung des europäischen Integrationsprozesses ebnen.
Der Rat hat vor, sich auf fünf wesentliche Komplexe zu konzentrieren. Erstens, auf die Frage, wie das Thema der institutionellen Veränderungen, die die Europäische Union braucht und mit denen sich der Konvent über die Zukunft Europas seit März 2002 beschäftigt, vorangebracht werden kann. Zweitens, Fragen der Außenpolitik und der Verteidigung, mit besonderem Gewicht auf den Punkten der transatlantischen Beziehungen, der Formulierung eines strategischen Konzepts zu Fragen der Sicherheit der Union und zur Frage der Massenvernichtungswaffen. Drittens, Themen der Zuwanderung, des Asyls und der Außengrenzen, an denen der griechische Ratsvorsitz bekanntlich ein Interesse hat, sowie ihre in den letzten fünf Jahren gewachsene Bedeutung für die Union. Viertens, Themen bezüglich der Beschäftigungsstrategie sowie generell der Strategie von Lissabon, mit denen sich der Rat auseinandersetzen muss, und ein fünfter Komplex für den Tag nach dem Rat, das heißt, für Samstag, den 21. Juni, der die Politik der Union gegenüber den westlichen Balkanstaaten betrifft.
Selbstverständlich wird der Rat es nicht versäumen, über diese fünf grundlegenden Komplexe hinaus, ebenfalls eine Reihe anderer Themen zu diskutieren und die geeigneten Beschlüsse zu fassen. Ich werde mich jedoch hauptsächlich auf die von mir angeführten Themenkomplexe beschränken.
Meine Damen und Herren! Der erste Themenkomplex betrifft die institutionellen Veränderungen, die vom Rat ausgearbeitet werden, sowie die sich anschließenden Schritte. Als ein Ergebnis der Erweiterung, deren Vertrag am 16. April in Athen unterzeichnet wurde, besteht das dringende Problem, Veränderungen voranzutreiben, so dass die Europäische Union nicht in die hässliche Falle gerät, unflexible Institutionen zu haben, die nicht in der Lage sind, effizient und kreativ zu arbeiten. Deshalb sind die Themen des Konvents über die Zukunft Europas auch für den Rat und generell für die Union Themen von größerer Bedeutung.
Wie auf dem informellen Rat im April vereinbart, wird davon ausgegangen, dass der Konvent durch seinen Vorsitzenden die Ergebnisse seiner Arbeit, die etwa 15 Monate umfasste, vorlegt. Dem griechischen Ratsvorsitz ist es nach speziellen und vielfältigen Konsultationen gelungen sicherzustellen, dass der vom Rat von Kopenhagen für den Konvent aufgestellte Zeitplan eingehalten wird. Hierbei wurden Ideen und Vorschläge unterbreitet. Der Dialog kann fortgesetzt werden, doch irgendwann müssen wir zum Abschluss kommen. Dieser Abschluss wird sicherlich nicht während der griechischen Präsidentschaft vollzogen werden, doch wir hoffen, dass unter der griechischen Präsidentschaft die politischen Führer ihre Ansichten austauschen und sie über die Einberufung der Regierungskonferenz entscheiden, und dass die Brücke für das letzte Stadium vollendet wird.
Das Abschlussergebnis des Konvents wird somit auf dem Rat von Thessaloniki vorgelegt werden. Es ist nicht Aufgabe des Rates, materielle Beschlüsse zu fassen, seine Aufgabe besteht darin, darüber zu entscheiden, wie die Order für die Regierungskonferenz gegeben wird, die Arbeit aufzunehmen, so dass wir ein Resultat erhalten, das von allen akzeptiert wird, das einen gemeinsamen Nenner darstellen und den institutionellen Rahmen bilden wird, der den Kurs der Union für eine Reihe von Jahren bestimmt. Wir müssen, wenn die Zeit kommt, darauf achten, dass dieser gemeinsame Nenner nicht der niedrigste gemeinsame Nenner, nicht eine Veränderung von eingeschränkter Bedeutung ist, sondern ein Nenner, der einen dynamischen Kurs für ein erweitertes Europa garantiert.
Der griechische Ratsvorsitz sieht vor, eine Diskussion über die wesentlichen Aspekte dieser Thematik abzuhalten, so dass ein Meinungsaustausch stattfindet, wir vor der Regierungskonferenz ein Bild von den nationalen Positionen gewinnen und selbstverständlich Beschlüsse über Verfahrensfragen gefasst werden, die die nachfolgenden Stadien des Prozesses betreffen. Der Zeitplan für die Arbeit der Regierungskonferenz ist ein wichtiges Thema. Um den Zeitplan festzulegen, muss auch die Verpflichtung einiger Mitgliedstaaten berücksichtigt werden, einen internen Dialog über das Ergebnis des Konvents zu führen. Wir schätzen, dass dieser Prozess um den Herbst herum abgeschlossen sein dürfte, die Regierungskonferenz vorangehen wird und ihre Arbeit rechtzeitig beendet sein müsste, so dass der Zeitraum zwischen dem Datum der Erweiterung, im Mai 2004, und der Inkraftsetzung des neuen institutionellen Rahmens so kurz wie möglich ist.
Der Fortschritt der Arbeit des Konvents gestattet mir jedenfalls, bestimmte Ansichten zu einer Reihe von Punkten zu äußern. Die Diskussion über die institutionelle Architektur des erweiterten Europas begann mit der Feststellung, dass eine größere Effizienz erforderlich ist. Alle sind davon überzeugt, dass wir die institutionelle Struktur und Funktion den Bedürfnissen einer größeren Union anpassen müssen, allerdings unter Beibehaltung der Prinzipien, auf denen sich das europäische Einheitsvorhaben gründet. Die Ausarbeitung eines Verfassungsvertrags stellt einen enormen Qualitätssprung dar, der in hohem Maße das Ergebnis der im Konvent unternommenen Anstrengungen ist. Wir müssen jedoch auch sagen, dass er den Willen der europäischen Bürger zum Ausdruck bringt. Seine Stärke beruht auf zwei grundlegenden Elementen: auf seinem demokratischeren Funktionieren sowie auf der effizienteren Beschlussfassung.
Ich möchte insbesondere die Tatsache begrüßen, dass während der Arbeit des Konvents ein hohes Maß an Übereinstimmung über eine Reihe von elementaren Fragen, wie beispielsweise die Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments, die Einführung einer einheitlichen internationalen juristischen Person der Union, die Einbeziehung der Charta der Grundrechte in den Verfassungsvertrag und die weitere Vergemeinschaftung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Recht, erzielt wurde. Die Ansicht, dass wir eine bessere demokratische Legitimität erreichen können, ohne neue Institutionen oder Organe zu schaffen, fand ebenfalls breite Zustimmung.
Ein erweitertes Europa sollte auch zu einer stärkeren internationalen Präsenz führen. Dafür müssen Lösungen gefunden werden, wie zum Beispiel eine koordiniertere Anwendung von Mitteln der Außenpolitik und die Schaffung eines Amtes, das die Verantwortlichkeiten des Hohen Vertreters mit denen des für die Außenpolitik zuständigen Kommissars verbindet. Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, wird diese Debatte gerade geführt. Über die unterschiedlichen, im Plenum des Konvents zum Ausdruck gebrachten Herangehensweisen hinaus, ist es meiner Meinung nach wichtig, das Gleichgewicht zwischen den Institutionen der Union beizubehalten, die Gleichheit der Mitgliedstaaten sicherzustellen, die Vorteile der Gemeinschaftsmethode in stärkerem Maße zur Anwendung zu bringen und den demokratischen Charakter einer Union der Staaten und Völker zu stärken.
Auf jeden Fall denke ich, dass der Konvent ein Erfolg war, da er Beschlüsse zu einer Reihe schwieriger Themen gefasst hat, die aus vorangegangenen Regierungskonferenzen noch offen waren. Selbstverständlich wird die nächste Regierungskonferenz die Beschlüsse, bei denen Einigkeit bestand, berücksichtigen müssen, und es ist in der letzten Phase der Arbeit wichtig, dass es Kompromissbereitschaft gibt, dass die Autorität des Konvents gewahrt und ein gutes Ergebnis, das die Union so sehr braucht, sichergestellt wird.
Wie ich bereits sagte, hat ein zweiter wichtiger Arbeitsbereich des Rates vom Juni mit den während dieses gesamten Zeitraums stattgefundenen Entwicklungen hinsichtlich der besonders entscheidenden Thematik der Außenpolitik zu tun, die auch die Frage der zwischenstaatlichen Beziehungen mit einschließt. Wenige Tage nach dem Rat wird in Washington das Gipfeltreffen EU/USA abgehalten. Es wird die Gelegenheit bieten, Themen von beiderseitigem Interesse zu diskutieren, zusammenzuarbeiten und sich mit schwierigen, die internationalen und/oder bilateralen Entwicklungen betreffenden Fragen auseinander zu setzen sowie das Klima zu überwinden, das während all der letzten Monate oft geherrscht hat.
Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten gründen sich trotz der Tatsache, dass diese in den vergangenen Monaten durch Meinungsverschiedenheiten über eine Reihe von Fragen einer Prüfung unterzogen worden sind, auf traditionelle Bindungen, auf die gewichtige Rolle beider Seiten auf der internationalen Bühne sowie auf ihre Dynamik. Alle Mitgliedstaaten sind sich jedoch darin einig, dass uns mehr eint als trennt, und dass es im Interesse aller liegt, zusammenzuarbeiten.
Auf der letzten Tagung in Gymnich haben wir eine sehr nützliche Diskussion geführt. Wir sind der Meinung, dass die Beziehungen mit den Vereinigten Staaten verbessert werden und sie den tatsächlichen Stand unserer Beziehungen besser reflektieren sollten. Deshalb arbeiten wir insbesondere darauf hin sicherzustellen, dass das kommende Gipfeltreffen, dessen Agenda auf dem Rat in Thessaloniki diskutiert wird, einen bedeutenden Schritt im Hinblick auf die weitere Entwicklung unserer strategischen Beziehungen darstellen wird, so dass wir gemeinsam die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen können.
Die Frage des Irak, der transatlantischen Beziehungen und generell der internationalen Entwicklungen haben in der letzten Zeit neue Herausforderungen im Bereich der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik geschaffen. Wir müssen auf diesem Sektor künftig in der Lage sein, ein gemeinsames Konzept für das neue Sicherheitsumfeld zu entwickeln und uns mit den neuen Herausforderungen und Bedrohungen in effizienter Weise auseinander setzen. Die Außenminister haben auf ihrem informellen Treffen Anfang Mai den Hohen Vertreter der Union beauftragt, einen allgemeinen Bericht über das neue Sicherheitsumfeld, über die sich daraus ergebenden Herausforderungen und Bedrohungen sowie über die Art und Weise, wie die Union diese bewältigen kann, zu erstellen, damit dieser auf dem Europäischen Rat in Thessaloniki vorgelegt werden und eine erste Diskussion stattfinden kann. Zugleich erwartet der Europäische Rat, dass der Fortschrittsbericht des Ratsvorsitzes über die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zusammen mit dem Jahresbericht über die Umsetzung des Programms der Union zur Verhütung gewaltsamer Konflikte, das einen Meilenstein des Sicherheitsmechanismus der Union bildet, angenommen wird. Das mit dem oben Genanntem in Zusammenhang stehende Thema Massenvernichtungswaffen ist auch einer der wichtigen Punkte der Tagesordnung, und ich gehe davon aus, dass er ein solcher bleibt, da die Verbreitung dieser Waffen eine große Herausforderung für die internationale Frage darstellt.
Gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Sevilla beabsichtigt der Ratsvorsitz, den Staatsoberhäuptern im Rahmen des Gipfels im Juni eine Reihe von Fragen zur Zuwanderung, zum Asyl und zu den Außengrenzen vorzulegen, die, wie Sie wissen, auch grundlegende Prioritäten unserer Ratspräsidentschaft waren. Hier wurde ein beachtlicher Fortschritt erzielt. Dem Rat ist es gelungen, ein politisches Übereinkommen zu einer Richtlinie über die Familienzusammenführung zu erreichen, und wir glauben, dass wir auch einen politischer Konsens zu einer Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Personen sowie die damit zusammenhängende Richtlinie über die Definition von Flüchtlingen erzielen werden.
Wie Sie wissen, strebten wir eine umfassende Überprüfung des Themas Zuwanderung im Sinne der legalen sowie illegalen Einwanderung an. Im dem Bemühen, eine einheitliche europäische Politik zu den Themen legale Zuwanderung und Asyl zu entwickeln, hat der Ratsvorsitz auch den Fragen der Integration von Staatsangehörigen aus Drittländern besondere Bedeutung beigemessen. Wir beabsichtigen, zusammen mit der Kommission auf der Grundlage der Mitteilung der Kommission über die Entwicklung einer gemeinsamen Politik zur illegalen Einwanderung, zum illegalen Menschenhandel, zum Schutz der Außengrenzen sowie zur Rückkehr der illegalen Einwanderer Schlussfolgerungen für Thessaloniki zu formulieren, wobei auch die Frage der Lastenverteilung mit berücksichtigt werden soll. Der Ratsvorsitz plant ebenfalls, ein politisches Übereinkommen darüber anzustreben, die Zuwanderung als einen erforderlichen Parameter bei der Bewertung der Zusammenarbeit von Drittländern mit der Union einzubeziehen.
Nach dem Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates, der unter schwierigen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen abgehalten wurde, ist es gleichfalls erforderlich, Maßnahmen zur Umsetzung der im Rahmen der Lissabonner Strategie vom März 2000 erreichten Beschlüsse zu ergreifen, insbesondere, da jetzt ein Drittel dieses Prozesses vergangen ist und noch viel zu tun bleibt. Auf dem Gipfel im März haben wir beschlossen, die Durchführung einer Reihe von politischen Maßnahmen zur Beschäftigung, zur Innovation, zum Unternehmergeist und zu anderen Politikbereichen voranzutreiben. Deshalb wird auch in Thessaloniki eine der zentralen Aufgaben die Annahme von konkreten Leitlinien sein, wie die revidierte europäische Beschäftigungsstrategie, die Registrierung des Fortschritts bei verschiedenen Zielen, beispielsweise hinsichtlich der öffentlichen Übernahmeangebote, der Energiefragen und der Umwelthaftung, sowie die Annahme eines Pakets für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, obgleich es schwierig ist, heute das endgültige Ergebnis dieses Vorhabens vorauszusagen.
Ich komme jetzt zu den westlichen Balkanstaaten. Was die westlichen Balkanländer und ihre Beziehungen mit der Union betrifft, so ist unser Programm auf eine Reihe von Prioritäten ausgerichtet, insbesondere darauf, ihren Kurs in Richtung europäische Strukturen und europäische Verhältnisse zu forcieren. Die Tatsache, dass die westlichen Balkanstaaten trotz des schwierigen Klimas der letzten Monate weit oben auf der Liste der Prioritäten der Union geblieben sind, stellt eine Errungenschaft von Seiten der Union dar und veranschaulicht zudem die große politische Bedeutung, die wir der Region beimessen. Dieses Interesse hat sich durch den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess real manifestiert und ebenso im politischen und sicherheitspolitischen Bereich in Form der zwei Operationen in Bosnien-Herzegowina und in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien.
Der Wiederaufbau der Balkanstaaten stützt sich auf die regionale Zusammenarbeit, und der Stabilitätspakt spielt in dieser Hinsicht eine bedeutende Rolle. Ich möchte insbesondere auf die Initiative der Ratsvorsitzes verweisen, im Rahmen des Südosteuropa-Kooperationsprozesses und des Stabilitätspaktes einen Krisen- und Konfliktverhütungs- sowie Frühwarnmechanismus zu schaffen, der vor allem die Bedeutung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung als präventiven Faktor unterstreicht. Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess bildet nach wie vor ein grundlegendes Ziel der Politik der Union in den Balkanländern, und in unserem Bemühen, diese Politik zu unterstützen, wurde kürzlich in Kroatien eine Bewertung dessen vorgenommen, was im Rahmen des Stabilitätspakts erreicht worden ist, wobei das Hauptziel darin bestand, die gemäß dem Pakt ergriffenen Maßnahmen zu koordinieren, um den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess zu vervollkommnen. Demokratisierung, Aussöhnung und regionale Zusammenarbeit auf der einen und Annäherung jedes dieser Länder an die Union auf der anderen Seite stellen eine Einheit dar.
Unsere Ziele im Hinblick auf die westlichen Balkanstaaten sind mit der Kommission, den Mitgliedstaaten sowie den fünf Ländern der Region abgestimmt worden. Der Rat und die Kommission arbeiten daran, diese Ziele mit konkreten operationellen Schlussfolgerungen zu verwirklichen. Die maßgeblichen Beschlüsse sollen auf dem Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ am 16. Juni angenommen werden. Wenn das Europäische Parlament diese Beschlüsse billigt, werden wir damit einen entscheidenden Punkt in unseren Beziehungen mit den westlichen Balkanstaaten erreichen, zumal wir einen Text von Schlussfolgerungen haben, der nicht nur den politischen Willen für die Förderung der europäischen Perspektive der Länder dieser Region zum Ausdruck bringt, sondern auch einen operativen Plan für diese Ziele beinhaltet.
Zugleich wird der Europäische Rat bekräftigen, dass die europäische Zukunft dieser Länder hauptsächlich in ihren Händen liegt und es ihrem Engagement anheim gestellt ist, die notwendigen Reformen durchzuführen. Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess, dessen untrennbarer Bestandteil das Prinzip der Konditionalität ist, wird uns weiterhin den notwendigen institutionellen Rahmen bieten. Die Bereicherung dieses Prozesses mit Elementen der Erfahrung aus der jüngst vollzogenen Erweiterung wird die Evaluierungs-, Reform- und Kontrollmechanismen auf der Grundlage der Konditionalität von 1997 sowie der Kriterien von Kopenhagen stärken. Im Sinne der Weiterentwicklung hat die Kommission als konkretes Mittel die europäischen Integrationspartnerschaften vorgeschlagen. Inspiriert durch den Vorbeitrittsprozess und angepasst an die Bedürfnisse eines jeden Landes werden sie Prioritäten und Verpflichtungen aufzeigen, die auf regelmäßiger Basis erfüllt werden müssen und als Richtschnur für die finanzielle Unterstützung durch CARDS fungieren. Der Beschluss zur Annahme dieses Mechanismus wird ebenfalls für den Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ und den Europäischen Rat erwartet.
Von den operationellen Maßnahmen, die auf dem Gipfel diskutiert werden, messen wir den Fragen Justiz und innere Angelegenheiten sowie vor allem der Bekämpfung des organisierten Verbrechens besondere Bedeutung bei. Wir beabsichtigen, eine Bewertung dessen vorzunehmen, was die Länder der Region im Hinblick auf die Erstellung einer Liste mit konkreten Verpflichtungen bezüglich dieser Themen für die Zukunft erreicht haben. Konkrete Maßnahmen werden auch für andere horizontale Themen vorgeschlagen wie die Rückkehr von Flüchtlingen, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Liberalisierung des Handels, der Schutz der religiösen und kulturellen Denkmäler.
Eine wichtige Voraussetzung, um eine effektive Stabilisierung in der Region zu erreichen, besteht darin, die europäischen finanziellen Hilfen zu intensivieren und ein größeres Gewicht auf Entwicklungsmaßnahmen zu legen. Die Beschlüsse des Rates in Thessaloniki werden sich auch in der Erklärung von Thessaloniki widerspiegeln, die von den beteiligten Seiten am 21. Juni unterschrieben werden soll. Auf diesem politischen Forum, das in der Nachfolge des im Jahre 2000 in Zagreb abgehaltenen Gipfels steht, wollen wir den politischen Dialog erneuern, der den bestehenden Rahmen ergänzen und der zudem die Verantwortung der westlichen Balkanländer im gesamten Prozess unterstreichen soll.
Über diese grundlegenden Parameter hinaus, mit denen sich der Europäische Rat auseinander setzen wird, möchte ich ganz kurz auf bestimmte andere Fragen eingehen, die von besonderer Bedeutung sind. Nach der historischen Zeremonie zur Unterzeichnung des Beitrittsvertrages am 16. April erhielt dieser Prozess einen neuen Impuls und wurde zugleich ein grundlegendes Stadium dieses Kurses abgeschlossen. Der Ratifizierungsprozess für die 10 Länder verläuft reibungslos, das gilt ebenso für die verstärkte Kontrolle der Übernahme des Besitzstandes. Gleichzeitig machen die Beitrittsverhandlungen mit Bulgarien und Rumänien zufrieden stellende Fortschritte. Mit der Türkei befinden wir uns in einem Prozess des Abschlusses der Beitrittsstrategie gemäss den Beschlüssen von Kopenhagen. Es wird deshalb erwartet, dass der Europäische Rat sich zu dem erzielten Fortschritt äußert und die erforderlichen Leitlinien annimmt.
Ich werde auf weitere Themen, mit denen sich der Rat selbstverständlich laufend beschäftigt, nicht eingehen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass in dem Bemühen, den europäischen Bürgern die europäischen Entwicklungen näher zu bringen, der griechische Ratsvorsitz den Vorschlag zu den europäischen politischen Parteien als eine Angelegenheit von hoher Priorität behandelt und jedwede Anstrengungen unternimmt, um sicherzustellen, dass die Verhandlungen im Rat noch vor dem Europäischen Rat in Thessaloniki abgeschlossen werden. Ich bin besonders darüber erfreut, dass gestern ein vollständiger Konsens zur Realisierung eines Abkommens über eine bessere Gesetzgebung erreicht worden ist, und wir dieses Abkommen folglich ebenfalls auf dem Rat in Thessaloniki präsentieren werden. Abschließend möchte ich anmerken, dass sich der Ratsvorsitz bemüht hat und eine letzte Anstrengung unternehmen wird, um zu schauen, ob vielleicht auch eine Lösung für das Statut der Abgeordneten im Europäischen Parlament gefunden werden kann. Wir werden sehen, wie sich dies entwickelt. Ich kann darüber nicht im Vorhinein urteilen.
(Beifall)
Der Präsident. – Ich möchte heute im Namen des Parlaments meinen Dank an den griechischen Ratsvorsitz zu Protokoll geben, der sich im Hinblick auf die Verbesserung der Regelwerke sehr intensiv um eine konstruktive Zusammenarbeit mit uns bemüht hat. Ich hoffe, dass wir eine interinstitutionelle Vereinbarung für diesen Bereich schließen können. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle nochmals für Ihre Zusage danken, sich auch weiterhin an der Suche nach einer Lösung für das Abgeordnetenstatut zu beteiligen.
Prodi,Präsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie der Herr Minister Yiannitsis gesagt hat, wird der vom Europäischen Konvent vorbereitete Entwurf eines Verfassungsvertrags im Mittelpunkt der bevorstehenden Tagung des Europäischen Rates in Thessaloniki stehen. Aufgrund der außerordentlichen Bedeutung dieses Ereignisses werde ich meine heutigen Ausführungen ausschließlich darauf konzentrieren. Ich bin sicher, dass sich aus der anschließenden Diskussion zahlreiche Anregungen und Vorschläge für die äußerst heikle Schlussphase der Arbeiten im Konvent ergeben werden.
Zunächst möchte ich wenige Tage vor dem Abschluss der Beratungen all jenen danken, die dieses Hohe Haus im Konvent vertreten haben. Ihr Beitrag war und ist für den weiteren Verlauf dieses schwierigen Prozesses maßgebend. Mein Dank gilt aber auch Präsident Simitis und Minister Yiannitsis sowie ihren Mitarbeitern für die geduldige Vermittlung, die in Thessaloniki, wie ich hoffe, zu einem positiven Ergebnis führen wird.
Es ist noch nicht so lange her, dass sich Kommission und Parlament nachdrücklich für die Bildung eines Konvents über die Zukunft Europas eingesetzt haben. Und nun wird unsere erste wirkliche Verfassung auf der Grundlage einer demokratischen, in aller Offenheit stattfindenden Debatte entstehen! Gemeinsam haben wir, meine Damen und Herren Abgeordneten, für die Einsetzung dieses Konvents gekämpft, und gemeinsam müssen wir jetzt für seinen Erfolg kämpfen.
Der Konvent muss einen ausgewogenen Text ohne Alternativvorschläge vorlegen, der für viele Jahre die Grundlage Europas bildet und unsere Präsenz und Unabhängigkeit in der Welt sicherstellt. Ein Scheitern würde enorme Gefahren in sich bergen. Sollte die Entscheidung über zentrale Fragen der Regierungskonferenz überlassen werden, droht uns möglicherweise eine Wiederholung der schmerzlichen Erfahrungen, die wir in Nizza gemacht haben. Dies wäre eine traurige Ironie der Geschichte, weil wir uns just wegen unserer Enttäuschung über Nizza für den Konvent eingesetzt haben.
Lassen Sie mich die ursprünglichen Ziele dieses großartigen Vorhabens zur Reform unserer Politik und unserer Organe in Erinnerung rufen. Der Konvent wurde im Dezember 2001 mit der Erklärung von Laeken eingerichtet und mit der Aufgabe betraut, die Regierungskonferenz so weit und transparent wie möglich vorzubereiten. Die Hauptanliegen der Erklärung von Laeken sind erstens eine bessere Verteilung und Abgrenzung der Zuständigkeiten der Europäischen Union, zweitens die Vereinfachung der Gesetzgebungs- und Aktionsinstrumente der Union sowie drittens die Stärkung von Demokratie, Transparenz und Effizienz in der Union. Das wesentliche Ziel besteht darin, die Werte der Union zu bekräftigen, die Grundrechte und Grundpflichten der Bürger festzulegen und die Beziehungen der Mitgliedstaaten innerhalb der Union zu regeln.
Dem Konvent wurde damit eine gigantische, äußerst schwierige Aufgabe übertragen. Gleichwohl müssen wir auch anerkennen, dass wir in nahezu einem halben Jahrhundert außergewöhnliche Erfahrungen im Bereich der Institutionen und der Rechtsetzung gesammelt und politische Ausdrucksformen entwickelt haben, die weltweit einzigartig sind und auf die wir stolz sein müssen.
Der Auftrag des Konvents ist klar: Er muss deutlich machen, wer in der Europäischen Union welche Aufgabe hat. Es gilt, ein neues institutionelles Gleichgewicht zu finden, mit dem Europa seiner Rolle in einer globalisierten Welt gerecht werden kann, das zugleich aber auch für die Bürger leicht nachvollziehbar ist. Das Parlament und der Rat müssen gemeinsam die Verantwortung für die legislative Gewalt tragen. Dies bedeutet, dass das Mitentscheidungsverfahren zur Regel gemacht werden muss. Die Jurisdiktion ist Aufgabe des Gerichtshofs, dessen Zuständigkeit meiner Ansicht nach auf die Außenpolitik der Union und den Bereich Justiz und Inneres ausgedehnt werden sollte. Schließlich braucht die Union ein einziges Exekutivorgan: die Kommission. Die Kommission wendet unter der Kontrolle des Europäischen Parlaments und des Rates die Rechtsvorschriften an, setzt die politischen Vorgaben in die Praxis um und sichert die Außenvertretung der Union mit Ausnahme der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Ein zweites Exekutivorgan würde den europäischen Bürgern nicht die nötige Transparenz und Verantwortlichkeit bieten und wäre Ihrer Kontrolle, der Kontrolle des Europäischen Parlaments, entzogen.
Eines muss jedoch meines Erachtens unbedingt in den Vordergrund gestellt werden: der generelle Übergang zu Mehrheitsbeschlüssen als entscheidendes und wichtiges Element der Umsetzung der politischen Entschlossenheit zu demokratischem und effizientem Handeln. Andernfalls gibt es keine Demokratie und keine Effizienz.
Die letzte Fassung des Verfassungsvertragsentwurfs, die der Konvent vorgelegt hat, enthält einige positive Vorschläge: Die Grundrechte-Charta ist fest im Text verankert und wird den zweiten Teil unserer künftigen Verfassung bilden, die Anwendung des Mitentscheidungsverfahrens wurde – wenn auch nicht genügend – ausgedehnt und ein Außenminister wird die Union auf der internationalen Bühne vertreten.
In anderen Bereichen müssen wir uns aber noch mit Nachdruck für unsere Vorstellungen einsetzen: So ist das Einstimmigkeitsprinzip leider nicht aufgegeben worden. Ich betone es noch einmal: Es geht hier um eine grundlegende Frage, die an der künftigen Effizienz der europäischen Organe rührt, denn durch das Vetorecht wird die Union unweigerlich gelähmt.
(Beifall)
Die beste Lösung – es kann auch zweitbeste Lösungen geben – liegt einzig und allein in einer Beschlussfassung mit doppelter einfacher Mehrheit, bei der mindestens 50 % der Mitgliedstaaten und 50 % der Bevölkerung einem Vorschlag zustimmen müssen: sie ist leicht verständlich, einfach und klar. Wir geben dieser Art der Beschlussfassung den Vorzug, weil sie die doppelte Legitimität der Union widerspiegelt, die sich bekanntermaßen auf das Einvernehmen der Staaten und den gemeinsamen Willen der Völker stützt. Unser Hauptanliegen aber ist, wie ich schon sagte, dass das Vetorecht aufgehoben wird, für das wir sowohl innen- als auch außenpolitisch einen nicht vertretbaren politischen Preis zahlen.
Ebenso noch ungelöst ist die Frage eines dauerhaften Vorsitzes des Europäischen Rates. Der in der letzten Fassung des Vertragsentwurfs verfolgte Ansatz ist meines Erachtens aus folgenden Gründen problematisch: Erstens stellt sich das grundlegende Problem der Rechenschaftspflicht, der „accountability“, solange – der für die Demokratie entscheidende Aspekt – unklar ist, wem dieser Vorsitzende Rechenschaft schuldet. Zweitens wird Ihre Rolle, die Rolle des Europäischen Parlaments, insofern geschwächt, als dieses Organ die Kontrolle über die Kommission, nicht aber über den Rat und seinen Vorsitzenden ausübt. Das ist eine widerspruchsvolle Vorstellung, eine hinkende Demokratie, die wir im Kopf haben bzw. die in dieser Entwurfsfassung konzipiert wird! Dazu dürfen wir es meiner Ansicht nach nicht kommen lassen! Drittens schließlich – und das ist sicherlich nicht unerheblich – würde innerhalb des Rates ein weiteres Exekutivorgan entstehen, das in Bezug auf die Zuständigkeiten der Gemeinschaft nur Verwirrung stiften würde. Die Instrumente würden also keineswegs vereinfacht und die Aufgabenverteilung innerhalb der Union wäre noch undeutlicher.
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung dieser drei grundlegenden Einwände können wir uns mehrere Lösungen vorstellen, etwa die einfache Beibehaltung des bisherigen Rotationssystems oder die Schaffung des Amts eines Vorsitzenden oder „Chairman“ – schlicht und einfach eines Vorsitzenden – , der den Rat unter technischen Gesichtspunkten leistungsfähiger macht. Grundsätzlich müssen wir jetzt das Fundament legen für eine wirksame Verbindung von dem, was derzeit nicht über eine zwischenstaatliche Zusammenarbeit hinaus gehen kann, und den etablierten Gemeinschaftsmechanismen, was allerdings aus dem Entwurf nicht hervorgeht. Dabei dürfen wir uns aber nicht von Trennung und Zersplitterung leiten lassen, sondern müssen wir die beiden Dimensionen miteinander verknüpfen und Wege zu künftigen einheitlichen Lösungen – wie z. B. das Amt eines Unionspräsidenten – vorzeichnen.
Wir brauchen Vorstellungsvermögen und Fantasie, wir müssen mit der Zeit gehen und für die Zukunft planen. Hier können wir schon jetzt konkret beim Amt des Unionsaußenministers ansetzen, der die Union auf dem Gebiet der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vertreten wird, während die Außenvertretung in allen übrigen Bereichen nach unseren Vorstellungen, wie bereits gesagt, weiterhin der Kommission vorbehalten sein sollte. Dies erklärt auch den Vorschlag für das Doppelamt des Außenministers und den Umstand, warum er zugleich auch Kommissionsmitglied – mit Sonderstatus in Bezug auf die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – sein muss, wenn das System funktionieren soll. Der Außenminister der Union muss daher eng mit dem Kollegium und insbesondere mit dem Präsidenten der Kommission zusammenarbeiten und über einen echten europäischen diplomatischen Dienst verfügen.
Dieses Gebilde ist verwaltungstechnisch mit der Kommission zu verbinden, damit es zur Optimierung von Wissen, Ressourcen und Interventionen in allen mit der Außenpolitik im engeren Sinne verbundenen Bereichen mit den übrigen Dienststellen der Kommission kooperieren kann. Auf diese Weise wird eine wirklich einheitliche Außenvertretung geschaffen, die die Gemeinschafts- und Zwischenstaatlichkeitsinstrumente wirksam einsetzen und der Union die Bedeutung und die Rolle verleihen kann, welche die Welt von ihr erwartet.
So also könnte die Kombination aus Regierungszusammenarbeit und Gemeinschaftsmethode konkret aussehen, meine Damen und Herren. Die Erfahrungen der vergangenen Monate haben uns eines gelehrt: Solange wir nicht aufhören, Uneinigkeit zur Schau zu stellen, werden wir ewig auf dem internationalen Parkett wirtschaftlich zwar ein Riese, doch politisch ein Zwerg bleiben, wobei Sie wissen müssen, dass man, wenn man zu lange ein politischer Zwerg bleibt, auch aufhört, ein wirtschaftlicher Riese zu sein.
Lassen Sie mich, bevor ich zum Schluss komme, noch kurz auf einen weiteren Punkt eingehen: Die Verstärkung unserer wirtschaftspolitischen Anstrengungen setzt geeignete institutionelle Instrumente voraus, um eben zu vermeiden, dass wir auch wirtschaftlich ins Abseits geraten. Da ist die Frage legitim, ob ein Ansatz zur Verbindung von Regierungskooperation und Gemeinschaftsmethode, wie sie derzeit existiert, nicht darin bestehen könnte, dass das für Wirtschaft und Finanzen zuständige Kommissionsmitglied den Vorsitz in der Euro-Gruppe übernimmt und das Euro-Gebiet in internationalen Einrichtungen vertritt. Hier brauchen wir einen starken Mann, der die Union beständig vertritt.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, soweit in Kürze die Themen, die ich heute mit Ihnen besprechen wollte. Dem wäre natürlich noch Vieles hinzuzufügen, doch ich habe mich auf das Wesentliche beschränkt, damit uns mehr Zeit für die Debatte bleibt. Abschließend möchte ich noch ein besonderes Wort des Dankes an die griechische Präsidentschaft richten, die in jeder Hinsicht entschlossen, effizient und vernünftig sowie mit Fingerspitzengefühl agiert hat. Die Zusammenarbeit mit ihr war vorbildlich. Dies veranlasst mich auch zu einer letzten Bemerkung, die zwar böswillig anmuten mag, aber wirklich ernst, ja sogar sehr ernst gemeint ist: Technische Formeln zur Institutionenbildung können vielleicht eine rationale Erklärung dafür bieten, warum die Rotation nicht funktionieren kann – doch keine Formel der Welt kann die Leidenschaft und Intelligenz von politischen Entscheidungsträgern ersetzen, die das kulturelle Erbe ihres Landes in den Dienst des gemeinsamen europäischen Interesses stellen.
(Beifall)
Poettering (PPE-DE) . – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, Herr Ratspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr über den Beifall, den der Kommissionspräsident bekommen hat, weil er ihn wirklich verdient hat. Für diese Ausführungen, die an der Gemeinschaftsmethode orientiert waren, hat er viel Beifall verdient, und auch ich möchte den Konvent in den Mittelpunkt meines Beitrags stellen. Ich möchte zunächst allen unseren Mitgliedern im Konvent und auch dem Präsidenten, Valéry Giscard d'Estaing, ein herzliches Wort des Dankes für die bisherige Arbeit sagen, aber wir sind noch nicht am Ziel. Wenn es nicht in der vergangenen Woche diese deutlichen Fortschritte gegeben hätte, müssten wir heute vielleicht noch ein Scheitern befürchten. Das befürchte ich jetzt nicht mehr. Aber wir müssen noch weitere Fortschritte machen.
Unsere Fraktion ist sehr entschieden der Meinung, dass es einen gemeinsamen, geschlossenen Entwurf für die Verfassung geben sollte und keine Optionen. Wir wollen also keinen Vorschlag aus dem Konvent, der dann wieder durch die Regierungskonferenz geöffnet werden kann, sondern wir wollen ein geschlossenes Konzept, ein geschlossenes Programm, das dann hoffentlich auch die Zustimmung der Regierungen findet. Wir wollen vor allen Dingen eines: In der Präambel wird auf unser griechisches Erbe, auf unser römisches Erbe sowie auf die Aufklärung Bezug genommen, und wir müssen darauf bestehen, dass auch das christliche Erbe als ein Bestandteil unserer gewachsenen Identität in die Präambel der europäischen Verfassung aufgenommen wird.
(Beifall)
Wir verlangen als Europäisches Parlament, dass wir in allen Fragen der europäischen Gesetzgebung gleichberechtigt sind und uns mit dem Rat das Haushaltsrecht teilen, einschließlich der mittelfristigen Finanzplanung.
Was die Kommission angeht, so wollen wir eine starke Kommission, und es ist ein guter Vorschlag, dass der Präsident der Kommission auf der Grundlage des Wahlergebnisses von den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen wird und dass dann das Europäische Parlament den Kommissionspräsidenten wählt. Wir wollen eine starke Kommission, denn die Kommission stellt mit dem Parlament und natürlich auch dem Europäischen Gerichtshof den Kern des gemeinschaftlichen Europas dar. Wir fordern auch, dass im Konvent eine Lösung im Hinblick auf die Größe der Kommission gefunden wird, die sicherstellt, dass die Kommission handlungsfähig ist, dass sich aber auch alle Länder der Europäischen Union in der Kommission wiederfinden können, weil es nämlich der Wunsch aller Länder – auch der kleinen – ist, am Tisch der Kommission zu sitzen. Es sind durchaus Verfahren denkbar, sowohl durch Rotation als auch durch Juniorkommissare, sicherzustellen, dass nicht nur die großen Länder einen Sitz am Kommissionstisch haben, sondern auch die kleinen. Das ist für die Psychologie unseres gemeinsamen europäischen Vorhabens von größter Bedeutung.
Wir fordern auch, dass der europäische Außenminister, der zugleich Vizepräsident der Kommission sein soll, mit der gesamten Kommission dem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments unterliegt. Es darf nicht sein, dass der Außenminister überhaupt keine Anbindung an das Europäische Parlament hat. Auch er bedarf der Zustimmung, des Vertrauens des Europäischen Parlaments, und deswegen wollen wir, dass er in die Gesamtkommission eingebunden wird, die dann auch unserer Zustimmung bedarf.
Was den Rat angeht, so kann ich weitestgehend dem zustimmen, was der Kommissionspräsident gesagt hat, und natürlich auch dem, was der Herr Ratspräsident gesagt hat, nicht in dieser Ausführlichkeit, aber in der Tendenz. Dort, wo der Rat Legislative ist, brauchen wir eine wirkliche Transparenz, und der Rat muss als Legislative prinzipiell grundsätzlich nach Mehrheit entscheiden.
Dann die Frage des Vorsitzes des Europäischen Rates: Es gibt jetzt noch in dem Vorschlag des Präsidiums des Konvents eine Formulierung, dass der Vorsitzende des Europäischen Rates nicht einer anderen Institution angehören sollte. Ich würde es für gut halten – ich sage das jetzt aber nur für mich persönlich –, wenn dieser Satz gestrichen würde. Man muss die Option aufrechterhalten, dass eines Tages, wenn wir so weit sind, auch der Präsident der Europäischen Kommission der Vorsitzende des Europäischen Rates werden könnte. Deswegen hoffe ich, dass dieser Satz, der noch in dem Vorschlag steht, schließlich gestrichen wird.
(Beifall)
Was zum Europäischen Gerichtshof gesagt wurde, kann ich nur nachdrücklich unterstützen. Herr Kommissionspräsident, ich möchte Ihnen ausdrücklich dafür danken. Alles oder doch fast alles Handeln der Europäischen Union muss dem europäischen Recht unterliegen, denn nur wenn das europäische Handeln justiziabel ist, gründet es sich auf Recht und nicht auf politische Opportunität. Deswegen ist es so wichtig, dass sich die meisten Bereiche – nur wenige sind davon ausgenommen – des gemeinsamen europäischen Handelns auf Recht stützen und auch der Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs unterliegen. Denn dann erst sind wir eine wirkliche Rechtsgemeinschaft. Das muss auch für die Fragen der Innenpolitik gelten.
Ich möchte dem Herrn Ratspräsidenten dafür danken, dass er gesagt hat, was das Abgeordnetenstatut angehe, werde sich die griechische Präsidentschaft bemühen, zu einem Ergebnis zu gelangen. Herr Ratspräsident, wenn wir im Rat nicht zu einem Ergebnis kommen, befürchte ich, wird es niemals ein Abgeordnetenstatut geben. Nachdem wir uns jetzt, ich glaube, 15 Jahre mit der Frage des Abgeordnetenstatuts beschäftigt haben, gestern unsere Entscheidung getroffen haben, heute unsere Entscheidung treffen, haben wir als Parlament unserer Verpflichtung entsprochen. Ich hoffe, dass es Ihnen gelingt, das Gleiche zu tun. Sollten Sie scheitern, nimmt der Rat eine große Verantwortung auf sich. Deswegen alle guten Wünsche für Sie, dass es Ihnen gelingt, das Abgeordnetenstatut zu verabschieden! Ich hoffe, dass es Ihnen auch gelingt, das Parteienstatut zu verabschieden, denn für die großen, und nicht nur für die großen, für alle europäischen Parteienfamilien ist es sehr, sehr wichtig, dass wir ein Parteienstatut bekommen, das Transparenz und Handlungsfähigkeit sichert, und ich möchte Sie sehr ermutigen, das auch zu Ihrem eigenen Anliegen zu machen.
Abschließend noch eine Überlegung zur Außenpolitik, die ja eine große Rolle spielen wird. Wir hatten gestern den Präsidenten Algeriens, Bouteflika, hier bei uns. Wir schauen in diesen Tagen natürlich in den Osten Europas. Wir ermutigen unsere polnischen Partner, dass sie am Wochenende, am Samstag und am Sonntag, beim Referendum Ja sagen zu Europa, zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Für mich war es ein wunderschönes Ereignis am letzten Sonntag in Warschau bei einer Demonstration für den Beitritt dabei zu sein, als wir gerufen haben: Tak dla Polski! Ja für Polen in die Europäische Union.
Es geht aber darum, jetzt nicht nur nach Osten zu schauen, sondern auch nach Süden, in den Mittelmeerraum. Wir müssen den Mittelmeerdialog wirklich wieder mit Substanz füllen, denn bisher ist er weitestgehend nur Rhetorik. Wir dürfen den Mittelmeerraum nicht aus unserem Blick verlieren, denn wenn wir auch über die Sicherheit der Grenzen sprechen – was notwendig ist, sowohl gegenüber den Ländern im Osten als auch gegenüber den Ländern im Süden –, darf nicht eine neue Mauer entstehen. Wir müssen vielmehr den Ländern im Mittelmeerraum, in Nordafrika helfen, damit die Menschen dort, gerade junge Menschen, eine Zukunftschance haben. Deswegen müssen wir unsere Anstrengungen verstärken.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg auf dem Gipfel in Thessaloniki. Wenn Sie diese Entscheidung treffen, haben Sie die Unterstützung unserer Fraktion. Viel Glück für Sie, für die griechische Präsidentschaft und für uns alle in der Europäischen Union!
(Beifall)
Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Präsident der Kommission, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst, die griechische Präsidentschaft zu ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit zu beglückwünschen. Sie haben wie Odysseus turbulente Gewässer durchschifft, und vielleicht hätten Sie einige Besatzungsmitglieder an den Mast binden sollen, als die transatlantischen Sirenen zu singen begannen, doch noch ist Zeit für eine Verbesserung der Lage.
Die zentrale Frage dieser Debatte ist die Zukunft Europas, und unter diesem Zeichen steht die Arbeit des Konvents. Ich möchte ebenfalls die Rede des Präsidenten der Kommission begrüßen und im Namen meiner Fraktion bekräftigen, dass wir, die wir am Konvent mitwirken, glauben, dass er einen Verfassungsentwurf und nicht nur eine Liste von Optionen erarbeiten sollte. Dies ist ein ganz wesentlicher Punkt. Ein positiver Aspekt ist für uns auch, dass der weltliche Charakter unseres künftigen Europas unterstrichen wird, denn das zeugt von der Achtung aller Religionen und der Komplexität unserer Geschichte. Denken Sie daran, dass beispielsweise in Thessaloniki bis zum Zweiten Weltkrieg die größte Gemeinschaft sephardischer Juden lebte, die aus meinem Land, einem Land mit einer griechischen, römischen, christlichen, moslemischen und jüdischen Geschichte, vertrieben worden waren. Es ist gut, dass wir diese weltliche Rolle Europas bekräftigen.
Was das Amt des Außenministers betrifft, so ist ebenfalls wichtig, und der Kommissionspräsident ist darauf eingegangen, dass wir die Grundprinzipien und das Mehrheitskriterium wirklich als Grundlage unserer Arbeit bekräftigen. Die griechische Präsidentschaft wies darauf hin, dass die Stabilisierung des Balkans und seine Integration von ganz entscheidender Bedeutung sind. Es sei daran erinnert, dass der erste Misserfolg bei der Ingangsetzung der GASP gerade daraus resultierte, dass wir nicht imstande waren, zu einer Einigung untereinander zu kommen. Dadurch wurde die jugoslawische Tragödie noch verstärkt. Als wir uns anschickten, im Kosovo und in Mazedonien gemeinsam vorzugehen, konnten wir etwas erreichen.
Im Zusammenhang mit der abschließenden Arbeit des Konvents möchte ich vor allem darauf hinweisen, dass keine Möglichkeit verschlossen bleiben darf, das heißt, der Verfassungstext muss geändert werden können, denn der Text selbst wird nicht imstande sein, die Realität zu ändern, doch wir müssen in der Lage sein, die Gemeinschaftsmethode fortzusetzen. Und hier treten einige grundlegende Fragen auf. Zunächst die Frage der Kommission. Wenn wir sagen, dass der Präsident der Kommission ausgehend vom Ergebnis der Wahlen gewählt werden soll, dann bedeutet dies, Herr amtierender Ratspräsident, dass Sie das Parteienstatut als ein Hauptthema auf die Tagesordnung von Thessaloniki setzen müssen, denn ohne Protagonisten können wir keine wirkliche Demokratie errichten, in welcher der Präsident der Kommission demokratische Legitimität besitzt, wobei ich sagen muss, dass dieser Punkt im Moment keine große Bedeutung für den Rat zu haben scheint.
Was zum Zweiten die Zusammensetzung der Kommission betrifft, so würde ich sagen, dass in allen politischen Familien eine offene Debatte geführt wird, aber auf jeden Fall müssen die Kompetenz der Kommission als Kollegium und die Autorität ihres Präsidenten gestärkt werden.
Was eine Ratspräsidentschaft in Form eines Diumvirats angeht, so weiß Präsident Prodi sehr gut, und wir alle wissen es, dass Diumvirate nicht stabil sind. Es muss jemanden geben, der die Exekutive ausübt. Wir müssen mithelfen, dass der Rat seine interne Organisation verbessert, aber eine auf zwei Institutionen basierende Organisation, die sich in gewisser Weise überschneiden, wird nicht von Dauer sein.
Ein sehr wichtiger Punkt für das Parlament ist die Festschreibung der Kraft des Gesetzes, der gemeinsamen legislativen Gewalt, was voraussetzt, dass auch der Rat demokratisch und offen agiert und gleichzeitig das institutionelle Gleichgewicht gewahrt bleibt.
Im Zusammenhang mit dem Abgeordnetenstatut des Europäischen Parlaments will ich einen Punkt unterstreichen, Herr amtierender Ratspräsident, und ich wünsche mir zudem, dass der Kommissionspräsident hier in dieser Debatte seinen Standpunkt dazu darlegt. Herr amtierender Ratspräsident, es geht nicht um die innere Ordnung des Parlaments. Es geht um eine rein konstitutionelle Frage, und deshalb kommt es jetzt nicht darauf an, dass Sie das Problem lösen, sondern dass Sie sich in erster Linie nicht der von uns angebotenen Lösung widersetzen, die zudem die Notwendigkeit von Mehrheitsentscheidungen begründet und stützt. Erinnern Sie sich: In der Frage der Steuerpolitik wurde in Nizza Einstimmigkeit vereinbart, und das führt zu ganz negativen Ergebnissen. Jeder muss seinen Teil der Verantwortung tragen, und Sie haben die Verantwortung in einer rein konstitutionellen Angelegenheit.
Herr Präsident, gestatten Sie mir, ganz kurz auf zwei wichtige Themen einzugehen. Eines ist die Wirtschaft. Es fand ein G8-Gipfel statt, an dem der Präsident der Kommission teilnahm. Ich würde mir wünschen, dass er etwas expliziter in Bezug auf die Entwicklung der Strategie von Lissabon und auch auf den Euro wäre, dieses Problem bereitet uns Sorge, vor allem, da die europäische Wirtschaft nicht als Lokomotive fungiert.
Abschließend zum transatlantischen Gipfel Ende dieses Monats. Es ist sehr wichtig, dass beide Seiten den Willen bekunden, ihrer jeweiligen Verantwortung in einem multilateralen Kontext wieder gerecht zu werden, insbesondere zu einem Zeitpunkt, da sich Hoffnungen im Nahost-Friedensprozess und eine Möglichkeit des Wirkens für die Zukunft der Vereinten Nationen eröffnen.
Herr Präsident, wir müssen von unseren amerikanischen Verbündeten fordern – und ich denke an das Auslieferungsabkommen –, dass sie uns als gleichberechtigt behandeln, indem sie unsere eigene Gesetzgebungskraft respektieren, und dass sie uns vor allem – dies ist ein wichtiger Punkt – Aufklärung über die völlig unhaltbare Situation geben, in der sich einige europäische Bürger in dieser gewissermaßen rechtsfreien Zone in der Basis Guantánamo befinden. Dies ist auch im Hinblick auf die Zukunft unserer Beziehungen relevant.
Auf jeden Fall ist es sehr wichtig, dass Sie einen substanziellen Schritt tun und die Ergebnisse eines Konvents, der uns zu einer europäischen Verfassung führt, respektieren und unterstützen.
(Beifall)
Watson (ELDR). – (EN) Herr Präsident, die europäischen Liberaldemokraten in diesem Haus hoffen, dass Präsident Valéry Giscard d'Estaing den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union einen Verfassungsentwurf vorlegen wird, der breite Zustimmung findet. Mit diesem Entwurf müssen die in den vergangenen Wochen mit zunehmender Verbitterung geführten Auseinandersetzungen beigelegt werden. Es ist jedoch Sache des Konvents und nicht des Konventspräsidenten, festzustellen, ob ein Konsens erreicht worden ist, und wenn der Konvent noch etwas Zeit braucht, um seine Arbeit abzuschließen, sollte er diese Zeit erhalten. Herr Giscard d'Estaing weist gerne darauf hin, dass seine Verfassung in den nächsten 50 Jahren ohne Änderungen Bestand haben wird, doch wenn der endgültige Text nicht auf einem tragfähigen Kompromiss basiert und den Mitgliedstaaten nicht genug Zeit zur Debatte über den Verfassungsentwurf eingeräumt wird, werden wir schon sehr bald Änderungen vornehmen müssen.
Die jüngsten Vorschläge geben Anlass zu der Hoffnung, dass das Präsidium nun bereit ist, zuzuhören, aber dies ist erst ein Anfang, der noch nicht ausreicht. Die Mitglieder der Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei Europas stehen der vorgesehenen Regelung, den Präsidenten des Europäischen Rates für eine feste Amtszeit zu wählen, weiterhin kritisch gegenüber, auch wenn dessen Rolle in der Außenpolitik nun eingeschränkt worden ist. Wir befürchten, dass die größeren Mitgliedstaaten die Struktur der Gemeinschaft verändern wollen.
Eine Doppelrolle für den neuen europäischen Außenminister wird von einer breiten Mehrheit unterstützt. Warum sollten wir also nicht denselben Ansatz verfolgen und das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission und des Präsidenten des Europäischen Rates zusammenlegen? Müssen wir jahrelangen Streit, jahrelange Kleinkriege und jahrelange Arbeitsüberschneidungen in Kauf nehmen, bevor wir erkennen, dass dies ein vernünftiger Ansatz ist? Wir müssen zumindest die Möglichkeit einer Doppelpräsidentschaft in einigen Jahren offen halten.
Kommissionspräsident Prodi hat das Veto der Mitgliedstaaten erwähnt, und ich teile seine Auffassung in vielen Punkten. Das Vetorecht, das zum Schutz der nationalen Souveränität eingesetzt wird, verstärkt nur allzu oft die internationale Anarchie. Wenn es uns nicht gelingt, das Prinzip der Souveränität neu zu bewerten, werden wir unsere Bürger auch zukünftig bei den wichtigen Herausforderungen, die vor uns liegen, nicht angemessen vertreten können.
Ich begrüße den Vorschlag, die Befugnisse des Parlaments zur demokratischen Kontrolle des Haushalts und der europäischen Rechtsvorschriften auszuweiten, aber ich bin besorgt darüber, dass weiterhin ein Ungleichgewicht zwischen den Befugnissen des Parlaments und des Rates in anderen Bereichen besteht, wie zum Beispiel im Hinblick auf den Abschluss von Abkommen mit Drittländern über wichtige Sicherheitsfragen.
Herr Ratspräsident, ein weiteres Thema auf Ihrer Tagesordnung in Thessaloniki wird die Debatte über die Empfehlungen des Hohen Vertreters, Herrn Solana, für eine Gesamtstrategie im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik sein. Es ist von wesentlicher Bedeutung für die Europäische Union, eine Doktrin zu entwickeln, in der die zentrale Rolle des Völkerrechts und von Institutionen wie der UNO, der WTO und der NATO verankert ist.
Europa braucht außerdem dringend einen Rahmen, in dem entschieden wird, unter welchen Bedingungen wir Truppen zu militärischen Einsätzen entsenden, zum Beispiel zur Konfliktprävention, zu friedenserzwingenden Maßnahmen und bei humanitären Krisen. Unser Engagement im Kongo ist ein begrüßenswerter Schritt nach vorn, aber unsere aktuellen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Bosnien-Herzegowina sind ein Rückschlag. Um eine Spaltung der Europäischen Union wie in der Irak-Frage zu vermeiden, müssen wir außerdem eine Debatte über die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen in Gang setzen und jetzt unsere Strategie zu diesem Thema festlegen. Ich hoffe, dass auf dem Gipfeltreffen auch über die Haltung Europas gegenüber Nordkorea und dem Iran gesprochen wird und wir uns nicht erst mit diesem Thema befassen, wenn es zu einer Krise kommt.
Was den Bereich Justiz und Inneres anbelangt, möchte ich dem Ratspräsidenten für die unter dem griechischen Ratsvorsitz erreichten Fortschritte gratulieren. Ich hoffe, dass Sie sich auch weiterhin um einen ausgewogenen Ansatz zwischen repressiven Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung einerseits und einer großzügigen Haltung gegenüber Flüchtlingen anderseits bemühen und den Menschenrechten und Grundfreiheiten einen besonderen Stellenwert einräumen werden. Ich möchte außerdem an den Ratspräsidenten appellieren, alles in seiner Macht Stehende zu tun, damit drei wichtige Vorschläge gebilligt werden. Diese Vorschläge beziehen sich auf den Status von langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, die Mindestnormen für den Flüchtlingsstatus und die Mindestnormen für die Zuerkennung dieses Status.
Herr Ratspräsident, Sie haben das Abgeordnetenstatut erwähnt. Ich fürchte, dass Ihre Arbeit durch den Vorschlag, den wir gestern verabschiedet haben, nicht einfacher wird, aber ich hoffe, dass Sie hier wie bei Ihren anderen Aufgaben den Rat des griechischen Philosophen Sokrates beherzigen: Bedenke stets, dass die menschlichen Verhältnisse insgesamt unbeständig sind, dann wirst Du im Glück nicht zu fröhlich und im Unglück nicht zu traurig sein.
(Beifall)
Wurtz (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Die griechische Präsidentschaft war geprägt von besonders strukturbestimmenden Entscheidungen im Hinblick auf die Zukunft der Union, wie etwa der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags von zehn neuen Mitgliedstaaten und dem voraussichtlichen Abschluss der Arbeiten des Konvents.
Ich möchte mich jedoch zu einem dritten Ereignis äußern, das bedeutsamer ist als alle anderen: das offensichtliche Zutagetreten der Identitätskrise der Union. Was wollen wir gemeinsam erreichen? Diese existenzielle Frage bleibt mehr denn je unbeantwortet. Dies gilt beispielsweise für unsere unionsinternen Ziele. Wollen wir uns wirklich, wie dies das Präsidium des Konvents zur Aufnahme in die künftige Verfassung der Union vorschlägt, folgende Ziele stellen – ich zitiere: ausgewogenes Wirtschaftswachstum und soziale Gerechtigkeit, Vollbeschäftigung, hoher Lebensstandard, sozialer Schutz, Chancengleichheit für alle?
Wenn dem so ist, warum wird dann die Eröffnung einer Debatte über einen Prioritätenwechsel der Zentralbank abgelehnt? Keine Preisstabilität mehr in Zeiten der Rezessionsgefahr, aber Absicherung von Beschäftigung, Ausbildung und Renten für alle, Finanzierung sinnvoller Infrastrukturen wie etwa für den Huckepackverkehr im großen Maßstab und ganz allgemein eine wirklich gerechte und nachhaltige Entwicklung. Warum beschränkt man die öffentlichen Dienstleistungen auf den unsicheren Status einer Ausnahme von der Regel des freien Wettbewerbs, anstatt die Förderung von hochwertigen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse als eigenständige Priorität der Union festzulegen, die folglich auch Eingang in die Verfassung findet?
Warum wird dann weiterhin jegliche Aussicht auf Besteuerung von Kapitalbewegungen und Kapitaleinkünften ausgeschlossen? Dieser offensichtliche Widerspruch zwischen der Bekräftigung von den Erwartungen entsprechenden Zielen und der Ablehnung der Maßnahmen zu ihrer Umsetzung ist die Hauptursache für die Vertrauenskrise zwischen unseren Mitbürgern und den europäischen Institutionen. Was wollen wir wirklich? Diese Frage müssen wir eindeutig beantworten und dann zu unseren Aussagen stehen, damit sich die Europäer mit Sachkenntnis an der Debatte beteiligen können. Denn wie Camus sagte: Wer die Dinge beim falschen Namen nennt, der trägt zum Unglück der Welt bei.
Diese Identitätskrise zeigt sich ebenso deutlich hinsichtlich der Rolle der Union in der Welt, wie wir seit dem Irakkrieg nur allzu klar feststellen können. Vor dem Konflikt war es den öffentlichen Meinungen aufgrund der unterschiedlichen, aber offen ausgesprochenen Ansichten zumindest möglich, sich ein klares Bild zu verschaffen und sich in diesen Meinungsstreit einzumischen. Sie haben dies auf derart spektakuläre und unterschiedliche Weise in allen Teilen Europas getan, dass diese überwältigende Manifestation unseres Erachtens eine echte Zäsur in der Geschichte der Union und damit die einzige Hoffnung auf künftige Veränderungen darstellt.
Andererseits läuft seit der Machtdemonstration der internationalen Supermacht unter Missachtung des Rechts und des Willens der internationalen Gemeinschaft alles so ab, als wolle die Europäische Union ihre Einheit auf der Grundlage einer resignierten bzw. enthusiastischen Unterordnung unter den Stärksten wiederherstellen. Wenn Paul Wolfowitz einräumt, dass der Kreuzzug zur Beseitigung der Massenvernichtungswaffen im Irak lediglich ein aus bürokratischen Gründen gewählter Vorwand war, um die Zustimmung zum Krieg zu erhalten, löst diese enorme Täuschung keinerlei entrüstete Reaktionen von Seiten der Fünfzehn und noch weniger von Seiten der Fünfundzwanzig aus. Bedauerlicherweise wurde uns dies heute Vormittag noch einmal bestätigt.
Wenn George Bush beschließt, alle weiteren Schritte im Zusammenhang mit der Umsetzung der Road Map im Nahen Osten an sich zu reißen – mit allen Risiken, die seine Komplizenschaft mit Sharon birgt, und angesichts der Vorbehalte Sharons gegenüber den Inhalten der zu treffenden Vereinbarungen –, so lässt sich die Europäische Union, obwohl sie zu den Mitinitiatoren zu dieser brüchigen Friedenshoffnung gehört, ohne jeglichen Widerstand ins Abseits drängen.
Wenn die USA den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkennen, wenn sie weiterhin militärische Sondergerichte unterhalten, wenn sie – Herr Enrique Barón Crespo hat daran erinnert – europäische Bürger in einer absolut rechtsfreien Zone auf Guantanamo festhalten, dann bereitet der Rat nichts geringeres als ein Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommen mit Washington vor und verschließt die Augen vor all diesen Rechtsbrüchen.
Sobald unsere amerikanischen Partner eine Offensive zur Aufhebung des GMO-Moratoriums starten, zur Verteidigung – ich zitiere – „der Interessen der amerikanischen Landwirtschaft“, gerät Europa sofort ins Schwanken und schreckt davor zurück, die von der WTO selbst zugelassenen handelspolitischen Vergeltungsmaßnahmen gegen die den Exporteuren jenseits des Atlantiks gewährten ungerechtfertigten Steuervorteile zur Anwendung zu bringen.
Herr Präsident, aus all diesen Gründen ist meine Fraktion der Ansicht, dass die griechische Präsidentschaft Europa einen Dienst erweisen würde, wenn sie dieses Problem in seiner Gänze auf dem Europäischen Rat in Thessaloniki klar und deutlich zur Sprache bringen würde: Was wollen wir gemeinsam erreichen und welche Mittel setzen wir dafür ein?
Jedenfalls ist diese Frage nun in allen unseren Gesellschaften aufgeworfen worden, und das ist sehr gut. Vorhin habe ich einen französischen Autor zitiert. Im Sinne der Ausgewogenheit beende ich meine Ausführungen mit einem Zitat des großen deutschen Dichters Hölderlin: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“. Die Gefahr für Europa ist klar erkennbar. Lassen Sie uns zu denjenigen zählen, die sich um seine Rettung bemühen.
Frassoni (Verts/ALE).– (IT) Herr Präsident, auch ich begrüße die vom griechischen Vorsitz in den vergangenen Monaten geleistete Arbeit und bekunde meine Zufriedenheit mit unserer Beratung von gestern Abend, bei der es um den Abschluss der Vereinbarung über die bessere Rechtsetzung ging. Ich bin vor allem dem Kommissionspräsidenten dafür dankbar, dass er uns den Ursprung des Konvents und unsere damaligen Ziele in Erinnerung brachte, die wir bisweilen vergessen, wenn wir beobachten, wie einige Mitglieder seines Präsidiums und insbesondere sein Präsident danach streben, sich eher in Mitglieder der Regierungskonferenz als in Gründungsväter Europas zu verwandeln.
Nach meinem Dafürhalten, Herr Präsident, muss der Konvent weiterhin über den Reformprozess in der Europäischen Union gebieten. Wenn es ihm nicht gelingt, seine Arbeiten bis zum 20. Juni abzuschließen, muss er seine Beratungen bis zu einer Einigung fortführen können. Letztere ist auf jeden Fall möglich, sofern der Konvent seiner Rolle als verfassungsgebende oder einer solchen ähnelnde Versammlung voll gerecht wird, sich von den wenigen Euroskeptikern, die – was wiederholt festgestellt werden muss – kein Interesse an seinem Erfolg haben, nicht erpressen lässt und den Wert einer transparenten und parlamentarischen Arbeitsmethode geltend macht, die sich stark von der ausschließlich auf den Machtverhältnissen beruhenden zwischenstaatlichen Methode unterscheidet.
Zwar haben sich der Präsident und das Präsidium des Konvents offenkundig verrechnet, als sie die Zeit für die Abschlussdebatte absichtlich verlängerten, ohne die Punkte, zu denen ein breiter Konsens erzielt worden war, schwarz auf weiß niederzulegen; dabei bildeten sie sich ein, somit ein leichtes Spiel mit dem Konvent zu haben, und vermittelten den falschen Eindruck eines in jeder Hinsicht zerstrittenen Konvents. Aber die Regierungen, denen am Erfolg dieser Verfassungsreform gelegen ist – und ich bin mir sicher, dass es sie gibt und dass auch Ihre Regierung dazu gehört, Herr Präsident –, können nicht einfach das Licht im Konvent ausschalten, wenn dieser seine Arbeiten nicht in einer für die Mehrzahl seiner Mitglieder befriedigenden Art und Weise beendet. Wenn der Konvent in Thessaloniki Optionen unterbreiten sollte, ist das unseres Erachtens ein Beweis dafür, dass seine Arbeit noch nicht beendet ist.
Meiner Ansicht nach gibt es mindestens drei Fragen, zu denen es eines für alle Bürgerinnen und Bürger unmittelbar sichtbaren Signals für Fortschritt, Demokratie und Klarheit bedarf: erstens der direkte Zugang der Bürger zu den Gerichten im Falle von Verstößen gegen die Grundrechtecharta; zweitens die gleichzeitige Ausdehnung der Mitentscheidung und der Mehrheitsentscheidung im Rat, insbesondere in steuer- und außenpolitischen Fragen. Wir können nicht als Global Player agieren und den Werten des Multilateralismus und der Demokratie verpflichtet bleiben, wenn wir auf Schritt und Tritt durch Vetos und Gegenvetos blockiert werden und dieser ganze Bereich, genau wie heute, von jeder Form der parlamentarischen Kontrolle ausgeschlossen bleibt. Und drittens und letztens sind wir der Meinung, dass im Verfahren zur Änderung des Vertrags nicht an der Einstimmigkeit festgehalten und das Europäische Parlament nicht ein weiteres Mal – was im Jahr 2003 wirklich überrascht – vom Ratifikationsverfahren ausgeschlossen werden darf.
Nun zur Tagesordnung von Sevilla, über die Sie, Herr Präsident, gesprochen haben: Wir haben mehrfach kritisiert, dass im Vergleich zu der in Tampere festgelegten Strategie ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den repressiven Aspekten der Bekämpfung der illegalen Einwanderung und der Abschiebung sowie den positiven Aspekten, wie der Schaffung legaler und kontrollierter Einwanderungskanäle, der Lockerung der Visumspolitik und der auf der Nichtdiskriminierung beruhenden Maßnahmen zur Integration von Drittstaatsangehörigen, besteht. Wir hoffen, der Rat erhört die gestern von unserem Parlament ausgesandte energische und klare Botschaft: keine Unterzeichnung des Auslieferungsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, bevor die Situation der EU-Bürger in Guantánamo nicht geklärt ist. Wir sprechen von EU-Bürgern, nicht etwa, weil uns die anderen nicht berühren oder interessieren würden, sondern weil wir der Auffassung sind, dass dies der Schlüssel ist, mit dem wir legal in das Problem des Bestehens eines rechtsfreien Raums in der Welt eingreifen können.
Collins (UEN). – (EN) Herr Präsident, es steht nunmehr fest, dass den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Thessaloniki der Entwurf für einen neuen EU-Vertrag vorgelegt wird. Der Konvent hat seit seiner Einrichtung vor 18 Monaten den größten Teil seiner Arbeit abgeschlossen, und nun erwarten wir die Ergebnisse. Im Großen und Ganzen sind wir uns über den wichtigsten Beweggrund für die Einrichtung des Konvents einig. Die Union befindet sich an einem historischen Wendepunkt, und ab 1. Mai 2004 werden wir eine Gemeinschaft aus 25 verschiedenen Mitgliedstaaten sein.
Die Union muss sich einer Reihe von Herausforderungen stellen, und dazu muss auch die Beantwortung folgender Fragen gehören: Wie kann die Europäische Union im Zuge der Erweiterung ihre eigene Organisationsstruktur organisieren, um ihre Effektivität weiterhin sicherzustellen? Wie sollte die Rolle Europas in einer zunehmend globalisierten Welt aussehen, und wie kann die Europäische Union den Bürgern näher gebracht werden?
Der Vertragsentwurf wird eine Grundlage für den endgültigen EU-Vertrag bilden, der dann bei der in Kürze stattfindenden Regierungskonferenz erarbeitet werden soll. Es ist sehr wichtig, dass die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten und die Bürger genug Zeit erhalten, um die Bestimmungen des Vertragsentwurfs zu prüfen. Wir alle möchten sicherstellen, dass wir einen Vertrag erarbeiten, der in den nächsten 50 Jahren die Grundlage für die Arbeit der Union bilden kann.
Wir wissen, dass die in jüngster Zeit geschlossenen Verträge, wie der Vertrag von Amsterdam und der Vertrag von Nizza, Schwachstellen aufweisen. Dennoch gewährleisten diese Verträge der Europäischen Union, dass die Union zum jetzigen Zeitpunkt effektiv arbeiten kann. Wir müssen sicherstellen, dass eine besonnene, ausführliche und weitreichende Diskussion mit allen interessierten Parteien aus den kleinen und großen Ländern stattfindet, bevor die Bestimmungen eines endgültigen EU-Vertrags festgelegt werden. Die Europäische Union ist eine Gemeinschaft von Staaten und Völkern, und der Erfolg der Union als wirtschaftliche und politische Einheit hängt entscheidend davon ab, dass die kleineren und größeren Mitgliedstaaten in vielen Bereichen als gleichwertige Partner innerhalb der Union behandelt werden.
Ich bin der Meinung, dass jedem Mitgliedstaat das Recht eingeräumt werden sollte, ein Mitglied der Kommission zu nominieren, oder zumindest eine ausgewogene Vertretung der großen und kleinen Mitgliedstaaten in der Kommission sicherzustellen. Ich teile die allgemeinen Bedenken, dass das derzeitige System der rotierenden Präsidentschaften kein effektives Modell für eine Gemeinschaft mit 25 Mitgliedstaaten ist, aber halte eine umfassendere Diskussion darüber für unverzichtbar, wie der Europäische Rat seine Aufgaben in einer erweiterten Union wahrnehmen soll.
Ich begrüße es, dass einige heikle Themen von nationalem Interesse weiterhin von den einzelnen Mitgliedstaaten geregelt werden. Die Frage der Steuerharmonisierung gehört eindeutig nicht zu den vorrangigen Aufgaben des Konvents. Das ist der richtige Ansatz, da die Besteuerung am besten von den Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten geregelt werden sollte.
Bonde (EDD). – (DA) Herr Präsident, auf dem Gipfeltreffen in Laeken wurde der Konvent gebeten, die EU den Bürgern näher zu bringen. Präsident Giscard d’Estaing wird durch den Entwurf des Präsidiums die Bürger weiter von der EU entfremden. Ein französischer Sonnenkönig leitet den Konvent gegen alle demokratischen Spielregeln. Wir sind nicht in der Lage, Vorschläge übersetzen und diskutieren zu lassen. Die EU-Vorschriften über Offenheit gelten nicht für Präsident Giscard d'Estaing – er begnügt sich nicht mit der Leitung der Sitzungen, er sagt uns auch, was wir denken sollen und zieht oft Schlussfolgerungen, die nicht von der Mehrheit getragen werden. Er lässt keine Abstimmungen zu, die seine so genannte Konsensmethode stören könnten, die gleiche Konsensmethode, die er jetzt im Europäischen Rat als Entscheidungsmethode anstelle von Einstimmigkeit einführen will.
Der Verfassungsentwurf ist kein Fortschritt, sondern ein großer historischer Rückschritt in die Zeit vor Einführung der Demokratie, als der König um Ratschläge bat, aber die Entscheidungen selbst traf.
Der Verfassungsentwurf von Präsident Giscard d'Estaing kann mit einer großen Speditionsfirma verglichen werden, die Macht von den Wählern und Volksvertretern aller Länder zu Beamten, Ministern und Lobbyisten transportiert. Sie überträgt Macht von der legislativen auf die exekutive und judikative Gewalt, und der Gerichtshof der Union wird die Verfassung in letzter Instanz interpretieren. Auch von den kleineren auf die größeren Länder findet eine Machtübertragung statt, ebenso von den mittelgroßen auf die größten Länder. Den einfachen Parteimitgliedern wird Macht entzogen und auf transnationale Parteibürokratien übertragen. Lebendige Demokratien werden geschwächt zum Vorteil einer gestärkten Kommission, eines mächtigeren Europäischen Parlaments und der größten Machtkonzentration überhaupt: zugunsten der Ministerpräsidenten der größten EU-Länder. Sie würden das Machtzentrum bilden, ein Direktorat mit einer französisch-deutschen Achse. Sie wären mächtig, weil sie groß sind, nicht weil wir sie gewählt haben. Keiner von ihnen wurde gewählt, um zu sagen, wie sie die EU gestalten sollen. Die Ministerpräsidenten würden sich dann nach jeder Wahl des Europäischen Parlaments treffen und die Posten unter sich aufteilen.
Wenn Herr Blair in Großbritannien nicht mehr gewählt werden kann, könnte er EU-Präsident werden. Herr Fischer könnte Außenminister der EU werden, wenn seine Aussichten in Deutschland schlechter werden. Herr Aznar könnte Kommissionspräsident werden oder Stellvertreter mit Zuständigkeit für Justiz und Innere Angelegenheiten, ein anderer könnte Wirtschafts- und Finanzminister der Union werden, ein Dritter Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die Verfassung würde gute Positionen schaffen für ausgediente Ministerpräsidenten, wenn diese nicht länger wählbar sind. Nicht die Wähler bekämen die Macht über die Institutionen und ihre führenden Köpfe, wie das in Bundesstaaten wie den USA und Deutschland der Fall ist. Bei uns könnten 13 Ministerpräsidenten 12 andere im Europäischen Rat überstimmen, und die Ministerpräsidenten der drei größten Länder könnten die 22 anderen wegen der so genannten doppelten Mehrheit ohne weiteres überstimmen, wobei Länder mit 40 % der Einwohner ein Vetorecht hätten.
Die Wähler in großen und kleinen Ländern verlieren jeglichen Einfluss auf die Gesetzesvorschriften. Unsere Demokratie wird sich auf ausgesprochen örtliche Fragen beschränken. Wir können unsere Volksvertreter bei der nächsten Wahl nicht mehr belohnen oder bestrafen, denn die Mehrzahl aller Gesetze wird hinter verschlossenen Türen in einer Arbeitsgruppe unter der Leitung des Ministerrats oder in der Kommission beschlossen werden, die zu einer eigenständigen legislativen Gewalt erweitert wird.
Unsere einzelstaatlichen Regierungen und Parlamente werden zu machtlosen Großgemeinden in einer Riesen-EU. Die Wähler können dann Abgeordnete zum EU-Parlament wählen, aber auch das führt nicht zu Änderungen der Unionsgesetze oder zum Austausch von Spitzenpolitikern der EU. Das Europäische Parlament bekommt in einigen Bereichen ein Mitentscheidungsrecht, aber es gewinnt nicht die ganze Macht hinzu, die den nationalen Parlamenten verloren geht. Die Kommission bekommt das alleinige Recht, in mehr Bereichen Entwürfe vorzulegen und andere zu verhindern. Diese Macht verlieren Wähler und Volksvertreter in allen Ländern. Beamte und Minister im Rat eignen sich den Hauptteil der Macht an, denn ohne ihre Zustimmung kann kein Gesetz zustande kommen. Die Macht, die in allen demokratischen Ländern bei den Wählern liegt, wird in der EU durch ein undurchsichtiges Machtspiel auf Ministerpräsidenten, Ratstagungen, Kommissionssitzungen und ein Europäisches Parlament aufgeteilt werden, das von mächtigen übernationalen Parteibürokratien dominiert werden kann.
Die Wähler sind in dem Verfassungsentwurf, der beim Gipfeltreffen in Thessaloniki behandelt werden soll, stark in den Hintergrund getreten. Die Wiege der Demokratie stand in Griechenland, Herr Ratspräsident, das Gipfeltreffen in Thessaloniki darf nicht zu seiner Grabstätte werden.
Pannella (NI). – (IT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, Kolleginnen und Kollegen! Die wunderschöne Predigt des Kollegen Bonde – ein Freund fragte mich allerdings, ob das die Prophezeiung des Weltuntergangs sei – halte ich persönlich für die gelungene Skizze einer krankhaften Fantasie, nämlich jener der Monstren von Goya. Wenn wir den Spezialisten des Konvents folgen, der Dosierung zwischen Gemeinschafts- und zwischenstaatlicher Methode, der Verteilung der legislativen und exekutiven Befugnisse usw., werden wir sehen, dass wir uns in einer Phase des absoluten Niedergangs befinden, in der es lediglich gelingt, alles zu zerstören, was wir an Altbewährtem noch vor uns sehen und was uns bis hierher gebracht hat.
Ich fordere an dieser Stelle das Europa von Altiero Spinelli und Ernesto Rossi zurück. Warum? Weil diese Europäer in den faschistischen Gefängnissen – das ist nur eine Bezeichnung, denn es gab faschistische, kommunistische, nazistische, klerikale und reformfeindliche Gefängnisse usw. – eine europäische Föderation ersannen. Ihr Traum war die Beseitigung der Monstren nationalistischer Entgleisungen, der Volksgruppen, die für sich in Anspruch nahmen, die geballte rechtliche Moral zum Schaden der anderen zu vertreten.
Herr Präsident, gestatten Sie mir nur eine, sehr kurze, Bemerkung: diese Debatte ist eine Beleidigung für das Parlament, das sich für ihre Durchführung entschieden hat. Wir hätten am 18. Juni. auf der Minitagung darüber diskutieren sollen. Dort hätte uns der Ratspräsident über Tatsachen informieren können, und wir hätten erfahren, welche Themen konkret in Thessaloniki erörtert werden sollen. Heute sagt man uns nur, was wir in der Presse lesen. Das Parlament degradiert sich selbst. Wir hätten es ablehnen sollen, die Debatte zu einem Zeitpunkt zu führen, da die vorgeschlagenen Beschlüsse nicht bekannt sind, und ich bin sehr enttäuscht, dass keiner der anderen Kolleginnen und Kollegen diesen Punkt angesprochen hat. Am 18. und 19. wären wir zusammengekommen, und am 20. und 21. der Europäische Rat in Thessaloniki. Der Zufall macht bisweilen Manches wesentlich besser als die politische Logik dieses Europas.
Ich habe heute die Ausführungen des Kollegen Wurtz sehr begrüßt, und ich glaube, innerhalb von 20 Jahren geschah dies zum ersten Mal. Wenn er sagt „wir stehen vor einer Identitätskrise“, hat er Recht. Aber auf welchen Parameter muss die Identitätskrise bezogen werden? Wie definieren wir unsere Identität? Entweder wir gehen in die Geschichte Kontinentaleuropas ein, das in den letzten 100 Jahren unaufhörlich Monstren jeder Art hervorgebracht hat, einschließlich unserer institutionellen Missgeburten, die nichts mit der Klarheit eines Rechtsstaats und seiner Funktionsweise zu tun haben, oder Ihr bringt bereits ein neues antiliberales, antidemokratisches, antihumanistisches Monstrum dieses Europas der Gegenreform und der tausend gewaltsamen und tödlichen Tendenzen hervor. Nicht zufällig fanden wir uns, oder, besser gesagt, fanden Sie sich im Irak in Wahrheit auf der Seite Saddams wieder. Geben wir doch zu, dass Solana immer noch zu Arafat geht, obwohl es eine andere Perspektive, nämlich die von Scharon und Bush eröffnete mit Abu Mazen gibt. Sie sind wie in den 40er Jahren die Erben jenes Europas, welches das damalige England und die USA befreiten. Wir müssen uns von Ihnen befreien, und das werden wir tun!
Evans, Jonathan (PPE-DE).– (EN) Herr Präsident, ich gratuliere Ihnen, Herr Ratsvorsitzender, zu den Fortschritten im Bereich der Erweiterung, die während des griechischen Ratsvorsitzes erreicht worden sind. Der Sondergipfel im April in Athen war ein Meilenstein in der Geschichte Europas nach dem Fall der Berliner Mauer, und wir freuen uns, dass nun zehn Beitrittsländer ihren rechtmäßigen Platz im neuen Europa einnehmen werden. Bei den Prioritäten des griechischen Ratsvorsitzes gibt es jedoch zwei Bereiche, in denen die Ergebnisse enttäuschend sind.
Da ist zunächst der Prozess von Lissabon. Nach drei Jahren ist dieser Prozess zum Stillstand gekommen, und es ist sogar eine rückwärtsgewandte Entwicklung zu beobachten. Es ist enttäuschend, dass der Ratsvorsitz die Regierungen nicht dazu bewegen konnte, die notwendigen Maßnahmen in Bereichen wie diesem zu treffen, die von so grundlegender Bedeutung für den Wohlstand der Bürger in Europa sind. Viele Länder in der EU werden deshalb in den nächsten Jahren von wirtschaftlicher Stagnation und Deflation betroffen sein.
Die zweite Priorität des Ratsvorsitzes bestand darin, das neue Europa auf internationaler Ebene zu einer treibenden Kraft für den Frieden und die Zusammenarbeit zu machen. Natürlich war die Irak-Krise ein schwieriges Problem, aber aus meiner Sicht wurden durch die Art und Weise, in der sich die Gruppe der vier Mitgliedstaaten während des griechischen Ratsvorsitzes im April in Brüssel getroffen hat, um alternative Verteidigungsstrukturen zur NATO zu erörtern, die antiamerikanischen Strömungen innerhalb Europas nur noch verstärkt.
Wie in dieser Aussprache bereits erwähnt worden ist, wird die Tagung des Europäischen Rates in Thessaloniki mit der Vorlage der Schlussfolgerungen des früheren Präsidenten Giscard d'Estaing den Abschluss des europäischen Konvents bilden.
Bei der Tagung des Europäischen Rates in Laeken bekräftigten die Staats- und Regierungschefs, dass innerhalb der Union die Bürgernähe der europäischen Institutionen verbessert werden muss, aber wenn wir uns die Artikel im Verfassungsentwurf des Konvents ansehen, stellen wir fest, dass dieses Ziel nicht erreicht worden ist. In vielen Bereichen weist dieser Entwurf genau in die entgegengesetzte Richtung. Nach dem Willen des Konvents soll eine Europäische Union entstehen, die aus meiner Sicht noch stärker zentralisiert, noch bürokratischer, in vielen Bereichen weniger demokratisch und ganz sicher föderalistischer sein wird als das derzeit der Fall ist.
Ich bin in meinem Heimatland als langjähriger Befürworter einer engagierten Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union bekannt, aber das Dokument, das den Staats- und Regierungschefs nun in Thessaloniki vorgelegt werden soll, ist ein Dokument, durch das der Charakter der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union verändert wird. Seine wesentlichen Inhalte sind: eine Verfassung, die Aufnahme der Grundrechtecharta der Europäischen Union, ein Rechtsstatus für die Union, ein Präsident, ein Außenminister, die Abschaffung des zweiten und dritten Pfeilers, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, auf längere Sicht die Festlegung einer EU-Verteidigungspolitik, die Anforderung, dass sowohl die Wirtschafts- als auch die Steuerpolitiken harmonisiert werden, sowie die Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft.
Im Vereinigten Königreich werden all diese Dinge von der britischen Regierung als lediglich organisatorische Maßnahmen dargestellt, die nicht wichtig genug sind, um eine Volksabstimmung durchzuführen. Der dänische Ministerpräsident hat dagegen klargestellt, dass er eine Volksabstimmung über die Verfassung durchführen wird, weil die Verfassung für die Europäische Union ein so grundlegend neues und umfassendes Dokument ist, dass ein Referendum darüber durchaus gerechtfertigt ist. Ich kann Ihnen berichten, dass 80 % der britischen Bürger diese Auffassung teilen.
Hier geht es nicht nur darum, dass die britische Regierung der eigenen Bevölkerung das Recht vorenthält, über ihre Zukunft mitzuentscheiden, hier geht es vielmehr darum, dass die Beziehungen zwischen der Union und den Mitgliedstaaten und die Regeln, die für uns alle gelten, durch die Vorschläge des Konvents grundlegend verändert werden.
Die Befürworter des Konzepts der Vereinigten Staaten von Europa werden erkennen, dass das in dieser Verfassung festgelegte Modell auf diesem Grundkonzept beruht. Dies wurde von Kommissionspräsident Prodi und vielen anderen Rednern in der heutigen Aussprache offen und ehrlich eingeräumt. Wenn die Regierungskonferenz Ende dieses Jahres ihre Arbeit aufnimmt, wird sich meine Partei mit allem Nachdruck dafür einsetzen, dass die Beitrittsländer nicht nur das Recht erhalten, sich an der Diskussion zu beteiligen, sondern auch im Rat eine Stimme bei den wichtigen Entscheidungen haben, die der Rat treffen wird. Das Ergebnis der Regierungskonferenz wird die Menschen in Warschau, Prag und Budapest ebenso betreffen wie die Menschen in London, Paris und Berlin, und es ist empörend, dass ihnen verwehrt werden soll, das Ergebnis dieser Konferenz in angemessener und demokratischer Form mitzugestalten.
Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, dass wir seit langem sehr engagiert für die Erweiterung und das Recht der Beitrittsländer auf ihren Platz in den wichtigsten europäischen Institutionen eintreten. Unser Europa ist jedoch ein Europa, in dem die Vielfalt willkommen ist und die Länder nicht in eine institutionelle Zwangsjacke gepresst werden. Wir wollen ein demokratisches und wohlhabendes Europa, das gemeinsam mit den Vereinigten Staaten unsere Freiheiten verteidigt und gemeinsamen Bedrohungen entgegentritt. Der Konvent führt uns hin zu einem anderen Europa, in dem die Nationalstaaten nicht mehr das Fundament der Union bilden.
VORSITZ: GIORGOS DIMITRAKOPOULOS Vizepräsident
Napolitano (PSE). –(IT) Herr Präsident, auch ich werde ausschließlich auf den Beitrag zu sprechen kommen, den der Rat in Thessaloniki zu einem positiven Abschluss des Konvents und somit zur erfolgreichen Vorbereitung der Regierungskonferenz leisten kann.
Gegenwärtig lässt sich schwer voraussehen, zu welchem Ergebnis die Beratungen des Konvents am Vorabend der Tagung von Thessaloniki gelangt sein werden, welchen Text der Präsident des Konvents Giscard d'Estaing dem Rat vorlegen wird und inwieweit im Konvent eine Einigung erzielt wird. Ich meine, dass nicht alles vor Thessaloniki geklärt und festgelegt sein wird, und auf jeden Fall wird es dem Rat obliegen, einen weiteren Impuls zur vollständigen Erreichung der mit der Erklärung von Laeken vom Dezember 2001 festgelegten Ziele zu geben, deren Hauptpunkte Kommissionspräsident Prodi bereits aufgeführt hat.
Ich für meinen Teil möchte an die Inhalte und Töne dieser Erklärung erinnern, die speziell die von der Europäischen Union zu erfüllenden Aufgaben und zu bewältigenden Herausforderungen betreffen. Es wäre schlimm, wenn die Schlussfolgerungen zunächst des Konvents und dann der Regierungskonferenz hinter diesen Ansprüchen zurückbleiben würden. Ich halte es für meine Pflicht, diesbezüglich eine Warnung auszusprechen: Waren die Fragen, welche die Erklärung von Laeken hinsichtlich der Rolle der Europäischen Union in der Welt, einer stärkeren Koordinierung der Wirtschaftspolitiken usw. aufwarf, nur rhetorische Fragen? Wir müssen aufpassen, denn wenn wir die durch diese Fragen bei den Bürgern Europas und der Weltöffentlichkeit geweckten Erwartungen enttäuschen, würden wir eine schwere Verantwortung auf uns laden. Diese Gefahr besteht heute und kann aus dem bisher vom Präsidium des Konvents angenommenen Text gefolgert werde, in dem speziell in Bezug auf das Kapitel der Organe, die Beschlussfassung im Rat und die zukünftigen Verfahren zur Änderung des Vertrags dem zunehmenden Druck einiger Regierungschefs der größeren Länder nachgegeben wird. Es wäre vielleicht in vielerlei Hinsicht lehrreich, sich den Vertrag noch einmal durchzulesen, zu dem Altiero Spinelli Berichterstatter war und der im Februar 1984 in diesem Parlament angenommen wurde.
Kommissionspräsident Prodi hat sich bereits zu allen gravierenden Widersprüchen und zu den Schwachstellen des bis jetzt vom Präsidium des Konvents angenommenen Textes klar und ausführlich geäußert. Ich möchte lediglich die Positionen bekräftigen, die unser Parlament zum Ausdruck brachte, das als Organ nicht geschwiegen und sich nicht allein auf seine lediglich 16 Vertreter im Konvent – leider waren es nur 16 von 105 – verlassen hat, sondern durch den Ausschuss für konstitutionelle Fragen zahlreiche Beiträge vorgelegt und wichtige Debatten angeregt hat, in deren Verlauf – das möchte ich besonders betonen – es eindeutig gegen die Hypothese eines hauptamtlichen Präsidenten des Europäischen Rates Stellung genommen hat. Um die Autorität des Europäischen Rates als Kollegium zu stärken, haben wir andere Vorschläge unterbreitet, wobei wir es vermieden haben, sie zu sehr an Personen festzumachen, und nicht nur auf einen für zweieinhalb oder fünf Jahre im Amt verbleibenden Ratsvorsitzenden gesetzt haben. Herr Poettering hat hervorgehoben, dass die vorgesehene Unvereinbarkeit des Amtes des Ratsvorsitzenden mit anderen Mandaten in europäischen Institutionen gestrichen werden sollte. Ich halte es für äußerst wichtig, auch die Unvereinbarkeit mit einer Funktion auf nationaler Ebene zu streichen, denn wenn eines Tages das Amt eines hauptamtlichen Präsidenten des Europäischen Rates eingeführt wird, werden – auch wenn er als Chairman bezeichnet oder eine beschränkte Aufgabenbeschreibung versucht wird – sämtliche Elemente der Dopplung und Zweigleisigkeit in der Führung der Union, die wegen der durch sie gestifteten, folgenschweren Verwirrung in den exekutiven Funktionen kritisiert worden sind, unausweichlich zum Tragen kommen.
Schließlich sollte, wie schon von der Kollegin Frassoni und dem Kollegen Bonde erwähnt, hervorgehoben werden, dass in Laeken zwar ein Präsident und ein Vizepräsident des Konvents zur Ernennung vorgeschlagen wurden, jedoch dem Konvent im Ganzen ein kollektives Mandat erteilt wurde. Darauf sollte der Europäische Rat auf seiner Tagung in Thessaloniki warnend hinweisen, damit nicht ein Weg fortbeschritten wird, auf dem die persönlichen Auffassungen des Präsidenten des Konvents oder die Kompromissvorstellungen des Präsidiums über die von einer breiten Zustimmung des Plenums des Konvents getragenen Mehrheitsansichten triumphieren.
Vallvé (ELDR). – (ES) Herr Präsident, beginnen möchte ich meinen Redebeitrag mit einem Glückwunsch an die griechische Präsidentschaft zu ihrer Arbeit, die sie unter sehr komplizierten und schwierigen Bedingungen geleistet hat.
Ich freue mich, dass während dieser Vorsitzperiode die Konferenz der Parlamente über Stabilitätspakt und Assoziierung in Bezug auf die südosteuropäischen Länder Europas stattfinden konnte, was zur Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen mit den Balkanländern beigetragen hat. Winston Churchill hat einmal gesagt, dass der Balkan eine so bedeutende und umfassende Geschichte hat, dass sie auf seinem Territorium nicht genügend Platz findet.
Ich meine, dass die Europäische Union diese Beziehungen lenken und verbessern und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Balkanländern als eine Methode zu ihrer Vorbereitung auf ihre künftige Integration in die Europäische Union fördern muss.
Diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit basiert darauf, den Nachbarn zu kennen, ihn zu verstehen und ihm zu vertrauen und schließlich mit ihm zusammenzuarbeiten, ferner an der Gestaltung einer Freihandelszone zwischen den Staaten arbeiten zu können, zunächst durch unilaterale Vereinbarungen, und in der Folge auf den Wegfall der Visapflicht zwischen den Staaten und schließlich auch auf den visafreien Verkehr mit der Europäischen Union hinzuarbeiten.
Diese Länder müssen in die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik integriert werden, und sie müssen an Programmen wie Sokrates oder Leonardo teilnehmen, um sie an ihre Integration in die Europäische Union heranzuführen.
Der Balkan ist eine komplizierte Region; auf dem kommenden Gipfel von Thessaloniki wird auch der Entwurf der Europäischen Verfassung vorgelegt werden. Meiner Ansicht nach hat er die Komplexität einiger Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht behandelt, die nicht aus einer Nation, sondern mehreren Nationen bestehen. Es müssen Mechanismen vorgesehen werden, damit diese Nationen ohne Staat, wie im Fall von Katalonien oder dem Baskenland, in den Organen der Europäischen Union vertreten sein können.
Ich glaube, in dieser Hinsicht war der Bericht des Abgeordneten Napoletano sehr positiv, aber einige Punkte, wie das Recht, den Obersten Gerichtshof anzurufen, sind nicht im Verfassungsentwurf enthalten. Ich halte dies für notwendig, damit sich die betroffenen Bürger direkt vertreten fühlen können in dieser Europäischen Union, die das Europa der Bürgerinnen und Bürger, aber auch das Europa der ihr zugehörigen Völker sein soll.
Alavanos (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Wenn ich in dieser Debatte einen Wunsch äußern dürfte, dann wäre es der, dass Herr Simitis für ein weiteres Halbjahr, also für die zweite Hälfte des Jahres 2003, den Ratsvorsitz behält. Den gleichen Wunsch würde ich auch äußern, wenn Herr Karamanlis, der Führer der Opposition, amtierender Ratspräsident wäre, angesichts der Bedenken, die ich in der Tat gegenüber dem Beginn nicht generell der italienischen Präsidentschaft – ich empfinde großen Respekt für das italienische Volk –, sondern gegenüber Herrn Berlusconi hege. Ich denke, dies ist nicht die Zeit, amerikanischen Kitsch auf die Europäische Union zu übertragen und uns zu einem noch größeren Zirkus verkommen zu lassen, als wir es in der Irak-Frage waren.
Ich möchte sagen, dass der griechische Ratsvorsitz methodisch vorgegangen ist und wichtige Vorbereitungen geleistet hat. Ich möchte Herrn Yiannitsis zu der Art und Weise gratulieren, in der sich der Ratsvorsitz bei der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament verhalten hat; trotzdem bin ich jedoch der Meinung, dass ernste politische Probleme bestehen, insbesondere im Hinblick auf die große Frage, die aufgeworfen worden ist, die Frage der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und der Krieg im Irak.
Der griechische Ratsvorsitz verfolgte eine Politik des „Tanzens auf zwei Hochzeiten“, und meiner Ansicht nach endet die Präsidentschaft mit einem Europa in Konfusion. Welche Position verfolgen wir genau? Die Position, die Herr Blair formuliert, die Herr Schröder formuliert, die Herr Aznar formuliert oder die Herr Chirac formuliert? Das ist ein enormes Problem und meiner Ansicht nach ist dies eine neue Tatsache, die uns nicht gestattet, damit anzufangen, auf Sand zu bauen, weil, wenn ich all das höre, was darüber gesagt wird, was wir im Hinblick auf unsere Außenpolitik, die Außenminister usw. errichten werden, dann frage ich mich, auf welchen Grund, auf welche Politik wollen wir das bauen.
Bevor ich zum Abschluss komme, möchte ich nur noch sagen, dass meiner Meinung nach der griechische Ratsvorsitz angesichts der Tatsache, dass es das Irak-Dossier, das wichtigste und schwierigste Dossier, mit dem er zu tun hatte, gegeben hat, Erklärungen verlangen sollte, ebenso wie in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich Erklärungen zu den Massenvernichtungswaffen gefordert werden, die die Grundlage für die Invasion im Irak, welche von bedeutenden Mitgliedern des Europäischen Rates, wie Herrn Blair, Herrn Aznar und anderen unterstützt worden ist, darstellten.
Nogueira Román (Verts/ALE). – (PT) Herr Präsident, verehrte Präsidenten der Kommission und des Rates! Zuallererst möchte ich der griechischen Ratspräsidentschaft meine Glückwünsche für ihre kluge und konstruktive Tätigkeit aussprechen. Wieder einmal hat sich erwiesen, dass die Präsidentschaften der kleinen und mittelgroßen Mitgliedstaaten der Europäischen Union besser und pro-europäischer sind als die der großen Länder. Insbesondere gratuliere ich der griechischen Präsidentschaft dazu, wie sie während der Krise gehandelt hat, die durch den Irak-Krieg ausgelöst wurde, den die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich vom Zaun brachen und den Spanien unterstützt hat. Die Präsidentschaft hat ihr Bestes getan, um Frieden zu erreichen und gegen die Vorstellung anzukämpfen, transatlantische Beziehungen seien zwangsläufig gleichbedeutend mit Unterordnung und sogar Erniedrigung Europas durch die Vereinigten Staaten, eine Aussicht, die umso beängstigender ist, als dieses Land derzeit durch die militaristische Rechte regiert wird.
Entsprechend hoffen wir, dass der Konvent dem Europäischen Rat einen Verfassungsentwurf vorlegen wird, mit dem der Aufbau einer Union fortgeführt wird, die weltweit Anerkennung genießt als Institution, die gegen den momentan herrschenden Militarismus und für Frieden und Solidarität eintritt. Ich hoffe, die Verfassung verleiht diesem Parlament alle demokratischen Befugnisse, die es benötigt, einschließlich der Mitentscheidung und einer Rolle bei der Wahl des Kommissionspräsidenten. Deshalb teilen wir auch die Auffassungen von Präsident Prodi zur Ratspräsidentschaft. Auf jeden Fall müssen wir Vertrauen in die Zukunft der Union haben können. Erst kürzlich hat nach dem Fehlschlag von Nizza nur eine kleine Gruppe in diesem Parlament gefordert, dass die Union eine Verfassung erhalten solle. Als Europäer und politischer Vertreter einer Nation wie der in Galicien will ich natürlich, dass in der Verfassung die nationale und kulturelle Vielfalt geachtet wird, die Europa ausmacht. Das fordern wir, denn auf unserem Kontinent bestehen ganz klar noch jakobinische Tendenzen. Wir müssen uns fragen, warum die Slowakei, Luxemburg, Estland und Malta als europäische Nationen anerkannt sind, Galicien, Schottland und Katalonien hingegen nicht.
Noch eine abschließende Bemerkung: Ich hoffe, die Gremien der Union besitzen genug Mut, um das kriminelle Chaos zu beenden, das im internationalen Seeverkehr herrscht und zu Katastrophen wie die der „Prestige“ führt. Wir müssen solche schrecklichen Todesfälle wie vorgestern verhindern, als illegale Einwanderer, die in Europa Arbeit finden wollten, vor der spanischen Küste zu Tode kamen. Wir müssen dafür sorgen, dass gemeinsame Maßnahmen wie die GAP und die GFP oder die Kohäsionspolitik gerecht und nicht diskriminierend sind. Wir hoffen, dass dies so sein wird, damit jeder etwas davon hat.
Mussa (UEN).– (IT)Herr Ratspräsident, wir danken Ihnen für Ihr heutiges Erscheinen und für die Informationen, die Sie uns gegeben haben.
Der bevorstehende Gipfel von Thessaloniki ist sowohl mittel- als auch langfristig von erheblicher Bedeutung für die Zukunft der Union. Es ist wichtig, den Grundstein dafür zu legen, dass Europa, oder vielmehr die Union, umgehend einen in der europäischen und internationalen Geschichte einmaligen Erweiterungsprozess vollendet und mit der wirtschaftlichen Stärke mehr und mehr auch die politische Würde verbindet. Um Letzterer Genüge zu tun, möchte ich über die von der Union vernachlässigten Politikbereiche sprechen, ein Umstand, der angesichts seiner zunehmenden Bedeutung umso gravierender ist. Das Gesundheitswesen ist zum Beispiel einer dieser Bereiche. Unter Bezugnahme auf Artikel 152 des Amsterdamer Vertrags anerkenne ich zwar die Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für den Gesundheitsschutz, doch darf eine Union, die einer Erweiterung auf 25 Staaten entgegengeht, die Auswirkungen der sozialen und gesundheitlichen Probleme dieser Länder auf die Volks- und Sozialwirtschaft des zukünftigen Europa nicht unterschätzen.
Aus den genannten Gründen hat sich die UEN-Fraktion vor kurzem auf einer Sitzung in Turin speziell mit den sozial- und gesundheitspolitischen Problemen der Erweiterung befasst und anschließend ein Dokument ausgearbeitet, das bereits dem Kommissionspräsidenten Prodi vorgelegt wurde. Die Ergebnisse dieser Arbeit waren keineswegs ermutigend, so dass wir uns wünschen, dass während der halbjährlichen Ratspräsidentschaft Italiens die öffentliche Gesundheit schnellstens auf die Prioritätenliste der Union gesetzt wird. Im Zuge des Globalisierungsprozesses könnte nämlich Europa unweigerlich mit Kranken und Krankheiten konfrontiert werden, auf die wir nicht angemessen vorbereitet sind, wie dies schon bei der SARS-Infektion der Fall war: Bei dieser Gelegenheit kam unsere Fähigkeit zur gesundheitspolitischen Koordinierung und Zusammenarbeit auf den Prüfstand, deren sich die künftige italienische Ratspräsidentschaft annehmen muss, wenn sie Notstandssituationen ernsthaft vorbeugen und die zwischen den einzelnen Ländern bestehenden Unterschiede in der gesundheitlichen Betreuung, welche die Menschen massenweise in Länder mit hervorragenden Betreuungsstrukturen treiben werden, denen ihrerseits der Kollaps drohen würde, bewältigen will. Ich wünsche mir, dass die Union diesen Problemen ihre Aufmerksamkeit zuwenden und dass die kommende EU-Ratspräsidentschaft diesbezügliche Vorschläge unterbreiten möge.
Berthu (NI). – (FR) Herr Präsident, der Vorsitzende des Konvents soll auf dem Europäischen Rat von Thessaloniki am 20. und 21. Juni seine Schlussfolgerungen vorlegen, aber er wird sicher eine Verlängerung der Beratungen beantragen. Meines Erachtens muss dieser Vorschlag sorgfältig geprüft werden. Die Regierungen dürfen sich auf keinen Fall in die Zwickmühle zwischen einem verschobenen Abschlusstermin des Konvents und eine endgültige und unverrückbare Deadline für die Regierungskonferenz manövrieren lassen. Der Konvent ist zwar ein interessantes Forum des Meinungsaustauschs, aber dennoch dürfen nur die demokratisch verantwortlichen Regierungen bei der Regierungskonferenz das letzte Wort haben, und sie dürfen sich nicht schon im Vorfeld die Hände binden lassen.
In dieser Hinsicht sind wir überhaupt nicht einverstanden mit der vorhin geäußerten Forderung der Kommission, wonach der Konvent dem Rat einen einzigen und alternativlosen Text vorlegen soll. Damit hätte der Rat keine Wahlfreiheit und die demokratische Gewalt würde einem Konvent ohne demokratische Legitimität übertragen. Ein derartiges Europa wollen wir nicht. Wir wollen genau das Gegenteil, nämlich Europa wieder in seinen Nationen verankern.
Die Aufgabenstellung für den Konvent – die Ausarbeitung einer vollständigen europäischen Verfassung – ist zwar riesig, aber der Konvent hat es selbst so gewollt. In dem vom Rat von Nizza erteilten Mandat ist nicht die Rede von der Ausarbeitung einer Verfassung, und der Rat von Laeken hat diese Möglichkeit nur im Konditional und auf längere Sicht erwähnt, also nicht im Hinblick auf die sofortige Umsetzung. Unseres Erachtens waren diese Ratsempfehlungen richtig. Europa ist nicht geeignet für die Annahme der Verfassung eines Superstaates, und aus diesem Grund stößt der Konvent derzeit auf so viele Schwierigkeiten.
Als Ergebnis wird man uns ein umfangreiches, nur schwer zu durchschauendes Dokument voller Tücken vorlegen, und es wird sich als notwendig erweisen, dieses Dokument wieder auf die tatsächliche gegenwärtige Priorität für Europa auszurichten, die seit Beginn des Konvents allzu sehr vernachlässigt wurde: eine bessere Kontrolle durch die nationalen Demokratien.
Zu diesem Zweck sollte man sich vielleicht auf die ursprüngliche, echte, doch heute weitgehend in Vergessenheit geratene Gemeinschaftsmethode zurückbesinnen, die sich auf zwei Pfeiler stützte, nämlich auf den Anreiz zur Kooperation, vor allem über der Kommission, und auf die Wahrung der nationalen Souveränitäten, insbesondere in Zusammenarbeit mit dem Rat. Das Grundübel des derzeitigen europäischen Aufbaus ist die Vernachlässigung dieses zweiten Pfeilers, der nun gestärkt werden muss, wenn wir die Verbindung zu den Völkern, zu den nationalen Demokratien wiederherstellen wollen.
Von diesem Standpunkt aus betrachtet, weicht der Konvent immer weiter zurück. Die Kontrolle der Subsidiarität durch die nationalen Parlamente wurde ihres Sinns entleert. Der Kongress der Völker wird nicht mehr erwähnt. Der ständige Ratsvorsitz stößt auf scharfen Widerstand von Seiten der Kommission. Diese ständige und verheerende Missachtung der nationalen Demokratien muss beendet werden, und gleichzeitig muss der Rat rehabilitiert und den nationalen Parlamenten ein Vetorecht eingeräumt werden.
Trakatellis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Sie haben das Thema Zuwanderung angesprochen, und wir möchten gerne wissen, welcher Fortschritt bei den Themen illegale Einwanderung, Rückübernahme und Asyl erzielt worden ist. Außerdem, was ist mit der Empfehlung für ein europäisches Grenzschutzkorps geschehen. Dieses Thema stagnierte, und bislang ist zwischen den Mitgliedstaaten keine Einigung erreicht worden. Ich würde sogar sagen, dass der Schutz der Außengrenzen ein bedeutender Schritt im Hinblick auf eine gemeinsame Außenpolitik, eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik, darstellen würde, weil es nicht möglich ist, dass wir eine gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik annehmen wollen, ohne gemeinsame Außengrenzen angenommen zu haben. Wir haben die Gelegenheit, bei der illegalen Einwanderung mit dem Schutz dieser Grenzen anzufangen.
Zugleich würde ich sagen, dass wir, was die wirtschaftliche Solidarität und die ausgeglichene Lastenverteilung im Bereich der Einwanderung, die auch eine wichtige Priorität Ihres Programms war, betrifft, keinen Hinweis darauf haben, dass sich dies in die richtige Richtung bewegt. Ich muss Ihnen sagen, dass der Vertrag ausdrücklich vorsieht, Maßnahmen zu ergreifen, um hinsichtlich der Aufnahme und des Umgangs mit den aus der Aufnahme von Flüchtlingen und ausgewiesenen Personen resultierenden Folgen eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vorzunehmen.
Ein anderer Punkt, den ich hervorheben möchte, ist, dass der Frage der öffentlichen Gesundheit mit der SARS-Epidemie eine Gelegenheit gegeben wurde. Hier im Parlament bestand Einigkeit darüber, dass die Kommission das Zentrum für die Überwachung und Prävention von Krankheiten fördern sollte, so dass die Europäische Union in einer koordinierten Weise auf die Bedrohungen für die Gesundheit sowie auf terroristische Bedrohungen reagieren kann. Allerdings habe ich auf dem Rat der Minister am 2. Juni keinen Fortschritt erkennen können, aber wir werden auf dieses Thema zurückkommen, wenn es eine andere Krankheit oder eine andere Situation, wie die Rinderwahnkrise, gibt, und ich sehe keinen Grund, warum die Gelegenheit, dieses Zentrum voranzubringen, nicht genutzt werden sollte.
Ich möchte jetzt auf das vielleicht wichtigste Thema eingehen, mit dem sich der Ratsgipfel in Thessaloniki beschäftigen wird, nämlich mit dem Text, der aus dem Verfassungskonvent hervorgehen wird. Ich würde sagen, wie Sie sehr richtig bemerkt und wie es andere betont haben, dass dieser Text sehr gute Punkte, exzellente Punkte enthält, wie die Einbeziehung der Charta, die Stärkung der Befugnisse des Europäischen Parlaments und die Mitentscheidung. Er trifft bezüglich der Außenpolitik auch eine Festlegung für das Amt eines Außenministers.
Ich möchte jedoch drei Punkte hervorheben: Der Erste besteht darin, dass die Präambel zwar zufrieden stellend ist, da sie an unser Erbe aus der griechischen und römischen Zivilisation erinnert, dass ich es jedoch nicht verstehen kann, dass sie nicht auch auf unser christliches Erbe verweist. Es gibt Tausende von Gemälden in Museen auf der ganzen Welt, die das Produkt von Inspiration und kulturellem Schaffen Europas sind. In der Musik haben wir Oratorien, es existieren eine Unmenge künstlerischer Werke, ein kultureller Schatz, der eindeutig das christliche Erbe reflektiert. Wir sprechen über Geschichte, wir reden nicht von der Zukunft. Niemand weiß, was in der Zukunft geschehen wird. Doch unser Erbe stammt aus der griechischen, römischen und christlichen Zivilisation. Der zweite Punkt, bei dem wir vollkommen anderer Meinung sind, ist die Tatsache, dass es einen Mitgliedstaat geben kann, der nicht durch einen Kommissar repräsentiert wird. Unserer Ansicht nach sollte jeder Mitgliedstaat einen Kommissar haben. Es ist nicht richtig, dass ein Mitgliedstaat im Kollegium der Kommissare fehlen und keinen Platz an dem Tisch haben soll, an dem sich im Wesentlichen gemeinschaftliche Entwicklungen vollziehen. Das ist undenkbar! Dies wird die Ausgewogenheit zwischen kleinen und großen Staaten durcheinander bringen, eine Ausgewogenheit, die meiner Meinung nach sehr wichtig ist. Der dritte Punkt, der ebenfalls unverständlich ist, ist die Geschichte mit der Ratspräsidentschaft. Das ist ein Trugschluss, es ist unbegreiflich. Das bestehende System ist tausendmal besser. Es könnten Festlegungen getroffen werden, um das derzeitige System zu verbessern. Ich bevorzuge das jetzige System, bei dem jedes Land die Ambition hat, seinen eigenen Beitrag zu den europäischen Entwicklungen einzubringen. Wir können sehen, dass Ihre Präsidentschaft einen Beitrag geleistet hat und dass auch die belgische und die dänische Präsidentschaft einen Beitrag geleistet haben. Was ist es nun, das uns nach einer Person Ausschau halten lässt, die, Gott weiß wie, bestimmt wird und die, so sage ich voraus, Reibungen bei der Arbeit der Institutionen verursachen wird? Denn die Ausgewogenheit zwischen den Institutionen, zwischen Rat, Parlament und Europäischer Kommission muss erhalten werden. Ich fürchte sehr, dass das System der Ratspräsidentschaft diese durcheinander bringen wird.
Souladakis (PSE). – (EL) Herr Präsident! In wenigen Tagen haben wir den Ratsgipfel in Thessaloniki, einer Stadt – da jedermann über Geschichte und Zivilisation spricht –, die die zweitgrößte Stadt im Römischen Imperium, die zweitgrößte Stadt im Byzantinischen Reich und die immer der Bezugspunkt des Balkans war. Ebenfalls aus historischen und kulturellen Gründen sollten wir uns daran erinnern, dass sie nicht einfach nur der großen jüdischen Gemeinde der Sepharditeneine Heimstatt bot, sondern dass sie diese aufgenommen hat, da sie von der spanischen Inquisition verfolgt wurde. So wie auch der Balkan Tausende von Zigeunern aufgenommen hat, die auch von der spanischen Inquisition verfolgt wurden. Soweit für diejenigen, die weiter über die kulturelle Last Europas sprechen wollen.
Jede Präsidentschaft wird durch bestimmte markante Punkte charakterisiert. Die Ratspräsidentschaft von Thessaloniki hat zwei Charakteristika: Erstens schließt sie den Kreis der Präsidentschaften der 15 und öffnet den Kreis der Präsidentschaften der 25. Zweitens ist sie eben aus diesem Grund durch die Ergebnisse des derzeit laufenden Konvents über die Zukunft Europas gekennzeichnet. In diesem Sinne hat sie also zwei wichtige Elemente, die sie vorantreiben muss, um Perspektiven für die Zukunft zu eröffnen. Der Irak-Krieg hat uns allen, wahrscheinlich zu unserem leichten Erstaunen, eine Vielzahl von Mängeln hinsichtlich der Entwicklung Europas aufgedeckt. Er mag auch positive Resultate gebracht haben, da er letztlich allen gezeigt hat – auch wenn sie das heute nicht zugeben –, dass Europa nicht weiterhin wirtschaftlich ein Riese, aber politisch ein Zwerg sein kann. Der Kommissionspräsident hat vollkommen Recht.
Kommen wir nun zum Ratsgipfel in Thessaloniki. Ich möchte, trotz der Tatsache, dass ich offensichtlich vom Thema abschweife, jedoch zum zweiten Stützpfeiler in Thessaloniki, dem Stabilitätspakt, zwei Dinge hinzufügen. Der Stabilitätspakt betrifft die Krise in den westlichen Balkanstaaten, im ehemaligen Jugoslawien. Er bildet ein Thema, nach dem die Effizienz und das Wesen der europäischen Politik beurteilt wird. In diesem Sinne stellt er ein entscheidendes Thema dar, und wir können ihn nicht als eine zweitrangige Angelegenheit behandeln, weil wir, ob wir es mögen oder nicht, die Zukunft Europas und den Konvent als vorrangiges Thema ansehen.
Um auf die Frage der Zukunft Europas zurückzukommen, es ist offensichtlich, dass die Völker Demokratie, Effizienz und Transparenz fordern. Demokratie bedeutet parlamentarische Kontrolle. Effizienz bedeutet die Fähigkeit zu kontrollieren, was man umsetzt, und Transparenz bedeutet, dass jeder Bürger sehen kann, wohin sein Geld fließt und ob es den politischen Zielen dient. Deshalb muss die Gemeinschaftsmethode mit ihren Variationen gestärkt werden. Ich glaube, dass der griechische Ratsvorsitz, indem er die Dialektik von Sokrates und Platon, auf die mehrere Redner Bezug genommen haben, mit dem äußerst effektiven Aristoteles verbindet, eine positive Perspektive bieten wird und dass eine sechsmonatige Präsidentschaft von beispielhafter und außerordentlicher Effektivität, die von einem Land ausgefüllt wurde, das zwar von mittlerer Größe ist, aber über hervorragendes politisches Personal verfügt, ratifiziert werden wird.
Ludford (ELDR). – (EN) Herr Präsident, ich möchte auf zwei Punkte auf der Tagesordnung des Gipfeltreffens eingehen, und zwar erstens Zuwanderung und Asyl sowie zweitens die Lage auf dem Balkan.
Ich freue mich, dass die Kommission gestern sehr zurückhaltend auf den britischen Vorschlag reagiert hat, in Regionen wie dem Balkan Auffanglager für Flüchtlinge einzurichten, weil damit erhebliche Schwierigkeiten verbunden wären. Ich teile die Auffassung, dass der Menschenschmuggel und der Menschenhandel durch eine geregelte und gesteuerte Einreise von Flüchtlingen unterbunden werden muss. Neue Ansätze, die vorsehen, dass Asylanträge in den Heimatländern der Flüchtlinge gestellt werden können und anschließend geschützte Zulassungsverfahren und Eingliederungsprogramme durchgeführt werden, sollten weiterverfolgt werden, aber sie müssen das Recht des Einzelnen auf Asyl ergänzen und dürfen es nicht ersetzen. Wir dürfen Asylsuchenden nicht den Zugang zum Hoheitsgebiet der Europäischen Union verwehren.
Die Kommission hat ihrerseits den vernünftigen Vorschlag gemacht, nach legalen Möglichkeiten der Einwanderung zu suchen. Angesichts der erschreckenden Zahlen gratuliere ich dem griechischen Ratsvorsitz zu seiner im letzten Monat in Athen durchgeführten Konferenz über die gesteuerte Zuwanderung: In Europa werden die Bevölkerungszahlen bis 2050 voraussichtlich um 15 % zurückgehen. In den Vereinigten Staaten wird die Bevölkerung um 40 % wachsen. Unsere Volkswirtschaften brauchen die Zuwanderung. Das Problem ist, dass in unseren Gesellschaften eine ablehnende Haltung gegenüber der Zuwanderung besteht und dass die Politiker eine ehrliche und mutige Debatte über die mit der Zuwanderung verbundenen Probleme führen müssen. Wir müssen zumindest eine Integrationsstrategie festlegen, die unter anderem eine Verbesserung der Rechte für legale langfristige Migranten vorsieht, und ich hoffe, dass dies auf dem Gipfeltreffen geschehen wird.
Wir müssen außerdem den Ministerien für Inneres und öffentliche Ordnung die Zuständigkeit für die Bereiche Asyl und Einwanderung entziehen, weil es diesen Ministerien in erster Linie um die innere Sicherheit und um Repression geht. Ihre Haltung ist in der Diskussion über die legale Zuwanderung nicht hilfreich.
Wir haben uns unsere Schwierigkeiten selbst zuzuschreiben, und mit jeder repressiven Maßnahme laufen wir Gefahr, die Situation noch zu verschlimmern. Möglicherweise sind die undurchlässigen Grenzen sogar die Ursache für die gestiegene Zahl der illegalen Einwanderer und die Tatsache, dass die Einwanderer auf Dauer in Europa bleiben, weil eine Ein- und Ausreise nicht mehr möglich ist. Um unsere Asyl- und Einwanderungssysteme also wieder in Ordnung zu bringen und zu kontrollieren, brauchen wir drei fundierte politische Maßnahmen, keine Notlösungen und keine Tricks: Erstens müssen wir die Verantwortung gemeinsam tragen. Wir dürfen uns nicht gegenseitig die Verantwortung zuschieben, sondern müssen sie innerhalb der Europäischen Union und mit den Herkunftsländern und den Aufnahmeländern vor Ort gemeinsam wahrnehmen und in diesen Ländern umfangreiche Investitionen tätigen. Zweitens müssen wir uns auf das „Frontloading“ konzentrieren, also durch Investitionen in die Verbesserung der Qualität und damit in die zügigere Abwicklung von Asylentscheidungen, wie dies von der Kommission vorgeschlagen wird, und wir müssen drittens den Zugang zur legalen Einwanderung öffnen.
Ich weiß nicht, welche Gegenleistung die britische Regierung den Balkanländern für die Einrichtung dieser Flüchtlingslager bieten wollte, aber ich möchte ein Thema erwähnen, über das konkret und frühzeitig mit den Balkanländern gesprochen werden sollte. Dieses Thema ist die Überprüfung der Visapolitik. Wie die Präsidenten der SAP-Länder bei ihrem Gipfeltreffen am Montag sagten, könnte der Integrationsprozess nachhaltig gefördert werden, wenn man den Bürgern dieser Länder schon bald die Reisefreiheit in allen europäischen Ländern in Aussicht stellen würde. Ich hoffe, dass wir uns in nächster Zeit mit diesem Thema befassen werden.
Zum Abschluss möchte ich noch kurz über den Internationalen Strafgerichtshof sprechen. Rumänien und nun auch Albanien haben Immunitätsvereinbarungen mit den USA unterzeichnet, Bosnien wird zur Unterzeichnung gedrängt. Warum können die Europäische Union und die assoziierten Länder im Interesse eines erfolgreichen Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses nicht gemeinsam etwas gegen das Vorgehen der USA im Zusammenhang mit diesen Abkommen unternehmen? Können Sie uns zusichern, dass die Staaten der Europäischen Union nicht die Absicht haben, bilaterale Immunitätsvereinbarungen zu unterzeichnen, und dass Sie nicht zulassen werden, dass durch dieses Vorgehen die Bemühungen um eine Zusammenarbeit der Balkanländer mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag untergraben werden? Ich bedaure, sagen zu müssen, dass sich die anderen Länder der Europäischen Union der Entscheidung des Vereinigten Königreichs und der Niederlande nicht angeschlossen haben, die Ratifizierung der Assoziierungsabkommen so lange auszusetzen, bis Kroatien kooperiert. Es gibt keine Solidarität unter den Ländern der Europäischen Union, und das ist eine Schande.
Alyssandrakis (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Die griechische Präsidentschaft hat sich in der Tat mit einigen wichtigen Themen auseinander gesetzt.
Am 17. Februar wurde erklärt, dass das Problem mit dem Irak seine Abrüstung ist, was Herrn Bush zu Glückwünschen veranlasste. Der Streit mit den USA ging nicht darüber, ob Gewalt angewendet werden sollte, sondern wann. Griechenland und andere Mitgliedstaaten haben übrigens nicht ein einziges Wort der Kritik an der angloamerikanischen Invasion geäußert. Im Gegenteil, sie haben sie in jeder erdenklichen Weise unterstützt. Die Erklärung des Ratsvorsitzes vom 16. April legitimiert den Angriff im Nachhinein, sie erkennt die Souveränität der Aggressoren im Irak an und überträgt der UNO die Vermittlerrolle bei der Verteilung der Beute. So, was soll’s, dass keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden. Was soll’s, wenn amerikanische Offizielle sagen, dort wären keine gewesen. Wenn die Fakten dich widerlegen, dann um so schlechter für die Fakten.
Eine weitere Ihrer großen Errungenschaften war, dass die Europäische Union neuneinhalb neue Länder verschlungen hat. Ich sage neuneinhalb, weil Zypern als ein geteiltes Land beitritt, doch dies ist ein unwesentliches Detail, das den Glanz des Großen Europas nicht überschatten sollte. Im Ernst, was wird die Europäische Union unternehmen, um die türkische Besatzerarmee von Zypern zu vertreiben?
Was Ihre Politik gegenüber den Balkanstaaten betrifft, was haben Sie zu den subventionierten Umsiedlungen von Unternehmen, wie der SISER-PALCO, zu sagen, die in Griechenland und anderswo Tausende von Arbeitslosen hinterlassen?
Es ist nicht unbemerkt geblieben, dass Ihre Politik Hunderttausende von erzürnten Arbeitnehmern auf die Straße getrieben hat, heute in Frankreich, gestern in Österreich, davor in Griechenland, ja in fast jedem Land der Europäischen Union. Dies ist ihre Antwort darauf, dass alle Rechte, die die Arbeiterklasse in den letzten 100 Jahren errungen hat, attackiert werden.
Es wäre eine Unterlassung meinerseits, nicht auf die Farce des Konvents einzugehen, mit der vorsichtigen Auswahl seiner Mitglieder, um jedwede Stimme der Opposition gegen die Europäische Union zu ersticken, der ganz offen von seinem Präsidenten gegängelt wird. Durch die Verletzung der Demokratie wurde ein Monstrum geschaffen, das die Macht zugunsten der Mächtigen neu aufteilt und die Grundlagen für die Militarisierung der Union legt.
Die Abgeordneten der Kommunistischen Partei Griechenlands im Europäischen Parlament verurteilen, zusammen mit Tausenden von Demonstranten, die in zwei Wochen nach Thessaloniki strömen werden, die Politiken der Europäischen Union, die mehr und mehr zu einer Gefahr für die Sicherheit und den Lebensstandard der Bevölkerung werden und denen der griechische Ratsvorsitz in bestmöglicher Weise gedient hat. Wie viele Fiestas auch gefeiert, wie viele repressive Maßnahmen auch ergriffen werden, um die politischen Führer vor der Liebe der Menge zu schützen, wie weit von der Stadt entfernt der Gipfel auch abgehalten wird, die donnernde Stimme des Protestes wird nicht erstickt, der Widerstand der versammelten antiimperialistischen, antimonopolistischen Kräfte wird nicht unterdrückt werden.
Lagendijk (Verts/ALE). – (NL) Herr Yiannitsis, Sie haben heute Vormittag viele Komplimente erhalten, denen ich mich in einem speziellen Punkt anschließen möchte: Ich möchte dem griechischen Vorsitz dazu gratulieren, dass es ihm gelungen ist zu verhindern, dass bei all der Aufmerksamkeit, die zu Recht beispielsweise dem Konvent sowie den transatlantischen Beziehungen geschenkt wird, der westliche Balkan in Vergessenheit gerät. Dies wäre nämlich völlig ungerechtfertigt und äußerst unklug. Ihr Ausgangspunkt ist meines Erachtens richtig. Die Frage ist nicht, ob die Länder des westlichen Balkans jemals der Europäischen Union beitreten werden, sondern wann. Bevor sie Mitglied werden können, gibt es allerdings noch einiges zu regeln. Diese Schlussfolgerung ist an sich nichts Neues.
1999 hat die Europäische Union nach dem Kosovo-Krieg den so genannten, auf einer Analyse der Probleme in den 90er Jahren – ethnische Gewalt, extremer Nationalismus und notwendiger Aufbau demokratischer Strukturen – beruhenden Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess in Gang gesetzt. Diese Vorgehensweise war – wie wir hier wiederholt gesagt haben – erfolgreich. Man denke an die Mission der Europäischen Union in Mazedonien. Wir sind jedoch an einem Punkt angelangt, an dem sich die Politik der Europäischen Union nicht nur auf eine Analyse der 90er Jahre stützen kann; sie muss auch auf einer Untersuchung der gegenwärtigen und künftigen Probleme der Länder im Westbalkan beruhen. Diese Probleme sind in zunehmendem Maße die gleichen, mit denen die heutigen Mitgliedstaaten ebenfalls konfrontiert sind, nämlich sozio-ökonomische Stagnation. Meiner Meinung nach bedeutet dies, dass wir die positiven Aspekte unserer gegenwärtigen Politik gegenüber dem Balkan beibehalten müssen.
Die Rückkehr der Flüchtlinge, ein nach wie vor überaus wichtiges Thema, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität – denken Sie an die Ermordung von Djindjic, ein leider immer noch sehr aktuelles Problem –, die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, all dies sind Elemente, an denen es festzuhalten gilt. Daneben bedarf es aber noch weiterer Faktoren. Nach meinem Dafürhalten sind es die Bestandteile der bisherigen Vorbeitrittsstrategie der Union, wie zum Beispiel der Ausbau der einseitigen Handelsvorteile für die Länder des Westbalkans, die – schon öfters erwähnte – Öffnung einiger Gemeinschaftsprogramme, beispielsweise der Bildungsprogramme Leonardo und Sokrates, sowie die Einführung nicht nur der Logik, sondern auch der Methodik der Kohäsionsfonds, wie sie heute bestehen. Auch das ist im westlichen Balkan möglich, ebenso wie die bereits von Frau Ludford genannte schrittweise Änderung der Visapolitik. Der griechische Vorsitz hat mit einem Studentenaustausch begonnen, was einen ersten, aber noch nicht ausreichenden Schritt in die richtige Richtung darstellt.
Erforderlich ist nicht eine Neuauflage unserer bisherigen Vorgehensweise bei der Heranführung der mittel- und osteuropäischen Länder an die Europäische Union. Jetzt ist eine maßgeschneiderte Strategie vonnöten, die Elemente unserer alten Politik enthält und der Elemente der neuen Politik hinzugefügt werden müssen. Dazu – und das sage ich direkt an die Adresse des Rates – dazu bedarf es finanzieller Mittel. Deshalb möchte ich den griechischen Vorsitz auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass die neue Politik, die ich nachhaltig unterstütze, auch finanziell realisierbar ist. Die Kunst wird darin bestehen, keine neuen Illusionen zu wecken, sondern den Balkan der Europäischen Union anzunähern. Wenn wir das nicht tun, werden wir es später bitter bereuen.
Pack (PPE-DE) . – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Ich begrüße die Einlassungen der griechischen Ratspräsidentschaft bezüglich des Balkans, und im Gegensatz zu Herrn Alavanos bin ich auch froh, dass die Italiener im zweiten Halbjahr die Möglichkeit haben, diese gute Politik fortzusetzen. Es sind nämlich zwei Nachbarländer, die ein vitales Interesse daran haben, dass im westlichen Balkan/Südosteuropa Stabilität herrscht. Fakt ist, dass in diesen Ländern – Kroatien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Albanien – ganz unterschiedliche Entwicklungsphasen ablaufen. Am Ende werden sie – wie bereits in Zagreb versprochen und wie es in Thessaloniki wieder bestätigt werden wird – die Chance haben, nach ihren individuellen Fortschritten gemessen, Mitglied der Europäischen Union zu werden.
Der Weg dahin ist schwierig, das haben die zehn Beitrittsländer auch durchmachen müssen. Er verlangt den Bürgern dort sehr viel ab. Wir erkennen unterschiedliche Fortschritte, die vor allem auch dadurch bedingt sind, dass alle diese Länder unterschiedliche Möglichkeiten hatten, sich fortzuentwickeln. Bis vor zwei Jahren gab es in Serbien und Montenegro noch Milosevic. Insofern glaube ich, müssen wir diese Möglichkeiten, die sie nicht nutzen konnten, berücksichtigen.
Viele Probleme sind diesen Ländern aber gemeinsam, z. B. der Kampf gegen die Korruption, gegen das organisierte Verbrechen, vor allen Dingen auch gegen den Menschenhandel. In vielen dieser Länder existiert noch immer eine ganz schlimme, mangelhafte Justiz. Wir haben auch zu beklagen, dass die regionale Zusammenarbeit noch nicht so gut ist, wie sie immer beschworen wird. Wenn man an uns appelliert, diesen Ländern Visumsfreiheit einzuräumen, dann – so meine ich – sollten diese Länder erst einmal unter sich dazu kommen, ihre Bürger frei reisen zu lassen. Es ist nicht so einfach, von Serbien nach Kroatien zu gelangen.
(Beifall)
Deswegen glaube ich, dass man zuerst seine Hausaufgaben machen muss, bevor man von uns große weitere Schritte verlangt. Ich bin auch der Auffassung, dass die bilateralen Freihandelszonen gut sind. Sie können aber erst dann wirklich Effekte haben, wenn sie zu einer multilateralen Freihandelszone ausgeweitet werden.
Ich möchte drei Punkte ansprechen, die in unserer Entschließung enthalten sind. Es ist vernünftig, dass der Stabilitätspakt eng mit dem Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess verknüpft wird. Es ist wichtig, dass das CARDS-Programm, für das immer weniger Mittel bereitstehen, mehr Geld erhält. Es ist Geld da, wir brauchen kein neues zu schöpfen. Die Vorbeitrittshilfen sind nicht ausgenutzt, und ich bedaure, dass der Kommissar 200 Millionen angesprochen hat. Über diesen Betrag werden Sie wohl jetzt nicht hinausgehen wollen, aber ich glaube, wir brauchen mehr, denn die wirtschaftliche Entwicklung ist die Voraussetzung für das Zusammenleben, für die Entwicklung dieser Gemeinschaft und für die endgültige Lösung der Flüchtlingsfragen.
Ein Letztes möchte ich ansprechen, nämlich das Thema Jugend in diesen Ländern. Ohne die Jugend werden diese Länder keine Chance haben, sich gut zu entwickeln. Wenn sie jetzt nicht ein Signal bekommen, dass Europa nicht erst irgendwann in der übernächsten Generation Wirklichkeit wird, sondern jetzt, dann wird es schwierig sein. Alle versuchen, diese Länder zu verlassen und in andere Länder, nach Neuseeland, Amerika und Kanada, zu gehen. Wir müssen unsere Programme Sokrates und Leonardo für sie öffnen. Als Berichterstatterin für Sokrates weiß ich, was für ein schwieriges Unterfangen das ist. Ich appelliere an die griechische Ratspräsidentschaft, dass sie hier zum Motor wird, dass wir der Jugend dieser Länder wirklich das Signal geben können, dass sie an unseren Bildungsprogrammen teilhaben kann. Wenn ich das Kommuniqué der Präsidenten dieser Länder vom Montag richtig gelesen habe, steht da viel Gutes drin, viele Versprechungen, viele Einsichten. Ich hoffe nur, dass in Thessaloniki etwas geschaffen wird, das diesen Ländern auch wirklich einen Anreiz gibt, diese Versprechungen in die Tat umzusetzen.
(Beifall)
Swoboda (PSE) . – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Dritte oder Vierte im Bunde, der über den Balkan sprechen möchte. Es ist richtig, der Balkan ist derzeit nicht in den Augen der Öffentlichkeit, nicht in den Schlagzeilen. Gott sei Dank, muss man sagen, denn meistens ist er nur bei negativen Ereignissen in den Schlagzeilen. Dennoch gibt es tiefgreifende Probleme. Wir haben ein zu schwaches Wachstum, als dass der Balkan aufholen könnte. Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit, geringe Auslandsinvestitionen, wir haben noch offene Wunden aus den Kriegszeiten nach dem Ende des ehemaligen Jugoslawien, wir haben die unvollständige Rückkehr der Flüchtlinge und eine unvollständige und unsichere Staatenbildung, denken wir an Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien oder Bosnien-Herzogowina Und wir haben grenzüberschreitende Kriminalität, die auch nach Westeuropa hinüberreicht.
Daher ist es Aufgabe der Präsidentschaft und auch des Gipfelgesprächs in Thessaloniki, des so genannten Zagreb II-Gipfels, ein klares Angebot an diese Länder zu machen, aber auch die Bedingungen klar festzulegen. Es gibt die Kopenhagener Kriterien, und es gibt keinen Nachlass, keinen Rabatt auf diese Kriterien. Dazu müssen wir aber den Ländern helfen, ihre Wirtschaftsreformen durchzuführen. Es ist schon erwähnt worden, dass das CARDS-Programm allein nicht genügt.
Wir müssen in Richtung von Vorbeitrittsinstrumenten und Vorbeitrittshilfen gehen, wie wir das auch bei den anderen Erweiterungskandidaten getan haben. Und zweitens müssen wir – das ist ebenfalls schon von meinen Kolleginnen und Kollegen erwähnt worden – den Rechtsstaat aufbauen. Daran führt kein Weg vorbei. Das heißt, das Problem der Flüchtlinge muss gelöst werden, der Respekt für die Minderheiten muss klar in die Herzen und die Köpfe, nicht nur in die Gesetze Eingang finden. Es muss eine konsequente Verfolgung aller Verbrechen geben, insbesondere natürlich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und es muss eine Zusammenarbeit mit Den Haag geben. Ich bedauere es wie meine Kolleginnen und Kollegen, dass die USA doppelte Signale geben: einerseits einen starken Druck auf Zusammenarbeit mit Den Haag und andererseits einen ebenso starken Druck auf Unterzeichnung von Nichtauslieferungsabkommen im Zusammenhang mit dem Internationalen Strafgerichtshof. Das ist für uns unhaltbar, und ich glaube und hoffe, dass die Europäische Union – Rat und Kommission – diesen Ländern klar sagt, dass solche Abkommen nicht nur dem Geist widersprechen, sondern auch dem aquis communautaire, den wir in der Außen- und Sicherheitspolitik geschaffen haben.
Daher erwarte ich mir dreierlei von Thessaloniki. Erstens: eine klare Beitrittsperspektive, die diesen Ländern gegeben werden muss; zweitens: Ausbau der Förderungsinstrumente, nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ, wirklich in Vorbereitung einer Beitrittsstrategie; drittens: ein strenges Monitoring. Ich bin mir einig mit meinen Kolleginnen und Kollegen, dass es nicht darum geht, besonders gnädig zu sein. Wir müssen den Ländern ganz genau sagen, wo noch Fehler bestehen, aber wir müssen ihnen auch sagen können, wo es bereits Fortschritte gibt. Ich hoffe – und das ist Aufgabe der Kommission, Herr Kommissionspräsident –, dass Europa rasch auf das Ansuchen Kroatiens reagiert, das als erstes von diesen Ländern ein Ansuchen auf Beitritt gestellt hat. Im Prinzip soll es eine positive Antwort sein, ich hoffe jedenfalls, dass es in diese Richtung geht. Aber natürlich muss auch Kroatien noch einiges erledigen.
Ich meine daher, dass das Treffen von Thessaloniki nicht nur als Zagreb II bezeichnet werden sollte, sondern auch als eine Art Vor-Kopenhagen, nämlich Kopenhagen I, indem es klare Signale gibt. Auch in der Visumspolitik kann man etwas tun, man kann sie einfach flexibler handhaben, ohne dass deswegen die Visaverpflichtung schon aufgehoben werden muss. Nehmen Sie, Herr Ratspräsident, zur Kenntnis, dass wir in diesem Haus diese Länder sehr, sehr streng und kritisch betrachten, aber auch gemeinsam dafür sind, diesen Ländern eine vernünftige europäische Perspektive zu geben. Wenn Sie das in Thessaloniki tun, dann werden Sie einen großen Erfolg zu verbuchen haben.
(Beifall)
Caudron (GUE/NGL). – (FR) Meine Herren Präsidenten, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen unserer Debatte möchte ich in der mir zur Verfügung stehenden einen Minute Redezeit drei Punkte im Namen meiner Fraktion hervorheben. Zunächst möchte ich die griechische Präsidentschaft würdigen und beglückwünschen, die in einer für Europa arbeitsreichen und schwierigen Phase sehr viel geleistet hat, was wieder einmal zeigt, dass kein Zusammenhang besteht zwischen der Größe eines Landes und den Leistungen seiner Präsidentschaft. Zweitens möchte ich feststellen, dass die Bewältigung der schwerwiegenden europäischen und internationalen Ereignisse dieses Halbjahrs die Grenzen eines in seiner Grundlagen wirtschaftlichen und liberalen Europas und eines in seiner Funktionsweise zu wenig demokratischen Europas aufgezeigt hat. Drittens und vor allem möchte ich an dieser Stelle erneut zu politischen Überlegungen für ein anderes Europa, ein bürgerschaftliches und soziales Europa aufrufen, das seine Unterschiede als Bereicherung ansieht, anstatt sie beseitigen zu wollen.
Wir brauchen ein Europa, das sich auf die wahren Probleme der Bürger konzentriert, wobei hier an erster Stelle Beschäftigung und Arbeitslosigkeit zu nennen sind, die öffentlichen Dienstleistungen und das soziale Europa, die Voraussetzungen zur Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit sowie ein in all seinen Aspekten einfacheres Alltagsleben für die europäischen Bürger. Alles in allem brauchen wir also, wie dies von Herrn Wurtz dargelegt, aber auch von Herrn Barón Crespo und vielen anderen Vertretern der kleineren Fraktionen gefordert wurde, ein europäisches Europa der Bürger.
Stockton (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte meinen Redebeitrag mit einem „Efcharisto poli” an den griechischen Ratsvorsitz beginnen.
Der Ratspräsident und Kommissionspräsident Prodi haben die Arbeit des Konvents beschrieben, aber der Konvent, den sie beschrieben haben, ist nicht der Konvent, an dem ich teilgenommen habe. Der Minister sprach von einem „Konsens“, aber nicht von einer „Mehrheit“. Wir haben einen „Konsens“ bei einem Thema erreicht, bei dem sich fünf Redner für und 49 Redner gegen ein Projekt ausgesprochen haben. Dies hat Präsident Giscard d’Estaing nicht daran gehindert, festzustellen, dass ein Konsens zugunsten des Projekts gefunden wurde! Er sagte außerdem, die Regierungskonferenz werde verschiedene Punkte „in Betracht ziehen“. Was bedeutet dies konkret? Für mich bestätigt dies, dass das Präsidium bereits als eine Art Vorab-Regierungskonferenz fungiert. Kommissionspräsident Prodi sagte, die Beratungen seien transparent und öffentlich durchgeführt worden. Dies gilt aber weder für die Sitzungen des Präsidiums, noch für die Vier-Augen-Gespräche zwischen Giscard d’Estaing und einigen Staats- und Regierungschefs. Es gilt auch nicht für die Informationen über sehr extreme Positionen, die an Le Monde weitergegeben wurden und durch die dann der Eindruck erweckt wurde, dass die Abkehr von diesen extremen Positionen und die Einigung auf nur noch schwierige oder nicht mehr ganz so inakzeptable Positionen dem Verhandlungsgeschick von Giscard d'Estaing zuzuschreiben ist.
Ich fürchte, wir haben eine Chance vertan. Man hat uns gesagt, es gebe keine Themen, über die nicht gesprochen werden könne, aber die Reform des Acquis wurde ad acta gelegt. Es gibt keinen Mechanismus für die Überprüfung der derzeit geltenden Gesetzgebung und der Vorschriften, eine solche Überprüfung wurde abgelehnt. Es wird keine Änderung des Vertrags von Nizza geben, auch dies wurde abgelehnt. Von Offenheit kann also nicht die Rede sein.
Wir haben Fortschritte gemacht, aber in welche Richtung? Ich fürchte, wir haben Fortschritte für den Ministerrat und die nationalen Regierungen erreicht, aber nicht für dieses Haus und die Bürger, die wir vertreten. Dies ist alles andere als eine erfreuliche Entwicklung, und ich fürchte, dass wir nicht nur die europäischen Organe, sondern auch die neuen Mitgliedstaaten und, was am schlimmsten ist, unsere Bürger in Europa enttäuscht haben.
Van den Berg (PSE). – (NL) Herr Präsident, Herr Prodi, Herr amtierender Ratspräsident! Eine sehr wichtige Forderung an den Europäischen Rat in Thessaloniki war, Europa aus den verschlossenen Hinterzimmern der Regierungen herauszuholen und es den Bürgern zurückzugeben. Herr Giscard d'Estaing wird demnächst den Entwurf des Europäischen Konvents für eine Europäische Verfassung vorlegen. Der Konvent hat in den vergangenen 15 Monaten eine großartige Leistung erbracht: Über eine gemeinsame Europäische Verfassung wurde Übereinstimmung erzielt, und ehrgeizige Vorschläge für eine Vereinfachung und Gewährleistung der Grundrechte wurden unterbreitet.
Jetzt, da die Ziellinie in Sicht ist, sind jedoch heftige Diskussionen über die Ausgestaltung des institutionellen Rahmens entbrannt. Permanenter Ratsvorsitzender ja oder nein, ein EU-Kommissar für jeden Mitgliedstaat ja oder nein, ein Völkerkongress ja oder nein.
Diese institutionellen Fragen sind zwar alle ungemein wichtig, sollten aber meiner Meinung nach erst dann zur Sprache gebracht werden, wenn wir uns auf den Inhalt der europäischen Politikbereiche geeinigt haben. Europa muss für seine Bürger bedeutsam werden. Und diese Bürger fordern eine effektive Politik im außenpolitischen Bereich, eine Politik hinsichtlich der sozialen Fragen – wie Renten, Arbeitsplätze –, eine Wirtschaftspolitik, eine Sicherheitspolitik, eine Politik auf dem wichtigen Gebiet Asyl und Migration und nicht zu vergessen eine umweltfreundliche sowie faire Agrarpolitik. In allen diesen Bereichen müssen wir von den blockierenden Vetos abkommen und zu einer wirklich effizienten Beschlussfassung gelangen.
Europa, das bedeutet eine Politik für die Unionsbürger dergestalt, dass wir einen Raum der Sicherheit, der Solidarität und des Wohlstands für alle schaffen können. Europa ist eine Frage des Inhalts und nicht der Fassade. Zwar sind institutionelle Fragen von großer Wichtigkeit, aber zuerst müssen wir Europa den Bürgern zurückgeben. Erst wenn wir die Gewissheit haben, dass der europäischen Politik dort, wo sie erforderlich ist, auch konkret Gestalt gegeben werden kann, können wir mit der Diskussion über die Architektur beginnen. Diese muss einfacher, verständlicher, effizienter und bürgernäher – mit anderen Worten demokratischer – sein. Das impliziert einen vom Europäischen Parlament gewählten Kommissionspräsidenten sowie einen Troika-Vorsitz des Europäischen Rates zur Gewährleistung der Kontinuität sowie der Mitwirkung der einzelnen Länder.
Ich fordere sowohl den Europäischen Konvent als auch die demnächst an der Regierungskonferenz teilnehmenden Staats- und Regierungschefs auf, jetzt standhaft zu bleiben und sich für ein effizientes und demokratisches, d. h. gemeinschaftliches Europa, zu entscheiden. Speziell in solchen Bereichen wie Migration und Asylpolitik haben wir festgestellt, dass eine unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf zwischenstaatlicher Ebene praktizierte Politik zu keinen Ergebnissen führt.
Herr Präsident, sorgen Sie also für eine gemeinschaftliche Politik, für das ausschließliche Initiativrecht der Europäischen Kommission sowie dafür, dass Beschlüsse sowohl durch den Rat, mit qualifizierter Mehrheit, als auch durch das Europäische Parlament gefasst werden. Stellen Sie erst sicher, dass vor allem der Inhalt stimmt, und tragen Sie dann durch eine institutionelle Debatte für eine angemessene demokratische Struktur Sorge. Nur so kann ein für die Unionsbürger glaubwürdiges Europa geschaffen werden.
Geben Sie Europa den Bürgern zurück, indem Sie ihnen die Möglichkeit bieten, mittels eines Referendums ein Urteil zur Europäischen Verfassung abzugeben. Dadurch werden die politischen Parteien und die breite Öffentlichkeit zu einer aktiven und politischen Debatte über Europa gezwungen. Ich fordere meine niederländischen Kolleginnen und Kollegen in der CDA und der VVD auf, diesen Vorschlag zu unterstützen und sich von der niederländischen Politik hinter verschlossenen Türen zu distanzieren. Die europäischen Bürger haben Besseres verdient, Herr Präsident.
Stenzel (PPE-DE) . – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Der Europäische Rat von Thessaloniki hat eine anspruchsvolle Tagesordnung. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft der Europäischen Union. Unter enormem Zeitdruck sollte daher vom Konvent ein Entwurf zum Verfassungsvertrag der Europäischen Union auf den Tisch gelegt werden, der es gestattet, die Europäische Union nach der Aufnahme von zehn neuen Mitgliedstaaten nicht zu einem impotenten Riesen werden zu lassen.
Die Europäische Union steht vor einer großen historischen Chance, die mit dieser Erweiterung verbunden ist. Diese Chance gilt es zu nützen. Aber man kann sie nur optimal nutzen, wenn man versucht, die Grundsätze der Gleichberechtigung aller Mitgliedstaaten, der Balance zwischen den Institutionen sowie der Vollrechtsfähigkeit des Europäischen Parlaments zu berücksichtigen. Es darf keinen Versuch geben, die Europäische Union künstlich zu verkleinern, eine Kern-EU der alten Sechs zu schaffen und den Rest um diesen Kreis kreisen zu lassen. Ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und unterschiedlicher Gewichtung der Mitgliedstaaten würde den Zusammenhalt der Europäischen Union schwächen. Weder klein noch groß, weder alt noch neu sollten die Kriterien einer künftigen Verfassung der Europäischen Union sein. Dies gilt auch besonders im Hinblick auf die Befindlichkeit der beitretenden Mitgliedstaaten, in denen noch einige Referenden ausstehen und wo die Skepsis gegenüber einer europäischen Superstruktur durchaus vorhanden ist.
Österreich hat sich daher erfolgreich für die Interessen der kleinen Mitgliedstaaten eingesetzt. Nicht dass diese Länder in uns einen Anwalt bräuchten. Die Interessenskonformität ist jedoch in der Politik auch ein wertvolles Mittel zur Umsetzung legitimer Ansprüche. Für einen Verfassungsvertrag der EU sollte daher gelten, dass er nicht einseitig den intergouvernementalen Ansatz auf Kosten von Gemeinschaftsinstitutionen wie Kommission und Parlament stärkt, dass er nicht durch die Schaffung künstlicher Funktionen, die dem Bürger die EU nicht unbedingt näher bringen und nur Steuergeld kosten, eine Lähmung der EU herbeiführt und dass er die Handlungsfähigkeit der EU stärkt, und zwar die Handlungsfähigkeit nach außen und nach innen. Es ist daher zu begrüßen, dass man sich de facto auf den europäischen Außenminister geeinigt hat. Die Doppelpräsidentschaft ist zwar nicht vom Tisch, hier sollten aber Modelle gesucht werden, die eine Lähmung der EU verhindern und gleichzeitig jedem Land einen Kommissar in der Kommission einräumen und den Kommissionspräsidenten stärken und vom Europäischen Parlament wählen lassen.
Mindestens so wichtig wie der Verfassungsentwurf ist die Bekämpfung der illegalen Einwanderung, die engstens mit der Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts verbunden ist. Bei 500.000 illegalen Einwanderern in die EU pro Jahr gilt es, Lösungen zu finden, die der realen Situation gerecht werden, das heißt, Möglichkeiten zu schaffen, Flüchtlingen vor Ort Hilfe zu leisten sowie rasche Entscheidungen in Asylverfahren herbeizuführen, wobei die Asylpolitik auf der Genfer Konvention und auf gemeinsamen Mindeststandards basieren muss.
Goebbels (PSE). – (FR) Herr Präsident, wenn ich Präsident Prodi richtig verstanden habe, dann wird Europa letztlich seinen Status als wirtschaftlicher Riese verlieren und gleichzeitig politisch ein Zwerg bleiben. Ich persönlich träume nicht von einem Europa, das sich in den internationalen Angelegenheiten als Großmacht durchsetzt und als Gendarm und Lehrmeister der übrigen Welt auftritt. Ich träume von einer Welt, in der das Völkerrecht vorherrscht und die sich auf die Kooperation aller Länder, der kleinen wie der großen, gründet.
Europa hat derzeit mit einigen Problemen zu kämpfen. Dennoch ist unser Europa dank der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit zweifellos die egalitärste und gerechteste Gesellschaft in der Welt. Unser Bestreben muss es sein, die letzten Ungerechtigkeiten in Europa zu beseitigen und jedem Bürger ermöglichen, zu arbeiten und angemessen zu leben. Dazu müssen wir teilen, und zwar innerhalb der Union, mit den neuen Mitgliedstaaten und mit den Entwicklungsländern.
Politisch gesehen muss unsere Union mit einer Stimme sprechen können, das heißt, die authentischste Institution der Union, also die Kommission, muss die Vertreterin aller Mitgliedstaaten sein. Die Kommission muss die treibende Kraft darstellen, mit der sich jeder Bürger identifizieren kann. Aber dieses politisch stärker geeinte Europa ist kein Selbstzweck. Das politische Handeln muss letztlich der Befriedigung der wirtschaftlichen, sozialen, umweltspezifischen und kulturellen Bedürfnisse unserer Bürger dienen.
Der Konvent hat sich viel zu sehr mit dem institutionellen Aufbau beschäftigt, was zu nichts führt, wenn wir uns nicht mit den politischen Mitteln ausstatten, mit Hilfe derer wir eine nachhaltige Entwicklung und ein Wirtschaftswachstum, das Vollbeschäftigung gewährleistet, erreichen können. Derzeit legt die Zentralbank den Artikel 105 Absatz 1 des Vertrags allzu eng aus, da sie sich allein auf die Ziele im Bereich der Inflationsbekämpfung beschränkt. Stabilität ist zwar notwendig, aber der Kampf gegen Deflation und für Wachstum ist ebenso zwingend erforderlich. Daher muss der Auftrag der EZB wie folgt präzisiert werden: „das vorrangige Ziel des Europäischen Zentralbanksystems ist die Aufrechterhaltung der Stabilität. Das EZBS muss Inflation und Deflation bekämpfen, aber gleichzeitig die anderen Wirtschafts- und Sozialpolitiken der Union unterstützen“. Eine derartige Präzisierung des währungspolitischen Auftrags ist von zentraler Bedeutung, wenn Europa nicht in einer formalen, aber letztlich unproduktiven Stabilität stecken bleiben möchte.
Abschließend möchte ich Griechenland für eine außergewöhnliche Präsidentschaft danken. Dies belegt einmal mehr, dass die kleinen Länder im Allgemeinen eine bessere Präsidentschaft absolvieren als die großen überheblichen Staaten, die aus persönlicher Eitelkeit den alternierenden Vorsitz abschaffen wollen.
(Beifall)
von Wogau (PPE-DE) . – Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich dem Dank meines Kollegen Robert Goebbels an die griechische Ratspräsidentschaft anschließen und Herrn Yiannitsis insbesondere für die hervorragende und sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit während dieser Präsidentschaft danken.
Ich möchte auf einige Fragen eingehen, die die Außenpolitik im Konvent betreffen. In dem neuen Dokument, das uns hier vorgelegt wurde, sind die Ziele der Außenpolitik der Europäischen Union definiert. Es ist selbstverständlich, dass wir mit unserer Außenpolitik die Menschenrechte, die Demokratie und auch den Umweltschutz fördern wollen. Aber eines kommt in diesen Formulierungen zu kurz. Ich halte es für selbstverständlich, dass das erste und wichtigste Ziel der Europäischen Union die Außen- und Sicherheitspolitik sein muss, also die Interessen der Bürger der Europäischen Union und die Interessen der Europäischen Union draußen in der Welt wirksam zu vertreten, und insbesondere das Interesse unserer Bürger, in Frieden und Sicherheit zu leben.
Hier gibt es einige Dinge, die nicht wieder vorkommen dürfen. Wir als Europäische Union dürfen nicht sprachlos bleiben, wie das im Umfeld des Irak der Fall war. Deshalb ist unsere Forderung, dass wir in diesem Bereich die Mehrheitsabstimmung einführen, denn nur dann kann die Europäische Union in diesem Bereich der Außenpolitik wirksam handeln.
Was wir auch brauchen, ist eine Sicherheitsstrategie der Europäischen Union als Antwort auf die Sicherheitsstrategie, die die amerikanische Administration im September des vergangenen Jahres veröffentlicht hat. Wir als Europäer müssen hier zu einigen Fragen klar Stellung nehmen, erstens zu dem deutlichen Führungsanspruch der Vereinigten Staaten und zweitens zu den Ausführungen über den präventiven Krieg, die hier gemacht wurden. Wir wissen, dass Herr Solana beauftragt wurde, mit den Staats- und Regierungschefs einen Vorschlag für Thessaloniki vorzulegen. Das darf aber nur ein erster Schritt in dieser Diskussion sein. Die Diskussion muss öffentlich geführt werden, sie muss im Europäischen Parlament geführt werden, denn wir Europäer müssen nach einer umfangreichen Debatte tatsächlich zu einer gemeinsamen Haltung in dieser wichtigen Frage kommen.
Wir müssen uns fragen, wie es mit der Arbeitsteilung mit den Vereinigten Staaten steht. Wollen wir es so machen, dass wir die militärischen Einsätze den Vereinigten Staaten überlassen, und Europa übernimmt dann die finanziellen Aufräumarbeiten, wie man manchmal den Eindruck hat? Oder wollen wir uns darauf einigen, dass Europa hier eine regionale Aufgabe übernimmt, beispielsweise die Aufgabe, den Frieden und die Sicherheit in seinem geographischen Umfeld zu garantieren? Das sind wichtige, wesentliche Entscheidungen, an denen auch das Europäische Parlament beteiligt sein muss. Vor allem müssen wir als Europäer deutlich machen, dass die 160 Milliarden Euro, die von den 15 europäischen Ländern für Verteidigung ausgegeben werden, in Zukunft effizienter ausgegeben werden müssen, und wenn wir mitreden wollen mit den Vereinigten Staaten, werden wir – so schwer das ist – auch mehr Geld ausgeben müssen!
Nun, was ist hier die Rolle des Europäischen Parlaments? Der Militärausschuss berät in Brüssel beispielsweise über einen Einsatz im Kongo. Das kann nicht ohne die Mitwirkung des Europäischen Parlaments geschehen! Wir müssen darüber informiert werden, wir müssen die Möglichkeit haben, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Wenn es um Frieden und Krieg geht, dann kann dergleichen nicht ohne die Mitwirkung eines direkt gewählten Parlaments entscheiden werden, und in diesem Falle ist dies ja das Europäische Parlament. Infolgedessen brauchen wir zumindest in der nächsten Woche und darüber hinaus eine Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu diesem wichtigen Thema, denn es muss tatsächlich auch bedacht und sorgfältig geprüft werden, ob die Europäische Union mit ihrer jetzigen Organisation schon dazu in der Lage ist, diese Aufgabe zu übernehmen.
Terrón i Cusí (PSE). – (ES) Herr Präsident, allem voran schließe ich mich aus ganzem Herzen den Glückwünschen an die griechische Präsidentschaft an. Herr amtierender Ratspräsident, Sie haben in Thessaloniki die Gelegenheit, sich für die Einwanderungspolitiken der Union stark zu machen und die Maßnahmen zu verbessern, um den europäischen Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit zu geben. Das sind zwei grundlegende, aber unterschiedliche Zielsetzungen.
Sie müssen den neuen Gefahren der organisierten Kriminalität entgegenwirken, deren Fangarme innerhalb und außerhalb der Europäischen Union zu finden sind, und Sie haben Instrumente, um dies zu tun, wie den europäischen Haftbefehl und Europol. Stärken und nutzen Sie sie zur Bekämpfung der großen internationalen Kriminalität und der kleinen, durch die sich unsere Straßen mit Bettlern, mit Kindern und Prostituierten, Opfern des Menschenhandels, füllen, aber bitte setzen Sie dabei für jeden Fall die notwendigen Instrumente ein.
Ein Mitglied von Al-Qaida ist kein illegaler Einwanderer, der sich dem Terrorismus verschrieben hat, sondern ein internationaler Verbrecher. Sie müssen die Einwanderung lenken, das ist etwas anderes, es ist ein komplexes soziales Phänomen, das aus unterschiedlichen Blickwinkeln angepackt werden muss.
Tun Sie es bitte. Kehren Sie zurück zur globalen und umfassenden Vision, die in Tampere aufgezeigt wurde. Kehren Sie zurück zu dem von der Kommission entworfenen Fahrplan, nehmen Sie den vorgesehenen Rechtsrahmen an, verwirklichen Sie die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen in Bezug auf die Drittländer, die Integration, die Beschäftigung und alle damit im Zusammenhang stehenden Fragen.
Herr amtierender Ratspräsident, die Mehrheit der illegalen Einwanderer reist legal in die Europäische Union ein. Die meisten illegalen Einwanderer sind Hausangestellte, die in unseren Familien arbeiten. Eine Gefahr für die Europäische Union? Für wen? Und vor allem, nennen Sie die Dinge bitte bei ihrem Namen. Wenn die Führer der Europäischen Union weiterhin hartnäckig organisierte internationale Kriminalität und Einwanderung vermischen, werden wir ein Problem haben.
Wenn wir den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass die Einwanderung, auch wenn ihr das Adjektiv illegal beigefügt wird, eine der neuen Gefahren darstellt, denen die Union entgegentreten muss, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir ein Problem mit den Unionsbürgern und ihrer Wahrnehmung der Einwanderung haben.
(Beifall)
Stenmarck (PPE-DE).(SV) Herr Präsident! Jede Konstitution sollte von einer grundlegenden Qualität gekennzeichnet sein, unabhängig davon, ob es sich um eine nationale Verfassung oder um die Verfassung der Europäischen Union handelt: Eindeutigkeit, sowohl in Bezug auf die Machtverteilung als auch auf die Verteilung der Kompetenzen.
Als Schwede habe ich keine sehr gute Erfahrung mit dem Erarbeiten von Verfassungen. Als die schwedische Verfassung, unser Grundgesetz, verabschiedet wurde, blieben allzu viele Fragen offen. Dem schwedischen Parlament, Riksdagen, wurde die nahezu uneingeschränkte Macht eingeräumt, in fast allen Fragen mit einfacher Mehrheit Beschlüsse zu fassen. Dank einer einzigartigen schwedischen Tradition behielten die Meinungs- und Pressefreiheit weiterhin eine starke Position, aber der politischen Macht wurde durch die Verfassung die Möglichkeit gegeben, sich in alle Richtungen auszudehnen.
In einer Europäischen Verfassung dürfen sich diese schwedischen Fehler nicht wiederholen. Oberste Priorität muss das Bemühen haben, einen klaren Kompetenzkatalog zu schaffen, der deutlich macht, welche Fragen zum Aufgabenbereich der EU gehören und welche auf nationaler oder anderer Ebene gelöst werden sollen. Es sind Vorschläge formuliert worden, die EU solle auch in sozialen Fragen eine Teilkompetenz erhalten. Das wäre meiner Meinung nach ein historischer Fehler. Diese Fragen werden am besten von den einzelnen Mitgliedstaaten selbst gelöst. Ich sehe auch keine Möglichkeit, diese Fragen in einer erweiterten EU, mit ihren enormen wirtschaftlichen Unterschieden zwischen den Ländern anders zu handhaben.
Auch die Finanzpolitik muss in allen wesentlichen Aspekten Sache der einzelnen Mitgliedstaaten bleiben. Der Euro ist die gemeinsame Aufgabe der Mitglieder und setzt eine strikte Haushaltsdisziplin voraus. Steuerpolitik und staatliche Ausgaben müssen jedoch in der Verantwortung der einzelnen Staaten verbleiben. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten sind groß und erfordern ein hohes Maß an Flexibilität. Niedrige Steuern sind die einzige Möglichkeit der neuen Mitgliedstaaten, die alten Mitglieder allmählich wirtschaftlich einzuholen.
Bei der Verteilung der Macht halte ich es für wichtig, dass wir die EU nicht mit mehreren Präsidenten oder Institutionsvorsitzenden versehen. Das würde kaum zu einer effektiveren EU beitragen. Das Prinzip der Rotation beim Ratsvorsitz vermittelt den Mitgliedstaaten außerdem ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Gleichzeitig gibt es auch den kleinen Mitgliedern die Möglichkeit, die Arbeit der Union zu beeinflussen. Ich möchte daher den Konvent und die kommende Regierungskonferenz dazu auffordern, sehr behutsam vorzugehen, wenn es darum geht festzulegen, wie die zukünftige EU aussehen und funktionieren soll.
Myller (PSE). – (FI) Herr Präsident, der Konvent ist in vielen inhaltlichen Fragen der Politik vorangekommen. Besonders wichtig ist, dass die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU als integraler Bestandteil der Tätigkeit der Union definiert werden. Mängel gibt es dagegen noch bei der Organisation der Arbeitsteilung und Zuständigkeiten.
Die Aufgabe des Konvents bestand ja darin, Vorschläge zu unterbreiten, mit denen die Entscheidungsfindung intensiviert, klarer, demokratischer und transparenter gestaltet wird. Dieser Auftrag kann nicht die Schaffung neuer Institutionen beinhalten. Zwar sind die Erneuerung der Arbeit des Rates, transparente Beschlussfassung und ein kontinuierlicher Arbeitsablauf erforderlich, aber dies kann nicht mit Hilfe eines ständigen langjährigen Präsidenten außerhalb der demokratischen Kontrolle oder durch Abbau der Initiativ- und Exekutivgewalt der Kommission erfolgen. Die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger ist für die Zukunft der EU ganz unerlässlich. Eine sichtbare Institution in allen Mitgliedstaaten ist die Kommission. So muss es im Namen der Gleichberechtigung auch künftig ein Kommissionsmitglied aus jedem Mitgliedstaat geben.
Die Arbeit des Konvents ist bei der Entwicklung der EU-Rechtsvorschriften in die richtige Richtung gegangen. Ich befürworte den Appell von Herrn Prodi vom heutigen Tage, auf das Vetorecht zu verzichten, wenn es um einen EU-Beschluss geht. Durch den Gebrauch des Vetorechts erreichen wir nichts, sondern erschweren und verzögern die Entscheidungsfindung.
Eine vordringliche Aufgabe der EU in dieser Periode ist die Lebensmittelsicherheit. Die Entscheidung über den Sitz des Lebensmittelamtes ist jedoch noch nicht gefallen, weil von dem genannten Vetorecht Gebrauch gemacht wurde. In Thessaloniki muss dieser Knoten aufgebrochen und entschieden werden, dass der ständige Sitz des Amts für Lebensmittelsicherheit Helsinki ist. In Helsinki sind bereits alle Voraussetzungen geschaffen worden, damit das Amt unmittelbar nach dem Beschluss seine Arbeit aufnehmen kann.
Abschließend möchte ich der griechischen Präsidentschaft ganz besonders dafür danken, dass sie die Frage der Meeressicherheit vorangetrieben hat.
Karamanou (PSE). – (EL) Herr Präsident! Den enthusiastischen Bemerkungen meiner Kollegen zur Kompetenz, zur Sensibilität und zur Effektivität der griechischen Präsidentschaft möchte ich lediglich die Zufriedenheit all jener von uns hinzufügen, die aus nächster Nähe miterlebt haben, was Präsident Prodi Leidenschaft und Intelligenzgenannt hat.
Die Agenda für Thessaloniki umfasst eine Reihe von brisanten Themen, die sowohl die Mitgliedstaaten als auch die öffentliche Meinung spalten. Der Entwurf des Verfassungsvertrags ist von primärer Bedeutung, und wir hoffen, dass der Konvent sich auf einen integrierten Vorschlag, der die Europäische Union aus ihrer Identitätskrise befreit, einigen wird, und nicht nur auf eine Liste von Alternativlösungen. Zugleich hoffe ich, zusammen mit Tausenden von Frauenorganisationen in ganz Europa, dass der Verfassungsvertrag die Gleichheit der Geschlechter in allen Bereichen festschreiben, jedwede Ausgrenzung aufgrund des Geschlechts beseitigen und die ausgewogene Beteiligung von Männern und Frauen an den europäischen demokratischen Institutionen sicherstellen wird. Die Frauen werden niemals eine Verfassung akzeptieren, die die Gleichheit der Geschlechter aus den Werten und Zielen der Union ausklammert. Die Frauen werden niemals eine eskalierende Gewalt gegen sie akzeptieren, und die explosionsartige Ausbreitung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung kann wegen des Fehlens einer eindeutigen rechtlichen Grundlage im Vertrag nicht bekämpft werden.
Bei dem Thema Asyl und Zuwanderung sollte die durch das Vereinigte Königreich vorgelegte Konzeption des Entwurfs zur Asylreform, die die Genfer Konvention buchstäblich ad absurdum führt, abgelehnt werden. Jedwede politische Entscheidung in Thessaloniki wird die Vorschläge des Hohen Flüchtlingskommissars der UNO zu berücksichtigen haben. Wie auch Frau Terrón i Cusi sagte, kommen die meisten Einwanderer in die Europäische Union über legale Kanäle. Wir müssen deshalb die Flüchtlingsströme besser steuern und nicht die Grenzen weiter befestigen, repressive Maßnahmen ergreifen und/oder Zuwanderung mit den Aktivitäten der kriminellen Netzwerke in Verbindung bringen.
Schließlich sollte die Agenda des Gipfeltreffens EU-USA meiner Meinung nach Folgendes umfassen: Erstens die Abschaffung der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten, zweitens die Behandlung der Gefangenen in Guantanamo und, drittens was wir hier im Hause als die Lüge des Jahrhunderts bezeichnet haben, also die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak.
Herr Ratspräsident! Thessaloniki muss den westlichen Balkanstaaten eine klare Beitrittsperspektive geben, und wir müssen mit den Vorbereitungen der Vorbeitrittsphase beginnen, die das sine qua non für Frieden und Stabilität in der Region darstellen.
Yiannitsis, Rat. – (EL) Herr Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Präsidenten des Europäischen Parlaments und Präsident Prodi sowie den zahlreichen Rednern für die freundlichen Worte zu den Bemühungen des Ratsvorsitzes danken, die dieser während der vergangenen sechs Monate unternommen hat, um eine Reihe von sehr wichtigen Themen zu behandeln, und zugleich danke ich Ihnen für ihre persönlichen Bemerkungen.
Für den griechischen Ratsvorsitz und für mich persönlich ist dies der letzte Tag, an dem wir das Europäische Parlament besuchen. Wir haben immer noch etwa drei Wochen, die unser Programm abdeckt, und ich habe die Punkte notiert, bei denen ein besonderes Interesse besteht, dass wir eine letzte Anstrengung unternehmen, um sehen zu können, ob wir Fragen, deren Klärung seit einiger Zeit aussteht, lösen können. Was die Fragen zum Präsidentschaftsbericht sowie zu Entwicklungen anbelangt, die nicht direkt Thessaloniki betreffen, so werden diese gemäß dem Programm vom Ministerpräsidenten, Herrn Simitis, am 1. Juli beantwortet werden. Meine Damen und Herren, ich möchte kurz auf drei Themen eingehen – und vielleicht noch auf einige andere –, die ich im Zusammenhang mit Thessaloniki angesprochen habe.
Zuallererst das Thema westliche Balkanstaaten. Ja, es ist in der Tat für die Balkanländer sehr wichtig, eine politische Botschaft von der Europäischen Union zu erhalten, dass ihre europäischen Perspektiven unterstützt werden, dass wir ihnen in ihren europäischen Perspektiven Hilfe leisten, dass auch sie eine Reihe von Anstrengungen unternehmen und Reformen durchführen müssen, wenn sie erfolgreich vorangehen wollen, und dass wir eng an ihrer Seite stehen und ihren Beitrittskurs als Perspektive haben. Unser Ratsvorsitz ist der Ansicht, dass die Balkanstaaten nicht irgendwo weit entfernt liegen. Sie befinden sich in Europa, und deshalb ist es von großer Bedeutung, dass die Europäische Union diese verwundbare Region mit Sorgfalt behandelt. Folglich sind wir bestrebt, dass der Ausgang des Treffens dem Integrationsprozess einen Impuls verleiht, er politische Maßnahmen signalisiert und dass es eine hinreichend gesicherte Finanzierung gibt, um die progressiven Bemühungen dieser Länder zu unterstützen. Wir alle wissen von dem tragischen Vorfall um den serbischen Ministerpräsidenten Djindjic, der sich vor einigen Monaten ereignet hat. Zumindest könnte man sagen, ein positives Element bei diesem tragischen Ereignis war, dass es die Menschen aufgerüttelt hat. Es gibt jetzt ein größeres Verständnis und Bemühen von zahlreichen Seiten.
Was die Fragen der Zuwanderung betrifft, so ist dies für Europa ein gewaltiges Problem, dem, wäre es nicht während der letzten sechs Monate durch die politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Irak überschattet gewesen, nach wie vor ein größeres Gewicht beigemessen worden wäre, wie es am Ende der vorangegangenen Präsidentschaft der Fall war. Dennoch halten wir es, unabhängig von den politischen Entwicklungen, für ein Thema von großer Bedeutung. Hier müssen Anstrengungen unternommen werden. Wir erwarten in diesem Monat auch Initiativen von Seiten der Kommission und des Rates, so dass wir sehen können, was noch getan werden kann. Wir müssen zwischen den Zuwanderern, die legal im europäischen Raum und in unseren Gesellschaften leben, ein Gleichgewicht finden. Wir müssen Wege finden, mit dem Problem der illegalen Einwanderung und den Ängsten in den Gesellschaften umzugehen. Wir müssen jedoch auch Finanzierungsmethoden für die Auseinandersetzung mit diesen Themen finden.
Selbstverständlich wurde im hohen Maße, und das ist nur logisch, auf das Thema Konvent Bezug genommen, der das Hauptthema des Gipfels darstellen wird. In der Tat wird Thessaloniki für dieses Thema von Bedeutung sein, und wir, als griechischer Ratsvorsitz, wollen, dass es ein Erfolg wird. Laeken signalisierte die Perspektive und die Bedingungen, unter denen der Konvent zu arbeiten hat. In Thessaloniki können wir, wenn wir in der geziemenden Weise agieren, ein zufrieden stellendes Ergebnis erreichen, das wichtig für die Zukunft Europas und die europäische Integration ist, und wir hoffen, dass die noch verbleibende Zeit von allen Akteuren genutzt wird, so dass wir dieses produktive Ergebnis sicherstellen können.
Ich möchte abschließend sagen, dass sich Europa wenige Monate nach dem Beginn der griechischen Präsidentschaft in einer sehr bedeutenden und neuen Phase befindet. Wir sind ein Raum mit 25 Mitgliedstaaten. Wir sind ein Raum, der seit den letzten beiden Jahren eine einheitliche Währung hat. Wir sind eine Union, die sich weiter entwickelt und die die Notwendigkeit von institutionellen Veränderungen realisiert hat, die sieht, dass sie im Bereich der Außenpolitik und der Verteidigung eine stärke Präsenz braucht. Was in der Zwischenzeit während dieser Monate geschehen ist, war ein Katalysator für diese Angelegenheiten. Wir sind ein Europa, das jetzt neue Politiken diskutiert, wie die so genannte Politik Ein größeres Europa – Neue Nachbarländer, die Thematik der Balkanstaaten, des Mittelmeers, des Nahen Ostens, die Fragen der ökonomischen Zwischenstaatlichkeit und der Zuwanderung. Sie alle markieren ..., oder besser geben dem Kurs Europas eine differenzierte Richtung. Wir sind ein Raum, der meiner Meinung nach durch all dies bei seinen Bürgern Voraussetzungen für Vertrauen in die Zukunft dieses Raumes schaffen muss, Voraussetzungen für Vertrauen in Demokratie und Menschenrechte, für Vertrauen in soziale Errungenschaften, Beschäftigung und Wachstum sowie generell für Vertrauen auf unsere Fähigkeit, Antworten auf die ernsten Probleme unserer Gesellschaften zu finden.
Von dieser Denkweise sollten meiner Ansicht nach auch die Antworten sein, die wir bis zum Ende dieses Monats und die ab dem nächsten Monat gewiss auch die kommenden Präsidentschaften geben müssen.
Prodi,Präsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das war eine sehr intensive und aufschlussreiche Aussprache. Ich habe alle Probleme, die angesprochen wurden und ausschlaggebend für unsere Zukunft sind, zur Kenntnis genommen: vom Problem der Balkanländer über die Gleichstellung der Unionsbürger bis hin zum Schutz der Organe. In dieser kurzen Antwort möchte ich mich ganz einfach auf einen Appell beschränken, der mir heute als unbedingt notwendig und unerlässlich erscheint, da wir in Thessaloniki grundsätzliche Beschlüsse für unsere gesamte Zukunft fassen müssen.
Ich möchte einen Appell an den Konvent richten, damit er uns die Antwort gibt, von denen viele von Ihnen – angefangen beim Kollegen Wurtz – gesagt haben, dass sie noch aussteht. Dafür gibt es einen ganz einfachen Grund. Wir haben zu einem Zeitpunkt der tiefsten Krise unserer Institutionen die Bildung des Konvents beschlossen; wir haben alle nach der Nacht von Nizza diesen Beschluss gefasst, als deutlich geworden war, dass die Methode zwischenstaatlicher Verhandlungen – just in den Nächten der Regierungsverhandlungen – zu keinen ausreichenden Ergebnissen führte; wir haben uns für diesen Weg entschieden, um dafür Sorge zu tragen, dass unsere Bevölkerung und unsere Parlamente die ihnen gebührende Souveränität zurückerlangen.
Der Konvent hat mittlerweile seine Arbeit aufgenommen: es handelte sich um einen Prozess, der zum Abschluss gebracht werden musste; der Konvent sollte der Regierungskonferenz ein fertiges Ergebnis vorlegen. Indessen entstand ein paralleler Prozess, d. h. parallel zum Konvent entstand eine Art Regierungskonferenz, die in mehrere Teile zersplittert wurde und der in diesem Augenblick eine weitere Zersplitterung droht. Ich wiederhole die Worte von Frau Frassoni: in diesen Tagen wird uns der falsche Eindruck, die falsche Botschaft eines in jeder Hinsicht zerstrittenen Konvents vermittelt. Mein Appell ist daher ganz simpel: Wir wollen, dass der Konvent eigenständig seine Arbeit zu Ende führt; dass er, wie von Ihnen allen gefordert, einen präzisen und in sich geschlossenen Entwurf vorlegt, denn das Plenum des Konvents vertritt alle Bürger, alle Länder, alle Institutionen unseres Europas. Wir brauchen seine Stimme, und er muss seine Rolle vollständig wahrnehmen.
In den letzten Monaten waren wir hinsichtlich der grundsätzlichen Fragen unserer Politik gespalten, und wir waren auch gefügig in unserer Außenpolitik. Wollen wir uns selbst die Instrumente vorenthalten, die wir benötigen, um unsere Würde wiederherzustellen? Wollen wir uns den Mut zur Unterbreitung von Vorschlägen, die zu Instrumenten für unser Überleben werden, absprechen? Es ist mir eine besondere Genugtuung, die Redebeiträge der Vorsitzenden aller großen Fraktionen zusammenzufassen, die ich hier erfreut vor mir sehe und die übereinstimmend schlüssige und mutige Vorschläge zur Bündnisregel, zur Rolle des Europäischen Parlaments und zur zukünftigen Entwicklung der Organe vorgelegt haben. Sie haben mutige Vorschläge für die Gegenwart und für die Zukunft unterbreitet, wie die Zusammenführung der Ämter des Kommissions- und des Ratspräsidenten. Sie alle zusammen haben uns ein einheitliches Bild ihrer Ziele für das zukünftige Europa vermittelt. Wie ich also den Konvent dazu auffordere, eine geschlossene und kraftvolle Stellungnahme abzugeben und der Regierungskonferenz zu übermitteln,
(Beifall)
so fordere ich Sie, die Vorsitzenden der stärksten Fraktionen des EP, dazu auf, unseren im Plenum des Konvents sitzenden Freunden und Kollegen zu sagen, dass sie laut ihre Stimme erheben und die Bedingungen nennen mögen, unter denen sie einverstanden sind, dass der neue Vertrag, auf den sich die Union gründen soll, unterzeichnet wird. Das ist der Appell, den ich an Sie richte, denn in diesem Augenblick brauchen wir alle die Stimme des Konvents für das neue Europa.
(Lebhafter Beifall)
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissionspräsident!
Ich habe gemäß Artikel 37 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge erhalten.(1)
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen, am Donnerstag, statt.
VORSITZ: Patrick COX Präsident
Martínez Martínez (PSE). – (ES) Herr Präsident, den ganzen Vormittag über beängstigten uns die Nachrichten über ein schreckliches Eisenbahnunglück in meinem Land, in meiner Region Kastilien-La Mancha, in der Stadt Chinchilla. Es gibt zahlreiche Tote, aber noch schlimmer ist, dass offenbar 21 Personen vermisst werden, die sich in den Waggons des Zuges befinden und völlig verbrannt sind.
Angesichts des Schmerzes, den wir in meinem Land und vor allem in meiner Region verspüren, wollte ich die Kolleginnen und Kollegen über diese Tragödie informieren und den Präsidenten bitten, den von dieser Tragödie schwer betroffenen Familien und der Regionalregierung von Kastilien-La Mancha unser Beileid und unsere Solidarität zu übermitteln.
(Beifall)
Der Präsident. – Herr Martínez, selbstverständlich werde ich über die geeigneten Stellen den Familien der Opfer im Namen des Parlaments mein Beileid aussprechen. Nach all den tragischen Ereignissen der letzten Zeit in Spanien bin ich tief betroffen über dieses schreckliche Unglück.
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Ich habe von Herrn Turco ein Schreiben mit Datum vom 29. April 2003 erhalten, in dem dieser einen Antrag auf Verteidigung der parlamentarischen Immunität von Herrn Marco Pannella stellt, der aufgrund von Vorgängen in Italien zu einer zu einfacher Freiheitsbeschränkung umgewandelten Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Herr Pannella kann an den Sitzungen des Parlaments teilnehmen, aber nicht an den Sitzungen der Ausschüsse oder an den anderen Aufgaben des Parlaments.
Gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Geschäftsordnung wird dieser Antrag hiermit an den Ausschuss für Recht und Binnenmarkt überwiesen, der den Fall prüfen wird.
Gollnisch (NI). – (FR) Herr Präsident, ich billige voll und ganz Ihren Entschluss zur Überweisung dieser Sache an den Rechtsausschuss. Meines Erachtens stellt die parlamentarische Immunität den Abgeordneten nicht über die Gesetze, sondern sie ist ein Schutz vor überzogener gerichtlicher Verfolgung, die die jeweiligen Exekutivbehörden mit Hilfe der Staatsanwälte in der Tat versucht sein könnten zu betreiben.
Es stellt sich das Problem: Was passiert, wenn ein Staat unter Missbrauch des Begriffs „in flagranti“ eindeutig die parlamentarische Immunität eines Abgeordneten verletzt und ihm schließlich nach einer Reihe von Strafverfahren sein Mandat entzieht? Genauso war es bei Jean-Marie Le Pen, denn was immer man auch über die Ansichten von Herrn Le Pen denken mag, Tatsache ist, dass die französische Regierung die Aufhebung seiner Immunität nicht beantragt hat, bevor sie ein Strafverfahren eingeleitet hat, das ursprünglich ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit war, später aber willkürlich als Strafverfahren eingestuft wurde, damit man Herrn Le Pen das Mandat entziehen konnte. Meines Erachtens würde es unserem Parlament in derartigen Fällen gut anstehen, wenn es die unter solchen Umständen unrechtmäßig herbeigeführten strafrechtlichen Sanktionen und die daraus erwachsenden indirekten Auswirkungen nicht anerkennen würde.
Der Präsident. – Ich möchte das Haus darüber informieren, dass die schriftliche Erklärung 4/2003 zu Lebendviehtransporten aus Mitgliedstaaten der EU und den Beitrittsländern, die von den Abgeordneten Tannock, Villiers, Helmer, McKenna und de Roo eingereicht wurde, bis zum 3. Juni 2003 die Unterschriften der Mehrheit der Mitglieder des Parlaments erhalten hat. Sie wird somit an die Adressaten übermittelt und mit den Namen der Unterzeichner veröffentlicht.
(Beifall)
Tannock (PPE-DE).– (EN) Herr Präsident, ich möchte all den Mitgliedern dieses Hauses aus allen Ländern, Delegationen und Fraktionen danken, die meine schriftliche Erklärung unterzeichnet haben. Eine zivilisierte Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit Tieren umgeht. Dies ist eine Warnung an die Kommission und insbesondere an Herrn Byrne, den ich an dieser Stelle auffordere, im Plenum eine Erklärung zu dieser Frage abzugeben.
Es ist uns ein großes Anliegen, dass für Tiertransporte hohe Tierschutzstandards gelten, vor allem in den beitretenden Ländern, in denen keine entsprechenden Traditionen bestehen.
Außerdem freue ich mich, dass die Möglichkeit zur Abgabe schriftlicher Erklärungen außerhalb des Plenums nun genutzt wird, die durch meinen Änderungsantrag zum Bericht von Herrn Corbett geschaffen wurde. Ich habe heute ein reges Interesse festgestellt, sowohl am Thema Piraterie als auch an den Vorgängen um die Rugby-Liga. Hoffen wir, dass die Mitglieder dieses Hauses auch künftig Erklärungen unterschreiben werden.