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Plenardebatten
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Dienstag, 11. Januar 2005 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Eröffnung der Sitzung
 2. Zusammensetzung der Ausschüsse und Delegationen (siehe Protokoll)
 3. Vorlage von Dokumenten (siehe Protokoll)
 4. Debatten über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge) (siehe Protokoll)
 5. Verfassung für Europa
 6. Abstimmungsstunde
 7. Stimmerklärungen
 8. Berichtigungen des Stimmverhaltens
 9. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 10. Verfassung für Europa (Fortsetzung)
 11. Grünbuch über die Einreise zwecks Ausübung einer Erwerbstätigkeit
 12. Fragestunde (Kommission)
 13. Tagesordnung der nächsten Sitzung (siehe Protokoll)
 14. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: JOSEP BORRELL FONTELLES
Präsident

 
1. Eröffnung der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 9.10 Uhr eröffnet.)

 

2. Zusammensetzung der Ausschüsse und Delegationen (siehe Protokoll)

3. Vorlage von Dokumenten (siehe Protokoll)

4. Debatten über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge) (siehe Protokoll)

5. Verfassung für Europa
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  Der Präsident. Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht (A6-0070/2004) von Herrn Corbett und Herrn Méndez de Vigo im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über den Vertrag über eine Verfassung für Europa (2004/2129(INI)).

 
  
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  Corbett (PSE), Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident, die Erweiterung der Europäischen Union bedeutet, dass wir von einem Kleinbus für 15 Fahrgäste auf einen Großbus für 25 Fahrgäste umsteigen müssen und einige Sitze für neue Fahrgäste freihalten müssen, die in geraumer Zeit zusteigen werden. Dieser größere Bus benötigt jedoch einen stärkeren Motor, wenn wir nicht an Fahrt verlieren und auch die beschwerlichen Steigungen bewältigen wollen, die auf unserem Wege liegen. Für einen stärkeren Motor brauchen wir allerdings gelegentlich auch stärkere Bremsen – vielleicht eine Notbremse – und eine bessere Sicherheitsausstattung – wie beispielsweise einen Sicherheitsgurt für jeden Sitz. Wenn wir schon nachrüsten, sollten auch bequemere Sitze eingebaut werden, so dass sich jeder Fahrgast in diesem Bus wie zu Hause fühlt. Wenn wir einmal dabei sind, könnte auch ein Satellitennavigationssystem nützlich sein, damit wir immer genau wissen, wo wir uns gerade befinden, und die Reisen, die wir gemeinsam unternehmen möchten, so planen können, dass sie immer über die schnellsten und bequemsten Strecken führen. Deshalb benötigen wir ein neues Regelwerk für die Europäische Union: eine neue Verfassung, die die aktuelle Verfassungsordnung und die sich überschneidenden Verträge ersetzt.

Das bedeutet konkret eine Reihe von Verbesserungen, die der Ausschuss für konstitutionelle Fragen und Ihre Berichterstatter in vier große Kategorien eingeteilt haben. Erstens geht es um mehr Klarheit über die Union, ihre Arbeits- und Funktionsweise. Dazu gehört ein einziger Vertrag anstelle von verschiedenen, sich überschneidenden Verträgen – ein einheitliches, klareres Dokument, in dem die Ziele und die Werte der Union sowie ihre Kompetenzen deutlicher festgelegt sind, wofür sie zuständig ist und wofür nicht, und wie das mit weniger und eindeutigeren Verfahren zu erreichen ist. Dadurch können die Bürger besser verstehen, worum es bei unserer Union geht. Es wird keine Unterscheidung mehr zwischen „Union“ und „Gemeinschaft“ geben, die sowieso nur Juristen verstehen, und ein einheitliches Rechtssubjekt geschaffen. Somit wird deutlich, dass wir kein riesiges, starres Monstrum – das von einigen offensichtlich befürchtete Gespenst des Superstaates – schaffen wollen. Es ist offenkundig, dass wir keine zentralisierte Union aufbauen möchten.

Zweitens wird sie für eine effizientere Union sorgen – eine Union, die mit 25 Mitgliedstaaten beschluss- und handlungsfähig bleibt. Sie sorgt beim Europäischen Ratsvorsitz für qualifiziertere Mehrheitsentscheidungen und mehr Kontinuität. Es wird einen einzigen Außenminister geben, der auf der internationalen Bühne für die Union sprechen wird. Damit wird die Praxis beendet, dass sich die Kommission zu einigen Angelegenheiten äußert und der Hohe Vertreter des Rates wiederum zu anderen, so dass Drittstaaten letztendlich nie genau wussten, an wen sie sich wenden sollten. Diese beiden Ämter werden zu einem einzigen Amt zusammengelegt.

Drittens – und dies ist meines Erachtens der wichtigste Punkt – wird die Verfassung mehr Demokratie und Rechenschaftspflicht in der Union gewährleisten. Gemäß der Verfassung unterliegt jeder Gesetzgebungsakt vor seiner Annahme der Prüfung durch die nationalen Parlamente und dann auf europäischer Ebene der doppelten Kontrolle durch den Rat und durch das Europäische Parlament, so dass praktisch jeder europäische Gesetzgebungsakt die Zustimmung beider Organe finden muss. Im Grunde genommen stellt die Europäische Union dann die demokratischste internationale bzw. supranationale Struktur der Welt dar. Wenn Sie die EU einmal mit dem IWF, der Weltbank, der WTO oder mit irgendeiner anderen internationalen Struktur vergleichen, so werden Sie feststellen, dass bei keiner von ihnen eine solch große parlamentarische Teilhabe und Kontrolle besteht noch künftig vorgesehen ist. Wir sollten auf die Demokratie stolz sein, die das Herzstück dieser Union darstellt.

Diese Demokratie wird durch die Verfassung noch erheblich gestärkt, indem das Mitentscheidungsverfahren ausgebaut, dem Parlament das Recht auf die Wahl des Kommissionspräsidenten gewährt und die parlamentarische Kontrolle über die Kommission sowie das so genannte Komitologieverfahren für das abgeleitete Gemeinschaftsrecht verbessert werden.

Viertens werden in der Verfassung die Rechte der Bürger ausgebaut, indem die Charta der Grundrechte in die Verfassung einbezogen wurde. Natürlich trifft das nur auf den Geltungsbereich des EU-Rechts zu, doch handelt es sich hier um einen beachtlichen Bereich, und in Zukunft müssen sämtliche EU-Rechtsvorschriften mit dieser Charta in Einklang stehen.

In Anbetracht all dessen sind wir zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Verfassung – wie es im Bericht des Ausschusses heißt – eine „erhebliche Verbesserung“ darstellt. Die Verfassung bringt gegenüber den geltenden Verträgen und der aktuellen Verfassungsordnung beträchtliche Verbesserungen mit sich. Sie verdient unsere Unterstützung. Diese Verbesserungen kamen nicht zuletzt durch die Mitwirkung des Europäischen Parlaments im Konvent und der Regierungskonferenz zustande. Wir können auf unsere Ergebnisse stolz sein.

Hierbei handelt es sich um einen Kompromiss. Die Verfassung ist kein utopischer Vertrag. Wir alle wären wohl zu einem etwas anderen Ergebnis gelangt, wenn wir den Vertrag von Grund auf hätten neu verfassen können. Als Kompromisspaket stellt er jedoch eine deutliche Verbesserung dar. Ich bin zuversichtlich, dass die Verfassung morgen vom Parlament mit überwältigender Mehrheit verabschiedet wird. Dieses Parlament, das von den Bürgern ganz Europas gewählt wurde, das Parteien aus dem gesamten politischen Spektrum, linke wie rechte, Regierungs- und Oppositionsparteien umfasst, wird ein deutliches Signal aussenden, wenn es morgen die Verfassung mit überwältigender Mehrheit annimmt. Ich vertraue darauf.

(Beifall)

 
  
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  Méndez de Vigo (PPE-DE), Berichterstatter. – (ES) Herr Präsident, als ich in der letzten Plenarsitzung der vergangenen Wahlperiode die Ehre hatte, im Namen meiner Fraktion bei einer von diesem Hohen Haus organisierten Ehrung für Monnet, Schuman und Spinelli zu sprechen, fragte ich mich, was die Gründungsväter, die Visionäre von Europa, über den Punkt der europäischen Integration gedacht hätten, an dem wir uns befanden, und was sie von der europäischen Verfassung gehalten hätten.

Ich denke – ich sagte das damals, und ich wiederhole es heute –, dass sie nicht geglaubt hätten, dass die Ereignisse, die wir erleben, Wirklichkeit sind, weil mit dieser Verfassung ein in Konfrontationen zwischen Brüdern gespaltenes Europa begraben und der Frieden auf unserem Kontinent verankert wird und weil diese Verfassung, wie es Herr Geremek so schön formuliert hat, die beiden Europas zusammennäht.

Wir gehen derzeit von einem durch totalitäre Regime verwüsteten Europa zu einem auf demokratischen Systemen basierenden Europa über - und dies wird in der Verfassung festgeschrieben –, in denen die Grundrechte geachtet werden. Nach einem Europa der Lebensmittelkarten bestätigt diese Verfassung ein Europa der Prosperität und des materiellen Wohlergehens. Nach der Überwindung eines Europas, das aus der Welt verschwunden war, begründet diese Verfassung ein Europa der Solidarität, wie es die riesige Welle der Solidarität beweist, die auf unserem Kontinent entstanden ist, um den Auswirkungen der anderen, schrecklichen Welle zu begegnen, die Asien betroffen hat. Diese Verfassung wird Instrumente haben und hat sie bereits, die es Europa erlauben werden, von jetzt an eine größere Rolle in der Welt zu spielen.

Ich glaube, dass die Verfassung einen Punkt markiert, von dem es kein Zurück mehr gibt, und genauso wie die Verfassung meines Landes vor nicht sehr langer Zeit als Verfassung der Eintracht konzipiert war, die es uns ermöglichte, in Richtung Zukunft voranzukommen, wird die europäische Verfassung allen Europäern erlauben, vereint bei einem Vorhaben gemeinsamer Zivilisation vorwärts zu schreiten.

Der Wert der europäischen Verfassung liegt in der Beseitigung von Doppelsinnigkeiten; es ist das erste Dokument, das die Europäische Union als das definiert, was sie ist, eine Union der Staaten und der Bürger, und sie schwächt keinesfalls die Mitgliedstaaten, weil die Zuständigkeiten der Union Kompetenzen sind, die von den Mitgliedstaaten kommen, und sie schwächt nicht die nationalen Verfassungen, ganz im Gegenteil: sie stärkt sie, weil die Stärke der europäischen Verfassung von der Stärke der nationalen Verfassungen herrührt.

Mit dieser Verfassung demonstriert Europa, dass es viel mehr ist als ein Markt; es ist auch ein Markt, und das ist wichtig, aber es ist viel mehr: Es ist ein gemeinsames Zivilisationsprojekt, das auf unserem religiösen, kulturellen und humanistischen Erbe beruht. Dies wird im ersten Satz der Präambel anerkannt, es gründet sich auf den Werten der Freiheit und der Würde des Menschen, die in der Charta der Grundrechte festgeschrieben sind.

Es ist auch eine Verfassung, die sich für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entscheidet: ein kapitalistisches System mit einer sozialen Dimension. Wenn wir die europäische Geschichte betrachten, sehen wir, dass dies vor fünfzig Jahren nicht so eindeutig war. Heute ist es das.

Aus allen diesen Gründe glaube ich, Herr Präsident, dass viele der Flaggen, die dieses Parlament im Verlauf der letzten Jahre entfaltet hat, heute so stolz wehen wie die dort hinten. Ich kam vor 13 Jahren in dieses Parlament, als es eine beratende Versammlung war; heute ist es das nicht mehr. Ich kam in dieses Parlament, als vom Demokratiedefizit der Europäischen Union die Rede war; ich glaube, dass die europäische Verfassung dem Demokratiedefizit ein Ende setzt, weil diese Verfassung mehr Demokratie, mehr Effizienz, mehr Klarheit und mehr Transparenz einführt, wie mein Kollege Richard Corbett ganz richtig hervorgehoben hat.

Herr Präsident, diese Arbeit wurde durch viele Menschen im Verlauf von vielen Jahren vollbracht. Ihnen möchte ich heute meine Anerkennung aussprechen. Ich möchte an die Namen von Emilio Colombo, Marcelino Oreja, Fernand Herman, Giorgio Napolitano, Olivier Duhamel, Antonio Seguro, Dimitris Tsatsos, Antoinette Spaak und von so vielen anderen Menschen erinnern, die hier in diesem Parlament gesessen und das verteidigt haben, was heute Wirklichkeit wird. Sie wurden häufig als Utopisten oder Träumer bezeichnet; nun denn, heute werden diese Träume, diese Utopien Wirklichkeit. Wir in diesem Parlament können sehr stolz auf die Arbeit, die wir geleistet haben, sein.

Herr Präsident, vor acht Jahren verteidigte ein junges Mitglied des Parlaments hier im Saal die Stellungnahme zum Vertrag von Amsterdam und sagte, dass er nicht perfekt wäre, wie wir wussten, aber dass er nicht das endgültige Ziel sei, und er zitierte, wie ich es heute erneut tun möchte, einen Miguel de Cervantes, der sich in seinen letzten Tagen keinen Illusionen über das Leben mehr hingab und der sagte, dass wir gelegentlich wählen müssen, ob wir Weg oder Herberge sein wollen. Jenes war ein Weg, und dieser Weg hat uns dorthin geführt, wo wir heute stehen, und ich glaube, dass wir Europäer heute in dieser behaglichen Herberge, die die europäische Verfassung darstellt, im Laufe der kommenden Jahre feststellen werden, dass sie ein wirksames Instrument ist, um Europa in Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität voranzubringen. Daher wäre es für mich eine große Freude, wenn dieses Parlament morgen für dieses Dokument stimmen würde, und dies ist sehr wichtig, da es eine neue Ära auf unserem Kontinent einleitet.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Das Wort hat Herr Schmit im Namen des Rates, und ich möchte ihm ganz besonders für seine Anwesenheit danken und gleichzeitig ihm und dem luxemburgischen Volk, das sich wegen des Todes der Großherzogin in Staatstrauer befindet, unser Beileid aussprechen.

 
  
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  Schmit, Rat. (FR) Herr Präsident, ich möchte Ihnen für Ihre Worte der Solidarität mit dem luxemburgischen Volk, das sich derzeit in großer Trauer befindet, danken. Ich danke Ihnen sehr herzlich dafür.

Was mich betrifft, ist es das erste Mal, dass ich die Ehre habe, vor diesem Parlament zu stehen, und es ist mir folglich eine große Ehre und Freude, im Namen des Rates zu einem so bedeutenden Thema wie dem europäischen Verfassungsentwurf das Wort ergreifen zu dürfen. Ich hatte die Gelegenheit, mit einigen von Ihnen im Rahmen des Konvents zusammenzuarbeiten, und ich glaube sagen zu können, dass die Arbeit, die im Konvent geleistet wurde, eine historische und herausragende Arbeit ist, die die Wichtigkeit des Prozesses, den wir gerade durchleben, unterstreicht. Ich möchte in dieser Beziehung die Berichterstatter zu ihrer vorzüglichen Arbeit beglückwünschen. Das Signal, das Sie alle morgen durch das überwältigende Zustimmungsvotum des Parlaments abgeben möchten, richtet sich auch an die Bürger, da diese Verfassung in erster Linie eine Verfassung für die Bürger ist: Sie sind diejenigen, die den größten Nutzen daraus ziehen.

Es wurde gesagt, dass diese Verfassung unsere Union demokratischer gestalte. Sie stärkt die Rechte der Bürger, insbesondere durch die Grundrechtecharta; sie verleiht den EU-Bürgern neue Rechte, hauptsächlich, indem ihnen die Möglichkeit gegeben wird, gegenüber den Institutionen, allen voran der Kommission, Initiativen zu ergreifen. Dieser Vertrag bestätigt, dass wir keine Wirtschaftsunion mehr sind und dass wir mehr sind als eine werdende politische Union: Wir sind in erster Linie eine auf gemeinsame Werte gründende Union. In dieser Hinsicht stellt die Verfassung einen wesentlichen Schritt im Integrationsprozess dar.

Nach dem Europäischen Parlament haben die Bürger das Wort: entweder direkt durch ein Referendum, in den Ländern, in denen Referenden durchgeführt werden, oder indirekt durch eine parlamentarische Ratifizierung. Der Rat hat sich dazu verpflichtet, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, damit diese Verfassung in allen Mitgliedstaaten angenommen wird. Es ist nun die Aufgabe jedes Mitgliedstaats, jeder Regierung und jedes Parlaments, dafür zu sorgen, dass die Verfassung in Kraft tritt, und ich möchte hinzufügen, zum vorgesehenen Zeitpunkt in Kraft tritt. Wir, das Europäische Parlament, die Regierungen, aber auch die nationalen Parlamente teilen in dieser Hinsicht eine große Verantwortung. Gemeinsam müssen wir diese Herausforderung meistern.

(Beifall)

 
  
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  Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident, die Verfassung, so wie sie heute vor uns liegt, wäre ohne die Mitwirkung des Europäischen Parlaments nicht zustande gekommen. Dieses Parlament hat bei der Verstärkung des Fundaments unseres gemeinsamen Unternehmens eine entscheidende Rolle gespielt, und zwar nicht zuletzt durch die umfangreichen Beiträge der Abgeordneten dieses Parlaments während des Europäischen Konvents. Ohne diesen Europäischen Konvent, der eine solch dynamische, offene und innovative Plattform für Verhandlungen bot, wäre die Verfassung niemals zustande gekommen.

Die Beteiligung des Europäischen Parlaments an diesem bisher einmaligen Prozess gipfelt heute in einen ausgezeichneten und gut geschriebenen Bericht, der eine eindeutige Botschaft über die Vorteile der Verfassung und die Notwendigkeit ihrer Ratifizierung aussendet. Ich gratuliere dem Parlament und insbesondere dem Ausschuss für konstitutionelle Fragen sowie den beiden Berichterstattern, Richard Corbett und Íñigo Méndez de Vigo, von ganzem Herzen. Die Kommission unterstützt Ihre Entschließung voll und ganz. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Union durch die Verfassung beträchtliche Fortschritte machen wird. Um es auf einen einfachen Nenner zu bringen - zum ersten Mal sind die Befugnisse, Kompetenzen, Rechte und Pflichten der Union in einer einzigen Verfassung niedergelegt. In der Verfassung werden die Vertragsänderungen, die sich über ein halbes Jahrhundert hinzogen, gefestigt und vereinfacht, so dass 12 Grundsatzverträge in einem einzigen Schriftstück zusammengefasst wurden. Dadurch wird die Union transparenter und einfacher zu verstehen sein.

Mithilfe der Verfassung wird die institutionelle Struktur modernisiert. Die Befugnisse des Europäischen Parlaments werden ausgebaut und die Bürger können sich durch eine Petition mit einer Million Unterschriften aktiv am Entscheidungsprozess beteiligen. Somit wird es mehr Demokratie geben.

In der Verfassung sind in 54 prägnanten Artikeln die Grundrechte aufgeführt, die wir unseren Bürgern garantieren werden. Zum ersten Mal wird die Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten, wodurch unseren Bürgern mehr Rechte zustehen werden. Allein diese drei einfachen Konzepte – mehr Rechte, mehr Demokratie und mehr Offenheit – sind Grund genug, diese Verfassung zu ratifizieren. Zweifelsohne hätten wir uns in bestimmten Politikbereichen gern ehrgeizigere Ziele gesteckt, doch in Anbetracht der aktuellen politischen Lage stellt das Endergebnis den bestmöglichen Kompromiss dar.

Gleichwohl akzeptiere ich, dass diese Verfassung bei einigen Bürgern Befürchtungen und Kritik auslöst. Obgleich sie nicht perfekt ist, dürfen wir uns nicht davor scheuen, auf ihre Sorgen einzugehen. Der jüngsten Eurobarometer-Umfrage zufolge befürworten 68 % unserer Bürger die Idee und den Grundsatz einer Europäischen Verfassung. Aus anderen Meinungsumfragen geht hervor, dass viele Bürger das Gefühl haben, über den Inhalt der Verfassung nicht ausreichend informiert zu sein. Ihr Bericht stellt einen guten Anfang dar, indem einige der falschen Vorstellungen und Horrorgeschichten über die Verfassung aus der Welt geschafft werden. Er liefert viele gute Gründe, um bei den Euroexperten Zustimmung zu finden, doch dies sind nicht immer die Gründe, mit denen sich eine allein erziehende Mutter in Gdańsk oder ein Werftarbeiter in Spanien überzeugen lassen. Die Ratifizierung der Verfassung bietet die Gelegenheit darüber zu diskutieren, wie Europa unserer Meinung nach einmal aussehen soll. Ich begrüße diese Möglichkeit, um uns auf die Errungenschaften und die Werte Europas zu besinnen, über die von anderen Rednern so wortgewandt gesprochen wurde.

Mitte der 1980er Jahre schien die Schaffung eines echten Binnenmarktes noch ein Luftschloss zu sein. Dennoch wurde er verwirklicht und brachte eine wirtschaftliche Dynamik mit sich, von der wir noch heute profitieren. Ich möchte nur ein einfaches Beispiel anführen: Durch den Wegfall der Zollabfertigung an den Grenzen konnten die Kosten und Lieferzeiten erheblich verringert werden. Mit einem Schlag schafften wir 60 Millionen MwSt.-Formulare pro Jahr ab. Heutzutage sieht die jüngere Generation das Konzept der Freizügigkeit als ihr gutes Recht an, so wie sie auch von der Union erwartet, dass sie für eine saubere Umwelt und grenzübergreifende Zusammenarbeit im Gesundheitswesen sorgt. In zwölf Ländern der EU haben wir nun ein Stück Europa in unseren Geldbeuteln, wobei der Euro innerhalb der Union als selbstverständlich angesehen wird und die neuen Mitgliedstaaten Schlange stehen, um den Euro einzuführen. Schließlich haben wir zunächst durch die Mitgliedschaft Griechenlands, Spaniens und Portugals und nun durch den Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten dazu beigetragen, auf dem gesamten Kontinent Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten und zu festigen.

Wir müssen uns jetzt der Ratifizierung der Verfassung zuwenden. Wenngleich wir die verfassungsmäßigen Unterschiede zwischen den nationalen Ratifizierungsverfahren achten, können wir nicht hinnehmen, dass die Diskussion durch Mythen und falsche Vorstellungen über den Inhalt der Verfassung gelähmt wird. Wir alle sind verpflichtet, klar und zuverlässig über den Inhalt und die Vorteile der Verfassung zu informieren. Dabei müssen wir die gegenwärtige Lage mit dem vergleichen, was uns die Verfassung bringen wird. Die Verfassung wurde bereits von Litauen und Ungarn ratifiziert. Ich möchte insbesondere Litauen und dem Präsidenten des litauischen Parlaments, der heute im Saal anwesend ist, meine Anerkennung aussprechen.

(Beifall)

Nunmehr müssen wir beginnen aufzuzeigen, welche konkreten Auswirkungen die Verfassung auf das tägliche Leben der von uns vertretenen Bürger haben wird. Hierfür gibt es wahrlich genügend gute Beispiele. Wie ich bereits sagte, stellt die Einbeziehung der Charta der Grundrechte keineswegs nur eine symbolische Neuerung dar. Die Bürger werden über eine ganze Reihe von Rechten und Grundsätzen verfügen, deren Einhaltung durch die öffentlichen Behörden – ob nun auf europäischer oder nationaler Ebene – von den Bürgern gegebenenfalls vor Gericht eingefordert werden kann.

Die Möglichkeit, sich am Funktionieren der Union aktiv zu beteiligen, wird weit über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments hinausgehen. Mithilfe des Bürgerbegehrens werden die europäischen Bürger zum ersten Mal zu den Hauptakteuren im Gesetzgebungsverfahren gehören. Durch die Modernisierung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wird die Union in die Lage versetzt, der zunehmenden Forderung nach effektiveren Maßnahmen der EU in den Bereichen Kontrolle an den Außengrenzen, Asyl und Einwanderung gerecht zu werden. Das Gleiche gilt für die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit. Die Verfassung legt die Grundlage für einen einheitlichen Raum der Freiheiten und der Rechte.

Im Hinblick auf die Sicherheit werden die neuen Bestimmungen im Bereich der Volksgesundheit für höhere Qualitätsstandards sorgen. Die Union wird auf effektivere Weise eingreifen können, um grenzübergreifenden gesundheitlichen Gefahren wie Geflügelpest oder BSE vorzubeugen und diese zu bekämpfen.

Momentan kreisen unsere Gedanken unaufhörlich um die tragischen Ereignisse in Südostasien. Die Union leistet bereits einen entscheidenden Beitrag zur humanitären Hilfe und zum politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau der Region. Die neuen Bestimmungen zum Katastrophenschutz, aus denen sich für die Union die Aufgabe ergibt, die Koordinierung des internationalen Katastrophenschutzes zu fördern, werden uns in die Lage versetzen, unsere internationalen Maßnahmen künftig noch effektiver zu gestalten.

Natürlich haben wir bereits eine Reihe von Initiativen auf den Weg gebracht, um die Öffentlichkeit über den Inhalt der Verfassung zu informieren. Die Kommission hat gedruckte und audiovisuelle Materialien erstellt, eine Website entwickelt, Informationsstellen gefördert und finanziert und Seminare und andere öffentliche Initiativen gesponsert. Der Europäische Rat hat uns in unseren Bemühungen unterstützt und die Mitgliedstaaten aufgefordert, im Rahmen der Ratifizierung der Verfassung ihre Möglichkeiten, über europäische Fragen zu informieren, auszubauen.

Es ist nun an der Zeit, einen Gang zuzulegen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie aufrufen, nach Möglichkeiten zu suchen, wie wir gemeinsam Kommunikationsinitiativen ins Leben rufen können, um die Wirkung unserer Initiativen zu erhöhen. Ich verweise da insbesondere auf die mögliche Organisation von Medienveranstaltungen, die auf europäischer und nationaler Ebene während einer „Europäischen Woche“ um den 9. Mai 2005 stattfinden könnten. Inzwischen wird die Kommission weitere Ideen entwickeln, die den Mitgliedstaaten bei der Aufstellung und Umsetzung ihrer nationalen Kommunikationsstrategien helfen können. Zudem kann ich Ihnen versichern, dass sich die Kommissare selbst an der Debatte über die Verfassung und die Zukunft Europas aktiv beteiligen werden.

Die Ratifizierung des Verfassungsvertrags stellt nun das Hauptanliegen der Mitgliedstaaten und der europäischen Organe dar. Wenngleich wir uns nicht vorschnell der Anwendung der Verfassung zuwenden möchten, müssen wir uns dennoch bemühen, nach dem erfolgreichen Abschluss der Ratifizierungsverfahren eine reibungslose Inkraftsetzung der Verfassung zu gewährleisten. Daher müssen wir die Diskussion über die Vorbereitung der Umsetzung der aktuellen Bestimmungen eröffnen.

Die Kommission war an diesem Prozess von Anfang an beteiligt. Wir sind auf den Verfassungstext stolz und werden alles in unserer Macht Stehende tun, sie Wirklichkeit werden zu lassen. Ich setze mich nach wie vor für einen Dialog mit dem Europäischen Parlament ein. Unsere Arbeit wird mit dem heutigen Tag nicht beendet sein. Im Grunde genommen fängt sie jetzt erst richtig an. Ich freue mich auf eine ausführlichere Diskussion dieser Themen mit dem Ausschuss für konstitutionelle Fragen und die Möglichkeit, unseren Standpunkt in den verschiedenen gemeinsamen Gremien darlegen zu können.

Abschließend möchte ich noch einmal auf meine drei einfachen Konzepte zu sprechen kommen: mehr Rechte, mehr Demokratie und mehr Offenheit. In diesem Jahr werden wir den 15. Jahrestag der Wiedergeburt der Demokratie in Osteuropa feiern. Abgesehen von all den anderen Bestimmungen der Verfassung machen allein diese drei Konzepte deutlich, warum die Länder der Europäischen Union beigetreten sind und warum die Kommission hinter dieser Verfassung stehen wird.

(Beifall)

 
  
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  Poettering (PPE-DE), im Namen der Fraktion. – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind einen weiten Weg gegangen, und diejenigen, die dem vorherigen Parlament angehört haben, werden sich daran erinnern, als wir hier in diesem Saal über den Vertrag von Nizza debattiert haben. Viele von uns waren damals unzufrieden, und wir haben gesagt, unsere endgültige Haltung zum Vertrag von Nizza wird davon abhängig sein, welche neue Methode der Reform wir in der Zukunft haben und was der Inhalt der Reformbemühungen ist.

Das Ergebnis liegt uns heute vor: der Vertrag über eine Verfassung für die Europäische Union. Im Gegensatz zum Dezember 2000, als wir über Nizza diskutiert haben und die mitteleuropäischen Länder Estland, Lettland und Litauen, Polen, die Tschechoslowakei (heute die Tschechische Republik), die Slowakei, Ungarn, Slowenien sowie auch Malta und Zypern noch nicht dabei waren, ist es ein besonders glücklicher Umstand, dass heute, an dem Tag, an dem wir über die Verfassung reden, unsere Kolleginnen und Kollegen aus diesen Ländern, insbesondere aus den früheren kommunistischen Ländern Europas, dabei sind. Ich finde dies ein großartiges Symbol für unsere gemeinsame Zukunft auf dem europäischen Kontinent.

Ich möchte den Kollegen Richard Corbett und ĺñigo Méndez de Vigo sehr herzlich für ihre ausgezeichnete Arbeit danken, die sie gemeinsam mit dem konstitutionellen Ausschuss geleistet haben, sowie allen, die daran mitgewirkt haben. Ich möchte heute auch dem Vorsitzenden des Konvents, Valéri Giscard d'Estaing, für seine Arbeit danken, die ja auch manchmal kritisiert wurde. Aber wenn er nicht so gehandelt hätte, wie er gehandelt hat, hätten wir heute wahrscheinlich nicht diese Verfassung, und deswegen sollten wir heute auch Valéri Giscard d'Estaing ein herzliches Wort des Dankes sagen.

(Beifall)

Wir sind die EVP-ED-Fraktion. Die EVP hat 128 Abgeordnete, der ED-Teil unserer Fraktion 40. Ich kann Ihnen für den EVP-Teil unserer Fraktion versichern, dass wir zu dieser Verfassung ohne jede Einschränkung Ja sagen, und der ED-Teil unserer Fraktion hat das Recht, eigene Positionen zu entwickeln.

Zu einer Verfassung gehören die Werte. Dies ist neben den Verfahren das Entscheidende: die Werte, die uns verbinden. Denn wenn wir uns nicht der Werte bewusst sind, dann gibt es keine Grundlage, auf der wir politisch handeln können. Wir begrüßen es, dass viele unserer Werte, die wir auch als christliche Werte empfinden, berücksichtigt wurden: die Würde des Menschen, die Würde älterer Menschen, auch die Würde von Kindern. Ich finde es besonders schön, dass die Kinder in der Verfassung erwähnt sind, denn ohne Kinder hat dieser Kontinent keine Zukunft. Auch, dass wir unsere Werte beschrieben haben, das Verbot des Klonens, und dass unsere Prinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung, der Demokratie, der Subsidiarität und der Solidarität, Erwähnung gefunden haben. All dies ist für uns Anlass, Ja zu sagen.

Aber ich möchte heute auch nicht verschweigen, dass viele von uns es begrüßt hätten, wenn wir den Gottesbezug in der Verfassung hätten, weil dadurch die menschliche Begrenztheit zum Ausdruck gekommen wäre. Wir hätten es auch begrüßt, wenn das christlich-jüdische Erbe Erwähnung gefunden hätte. Denn gerade in einer Zeit des notwendigen kulturellen Dialogs mit der Welt, gerade auch mit der islamischen Welt, ist es - glaube ich - wichtig zu wissen, wo unsere eigenen Wurzeln sind, und die kulturelle und religiöse Entwicklung in der Verfassung auch zu erwähnen. Aber obwohl dies nicht in der Verfassung steht und jede Verfassung natürlich ein Kompromiss ist, sagen wir Ja zu dieser Verfassung, weil sie unsere Werte widerspiegelt.

Zu einer Verfassung gehört auch, dass der verfassungsmäßige Aufbau der Europäischen Union beschrieben wird, und ich finde es besonders gelungen, dass von der nationalen Identität die Rede ist. Europa ist kein Schmelztiegel! Europa soll kein Superstaat werden, sondern der Reichtum Europas besteht in seiner Vielfalt. Das beginnt in unseren Städten und Gemeinden, wo die Menschen zu Hause sind, das beginnt in den Regionen. Unsere Nationalstaaten haben ihre Identität. Es handelt sich um einen Verfassungsvertrag, bei dem auch zum Ausdruck kommt, dass die Nationalstaaten die Urheber für die Verfassung sind. Die europäische Bürgerschaft wird uns ja durch unsere jeweilige nationale Bürgerschaft vermittelt, dadurch kommt dieser subsidiäre Aufbau Europas unter ausdrücklicher Erwähnung der kommunalen Selbstverwaltung zum Ausdruck. Ich finde das besonders gelungen.

Jean Monnet, der erste Ehrenbürger Europas, hat einmal gesagt: Nichts ist möglich ohne die Menschen, nichts dauerhaft ohne Institutionen. Dieser Satz von Jean Monnet gilt auch heute. Wenn wir nicht die Werte haben, die die Grundlage für alles sind, und diese Werte sich nicht schließlich in Institutionen ausdrücken, die sie verkörpern, dann können die Werte sich auch nicht verwirklichen. Deswegen ist es richtig, den Weg von Jean Monnet zu gehen, den Weg des gemeinschaftlichen Europa. Und, liebe Freunde - Entschuldigung, das ist ein Ausdruck für meine Partei, aber irgendwie sind wir ja heute, wenn wir über die Verfassung reden, alle in Gemeinsamkeit verbunden, ohne dass jedoch die Unterschiede verwischt werden sollen -, das Gestaltungsprinzip der Europäischen Union darf auch in Zukunft nicht der Intergouvernmentalismus, die Regierungszusammenarbeit sein. Die europäische Zukunft muss sich vielmehr auf die Gemeinschaftsmethode, auf das gemeinschaftliche Handeln der europäischen Institutionen gründen.

Dies bedeutet für uns, dass wir ein starkes Europäisches Parlament brauchen, das die Demokratie symbolisiert, dass wir in allen Fragen europäischer Gesetzgebung gleichberechtigt handeln, dass wir eine starke Kommission brauchen, die ihre Legitimität aus der Wahl durch das Europäische Parlament und damit auch aus Europawahlen ableitet, und dass wir einen Ministerrat haben müssen, der transparent handelt.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Vieles in der Verfassung hat Programmcharakter und muss erst noch verwirklicht werden. Dazu gehört der Artikel 750 der guten Nachbarschaft, der regelt, wie wir mit den Völkern Europas, die eine europäische Berufung haben – und ich denke gerade in diesen Tagen an die Ukraine – in guter Nachbarschaft zusammenleben. Das betrifft auch die Außenpolitik, wo wir es uns in Zukunft nicht gestatten dürfen, mit zwei oder drei Stimmen zu sprechen, sondern gemeinsam handeln müssen. Deswegen sollen auch nicht die Mitgliedsländer der Europäischen Union als solche den Weg in die Vereinten Nationen, in den Sicherheitsrat anstreben, sondern die Europäische Union insgesamt, wenn sie ein Weltakteur für Menschenrechte, für Demokratie sein will. Die Europäische Union als solche muss in den Vereinten Nationen vertreten sein.

Es sind viele Aufgaben, die da vor uns stehen. Ich wünsche für unsere Fraktion, dass diese Verfassung eine breite Zustimmung findet, nicht nur hier im Europäischen Parlament, sondern in allen Mitgliedstaaten, weil diese Verfassung unser Weg durch das 21. Jahrhundert ist: für ein Europa der Freiheit, der Demokratie und des Friedens!

(Beifall)

 
  
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  Schulz (PSE), im Namen der Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 27. Januar jährt sich zum sechzigsten Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl wenige Jahre später war eine unmittelbare Konsequenz aus den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges. Die Väter und Mütter der europäischen Kooperation hatten vor Augen, dass Ultranationalismus, Faschismus, dass die Bolschewisierung unseres Kontinents, die ihn spaltete, immer zu Unterdrückung, zu Terror, zu Verlust von Würde des einzelnen Menschen führt. Und dass supranationales Handeln, dass Integrierung auf einer supranationalen Ebene – auf der europäischen Ebene – Frieden schafft, Würde schafft, Demokratie schafft. Übrigens zum damaligen Zeitpunkt durch die Montanunion auch Kontrolle über die Industrien verschafft, die Waffen produzierten.

In der Kontinuität dieser Geschichte von der EGKS zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft den nächsten Integrationsschritt hin zur Europäischen Gemeinschaft und dann bis hin zu unserer Union, wie wir sie heute kennen, zu gehen, ist eine Erfolgsgeschichte, die auf der Welt ihresgleichen sucht. Denn sie hat nicht nur 1945 im Blick gehabt, also das Ende dieses zerstörerischen Krieges auf diesem Kontinent; die nächsten Schritte integrierten ja Staaten, die ihrerseits in der Nachkriegsära eigene politische Entwicklungen zu verkraften hatten; die nächsten Integrationsschritte betrafen nämlich Griechenland, Portugal und Spanien. Das heißt, die Überwindung der dortigen faschistischen Diktaturen und die Stabilisierung der Demokratie durch Zugehörigkeit zur Europäischen Gemeinschaft war ein enormer Erfolg in den späten siebziger und in den achtziger Jahren.

Was wir in den neunziger Jahren erlebt haben, war mit der Integration der jetzt beigetretenen Staaten im Prinzip die Überwindung der kommunistischen Unterdrückung in einem Teil Europas. Die Europäische Union ist eine Union, die es geschafft hat, das faschistische wie das kommunistische Erbe Europas durch demokratische Integration auf der Grundlage unserer Grundrechtecharta, der Werte, die dort beschrieben sind, zu überwinden.

Gerade die Ereignisse der letzten Tage, die Hilflosigkeit der Menschen gegenüber Gewalten, denen sie sich auch mit noch so viel Technik nicht entgegenstellen können, zeigt, wie absolut notwendig es ist nationalstaatliche Grenzen zu überwinden und supranational zu handeln. Im globalen Dorf ist die Europäische Union die intelligente und moderne Antwort Europas auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Der Rahmen, der dafür gegeben wird, ist die Verfassung, über die wir jetzt diskutieren.

Unsere Fraktion wird dem Bericht Corbett/Méndez de Vigo zustimmen. Aus tiefer Überzeugung, auch aus der Überzeugung heraus, dass die Werte, die diese Verfassung beschreibt, zivile Werte sind. Das Schöne daran ist: Man kann sie als christliche Werte begreifen, wenn man Christ ist. Man kann sie als die eigenen Werte begreifen, wenn man Jude ist. Man kann sie als die eigenen Werte begreifen, wenn man Moslem ist. Man kann sie als die eigenen Werte begreifen, wenn man ungläubig ist. Diese Werte sind universal und unteilbar und deshalb gültig für alle.

(Beifall)

Das macht es uns auch leicht, über die uns sonst trennenden Gräben hinweg dieser Verfassung gemeinsam zuzustimmen. Wenn wir das aber tun, ist sie unsere gemeinsame Basis für eine demokratische und würdige Zukunft mit sozialer Verantwortung und in sozialer Gemeinschaft, mit ökonomischer Prosperität. In der wissensbasierten Gesellschaft der Zukunft muss diese Union zugleich – und das schreibt diese Verfassung fest – ihren sozialen Auftrag, den Schutz des Einzelnen, den Schutz der einzelnen Bürgerin und des einzelnen Bürgers vor den Gefahren in dieser zerteilten Welt garantieren.

Das wird diese Verfassung leisten können, und wir sind uns zu großen Teilen hier einig, dass wir dafür eintreten und kämpfen wollen und müssen. Nur eins fehlt, und das will ich in aller Deutlichkeit für unsere Fraktion sagen: Es reicht dann nicht, dass das Europäische Parlament sich engagiert und mobilisiert. Die Damen und Herren, die bei der würdigen Zeremonie in Rom, bei der wir alle als Fraktionschefs anwesend sein durften, ihre Unterschrift unter dieses Verfassungswerk gesetzt haben, die Staats- und Regierungschefs Europas, die Außenminister, müssen vor den Völkern genauso auftreten und sagen: Das ist unsere Verfassung, wir wollen sie! Das ist nicht eine partikulare Angelegenheit, die wir dem Europäischen Parlament oder der Kommission überlassen. Nein, die Staatsmänner und Staatsfrauen Europas müssen ihrerseits sagen: Das ist unser Werk! Es ist kein Werk des Europäischen Parlaments, kein Werk des Konvents alleine. Das auch. Es ist das Werk all derer, die für Europas Zukunft Verantwortung tragen. Und sie müssen sich auch öffentlich vor den Völkern Europas dazu bekennen. Wenn sie das tun, wird diese Verfassung mit Unterstützung der EVP und wahrscheinlich selbst des ED-Teils dieser Fraktion eine Mehrheit finden.

(Beifall)

 
  
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  Duff (ALDE), im Namen der Fraktion. – (EN) Herr Präsident, Herr Pöttering erinnert uns zu Recht daran, dass das Parlament auf frühere Reformen der Verträge mit Entschließungen reagierte, die mit Bedauern, Kritik und Dingen, die wir verurteilen, sowie mit Forderungen nach weiteren Reformen gespickt waren. Diesmal sehen wir uns nicht dazu gezwungen, weil wir selbst an der Ausarbeitung der Reformen sowohl beim Konvent als auch auf der Regierungskonferenz maßgeblich beteiligt waren.

Herr Corbett und Herr Méndez de Vigo liegen da mit ihrem Bericht ganz richtig, und ich bin erfreut, dass alle Mitglieder meiner Fraktion, die heute das Wort ergreifen, diese Entschließung unterstützen werden. Danach werden wir unterwegs sein, um uns für die Inkraftsetzung in den Mitgliedstaaten zu engagieren, in denen Volksabstimmungen stattfinden werden. In Frankreich werden wir beispielsweise gegen bestimmte linke Splittergruppen und in Großbritannien gegen die Rechten antreten.

Das Hauptargument für diese großartige Reform besteht eindeutig darin, dass sie die Europäische Union stärkt. Sie erweitert unsere Handlungskapazität außerhalb der EU und innerhalb unserer Mitgliedstaaten, so dass wir bei internationalen Angelegenheiten auf eigenen Füßen stehen können. Sie ist die politische Antwort Europas auf die Globalisierung.

Mithilfe der Verfassung wird die Europäische Union neu gestaltet. Dadurch soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Staaten – den alten und den neuen, den großen und den kleinen –, zwischen den Bürgern und den Behörden und – wie Herr Giscard d'Estaing zum Ausdruck brachte – zwischen Traum und Realität hergestellt werden. Somit beruht nun das Projekt der europäischen Integration auf einem neuen, breiten Konsens.

Ich möchte mich mit ein paar Worten an diejenigen – darunter die britischen Konservativen – wenden, die nörgelnd am Rande des Geschehens stehen: Wenn Sie für Europa sind, dann sollten Sie auch für die Verfassung sein. Ohne eindeutige, liberale und soziale Werte, strikte Regeln und eine solide parlamentarische Demokratie ist der Aufbau Europas nicht möglich. Ohne starke Behörden in Brüssel wird Europa nicht funktionieren. Ohne die Verfassung wird es keinen reibungslosen Ablauf geben, und die Qualität der in Brüssel und Straßburg festgelegten Politik wird langsam nachlassen. Künftige Erweiterungen werden nicht mehr in Betracht kommen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass dies wirklich der Auffassung der britischen Konservativen entspricht. Allerdings kann Europa auch nicht ohne eine starke Führung funktionieren. Dieses Parlament muss lernen, einige der strategischen Lücken auszufüllen, die uns die Reformen allmählich bieten.

Wir haben viele neue Befugnisse hinzugewonnen, wozu vor allem das Recht auf die Einleitung einer Reform gehört – eine künftige Reform der Verfassung selbst. Die Kommission muss sich jetzt schnell etablieren, weil die neuen Regelungen für den Außenminister und den Auswärtigen Dienst, die Gruppenpräsidentschaft und insbesondere den so genannten Vollzeit-Präsidenten des Europäischen Rates eingeführt werden. Die Premierminister und Präsidenten müssen ihre Kampagnen koordinieren. Insofern bin ich über die Äußerungen von Herrn Schmit erfreut. Sie tragen die individuelle und kollektive Verantwortung für den Erfolg dieser Kampagnen im Vorfeld der Referenden und müssen daher den Wählern klar machen, dass diese Reformen in ihrem Interesse liegen und dies genau die richtige Verfassung für Europa darstellt.

 
  
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  Frassoni (Verts/ALE), im Namen der Fraktion. – (IT) Herr Präsident! Die Mehrheit der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz ist für die Ratifizierung des Vertrags über eine Verfassung für Europa, weil sie die Auffassung vertritt, dass dies ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur politischen Integration unseres Kontinents ist. Ein Schritt, zu dem es, trotz der vielen Mängel des Verfassungsvertrags, bei den gegenwärtigen politischen und institutionellen Rahmenbedingungen keine Alternative gibt.

Die vorgeschlagene Verfassung begründet die Union als Gemeinschaft, die auf Grundrechten basiert; sie gründet die europäische Politik auf einen Kodex gemeinsamer Werte, legt klare und verbindliche Ziele fest und enthält die Verpflichtung, den Grundsatz der Nachhaltigkeit in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zu berücksichtigen. Sie bezieht die sozialen Rechte mit in die klassischen Menschenrechte ein, verpflichtet die Union in ihrer Außentätigkeit zur Einhaltung des Völkerrechts, vereinfacht die Verfahren, klärt die Zuständigkeiten, erweitert den Anwendungsbereich der Beschlüsse der Gemeinschaft und erhöht die Transparenz und die demokratische Legitimität der Union sowie die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger.

Der Text weist nicht wenige Lücken und Risiken auf, und es ist verständlich, dass sich viele Bürger, Organisationen und Bewegungen, die uns politisch nahe stehen, zunehmend vom Projekt Europa abwenden, weil die Union ihrer Ansicht nach noch nicht in der Lage ist, ihren Erwartungen gerecht zu werden und sich als politisch voll handlungsfähiger Akteur für eine bessere und gerechtere Welt einzusetzen. Diese Tatsache zu verhehlen, wie dies unsere Kollegen in ihrem Bericht getan haben, halten wir für unangebracht.

Aus dem Entschließungsantrag im Europäischen Parlament quasi eine Propagandaübung zu machen und so zu tun, als sei er das ideale Ergebnis einer ehrbaren, einträchtigen und bestmöglich erledigten Arbeit, ja zu behaupten, die Regierungskonferenz habe den Text des Konvents unverändert beibehalten – wohl wissend, dass das nicht stimmt, weil alle Änderungen durch die Regierungskonferenz den Text verschlechtert haben; man denke nur an den Legislativrat oder an die Streitigkeiten beim Haushalt –, wird keinen einzigen Europaskeptiker bekehren oder uns helfen, all diejenigen für uns zu gewinnen, die sich nicht vor einem nicht existierenden europäischen Superstaat fürchten und wissen, dass die Union noch einig genug oder geschlossen genug ist.

Für uns Grüne ist der europäische Integrationsprozess mit der Annahme der Verfassung noch nicht abgeschlossen, auch weil über die gegenwärtig 25 Mitgliedstaaten hinaus andere Länder und Völker noch dabei sind, das Verfahren für ihren Beitritt zur Union abzuschließen oder einzuleiten. Auch in diesem Punkt vertreten wir eine andere Auffassung als die Berichterstatter und glauben, dass das institutionelle System der Union, das immer noch zu schwerfällig und kompliziert ist, ohne eine weitere Reform langfristig nicht bestehen kann. Deshalb ist die Ratifizierung dieser Verfassung unserer Meinung nach eine Vorraussetzung für jegliche Entwicklung und jeglichen Fortschritt der zukünftigen Europäischen Union.

Es ist ein gefährlicher Trugschluss zu glauben, die Ablehnung dieses Textes würde den Weg zu einer anderen, besseren oder gar idealen Verfassung eröffnen. Ganz im Gegenteil: Ihn zu verwerfen würde bedeuten, dass es für uns bei den Bestimmungen des Vertrags von Nizza bliebe, die sowohl beim Anspruch der Zielsetzungen als auch in Bezug auf die institutionelle Struktur weitaus weniger fortgeschritten sind. Sollte der Verfassungsvertrag abgelehnt werden, dann wäre das eine perfekte Gelegenheit für die Europaskeptiker, darauf hinzuweisen, dass die Bürger nicht noch mehr Europa wollen, während wir doch sehr wohl wissen, dass dem nicht so ist. Und es würde viele Regierungen davon überzeugen, dass die Methode des Konvents – dieser schüchterne und halbherzige Versuch, undemokratische und ineffektive Reformmethoden wie diplomatische Beratungen und das Vetorecht zu überwinden - zu nichts führt.

Deshalb verfolgen wir ein doppeltes Ziel: diese Verfassung anzunehmen, damit wir rasch die Grundlagen für ihren Nachfolger legen können, indem wir versuchen, ein starkes und stabiles Bündnis mit jenen Kräften aus Politik, Gesellschaft, Organisationen und Wirtschaft zu schmieden, die wie wir der Ansicht sind, dass wir, um unsere Ziele der sozialen Gerechtigkeit, der ökologisch nachhaltigen Entwicklung und des Friedens zu erreichen, nicht nur die Wahlen auf nationaler Ebene wieder gewinnen, sondern auch die europäische Demokratie stärken und weiter vervollkommnen müssen. Dazu müssen wir die Initiative an uns reißen, und bei diesem Punkt, Herr Präsident, wird es meines Erachtens möglich sein, die Front jener wieder zusammenzuschweißen, die heute zwar von der unausweichlichen Notwendigkeit einer europäischen Demokratie überzeugt sind, aber bei der Bewertung dieses Verfassungstextes gespalten sind.

 
  
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  Wurtz (GUE/NGL), im Namen der Fraktion. (FR) Herr Präsident, der Bericht Corbett und Méndez de Vigo konzentriert sich fast ausschließlich auf eine gewisse Anzahl von im Vergleich zu den bestehenden Verträgen neuen Bestimmungen wie das Ersetzen der rotierenden Ratspräsidentschaft durch eine stabilere zweieinhalbjährige Präsidentschaft, die Schaffung des Postens eines Außenministers, ohne die GASP deshalb zu vergemeinschaften, die Stärkung der Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments, das den nationalen Parlamenten gewährte Recht, die Kommission zur Rede zu stellen, wenn diese ihrer Auffassung nach ihre Kompetenzen überschritten hat, oder die einer Million von Bürgern gewährte Möglichkeit, der Kommission vorzuschlagen, zu diesem oder jenem Thema einen Gesetzesentwurf vorzulegen.

Wenn der den Bürgern oder den Parlamenten zur Ratifizierung unterbreitete Text sich tatsächlich auf diese Art von Artikeln beschränken würde, dann würde ein großer Teil der Mitglieder meiner Fraktion - nicht alle, aber ein großer Teil von ihnen, und ich wäre unter ihnen - sich nicht gegen den Verfassungsentwurf stellen. Denn wir sind für Europa, und alles, was zu seiner Demokratisierung und seinem guten Funktionieren beiträgt, verdient unserer Ansicht nach eine wohlwollende Prüfung. Wir sind nicht vom Typ UKIP. Wir sind der Meinung, dass es in dieser globalisierten Welt einen großen Bedarf an Europa gibt, aber die Frage ist, welche europäischen Leitlinien und Strukturen brauchen wir?

In erster Linien brauchen wir nach unserem Dafürhalten Leitlinien und Strukturen, die es ermöglichen, die Finanzmärkte auf europäischer Ebene zu kontrollieren statt ihre Auswirkungen in ihrem vollen Ausmaß zu spüren zu bekommen, wie es heute der Fall ist. Dies wäre möglich, wenn man bereit wäre, mächtige Hebel wie die Zentralbank oder die Besteuerung des Kapitals großer öffentlicher Unternehmen in Bewegung zu setzen; Regeln aufzusetzen, um die Unternehmen unter sozialen, umweltpolitischen, demokratischen und ethischen Gesichtspunkten zur Verantwortung zu zwingen; die so frei werdenden Mittel für große politische Prioritäten zu verwenden, die öffentlich verhandelt, demokratisch beschlossen und regelmäßig bewertet werden. Europa ist in dieser Hinsicht die geeignete Ebene, um Herausforderungen zu begegnen, die ein Land allein heutzutage angesichts der Globalisierung nur sehr schwer meistern könnte.

Aus eben diesem Grund benötigen wir ferner Leitlinien und Strukturen, um die Tendenz umzukehren, dass die wichtigsten Entscheidungszentren sich immer mehr vom Volk entfernen, die Volkssouveränität und die Macht zurückzugewinnen, politische Entscheidungen zu treffen, anstatt vor den Gesetzen des Marktes zu buckeln und dabei die Gefahr einzugehen, den Fatalismus, den Todfeind der Demokratie, zu nähren. Um solche Ziele zu erreichen, ist Europa ebenfalls die geeignete Ebene. Auf dieser Ebene müssen die Rechte auf Information und Mitbestimmung der Arbeitnehmer, der Bürger, der Abgeordneten und der öffentlichen Instanzen gefördert werden, Rechte, die die arrogante Macht derjenigen abschwächen, die sich als die Feudalherren der Neuzeit aufspielen.

Und schließlich, wenn es eine Rolle gibt, von der man unbedingt und zu Recht erwarten kann, dass sie von Europa erfüllt wird, dann ist es die des internationalen Akteurs, der verantwortungsbewusst handelt, das heißt, entschlossen ist, seine Macht zu nutzen, um in den internationalen Beziehungen neue Regeln einzuführen. Welch heilsame Wirkung könnte beispielsweise die Entscheidung Europas haben, den Krieg als Mittel zur Regelung der Weltprobleme gänzlich und explizit auszuschließen, damit vom Nahen Osten bis zum Kaukasus die Stärke der Politik über die Politik der Stärke siegt, oder die Entscheidung, Partnerschaften zu Südeuropa aufzubauen, die bis in die internationalen Finanz- und Handelsinstitutionen hineinreichen, um die tödliche Logik des Wirtschaftskrieges einzudämmen, oder die Entscheidung, gegenüber den Vereinigten Staaten deutlich den Willen zu zeigen, mit dieser großen Nation wie auch mit anderen zwar eine Partnerschaft mit möglichst ehrgeizigen Zielen, jedoch im Rahmen einer vollständigen politischen und strategischen Unabhängigkeit, aufzubauen? Wenn Sie derartige Ziele für Europa verfolgen, werden einige von Ihnen uns vielleicht fragen: Weshalb wollt ihr diesen Verfassungsentwurf dann ablehnen?

Und zwar genau deshalb, weil dieser Text zur feierlichen Besiegelung ihres Fortbestands Bestimmungen wiederholt, die sich insbesondere seit dem Vertrag von Maastricht angesammelt haben und die selbst die partielle Umsetzung eines solchen europäischen Projekts verhindern. Ich denke in erster Linie an die Schlüsselprinzipien der offenen Marktwirtschaft, in der freier Wettbewerb herrscht. Ich denke an den Status und die Mission der Europäischen Zentralbank, die liberaler nicht sein könnten. Ich denke an die Ermessensbefugnisse der Kommission im Bereich Wettbewerb oder auch an die ausdrückliche Unterordnung jeglicher europäischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik unter die im Rahmen der NATO beschlossene Politik.

Zu diesen alten Bestimmungen kommen noch neue, die den Graben zwischen der Vorstellung von Europa wie sie umgesetzt wird und der, die ich gerade geschildert habe, noch vergrößern. So beinhaltet der Vertragsentwurf einen Artikel, der, ganz im Sinne des multilateralen Investitionsübereinkommens, zur Abschaffung der Einschränkungen für ausländische Direktinvestitionen ermutigt, und andere höchst mehrdeutige Artikel über die Patentierung von Lebewesen oder die kulturelle Vielfalt. In all diesen Bereichen benötigen wir keine Propaganda, die jedem Widerspruch aus dem Weg geht, sondern eine echte, öffentliche und pluralistische Evaluierung der in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen, die zu einer Vertrauenskrise zwischen den Bürgern und den Gemeinschaftsinstitutionen geführt haben.

Der Bericht unserer Kollegen Corbett und Méndez de Vigo verschweigt diesen den Politikbereichen und dem Funktionieren der Union gewidmeten Teil des Verfassungsentwurfs gänzlich, obwohl dieser Teil zwei Drittel des Entwurfs ausmacht. Wir werden folglich gegen diesen Bericht wie auch gegen den Verfassungsentwurf selbst stimmen, aber, ich betone und wiederhole es, unser Nein ist für viele von uns offen für Alternativen. Es ist ein europäisches Nein.

 
  
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  de Villiers (IND/DEM), im Namen der Fraktion. (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, ein Wort fehlt in dieser Verfassung: das Wort „Souveränität“. Es wird durch das Wort „Identität“ ersetzt. Das ist keineswegs das Gleiche, denn, wie wir wissen, gibt es auf der ganzen Welt Völker, die eine starke Identität besitzen, jedoch Souveränität fordern: die Palästinenser, die Iraker und viele andere mehr.

In Europa wird es also künftig Völker geben, die, während sie Gefahr laufen, durch den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union ihre Identität zu verlieren, durch die Verfassung ihre Souveränität verlieren werden. Ein Wort ist verschwunden, das Wort „Souveränität“, und ein anderes ist aufgetaucht, das Wort „Gesetz“, europäisches Gesetz, ein Wort, das das Symbol der nationalen Demokratie schlechthin ist. Es wird also ein europäisches Gesetz geben, das juristisch über den nationalen Gesetzen und selbst über den Verfassungen stehen wird. Unsere Verfassung, die eines jeden unserer Völker, wird folglich zu einer Art Geschäftsordnung einer Region Europas. Dieses europäische, überstaatliche Gesetz wird nun mehrheitlich und nicht mehr einstimmig angenommen. Die Opposition eines einzelnen Volkes ist folglich nicht mehr möglich, selbst wenn dies dem Schutz seiner grundlegenden Interessen dient.

Drittens wird dieses europäische überstaatliche Gesetz von einer Brüsseler Bürokratie erzeugt werden, die sich Befugnisse eines Staates anmaßt. Diese Bürokratie wird zu einem vollberechtigten internationalen Akteur, der internationale Verträge abschließen darf, sie wird über einen Außenminister verfügen – dieses Wort trügt nicht –, zu ihren bisherigen Zuständigkeiten werden ihr die Befugnisse eines Superstaates übertragen: Festlegung der Rechte, Bestimmung der öffentlichen Dienstleistungen, Einwanderungs- und Grenzfragen.

Gleichzeitig, und dies wird mein letztes Wort sein, werden die nationalen Demokratien mit Füßen getreten. Den nationalen Parlamenten wird das Recht entzogen, Gesetze zu beschließen. Dafür wird ihnen das Recht erteilt, Stellungnahmen abzugeben.

 
  
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  Crowley (UEN), im Namen der Fraktion. – (EN) Herr Präsident, auch ich möchte den Berichterstattern dafür danken, dass sie die äußerst schwierige Aufgabe übernommen haben, in diesem breit gefächerten und würdigen Organ, das dieses Parlament darstellt, eine Einigung über bestimmte Bereiche des Vertrags zu erzielen.

In gewisser Hinsicht ist die Debatte jedoch weitergegangen, denn nun kommt es auf die Mitgliedstaaten und die dort stattfindenden Diskussionen über die Ratifizierung des Vertrags an. Die Bürger sind jetzt am Zuge zu bestimmen, welchen Umfang die Debatten und Diskussionen annehmen werden und wie das endgültige Urteil über den Verfassungsvertrag aussehen wird. Wenn wir über bestimmte Fragen sprechen, würden einige von uns – obwohl wir uns alle Mühe gegeben haben – oftmals gern Neues zu den getroffenen Vereinbarungen hinzufügen. Daher diskutieren wir über das nächste Argument, anstatt uns mit der aktuellen Aussprache zu befassen. Hinzu kommt, dass man bei einigen Redebeiträgen den Eindruck gewinnt, also ob wir zurück in die Zukunft gehen würden, da die gleichen Fragen und Punkte aufgewärmt werden, die in den 1950er Jahren gegen die ersten Verträge und in den 1970er und 1980er Jahren gegen die zweiten und darauf folgenden Verträge vorgebracht wurden. Einige sind der Auffassung, dass uns diese Schwarzseherei noch unsere ganze Kraft rauben wird.

Wir sollten bei der Diskussion über den Inhalt des Vertrags und seine Vor- und Nachteile realistisch sein. In Anbetracht dessen, dass er als grundlegendes Gesetz für die künftige Ausgestaltung der Europäischen Union dient, stellt der Vertrag ein ausgezeichnetes Schriftstück dar. Er stellt sicher, dass den Mitgliedstaaten die notwendige Achtung und das erforderliche Vertrauen entgegengebracht wird, was auch für ihre jeweilige Rolle innerhalb der Union und insbesondere für die kleineren Mitgliedstaaten gilt. Mithilfe des Grundsatzes der Übertragung von Befugnissen wird eindeutig festgelegt, wer für welchen Bereich zuständig ist und wo die Grenzen liegen. Wenn die Gegner dieses Vertrags und anderer Verträge behaupten, dass dadurch nationales Recht außer Kraft gesetzt wird, dann kann ihnen nur entgegnet werden, dass diese Frage bereits entschieden wurde. In den 1960er Jahren entschied der Europäische Gerichtshof, dass Gemeinschaftsrecht Vorrang vor nationalem Recht hat. Dieses Prinzip wird auch im Vertrag eindeutig festgelegt und insofern eingegrenzt, als es nur für das Gemeinschaftsrecht gilt. Die Gesetzgebungsbefugnis für diesen Bereich wurde den Gemeinschaftsorganen und -gesetzgebern von den Mitgliedstaaten eingeräumt.

Daher sollten wir eine echte und ehrliche Aussprache führen. Wir sollten von den Lügen, den Ängsten und der Panikmache Abstand nehmen. Einige werden ihre Gründe für die Ablehnung des Vertrags haben, die sich aus ihren politischen Überzeugungen, ihrer Weltanschauung oder ihren echten Befürchtungen über die Auswirkungen des Vertrags auf die Mitgliedstaaten ergeben. Wir sollten jedoch gewährleisten, dass die Aussprache nicht auf falschen Vorstellungen, sondern auf Tatsachen, der Wahrheit und dem schriftlichen Text beruht.

(Beifall)

 
  
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  Allister (NI).(EN) Herr Präsident, wenngleich diese Verfassung hier im Parlament mit selbstgefälliger Begeisterung verabschiedet werden wird, liegt die Entscheidung zum Glück letztendlich bei den Mitgliedstaaten. Was wirklich zählt, sind ihre Stimmen.

Am unerträglichsten finde ich, dass insbesondere im Vereinigten Königreich so getan wird, als handle es sich bei dieser Verfassung um eine reine Aufräumaktion, die nach der Erweiterung notwendig sei, und als lege sie die verfassungsmäßige Gestalt Europas für Generationen fest. Das lässt sich leicht widerlegen. Diejenigen, die mit dieser Lüge hausieren gehen, werden am besten durch die leidenschaftlichsten und ehrlicheren Befürworter der Verfassung entlarvt.

Im Ausschuss für konstitutionelle Fragen habe ich die Strategie und den Plan der unverfrorenen Europhilen selbst mitbekommen. Sie machen kein Geheimnis daraus, dass diese Verfassung kein Ziel an sich, sondern eine noch nicht abgeschlossene Arbeit sei, und machen auch überhaupt keinen Hehl daraus, dass sie die Verfassung – um ihre Worte zu verwenden – bei der erstbesten Gelegenheit ausbauen möchten, natürlich ohne das lästige Hindernis weiterer nationaler Konsultationen nehmen zu müssen. Ihre unverhohlene Offenheit straft diejenigen Lügen, die den Wählern glauben machen möchten, dies sei eine reine Aufräumaktion: Das ist sie nicht.

Den Nationalstaaten stehen folgende Möglichkeiten zur Wahl: ein Europa der kooperierenden, souveränen Nationalstaaten oder ein Europa, das selbst einen Superstaat darstellt. Trotz aller Beteuerungen bildet diese Verfassung den Rahmen für einen Superstaat. In dieser Verfassung wird ihr Vorrang vor den einzelstaatlichen Verfassungen festgelegt, die Unterordnung des nationalen Rechts verkündet und ein eigener EU-Präsident und EU-Außenminister bestellt. Diese Verfassung degradiert die einzelstaatlichen Parlamente zu bloßen Beratungsgremien, sie tauscht wirkliche Demokratie gegen die Pseudodemokratie hier im Parlament aus, sie verwässert das letzte Abwehrmittel des Nationalstaates, indem das einzelstaatliche Veto zunehmend durch eine starke Ausweitung der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit ersetzt wird, und sie ebnet den Weg in Richtung weiterer Integration, da Abänderungen nicht durch die Bürger, sondern durch die Regierungschefs vorgenommen werden können. Jeder, der auf seine oder ihre eigene Nation stolz ist und sie nicht in einem furchtbaren Konglomerat untergehen sehen möchte, wird diese schäbige Verfassung ablehnen.

(Beifall)

 
  
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  Brok (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten. – Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier einen Verfassungsvertrag bekommen, auf der Grundlage der Arbeit eines Konvents, der mehrheitlich aus Parlamentariern bestand. Und dieser Durchbruch ist möglich gewesen, weil es ein parlamentarischer Durchbruch war und die Entwicklung Europas nicht mehr den Diplomaten überlassen wurde. 90% dieses Konvententwurfes sind dann durch die Regierungskonferenz gegangen, und ich glaube, dass diese Methode, durch die die Völker Europas über gewählte Vertreter beteiligt waren, ein entscheidender Punkt für die Fortschritte war.

Nicht alles in dieser Verfassung ist perfekt, aber es ist besser als das, was wir heute haben. Das, glaube ich, ist das Entscheidende. Dieser Verfassungsvertrag verstärkt die Rechte der Bürger. Durch die Charta der Grundrechte werden die Bürger Anspruchs- und Schutzrechte haben. Er verstärkt die Rechte der Bürger, weil in Zukunft die Wahl des Kommissionspräsidenten unmittelbar von der Wahl zum Europäischen Parlament abhängt. Das Bürgerbegehren stärkt die Bürger wie auch die Ausweitung der Rechte des Europäischen Parlaments. Diese Verfassung ist transparenter geworden, weil sie in der Kompetenzordnung Klarheit schafft, weil der Rat bei der Gesetzgebung öffentlich tagen muss – zumindest wenn es um die Entscheidungen geht – und weil durch die klarere Zuordnung die Verfahren verständlicher werden.

Durch die – nicht ausreichende, aber doch erhebliche – Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen wurde die Effizienz der Europäischen Union gestärkt, wie dies auch in anderen Bereichen zum Ausdruck kommt, beispielsweise bei der Beseitigung der Säulenstruktur und der Einführung einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit sowie insbesondere bei den wesentlichen Fortschritten im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Wir haben ein Europa, das sich auf Werte gründet. Die Charta der Grundrechte, die in meinem Verständnis sehr stark auf dem christlichen Menschenbild beruht, ist – glaube ich – eines der Wunder. Sie ist ja schon von einem vorherigen Konvent erarbeitet worden. Das Wunder ist jetzt, dass sich so viele Völker auf einer solchen gemeinsamen Wertegrundlage orientieren können und dass sich in Zukunft unsere Gesetzgeber ständig – auch rechtlich verbindlich, nicht nur politisch – daran orientieren müssen, dass diese Werte eingehalten werden.

Wir wollen, dass dies ein Gemeinschaftseuropa ist, das war der Wille des Konvents. Wir müssen jetzt bei der Implementierung dieser Verfassung Wert darauf legen, dass dieser Wille des Konvents auch beibehalten und nicht durch technokratische Umsetzungsversuche verändert wird.

Wir haben ja schon ein Übungsfeld in diesen Tagen, nämlich den Auswärtigen Dienst, wo – wie man immer wieder hört – in den Korridoren der nationalen Außenministerien bereits versucht wird, der Kommission und damit dem Gemeinschaftseuropa und dem Parlament Zuständigkeiten streitig zu machen, um auf diese Art und Weise eine neue intergouvernementale Behörde aufzubauen.

Diese Europäische Union ist auch im Bereich der Außenvertretung Gemeinschaftseuropa, wie wir in den Außenbeziehungen, bei der Entwicklung und in vielen anderen Tätigkeitsbereichen sehen, und dies darf nicht durch die Technokratie der Zuordnung eines auswärtigen Dienstes verändert werden. Ich möchte Rat und Kommission darauf hinweisen – der Kommission, haben wir ja in dieser Frage große Rechte erstritten, denn ohne ihre Zustimmung geht es nicht –, dass wir in dieser Frage sehr aufmerksam sein werden.

Dieses Europa hat eine Kompetenzordnung, die deutlich macht, dass ihm die Kompetenzen, die es hat, von den Mitgliedstaaten verliehen wurden, und dass aus diesem Grunde dieses Gerede über einen Superstaat kompletter Unsinn ist.

(Beifall)

Denn die Mitgliedstaaten sind weiterhin Träger der Souveränität, und jede Zuständigkeit, die nicht ausdrücklich als europäische definiert ist, bleibt nationale Zuständigkeit. In diesem Sinne ist diese Verfassung besser als alles andere, was wir bisher hatten. Gerade die Gegner des Superstaates müssen für diese Verfassung sein, weil Nizza in ihrer Argumentation schlechter ist. Das ist die Wahrheit, und ich möchte doch Herrn Allister und Herrn de Villiers bitten, sich die Dinge ehrlich anzuschauen und ihren Wählern und ihren Bürgern nicht etwas Falsches zu erzählen.

Dieses Europa will dort Souveränität poolen, wo wir als einzelne Staaten zu schwach sind, um es alleine zu machen. Das heißt, wir wollen nicht Souveränität wegnehmen, sondern wir wollen sie für unsere Bürger dort zurückgewinnen, wo wir sonst nicht handeln können.

Selbst beim Tsunami sagen wir jetzt, dass die nationalen Staaten nicht mehr allein helfen können, weil wir das nicht schaffen. Und aus diesem Grunde geht es darum, unsere Völker zu stärken, indem wir zusammenstehen, um in dieser globalisierten Weltordnung eine Überlebenschance zu haben. Das ist doch der Sinn dieses europäischen Unternehmens mit dem klassischen Ziel, Krieg in Europa unmöglich zu machen. Und dieses Ziel dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Dabei müssen die Bürger, die Staaten und die Völker ihre Identität bewahren. Ich möchte mich auch in Zukunft als Deutscher darüber ärgern können, wenn wir gegen die Niederlande ein Fußballspiel verlieren. Wir wollen unsere Identität bewahren. Denn in der Vielfalt ist der Reichtum. Aber das kann doch nicht heißen, dass wir dort, wo wir nur gemeinsam stark sind, nicht gemeinsam handeln.

Wir sollten darauf achten, dass die Ratifikation der Verfassung gelingt. Nicht die nationale Tagespolitik darf in den Mitgliedstaaten und ihren Parteien entscheiden, wie man mit dem Ratifikationsprozess umgeht, sondern das historische Moment, und hier wird sich zeigen, wer Staatsmänner in seinen Mitgliedsländern hat und den Ratifikationsprozess vorantreibt.

(Beifall)

 
  
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  Hänsch (PSE). Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gratuliere Richard Corbett und Íñigo Méndez de Vigo zu ihrem ausgezeichneten Bericht. Ja, diese Verfassung ist auch unser Baby, und auch wenn es einige Macken hat, so bekennen wir uns doch ohne Wenn und Aber zu ihm. Wir wollen, dass es wächst und gedeiht.

Zweite Bemerkung: Die größte Herausforderung für die Europäische Union ist nicht die Mitgliedschaft der Türkei in zwanzig Jahren, sondern die Ratifikation der Europäischen Verfassung in zwei Jahren. Daran wird die Geschichte uns messen. Und übrigens nicht nur die Politiker, auch die Völker Europas werden daran gemessen werden. Ich habe Vertrauen in die Klugheit der Völker und Parlamente. In zwei Jahren werden wir diese Verfassung haben. Denn was geschieht, wenn wir sie nicht bekommen?

Wer glaubt, dass Europa dann beim Status quo des Nizza-Vertrages stehen bleibt, der hängt einer Illusion an. Europa wird sich auch nicht in ein Kerneuropa und in ein Randeuropa zurechtrütteln. Nein, ohne europäische Verfassung verkommt die Europäische Union zu einem Patchwork-Europa, das nach innen die Bürger verwirrt und Europa nach außen disqualifiziert. Die Europäische Union würde von Achsen und Allianzen so genannter strategischer Partnerschaften durchzogen werden. Ein Scheitern der Verfassung wäre ein Rückfall in das Europa der Ränke und Rankünen. Das genau ist das alte Europa, das wir nicht wollen.

Die Verfassung beendet ein zwölfjähriges Reformstakkato von Maastricht über Amsterdam bis Nizza und von 12 über 15 zu 25 Mitgliedstaaten. Europa kann sich jetzt endlich wieder den politischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts widmen, und die sind riesig. Aber wir tun es auf einer neuen Grundlage. Die 25 verschiedenen Völker, die alle ihre Identität bewahren wollen und werden, die jahrhundertelang mit Raub und Mord und Krieg und Verwüstung übereinander hergefallen sind, diese 25 Völker verbinden jetzt ihr politisches Schicksal unauflöslich miteinander. Das ist ein Vorgang, den es in der europäischen Geschichte und in der Weltgeschichte noch nicht gegeben hat. Das macht es so wertvoll, dass wir für diese Verfassung kämpfen.

Vierte Bemerkung: Fünfzig Jahre lang war die Einigung Europas nach innen gerichtet, auf Integration und Aufnahme neuer Mitgliedstaaten. Künftig muss die europäische Einigung nach außen gerichtet sein. Europa ist keine Weltmacht, aber Europa hat die Verantwortung einer Weltmacht. Und dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden können. Das 21. Jahrhundert stellt die Europäer vor ungeheure Herausforderungen: Globalisierung von Wirtschaft und Finanzströmen, internationaler Terrorismus, Klimaveränderung und Klimakatastrophen, Migrationsströme. Eine neue Weltordnung bildet sich heraus. Nicht erst in zehn Jahren, heute bildet sie sich heraus!

Wirtschaftlich spielt Europa - noch - in der Weltliga. Politisch sind wir Regionalliga. Wenn wir Europäer uns jetzt nicht aufmachen, treten wir aus der Weltgeschichte aus. Zuerst politisch und dann unweigerlich auch wirtschaftlich. Ein solches Europa dürfen wir unseren Kindern und Enkeln nicht hinterlassen. Die Antwort Europas auf die Globalisierung ist die Einheit seiner Völker. Das ist unsere Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Und schließlich eine letzte Bemerkung: Zwei Leitsterne setzt die Verfassung für das Handeln der künftigen Europäischen Union. Mit der Charta der Grundrechte drückt die Verfassung aus, dass die Union nicht nur zur Sicherung der Freiheiten des Marktes, sondern auch um der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger willen besteht. Artikel 3 der Verfassung verpflichtet die Union, zu Frieden, Sicherheit und nachhaltiger Entwicklung der Erde beizutragen. Damit drückt die Verfassung aus, dass die Union nicht um ihrer selbst willen besteht, sondern Verantwortung für unsere Erde trägt. Freiheit für die Menschen und Verantwortung für die Welt, daraus wächst die Identität des neuen Europa.

 
  
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  Leinen (PSE), Vorsitzender des Ausschusses für konstitutionelle Fragen. – Herr Präsident! Der amerikanische Publizist Jeremy Rifkin hat vor kurzem ein Buch über die Europäische Union geschrieben und ihm den Titel „Der europäische Traum“ gegeben. Ich danke dem Präsidenten dafür, dass Herr Rifkin heute Nachmittag hier ist und wir mit ihm über die Zukunft Europas und die europäische Idee diskutieren können. Dieses Buch ist eine glänzende Analyse der Errungenschaften und der Innovationen von 50 Jahren europäischer Einigung, die wirklich einmalig in der Welt sind. Das gibt es nirgendwo auf der Welt, dass man in 25 Ländern direkt ein Parlament wählen kann, dass ein Gerichtshof übernational für alle Bürger und für alle Staaten Recht sprechen kann, dass wir in zwölf Ländern eine Währung haben, um unsere ökonomische Souveränität in Zeiten der Globalisierung zu behaupten, und dass wir jetzt eine europäische Verfassung auf dem Tisch haben.

Darauf sollten die Europäer stolz sein. Sie sollten wirklich mit großem Stolz zur Kenntnis nehmen, was da erreicht wurde. Allerdings fällt auf, dass eine so euphorische Analyse von einem Beobachter von außerhalb Europas stammt, wie denn auch die Europäische Union rund um die Welt bestaunt und bewundert wird: in Afrika - wir haben hier die Rede von Herrn Mbeki gehört und wissen, welche Erwartungen an dieses Europa existieren -, in Asien - jetzt bei dieser Katastrophe, wo Europa in außerordentlicher Weise hilft -, und auch in Süd- und Nordamerika. Ich würde mir manchmal innerhalb der Europäischen Union weniger Kleinmut, weniger Ängstlichkeit und weniger Skeptizismus wünschen. Wir sollten stolz sein und keine Angst vor dem Projekt der europäischen Einigung haben.

Wir sind ein Modell, und die europäische Verfassung sichert dieses Modell ab. Es gibt einige Träume, die für die Europäer bereits verwirklicht sind. Es gibt andere Träume, an denen wir noch arbeiten müssen. Wie schon gesagt wurde: Der große Traum der Gründerväter war, nach tausend Jahren Krieg endlich Frieden auf dem Kontinent herzustellen, und die EU ist das größte Friedensprojekt, das es weltweit gibt. Viele Völker haben sich nach Freiheit und Demokratie gesehnt. Und ich sage nochmals: Die EU ist das größte Freiheitsprojekt, das es jemals auf diesem Kontinent gegeben hat. Für viele um uns herum ist die EU sehr attraktiv und sie möchten auch Mitglied werden. Es gibt aber auch Träume, die noch nicht erfüllt sind, gerade in diesen Zeiten, in denen Kriminalität, Terrorismus und die Herausforderungen der Globalisierung auch an dem europäischen Sozialmodell nagen. Ich glaube, den Traum von Wohlstand und von Sicherheit können wir mit dieser Verfassung besser verwirklichen als ohne diese Verfassung.

Das sind die großen Themen, die bei der Ratifizierungsdebatte in den nächsten 18 Monaten den Menschen überall in den 25 Ländern erklärt werden müssen. Die großen Träume der Europäer, die grundlegenden Werte, die langfristigen Ziele dieses europäischen Projekts, die müssen wir vermitteln und dürfen uns nicht in Kleinigkeiten und Details verlieren. Ein Kollege in meinem Ausschuss hat einmal gesagt, wir dürfen jetzt nicht die einzelnen Bäume zählen, die 448 Artikel, und da einen herauspicken, sondern wir sollten den ganzen Wald sehen, das ganze Projekt. Und dann kommt man zu dem Ergebnis, dass es ein großer Schritt nach vorne ist, von einer Staatenunion zu einer Bürgerunion, von einem Europa der Diplomatie zu einem Europa der Demokratie. Nichts ist in Marmor graviert, und natürlich wird es auch weitere Etappen der europäischen Einigung geben. Das sollte man allen sagen, die jetzt noch nicht zufrieden sind.

Ich danke Richard Corbett und ĺñigo Méndez de Vigo, die wirklich einen guten Bericht vorgelegt haben, auf dessen Grundlage dieses Parlament gegenüber unseren Partnern in den nationalen Parlamenten und den Bürgern in den 25 Ländern dialogfähig ist. Ich bin froh, dass dieses Parlament einen großen Anteil an der europäischen Verfassung hat, von dem „Club Krokodil“ von Altiero Spinelli bis zur Intergroup „Europäische Verfassung“ in der letzten und in dieser Legislaturperiode, in der viele Kolleginnen und Kollegen daran gearbeitet haben, das Thema voranzubringen. Wir sind froh und glücklich, dass dieser Entwurf nun auf dem Tisch liegt.

Jetzt müssen wir alles tun, damit dieser Entwurf nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch Realität wird. Wir haben schon zwei Entwürfe auf dem Papier gehabt. Dieser Entwurf, dieser dritte Anlauf für eine europäische Verfassung muss Wirklichkeit werden. Wenn wir morgen mit großer Mehrheit für die Verfassung stimmen, werden alle hinausgehen und auch dafür kämpfen. Diese historische Chance dürfen sich die Freunde Europas nicht nehmen lassen. Wir dürfen den Gegnern nicht das Feld überlassen, ihre Länder und ihre Völker in die Isolation und in die politische Sackgasse zu treiben!

 
  
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  Martínez Martínez (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Entwicklungsausschusses. – (ES) Herr Präsident, der Entwicklungsausschuss des Parlaments brachte seine entschiedene Unterstützung für den Text der Verfassung in der Überzeugung zum Ausdruck, dass dieser durch die Verankerung der Solidarität gegenüber jenen, die sie am stärksten benötigen, der Entwicklungszusammenarbeit und der Verantwortung bei der humanitären Hilfe, wo auch immer diese erforderlich ist, als bestimmende Merkmale der Europäischen Union einen historischen Fortschritt darstellt.

In der Stellungnahme des Entwicklungsausschusses rufen wir zur Mobilisierung auf, damit die Verfassung möglichst bald ratifiziert werden und in Kraft treten kann, und wir rufen zur Einbeziehung von Institutionen, NRO und Einzelpersonen auf, die in Europa die Nord-Süd-Solidarität zu einem Grundanliegen ihres politischen Kampfes und ihres sozialen Engagements gemacht haben.

Erinnern wir uns deshalb daran, dass die Verfassung die Werte der Solidarität und Zusammenarbeit sowie der humanitären Verantwortung zu Merkmalen der Europäischen Union macht und dass sie folglich alle Politikbereiche durchdringen und alle Gemeinschaftsaktionen leiten müssen.

Die Verfassung bedeutet auch, dass die Europäische Union künftig über die Rechtspersönlichkeit verfügen wird, die uns bislang gefehlt hat und die es uns erlauben wird, auf der Weltbühne und insbesondere im Bereich der Vereinten Nationen als Union zu handeln.

Auf diese Weise werden wir im Hinblick auf Repräsentativität, Verantwortung, Effizienz und Potenzial einen beträchtlichen Fortschritt erzielen, was für die Präsenz und die Arbeit der Europäischen Union in den Entwicklungsländern und auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit besonders wichtig ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Beseitigung der Armut in der Welt ausdrücklich als eines der Verfassungsziele der Europäischen Union festgeschrieben ist.

Zum Schluss möchten wir – da dies angesichts der gegenwärtigen Umstände in Südostasien von besonderer Bedeutung ist - hervorheben, dass die Verfassung die Schaffung eines Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe vorsieht und damit ein hohes Maß an Aktualität und Weitsicht beweist.

 
  
  

VORSITZ: ANTÓNIO COSTA
Vizepräsident

 
  
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  Chatzimarkakis (ALDE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für internationalen Handel. – Herr Präsident! Die Stellung des Europäischen Parlaments ist im handelspolitischen Bereich durch diese Verfassung erheblich aufgewertet worden. Die bisherige mangelnde Einbeziehung der Handelspolitik in die demokratische Kontrolle des Europaparlaments war schon immer Gegenstand der Kritik. Dieses Haus musste bei der Verabschiedung der autonomen Handelsgesetzgebung formal nicht einmal angehört werden. In Zukunft gilt, dass die erforderlichen Maßnahmen durch europäische Gesetze oder Rahmengesetze festgelegt werden. Damit gilt grundsätzlich die gleichwertige Beteiligung des Parlaments. Das sollten wir mit großer Befriedigung zur Kenntnis nehmen.

Schmerzlich bleibt allerdings, dass es immer noch nicht gelungen ist, die qualifizierte Mehrheitsabstimmung im Rat zur Regel zu machen. Hier war der Verfassungskonvent weiter als die Regierungskonferenz. Dennoch: Diese Verfassung schafft eine größere Kongruenz in den handelspolitischen Materien, wie wir sie seit der Uruguay-Runde innerhalb der WTO anwenden. Diese Verfassung legt den Grundstein für eine bessere rechtliche Verhandlungsmöglichkeit der Europäischen Union.

 
  
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  Pomés Ruiz (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Haushaltskontrolle. – (ES) Herr Präsident, für diejenigen von uns, die dafür arbeiten, dass die Finanzmittel der Union ordnungsgemäß ausgegeben werden, ist dies ein guter Tag: Sämtliche Ausgaben werden einer stärkeren demokratischen Kontrolle durch das Parlament und den Rat unterzogen und auch die Effizienz der Ausgaben wird sich erhöhen, weil die Regierbarkeit verbessert wird: An die Stelle des Vetos tritt die Demokratie. Dies bedeutet, dass wir in der Lage sein werden, die Ausgaben besser auszuführen; und wenn die von den Bürgern beigesteuerten Mittel besser verwendet werden, dann haben wir eine größere Berechtigung, mehr Mittel für die Durchführung der Politiken zu fordern, die die Bürger von der Europäischen Union verlangen.

Daher ist das ein großartiger Tag, ein Tag, um glücklich zu sein und „Ja“ zu sagen, zu einem Zeitpunkt, an dem wir mit dieser Verfassung das europäische Aufbauwerk nach fünfzig Jahren vollenden.

Diese Verfassung bringt viele Fortschritte mit sich, aber wie der Vorsitzende unserer Fraktion, Herr Poettering, ganz richtig sagte, fehlen ihr noch gewisse Dinge. Wir waren zu ängstlich, unsere christlichen Wurzeln anzuerkennen, wir waren zu ängstlich, das Offensichtliche zuzugeben. Wir haben gerade Weihnachten gefeiert; dieses Parlament wird seine Arbeit zu Ostern unterbrechen; das bedeutendste Gebäude hier in Straßburg ist nicht ein Bauwerk wie dieses sondern ein mittelalterliches Gebäude, eine Kathedrale.

Vielleicht sind wir in gewissem Grade Opfer eines intoleranten Säkularismus geworden, aber Weihnachten, Ostern und die Kathedrale von Straßburg werden weiterhin existieren, und es gibt viele Aspekte, die wir verbessern konnten.

Daher müssen wir „Ja“ sagen, weil wir an Europa glauben und uns bewusst sind, dass dieses europäische Projekt die täglichen Probleme der Bürger lösen wird. Wir werden dies auf die bestmögliche Weise tun: durch bessere Ausgaben, durch eine bessere Kontrolle unserer Ausgaben und durch demokratischere und effizientere Politiken.

Unsere Fraktion und ich persönlich sagen Ja zur Verfassung.

 
  
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  Andersson (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. (SV) Herr Präsident! Die große Mehrheit des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten hat für den neuen Verfassungsentwurf gestimmt, allerdings nicht, weil wir der Auffassung wären, der Entwurf sei in allen Teilen perfekt. Wir hätten uns mehr Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit im Bereich der Sozialpolitik gewünscht. Ich persönlich hätte auch Möglichkeiten für grenzüberschreitende gewerkschaftliche Rechte begrüßt. Wir haben deshalb für diesen Entwurf gestimmt, weil er auf sozialem Gebiet besser ist als der gegenwärtig vorliegende. Bei der Beurteilung des Verfassungsentwurfs dürfen wir nicht das Beste zum Feind des Guten machen.

Lassen Sie mich einige Beispiele für Verbesserungen anführen. Erstens, das Ziel der Vollbeschäftigung. Es ist das erste Mal, dass diese Zielsetzung in einem der Verfassungsentwürfe enthalten ist. Zweitens, die Sozialklausel in Teil III, wonach die Union in all ihren Zuständigkeitsbereichen zur Einhaltung der sozialen Ziele verpflichtet ist. Drittens die Einbeziehung der Charta der Grundrechte, in der auch gewerkschaftliche Rechte enthalten sind. Viertens, die Stärkung der Rolle der Sozialpartner durch die Anerkennung des Sozialdialogs und des Dreigliedrigen Sozialgipfels. Fünftens, die Betonung des Gleichgewichts zwischen der Beschäftigungspolitik und der makroökonomischen Politik. Sechstens, die Einführung einer Rechtsgrundlage für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Siebentens, die Möglichkeit, dass die Unionsbürger die Initiative ergreifen.

Der neue Verfassungsentwurf macht die EU offener, effizienter und demokratischer. Für uns als Verteidiger des Sozialmodells ist es recht leicht, den Entwurf zu unterstützen, da er eine große Reihe von Verbesserungen enthält, die erheblich größere Möglichkeiten für zukünftige Verbesserungen des Sozialmodells bieten.

 
  
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  Graça Moura (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. (PT) Herr Präsident! Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit hat zur Verfassung eine Stellungnahme angenommen, aus der ich die folgenden Punkte hervorheben möchte: Wir begrüßen die Tatsache, dass die Verwirklichung der drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung zu den Zielen der Union gehört und dass die ökologische Integration sowie ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit anerkannt werden.

Es ist bedauerlich, dass Teil III über die Politikbereiche und die Arbeitsweise der Union nicht mit dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung in Einklang gebracht wurde, insbesondere in Bezug auf die Agrar-, die Kohäsions-, die Verkehrs- und die Handelspolitik. Bestimmte Umweltmaßnahmen, speziell solche steuerlicher Natur und betreffend die Raumordnung, die quantitative Gewässerbewirtschaftung und die Bodennutzung unterliegen nicht dem üblichen Legislativverfahren, sondern sind vom Rat einstimmig zu verabschieden.

Wir begrüßen die Tatsache, dass Maßnahmen zur Festsetzung hoher Standards für Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten verabschiedet wurden. Die Maßnahmen im Hinblick auf die Überwachung, die frühzeitige Warnung und die Bekämpfung von gravierenden grenzüberschreitenden Bedrohungen für die Gesundheit sind ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Diese Maßnahmen fallen unter die geteilten Zuständigkeiten der Europäischen Union und werden dem üblichen Legislativverfahren unterworfen.

Wir begrüßen es, dass in den Verfassungsentwurf ein Kapitel über das demokratische Leben der Union und der Grundsatz aufgenommen wurden, dass die Beschlüsse möglichst transparent und bürgernah gefasst werden müssen. Betont werden die Bedeutung der Verantwortung der Gemeinschaftsinstitutionen gegenüber den Bürgern und die Notwendigkeit des Zugangs der Bürger und ihrer Organisationen zu den Gerichten, insbesondere im Umweltbereich.

Nach meiner persönlichen Auffassung, Herr Präsident, muss der nächste Schritt darin bestehen herauszufinden, wie die Öffentlichkeit diese neue verfassungsrechtliche Struktur, diese Verfassung, aufnehmen wird, die in gewisser Hinsicht von oben nach unten ausgearbeitet wurde, nun von unten her angenommen und gelebt wird, wie der Grundsatz der Gleichheit der Staaten und die Gemeinschaftsmethode in der Praxis sichergestellt werden. Diese Antwort jedoch kann nur die Geschichte selbst geben.

 
  
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  Swoboda (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. – Herr Präsident! Kollege Leinen hat gesagt, wir sollten den ganzen Wald der Verfassung betrachten, nicht nur einzelne Bäume. Aber als Sprecher des Ausschusses für Industrie muss ich mich doch kurz den industriepolitischen Bäumen zuwenden, und da hätte ich mir gewünscht, einige Bäume würden besser wachsen, als in der Verfassung vorgesehen. Aber es gibt auch einige wesentliche Fortschritte.

Ich möchte ein Beispiel nennen, das zunächst vielleicht nicht besonders alltäglich und überzeugend klingt, nämlich die Raumfahrtpolitik, bei der es jetzt eine zusätzliche europäische Kompetenz gibt. Dabei geht es nicht darum, dass wir jetzt - in Konkurrenz zu den Amerikanern oder den Russen oder den Chinesen oder wem immer - unseren Mann oder unsere Frau auf den Mond oder auf den Mars schicken. Nein, es geht darum, dass wir die Informationsmöglichkeiten der Raumfahrtpolitik für unsere europäischen Aufgaben und auch im Dienste der globalen Aufgaben nutzen.

Denken wir an die große Katastrophe, mit der wir es jetzt zu tun haben! Wir brauchen bessere Informations- und Warnsysteme, gerade auch aus Europa mit seinen Technologien. Denken wir an die alltäglichen Informations- und Navigationsprobleme und Aufgaben, die wir mit Galileo zu erfüllen haben, und denken wir schließlich auch an die Sicherheitspolitik. Ein Einsatz unserer Truppen ohne entsprechende Informationsmöglichkeiten mit Hilfe der Raumfahrt ist nicht möglich. Wenn wir in dieser Welt eine vernünftige militärische Sicherheitspolitik betreiben wollen, dann brauchen wir auch eine vernünftige zivilorientierte und friedensorientierte Raumfahrtpolitik, und da räumt die Verfassung auch eine zusätzliche Möglichkeit ein. Deshalb stimmt auch der Ausschuss für Industrie der europäischen Verfassung voll und ganz zu.

 
  
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  Iturgaiz Angulo (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung. – (ES) Herr Präsident! Es versteht sich von selbst, dass ich mit einem Glückwunsch an die Berichterstatter zu ihrer ausgezeichneten Arbeit beginnen muss.

Ich hatte die Ehre, Verfasser der Stellungnahme zu diesem Bericht im Ausschuss für regionale Entwicklung zu sein, und möchte sagen, dass die Aussprache zu diesem Thema sehr positiv und intensiv verläuft, denn unter anderem sollten wir auch an die wichtige Rolle denken, die die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften im Rahmen der europäischen Integration spielen. Erinnern sollten wir uns auch daran, dass die europäische Verfassung die lokale und regionale Autonomie als wesentlichen Bestandteil der nationalen Identität der Mitgliedstaaten anerkennt. Das heißt, dass die europäische Verfassung unter anderem die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen der Staaten garantiert, die der jetzigen Europäischen Union angehören.

Heute jedoch, da wir von der Verfassung und den Regionen sprechen, möchte ich auch die Tatsache anprangern, dass in einer Region Europas, einer spanischen Region, dem Baskenland, die einseitige nationalistische Regierung dieser Autonomen Gemeinschaft einen separatistischen, sezessionistischen und nach Unabhängigkeit trachtenden Plan, den Ibarretxe-Plan, in Gang setzen will, der einen direkten Angriff auf die spanische Verfassung und die europäische Verfassung darstellt. Denn Ibarretxe und seine Regierung, die sich selbst als Demokraten bezeichnen, haben einen Pakt mit den Mördern der ETA und Batasuna geschlossen, um ihren Plan zu verwirklichen; sie haben einen Pakt mit einer Organisation, der Batasuna geschlossen, die auf der Liste der terroristischen Gruppen der Europäischen Union steht, und die Baskische Nationalistische Partei ist einen Pakt und ein Bündnis mit Kriminellen, mit Mördern, kurz, mit den Feinden Europas eingegangen.

Nunmehr bin ich davon überzeugt, dass diese Verfassung auch solchen nach Unabhängigkeit trachtenden, separatistischen und sezessionistischen Vorschlägen wie dem Ibarretxe-Plan ein Ende setzen wird, und ich bin mir sicher, dass die neue Verfassung ein unüberwindliches Hindernis für den Ibarretxe-Plan und für jeden darstellen wird, der die Europäische Union auseinander reißen will.

 
  
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  Graefe zu Baringdorf (Verts/ALE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Seit dem Beginn der Gemeinsamen Agrarpolitik vor nahezu einem halben Jahrhundert war das Europäische Parlament fast nur Anhörungsinstanz in der Gesetzgebung. Bis heute kann der Rat ohne das Parlament entscheiden, und über die Hälfte des Budgets der Europäischen Union wird ohne jede demokratische Kontrolle verfügt.

Das Europäische Parlament, insbesondere der Landwirtschaftsausschuss, hat sich damit nie abgefunden. Informell haben wir Wege gefunden, den Rat durch Aussetzung von Endabstimmungen in eine Art Mitentscheidung zu zwingen. Wir haben auch bei der Bewältigung der Krisen, z. B. BSE, solide Arbeit geleistet, so dass die Tatsache, dass wir die Mitentscheidung im Grundsatz bekommen, zum Teil auch unser Verdienst ist, und wir begrüßen das.

Wir müssen aber sehen, dass einige Punkte noch im Argen liegen. Der Rat hat sich in einem besonderen Artikel vorbehalten, über Quoten, Preise und mengenmäßige Beschränkungen abzustimmen, und dieses Mal, ohne das Europäische Parlament überhaupt anzuhören.

Es bleibt also in der Zukunft viel zu tun. Wir werden weiterhin unsere Phantasie aufwenden müssen, um unseren demokratischen Einfluss auch in diesen Fragen und in Bezug auf eine grundsätzliche Festlegung der Agrarpolitik im Mitentscheidungsverfahren durchzusetzen. Das Europäische Parlament bekommt aber durch diese Mitentscheidung auch mehr Verantwortung, und ich hoffe, dass die Belange der Landwirtschaft und des ländlichen Raums wie bisher hier im Hohen Haus gebührend gewürdigt werden.

(Beifall)

 
  
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  Hudghton (Verts/ALE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Fischereiausschusses. – (EN) Herr Präsident, die Mitglieder des Fischereiausschusses kennen die Probleme der europäischen Küsten- und Inselregionen recht gut. Dieser Ausschuss billigte in einem fast einstimmig angenommen Beschluss meinen Standpunkt zu dieser Verfassung. Der wichtigste Absatz dieser Stellungnahme, der morgen als Änderungsantrag 13 im Namen meiner Fraktion noch einmal zur Abstimmung vorgelegt wird, bezieht sich auf die ausschließlichen Zuständigkeiten. Der Ausschuss „vertritt die Auffassung, dass im Zusammenhang mit den übrigen im Verfassungsentwurf aufgeführten ausschließlichen Zuständigkeiten der EU die Einbeziehung des Erhalts der biologischen Meeresressourcen anormal und nicht gerechtfertigt ist“.

Die gemeinsame Fischereipolitik zählt nicht gerade zu den Erfolgsgeschichten der Europäischen Union. Die Beschlussfassung auf diesem Gebiet ist zu stark zentralisiert und inflexibel, noch geht sie auf die Probleme der betroffenen Regionen ein. Die effektive Einbindung der GFP in das primäre Verfassungsrecht wäre ein gewaltiger Schritt in die falsche Richtung und würde meines Erachtens ein Hindernis für die tief greifenden Reformen darstellen, die von den mir bekannten Fischereiregionen gefordert werden. Durch die ausschließliche Zuständigkeit gilt für die GFP nicht mehr der Grundsatz der Subsidiarität, so dass regionale Beratungsgremien nie zu Verwaltungsgremien avancieren können.

Ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen morgen für den Änderungsantrag 13 stimmen und die Fischereiregionen unterstützen werden, so wie es auch der Fischereiausschuss des Parlaments getan hat. Diese Regionen vertreten nachdrücklich die Auffassung, dass ausschließliche Zuständigkeiten nicht nur unnötig, sondern anormal und ungerechtfertigt sind.

 
  
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  Berger (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Rechtsausschusses. – Herr Präsident! Auch ich möchte den beiden Berichterstattern sehr herzlich gratulieren, im Speziellen auch zur Art und Weise, wie sie ihren Bericht aufgebaut haben. Für uns als Rechtsausschuss ist gar nicht viel Platz geblieben, noch weitere Verbesserungen anzubringen. Was wir trotzdem noch vorgeschlagen haben, wurde aufgenommen, und dafür möchte ich mich sehr herzlich bedanken.

Wir werden uns im Rechtsausschuss allerdings auch noch im Rahmen eines Initiativberichts mit jenen Fragen beschäftigen, die uns im Speziellen berühren. Dazu gehören insbesondere die Reform der Rechtsakte und des Gesetzgebungsverfahrens, das Subsidiaritätsprinzip, das Verhältnismäßigkeitsprinzip, die Neuerungen im justiziellen System. Eine Frage, die uns – glaube ich – auch in der Zukunft beschäftigen wird, ist, wie wir die Kohärenz zwischen Teil I und Teil III der Verfassung gewährleisten können.

Im Mittelpunkt der jetzigen Stellungnahme des Rechtsausschusses steht natürlich die Neuordnung der Handlungsinstrumente der Union. Hier haben wir derzeit einen besonderen Wildwuchs: Im Konvent haben wir 35 verschiedene Arten des Handelns der Europäischen Union gezählt. Ich möchte hier im Besonderen die Rolle des Vizepräsidenten des Europäischen Konvents, Giuliano Amato, würdigen, der als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Vereinfachung Enormes geleistet hat, und alle, die hier anwesend sind und in dieser Arbeitsgruppe mitgewirkt haben, werden das bestätigen können. Außerdem können alle auch auf ihren eigenen Beitrag stolz sein.

Es wurde schon gesagt, wie vieles an dieser europäischen Verfassung einmalig ist. Ich behaupte auch, dass das Ausmaß an Vereinfachung und Entbürokratisierung, das uns mit dieser Verfassung gelungen ist, einmalig ist und nationale Reformen hier zurückstehen. Ich denke nur an Verfassungsreformprozesse, wie sie derzeit in Österreich oder auch in Deutschland gang und gäbe sind. Ich glaube, das beweist auch, dass die Union nicht diese bürokratische Union ist, als die sie immer hingestellt wird, sondern dass die Union sehr wohl eine reformfähige Institution ist und sich als reformfähiger erwiesen hat, als das so manche Nationalstaaten sind.

Wir werden in Zukunft einfache Gesetzgebungsakte haben – sie werden klar unterscheidbar sein von Verwaltungsakten – und vieles andere mehr, was uns das Leben, wenn wir diese Verfassung bekommen, sehr viel leichter machen wird. Ich glaube auch, dass diese Änderungen nicht so spektakulär sind wie manches im institutionellen Bereich, dass sie aber sehr wichtig sind, um die Union demokratischer und bürgernäher zu machen.

 
  
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  Zappalà (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. – (IT) Herr Präsident! Ich beglückwünsche die Kollegen, die diesen wichtigen Bericht verfasst haben. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres hat die überarbeiteten Inhalte des Verfassungsvertrags mit Befriedigung, ja großer Befriedigung, gebilligt, weil verschiedene Punkte des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts endlich in eine neue Richtung gelenkt werden, die den Erwartungen der Bürger besser gerecht wird: Wenn man von Freiheit spricht, dann spricht man doch vom Wichtigsten im Leben von uns allen.

Doch es bleiben einige Aspekte – die ich nennen werde -, die zwar vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten geprüft wurden, aber dennoch gewisse Zweifel bei uns hinterlassen haben, was aber unserer Zufriedenheit und somit unserem Wunsch, dass dieser Bericht von diesem Parlament einstimmig angenommen wird, keinen Abbruch tat.

Wie gesagt, es sind einige Zweifel geblieben, und zwar bei folgenden Punkten: die Klausel, mit der den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit zuerkannt wird, den Umfang der Einreise von Bürgern aus Drittstaaten in ihr Hoheitsgebiet festzulegen, wodurch faktisch die Möglichkeit ausgeschlossen wird, eine echte europäische Politik zur Verwaltung der legalen Einreisen in die Europäische Union zu schaffen; die Angemessenheit der Einfügung einer so genannten „Emergency brake“-Klausel im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen; die Angemessenheit der Tatsache, dass einzelnen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Verfassung besondere Ausnahmeregelungen zugestanden werden; die beschränkte Rolle des Europäischen Parlaments im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in Bezug auf das Familienrecht; den Umstand, dass die Bestimmungen über das Einfrieren von Kapital, von finanziellen Gütern oder von wirtschaftlichen Gewinnen, wie sie für die Erreichung der Zielsetzungen des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts unabdingbar sind, sich im Gegensatz zu den im Wortlaut des Konvents enthaltenen Vorschlägen auf die Vorbeugung und auf die Bekämpfung des Terrorismus beschränken, wodurch die Vorbeugung und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Menschenhandels ausgeschlossen werden.

Nichtsdestotrotz hat der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten sehr gern eine befürwortende Stellungnahme abgegeben, weshalb ich alle Mitglieder des Europäischen Parlaments im Namen dieses Ausschusses auffordere, morgen dem Verfassungsvertrag ihre Zustimmung zu geben.

 
  
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  Kirkhope (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! In der Erklärung von Laeken wurden die EU-Organe zu Recht aufgefordert, sich um mehr Bürgernähe zu bemühen. Angesichts des zunehmenden Tempos des Ratifizierungsprozesses der Verfassung muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass diese Ziele ganz und gar nicht erreicht wurden.

Als Mitglied des Konvents habe ich mich nach Kräften bemüht, meine Kolleginnen und Kollegen davon zu überzeugen, dass der Entwurf weder für Europa generell noch für die EU-Bürger gut ist. Ich habe immer wieder betont, Europa brauche keine Verfassung, sondern einen vereinfachten Vertrag. Dies hätte ausgereicht, um die Organe und die Funktionsweise der Union zu modernisieren. Ich habe sogar einen Entwurf für eine mögliche Alternative eingereicht. Zum damaligen Zeitpunkt stimmte Premierminister Blair mit mir überein; nun stellt er sich hinter die Verfassung in ihrer jetzigen Form.

Nur weil man die Verfassung ablehnt, muss man kein Gegner des europäischen Gedankens sein. Die britischen Konservativen und andere Kolleginnen und Kollegen der PPE-DE-Fraktion vertreten allerdings die Ansicht, dass durch die Verfassung mehr Zuständigkeitsbereiche zentralisiert, die Organe noch bürgerferner und die Befugnisse der Nationalstaaten verringert werden.

Europa hat eine historische Chance verstreichen lassen, seine Arbeitsabläufe zu modernisieren, um den Anforderungen einer erweiterten und vielfältigeren Union gerecht zu werden. Mit einem vereinfachten Vertrag hätten die wirklichen Fragen angegangen werden können: relativer wirtschaftlicher Niedergang, Betrug und Verschwendung und eine stärkere Einbeziehung der einzelstaatlichen Parlamente in den Entscheidungsprozess.

Zu einem Zeitpunkt, da die Großzügigkeit der Völker Europas und der Welt gegenüber den Tsunamiopfern für alle offensichtlich ist, ist unerklärlich, weshalb dieses Parlament einen beträchtlichen Betrag für ein Programm mit Veranstaltungen und Empfängen zur Unterstützung der europäischen Verfassung bereitstellt. Diese Mittel hätten besser für die Katastrophenhilfe verwendet werden können.

Der Verfassung kommt so weitreichende Bedeutung zu, dass sie durch eine Ablehnung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten bei den bevorstehenden Referenden null und nichtig werden würde. Anstatt jedoch alles völlig negativ zu sehen, sollten wir ein solches Ergebnis – falls es zustande kommt – als eine neue Chance für uns alle betrachten, um eine moderne Union aufzubauen, die nicht nach zu viel Konformität strebt, sondern ihre Vielfalt achtet und feiert sowie den Menschen gegenüber rechenschaftspflichtig ist.

 
  
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  Kósáné Kovács (PSE). (HU) Wir leben in einer ganz besonderen Zeit in der Geschichte des vereinten Europa. Obwohl sich die jüngste Vergangenheit nur äußerst schwer in Abschnitte einteilen lässt, können wir aus den Ereignissen, deren Zeugen wir waren, die wir organisierten und deren Teil wir geworden sind, eindeutig den Schluss ziehen und erklären, dass wir in ein neues Zeitalter eingetreten sind. Heute besteht das vereinte Europa aus 25 Mitgliedstaaten, und wir wissen, dass die Erweiterung kein abgeschlossener Prozess ist. Das neue Gesicht des vereinten Europa zeigt immer markantere Züge, und damit diese Züge erhalten und bewahrt werden, haben wir jetzt eine Verfassung – um die es in der heutigen Präsentation geht.

Die Verfassung beweist, dass das vereinte Europa auch den rechtlichen Anforderungen der Erweiterung gerecht werden kann. Diese Verfassung erhöht die Chancen, dass Europa wirklich zum Europa der Bürger wird. Das Parlament, dessen Vertreter direkt gewählt werden, spielt eine größere Rolle, und unserer Überzeugung nach sollten und werden die Entscheidungen des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente aufeinander aufbauen. So können die für die gesamte Gemeinschaft gültigen Standards, insbesondere im sozialen Bereich, langfristig ausgeweitet werden.

Ende des vergangenen Jahres hatte Ungarn die Verfassung bereits ratifiziert. Dennoch ist dieses Dokument, das heute auf der Tagesordnung steht, auch für uns von zentraler Bedeutung. Es sind Befürchtungen aufgekommen, dass Informationen auf verdächtige Weise zurückgehalten wurden. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir keine Informationen verschweigen und keine Geheimnisse haben, wir haben nichts zu verbergen. Es scheint, als müssten wir den politischen Systemen und Bürgern in Europa die Informationen geradezu aufzwingen. Ein europäischer Bürger und Demokrat muss über ein bestimmtes Wissen verfügen. Beim so genannten Lissabon-Prozess müssen wir mit den Normen, den sozialen Normen der Verfassung vertraut sein und auch wissen, dass Normen immer mehr Garantien erfordern, damit ein soziales Europa erbaut, die Solidarität verstärkt und die soziale Toleranz gesichert werden kann.

Wie mehrere meiner Vorredner bereits sagten, ist die Verfassung unser Grundgesetz, doch kein in Stein gemeißelter endgültiger Text. Gestatten Sie mir, zwei Bereiche zu erwähnen, die unsere zukünftigen Aufgaben widerspiegeln. Erstens: die Herausforderung eines multikulturellen Europa. Damit meine ich nicht die Frage des Islam, sondern die Herausforderung, dass unser Europa religiös und säkular sein muss. Zweitens: die Minderheitenfrage. Bei der Ratifizierungsdebatte hat das ungarische Parlament eindringlich die Stärkung der Minderheitenrechte in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft gefordert. Meiner Meinung nach spielt unsere gemeinsame Unionsbürgerschaft bei der Überwindung der Diskriminierung und der Unsicherheit der nationalen Identität die Schlüsselrolle. Nutzen wir die Chancen der Unionsbürgerschaft!

 
  
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  Geremek (ALDE). (PL) Herr Präsident, diese Sitzung des Europäischen Parlaments ist von historischer Tragweite. Es liegt ein Entschließungsantrag zum Vertrag über eine Verfassung für Europa vor, und mit seiner Annahme wird dieses Haus, Europas größte demokratische Institution, eine wichtige Botschaft an die Nationen und Bürger Europas senden. Die Entschließung stimmt dem Verfassungsvertrag zu und ruft zu seiner Ratifizierung auf. Die Annahme des Entschließungsantrags wird all jenen, die daran glauben, dass Europa eine Verfassung braucht, die Gelegenheit bieten, nicht nur Informationen über den Vertrag zu erhalten, sondern auch die Bürger Europas davon zu überzeugen, dass er angenommen werden sollte. Ich denke, dies wird auch als Appell an die Europäische Kommission verstanden werden, sich einzubringen und die Bürger Europas von den Vorteilen des Vertrages zu überzeugen.

Der Verfassungsvertrag ist in meinem Land heftig kritisiert worden und erfüllt nicht alle an ihn gestellte Erwartungen. Ich zweifle nicht daran, dass der Vertrag in der vorliegenden Form die Stärkung der Europäischen Union ermöglicht. Erstens, stellen sowohl der Vertrag als auch die darin verankerte Charta der Grundrechte unmissverständlich fest, dass die Achtung der Menschenwürde die Grundlage unserer gemeinsamen Werte ist, wodurch die Bedeutung unseres jüdisch-christlichen Erbes bekräftigt wird. Zweitens, der Vertrag stärkt die Rolle der Organe der Gemeinschaft, vor allem des Parlaments, der Europäischen Kommission und des Gerichtshofs. Drittens, der Vertrag erweitert die Rechte der Bürger und schafft einen öffentlichen europäischen Rahmen. Viertens, der Vertrag stärkt die EU durch Schaffung der Position eines EU-Außenministers und ermöglicht umfassende Kontinuität durch längere Präsidentschaften, ohne die EU zu einem Superstaat zu machen. Fünftens, er stärkt die EU als Gemeinschaft von Staaten, Nationen und Bürgern, die durch gemeinsame Werte und Solidarität verbunden sind. Das ist die EU, die wir brauchen.

Zwei neue Mitgliedstaaten, Litauen und Ungarn, haben den Verfassungsvertrag als Erste ratifiziert. Ich bin sicher, dass mein Heimatland Polen, in dem die Mehrheit der Bürger die Annahme des Verfassungsvertrages unterstützt, im Referendum ebenfalls einmütige Unterstützung für den Vertrag beweisen wird. Ich meine, dies sollte als etwas Wichtiges und auf seine Art Symbolisches verstanden werden. Vor fünfundzwanzig Jahren hat die polnische Solidarność-Bewegung den ersten Stein aus der Berliner Mauer gebrochen, unsere deutschen Kollegen sollten dies nicht vergessen. Vor fünfzehn Jahren haben die Rundtischgespräche in Polen gezeigt, dass der Übergang von einem totalitären System zur Freiheit ohne Störung des internationalen Friedens möglich ist. Das war der Anfang des Vereinigungsprozesses in Europa, und der Vertrag stellt für dieses vereinte Europa eine große Chance dar.

(Beifall)

 
  
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  Voggenhuber (Verts/ALE). Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um das Schicksal Europas. Ich glaube, ich weiß, wovon da die Rede ist. Mein Vater hat die Schlacht von Stalingrad überlebt und meine Mutter das Konzentrationslager in Auschwitz, das Konzentrationslager in Dachau. Entstammen wir nicht alle einer endlosen Reihe von Tätern und Opfern einer endlosen Gewalt auf diesem Kontinent?

Deshalb bestehe ich darauf, dass Europa ein Versprechen ist, ein Versprechen, das vor 60 Jahren gegeben wurde, am Abgrund von Auschwitz, in den Ruinen von Europa. Dieses Versprechen war die Überwindung des Nationalismus. Es war die rückhaltlose Verwirklichung von Demokratie und Freiheitsrechten und es war die politische Einheit Europas. Daran haben wir unsere Taten zu messen.

Diese Verfassung, der wir Grüne in großer Mehrheit zustimmen, ist ein großer Schritt zur Einlösung dieses Versprechens. Sie ist nicht das Ende, sie ist nicht die Erfüllung der Aufgaben. Deshalb stimmen wir zu, und deshalb stimmen wir auch dem Bericht zu. Diese Verfassung legt das Fundament einer europäischen Demokratie. Sie errichtet die Union als eine Grundrechtegemeinschaft. Sie gründet ihre Politiken auf einen gemeinsamen Kodex umfassender Werte und Ziele, sie erklärt soziale Rechte zum ersten Mal zu klassischen Menschenrechten. Sie vereinfacht die Verträge, sie bindet das äußere Handeln an das Völkerrecht, sie stärkt Handlungsfähigkeit und Transparenz sowie demokratische Legitimation und entwickelt die Möglichkeiten zur Mitbestimmung für ihre Bürgerinnen und Bürger. Ja, sie schafft eine Union nicht mehr der Staatskanzleien, nicht mehr der Staaten, sondern der Bürgerinnen und Bürger.

Deshalb stimmen wir zu, und deshalb – Herr Wurtz, ich bin froh, dass Sie da sind – habe ich Ihre Kritik nicht verstanden. In Ihrem Amendment ist keine Rede von Demokratie, obwohl diese Verfassung für eine europäische Demokratie unverzichtbar ist. Warum reden Sie nicht davon? Sie sagen, das sei kein sozialer Fortschritt. In der 200jährigen Geschichte der Menschenrechte werden doch in dieser Verfassung zum ersten Mal auf der Welt soziale Rechte als klassische Menschenrechte anerkannt und verankert!

Wir haben zum ersten Mal Vollbeschäftigung und soziale Marktwirtschaft – wenn auch mit Widersprüchen – in den Ziel- und Wertekatalog dieser Verfassung aufgenommen. Es ist nicht wahr: Wir haben nicht die Militarisierung Europas beschlossen. Das ist ein hoch fragwürdiger Prozess. Wir haben ein ungeklärtes Verhältnis zur NATO, und wer kennt den Weg der Emanzipation Europas schon so genau? Aber wir haben unser Tun und Handeln an das Völkerrecht, an die UNO-Charta gebunden und auch zum ersten Mal in der Welt zivile Konfliktprävention zur Verfassungsaufgabe gemacht. So einfach können Sie sich das nicht machen.

(Beifall)

Wir haben nicht nur Ratifikationen zu bestehen, die ich mit Sorge beobachte. Wenn der litauische Parlamentspräsident hier war, wenn die ungarischen Kollegen gesprochen haben, fanden diese Ratifikationen ohne jede Informationskampagne der Regierungen und ohne jede öffentliche Debatte statt. Wollen wir die Verfassung so gewinnen? Wir werden sie so nicht gewinnen! Wir haben mindestens neun Referenden vor uns, und eine Kritik mögen uns die Berichterstatter, denen ich in aller Form gratuliere und danke, erlauben: Es findet sich kein Wort der Kritik in diesem Bericht. Dies tastet die Glaubwürdigkeit dieses Hauses an.

Wir sind nicht die Hofpoeten der Regierungskonferenz. Wir haben hier nicht die Hymnen einer Verfassung zu singen, die auch ihre Mängel hat. Wir haben keine europäische Sozialordnung geschaffen. Die europäische Demokratie ist unvollständig. Die Herausbildung einer europäischen Friedensordnung verlangt noch große Taten. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass wir nicht nur in größter Mehrheit dieser Verfassung zustimmen, sondern dass wir auch Perspektiven für die Fortsetzung des Verfassungsprozesses eröffnen. Wir Grüne werden das Unsere dazu beitragen, indem wir das erste europäische Volksbegehren für ein first amendment zur Vervollständigung von Demokratie, Frieden und sozialer Ordnung in Europa initiieren.

(Beifall)

 
  
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  Kaufmann (GUE/NGL). Herr Präsident! Im Unterschied zum mehrheitlich gefassten Beschluss meiner Partei, der PDS, sowie im Unterschied zur Mehrheit meiner Fraktion unterstütze ich diese Verfassung, und ich sage Nein zum Nein.

(Beifall)

Als Sozialistin und überzeugte Europäerin kann ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, die erste europäische Verfassung abzulehnen. Sie kam – und das ist ein Novum in der Geschichte der Europäischen Union – in einem demokratischen Prozess zustande; als Mitglied des Konvents habe ich selbst daran mitgewirkt.

Ausschlaggebend sind für mich folgende Gründe: Über Jahrhunderte haben die Völker Europas imperiale Kriege und erbitterte Feindschaften erlitten. Damit soll und muss für immer Schluss sein. Genau das wird mit der Verfassung besiegelt.

Die Verfassung definiert die Union als Wertegemeinschaft. In ihr ist ein umfassender Wertekanon verankert, der von dem höchsten Gut – der Achtung der Menschenwürde – bis hin zu Gerechtigkeit und Solidarität reicht. Ich teile all diese Werte, und ich will alles dafür tun, dass sie in ihrer Gesamtheit in der Gesellschaft tatsächlich verwirklicht werden.

Die Verfassung stärkt die Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Die EU wird mit der Verfassung deutlich demokratischer – ja, sie bietet vor allem auch neue Möglichkeiten zur Schaffung eines sozialen Europa. Durch die Verfassung wird ein großer Fortschritt für die europäische Integration erreicht, die Europäische Union wird insgesamt zukunftsfähiger. Die Verfassung ist wesentlich besser als das, was die Union derzeit rechtlich zusammenhält, als der Vertrag von Nizza.

Meine Entscheidung hat auch damit zu tun, dass die Linke während des Verfassungskonvents weitgehend darauf verzichtet hat, mit konkreten eigenen Vorschlägen in das Geschehen einzugreifen, dass sie die Verfassung jetzt zwar ablehnt, zugleich jedoch keine wirklichen Alternativen zu ihr vorweisen kann. Das ist für mich nicht akzeptabel.

Ich möchte eine friedliche, demokratische und soziale Europäische Union, ich möchte ein geeintes Europa. Dieses Ziel wird aber nur erreichbar sein, wenn man bereit ist, aufeinander zuzugehen. Ich bin davon überzeugt, dass Europa nie zustande käme, wenn jede politische Familie ihre eigenen Maßstäbe zum non plus ultra erklären würde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich bedeutet mein Ja zur Verfassung nicht, ihre Mängel zu verschweigen oder sie gar zu ignorieren, und ich werde auch weiter für Veränderungen in der EU streiten. Ich werde selbstverständlich gegen neoliberale Politik streiten, und ich werde auch alles bekämpfen, was den Ausbau der Europäischen Union zu einer Militärmacht fördert. Verhindert werden muss – und das liegt mir besonders am Herzen –, dass die Europäische Union zu einem Abziehbild US-amerikanischer Machtprojektion verkommt, und dass sie sich möglicherweise durch Aufrüstung ökonomisch und sozial schwächt.

(Beifall)

 
  
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  Bonde (IND/DEM).(DA) Herr Präsident! Ein Blankoscheck ist ein Scheck, bei dem der Empfänger den entsprechenden Betrag einsetzt. So ein Scheck kann im Notfall ausgestellt werden, wenn der Unterzeichner den Empfänger sehr gut kennt. Warum sollte jedoch den Wählern empfohlen werden, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, deren wesentlichen Inhalt Führer bestimmen werden, die wir heute noch gar nicht kennen können? Wir wissen nicht, ob die wichtigsten und heikelsten Fragen einstimmig oder mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden sollen. Die künftig zu wählenden Ministerpräsidenten werden selbst beschließen können, wie sie Entscheidungen treffen wollen, anstatt dem Wähler das letzte Wort zu geben. Genauso wenig kennen wir den Inhalt wichtiger Artikel, in denen Entscheidungen dem Gerichtshof überlassen werden. An einer Stelle werden zu Fragen, die die Sozialsysteme der Länder betreffen, Zusicherungen gegeben; an einer anderen können unsere Wohlfahrtssysteme durch Mehrheitsentscheidung oder Urteil abgeschafft werden. Einerseits wird der Status der nationalen Kirche gewahrt; andererseits wird der Vorrang der dänischen Verfassung in Fragen der nationalen Kirche abgeschafft. An einer Stelle wird nationale Identität garantiert; an einer anderen muss die Verfassung im Falle eines Konflikts mit von Beamten in Brüssel getroffenen Entscheidungen zurückstehen. Gemäß Artikel III-375 verliert der Oberste Gerichtshof Dänemarks das Recht der Entscheidung über die für die EU-Behörden geltenden Grenzen. Vielfach sind sowohl ein verbindlicher Beschluss als auch freiwillige Koordinierung möglich. Wir wissen also nicht, was wir hier unterschreiben sollen. Deshalb ist es am vernünftigsten, erst dann zu unterschreiben, wenn der Betrag – und die Identität des Empfängers – auf dem Scheck vermerkt sind und wir auch das Recht haben, diesen zu stornieren. Dann wissen wir wenigstens, worüber wir abstimmen und wie wir einen Beschluss revidieren können.

Staaten haben Verfassungen. Zwischen Staaten werden Vereinbarungen geschlossen, also Verträge. Ich stehe für ein Europa der Demokratien, das praktische Probleme löst, indem es grenzüberschreitende Fragen oder Angelegenheiten in den Mittelpunkt rückt, die wir selbst nicht lösen können. So verlieren wir nichts in punkto Demokratie und haben alles zu gewinnen, was die Zusammenarbeit anbetrifft. Wir hätten einen Demokratiebonus anstelle eines zunehmenden Demokratiedefizits, das schließlich das Ende der Demokratie einläuten könnte. Nach den Worten des bekannten Dichters Ebbe Kløverdal Reich ist Demokratie ohne Demos einfach nur Machtausübung. Eine Regierung, die keine Gelegenheit zur Korrektur des Kurses eines Landes bei der nächsten Wahl vorsieht, ist keine Demokratie, sondern Oligarchie. Europa verdient es besser, und das ist der Titel der alternativen Erklärung, die ich anstelle des Berichts von Herrn Corbett und Herrn Méndez de Vigo zur Annahme empfehle.

 
  
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  Muscardini (UEN). (IT) Herr Präsident! Der Konvent, in dem auch dieses Parlament vertreten war, verfasste seinerzeit einen Text, der als bestmöglicher Kompromiss galt. Danach erzielte der Rat seinerseits den bestmöglichen Kompromiss, und der neue Verfassungsvertrag wurde in Rom unterzeichnet.

Nun obliegt es je nach den einzelnen nationalen Verfassungen den Menschen – durch eine Volksabstimmung – oder den nationalen Parlamenten, den neuen Weg endgültig zu bestätigen. Einen Weg, der, ob es nun gefällt oder nicht, Europa nicht als föderativen Superstaat sieht, der Identitäten, Traditionen und Kulturen langsam auslöscht, sondern als eine Union souveräner Staaten, die sich freiwillig dafür entschieden haben, eine gemeinsame Politik ins Leben zu rufen. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte, da es Naturkatastrophen und vom Menschen verursachte Tragödien erforderlich machen, dass nicht nur die Wirtschaftsinteressen unserer Länder auf der internationalen Bühne vertreten werden, sondern auch die Werte der Demokratie, der Freiheit und der Achtung der Menschenwürde - Werte, die unser Kontinent nach Jahrhunderten des Krieges und der Konflikte endlich durchgesetzt und gesichert hat.

Uns heute in diesem Hohen Haus wegen einer Sache zu entzweien, die nicht mehr von uns entschieden wird, sondern mit der Ratifizierung der einzelnen Staaten und Völker der Union, bedeutet, unserem Parlament die Fähigkeit der Zukunftsplanung abzusprechen und es in die Rolle eines Debattierclubs zu drängen, wo viele schöne Reden gehalten werden, aber wenig zustande kommt. Das steht doch ihm krassen Gegensatz zur Erhöhung unserer Befugnisse, die wir endlich nach vielen Mühen gerade durch die Abfassung des neuen Vertrags erreicht haben.

Man sollte sich daran erinnern, dass die Werte und Grundsätze der nun im zweiten Teil des Vertrags zu findenden Grundrechtecharta zwar die ethischen Grundlagen der Union bilden, die Verfassung jedoch in mehreren Teilen noch unvollständig ist und im Lichte der aktuellen Gegebenheiten aktualisiert werden muss. Außerdem müssen wir darauf achten, dass die Verfassung nicht aus parteipolitischen Erwägungen gegen Regierungen, die von den eigenen Bürgern ordnungsgemäß gewählt wurden, missbraucht wird. Die Europäische Union darf nicht Gefahr laufen, zu einem Ort zu werden, wo politische Gruppierungen aufeinander treffen, um aus ideologischen Gründen unabhängige nationale Entscheidungen zu attackieren.

 
  
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  Mölzer (NI). Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn die EU eine Vertiefung der Integration schaffen will, braucht sie diese Verfassung, so hören wir. Aber, so vernehmen wir gerade von einem der vehementesten Verfechter dieser Verfassung, in dem zu beschließenden Entwurf sei nicht alles optimal. Er sei allerdings besser als das, was es vorher gegeben habe. Also immerhin ein Fortschritt. Das klingt eigentlich ziemlich dürftig. Wir hören aber auch, dass diese Verfassung keineswegs die Entwicklung zu einem europäischen Superstaat bewirken wird, im Gegenteil: Angeblich stärkt sie die Identität der Mitgliedstaaten.

Wenn das so ist, sollte man den Bürgern der europäischen Staaten in der Ratifizierungsdebatte wirklich die Chance geben, das letzte Urteil zu sprechen, und zwar möglichst in Volksabstimmungen. Dazu aber bedarf es einer wirklichen Information, nicht nur der einseitigen Jubelpropaganda für diese Verfassung. Auch die Schwächen dieser Verfassung müssen dabei diskutiert werden, ohne dass man gleich verdächtigt wird, anti-europäisch zu sein: dass etwa die Möglichkeiten kleinerer Mitgliedstaaten, ihre vitalen Interessen zu wahren, geringer werden; dass das Europäische Parlament vor allem außen- und sicherheitspolitisch weiter ein zahnloser Tiger bleibt; auch dass die Gefahr eines Lohn- und Sozialdumpings für die europäischen Arbeitnehmer nicht gebannt ist.

Nur eine offene Diskussion auch der Schwächen und Gefahren dieser Verfassung wird es ermöglichen, dass die europäischen Völker und die Bürger der EU diese Verfassung nicht nur als oktroyiertes Grundgesetz empfinden.

 
  
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  Ferber (PPE-DE). Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Worum geht es, wenn wir heute über den europäischen Verfassungsvertrag diskutieren? Ich denke, wenn man ihn für sich betrachtet, gibt es eine Reihe von Punkten, die ich persönlich, meine Partei und wir als EVP-Fraktion gerne verändert hätten: einen Hinweis auf das christlich-jüdische Erbe, eine klare Kompetenzabgrenzung, eine Beschreibung der geografischen Grenzen dieser Europäischen Union, eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Ratifikation, weil eine Verfassung eigentlich Ausdruck der Volkssouveränität ist - das müsste ja auch irgendwo zum Ausdruck kommen.

Aber auf der anderen Seite bringt dieser Vertrag eine Vielzahl von Verbesserungen gegenüber der bestehenden Vertragslage, und das ist der Vergleich, den der Verfassungsvertrag bestehen muss. Wir bekommen mehr Demokratie, das Europäische Parlament wird gestärkt, die nationalen Parlamente werden in den Gesetzgebungsprozess eingebunden. Wir bekommen eine doppelte Mehrheit im Rat, nicht mehr die gewichteten Stimmen. Es gibt Einzelermächtigungen und nicht mehr Generalklauseln. Es gibt eine Beschränkung der Größe der Kommission; dies wird auch dazu beitragen, dass hier mehr Demokratie eingeführt wird. Und wir bekommen mit diesem Verfassungsvertrag mehr Transparenz. Dazu gehört natürlich die Einbindung der nationalen Parlamente. Bevor wir in erster Lesung etwas zu entscheiden haben, werden sich die nationalen Parlamente zu äußern haben. Ich halte dies für einen ganz wichtigen Punkt, auch im Sinne der Schaffung von Transparenz. Der Rat muss öffentlich tagen. Wir verlassen endlich die Geheimdiplomatie, die Europa über 50 Jahre geprägt hat.

Das heißt für mich in der Schlussfolgerung: Wir bekommen eine Europäische Union, die sich auf ihre Kann-Aufgaben konzentriert, und keinen europäischen Superstaat. Wenn es noch gelingen könnte, zu einer größeren Information und Beteiligung der Menschen beizutragen, dann ist dies insgesamt ein Vertragswerk, das sich sehen lassen kann. Ich kann für meine Partei, für die CSU, aber auch für die CDU-Kolleginnen und -Kollegen sagen, dass wir diesem Verfassungsvertrag uneingeschränkt zustimmen werden.

 
  
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  Ouzký (PPE-DE). (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag zum Vertrag über eine Verfassung für Europa ist in einem sehr positiven Geist verfasst. Wir empfehlen offenbar ein makelloses Werk, als wären wir uns seiner Schwächen nicht bewusst. Die Stimmen jener, die vor den Unzulänglichkeiten des gegenwärtigen Entwurfs der Verfassung warnen, sollte jedoch nicht überhört werden. Wir können beschließen, dass diese Verfassung trotz aller Bemühungen weder transparent noch verständlich ist. Ich habe auch den Eindruck, dass der Entschließungsantrag nicht viel an demokratischer Diskussion zulässt und damit jene als antieuropäisch brandmarkt, die Vorbehalte gegenüber dem Vertrag haben.

Die Europäische Verfassung ist ein praktisches Instrument, das die europäische Integration für Jahrzehnte prägen wird. Europa kann entweder den Weg zu einem bürokratischen, föderalistischen Superstaat einschlagen, oder zum politischen Gegenteil, einem liberalen und wettbewerbsfähigen Europa. Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen, dass die Annahme oder Nichtannahme der Verfassung für Europa vor allem eine politische Angelegenheit ist, und keine Vorbedingung für die Integration. Es ist deshalb völlig legitim, sowohl für als auch gegen die Verfassung zu stimmen.

Die Ratifizierung wird oft als unverzichtbarer Schritt dargestellt, über den nicht zu viel diskutiert werden sollte. Die Befürworter der Europäischen Verfassung drohen manchmal sogar, die Union würde sich von ein paar Ländern, die die Verfassung nicht ratifizieren, nicht aufhalten lassen, diese Länder würden ausgegrenzt und müssten sich mit einer geringeren Form der Zugehörigkeit begnügen. Ich halte ein solches Herangehen für sehr unfair.

Bereits mehrfach habe ich auf die Gefahr der Verletzung demokratischer Prinzipien hingewiesen; ich bin in einem politischen System aufgewachsen, in dem ein heiteres und optimistisches „Ja“ bei Wahlen immer die einzige Möglichkeit gewesen ist. Ich möchte jetzt vor der Anwendung derselben Prinzipien warnen.

Mir geht es nicht um den Vertrag über die Verfassung an sich. Ich möchte nur die Notwendigkeit einer offenen und demokratischen Diskussion unterstreichen und betonen, dass die Nichtannahme der Verfassung weder eine Katastrophe ist noch das Ende des Integrationsprozesses in Europa bedeutet. Im Gegenteil, sie könnte zu gründlicherem Nachdenken darüber führen, wohin sich die europäische Integration entwickelt und was die Wähler eigentlich wollen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, Frau Vizepräsidentin der Kommission, Herr amtierender Ratspräsident, meine Damen und Herren! Ich möchte in meinem eigenen Namen und dem der spanischen Sozialisten die Unterstützung für den Bericht Corbett-Méndez de Vigo zum Ausdruck bringen, der die Vollendung eines historischen Prozesses kennzeichnet.

Es gab zwei Debatten über die Erschaffung von Verfassungen in der Europäischen Union. Die erste war die Debatte des Kongresses der Europäischen Bewegung 1948, auf dem Churchill, Reynaud, Ramadier, van Zeeland, Madariaga und Adenauer Gelegenheit hatten, mit der Diskussion über eine Verfassung für Europa zu beginnen. Die zweite ist diese hier, die wir heute abschließen, mit der die Geschichte eines Kontinents verändert wurde, auf dem zwischen 1914 und 1945 mehr als hundert Millionen Menschen gewaltsam zu Tode kamen und auf dem heute der Frieden die Regel ist, und er ist es dank eines Prozesses, dem wir durch diese Verfassung die richtige Form geben, die unsere gemeinsamen, in der Charta der Grundrechte festgeschriebenen Grundwerte zum Ausdruck bringt, mit einer gemeinsamen Bürgerschaft und einer auf Bürgern und Staaten basierenden Union: einer weltlichen Union und einer Union mit den ambitiösen Zielen, die hier bereits genannt worden sind.

Herr Präsident, gestatten Sie mir, auf mein Land einzugehen, das als Erstes ein Referendum über die Ratifizierung der Verfassung durchführen wird, mit dem eine öffentliche und offene Debatte verbunden ist, die, wie wir glauben, für alle wichtig ist.

Es ist wahr, dass die Regierung Zapatero nach ihrem Wahlsieg vom 14. März den Prozess zur Annahme der Verfassung von neuem in Gang gesetzt hat, aber ich möchte hier sagen – und ich kann kein Mitglied der spanischen Volkspartei sehen, deshalb möchte ich die stellvertretende Vorsitzende ihrer Fraktion, Frau Grossetête, bitten, dies in meinem Namen zu übermitteln –, dass der Konvent unter dem spanischen Ratsvorsitz von Herrn Aznar begonnen hat, und er war es, der zum Referendum aufrief. Deshalb glaube und hoffe ich, dass auch die spanische Volkspartei eine maßgebliche Unterstützung – die Unterstützung der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten scheint gewährleistet zu sein – zu diesem Prozess leisten wird. Ich glaube, auf diese Weise werden wir sicherstellen können, dass es ein Referendum wird, das ein positives Beispiel für die Volksabstimmungen in den anderen Staaten setzt, die sich zu ihrer Durchführung entschlossen haben, und dass eine öffentliche und offene Debatte stattfinden wird.

Abschließend möchte ich sagen, dass dies einen Prozess zum Abschluss bringt, in dem Europa mit Leidenschaft und Klugheit erbaut wurde, und das hat Europa dazu geführt, die Geschichte zu verändern.

 
  
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  Guardans Cambó (ALDE).(EN) Herr Präsident! Bei jeder Stellungnahme zur Europäischen Verfassung muss abgewogen werden, welche Punkte erwähnt werden und welche unerwähnt bleiben – etwas, worauf in dem Bericht, der bei dieser Plenarsitzung zur Abstimmung steht, vielleicht nicht ausreichend hingewiesen wurde.

Daher befürworte ich diese Verfassung, weil sie für etwas steht und einen neuen Schritt nach vorn auf dem Weg zu einem stärkeren und effizienteren, transparenteren, demokratischeren Europa darstellt. Diese Verfassung verleiht Europa eine stärkere Stimme in der Welt. Die Grundrechte der Bürger werden besser geschützt. Ihre Freiheit und Sicherheit wird besser verteidigt. Zudem werden unsere Werte, einschließlich derjenigen, die unserem Sozial- und Wirtschaftsmodell zugrunde liegen, nachdrücklich herausgearbeitet und geschützt, so dass Europa weiter wachsen kann und gleichzeitig der soziale Zusammenhalt in Europa bewahrt wird.

Dennoch kann ich nicht umhin zuzugeben, dass in dem Text leider die Vorurteile einiger politischer Mehrheiten, die bei der Erarbeitung der Verfassung in Europa bestanden, zu finden sind. Insbesondere bedauere ich, dass sie ein virtuelles Europa widerspiegelt, ein Europa, das nicht dem wirklichen Europa entspricht, ein Europa, das politisch so nicht existiert und bei dem alles, was zwischen den einzelnen Bürgern und den Staaten liegt, einfach missachtet wird.

In dem Text wurden die europäischen Völker, Regionen und deren politische Rolle beim Aufbau eines vielfältigen und pluralistischen Europas schlichtweg vernachlässigt, ja stillschweigend übergangen. Doch so sieht das Europa, das wir hier gemeinsam aufbauen, einfach nicht aus. Noch schlimmer ist, dass in dieser Verfassung einigen Sprachen wie meiner eigenen – dem Katalanischen – keinerlei Beachtung geschenkt wird, obwohl sie größere Bedeutung haben als ihnen auf Gemeinschaftsebene offiziell zuerkannt wird.

Manche dieser Probleme können außerhalb der Verfassung gelöst werden, und einige von uns werden weiterhin dafür kämpfen. Daher werde ich mich denjenigen anschließen, die diesen positiven Schritt beim Aufbau Europas befürworten. Und ich werde beim Referendum in Spanien nachdrücklich empfehlen, mit „Ja“ zu stimmen, verstehe und respektiere aber auch voll und ganz jeden anderen Standpunkt, der von einer anderen Sicht auf dieses Gleichgewicht zeugt. Für mich ist dieser Text allerdings nicht in Stein gemeißelt, sondern ich sehe ihn als eine Verbesserung an, so dass wir weiterhin an einem Europa arbeiten können, in dem sich alle Bürger und Völker wohl fühlen können und so anerkannt werden, wie sie wirklich sind und sein möchten.

 
  
  

VORSITZ: MIROSLAV OUZKÝ
Vizepräsident

 
  
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  Hammerstein Mintz (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident, wir europäischen Grünen sind für ein Ja beim kommenden Referendum über die europäische Verfassung in Spanien. Wir werden die große Verantwortung haben, das erste Referendum auf dem Kontinent durchzuführen, und ein Ergebnis, in dem die ausdrückliche Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger in Spanien für die Verfassung zum Ausdruck kommt, wird eine deutliche und überzeugende Botschaft an die anderen europäischen Länder senden und einen Impuls für den weiteren Aufbau des Europas geben, das wir uns nach der Ratifizierung wünschen. Unser Ja ist ein forderndes Ja.

Auf der anderen Seite sind wir besorgt und verwirrt angesichts der Position der spanischen Volkspartei. Ich möchte die Frage stellen: Was ist mit jenen Personen geschehen, die sagten, sie würden für Nizza sterben wollen, wie Herr Aznar? Ich sehe, dass sie noch gesund und munter sind und dass sie gegenwärtig Verwirrung stiften, mit doppelter Zunge sprechen und angesichts des bevorstehenden Referendums in Spanien Unruhe stiften, indem sie engstirnige parteipolitische Interessen über die europäische Integration stellen.

Diese Doppelzüngigkeit und gleichzeitig die Haltung, im Zusammenhang mit der Verfassung wenig zu sagen oder zu tun und die Menschen mit anderen Angelegenheiten zu verunsichern, die mit der Verfassung wenig zu tun haben, tragen kaum zur Förderung der europäischen Integration bei. Einige Leute rufen ohne wirkliche Überzeugung zu einem Ja auf und richten konfuse und widersprüchliche Botschaften an ihre Wähler, wobei ihr eigentliches Ziel darin besteht, der derzeitigen spanischen Regierung zu schaden.

Das fordernde Ja, das wir Grünen befürworten, bedeutet eine Entscheidung dafür, den neuen europäischen politischen Raum konstruktiv für das von uns angestrebte soziale und ökologische Europa zu nutzen. Die Verfassung ist nicht das Ende des Wegs, sie ist nicht das endgültige Ziel, sie ist nicht einmal eine Herberge. Wir glauben wie Antonio Machado, dass der Weg entsteht, wenn man ihn beschreitet; wir glauben, dass diese Verfassung ein Schritt vorwärts ist, und wir werden diesen Weg auch künftig fortsetzen.

 
  
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  Krarup (GUE/NGL). (DA) Herr Präsident! Ich muss noch einmal auf den klugen Rat im norwegischen Handbuch für Bergsteiger verweisen: Sollten sich Karte und Gelände widersprechen, folgen Sie dem Gelände. Alles andere endet in einer Tragödie oder Farce, und wir sind schon auf dem besten Wege dorthin. Ich sage dies, weil die Verfassung in entscheidenden Bereichen den demokratischen Absichten, auf die sie sich beruft, zuwiderläuft und so echter Demokratie die Grundlage entzieht. Die Verfassung sieht eine gewaltige Konzentration und Zentralisation der politischen Macht der EU-Eliten vor, insbesondere bei Justiz und Polizei. Die EU-Verfassung führt buchstäblich zur Abschaffung lebendiger Demokratie in der Zivilgesellschaft, vor allem deshalb, weil die Ausweitung der Machtbefugnisse der EU wirkliche demokratische Kontrolle unmöglich macht. Die einzige Hoffnung in diesem Prozess sind die bevorstehenden Referenden. Die EU-Eliten versuchen, auch dieses wirksamste demokratische Element abzuschaffen. Die Demokratie ist jetzt so weit kompromittiert, dass sie unverhohlen als Macht der Elite zur Regierung von Menschen ausgeübt wird. Der Kampf gegen die EU-Verfassung ist ein Kampf für Demokratie, den wir außerhalb dieses Hauses gewinnen wollen.

 
  
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  Farage (IND/DEM).(EN) Herr Präsident! Ganz offensichtlich geht es bei dieser einseitigen Aussprache nur darum, den Völkern Europas die Verfassung zu verkaufen. Bei einigen Redebeiträgen gewinnt man den Eindruck, als würde die Wiederkunft des Herrn erörtert. Mit Beginn dieser Woche werden Sie große Summen von Steuergeldern ausgeben, um den Menschen zu sagen, welche Ansichten sie vertreten und wofür sie stimmen sollten. Ich schlage vor, dass Sie zunächst einmal Ihre Angelegenheiten in Ordnung bringen.

Vor einigen Wochen brachte ich in diesem Parlament die Vergangenheit von Kommissar Barrot zur Sprache, und die Affäre wurde schöngefärbt. Nun ist herausgekommen, dass Siim Kallas, der für die Betrugsbekämpfung zuständig ist, während seiner Anhörung absichtlich irreführende Informationen und ungenaue Daten lieferte und sich mithilfe einer falschen Analyse vor einer wesentlichen Frage drückte.

Gestern Nachmittag verwehrte mir Präsident Borrell die Möglichkeit, das Parlament in einer Ausführung von einer Minute auf diese Angelegenheit hinzuweisen. Sie werden ihren Kampf um die Verfassung nicht gewinnen, indem sie die Wahrheit vertuschen und keine ordentliche Aussprache führen. Der gesamte Prozess wird einmal mehr in Verruf geraten, obwohl ich angesichts der Tatsache, dass meine Kollegen und ich uns für eine Ablehnung einsetzen werden, vielleicht dankbar dafür sein sollte, wie Sie sich aufführen.

(Beifall)

 
  
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  Szymański (UEN). (PL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei dieser Aussprache konnte man teilweise den Eindruck gewinnen, es sei niemals Kritik an dieser Verfassung geäußert worden. Ich denke, das wird sich ändern, wenn die Mitglieder dieses Hauses in ihre Heimatländer zurückkehren und dort mit vielfältiger und unterschiedlicher Kritik an der Verfassung aus ganz verschiedenen Lagern konfrontiert werden. Die Fraktion Union für das Europa der Nationen ist wie viele andere Fraktionen dieses Hauses in der Frage der Verfassung gespalten. Die Mitglieder von Recht und Gerechtigkeit, das polnische Element in dieser Fraktion, sind dagegen, nicht weil es schlecht für Polen wäre, sondern schlecht für Europa.

Zunächst einmal verändert der Vertrag das System der Stimmenzählung zum Nachteil von Ländern mit besonderem Interesse an Politiken in den Bereichen Osteuropa, Kohäsion und Landwirtschaft. Polen ist hierbei dreifach betroffen, aber natürlich sind nicht die Folgen für Polen das wesentlichste Problem, sondern die Schwächung ganzer Bereiche der europäischen Politik.

Der Vertrag stärkt die Kompetenzen der EU in Bezug auf die Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik innerhalb der Union. Er geht natürlich noch nicht so weit, ausschließliche Kompetenzen einzuräumen, und noch ist kein entscheidender Schritt unternommen worden. Dennoch stärkt er die Kompetenzen der EU erheblich. Europa braucht aber keine Harmonisierung seiner Wirtschaftspolitik, sondern einen Wettbewerb der Systeme auf diesem Gebiet. Harmonisierung wird Europa an den Rand des globalen Wettbewerbs drängen.

Der Vertrag ist ein wesentlicher Schritt zur Anwendung der Gemeinschaftsmethode im Bereich Außenpolitik. Auch hier gilt wieder, es sind noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen worden, sondern es handelt sich um einen Schritt in diese Richtung. Die Grenze zwischen Gemeinschaftsmethode und zwischenstaatlicher Methode in der Außenpolitik ist schwer zu ziehen, und Herr Rehn, der neue Kommissar, hat dies während seiner Anhörung vor dem Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten eingeräumt. Abschließend sei gesagt, der Vertrag geht von Anfang an von falschen Prämissen aus. Ein Beispiel hierfür und für extreme Vorurteile ist die Tatsache, dass alle Verweise auf das Christentum und Gott, der in den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union noch gegenwärtig ist, aus der Präambel gestrichen worden sind. Aus all den genannten Gründen müssen wir heute „Nein“ zum Vertrag und „Nein“ zu diesem Entschließungsantrag sagen, um „Ja“ zu Europa zu sagen.

(Beifall)

 
  
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  Czarnecki, Ryszard (NI).   (PL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Entwurf der Verfassung ist nicht nur alles andere als ideal, er ist auch weit von dem Kompromiss entfernt, der er hätte sein können. Wer für eine Verfassung ist, und für eine bessere Verfassung für Europa, sollte diesen Entwurf am besten zurückweisen, denn ich bin überzeugt davon, dass ein nächster Entwurf besser sein würde. Die Mitglieder der Partei Samoobrona werden für Änderungsantrag 102 stimmen, einen außerordentlich wichtigen Änderungsantrag von Herrn Bonde, den ich mitunterzeichnet habe.

Das Demokratiedefizit würde größer werden, wenn Kompetenzen der nationalen Parlamente nicht auf das demokratisch gewählte Europäische Parlament, sondern auf die nicht gewählte Europäische Kommission übertragen würden, und das wäre ganz und gar nicht wünschenswert. Ebenso wenig wünschenswert wäre die Aufgabe des Prinzips „ein Land, ein Kommissar“. Aber es wäre eine gute Idee, alle Angelegenheiten, die nicht tatsächlich von übernationaler Bedeutung sind, in die Verantwortung der Nationalstaaten zurückzugeben, und mehr Freiheit und weniger Zentralismus sind gute Leitgedanken. Abschließend möchte ich feststellen, dass die Mitglieder der Partei Samoobrona dem Gedanken einer EU-Verfassung aufgeschlossen gegenüber stehen. Wir lehnen sie nicht grundsätzlich ab, können jedoch den Entschließungsantrag in der vorliegenden Form nicht unterstützen. Wir haben Zweifel, die von Millionen Einwohnern der Mitgliedstaaten der EU geteilt werden. Aber wir sind zum Dialog bereit, weil Millionen Bürger in unseren Ländern dies wünschen. Wir werden uns deshalb bei der abschließenden Abstimmung der Stimme enthalten.

 
  
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  Grossetête (PPE-DE).(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Gestatten Sie mir, dass ich zuerst den beiden Berichterstattern Corbett und Méndez de Vigo zu ihrer bemerkenswerten Argumentation gratuliere. Mein Dank gilt aber auch Valéry Giscard d'Estaing, ohne den, da bin ich mir sicher, wir heute nicht hier wären, um über diesen für Europa historischen Schritt zu debattieren. Man kann ermessen, welcher Weg hinter uns liegt.

Die größte Gefahr für Europa wäre, zu zwischenstaatlichen Methoden zurückzukehren. Man kann übrigens nur beklagen, dass die europäischen Regierungen nicht alle Vorschläge des Konvents angenommen haben, was zur Folge hat, dass die Verfassung nach und nach angepasst werden muss. Wir brauchen in der Tat mehr Europa in einer globalisierten Gesellschaft, die mit Terrorismus, Wanderungsströmen, Klimaänderungen und wirtschaftlichen Umwälzungen konfrontiert wird. Wir brauchen mehr Europa, mehr Union, eine Union, die auf unseren universellen Werten gründet, mehr Demokratie. Dies alles macht die Verfassung möglich, indem die Rolle des Europäischen Parlaments gestärkt wird und gleichzeitig die nationalen Parlamente mit einbezogen werden.

Die Gegner dieser Verfassung sprechen von Brüsseler Bürokratie, vom Verlust nationaler Souveränität, von einem europäischen Superstaat. Aus Mangel an Argumenten wiederholen sie immer wieder dieselben Schlagwörter, die vergangenheitsbezogen und heute sinnentleert sind, da sie in so starkem Widerspruch zur Wirklichkeit stehen. Hier liegt ihre ganze Unfähigkeit, in die Zukunft zu blicken. Wie kann man denn erklären, dass unsere 25 Regierungen alle einverstanden waren, diese Verfassung anzunehmen? Sie hatten bestimmt nicht die Absicht, Harakiri zu begehen.

Weil wir kollektiv, gemeinsam im Dienste des europäischen Bürgers und für die künftigen Generationen arbeiten müssen, sagen wir „ja“ zur Verfassung für Europa. Die Europäer müssen zwischen Abschottung und Stillstand einerseits und Öffnung und Modernität andererseits entscheiden. Die Wahl ist einfach: Für ein freies und verantwortungsbewusstes Europa müssen wir die Verfassung für Europa ratifizieren.

 
  
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  Poignant (PSE). (FR) Herr Präsident, als französischer und europäischer Sozialdemokrat werde ich morgen mit Stolz und Ergriffenheit für den Bericht unserer beiden Kollegen stimmen. Aus diesem Grund mache ich aus meinem Redebeitrag eine Hommage, eine Hommage an Altiero Spinelli: Er war es, der in dieser in allgemeiner Direktwahl gewählten Versammlung die erste europäische Verfassung erreichte. Ich vergesse nicht, dass er Mitglied der kommunistischen Jugend gewesen war, und ich wende mich an meine Kollegen, um ihnen zu sagen: Vergessen auch Sie das nicht! Er war ein aktiver Antifaschist, ein Föderalist, und ich würdige die Verdienste unserer Kollegen des Parlaments, das diesen Entwurf bei der Sitzung am 14. Februar 1984 annahm. Herr Poettering hatte dafür gestimmt, Herr Hänsch hatte dafür gestimmt, Herr Wurtz hatte dagegen gestimmt, Herr Vergès hatte dagegen gestimmt. Sie werden sich treu bleiben und das Gleiche wieder tun.

Wenn Sie den Text, den wir morgen verabschieden werden, noch einmal lesen, werden Sie feststellen, dass er vieles aus diesem alten Text übernimmt. Ich habe ein paar Beispiele herausgegriffen. Artikel 3 des Berichts Spinelli verankert das Prinzip der Unionsbürgerschaft; Artikel 4 den Schutz der Grundrechte; Artikel 6 die Rechtspersönlichkeit; Artikel 9 das Ziel der Europäischen Union, darunter die Vollbeschäftigung; Artikel 34 handelt von den europäischen Gesetzen; Artikel 44 von den Sanktionen. Der vierte Teil ist der dritte der heutigen Fassung, Artikel 82 die Ratifizierung, und ich könnte noch fortfahren.

Ich will damit sagen, dass, wenn wir die morgige Abstimmung als Teil dieser langen Geschichte sehen, diese Verfassung nicht völlig überraschend kommt: Sie ist Teil einer großen historischen Bewegung. Mit der Kohle hat es vor über 50 Jahren begonnen: Sie war das Erz der Versöhnung. Die gemeinsame Währung, die über zehn Jahre alt ist, der Euro, war die Währung der deutschen Wiedervereinigung. Lassen Sie uns nun aus dieser Verfassung die Hand machen, die wir den Völkern reichen, die sich uns nach dem Ende der finsteren Nacht des Totalitarismus angeschlossen haben.

 
  
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  De Sarnez (ALDE). (FR) Herr Präsident, mehr denn je, das zeigen uns die aktuellen Ereignisse jeden Tag, brauchen wir Europa. Wir brauchen Europa, um uns zu schützen, um ein eigenes Sozialmodell zu entwickeln und zu tragen. Wir brauchen Europa, um Wachstum zu schaffen, um unsere Wirtschaftspolitiken zu koordinieren und um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wir brauchen Europa, um eine echte Politik für Forschung und Entwicklung, vergleichbar mit der der Vereinigten Staaten, zu schaffen. Wir brauchen Europa, um unsere Umwelt zu schützen und zu erhalten, und schließlich brauchen wir ein Europa, das Gewicht hat in der Welt, mit einer gemeinsamen militärischen und zivilen Verteidigung und einer echten Außenpolitik. Ob Europa existiert oder nicht, wird sich auf das Gleichgewicht der Welt auswirken.

Um diese riesigen Erwartungen zu erfüllen, benötigen wir effizientere, transparentere und demokratischere Institutionen. Wir brauchen Institutionen, die sich endlich von allzu oft intergouvernementalen Funktionsweisen abgrenzen, wo Entscheidungen immer getroffen werden, ohne dass die Bürger jemals daran beteiligt werden. Wir benötigen Institutionen, die die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung fördern, da allein diese wirklich demokratisch ist. Wir brauchen auch starke Institutionen, die den Weg zu einem stärker integrierten Europa freimachen, und dies trotz der allzu großen Zurückhaltung der Staats- und Regierungschefs.

Aus diesen Gründen unterstützen wir sowohl diesen hervorragenden und talentierten Bericht als auch den Verfassungsentwurf. Auch wenn sie nicht so weit geht, wie wir es uns gewünscht hätten, ist diese Verfassung ein symbolischer und wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem geeinteren, stärkeren und demokratischeren Europa: Das ist es, was wir unseren Mitbürgern schuldig sind.

 
  
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  Joan i Marí (Verts/ALE).(EN) Herr Präsident! Nach Ansicht der Republikanischen Linken Kataloniens – der Esquerra Republicana de Catalunya – und der anderen Parteien in unserer europäischen Koalition – beispielsweise aus dem Baskenland, Aragon und Andalusien – ist dies kein guter Verfassungsvertrag. Darin wird unserem Wunsch nach interner Erweiterung nicht Rechnung getragen. Staatenlose Nationen genießen in diesem Vertrag keinerlei Anerkennung. Wir hätten den Vertrag befürwortet, wenn darin auch nur ein kleiner Schritt nach vorn gemacht worden wäre – die Einräumung des Status einer Amtssprache für die katalanische Sprache.

Heute dürfen im Parlament ungefähr 2 % der Abgeordneten nicht in ihrer Muttersprache sprechen. Von diesen 2 % stellen wir katalanischen Redner die große Mehrheit. Ich bin bereits der vierte katalanische Abgeordnete – nach Präsident Borrell, Herrn Guardans Cambó und Herrn Hammerstein Mintz –, der sich hier heute Vormittag einer Fremdsprache bedienen muss – et c'est la réalité, Madame Grossetête!

Wir lehnen diesen Verfassungsvertrag ab, weil wir in Europa direkt einbezogen werden möchten und uns für ein stärkeres, einheitlicheres und kohärenteres Europa einsetzen, das auf seiner eigenen Vielfalt beruht – also genau das Gegenteil eines Nationalstaates, dem das französische Modell zugrunde liegt und in dem für Mehrsprachigkeit, Vielfalt und Plurinationalität kein Platz ist.

Bestehende Nationalstaaten bieten keine gute Grundlage für den Aufbau Europas. Die Union sollte auf nationaler Vielfalt beruhen und staatenlose Nationen, Nationalstaaten und verfassungsmäßig anerkannte Regionen umfassen, um eine neue europäische Bürgerschaft zu begründen.

 
  
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  Bertinotti (GUE/NGL). (IT) Herr Präsident! Die oberste Pflicht eines Parlaments besteht darin, das Volk zu vertreten. Unsere Pflicht in Bezug auf den Verfassungsvertrag muss daher in erster Linie darin bestehen abzuschätzen, wie groß die Kluft zwischen den Völkern Europas und diesem Vertrag ist: Ohne Volk gibt es keine Verfassung.

Zum Demokratiedefizit bei der Ausarbeitung des Vertrages gesellt sich nun der Demokratiemangel bei seiner Annahme: Wenn wir schon nicht eine einzige Volksabstimmung für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger haben können, dann doch wenigstens eine Volksabstimmung am selben Tag in allen Unionsstaaten. Stattdessen wird getrennt vorgegangen und die Bürger stehen dem Vertrag heute so fern wie gestern. Europa läuft Gefahr, den Titeln einer berühmte Trilogie des großen europäischen Intellektuellen von Italo Calvino zu folgen: von „Der Baron auf den Bäumen“ über „Der geteilte Visconte“ bis zu „Der Ritter, den es nicht gab“.

Im Vertrag gibt es keine Menschen und auch keinen Verfassungsgeist, er vermittelt keinerlei Vorstellung von seinem Platz in der Welt und im Zeitablauf. All das ist sehr schlimm in einer beklemmenden Epoche, in der Krieg und Terrorismus zum vorherrschenden Element der Politik geworden sind, in der Naturkatastrophen wie die in Südostasien die soziale Ungerechtigkeit und die nicht hinnehmbare Armut in dieser Welt aufzeigen. Europa droht in einer globalisierten Welt unterzugehen: In Europa herrscht ein Gefühl der Unzufriedenheit wegen seiner inneren Krise des sozialen Zusammenhalts, während Instabilität zum zentralen sozialen Faktor unser Zeit geworden ist.

Dieser Vertrag repräsentiert die Kapitulation der Politik vor alledem: eine stumme Verfassung. In ihr ist Frieden eine vage Zielsetzung, nicht die Ablehnung von Krieg. In ihr sind die Rechte der Menschen, der Frauen und Männer, der Arbeitnehmer und Migranten eine Variable, die von der Ausgeglichenheit des Haushalts und von der Währungsstabilität abhängig ist. Demokratie ist eine Kann-Bestimmung. Der Verfassungsvertrag sieht keine anderen Rechte als die des Marktes vor, er schlägt keine Reformen vor, er hat keine Zukunft, sondern hält Europa in seiner gegenwärtigen Krise fest.

Das ist nicht nur unzulänglich, das ist die völlig falsche Richtung. Deshalb erklärt die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke ihre Ablehnung zu diesem Vertrag und wird in allen Ländern eine Kampagne gegen ihn führen. Wir müssen uns von diesem Hemmnis befreien, um das Europa der Zukunft zu gestalten.

 
  
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  Belder (IND/DEM). (NL) Herr Präsident! Das Europäische Parlament führt heute eine Aussprache über einen Vertrag, der seinem Wesen und Inhalt nach eine Verfassung darstellt, jedenfalls behaupten das die Berichterstatter. In dem Bericht nehmen sie als ihren Ausgangspunkt den scheinbaren Gegensatz zwischen dem Rat und den Mitgliedstaaten einerseits sowie dem Parlament und den Bürgern andererseits. Sie lassen damit außer Acht, dass die europäischen Institutionen ihre Existenz der freiwilligen Übertragung von Befugnissen seitens der Mitgliedstaaten verdanken. Zudem identifizieren sich die Bürger weiterhin in erster Linie mit ihrem eigenen Staat. Eine von oben aufoktroyierte europäische Identität mit eigenen Symbolen wird daran auch nichts ändern. Der Vertrag stattet die Europäische Union mit den Attributen eines Staates aus. Eines der bedauerlichen Beispiele dafür ist der Außenminister, eine gemeinsame Galionsfigur, die den Mangel an gemeinsamer Politik kaschieren soll, und ebenso bedauerlich ist, dass diese Person selbst zu einer Institution wird. Wie die Berichterstatter anerkennen müssen, schafft die doppelte Verantwortlichkeit gegenüber dem Rat und der Kommission Verwirrung und legt den Keim zu potenziellen Loyalitätskonflikten. Ich kann diesen Vertrag nicht anders als einen übereilten Sprung ins Ungewisse bezeichnen.

(Beifall)

 
  
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  Pavilionis (UEN). (LT) Herr Präsident! Als Litauer sollte ich stolz darauf sein, dass das Parlament meines Landes als Erstes die Europäische Verfassung ratifiziert hat. Die Mehrheit der litauischen Bürger hat sie jedoch weder gesehen noch gelesen oder diskutiert. Nicht einmal im litauischen Parlament hat es eine Aussprache darüber gegeben. Andererseits bin ich mir sicher, dass diese Verfassung zum größten Teil den Interessen meiner Nation und meines Staates entspricht.

Ich möchte jedoch die Gelegenheit nutzen, Ihre Aufmerksamkeit auf Artikel I-8 der Verfassung zu lenken, der festschreibt, dass das Wort Euro – die Bezeichnung für die gemeinsame Währung der Europäischen Union – in allen Sprachen der Europäischen Union einheitlich zu verwenden ist. Dies verstößt gegen das grundlegende Prinzip der Verfassung und das der Gründung der Europäischen Union selbst, nämlich Respektierung nationaler Sprachen und Kulturen. Dieser Artikel, der auf der Verordnung Nr. 974/98 des Rates von 1998 beruht, würde in den Sprachen der sieben neuen Länder der Europäischen Union, wozu auch das Litauische gehört, einen beispiellosen Eingriff in über tausende von Jahren entstandene grammatikalische Systeme und semantische Zusammenhänge darstellen, die nicht durch Wortstellung, nicht durch Wörter in einer einzigen Form, sondern durch die Deklination von Wörtern ausgedrückt werden. Die besagte Verordnung, die vor sechs Jahren verkündet wurde, ehe die neuen Länder in die Europäische Union aufgenommen wurden, untersagt die Deklination des Begriffs Euro. Ein derartiges Verbot widerspricht Artikel 314 des EG-Vertrages und Artikel 53 des Vertrags über die Europäische Union über die Gleichwertigkeit der Amtssprachen der Europäischen Union sowie Artikel 5 des EG-Vertrags über die Subsidiarität und Artikel 151 über die Abgrenzung der Kulturpolitik.

Ich bat die Kommission und den Rat um Auskunft, warum diese Umstände nicht berücksichtigt worden sind, und vier Monate später antwortete mir Herr Almunia, das für Wirtschaft und Währung zuständige Kommissionsmitglied, das undeklinierbare Wort Euro wird in der Verfassung verwendet, weil dies in der Verordnung des Rates so festgelegt wurde. Damit sind wir wieder am Ausgangspunkt, es bleibt bei der Missachtung nationaler Sprachen. Wenn ein solches Verbot in der Verfassung enthalten bleibt, wird es in der litauischen Fassung und allen Gesetzeswerken eine Fülle nicht nur grammatikalisch inkorrekter, sondern absurder Aussagen geben. Ich hoffe, das Parlament wird diese Argumente berücksichtigen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Le Pen, Jean-Marie (NI). (FR) Herr Präsident, die Verfassung ist die Gründungsakte eines Staates, und dieser Begriff wurde in voller Kenntnis der Dinge gewählt, so wie auch die Tatsache, der Europäischen Union eine Flagge, eine Hymne, eine Devise und sogar einen Nationalfeiertag zu geben. Auch wenn Sie dies eindringlich abstreiten, ist die europäische Verfassung doch die Gründungsakte eines europäischen Superstaates. Dies ist der Tod unserer zumeist Jahrtausende alten Nationen, ihre Umwandlung in lauter Provinzen ohne Machtbefugnisse, in diesem allmächtigen und zentralisierten bürokratischen Staat.

Ich weiß, dass Sie diejenigen, die Ihren blinden Glauben an die Errungenschaften des Europas von Brüssel nicht teilen, leicht der Lügen, der Rückständigkeit, wenn nicht gar der Verblödung bezichtigen. Das ist einfach, es erspart Erklärungen und ermöglicht, sich an die kategorischen Behauptungen der happy few zu halten, die wissen, oder glauben zu wissen, was für die Masse, die sie für ungebildet halten, gut ist. Die Angst, die das Abhalten von Referenden über die Verfassung bei den meisten von Ihnen auslöst, verrät, welche Geringschätzung Sie den Bürgern entgegenbringen.

Von welchen Errungenschaften ist eigentlich die Rede? Ich sehe als direkte Auswirkung der Gemeinschaftspolitiken den Zusammenbruch unserer Landwirtschaften und unserer Wirtschaften, die Auslagerungen und die Umstellung auf Dienstleistungsbetriebe, die Dauerarbeitslosigkeit und die Armut, die Auflösung unserer Sozialschutzsysteme, die Öffnung unserer Grenzen für Massenzuwanderung, Terrorismus und internationale Kriminalität. Es stimmt, dass das Brüsseler Europa nicht allein dafür verantwortlich ist, es konnte diese Phänomene nur dank der Beihilfe von Regierungen aller politischer Ausrichtungen schaffen oder verschlimmern, die beschlossen haben, die Unabhängigkeit ihres Landes und die Freiheit ihrer Bevölkerung dem Brüsseler Leviathan zu opfern.

Die Europäische Verfassung wird diesen Furcht erregenden Bau, der vor über vierzig Jahren begonnen wurde, vollenden. Sie wünschen sie sich, wir lehnen sie ab, weil Europa und die Europäer besseres verdienen als diesen seelenlosen Superstaat. Wir lehnen sie ab im Namen der Freiheit, im Namen der Unabhängigkeit, im Namen der Souveränität, die allein den Völkern gehört und die unveräußerlich ist, im Namen des Rechts eben dieser Völker, über sich selbst zu verfügen. Die Verfassungsgeber haben ihr Vaterland verraten. Ihre Verantwortung ist erdrückend. Sie werden von der Geschichte und von den kommenden Generationen verflucht werden.

 
  
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  Tajani (PPE-DE). (IT) Herr Präsident! Wir würden einen schweren Fehler begehen, wenn wir die Union nur als wirtschaftliche Größe oder großes Freihandelsgebiet oder sogar eine Art Superstaat betrachten würden, der an die Stelle der Nationalstaaten tritt. Europa ist vor allem ein hohes Ideal, und es war ein Ideal für die Gründungsväter Alcide De Gasperi und Konrad Adenauer, von Robert Schuman bis Altiero Spinelli, von Gaetano Martino bis Helmut Kohl. Europa, das ist unsere Geschichte. Es ist die Synthese unserer Kulturen und unserer Sprachen, es ist unsere Identität und unsere Zukunft. Es ist das Europa der Werte, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht, das Europa der Freiheit, der Solidarität und der Subsidiarität.

Wir dürfen uns die Union nicht als eng in ihren Grenzen eingeschlossen vorstellen; wir dürfen uns Europa nicht als eine – wenn auch effektive – Maschine vorstellen, die von einem Beamtenapparat gesteuert wird, der immer wieder die Regeln ändert. Vielmehr muss Europa - auf der Grundlage des Prinzips der Subsidiarität selbst - die großen Probleme der Bürger lösen, die andere Institutionen nicht bewältigen können.

Bringt die Verfassung diese Werte zum Ausdruck? Die Antwort lautet im Wesentlichen „Ja“, auch wenn wir unser tiefes Bedauern wegen des fehlenden Hinweises auf die christlich-jüdischen Wurzeln der Union nicht verhehlen können. Dieser Hinweis wäre doch kein Glaubensbekenntnis gewesen, sondern die Nennung unserer unleugbaren historischen Wurzeln.

Der Beschluss, die Verfassung in Rom zu unterzeichnen, bedeutet für unser Land eine wichtige Anerkennung der Arbeit, die während des sechsmonatigen italienischen Ratsvorsitzes geleistet wurde. Einem Grundgesetz muss jedoch Leben eingehaucht werden, damit es wirksam ist, das heißt es muss in die Tat umgesetzt und mit politischer Kraft ausgestattet werden. Deshalb muss Europa über die Verfassung nun wirklich mit einer Stimme in der Außenpolitik sprechen. Es muss sich einen Sitz im neuen UNO-Sicherheitsrat erobern, und es muss Frieden und nicht nur besondere Interessen in den Mittelmeerraum und in den Nahen Osten tragen. Die Welt der Globalisierung braucht dieses Europa, das Europa der Solidarität, der Subsidiarität und der Menschenrechte - das politische Europa der Menschen, die dieses Parlament wahrhaftig vertritt.

(Beifall)

 
  
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  Grabowska, Genowefa (PSE).   (PL) Vielen Dank, Herr Präsident! Es kann keinen Zweifel daran geben, dass Europa, die Mitgliedstaaten und vor allem die Bürger Europas eine europäische Verfassung brauchen. Der gegenwärtige Rahmen der Verträge ist für ein wachsendes Europa zu eng. Was für 15 Mitgliedstaaten angemessen war, ist für 25 Mitgliedstaaten nicht mehr ausreichend. Schließlich würde man auch nicht versuchen, einen 25jährigen in den Anzug zu zwängen, den er als 15jähriger getragen hat. Man müsste ihm einen neuen Anzug kaufen. So ist es auch mit Europa, und die erweiterte Europäische Union braucht deshalb einen rechtlichen und organisatorischen Rahmen, der ihrer Größe, ihren Absichten und Zielen angemessen ist. Die Europäische Verfassung schafft einen solchen Rahmen.

Die Verfassung ist ein gutes Dokument, weil sie einen Kompromiss darstellt. Sie macht die EU bürgerfreundlicher, effizienter und besser. Sie macht die Union auch zu einem Ort, an dem Menschen geschätzt werden und wo Demokratie und Sicherheit gewahrt werden. Sie schafft zudem ein hohes Maß an Schutz für die persönlichen Rechte der Bürger und gewährt ihnen besseren Zugang zu den Angelegenheiten der gesamten EU sowie Einfluss auf die Legislative der Europäischen Union. Die Bürger der EU sind sich dessen bewusst und unterstützen deshalb so zahlreich die Europäische Verfassung, auch wenn sie nicht mit allen Einzelheiten ihres Inhalts vollständig vertraut sind. So ist es in meinem Heimatland Polen. Voller Stolz kann ich Ihnen mitteilen, dass 73 % der Polen die Europäische Verfassung unterstützen, trotz der von meiner Regierung zum Ausdruck gebrachten Vorbehalte zum Entwurf des Vertrags, und trotz der in meinem Land gegen die Verfassung geführten Kampagne.

Es hat sich gezeigt, dass es falsch ist, die Verfassung für innenpolitische Auseinandersetzungen zu instrumentalisieren. Keine politische Partei hat das Recht, die Ablehnung der Verfassung zu fordern, auch nicht, wenn sie sich in der Opposition befindet. Volksabstimmungen über die Verfassung sollten ihren Inhalt zum Gegenstand haben und nicht in Volksentscheide gegen die Regierung umgemünzt werden. Die Bürger der Europäischen Union wissen dies, und deshalb wissen sie besser als Politiker, was gut für sie ist. Sie vertreten die Ansicht, wer für Europa ist, ist für die Europäische Verfassung. Wir sollten auf sie hören.

 
  
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  Koch-Mehrin (ALDE). Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die europäische Verfassung, der europäische Verfassungsvertrag ist besser als alles, was wir bisher in der Europäischen Union als Rechtsgrundlage haben. Und er ist ein guter, akzeptabler Kompromiss, so dass wir als Fraktion ihm auch wirklich zustimmen können.

Vor allem sollte man den europäischen Verfassungsvertrag als eine große Chance dafür betrachten, dass man eine gemeinsame europäische Identität aufbauen kann. Denn das ist es ja, was wir in Europa unbedingt brauchen, ein Wir-Gefühl, eine Zusammengehörigkeit, dass wir uns alle als Europäer und als Deutsche, Nordrhein-Westfalen und Kölner, wie in meinem Fall, fühlen, dass das über diesen europäischen Verfassungsvertrag möglich wird. Wir haben gemeinsame Werte in diesem Verfassungsvertrag festgeschrieben, und dadurch wird der alte Kontinent auch so etwas wie eine neue Welt. Denn wir definieren genau, was uns zusammenhält, und das ist das so Wunderbare an diesem Verfassungsvertrag.

Damit dieses Wir-Gefühl, diese Identität, entsteht, ist es ganz wichtig, dass wirklich alle Europäer selbst entscheiden können, ob sie diese Verfassung wollen. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass es Referenden in allen europäischen Ländern gibt. Denn schon jetzt kann zwar eine Mehrheit der Bevölkerung über den Verfassungsvertrag abstimmen, aber nicht alle Europäer. Damit die europäischen Bürger erstens wissen, dass es diese Verfassung gibt, und zweitens auch, nachdem sie sich damit befasst haben, wissen, dass sie diese Verfassung wollen, ist es wichtig, dass sie selbst gefragt werden. Daher sollten wir die Menschen selbst abstimmen lassen und uns dafür einsetzen, dass es in allen Ländern Referenden gibt. Es wird leider nicht möglich sein, das an einem Tag zu organisieren, aber immerhin, wenn die Menschen selbst gefragt werden, ist die Beteiligung, die Identität, das Wir-Gefühl größer.

 
  
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  Onesta (Verts/ALE). (FR) Verehrte Kollegen, ich möchte Sie bitten, diesen Verfassungsvertrag nicht als fertigen sondern als Gegenstand im Werden zu betrachten. Der europäische Gedanke war niemals starr, und er wird auch heute in dem Text dieses neuen Vertrages nicht erstarren. Diese Verfassung ist eine wichtige, wesentliche, unverzichtbare Etappe, aber es ist nur eine Etappe.

Valéry Giscard d'Estaing hatte von diesem Text gesagt, dass er unerwartet gut sei. Ich ziehe es vor zu sagen, dass er reichlich verbesserungsfähig ist, da er trotz der unbestreitbaren Verbesserungen noch zahlreiche Schlacken der vergangenen Texte enthält.

Unsere Mitbürger sind bereit, mit diesem Text zu leben wie mit einem Zwischenbericht ihrer gemeinsamen Geschichte, aber sie haben keine Lust, jahrzehntelang von ihm gefesselt zu sein, mit einem politischen Cursor, der ewig an dem hängen bleibt, was der europäische Kompromiss Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts war. Hier erhält der Änderungsantrag 17, den ich im Namen meiner Fraktion eingereicht habe und den zahlreiche Kollegen mit unterzeichnet haben, seine ganze Bedeutung. Durch diesen sehr klaren und kurzen Änderungsantrag bekundet das Parlament, ich zitiere, „seinen Willen, das neue Initiativrecht, das ihm die Verfassung übertragen wird, zu nutzen, um Verbesserungen an der Verfassung vorzuschlagen“.

Ich danke unseren beiden Koberichterstattern, Richard Corbett und Iñigo Méndez de Vigo, dass sie diesen Änderungsantrag unterstützt haben, denn durch ihn zeigt unser Haus, dass es sich für die sozialen und demokratischen Fortschritte, die unsere Mitbürger erwarten, einsetzt und gleichzeitig der Motor der Entwicklung Europas ist und bleibt. Durch einen blockierten Text könnte die Verfassung blockiert werden, und ob es Valéry Giscard d'Estaing gefällt oder nicht, wenn der Verfassungsvertrag in Marmor gemeißelt werden müsste, dann wäre es nicht der Marmor des Reiterstandbilds des Konventspräsidenten, sondern vielleicht der des Grabsteins des europäischen Projekts.

Die Fraktion der Grünen lädt Sie folglich erneut zu einem vorwärts schreitenden Europa ein, denn der Verfassungsprozess ist noch in seinen Anfängen, und eben weil er so jung ist, ist er so stark und interessant.

 
  
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  Ransdorf (GUE/NGL). (CS) Ich habe einmal ein Buch über die Entstehung der Menschenrechtstheorie und über die amerikanische Verfassung geschrieben, von daher sehe ich durchaus auch die positiven Aspekte dieses Dokuments. Allerdings kann ich nicht verstehen, weshalb sich das Europäische Parlament durch Unterstützung dieses Dokuments freiwillig zu einer zweitklassigen Position verurteilen will.

In Artikel III-330 Absatz 2 heißt es: „Durch Europäisches Gesetz des Europäischen Parlaments werden die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Wahrnehmung der Aufgaben der Mitglieder des Europäischen Parlaments festgelegt. Das Europäische Parlament beschließt aus eigener Initiative nach Anhörung der Kommission und nach Zustimmung des Rates. Der Rat beschließt einstimmig über alle Vorschriften und Bedingungen, die die Steuerregelung für die Mitglieder oder ehemaligen Mitglieder betreffen.“

Damit wird die Vormachtstellung der Kommission, der Exekutive, die mehr Rechte hat als wir, ebenso gewahrt wie die ungerechten Disparitäten gegenüber uns als den legitimen Vertretern der Menschen in Europa. Nur wir sind wirklich legitimiert, während alle anderen europäischen Organe indirekt legitimiert sind, weshalb ich glaube, dass diese Bestimmung weggelassen werden muss. Wenn auch Frau Wallström eben sagte, dass wir mehr Demokratie hätten, ich glaube nicht, dass wir mehr Demokratie wollen, sondern einfach nur Demokratie, rein und schlicht.

 
  
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  Karatzaferis (IND/DEM). – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Sie die Verfassung, oder als was auch immer Sie diese letztendlich bezeichnen wollen, einem Karikaturisten in irgendeinem europäischen Land geben würden, der die Grundsätze der Demokratie, der nationalen Souveränität und die Werte des historischen und kulturellen Erbes respektiert, dann würde er sie wie einen Fleischwolf darstellen, aus dem unterschiedliche Teile von verschiedenen Tieren, von Schafen bis hin zu Kühen, in Form von Hackfleisch quellen. Die Menschen sind jedoch keine Tiere, und es ist ein Verbrechen, sie wie Hackfleisch zu behandeln. Das hat der Faschismus mit Waffengewalt getan, und inzwischen gibt es Leute, die ihn um seine Absichten zu beneiden scheinen, werden 65 Jahre später doch andere Waffen, etwa Geld und Propaganda, zu dem gleichen Zweck eingesetzt. Wir sagen deshalb Nein dazu, die Völker Europas in Konservendosen zu verpacken, Nein zum Gesetz des Dschungels, das die Schwachen auslaugt, Nein zur Durchsetzung hinterlistiger Methoden und Förderung von Personenkreisen, die anderen schaden wollen, Nein zu Bestrebungen, aus den Bürgern fügsame Roboter zu machen, die nach der Pfeife multinationaler Unternehmen und Banken tanzen. Wir sagen Ja zum Recht auf eine eigene Meinung und auf Widerspruch, Ja zum Europa der souveränen Nationen, Ja zum Christentum und zu den Menschenrechten, Ja zum Stolz und zur Würde der Völker. „Ich erkenne dich an der schrecklichen Schneide deines Schwertes. Ich erkenne dich an der Gewalt deines Blickes, der machtvoll über die Erde gleitet.“ Und Gewalt, die sich gegen den Geist richtet, ist schlimmer als Gewalt gegen den Körper. Wir haben noch Zeit, Widerstand zu üben. Wir haben Zeit, die Globalisierung und die Neuordnung der Verhältnisse abzuwenden. „Alors enfants de la liberté“.

 
  
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  Camre (UEN).(DA) Herr Präsident! Seit dem Zusammenschluss der ersten sechs Länder haben die Europäischen Gemeinschaften eine Form von Zusammenarbeit entwickelt, die nicht perfekt ist, aber trotzdem eine Form der Zusammenarbeit zwischen gleichwertigen Staaten, deren Regierungen in Fragen der kooperativen Teilnahme der Staaten das letzte Wort haben. Die Anhänger dieser Verfassung haben heute allerdings nicht die Tatsache verschwiegen, dass Europa nicht von den Regierungen der Länder, sondern von einer starken Kommission regiert werden soll, deren parlamentarische Legalität beim direkt gewählten Europäischen Parlament liegt.

Meine Partei und ich bestreiten den Sinn und die Gültigkeit dieser Konstruktion. Diese Verfassung ersetzt die Unabhängigkeit der Länder durch ein nichttransparentes Regime, das Ziele verfolgt, die allzu oft nicht die Unterstützung der Basis finden. Im ältesten Verfassungsdokument meines Landes, dem Jütländischen Gesetz von 1241, wird zum Beispiel gefordert: „Das Gesetz soll ehrbar, rechtlich und duldsam sein, nach Landesgewohnheit bequem und nützlich und deutlich, so dass alle Menschen erkennen und verstehen können, was das Gesetz sagt.“ Von der Verfassung, die wir heute in diesem Haus debattieren, kann gesagt werden, dass sie nicht ehrbar ist, was die dahinter stehenden Absichten anbelangt. Wenn überhaupt „rechtlich“, dann ist sie das nur in den Augen jener, die in ganz Europa Macht anhäufen wollen. Gegenüber der Mehrheit der Europäer ist sie nicht duldsam, da sie der Gewohnheit nur weniger Länder entspricht. Sie ist weder nützlich für die freie Zusammenarbeit noch deutlich formuliert, weil niemand erkennen und verstehen kann, was die Verfassung aussagt.

Dieser Verfassungsentwurf muss zurückgewiesen werden, sonst wird die EU als Regime der großen Mächte enden, was die EU insgesamt beschädigen wird. Ich empfehle den Änderungsantrag der Minderheit. Europa verdient es besser.

 
  
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  Baco (NI). (SK) Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, meine Zeit nutzen, um einen konkreten zusätzlichen Vorschlag zu erläutern, der etwas vom Geist der bisherigen Diskussion abweicht. Mit dem Vorschlag, auf den ich mich beziehe, dem Änderungsantrag Nr. 10, wird eine der von der Verfassung verursachten Diskrepanzen, von denen heute schon so oft die Rede war, korrigiert, denn der Wortlaut zur Agrarpolitik in der Verfassung ist völlig veraltet, er hinkt der Zeit um 50 Jahre hinterher. Vor einem halben Jahrhundert bestand das legitime Ziel der Agrarpolitik in der Erzeugung von Nahrungsmitteln in ausreichender Menge.

Heute ist die Lage genau umgekehrt: Europa steht vor dem Problem der Beseitigung seiner Überproduktion. Der Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments hat in seiner Stellungnahme zur Verfassung auf den direkten Konflikt zwischen den ursprünglichen Zielen der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Verfassung hingewiesen. Andererseits ist erhöhte Wettbewerbsfähigkeit das vorrangige Ziel aller Reformen, die in der Gemeinsamen Agrarpolitik durchgeführt wurden und werden, doch dieses Ziel findet sich nicht in der Verfassung. Mit dem Änderungsantrag wird dies korrigiert. Es wäre für das Europäische Parlament auch wünschenswert, diesen Änderungsantrag anzunehmen, weil in der gesamten Entschließung des Europäischen Parlaments dies der einzige Bezug auf die wichtigste gemeinsame Politik, die Agrarpolitik, wäre.

 
  
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  Szájer (PPE-DE). (HU) Das Thema unserer Aussprache, die Verfassung, könnte das erste gemeinsame Werk des wiedervereinten Europa werden. Die Mitgliedstaaten können es auch als ihr Werk betrachten, da wir, mich eingeschlossen, anderthalb Jahre lang durch die Arbeit des Konvents an der Erarbeitung der Verfassung mitgewirkt haben. Vielleicht ist es kein Zufall, dass zwei neue Mitgliedstaaten, Litauen und Ungarn, die Verfassung als Erste ratifiziert haben. Das ungarische Parlament hat sogar einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem die Minderheitenrechte zu den Grundsätzen der Verfassung hinzugefügt wurden. Dies ist ein wichtiger Grundsatz, denn Europa ist auch das Europa der Minderheiten, jeder bildet in Europa auch eine Minderheit. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Ausübung der Minderheitenrechte auf gemeinsamer und gegenseitiger Basis erfolgt und dass dies auch durch die Verfassung ermöglicht wird. Daher freuen wir uns über diesen Punkt.

Doch finde ich es ein wenig beunruhigend, dass bei sehr vielen hier im Europäischen Parlament und auch in der europäischen Öffentlichkeit die Anerkennung der historischen Tatsache Anstoß erregt hat, dass das Christentum zum Aufbau eines gemeinsamen Europa, zur Schaffung des heutigen Europa beigetragen hat. Niemand wollte den Versuch unternehmen, das säkulare Europa abzuschaffen, doch war es unseres Erachtens notwendig, neben der Erwähnung des Erbes des Humanismus, der Aufklärung und anderer gemeinsamer europäischer Werte in der Präambel auch den Beitrag des Christentums zu diesem gemeinsamen Europa und seine Rolle dabei anzuerkennen, dass wir heute hier sein können. Jedoch freue ich mich darüber, dass die Verfassung die Möglichkeit eines institutionellen Dialogs zwischen den Kirchen und der Europäischen Union ermöglicht, was für die Kirchen von besonderer Bedeutung ist. Das hat Gültigkeit, ganz egal wie vielen das auch missfällt.

 
  
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  Tabajdi (PSE). (HU) Als Leiter der ungarischen sozialistischen Delegation und als Vorsitzender der interinstitutionellen Arbeitsgruppe für traditionelle nationale Minderheiten, Regionalsprachen und verfassungsgemäße Regionen begrüße ich den Verfassungsvertrag. Dieser Verfassungsvertrag ist in vielerlei Hinsicht von historischer Bedeutung. Für die nationalen Minderheiten ist er es mit Sicherheit, da zum ersten Mal in der Geschichte der Union die Minderheitenrechte zu einem Teil des gemeinsamen Besitzstandes werden. Endlich kann in der Europäischen Union ein funktionierendes System zum Schutz der Minderheitenrechte geschaffen werden. Als ungarischer Sozialist bin ich besonders stolz darauf, dass meine Regierung den Abschnitt über die Minderheitengruppen ins Leben gerufen hat.

Millionen Angehörige von nationalen Minderheitengruppen werden das In-Kraft-Treten des Verfassungsvertrags feiern. Ich vertrete ein Land, dessen Bevölkerung zu 10 % aus nationalen Minderheiten besteht, und von einem kulturellen Standpunkt aus betrachtet, lebt ein Drittel seiner Bevölkerung außerhalb der Landesgrenzen. Als Vertreter des Europäischen Parlaments hatte ich bei der Ratifizierungsdebatte im ungarischen Parlament das Recht zu sagen, dass jedes Land, so auch Ungarn, von jetzt an über zwei Verfassungen verfügen soll. Dabei muss die Verfassung mit den umfassenderen Vorschriften eingehalten werden. Wir müssen dafür sorgen, dass wir uns immer auf die Verfassung beziehen, die unseren Bürgern, den Bürgern Europas mehr Rechte sichert. In diesem Sinne werden alle Länder eine Bereicherung erfahren. Was die Minderheitenrechte betrifft, ist die ungarische Verfassung wesentlich umfassender als der europäische Verfassungsvertrag, denn sie enthält kollektive Rechte, erkennt die nationalen Minderheiten als Entscheidungsgröße bei der Gesetzgebung an, betont neben der Gleichbehandlung die Bedeutung einer Vorteilsbehandlung, einer positiven Diskriminierung, und ermöglicht es den Minderheiten auf allen Ebenen, Institutionen der Selbstverwaltung einzurichten.

 
  
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  Maaten (ALDE).(NL) Herr Präsident! An dem Verfassungsvertrag wäre eine Menge zu beanstanden, und obschon der Text zweifellos eine Verbesserung gegenüber der gegenwärtigen Situation darstellt, bleibt doch die Frage, ob er gut genug ist. Meiner Ansicht nach gibt es einige Bereiche, in denen Chancen verpasst wurden.

Nehmen wir beispielsweise die Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission. Meiner Meinung nach sollte er von den europäischen Bürgern gewählt werden, oder jedenfalls vom Europäischen Parlament. So steht es in der Tat in der neuen Verfassung, doch da es von vornherein nur einen Kandidaten und nicht mehrere Kandidaten gibt, besteht somit keine Auswahl.

Das Gleiche gilt für die Mitentscheidung, einem wunderbaren europäischen Modell: generell sollten eine breite Mehrheit der Völker und eine politische Mehrheit gelten. Zwar ist das in der Verfassung festgelegt, doch wird sehr wenig davon schon jetzt in die Praxis umgesetzt werden. Infolgedessen besteht die Möglichkeit für noch mehr Effizienz und mehr Demokratie. Bei der Ratifizierung der Verfassung - jedenfalls in den Ländern, in denen eine Volksabstimmung darüber durchzuführen ist - werden jedoch keine Feinheiten und nicht die Unterschiede zwischen der alten und neuen Situation Gegenstand der Debatte sein. Diese Diskussion bleibt sachverständigen Kennern wie uns vorbehalten. Bei dem Vertrag geht es um mehr als um diese Neuerungen, es geht um den Text als Ganzes. Wir werden über einen Text abstimmen, der wiedergibt, was wir in über 50 Jahren Europa aufgebaut haben – fünfzig Jahre Frieden, Sicherheit, freier Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. Wenn ich an die Chancen und die verlockenden Aufgaben denke, die die Niederländer, gemeinsam mit allen Europäern, in dieser erweiterten Union wahrnehmen können, so habe ich keine Bedenken und stimme dafür.

In einigen Monaten wird in den Niederlanden ein Referendum stattfinden. Ich wende mich jetzt schon gegen das Argument, aufgrund des neuen Verfassungsvertrags würde ein bevorstehender Beitritt der Türkei bedeuten, dass kleine Mitgliedstaaten, wie die Niederlande, innerhalb der Union mehr oder weniger in Vergessenheit geraten könnten. Das ist Stimmungsmache, denn bei der Türkei handelt es sich um einen getrennten Beschluss, und meines Erachtens sollten die Bürger zu gegebener Zeit in einem Referendum selbst darüber entscheiden. Es ist aber auch ein Zeichen von Engstirnigkeit. Gerade in dem gegenwärtigen institutionellen Chaos in Europa können große Mitgliedstaaten einen unverhältnismäßigen Einfluss ausüben, während kleinere Mitgliedstaaten davon profitieren, wenn Recht und Ordnung herrschen. Ich bin für ein verantwortliches und demokratisches Regieren und gegen Chaos.

Bei dem anstehenden Volksentscheid werden die niederländischen Liberalen eine aktive Kampagne für den neuen EU-Verfassungsvertrag führen.

 
  
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  Schlyter (Verts/ALE). (SV) Herr Präsident! Der schlimmste Satz in der Verfassung, der gegen die Grundidee der Kohle- und Stahlunion verstößt, ist folgender: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“. Wäre es das Ziel gewesen, den Verteidigungshaushalt durch größere Effizienz zu verringern, wäre das auch so dargestellt worden. Jetzt besteht das eindeutige Ziel in einer Erhöhung der militärischen Schlagkraft der EU.

Von der Abrüstung gehen wir jetzt in Richtung Aufrüstung. Betrachten wir in diesem Zusammenhang noch folgende Aussage: „In ihren Beziehungen zur übrigen Welt schützt und fördert die Union ihre Werte und Interessen“, können wir eine Rückkehr zu einer 500 Jahre alten Kolonialpolitik erkennen. Das könnte die übrige Welt in Unruhe versetzen, da man sich dort noch an das letzte Mal erinnert, als wir unsere Zivilisation mit militärischen Mitteln verbreiten wollten. Das schafft vielleicht Frieden bei uns, führt aber zu Besorgnis in der Welt.

Dies ist kein Dokument für die Zukunft, sondern eine Rückkehr zum Imperialismus und Kolonialismus der Vergangenheit. Das lehne ich ab.

 
  
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  Seppänen (GUE/NGL). (FI) Herr Präsident, ich bin, wie auch meine gesamte Fraktion, für die Ablehnung der Verfassung. Gleichzeitig möchte ich daran erinnern, dass das Europäische Parlament in dieser Angelegenheit keine Befugnis hat. Diese Debatte und der auf ihrer Grundlage anzunehmende Bericht des Ausschusses, haben weder eine Rechtsgrundlage noch einen Wert.

Ein Grund für die Ablehnung der Verfassung besteht darin, dass sie eine Militarisierung der Europäischen Union bedeutet. Die Mitgliedstaaten müssen laut Verfassung sogar ihre Militärausgaben erhöhen. Es ist einfach unglaublich, wenn es Bestimmungen zu diesem Thema auf der Ebene der EU-Verfassung gibt. Die Regierungen der Mitgliedstaaten verhalten sich so, als wäre die Verfassung bereits in Kraft. Es ist beschlossen worden, 13 Gefechtsverbände zu bilden und sie so auszurüsten, als handele es sich um Stoßtrupps. Tatsächlich sind es Stoßtrupps, denn sie sollen für gesetzeswidrige militärische Operationen benutzt werden, weil die EU es so beschließt. Wir haben im Konvent keine Bestimmung für eine Verfassung angenommen, wonach Operationen außerhalb der EU-Grenzen immer gesetzeskonform sein müssen bzw. sie stets ein Mandat der Vereinten Nationen haben müssen.

Die Verfassung sollte abgelehnt werden, aber das lassen Sie die Völker tun. In der Tat reicht schon ein einziges Volk.

 
  
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  Železný (IND/DEM). (CS) Herr Präsident! Zum ersten Mal gibt es in diesem Haus Abgeordnete, die fünfzig Jahre unter einem totalitären Regime gelebt haben. Obwohl wir heute den Entwurf der Europäischen Verfassung behandeln, fühle ich mich manchmal in jene Zeiten zurückversetzt. Eine nicht gewählte Gruppe, der Konvent, hat übereilt ein Dokument erstellt. Auf ähnliche Weise hat früher eine mächtige Elite in unserem Land Entscheidungen getroffen und ihre Beschlüsse dann als vorherbestimmt und unvermeidlich veröffentlicht.

Man sagt uns heute, die Zurückweisung der Verfassung hätte eine Katastrophe kosmischen Ausmaßes zur Folge. Das Leben hat letzten Endes gezeigt, dass keine Katastrophen eingetreten sind, und das gilt auch jetzt. Es wurde ein hybrides Gebilde entwickelt, das Verfassungsprinzipien mit praktischer Politik vermengt und Interpretationen durch unkontrollierbare EU-Beamte breiten Raum lässt. Auch hier gibt es eine Parallele, denn auch bei uns gab es Dokumente, die Beschlüsse unseres Landes ohne Ermächtigung auf andere übertrugen.

Der Plenarsaal, in dem wir heute tagen, ist mit überschwänglichen Bannern zur Verfassung geschmückt. Bei solchen Gelegenheiten wurden auch bei uns Plakate aufgehängt und Blaskapellen spielten laut, damit der eigentliche Inhalt des angenommenen Dokuments von der Euphorie in den Hintergrund gedrängt wurde.

Wir brauchen keine Europäische Verfassung, und schon gar nicht das zur Abstimmung stehende unscharf formulierte Dokument. Es ist auch nicht nötig, Mittel der EU für spektakuläre Feierlichkeiten auszugeben. Dieses Geld sollten wir lieber nach Sri Lanka schicken.

 
  
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  Battilocchio (NI).(IT) Herr Präsident, ich spreche im Namen der neuen Sozialistischen Partei Italiens. Wir können die neue Europäische Verfassung nur herzlich begrüßen. Die Mitgliedstaaten treten immer mehr Hoheitsrechte zugunsten einer ehrgeizigen Gesamtidee ab, kraft derer 25 Länder Seite an Seite einen gemeinsamen Weg beschreiten.

Es sind 21 Jahre vergangen, seit dieses Hohe Haus mit großer Mehrheit den vom italienischen Abgeordneten Altiero Spinelli ausgearbeiteten Reformentwurf für die Europäische Union verabschiedete. Einen komplexen und kühnen Entwurf mit dem klaren Anliegen einer stärker integrierten Gemeinschaft. Seither haben die Nationen des Alten Kontinents die Grundfesten der Einheit in diesem internationalen Rahmen, der erhebliche Veränderungen und Wandlungsprozesse erfahren hat, Schritt für Schritt weiter gefestigt und gestärkt.

Vor diesem Hintergrund stellt die Verfassung, die am 29. Oktober – genau wie 1957 – in Rom unterzeichnet wurde, einen wichtigen Zielpunkt dar. Ein halbes Jahrhundert später führt der Weg Europas zurück an den Ort, an dem einst alles begann: eine faszinierende neue Herausforderung, die uns alle in die Schaffung und Gestaltung des Europa von morgen einbezieht.

 
  
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  Dehaene (PPE-DE). (NL) Herr Präsident! Als Vizepräsident des Konvents kann ich nur erfreut darüber sein, dass sich das Europäische Parlament morgen aller Wahrscheinlichkeit nach mit überwältigender Mehrheit für diese Verfassung aussprechen wird. Obwohl das Europäische Parlament vorerst noch keine förmliche Stellung dazu beziehen muss, wird mit dieser Stellungnahme auf der Grundlage des ausgezeichneten Berichts von Herrn Corbett und Herrn Méndez de Vigo meiner Meinung nach ein starkes Signal an Europa gesendet.

Tatsächlich waren wir im Konvent bemüht, auf die Herausforderungen, vor denen Europa steht, nämlich Erweiterung und Globalisierung, eine Antwort zu geben, und ohne den wichtigen Beitrag des Europäischen Parlaments hätte diese Verfassung nicht die Dimension erlangt, die sie heute besitzt. Meiner Meinung nach bedeutet diese Verfassung, obwohl sie einen Kompromiss darstellt, einen erheblichen qualitativen Sprung nach vorn. Die Verfassung bietet den notwendigen institutionellen Rahmen für das erweiterte Europa. Europa kann nämlich nicht mit den gleichen Institutionen und den gleichen Regeln wie bisher, als die Gemeinschaft noch fünfzehn Mitglieder hatte, weiter funktionieren.

Gleichzeitig besteht, wie ich meine, die eigentliche Dimension dieser Verfassung darin, dass, obwohl der erste Schritt seinerzeit in Maastricht getan wurde, der wirkliche Wandel von einer Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union erst heute vollzogen wird, nämlich mit dem Ende der Pfeiler, mit der Vergemeinschaftung des dritten Pfeilers betreffend den Raum der Freiheit und des Rechts sowie mit einer sehr viel stärker entwickelten Außenpolitik, die es Europa ermöglicht, in dieser globalisierten Welt mit einer einzigen Stimme zu sprechen.

Auch wenn, wie ich hoffe, eine breite Mehrheit diese Verfassung morgen unterstützen wird, sollten wir nicht vergessen, dass wir in diesem Hause eine große Verantwortung tragen, die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, dass Europa diese Verfassung braucht.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Ich erkläre die Sitzung für unterbrochen, sie wird um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.

 
  
  

VORSITZ: INGO FRIEDRICH
Vizepräsident

 
  
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  Der Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen! Vor den beiden Abstimmungen, die wir heute Mittag durchführen werden, erteile ich dem Vorsitzenden der Delegation zur Beobachtung der Präsidentenwahlen in Palästina, dem Kollegen und Vizepräsidenten McMillan-Scott, für eine Minute das Wort.

 
  
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  McMillan-Scott (PPE-DE), Vorsitzender der Ad-hoc-Delegation zur Beobachtung der Wahlen in Palästina. – (EN) Herr Präsident! Wir alle sind wohlbehalten aus Palästina zurückgekehrt. Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen – insgesamt waren wir 28 Beobachter, die bisher größte Delegation des Europäischen Parlaments –, der stellvertretenden Vorsitzenden, Frau Napoletano, und den Mitarbeitern, die uns begleiteten und die Beobachtungsmission vorbereiteten, meinen Dank aussprechen.

In unserer Eigenschaft als Abgeordnete des Europäischen Parlaments fällt uns die Aufgabe zu, Ende dieses Monats auf der Plenarsitzung in Brüssel ein fundiertes politisches Urteil über diese entscheidenden Wahlen abzugeben. Unseres Erachtens können die Palästinenser – und insbesondere die Frauen – stolz auf sich sein. Trotz der israelischen Besetzung und der Tatsache, dass die Bewohner Ostjerusalems und andere Palästinenser keine Gelegenheit zur Wahl hatten, ebnet diese Wahl den Weg für die palästinensischen Parlamentswahlen im Juli und könnte beispielgebend für andere Wahlen in der Region sein. Ich hoffe, dass das Europäische Parlament das Verlangen nach Demokratie in der gesamten arabischen Welt stillen wird.

(Beifall)

 

6. Abstimmungsstunde
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  Der Präsident. Wir kommen nun zur Abstimmung.

Gemäß Artikel 131 der Geschäftsordnung

Empfehlung (A6-0001/2005) von James Nicholson im Namen des Ausschusses für regionale Entwicklung zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds betreffend die Verlängerung der Dauer des Programms PEACE und die Bereitstellung neuer Verpflichtungsermächtigungen (16064/2004 - KOM(2004)0631 - C6-0252/2004 - 2004/0224(AVC))

 
  
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  Nicholson (PPE-DE), Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident! Ich bin für die Gelegenheit dankbar, mich an meine Kolleginnen und Kollegen wenden zu können, bevor mein Bericht – hoffentlich – im Plenum angenommen wird. Das Programm PEACE hat für Nordirland und das Grenzgebiet der Republik Irland weit mehr als nur finanzielle Bedeutung. Es stellt den bisher sichtbarsten Beitrag der Europäischen Union zum Aufbau einer stabilen Gesellschaft in Nordirland dar, und insofern kommt ihm auch enorme symbolische Bedeutung zu. Dieses Programm ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Europäische Union Unterstützung leistet, ohne sich in den politischen Prozess vor Ort einzumischen.

Im Namen der Menschen von Nordirland danke ich allen, die so hart daran gearbeitet haben, dass dieser Bericht die parlamentarischen Verfahren schnell durchlaufen konnte. Ich spreche dem Vorsitzenden und dem Sekretariat des Ausschusses für regionale Entwicklung meinen Dank dafür aus, dass sie dem Vorschlag Vorrang einräumten, nachdem er von der Kommission übermittelt wurde. Zudem bin ich dem Haushaltsausschuss für die schnelle Behandlung der finanziellen Aspekte dankbar, was die heutige Abstimmung erst möglich gemacht hat. Ich möchte mich auch beim Rat und bei der Kommission bedanken, bedaure jedoch, dass die britische und die irische Regierung keine höhere Summe gefordert haben. Der zugewiesene Betrag bleibt etwas hinter unseren ursprünglichen Erwartungen zurück. Ich freue mich jedoch über die Verlängerung des Programms PEACE und wäre dankbar, wenn dieses Symbol für das Engagement der EU zugunsten aller Menschen Nordirlands nachdrücklich unterstützt werden würde.

(Beifall)

 
  
  

(Das Parlament nimmt die legislative Entschließung an.)

Wahl des Europäischen Bürgerbeauftragten

Der Präsident. Nach der Tagesordnung folgt nun die Wahl des Europäischen Bürgerbeauftragten. Die Wahl erfolgt gemäß Artikel 194 Absatz 5 unserer Geschäftsordnung.

Ich habe folgende Bewerbungen erhalten:

– Herr Nikiforos Diamandouros

– Herr Giuseppe Fortunato

Zwei weitere Bewerbungen wurden für unzulässig erklärt.

(Es wird in geheimer Abstimmung gewählt.)

Das Ergebnis der Abstimmung zur Wahl des Europäischen Bürgerbeauftragten lautet wie folgt:

Anzahl der Abstimmenden: 643

Ungültige Stimmzettel: 34

Abgegebene Stimmen: 609

Erforderliche Mehrheit: 305

Es entfielen auf:

Nikiforos DIAMANDOUROS 564 Stimmen

Guiseppe FORTUNATO 45 Stimmen

Herr Diamandouros hat die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten. Er ist somit zum Europäischen Bürgerbeauftragten gewählt. Ich gratuliere ihm zu seiner Wahl und fordere ihn auf, sich gemäß Artikel 194 Absatz 7 der Geschäftsordnung unverzüglich vor dem Gerichtshof vereidigen zu lassen.

(Beifall)

 
  
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  Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herzlichen Glückwunsch, Herr Diamandouros! Wir hoffen, dass Sie ihre Aufgaben gemäß Artikel 195 des EG-Vertrags aktiv wahrnehmen, so wie sie dies bereits während ihrer vorangegangenen Amtszeit getan haben. Wir sind uns der wichtigen Rolle des Bürgerbeauftragten bewusst, der die Verantwortlichkeit der Verwaltung der Gemeinschaft stärkt und zum Nachdenken über Praktiken und Verfahren anregt. Ich verspreche, dass die Kommission weiterhin mit Ihnen aktiv und eng zusammenarbeiten wird.

Der Kommission ist auch bekannt, dass immer mehr Bürger von ihrem Recht Gebrauch machen, eine Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten einzureichen. Während der ersten zehn Monate des vergangenen Jahres stieg die Zahl der Beschwerden im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 2003 erheblich an. Die zunehmende Zahl der Beschwerden deutet meines Erachtens nicht etwa darauf hin, dass sich die Verwaltungspraxis der Gemeinschaftseinrichtungen verschlechtert hätte, sondern zeigt, dass die Bürger ihre Rechte kennen – zumindest hoffen wir das.

Die Kommission hofft auf eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Bürgerbeauftragten. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer wichtigen Arbeit!

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Die Abstimmung ist beendet.

 

7. Stimmerklärungen
  

Empfehlung : Nicholson (A6-0001/2005)

 
  
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  Allister (NI), schriftlich. (EN) Ich habe heute für die Verlängerung des Programms PEACE gestimmt, allerdings nicht ohne beträchtliche Bedenken. Ich habe deshalb Bedenken, weil die Mittel im Rahmen von PEACE bisher in Nordirland in höchst unausgewogener Weise bereitgestellt wurden, und zwar sehr zum Nachteil der protestantisch-unionistischen Bevölkerungsgruppe.

Außerdem wurden Gruppen terroristischer Häftlinge gegenüber Gruppen von Opfern bevorzugt, wobei Letztere nur deshalb Opfer sind, weil sie von eben jenen Terroristen dazu gemacht wurden.

Ich hoffe, dass dieses Unrecht im Rahmen der Verlängerung des PEACE-Programms wieder gutgemacht wird. Die vorgesehenen Mittel müssen gerechter verteilt werden.

 
  
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  De Rossa (PSE), schriftlich. (EN) Es ist mir eine große Freude, diesen Bericht zu unterstützen, und ich begrüße die vorgeschlagene Verlängerung des Programms PEACE für 2005 und 2006.

Dieser Beschluss ermöglicht es, die zur Förderung der Versöhnung vorgesehenen Maßnahmen im Rahmen von PEACE noch einige Jahre weiterzuführen. Die Fortsetzung dieser Friedensinitiativen ist für die Festigung des Vertrauens zwischen den Bevölkerungsgruppen und die Zusammenführung dieser Gemeinschaften von beiden Seiten der Grenze von unschätzbarem Wert.

Im Mittelpunkt von PEACE steht die Versöhnung, und die im Rahmen des Programms finanzierten Projekte haben maßgeblich zur Förderung der Verständigung und zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den Bevölkerungsgruppen beigetragen. Ich freue mich sehr, dass die Finanzierung bis Ende 2006 verlängert wurde, und ich hoffe von ganzem Herzen, dass im Rahmen der Finanziellen Vorausschau, sobald diese beschlossen ist und 2007 in Kraft tritt, weitere Mittel bereitgestellt werden.

Es steht außer Zweifel, dass unsere Hoffnung auf eine friedliche Zukunft davon abhängt, wie gut die verschiedenen im Rahmen des Programms finanzierten grenzüberschreitenden und Nord-Süd-Initiativen umgesetzt werden.

 
  
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  Goudin, Lundgren und Wohlin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Das Programm PEACE hat seine Berechtigung als innere Angelegenheit der Union. Die Akteure, die hauptsächlich und letztendlich Verantwortung für die Konsolidierung des Friedensprozesses tragen, sind jedoch Irland und Großbritannien.

Nach Ansicht der Juniliste ist es von entscheidender Bedeutung, dass die wirtschaftliche Unterstützung nicht als eine Art „Strukturbeihilfe“ verwendet wird, sondern der Förderung einer positiven Entwicklung des Friedensprozesses in Nordirland dient.

 
  
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  Isler Béguin (Verts/ALE), schriftlich. (FR) Wenn es nur nach den Grünen ginge, wäre der Verfassungsentwurf weit ehrgeiziger als der uns vorliegende Entwurf. Er würde es ermöglichen, das politische, soziale und ökologische Europa zu konkretisieren, für das wir eintreten. Es wäre ein Entwurf ohne Mehrdeutigkeit und ohne Unsicherheit was die Ziele angeht, ohne diesen dritten Teil, der, indem er nur die vorangegangenen Verträge aufgreift, im Widerspruch zu einem globalen ehrgeizigen Projekt für Europa steht. Dennoch, trotz seiner Schwächen, werde ich und rufe ich dazu auf, für diese Verfassung mit JA zu stimmen. Denn es wäre eine Absurdität und ein schwerer politischer Fehler, sich dem Lager der Nein-Sager anzuschließen, unter dem Vorwand, dass der endgültige Wortlaut nicht auf der Höhe der Herausforderungen ist.

Wir brauchen Europa mehr denn je, auch unvollkommen.

Mit einer Verfassung werden wir es schaffen, mit dem Aufbau dieses Europas des Friedens, Träger gemeinsamer Werte wie der Menschenrechte und der Demokratie, zu beginnen. Durch diesen bedeutenden Vertrag werden sich die Bürger Europas in einem echten gemeinsamen Projekt vereint fühlen. Es ist ein überzeugtes JA, für das ich mich durch meine Zustimmung zum Bericht Corbett einsetze.

Diese historische Gelegenheit zu verpassen, würde einer Negierung unserer eigenen Arbeit als Erbauer Europas gleichkommen und das ehrgeizige europäische Aufbauwerk, dem wir uns verschrieben haben, auf längere Sicht bremsen…

(Erklärung zur Abstimmung gekürzt gemäß Artikel 163 GO)

 
  
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  Marques (PPE-DE), schriftlich. (PT) Ich gratuliere Herrn Nicholson zu seinem ausgezeichneten Bericht über die Empfehlung zur Verlängerung der Dauer des Programms PEACE.

Das 1995 in Angriff genommene Programm PEACE ist auf Frieden und Versöhnung in Nordirland und der Grenzregion der Republik Irland ausgerichtet. Nach dem Erfolg des Programms PEACE I hat der Europäische Rat von Berlin 1999 die Verlängerung des Programm um weitere fünf Jahre beschlossen, um den durchgeführten Projekten Kontinuität zu verleihen.

Ich unterstütze die Position des Berichterstatters, damit in dieser Region Europas, die über 30 Jahre unter Gewalt leiden musste, alle Bemühungen gefördert werden, die soziale Eingliederung, wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung, Wiederbelebung städtischer und ländlicher Gebiete und grenzüberschreitende Zusammenarbeit ermöglichen.

Deshalb ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Umsetzung des Programms PEACE um weitere zwei Jahre bis Ende 2006 verlängert wird und so mit dem Programmplanungszeitraum im Rahmen der Strukturfonds und mit dem Vorschlag, den jährlichen Beitrag der Gemeinschaft für den Internationalen Fonds für Irland für denselben Zeitraum aufzustocken, zusammenfällt. Das langfristige Ziel besteht darin, die im Rahmen dieser zwei Instrumente finanzierten Maßnahmen mit den Interventionen zu vereinbaren, die im Rahmen der Kohäsionspolitik der EU in der Region durchgeführt werden.

 
  
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  Ó Neachtain (UEN), schriftlich. (EN) Ich begrüße diesen Bericht, mit dem das Europäische Parlament die Fortsetzung der EU-Finanzierung für das europäische Programm PEACE bis 2006 offiziell unterstützt.

Im Zeitraum 2005/2006 sind 108 Millionen Euro für diesen Fonds zur Förderung von Vorhaben in der Grenzregion sowie in Nordirland vorgesehen. Ein Drittel des Fonds, also 36 Millionen Euro, werden für Maßnahmen in der Grenzregion bereitgestellt, und die verbleibenden 72 Millionen Euro werden nach Nordirland fließen.

Aus dem europäischen Fonds für Frieden und Versöhnung 2000-2004 wurden allein 4 000 Projekte in Nordirland und in der Grenzregion unterstützt. Darüber hinaus stellt die Europäische Union jährlich 15 Millionen Euro für den Internationalen Fonds für Irland bereit und unterstützt seit Ende der achtziger Jahre aufeinander folgende Interreg-Programme.

Die Europäische Union hat maßgeblichen Anteil an der politischen und finanziellen Unterstützung des Friedensprozesses in Irland insgesamt, und es besteht kein Zweifel, dass sie auch künftig eine aktive und zentrale Rolle in diesem Bereich spielen wird.

 
  
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  Queiró (PPE-DE), schriftlich. (PT) Ich habe für den Bericht Nicholson über das Programm PEACE für Nordirland gestimmt, da es meiner Meinung darauf ankommt, dass die EU sich mit dem irischen Friedensprozess solidarisch zeigt. Unsere Solidarität muss durch die Unterstützung einer großen Zahl von Sektoren, Gruppen und Gemeinden, die von der Gewalt am stärksten betroffen waren, und die Förderung gemeinsamer Vorhaben der Glaubensgemeinschaften zum Ausdruck kommen.

Die Verwaltung der Finanzmittel durch lokale Partnerschaftsstrukturen und sektorspezifische Nichtregierungsorganisationen wird zur Stärkung der Bande des Friedens und der Versöhnung beitragen, die für die Stabilisierung Nordirlands von wesentlicher Bedeutung sind. Darüber hinaus halte ich das Ziel der finanziellen Ausgeglichenheit, die sich durch die Verlängerung des Programms PEACE um weitere zwei Jahre abzeichnet, für wesentlich, da die durch dieses Instrument und den Internationalen Fonds für Irland finanzierten Maßnahmen mit den Interventionen in Einklang gebracht werden, die im Rahmen des Kohäsionsfonds der EU in der Region durchgeführt werden.

 
  
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  Ribeiro e Castro (PPE-DE), schriftlich. (PT) In einem Europa, das seine Fähigkeit unter Beweis gestellt hat, in seinen Grenzen Frieden zu schaffen, kommt es erfreulicherweise immer weniger zu Erscheinungen wie in Nordirland und dem Baskenland.

Gleichwohl muss die EU die Anwendung von Gewalt als Mittel zur Lösung politischer Fragen aufgrund der Schwere der jeweiligen Situation auch weiterhin vehement und entschieden verurteilen.

Im Zusammenhang mit den Initiativen für einen Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen zwischen den beiden Seiten in Nordirland sollte meiner Meinung nach dasselbe Engagement gezeigt werden, wenn es um die Unterstützung von Initiativen geht, die auf die Herstellung eines dauerhaften Friedens in diesen Gebieten gerichtet sind.

Vor diesem Hintergrund begrüße ich die Beibehaltung der Finanzhilfe sowohl für Nordirland als auch der Grenzregionen der Republik Irland sowie die Verlängerung des Programms PEACE II um weitere zwei Jahre.

 

8. Berichtigungen des Stimmverhaltens
  

VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident

 

9. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll

10. Verfassung für Europa (Fortsetzung)
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  Der Präsident. – Wir setzen also die Aussprache über den Bericht von Herrn Corbett und Herrn Méndez de Vigo über den Vertrag über eine Verfassung für Europa fort.

 
  
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  Costa, António (PSE).(PT) Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission! Der neue Vertrag ist, wie allseits hervorgehoben wurde, aus institutioneller Sichtweise positiv zu bewerten. Mit dem neuen Vertrag werden wir eine stärkere, effizientere, demokratischere und dem Bürger näher stehende Union haben. In der Verfassung kommen aber auch, und das ist besonders wichtig, die gemeinsamen Werte zum Ausdruck, und sie ist ein politisches Vorhaben. Am augenscheinlichsten wird das durch die Aufnahme der Charta der Grundrechte in die Verfassung, wodurch eine Gesellschaft angestrebt wird, die sich als soziale Marktwirtschaft betrachtet und das Ziel der Vollbeschäftigung verfolgt.

Das sind keine leeren Worte; das sind die neuen Ziele der EU, die in Artikel I-3 des Vertrages verankert sind und von denen sich alle ihre Aktionen und Politiken leiten lassen müssen. So wird beispielsweise in Artikel III-185 über die Währungspolitik ausdrücklich festgelegt, dass das Europäische System der Zentralbanken, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist, die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union unterstützt, um zur Verwirklichung der in Artikel I-3 festgelegten Ziele der Union beizutragen.

Besonders hervorzuheben sind die horizontalen Durchführungsklauseln, die den in Artikel III vorgesehenen Maßnahmen und Politiken der Union zugrunde liegen. Gemäß Artikel III-115 bis III-122 ist durch die Politik der Union zu gewährleisten, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern, der Umwelt- und Verbraucherschutz, die sozialen Rechte, vor allem die Beschäftigung, gefördert und die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, um die mit öffentlichen Dienstleistungen und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse verbundenen Aufgaben erfüllen zu können.

Diese Beispiele verdeutlichen, wie der neue Vertrag das europäische Sozialmodell stärkt und Errungenschaften der Vergangenheit nicht preisgegeben, sondern neue und bedeutende Fortschritte verankert werden. Deshalb handelt es sich um eine gute Nachricht, erhält doch unser Wunsch, in einer Gesellschaft mit einem hohem Sozial- und Umweltschutzniveau zu leben, fassbare Gestalt.

 
  
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  Malmström (ALDE). (SV) Herr Präsident! Frau Kommissarin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor fünf Jahren waren wir einige Abgeordnete hier in diesem Haus, die versuchten, Spinellis Crocodile Club wieder zum Leben zu erwecken. Wir bildeten eine föderalistische interfraktionelle Arbeitsgruppe mit dem Ziel, für eine europäische Verfassung zu wirken.

Damals lächelten viele nachsichtig. In meinem Heimatland, Schweden, wurde mir gönnerhaft auf die Schulter geklopft, wenn ich von der Erarbeitung eines gemeinsamen Dokuments sprach, das deutlich macht, wofür wir stehen, warum wir das tun und wie wir arbeiten. Heute lacht niemand mehr und es ist nicht mehr besonders kontrovers, über eine europäische Verfassung zu reden. Die meisten sind dafür.

Durch den Konvent und mit harter Arbeit, nicht zuletzt hier im Europäischen Parlament, liegt uns jetzt ein Entwurf für eine europäische Verfassung vor. Das ist ein phantastischer Fortschritt und macht die EU offener, demokratischer, stellt den Bürger in den Mittelpunkt und vereinfacht die Beschlussfassung. Der Entschließungsantrag der Kollegen Corbett und Méndez de Vigo begründet sehr stichhaltig und anschaulich die Vorteile der neuen Verfassung und ist ein Dokument, das wirklich in der Kampagne Verwendung finden kann, denn es ist so geschrieben, dass man daraus etwas lernen kann.

Sicherlich könnte vieles besser sein, wie ja von vielen Abgeordneten betont worden ist. Ich persönlich hätte gern eine deutlichere Abgrenzung der Zuständigkeiten der EU gesehen. Mit so vielen Mitgliedstaaten wäre es sinnvoll gewesen, sich auf weniger Fragen für die europäische Ebene zu konzentrieren, um diese effizienter bearbeiten zu können. Ferner hätte meiner Ansicht nach der ständige Präsident besser in der Kommission als im Rat angesiedelt werden sollen.

Schließlich bedauere ich, dass während des Konvents die Frage, an welchem Ort das Europäische Parlament seinen Sitz haben sollte, nicht diskutiert worden ist. Dieses Hin und Her zwischen Straßburg und Brüssel muss ein Ende finden. Das ist teuer und ineffektiv und so lange es andauert, werden die Bürger nie volles Vertrauen in dieses Gemeinschaftsorgan haben.

Es kommen neue Zeiten. Wir werden neue Reformen durchführen können und in der Zukunft weitere Schritte in Richtung auf den nächsten Konvent und die nächste Verfassung gehen können. Zunächst muss jedoch die jetzige Verfassung ratifiziert werden. Insgesamt gesehen ist dies ein sehr guter Entwurf, der für die europäische Demokratie und für unsere Bürger einen Fortschritt darstellt.

Die Gegner sollten daran denken, dass die Alternative dazu der Vertrag von Nizza ist, der in keiner Weise die Demokratie in der EU stärkt. Ebenso wenig erleichtert er die Zusammenarbeit zwischen so vielen Mitgliedstaaten. Daher sehe ich der bevorstehenden Debatte, die bereits in den einzelnen Mitgliedstaaten geführt wird, mit großer Begeisterung entgegen und freue mich darauf, mit Ihnen zusammen auf den Straßen und Plätzen für die europäische Verfassung einzutreten.

 
  
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  Staes (Verts/ALE). (NL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zusammen mit den flämischen Grünen werde ich in den nächsten Monaten eine Kampagne für die belgische Ratifizierung der Verfassung im Bundesparlament, im flämischen und im Brüsseler Parlament führen. Morgen stimmen wir jedoch nicht über die Verfassung, sondern über den Bericht von Herrn Corbett und Herrn Méndez de Vigo ab, der mich enttäuscht hat. Er ist eine Apologie, eine zu einseitige Aufzählung der zahlreichen Vorteile der Verfassung. Welch verpasste Chance, Herr Corbett!

Hätte der, nunmehr auch auf der linken Seite erhobenen, Kritik nicht mehr Beachtung geschenkt werden sollen? Weshalb ist beispielsweise nicht die Feststellung gestattet, dass wir uns erst noch auf dem Wege zu einer ausgereiften europäischen Demokratie befinden, dass die Rolle der konstitutionellen Regionen ausgehöhlt wird, dass noch zu viele Politikfelder der Regierungszusammenarbeit überlassen werden, dass auf zu vielen Gebieten noch das Vetorecht gilt? Weshalb darf nicht gesagt werden, dass es der Europäischen Union noch zu sehr an einer Sozialordnung mangelt und dass sie zu neoliberal ausgerichtet ist?

Deshalb möchte ich Sie bitten, die von der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz eingereichten Änderungsanträge, insbesondere die Änderungsanträge 4, 9, 15 und 16, nochmals zu überdenken und sie bei der morgigen Abstimmung, hoffentlich, zu unterstützen.

 
  
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  Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident! Von den zahlreichen Gründen, die uns dazu veranlassen, den neuen Vertrag abzulehnen, möchte ich die Verstärkung des Zentralismus, des Föderalismus und der europäischen Bürokratie, das Beharren auf Politiken, die für alle Länder der Union unabhängig von ihrer konkreten Situationen gleichermaßen gelten, und die Verankerung des Neoliberalismus und der Militarisierung der Union hervorheben.

Die blinden Auflagen des Stabilitätspaktes, der Europäischen Zentralbank und der einheitlichen Geld- und Währungspolitik in den Ländern der Eurozone ohne Rücksicht auf die Situation jedes Landes haben zur Verschlechterung der sozialen Situation, zum Anwachsen der aus den Privatisierungen strategischer und öffentlicher Dienstleistungssektoren resultierenden Ungleichheiten und zu unerträglichen Angriffen auf die Rechte der Arbeitnehmer geführt.

Wir haben auch gesehen, wie diese Praktiken in der Landwirtschaft, in der Fischerei und in der Außenhandelspolitik zu Wirtschaftsrückgang, Arbeitslosigkeit und dem Zusammenbruch der Produktion in immer größeren Bereichen der wirtschaftlich schwachen Länder geführt haben. Ebenso wenig können wir der Werbekampagne für den neuen Vertrag zustimmen, der kaum demokratisch und sicher nicht pluralistisch ist und auf Argumenten der Befürworter basiert, die die Gründe derjenigen außer Acht lassen, die dagegen sind und für ein sozialeres und demokratischeres Europa kämpfen, das auf dem Grundsatz souveräner und gleichberechtigter Staaten basiert und dem Frieden verpflichtet ist.

 
  
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  Lundgren (IND/DEM). (SV) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Verfassung sollten sich die Regeln für die Politik sowie die Rechte der Bürger in einer Demokratie finden. Der Inhalt der Politik sollte darin nicht festgelegt sein. Sozialpolitik, Steuer- und Energiepolitik, Polizei- und Alkoholfragen sollten die Bürger eines jeden Landes gemeinsam in einem demokratischen Prozess regeln. Wenn der Volkswille sich in einem Land ändert, muss die Möglichkeit bestehen, die Politik zu ändern.

Der Entwurf, mit dem wir uns nun auseinander setzen, ist etwas völlig anderes. Er ist Ausdruck der Ambitionen, die die politische Klasse für das europäische Aufbauwerk verfolgt. Er regelt alle Fragen detailliert, befasst sich mit Tourismus und Landwirtschaft, legitimiert eine korporative Gesellschaft, zwingt jeden Mitgliedstaat in eine Währungsunion und strebt eine Machtkonzentration sowie ein von Technokraten regiertes Europa an.

Was uns hier als Verfassung präsentiert wird, ist der Versuch des politischen Establishments, das demokratische Recht der europäischen Völker auf eigene Gestaltung ihrer Zukunft an sich zu reißen. Aus diesem Grunde lehnt die Juniliste diesen Entwurf ab.

 
  
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  Toubon (PPE-DE). (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Unternehmen für das europäische Aufbauwerk hat den größten Raum des Rechts und der wirtschaftlichen Freiheit auf der Welt geschaffen, aber die Organisation unseres Kontinents darf da nicht stehen bleiben. Europa muss zu einem politischen Akteur werden, zu einem politischen Block, der mit demokratischer Macht und diplomatischer Stärke ausgestattet ist. Wir wollen ein Europa der Staaten und der Völker und deshalb müssen wir das Vertrauen der Bürger in die Europäische Union stärken. Genau das schlägt die in Rom unterzeichnete Verfassung vor.

Lassen Sie mich nochmals unsere Berichterstatter, Herrn Corbett und Herrn Méndez de Vigo, beglückwünschen und unterstreichen, welche Fortschritte der neue Vertrag mit sich bringt. Die Berichterstatter richten eine klare Botschaft an unsere Mitbürger: die Verfassung ist gut, es ist der bestmögliche Text. Sie schlägt ein stärker integriertes, effizienteres, politischeres Europa vor, das mehr auf die Bürger hört und innen wie außen stärker ist. Die Verfassung erhöht allerdings nicht die Kompetenzen der Union. Sie verhindert das Entstehen eines zentralisierten Superstaates, sie verankert die Rechtspersönlichkeit der Union, und sie gibt ihr ein menschliches Gesicht in Gestalt eines Präsidenten für längere Zeit und eines Außenministers. Zudem garantiert sie all unseren Mitbürgern den Schutz der Grundrechtecharta. Das Europäische Parlament gewinnt auf der europäischen politischen Bühne an Terrain. Schließlich erleichtert die Verfassung den Rückgriff auf die verstärkte Zusammenarbeit, die es ermöglicht, die Aufgaben der Zukunft zu meistern.

Nunmehr ist das Schicksal eines europäischen Landes untrennbar mit der Bestätigung seiner europäischen Persönlichkeit verbunden. Die Verfassung stellt für unsere Staaten die beste Form dar, bereits heute die Zukunft anzugehen. Die Einigung auf der Grundlage eines Textes, den alle gebilligt haben, ist ein hoher Anspruch. Nun wird dieser Anspruch durch den Willen der Politiker und zuerst durch unseren eigenen Willen Gestalt annehmen.

 
  
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  Van den Berg (PSE). (NL) Herr Präsident! Die niederländische Delegation innerhalb der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament vertritt die Auffassung, dass es bei der Aussprache um die Verfassung und nicht um die Frage geht, ob wir für oder gegen Europa sind. Unsere Befürwortung erfolgt mit Vorbehalten, denn worauf es uns ankommt, sind die Vorteile der neuen Verfassung gegenüber dem Vertrag von Nizza. Das Europa von Nizza ist unbestimmt, was die Frage nach seiner Bedeutung anbelangt. Der neue Vertrag hingegen sichert den Einfluss regionaler, dezentralisierter Körperschaften und macht die nationalen Parlamente zu Kontrollorganen, so dass Europa kein Superstaat zu werden droht, sondern eine effiziente und grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Bereichen Kriminalitätsbekämpfung und Lebensmittelsicherheit ermöglicht.

Des Weiteren werden in der neuen Verfassung mehr als 30 Arten von Entscheidungen durch einige wenige für die Bürger leicht zu verstehende Begriffe wie beispielsweise „Gesetz“ und „Ermächtigungsvorschrift“ ersetzt. Damit bietet die Verfassung größere Klarheit darüber, welche Art Europa wir wollen und auf welches Beschlussfassungsverfahren wir dazu zurückgreifen. Ferner gewährleistet die Verfassung mehr Effizienz, indem die Anzahl der Anwendungsbereiche qualifizierter Mehrheitsentscheidungen erweitert und damit sichergestellt wird, dass ein Einzelstaat keine Blockierungsmöglichkeit hat. Mehr demokratische Rechenschaftspflicht wird dadurch eingeführt, dass hinter verschlossenen Türen gefasste Beschlüsse weitgehend ausgeschlossen werden und der Rat öffentlich tagt, wenn er über Gesetzgebungsakte berät.

Schließlich bringt uns die Verfassung mehr Rechte für die Bürger: sozialer Dialog, die Aufnahme der Grundrechtecharta sowie selbstverständlich die Bürgerinitiative. Wer diesen wichtigen Schritt im europäischen Integrationsprozess nicht unterstützt, wird für die Fortdauer des bestehenden Vertrags von Nizza verantwortlich sein, der bürokratischer, schwerfälliger und in vielerlei Hinsicht undemokratisch ist.

Unsere Zustimmung ist nicht ohne kritische Anmerkungen, denn noch spricht Europa viel zu wenig mit nur einer Stimme. Das soziale Europa ist noch unzureichend verankert; deshalb ein „Ja“ mit Vorbehalt. Kurzum, die niederländische Delegation innerhalb der PSE-Fraktion gibt der Verfassung ein kritisches „Ja“. Bei der Volksabstimmung im Frühjahr werden wir diese Position, unterstützt von Johan Cruijff, katalanischer Niederländer oder niederländischer Katalane bei der spanischen Kampagne, vehement verteidigen. Auf diese Weise, so hoffen wir, werden wir in den Niederlanden Unterstützung für dieses neue Projekt, die neue Verfassung, finden.

 
  
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  Harkin (ALDE). (EN) Herr Präsident, Irland hat zwei Volksabstimmungen über den Vertrag von Nizza durchgeführt: bei der ersten haben wir mit Nein gestimmt und bei der zweiten mit Ja. Dafür gibt es viele Gründe, aber einer der Hauptgründe bestand darin, dass unsere Regierung die Zustimmung der Bürger für selbstverständlich hielt. Die Iren hatten Europa immer ihre Ja-Stimme gegeben, deshalb dachte man, dass es auch diesmal so sein würde. Doch dieses Mal hatten sich die Politiker geirrt. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen und jetzt dafür sorgen, dass die Bürger problemlosen Zugang zu sämtlichen Informationen haben, die sie benötigen.

Ich würde sogar so weit gehen vorzuschlagen, allen Haushalten ein Exemplar des Verfassungsentwurfs zur Verfügung zu stellen – auf jeden Fall all jenen Haushalten, die dies wünschen. Das würde viel Geld kosten, aber die Ausgaben würden sich lohnen. Ich würde ferner ganz entschieden den Vorschlag unterstützen, ein Dokument zu veröffentlichen, das einerseits erläutert, welche Regelungen die jetzigen Verträge bereits vorsehen, und was andererseits neu, verändert oder ganz anders ist. Das bedeutet nicht, wie einige meiner Vorredner behauptet haben, dass wir den Bürgern damit vorschreiben, was sie tun oder denken sollen, sondern wir geben ihnen die Möglichkeit, selbst zu entscheiden.

Wenn man in Irland eine staatliche Prüfung ablegt, dann wird man gegebenenfalls aufgefordert, etwas zu vergleichen und die Unterschiede herauszuarbeiten. Das sollten wir auch tun: Wir sollten beurteilen, ob das, was uns jetzt vorliegt, eine Verbesserung oder eine Verschlechterung darstellt. Ich will trotz aller bissigen Bemerkungen seitens vieler Euroskeptiker nicht behaupten, dieser Verfassungsentwurf sei der heilige Gral oder die Wiederkunft des Herrn, aber er ist für Europa ein positiver Schritt nach vorn und den unterstütze ich.

Für diese Feststellung habe ich viele Gründe, aber ich kann aus Zeitgründen nur einen nennen. Dieser Vertrag bringt die EU den Bürgern näher. So kann die Kommission durch eine Million Unterschriften veranlasst werden, einen Vorschlag zu erarbeiten. Das ist wirkliche Macht des Volkes! Stellen Sie sich vor, welche Möglichkeiten dies eröffnet: Wenn beispielsweise Bürgern in Lettland, Spanien, Irland oder Schweden eine Sache gemeinsam am Herzen liegt, dann könnten sie fordern, dass etwas unternommen wird. Schaffen wir damit nicht die Voraussetzungen für ein echtes Europa der Bürger?

 
  
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  Smith, Alyn (Verts/ALE). (EN) Herr Präsident, diese Verfassung enthält manches, was man bewundern muss, aber es gibt auch vieles, was uns nicht gefällt. Deshalb hat meine Partei insgesamt entschieden, den Bürgern von Schottland den Verfassungsentwurf nicht zu empfehlen und folglich dem Bericht die Zustimmung nicht zu geben.

Wir haben eine Reihe von Einwänden gegen die Verfassung selbst, aber ich möchte in den verbleibenden Sekunden lediglich die unzureichenden Subsidiaritätsmechanismen nennen. Schottland ist noch nicht unabhängig, aber das schottische Parlament ist schon jetzt das einzige Organ, das für Justiz, die Umwelt, Bildung, Gesundheit und viele andere Bereiche des Lebens in Schottland zuständig ist. Die in diesem Vertrag enthaltenen Bestimmungen für seine Integration in den Rechtsetzungsprozess der EU sind unzureichend.

Wir haben im Bereich der Fischerei gesehen, welch verheerende Konsequenzen EU-Regelungen haben können, die nicht den tatsächlichen Erfordernissen in den Mitgliedstaaten oder Territorien der Union entsprechen, und diese Verfassung wird die Rechtsetzung der EU für Schottland nicht ausreichend verbessern. Konkreter ausgedrückt, setzt sie sich über die Würde meines Landes hinweg. Wir können sie den Bürgern von Schottland nicht empfehlen und werden nicht für sie stimmen.

 
  
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  Sinnott (IND/DEM). (EN) Herr Präsident, ich komme aus einem Land mit einer Verfassung, die die Wahrheit über die grundlegenden Menschenrechte festschreibt: die Wahrheit, dass sie Teil der menschlichen Natur und von wesentlicher Bedeutung für die menschliche Würde sind; die Wahrheit, dass ein höheres Wesen und nicht einfach eine menschliche Institution uns - und zwar ausnahmslos uns allen - diese Rechte verliehen hat. Wir hatten in Irland Regierungen, die diese Rechte vernachlässigt oder uns gar vorenthalten haben, doch unter dem Schutz der Verfassung können selbst die Schwächsten und Gefährdetsten unter uns diese Rechte einklagen.

Die EU-Verfassung geht von der falschen Prämisse aus, dass die EU alle Rechte, selbst die Grundrechte, schafft. In diesem Sinne ist die EU nicht die Hüterin der Rechte, sondern diejenige, die diese Rechte gewährt.

Es fällt mir nicht im Traum ein, diese Verfassung zu unterstützen. Sie hat nicht erkannt, worin die einfache, aber wichtige Wahrheit der grundlegenden Menschenrechte besteht. Die Geschichte lehrt uns, dass immer dann, wenn Rechte von menschlichen Institutionen gewährt werden, Rechte zu Geschenken verkommen. Sie können selektiv gewährt, versagt oder sogar zurückgenommen werden. Ich werde die Wahrheit unterstützen, die besagt, dass die Grundrechte des Menschen von Gott gegeben sind. Ich werde die irische Verfassung gegen jede Usurpation verteidigen.

 
  
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  Demetriou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Zunächst einmal sollten wir, glaube ich, den Mitgliedern des Konvents über die Zukunft Europas, die diese Verfassung ausgearbeitet haben, unseren Dank aussprechen und gleichzeitig den Staatsoberhäuptern der Mitgliedstaaten gratulieren, die die Verfassung am 29. Oktober 2004 unterzeichnet haben. Und wir sollten auch den Vorsitzenden des Konvents, Herrn Giscard d’Estaing, nicht vergessen, dem wir ebenfalls zu Dank verpflichtet sind.

Ich habe nicht die Absicht, all das zu wiederholen, was zugunsten der Verfassung gesagt bzw. was in den Berichten der Berichterstatter geschrieben und von Ihnen geäußert worden ist. Ich stimme allem, was sie gesagt haben, voll und ganz zu und beglückwünsche sie zu dem exzellenten Bericht, den sie vorgelegt haben. Ich gratuliere Herrn Corbett und Herrn Méndez de Vigo von ganzem Herzen.

Der Text der Verfassung, über den wir heute diskutieren, ist, darin sind sich alle Redner einig, durchaus nicht perfekt. Er ist jedoch das Beste, was unter den gegenwärtigen politischen Umständen erreicht werden konnte. Er schafft eine demokratischere und handlungsfähigere Union und verleiht ihr innerhalb und außerhalb Europas eine größere Glaubwürdigkeit und mehr Gewicht. Die Europäische Union geht in die Weltgeschichte ein als eine Union von Staaten, deren Ziel darin besteht, Werten zu dienen. Im Mittelpunkt der Verfassungsbestimmungen steht der Mensch, der europäische Bürger, das Individuum. Die humanitäre Solidarität wird jetzt mit der Klausel, einen Mitgliedstaat im Falle eines gegen ihn gerichteten Angriffs zu verteidigen, auch auf die Ebene der Mitgliedstaaten übertragen. Eben diese Solidarität betone ich in dem von mir eingebrachten Änderungsantrag, für den ich um Ihre Zustimmung bitte.

Die Annahme der Verfassung für Europa ist ein großer Schritt nach vorn. Sie ist ein Meilenstein auf dem Weg in die Zukunft. Diejenigen, die nicht an die Europäische Union glauben, werden natürlich spitzfindige rechtliche Ausflüchte und politische Vorwände finden, um die Verfassung in Misskredit zu bringen, und das ist ihr gutes Recht. Eines sollten sie jedoch respektieren: dass ihre Regierungen, dass alle Regierungen diese Verfassung unterzeichnet haben. Deshalb müssen wir, ungeachtet unserer Vorbehalte und individuellen Ziele, uns alle dafür einsetzen und darauf hinwirken, dass diese Verfassung angenommen und von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wird.

 
  
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  Pahor, (PSE). (SL) Mit der Unterstützung dieses wirklich ausgezeichneten Berichts sind für das Europäische Parlament die großartige Möglichkeit und die große Verantwortung verbunden, unsere europäischen Mitbürger für die Unterstützung des europäischen Verfassungsvertrags zu gewinnen. Unsere Botschaft an die Bürger, die wir hier vertreten, lautet, dass die Befürwortung des europäischen Verfassungsvertrags einen wahrhaft außergewöhnlichen Fortschritt bei der Errichtung unseres gemeinsamen europäischen Hauses sowie eine Voraussetzung für dessen Weiterentwicklung in allen Bereichen darstellt.

Von der europäischen Diplomatie zur europäischen Demokratie ist es nur ein kleiner Schritt. Sollte der schlimmste Fall eintreten und der Vertrag aus diesen oder jenen Gründen nicht ratifiziert werden, hätte das nicht einfach nur ein Verharren im jetzigen Zustand zur Folge, sondern wäre ein signifikanter und gefährlicher Rückschritt.

Dies würde unsere Bemühungen um eine Zukunft gefährden, für die wir uns nicht nur Frieden, sondern auch wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt wünschen; eine Zukunft, in der ein demokratisches Europa auch weiterhin eine aktive und einflussreiche Rolle auf der internationalen politischen Bühne spielt.

Wir haben folglich heute die Möglichkeit, die ermutigende Botschaft zu verkünden, dass der europäische Verfassungsvertrag für eine demokratischere, erfolgreichere und geeintere Gemeinschaft der Bürger und Staaten von allergrößter Bedeutung ist, eine Gemeinschaft, die zum ersten Mal in der Geschichte fast eine halbe Milliarde Menschen friedlich zusammengeführt hat und in der auch Platz für kleinere Nationen wie mein Heimatland Slowenien ist, eine Gemeinschaft, die den Menschen die Möglichkeit gibt, ihre Identität zu entfalten und sich in einem Klima der Vielfalt mit anderen zusammenzuschließen, um unsere kollektiven Ziele beim Aufbau einer gemeinsamen europäischen Zukunft zu erreichen.

 
  
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  Wallis (ALDE). (EN) Herr Präsident, ich schließe mich den Glückwünschen an die Berichterstatter an. Allerdings wünsche ich mir, dass wir der kleinen Klausel im Abschnitt über die partizipative Demokratie, die das Initiativrecht der Bürger betrifft, mehr Aufmerksamkeit beimessen. Insbesondere sie trägt dazu bei, Europa den Bürgern wirklich näher zu bringen. Den Ausgangspunkt dabei bildet das Petitionsrecht, doch vor allem handelt es sich hierbei um ein echtes Recht, das unseren Bürgern die Möglichkeit gibt, Prioritäten selbst zu bestimmen.

Dagegen haben die Bürger in meinem Heimatland kein Initiativrecht. Petitionen dämmern auf Schreibtischen vor sich hin, Gesetzesinitiativen sind darauf angewiesen, dass sich die entsprechenden Abgeordneten in einer Abstimmung durchsetzen. Das Ganze ist ein Zufallsspiel, und selbst dann wird eine Initiative möglicherweise noch von Kollegen blockiert. Die Bürger haben in diesem Prozess keinen richtigen Platz. Ich bin sehr stolz darauf, dass dieses im Entstehen begriffene EU-Recht wesentlich mehr bietet: eine echte Möglichkeit der Mitbestimmung für unsere Bürger, die Möglichkeit, etwas in Europa zu bewegen. Deshalb sollten wir diesen Schritt auf dem Weg zu einer direkten Demokratie nach europäischer Art mit Pauken und Trompeten verkünden.

 
  
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  Wierzejski (IND/DEM).   (PL) Herr Präsident, wir alle wissen, dass der Vertrag über die Verfassung schlecht ist. Rechtlich gesehen ist er Unfug, er ist übermäßig kompliziert und ideologisch durchsetzt. Die dicken Bände von mehreren hundert Seiten sind für den Durchschnittsbürger eines EU-Mitgliedsstaates unverständlich. Sie sind im Geiste der französischen Revolution verfasst – einem aufgeklärten, revolutionären und säkularen Geist. Im Vertrag ist kein Platz für Gott oder traditionelle, europäische, christliche, römische, griechische und lateinische Werte. Dort ist auch kein Platz für Werte wie Nation, Familie, das menschliche Leben, Glaube und Traditionen, die uns so am Herzen liegen. Diese Werte sind durch säkulare, sozialistische, einfältige und seltsame Werte wie Verehrung der Mutter Erde, oder besser Gaia, Rechte für Homosexuelle und Macht für Brüsseler Bürokraten ersetzt worden. Dem können und werden wir niemals zustimmen.

Der Bericht, um den es hier geht, ist irreführend, voreingenommen und trügerisch. Er ist reine Propaganda und hat nur Positives über den Vertrag zu sagen. Wo ist bei alledem die Wahrheit? Sie sollten sich schämen! Auf Kosten der Bürger der Mitgliedstaaten ist ein voreingenommener Bericht voller Propaganda erstellt und verteilt worden, der das Gewissen des Europäischen Parlaments befleckt. Wir sollten uns schämen. Die Revolution muss es wirklich weit gebracht haben, wenn die Wahrheit in einer solchen Weise missbraucht wird. Zum Glück wird Polen diesen Vertrag ablehnen, und ich hoffe, andere Länder werden dasselbe tun. Die Liga Polnischer Familien und die Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie werden gegen den Bericht stimmen. „Nein“ zum Verfassungsvertrag!

(Beifall)

 
  
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  Schwab (PPE-DE). Herr Präsident! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich mich meinem Vorredner nicht anschließen kann. Ich möchte den Konventsmitgliedern – und zwar allen – sehr herzlich für ihre Arbeit danken. Ich freue mich als junger Abgeordneter, dass der Beitrag der EVP-Fraktion in diesem Europäischen Konvent besonders stark war. Ich darf da vor allem Erwin Teufel, Elmar Brok und Joachim Wuermeling nennen, aber ich möchte ausdrücklich allen Beteiligten sehr herzlich für ihre Arbeit bei diesem wichtigen Schritt für die Zukunft Europas danken.

Als umso unerfreulicher habe ich es empfunden, dass der Rat relativ schnell nach dem Ende dieser demokratischen Arbeit im Konvent deren Ergebnis in einem Schnellverfahren nochmals in seinem Sinne überarbeitet hat. Ich finde es schade, dass der demokratische Charakter der Konventsarbeit dadurch etwas beschädigt wurde. Nichtsdestotrotz unterstütze ich die Verfassung und glaube nicht, dass sie aufwändige Erläuterungen benötigt, wie der Vorredner gesagt hat, sondern dass sie ein klares, transparentes Europa schafft, das näher an die Bürgerinnen und Bürger heranrückt.

Ich glaube – wenn Sie mir erlauben, auf einen Punkt genauer einzugehen –, dass ein Aspekt der Verfassung, der einen wichtigen Fortschritt darstellt, darin besteht, dass uns die Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament einerseits und den nationalen Parlamenten andererseits auch näher mit den nationalen Parlamenten zusammenbringen wird und wir hier genauer sehen können, wie die Gesetzgebung, für die wir oftmals nur den Rahmen vorgeben, in den Nationalstaaten direkt umgesetzt wird. Hierfür ist besonders hilfreich, dass wir eine klare Kompetenzverteilung zwischen der nationalen und der europäischen Ebene haben, und das Frühwarnsystem im Hinblick auf die Subsidiaritätskontrolle wird auch hier positive Konsequenzen mit sich bringen.

Ich hoffe also, dass wir durch diese Regelungen der klareren und transparenteren Kompetenzstruktur sowie durch das Frühwarnsystem zur Subsidiaritätskontrolle zu einer effektiveren und noch besseren Zusammenarbeit mit unseren nationalen Kollegen kommen, um damit die Gesetzgebung in Europa noch transparenter zu gestalten.

 
  
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  Carnero González (PSE). – (ES) Herr Präsident, jede Gemeinschaft, in der keine Gewaltenteilung vorgesehen und die Gewährleistung der Rechte nicht gesichert ist, benötigt eine Verfassung. Das wurde in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 festgestellt.

Wir haben uns vorgenommen, auf dem Weg nachzufolgen, der vor mehr als zwei Jahrhunderten zur Freiheit von Menschen und Völkern geführt hat, und deshalb werden wir durch diese Verfassung mehr Europa und ein besseres Europa haben. Es ist insbesondere der Arbeit des Konvents und schließlich der Zustimmung der Regierungskonferenz zu verdanken, dass wir eine Verfassung haben werden, die eine rechtliche Umgestaltung und vor allem eine politische Neubelebung der Union bedeutet, und im Ergebnis wird die Union in der Lage sein, auf die drei großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu reagieren: in die Globalisierung einzugreifen, um sie demokratischer zu gestalten, zur Errichtung einer gerechten und demokratischen Weltordnung beizutragen und natürlich den Bedürfnissen der Menschen Rechnung zu tragen.

Mit dieser Verfassung stellen wir den Impuls des Vertrags von Maastricht wieder her, wir überwinden den Misserfolg des Vertrags von Nizza und führen Erweiterung und weitere Europäisierung zusammen, in Echtzeit.

Natürlich wird die Union durch diese Verfassung überall dazugewinnen: bei der Legitimität, den Werten, den Rechten, der Demokratie und der Effizienz in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und auch im sozialen Europa. An dieser Stelle möchte ich die Unterstützung des Europäischen Gewerkschaftsbunds für die europäische Verfassung hervorheben, die ich für wirklich wichtig und grundlegend halte.

Diese Verfassung muss zu gegebener Zeit weiter verbessert und natürlich zielstrebig umgesetzt und entwickelt werden. Keine Verfassung ist perfekt, aber keine Verfassung kann verbessert werden, wenn sie nicht in Kraft tritt. Deshalb müssen wir erreichen, dass sie rechtzeitig und richtig ratifiziert wird. Und dies alles werden wir mit einer ausreichenden Mehrheit tun, um weiter voranzukommen.

Dies ist eine Bürgerverfassung, die als solche wahrgenommen werden muss. In Spanien haben wir am 20. Februar eine Verabredung mit einem Referendum, und mit zwei guten Freunden: einer Verfassung und Europa. Wir werden da sein.

 
  
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  Ludford (ALDE). (EN) Herr Präsident, wir stoßen bei unseren Bemühungen, die Debatte über die EU-Verfassung anzukurbeln, auf zahlreiche Gerüchte und Ablenkungsmanöver. Herr Corbett und Herr Méndez de Vigo haben mit ihrer klaren und verständlichen Darlegung der Vorzüge der Verfassung ausgezeichnete Arbeit geleistet. Herr Corbett, ich werde möglicherweise einige Ihrer Formulierungen für eine Broschüre für meinen Wahlkreis ausleihen, aber das wäre ja für die gemeinsame gute Sache.

Bei einem dieser Ablenkungsmanöver geht es darum, ob das Dokument nun „Verfassungsvertrag“ oder „Verfassung“ heißen soll, aber das ist, wie die Autoren sagen, eine nutzlose Debatte. Es ist formal ein Vertrag, aber dem Inhalt nach eine Verfassung. Warum haben so viele Menschen, zumindest in Großbritannien, meinem Heimatland, Angst vor dem Wort Verfassung? Jeder Club, jede Gesellschaft hat eine Verfassung. Selbst das Vereinigte Königreich hat eine, obwohl sie nie in einem einzigen Dokument schriftlich verankert wurde – leider!

Die größten Vorzüge der neuen Verfassung bestehen darin, dass sie die EU einerseits einschränkt, aber andererseits auch befreit. Die Befugnisse der Europäischen Union werden durch Stärkung der Regelungen bezüglich der Zuständigkeitsgrenzen, der parlamentarischen Prüfung, der demokratischen Kontrolle und der Definition der Rechte der Bürger gegenüber der Verwaltung eingeschränkt. Gleichzeitig hat die Union mehr Freiheiten, um wirksamer auf die schwierigen internen und externen Probleme, denen wir gegenüberstehen, zu reagieren. Innenpolitisch wird dies im Bereich Justiz und innere Angelegenheiten besonders deutlich. Wir werden in der Lage sein, in Bezug auf Grenzkontrollen, Einwanderung und die Verbrechensbekämpfung entschiedener vorzugehen, wie es den Wünschen unserer Bürger entspricht.

Wir werden auch in der Lage sein, im Ausland wirksamer zu handeln. Wie hätte sich wohl der Einsatz eines französischen Flugzeugträgers mit deutschen Hubschraubern und britischen Marineinfanteristen im indonesischen Aceh auf die öffentliche Meinung wie auch die Katastrophenhilfe ausgewirkt. Stattdessen waren lediglich die Amerikaner zur Stelle.

Einige sehen in der Charta der Grundrechte – die rechtsverbindlichen Charakter annehmen wird – eine Bedrohung. Ich sehe darin eine Möglichkeit. Die Antieuropäer müssen verstehen, dass sie bisweilen die EU-Institutionen an die Kette legen und im Falle des Machtmissbrauchs durch diese für Wiedergutmachung sorgen wird. Die Bürger haben daher keinen Grund, die Verfassung zu fürchten. Im Gegenteil, sie haben allen Grund, sie – ebenso wie diesen Bericht - zu begrüßen.

 
  
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  Sudre (PPE-DE). (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, werte Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf der europäischen Verfassung macht den europäischen Bürger zu einem Hauptakteur bei der Errichtung eines geeinten Europas. Er wird unseren Ländern zur Zustimmung vorgelegt. Ungarn und Litauen haben bereits Ja gesagt, und darüber freuen wir uns.

In der Form eines einheitlichen Dokuments, das besser lesbar ist als die derzeitigen Verträge, bestätigt die Verfassung die doppelte Legitimität einer Union von Staaten und von Bürgern. Der Ministerrat wird in noch mehr Bereichen mit qualifizierter Mehrheit entscheiden. Der Vorsitz des Europäischen Rates wird sich mit einem Mandat von zweieinhalb Jahren stabilisieren. Die Kommission wird weniger Mitglieder haben und eine stärkere Koordinierung aufweisen. Auf außenpolitischer Ebene wird die Ernennung eines europäischen Außenministers Europa endlich die Möglichkeit geben, außerhalb unserer gemeinsamen Grenzen mit einer Stimme zu sprechen. Das Drama der Flutkatastrophe in Südostasien zeigt erneut die Bedeutung einer solchen Sichtbarkeit und stärkeren Koordinierung des europäischen Handelns in der Welt.

Der amtierende Ratspräsident und die Frau Kommissarin haben detailliert dargelegt, welche demokratischen Fortschritte der Entwurf einer europäischen Verfassung mit sich bringt. Die Verfassung wird es auch den Europäern in Übersee gestatten, ihre besonderen Trümpfe einzubringen und zur Herausbildung einer neuen aktiven Grenze Europas als ein vorgelagertes Schaufenster des Fortschritts in Solidarität und Vielfalt beizutragen.

Die europäischen Bürger können mit der Zustimmung zur Ratifizierung der europäischen Verfassung nur gewinnen. Sie werden zu deren Hauptakteuren und werden es der Europäischen Union ermöglichen, besser und mit mehr Klarheit und Transparenz zu funktionieren und dabei gleichzeitig eine ausgewogene und stabile Aufteilung der Kompetenzen auf den verschiedenen Entscheidungsebenen, auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene, gewährleisten.

 
  
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  Hutchinson (PSE). (FR) Herr Präsident, ebenso wie unsere Fraktion wird auch die belgische sozialistische Delegation für diesen Bericht stimmen, der einen Text unterstützt, der eine wichtige Etappe auf dem Wege des europäischen Aufbauwerks darstellt.

Die Entscheidung des Parlaments wird in demokratischer und politischer Hinsicht von wesentlicher Bedeutung für die im Rahmen des Ratifizierungsprozesses zu führenden Debatten sein.

Was uns betrifft, so werden wir zustimmen, auch wenn unser „Ja“ kein abschließendes, sondern ein einleitendes „Ja“ sein wird. Mit anderen Worten ein kämpferisches „Ja“, das ein Anfang sein soll und kein Schlusspunkt. Wir werden zustimmen, denn wie viele von uns in Erinnerung gerufen haben, weist dieser Vertrag signifikante Fortschritte auf. Es ist doch erfreulich, dass dieser Verfassungsvertrag unserem Parlament neue, größere Befugnisse erteilt und damit eine demokratische Debatte innerhalb der einzigen europäischen Institution durchsetzt, die die Legitimität aufweist, aus allgemeinen Wahlen hervorzugehen. Ebenso verdient die Aufnahme der Grundrechtecharta in den Korpus des Verfassungsvertrages Zustimmung. Unsere Antwort wird „Ja“ sein, jedoch ein initiativreiches und forderndes „Ja“.

Was die Beschlussfassung durch den Ministerrat betrifft, so wird dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein, dass zwar die Regel der doppelten Mehrheit ausgeweitet wurde, die der Einstimmigkeit für einige besonders wichtige Entscheidungen aber beibehalten wurde, wozu Beschlüsse im sozialen und steuerpolitischen Bereich gehören. Ebenso bereitet es einigen von uns Sorgen, dass eine Verfassung in ihrem Text einen programmatischen Teil enthält, mit dem wir nicht alle einverstanden sein können.

Dieser Text ist nicht perfekt. Es wird schwierig sein, die Dinge in einigen sozialen oder steuerpolitischen Fragen voranzubringen, aber nicht schwieriger als heute. Vor allem muss man sich bewusst sein, dass diese Verfassung nur eine Etappe im europäischen Aufbauwerk ist. Sie hat nur dann einen Sinn, wenn sie ein ambitioniertes Zukunftsprojekt ankündigt, in dem sich für alle europäischen Bürger, angefangen bei den ärmsten, die Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen abzeichnet. Die Union wird weniger nach der Verfassung beurteilt werden als nach den daraus folgenden Taten, die sie einleiten wird oder nicht, nach ihrer Kraft und ihrem politischen Willen, die Hoffnung der Europäer auf ein soziales Europa, ein Europa der Menschen zu realisieren oder nicht. Was uns betrifft, so muss dies die Priorität bleiben.

 
  
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  Stubb (PPE-DE). (EN) Herr Präsident, der heutige Tag ist für Europa und das Europäische Parlament ein Feiertag. Die Erarbeitung dieser Verfassung hat mehr als 20 Jahre gedauert, aber wir sind fast am Ziel.

Ich werde aus drei einfachen Gründen für diesen Bericht und für die Verfassung stimmen. Erstens wurde diese Verfassung in einem offenen und demokratischen Verfahren erarbeitet. Ich bin seit zehn Jahren Beamter und habe an drei Regierungskonferenzen teilgenommen, in deren Ergebnis der Vertrag von Amsterdam, der Vertrag von Nizza und dieser Vertrag zustande kamen. Ich kann Ihnen garantieren, dass diese Verfassung nie zustande gekommen wäre, wenn wir es durchweg mit einer Regierungskonferenz zu tun gehabt hätten. Aber da wir einen Konvent hatten, haben wir definitiv auch eine Verfassung.

Zweitens ist diese Verfassung eine gute Sache. Dafür sprechen 448 Gründe, die alle als Artikel im Vertrag verankert sind. Die Verfassung weist drei Hauptmerkmale auf: Erstens macht sie die Europäische Union demokratischer, zweitens macht sie sie effektiver und drittens viel verständlicher.

Drittens werde ich für diesen Bericht stimmen, weil er sehr gut ist. Ich fordere jeden, der ihn nicht von der ersten bis zur letzten Seite gelesen hat, auf, einen Blick darauf zu werfen, denn er vereinfacht und erläutert den Vertrag in hervorragender Weise. Ich möchte Herrn Corbett und Herrn Méndez de Vigo, die beide gerade mit ihrem Handy telefonieren – bei dem es sich hoffentlich um ein Nokia handelt – zu ihrem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen.

Wenn ich nur einen Aspekt des Vertrags ansprechen sollte, dann wären das die Außenbeziehungen. Nehmen Sie die jüngsten Ereignisse in Asien. Wenn wir einen Präsidenten, einen Außenminister, eine gemeinsame Sicherheitspolitik, ein Verteidigungssystem und ein besseres System der Krisenbewältigung gehabt hätten, dann hätten wir wesentlich mehr erreichen können.

Ich möchte abschließend jeden einzelnen Abgeordneten auffordern, sich in seinem Heimatland für diesen Vertrag einzusetzen. Ich werde das auf jeden Fall tun.

 
  
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  Beňová (PSE). (SK) Herr Präsident, Frau Kommissarin Wallström, verehrte Gäste auf der Tribüne, meine Damen und Herren! Die heutige Aussprache ist meiner Meinung nach nicht nur die wichtigste dieser Tagung, sondern auch in der gesamten Geschichte der Union. Der Verfassungsvertrag ist ein historischer Meilenstein und ein Ereignis von besonderer emanzipatorischer Tragweite für die Europäische Gemeinschaft.

Die bloße Tatsache, dass in dieser Plenarsitzung Vertreter von fünfundzwanzig Nationalstaaten in ihren jeweiligen Landessprachen miteinander beraten, ist der eindeutige Beweis für die Fähigkeit zum Zusammenleben in Gleichheit und zur Verteidigung gemeinsamer Werte. Am 1. Mai letzten Jahres hießen Sie, oder zumindest die große Mehrheit von Ihnen, uns willkommen, und wir, oder zumindest die große Mehrheit von uns, fühlten uns aufrichtig geehrt. Heute beschließen wir alle gemeinsam über die Annahme eines einheitlichen grundlegenden Rechtsrahmens, der eben jene Werte festschreibt, die uns ermöglichten, Ihr Parlament zu vergrößern.

Ich begrüße, dass Sie uns erwartet haben, und ich fühle mich persönlich geehrt, dass ich meine Stimme abgeben kann, denn ich bewerte den Verfassungsvertrag als einen ethischen und moralischen Rahmen für die Europäer, der unsere gemeinsame historische Identität stärkt, aber ich achte ebenfalls die Position der einzelnen Nationalstaaten und den Patriotismus ihrer Bürger. Wir könnten unseren Bürgern wohl kaum ein noch bedeutenderes Dokument geben, denn mit der Verfassung stärken wir auch ihren Einfluss auf die politischen Entscheidungsprozesse und ermöglichen ihnen die Ausübung einer stärkeren Kontrolle.

Ich habe mir die Einwände der Verfassungsgegner aufmerksam angehört und muss offen sagen, dass die Verfassung ein Kompromiss ist, doch die Fähigkeit, Kompromisse einzugehen, ist einer der besten Charakterzüge von sensiblen, verantwortungsvollen und toleranten Menschen. Der Europäische Verfassungsvertrag eröffnet uns neue Horizonte und führt zu einer beträchtlichen Stärkung der Europäischen Union auf dem Feld der internationalen Politik. Ich glaube, dass wir mit unserer Stimmabgabe für den Verfassungsvertrag nicht nur für die Bürger der Nationalstaaten in Europa, sondern auch für die gesamte Welt ein Signal unserer Entschlossenheit setzen, gemeinsam in Frieden und Solidarität leben zu wollen.

 
  
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  Andrikienė (PPE-DE).(LT) Ich vertrete in diesem Parlament Bürger eines Staates, der die Verfassung der Europäischen Union bereits ratifiziert hat. Am 11. November vergangenen Jahres, kaum zwei Wochen nach seiner Unterzeichnung in Rom, hat Litauen als erster Mitgliedstaat der Europäischen Union dieses Dokument ratifiziert. Es stimmt, dass der Beschluss hierzu nicht durch Bürgerreferendum getroffen worden ist, sondern vom Parlament in einer der letzten Sitzungen vor Ablauf seiner Amtszeit. Richtig ist auch, dass die Verfassung der Europäischen Union in Litauen ohne umfassende Diskussion der Bestimmungen dieses Dokuments ratifiziert wurde, das den Bürgern Litauens bekannt oder doch wenigstens vertraut sein sollte, damit sie vor allem die Möglichkeiten nutzen können, die die Verfassung der Europäischen Union bietet. Warum erachte ich es für notwendig, im Europäischen Parlament für die Ratifizierung dieser Verfassung zu stimmen?

Erstens, ja, bis 2009 können wir nach dem Vertrag von Nizza leben, aber es ist schon eine ganze Zeit lang klar, dass die erweiterte Europäische Union ohne notwendige institutionelle Veränderungen, ohne eine neue und effektive Aufteilung der Verantwortung für Funktionen zwischen den Organen der Europäischen Union wie auch zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten, nicht effektiv arbeiten kann. Ohne einen effektiven Mechanismus zur Umsetzung von Beschlüssen, ohne die aktivere Beteiligung der Bürger und ohne klare und transparente Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgern kann die Europäische Union nicht gut arbeiten. Das ist so offensichtlich wie das Motto des Berichts von Herrn Méndez de Vigo und Herrn Corbett – ein Erwachsener kann nicht Kinderkleider tragen, aus denen er schon vor langer Zeit herausgewachsen ist.

Zweitens, die Europäische Union strebt danach, eine der wettbewerbsfähigsten Regionen mit der dynamischsten Entwicklung in der Welt zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir meiner Ansicht nach nicht nur bei der Erweiterung der Europäischen Union die Prioritäten richtig setzen und gewährleisten, dass entsprechende Mittel hierfür bereitgestellt werden, sondern auch dafür sorgen, dass es Ordnung in der Europäischen Union gibt, vor allem vom Standpunkt ihrer Organe aus.

Ich will gerade zum Ende kommen, Herr Präsident. Auch würde ich gern die christlichen Wurzeln der Europäischen Union in der Präambel der Verfassung der Europäischen Union verankert sehen. Obwohl eine solche Klausel nicht enthalten ist, werde ich für die Ratifizierung dieses Dokuments stimmen, das nicht vollkommen ist, aber gut genug. Vielen Dank.

 
  
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  Rouček (PSE). (CS) Meine Damen und Herren! Der Vertrag über eine Verfassung für Europa ist ein weiterer wichtiger Schritt im Zuge der europäischen Integration. Er schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Europäische Union nach der Erweiterung als entscheidender Faktor in der europäischen Entwicklung agieren und natürlich auch Entwicklungen in der Welt wirksam beeinflussen kann.

Ich sehe die Vorteile des Vertrags über eine Verfassung für Europa unter anderem darin, dass er die EU den Bürgern näher bringt, die Rechte der EU-Bürger erweitert, die Charta der Grundrechte im Primärrecht verankert, das Rechtssystem vereinfacht und die gegenwärtig in Kraft befindlichen wichtigen europäischen Verträge durch einen einzigen Text ersetzt. Die Verfassung untermauert auch den demokratischen Charakter der Union und stärkt die Rolle des Europäischen Parlaments und der Parlamente in den Mitgliedstaaten. Sie schafft die Voraussetzungen für eine effektive Entscheidungsfindung durch die Europäische Union und stellt auch die Kompetenzen der Europäischen Union hinsichtlich der Mitgliedstaaten klar. Darüber hinaus stärkt sie die Fähigkeit der EU, als geschlossene und einheitliche Kraft in der internationalen Gemeinschaft zu wirken, was angesichts der Ereignisse in Südostasien sehr wichtig ist.

Aus all diesen und vielen weiteren Gründen, die hier nicht alle aufgezählt werden können, unterstützen Sozialdemokraten, darunter auch die von mir hier vertretene tschechische Sozialdemokratie, unmissverständlich den Entwurf des Verfassungsvertrages. In meinem Heimatland, der Tschechischen Republik, wird die Ratifizierung der Europäischen Verfassung allerdings nicht einfach werden. Gegen die Europäische Verfassung wenden sich nicht nur die Kommunisten, sondern auch die konservative Rechte, hier vertreten in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten.

Ich möchte deshalb Herrn Pöttering und die anderen führenden Vertreter der Fraktion der Europäischen Volkspartei, zum Beispiel Herrn Karas, den ich hier sehe, einladen, in die Tschechische Republik zu kommen und die proeuropäischen tschechischen Kräfte zur Ratifizierung der Europäischen Verfassung zu ermuntern. Die Bürgerlich-Demokratische Partei, die Sie in Ihre Reihen aufgenommen haben, wird das nicht für Sie tun. Ich danke Ihnen.

 
  
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  Esteves (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Welt, in der wir leben, ist noch weit davon entfernt, eine gerechte Welt zu sein und deshalb sollten die herkömmlichen politischen Modelle geändert werden.

Das Neue und Faszinierende an der Europäischen Verfassung ist die Verbindung zwischen der Anerkennung eines gemeinsamen Systems von Werten, demokratischen Werten und Menschenrechten, und der Anerkennung eines gemeinsamen Gewaltensystems. Diese bemerkenswerte Verbindung zwischen einem Projekt im Interesse des Rechts und einer Methode der politischen Gewaltenteilung entspricht genau dem, wie es sich der große Philosoph Immanuel Kant vorgestellt hatte.

Deshalb handelt es sich bei der Europäischen Verfassung um einen Akt der politischen wie der moralischen Transformation. Das ist so, weil, statt nur gemeinsame Grundwerte anzuerkennen, entschieden wurde, diese Werte auch in Rechtsakte einfließen zu lassen, weil die Verfassung den Normen Vorrang vor der ständigen Verhandlung einräumt, weil sie die Souveränität der Akte und die unveräußerliche Würde des Menschen als Grund für die Durchführung europäischer Politiken und als ihr Ziel bekräftigt, weil sie ein Programm der allumfassenden Gerechtigkeit formuliert, das die nationalen Interessen transzendiert und die Wirksamkeit der Verfassungen der Mitgliedstaaten ergänzt, weil sie die moderne europäische politische Identität in einem System universeller Werte, das alle anderen Identitäten aufnimmt, zusammenführt, weil sie das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer kosmopolitischen und anthropozentrischen Welt verkörpert, weil sie der Ausgangspunkt für einen Bund der Völker in einer rationaleren und ausgeglicheneren Welt ist, weil sie die verfassungsrechtliche Heimat ist, mit der sich alle Länder in diesem Europa mit Blick auf die Gestaltung eines neuen Europa identifizieren.

Ich werde heute dem Präsidenten des Europäischen Parlaments und Ihnen, Frau Kommissarin in Ihrer Zuständigkeit für institutionelle Beziehungen, einen Brief zukommen lassen mit der Bitte, einen Fernsehsender einzurichten, über den die Arbeiten des Parlaments und die künftigen öffentlichen Arbeiten des Europäischen Rates in allen Ländern der Europäischen Union übertragen werden.

Den Berichterstattern, Herrn Méndez de Vigo und Herrn Corbett, möchte ich herzlich danken.

 
  
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  Kristensen (PSE). (DA) Herr Präsident! Wie sich gezeigt hat, sind die auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Laeken gefassten Beschlüsse von noch größerer Tragweite, als damals von irgendjemandem vermutet. Das hat die heutige Aussprache ganz deutlich erwiesen. Wovon hatten sich die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen in Laeken leiten lassen? Tatsächlich waren das zwei Dinge: Erstens, sie wollten eine effizienter funktionierende EU, und zweitens, sie wollten eine EU, die gewährleisten kann, dass wir auch nach der Erweiterung handlungsfähig bleiben. Jedes Mal, wenn wir die Methoden der europäischen Zusammenarbeit änderten, fand dieser Prozess hinter verschlossenen Türen statt, woraufhin die Bürger Europas eines Morgens aufwachten und feststellten, dass die Bedingungen für die Zusammenarbeit wieder einmal von führenden Politikern geändert worden waren. Aber diesmal war es anders. Es wurde ein Konvent einberufen, an dem ich mich mit Freude beteiligte. Ich denke, der Konvent hat aufregende Aufgaben erfüllt, aber er hat auch ein neues Ziel dafür festgelegt, wie wir Veränderungen in Europa künftig angehen wollen. In Zukunft wird dies Teil eines offenen Prozesses sein.

Deshalb wird uns jetzt ein neuer Entwurf eines Verfassungsvertrags vorgelegt, den wir mit den Menschen diskutieren müssen. In diesem Zusammenhang möchte ich die folgenden, ganz entscheidenden Punkte hervorheben: Erstens, ein wesentliches Merkmal des neuen Verfassungsvertrags besteht darin, dass er nicht nur in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte, sondern auch in Fragen der Umwelt und sozialen Verantwortung Werte enthält. Zweitens, der neue Verfassungsvertrag sichert uns zu, dass die Grundsätze Offenheit und Demokratie, deren Respektierung man bei einer modernen Form der Zusammenarbeit erwarten kann, auch in der europäischen Zusammenarbeit angewendet werden. Als Mitglied des Ministerrates habe ich mich oft gefragt, weshalb die Bevölkerung Europas nicht wissen sollte, wie ich als Minister bei Beschlüssen abgestimmt hatte. Jetzt geben wir uns einen modernen und offenen Vertrag über eine Verfassung. Endlich sorgen wir dafür, dass den gewählten Vertretern über das Europäische Parlament mehr Einflussmöglichkeiten gegeben werden. Alles in allem debattieren wir heute über ein gutes Ergebnis, das wir der Bevölkerung Europas empfehlen sollen.

 
  
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  Dionisi (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Herausforderung, die Europa in den nächsten Monaten zu bewältigen hat, ist für die Gestaltung der Union von grundlegender Bedeutung. Die Bürger und die Parlamentsmitglieder auf dem gesamten Kontinent sind aufgerufen, ein einheitliches Grundgesetz anzunehmen, in dem die Werte, auf die sich diese Union gründet, verankert sind und bekräftigt werden: Frieden, Wohlstand, Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität.

Der neue Verfassungsvertrag ist gewiss nicht alles, was wir uns erhofft hatten, aber allein seine Existenz ist an sich schon ein einzigartiges politisches und historisches Ereignis, das vor einigen Jahren noch unvorstellbar war.

Der Text, den wir annehmen werden, stärkt die demokratische Legitimation der europäischen Organe und bringt sie den 450 Millionen Männern und Frauen näher, die zu dieser Union gehören. Tatsächlich verleiht die Verfassung den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament Befugnisse, sowohl legislativer als auch politischer Art. Auch unsere Bürger werden dank der engeren Verbindung zwischen Gemeinschaftsinstitutionen und örtlichen Gemeinschaften, Sozialpartnern und Verbänden mehr demokratisches Mitspracherecht haben.

Wir als gewählte Volksvertreter haben die Pflicht, diese Mitwirkung konkret, produktiv und greifbar zu gestalten. So wird Europa seine Rolle als globaler Akteur stärken.

Die wichtigste Herausforderung lautet: Es ist unsere Pflicht und Verantwortung, eine Union aufzubauen, die bei internationalen Themen geschlossen auftreten kann. Abschließend noch ein Wort zur kulturellen Identität: Ungeachtet unseres Bedauerns über den fehlenden Hinweis auf die christlichen Wurzeln, auf die sich unsere Union unleugbar gründet, treten wir als Repräsentanten der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) mit Nachdruck für die Ratifizierung dieses Textes ein.

Das italienische Parlament wird den Text in den kommenden Wochen ratifizieren; das wird ein positives Votum, ein Anstoß für andere Länder sein, in denen der Wert Europas noch nicht so empfunden wird wie in Italien. Unser Land, unsere Regierung, unsere Partei, Bewahrer des Erbes jener Männer, die Europa gegründet und ihm ihren Stempel aufgedrückt haben, werden zum Erfolg des Ratifizierungsprozesses beitragen, um die Ideale, an die wir Christdemokraten immer glauben, vollständig zu verwirklichen.

 
  
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  De Rossa (PSE). (EN) Herr Präsident, ich möchte eingangs den Berichterstattern zu diesem Bericht gratulieren, der dieser Debatte mehr Klarheit und Gewicht verleiht. Ich gehörte zu den 200 Parlamentariern, die im Konvent mitgearbeitet und den Text für die Verfassung formuliert haben, den die Regierungskonferenz schließlich zu sehr großen Teilen übernommen hat.

Ich bezweifle, ob je eine Verfassung eines Mitgliedstaats in einem derart offenen und demokratischen Verfahren erarbeitet wurde. Ich bezweifle, dass es einen Mitgliedstaat mit einer Verfassung gibt, die auf einen ähnlichen Konsens wie der Konvent verweisen kann. Von den 200 Parlamentariern, die im Konvent mitgearbeitet haben, unterzeichneten lediglich acht einen Alternativtext, mit dem sie praktisch die Auflösung der EU fordern. Wir haben heute Morgen entsprechende Argumente gehört, wobei Herr Allister aus Nordirland praktisch für eine Rückkehr zur absoluten Souveränität des 19. Jahrhunderts plädierte. Wenn die Sinn Féin an dieser Aussprache heute Morgen teilgenommen hätte, dann hätte sie exakt dieselben Argumente gebraucht, obwohl es sich bei beiden Parteien in Nordirland um politische Gegner handelt. Vielleicht kann ihr Einvernehmen über die absolute Souveränität des 19. Jahrhunderts ja als eine Art Fortschritt gewertet werden, obwohl es bedauerlich ist, dass das Ergebnis der Schlacht von Boyne im Jahre 1690 weiterhin für Konfliktstoff zwischen den beiden Parteien sorgt!

Tatsache ist, dass die Reaktion auf Naturkatastrophen und von Menschen verursachte Probleme in der heutigen Welt eindeutig einen transnationalen Ansatz erfordert. Europa ist weltweit die einzige Region, die eine demokratische Form der transnationalen Staatsführung entwickelt. Diese Verfassung wird uns mehr Demokratie und mehr Rechte bringen und die Voraussetzungen für gesellschaftliches Wohlergehen in Europa sowie für Solidarität mit der übrigen Welt schaffen.

Doch dies wird nicht im Selbstlauf geschehen. Dafür müssen wir etwas tun, und diese Verfassung kann dabei die Grundlage unserer Arbeit bilden.

 
  
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  Rack (PPE-DE). Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! 2004 war im Prozess der europäischen Integration ein besonders bemerkenswertes Jahr mit absoluten Höhepunkten und mit Tiefpunkten. Höhepunkte waren zweifellos die Erweiterung der Gemeinschaft von 15 auf 25 Staaten und die weitergehenden Signale vom Dezember dieses Jahres. Höhepunkt war auch die Unterzeichnung der Verfassung am 29. Oktober in Rom, Tiefpunkt war bekanntermaßen das Datum und das Geschehen der Europawahlen.

Die Beteiligung an den Europawahlen war so niedrig wie nie zuvor, und die Zersplitterung, die das Ergebnis dieser Europawahlen hier in dieses Haus gebracht hat – nicht zuletzt auch signalisiert durch die vielen bunten Fähnchen, die hier herumstehen, und zwar nicht nur vor dem Gebäude –, ist ein weiterer Beweis dafür.

Im Jahr 2005 müssen wir daher den Bürger wieder an das Projekt Europa anbinden, und ich meine, das ist eigentlich gar nicht so schwer. Es ist allerdings eine Kommunikationsaufgabe. Wir haben ein sehr gutes Produkt, die neue europäische Verfassung, und dafür müssen wir bei den Menschen um Zustimmung werben. Wir brauchen keine Propagandakampagnen, wir brauchen seriöse Informationen, insbesondere auch bei dem Argument, sie bringe den Menschen etwas. Wir sollten den Menschen nicht das Blaue vom Himmel versprechen, sondern wir sollten das sagen, was die Verfassung bringt und bringen kann.

Die Herren Méndez de Vigo und Corbett haben das in vier Schlüsselpunkten zusammengefasst. Die Verfassung bringt mehr Klarheit über die Europäische Union, sie bringt mehr Effizienz in der Europäischen Union, sie bringt mehr Demokratie und Verantwortlichkeit und mit den Grundrechten mehr Rechte für die Bürger.

Informieren heißt nicht, auf eine kritische Sicht der Dinge zu verzichten, aber die Kritik muss zunächst immer in den Vordergrund stellen, dass unser Produkt grundsätzlich ein gutes ist.

Ein letztes Argument: Es wird immer wieder argumentiert, eine Verfassung interessiere die Bürger nicht. Wir hatten an der Universität Graz eine Publikumsveranstaltung, und dort hat die Verfassung mehr Interesse gefunden als Giftpilze und Traumdeutung. Das sollte für uns ein Anreiz sein, die Verfassung an die Bürger heranzutragen.

 
  
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  Bresso (PSE). (IT) Herr Präsident! Zunächst möchte ich erklären, dass die italienischen Delegation der Sozialdemokratischen Fraktion für den Berichtsentwurf Corbett/Méndez de Vigo stimmen wird, und ich möchte den Berichterstattern zur Qualität ihres Berichts, vor allem der Begründung gratulieren.

Zweifellos erlebt das Europäische Parlament heute einen historischen Moment, wie seinerzeit der 14. Februar 1984, als der Vertragsentwurf von Altiero Spinelli angenommen wurde, der in der Verfassung in einiger Hinsicht seine ideale Fortsetzung findet.

Es kommt ja nicht so sehr darauf an, dass wir es rein juristisch gesehen mit einem Vertrag zu tun haben, sondern was zählt ist der Inhalt: Heute sind wir alle bereit, ihn Verfassung zu nennen, ein Begriff, der noch vor wenigen Jahren oft als unaussprechlich galt. Wer wie Altiero Spinelli und die Föderalistische Bewegung, der ich die Ehre habe anzugehören, die Schaffung eines echten Föderalstaates für unerlässlich hielt bzw. hält, ausgestattet mit wenigen, aber maßgebenden Kompetenzen, die der Europäischen Union eine Rolle in der Welt sichern, der hätte sich einen mutigeren Text gewünscht. Gleichwohl enthält diese Verfassung im Kern einige wesentliche Passagen, die einen stabilen und dauerhaften Rahmen vorgeben, von dem ausgehend wir nun nach vorn schreiten müssen, damit die Union auch das tun kann, was ihre Bürger erwarten.

Ich werde nur einige Beispiele nennen, die ich für vorrangig halte und die sich teilweise aus der Bindung zu meiner Heimat ergeben, einem Grenzgebiet. Zuerst wäre da die Einrichtung des Amtes eines Außenministers der Union zu nennen, der die Stimme der Union auf der internationalen Bühne sein und die Außenpolitik führen wird. Die Verfahren, nach denen er als Mitglied der Kommission dem Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig ist, sind die Voraussetzung für eine echte Außenpolitik. Nach den vielen, viel zu vielen Konflikte der letzten Jahre stellen die Bürger Europas uns und sich selbst die Frage, was Europa eigentlich tut.

Zweitens muss die EU ein Entwicklungsmodell sein, ein greifbares Zeugnis dafür, dass es möglich ist, Entwicklung und Solidarität miteinander zu verbinden. Abschließend möchte ich noch daran erinnern, dass das Subsidiaritätsprinzip jetzt ein Grundsatz von Verfassungsrang ist, wodurch es gestärkt und gesichert wird. Das ist ein weiterer Grund, warum ich der Meinung bin, dass wir für diesen Bericht stimmen müssen.

 
  
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  Busuttil (PPE-DE).(MT) Ich unterstütze diese Verfassung, meiner Meinung nach ist es jedoch gut, dass Abgeordnete dieses Hauses dagegen sind. Lassen Sie mich erklären, warum. Nicht weil ich den vorgebrachten Argumenten zustimmen würde, ganz im Gegenteil, ich glaube, viele ihrer Argumente gehen von missverstandenen oder gar falschen Voraussetzungen aus. Ich glaube aber, wenn niemand dagegen wäre, hätten wir eine ermüdende Aussprache, bei der alle dafür sind und keine objektive Analyse vorgenommen wird. Man kann einen Streit um Europa am besten dadurch gewinnen, dass man den Mut aufbringt, die Argumente dafür und dagegen abzuwägen. Wir müssen die Argumente der Gegner dieser Verfassung ernst nehmen und mit Respekt behandeln. Auf keinen Fall sollten wir sie fürchten oder vor ihnen davonlaufen, und ignorieren sollten wir sie schon gar nicht.

Man kann einen Streit nur gewinnen, wenn man sich einer offenen Aussprache stellt, sonst heißt es am Ende, wir haben das Spiel gewonnen, obwohl nur eine Mannschaft angetreten ist. Wenn man aber die Argumente für und wider die Verfassung gegeneinander abwägt, wird man schnell feststellen, dass die Verfassung viel mehr Vor- als Nachteile bringt und die Unterstützung der Bürger Europas verdient. Es gibt keinen Zweifel, wenn wir den Menschen erklären, was die Verfassung bedeutet, werden sie eher dafür als dagegen sein, weil sie begreifen, wie logisch die Einigung Europas ist, dass sie sinnvoll ist und in ihrem Interesse liegt. Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass alle in diesem Raum, alle in diesem Parlament, die für diese Verfassung sind, direkt zu den Menschen gehen und dafür sorgen, dass sie dieses Dokument verstehen und unterstützen. Diese Unterstützung wird auf dem Vergleich von Argumenten beruhen, so dass es eine offenere, ausgewogenere und demokratischere Aussprache sein wird.

 
  
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  Reynaud (PSE). (FR) Herr Präsident, eine Verfassung für Europa ist notwendig: Sie ist ein demokratisches Erfordernis. Die französischen Sozialisten, die der Einheit der Partei zutiefst verbunden sind, werden eine nationale Debatte führen, ohne auch nur die geringsten Abstriche an unseren progressiven Werten und Ideen zu machen. Meiner Meinung nach ist die Zustimmung zu dem Bericht die Voraussetzung, um die Autorität des Parlaments auf den Verfassungsvertrag zu gründen, jedoch bedauere ich, dass die Änderungsanträge, die einige von uns eingebracht haben, abgewiesen wurden.

Trotzdem werden wir natürlich diesen langen, dornigen Weg der Ratifizierung des Verfassungsvertrages mitgehen. Wir halten diesen Verfassungsvertrag für stabil, aber anpassungsfähig. Dies gilt für alle Verfassungen, und für diesen Vertrag nicht minder. Wir bedauern auch, dass die Mehrzahl der Stellungnahmen anderer Parlamentsausschüsse, die zahlreiche Unzulänglichkeiten im Verfassungsvertrag beklagt haben, in diesem Bericht nicht berücksichtigt wurden. Ganz klar möchten wir auch sagen, dass eine spezielle Einheit, die unter der niederländischen Präsidentschaft ins Leben gerufen wurde, ihre Arbeit unter den künftigen Präsidentschaften fortsetzen und alle möglichen Konsequenzen eines „Nein“ zur Verfassung genauestens unter die Lupe nehmen wird.

Ich würde mir wünschen, dass das Parlament, das nach dieser Abstimmung in seiner Rolle legitimiert ist, sich der Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Verfassungsvertrags annimmt und von seinem parlamentarischen Initiativrecht Gebrauch macht. Das ist unsere Aufgab, und das ist der Sinn des Änderungsantrags 17.

Ja, uns, den durch das europäische Volk gewählten europäischen Abgeordneten, fällt die Aufgabe zu, die Akteure der Umsetzung des Verfassungsvertrags zu sein, der das Zusammenleben von mehr als 450 Millionen Europäern regelt. Die Schwierigkeiten, auf die in den Stellungnahmen der anderen Ausschüsse hingewiesen wurde, werden früher oder später zu Tage treten. Wir müssen daher bereit sein, die von der Regierungskonferenz hinterlassenen Unzulänglichkeiten zu korrigieren, die das sensible Gleichgewicht stören, zu dem der Konvent mit Klugheit und Ausgewogenheit gelangt ist.

Bereiten wir uns also auf eine neue Runde vor, werte Kolleginnen und Kollegen, denn wir werden unsere durch das Volk gewährte Legitimität in der Frage des Verfassungsvertrags verteidigen müssen, dessen Unzulänglichkeiten es zum gegebenen Zeitpunkt unbedingt zu korrigieren gilt. Einige meiner Kollegen von der französischen Delegation werden sich bei der Abstimmung über diesen Bericht der Stimme enthalten.

 
  
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  Van Nistelrooij (PPE-DE). (NL) Herr Präsident! Dieser Verfassungsvertrag ist verteidigungswürdig. Als Christdemokrat begrüße ich es, dass das Subsidiaritätsprinzip nunmehr weiter gestärkt, vertieft und verankert wurde. Die Europäische Union hat jetzt auch die Rolle der regionalen Dimension, nämlich der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, anerkannt und festgeschrieben.

Zwischen dem Geschehen auf zentraler Ebene in Brüssel und den dezentralen Vorgängen in den Nationalstaaten sowie in Regionen und Gemeinden ist ein besseres Gleichgewicht vonnöten. Als leitender Verwaltungsbeamter auf regionaler Ebene konnte ich jahrelang feststellen, dass EU-Informationen zu lange auf Ratsebene hängen geblieben sind und Regionen und Städte zu spät in die Debatte und den Beschlussfassungsprozess einbezogen wurden.

Als Vertreter der europäischen Organisationen konnte ich an den Anhörungen des Konvents, insbesondere denen über die Subsidiarität, teilnehmen. Der Vertragstext stärkt die Position von Regionen und Städten, die bürgernah sind und von denen wichtige Aufgaben in zahlreichen Bereichen durchgeführt werden.

Auf diese Weise wird das von Herrn Prodi in seinem Bericht über Good Governance erwähnte Demokratiedefizit wieder behoben. Es ist schon ein wichtiger Schritt, dass das Europäische Parlament dies unterstützt und die praktische Ausgestaltung dieses Vertrags auf lokaler und regionaler Ebene in den nächsten Jahren sehr akribisch weiter verfolgen wird.

Außerdem schlage ich vor, dass wir hier im Parlament dem Rat und dem Ausschuss der Regionen von Zeit zu Zeit unter anderem die Frage stellen, ob unsere Nationalstaaten nunmehr offen über Europapolitik zu kommunizieren gelernt haben und ob die nationalen Parlamente bei dem Test zur Überwachung der Subsidiarität die Standpunkte der Regionen und Städte berücksichtigen.

Ich weiß, der Ausschuss der Regionen entwickelt derzeit einen ähnlichen Test. Kurzum, dieser Vertrag ist es wert, verteidigt zu werden. Infolgedessen werden wir uns auf nationaler Ebene für diese Sache einsetzen, jedenfalls wenn Volksentscheide auf der Tagesordnung stehen.

 
  
  

VORSITZ: JACEK EMIL SARYUSZ-WOLSKI
Vizepräsident

 
  
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  Lambrinidis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Aus dieser Verfassung ergeben sich drei große Ungewissheiten. Die erste Frage lautet, werden wir nun eine Föderation, die sowohl den Bereich der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung als auch andere Bereiche umfasst, oder werden wir, insbesondere nach der Erweiterung, eine lose Föderation ungleicher Partner?

Die zweite Frage ist, werden wir ein Europa, das über soziales Bewusstsein verfügt, oder ein Europa, in dem eine freie und unkontrollierte Marktwirtschaft herrscht?

Drittens stellt sich die Frage, werden wir ein Europa ohne Demokratiedefizit sein, dessen Macht in den Händen der Bürger liegt, oder werden wir ein Europa, in dem Europawahlen stattfinden und 70 %, 60 % bzw. 50 % der Bevölkerung sich nicht an den Wahlen beteiligen?

Meiner Meinung nach beantwortet die Verfassung all diese Fragen außerordentlich positiv, auf jeden Fall sehr viel positiver als die bestehenden Verträge. Jeder, der angeblich aus Gründen des sozialen Bewusstseins gegen diese Verfassung ist, sollte sich fragen, ob die derzeitigen Verträge den Armen und Schwachen in Europa mehr helfen, als die vorliegende Verfassung dies tut. Gestatten Sie mir ein klein wenig Nationalstolz zum Ausdruck zu bringen, und zwar als Grieche und als Sozialist: Es war unter der griechischen Präsidentschaft, im Juni 2003, dass die ersten Verhandlungen zu dieser Verfassung zum Abschluss gebracht wurden, und darauf bin ich stolz.

Natürlich gilt es nun, sie umzusetzen, und hier tragen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und die Regierungen der Mitgliedstaaten eine große Verantwortung. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Samen des sozialen Bewusstseins, der in der Verfassung gelegt worden ist, nicht lediglich ein schöner Gedanke bleibt, sondern in die Praxis umgesetzt wird. Die berühmte soziale Mainstreaming-Klausel, die die Verpflichtung der Union festschreibt, sicherzustellen, dass sie in all ihren Politiken die Ziele der Vollbeschäftigung, des Umweltschutzes, der Volksgesundheit, der Bildung und der Gleichstellung von Männern und Frauen fördert, kann nur mithilfe guter Gesetze umgesetzt werden. Und dies ist meiner Ansicht nach für jeden Abgeordneten des Europäischen Parlaments, der für ein sozial gerechteres Europa kämpft, eine zwar anspruchsvolle, aber höchst willkommene Herausforderung.

 
  
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  Brejc, Mihael (PPE-DE). (SL) Für viele Menschen sind die Institutionen in Brüssel weit weg. Sie sehen in ihnen Zentren der Macht, in denen Entscheidungen getroffen werden, auf die sie keinen Einfluss haben. Der Verfassungsvertrag ist kein Wundermittel, mit dem sich alle Probleme der Europäischen Union lösen lassen, aber er bietet die Möglichkeit, Defizite im Demokratiebereich abzubauen und die europäische Entwicklung anzukurbeln.

Wieso? Weil er eine Reihe von Verträgen und geänderten Übereinkommen ersetzt und zu mehr Transparenz bei den Schlüsseldokumenten der Europäischen Union beiträgt; weil er die wichtigsten verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Grundlagen und Politiken der Europäischen Union in einem einzigen Dokument vereint, weil er die Grundlage für ein effektiveres Funktionieren der Organe der EU bildet, weil er zur Umsetzung der Lissabon-Strategie beiträgt; weil er Problemen vorbeugt, die die Anwendung der derzeitigen Verträge in der Zukunft mit sich brächte.

Der Verfassungsvertrag ist ein Kompromiss, der nicht jedermann zufrieden stellt, dennoch ist in ihm das verankert, was wir im Konvent erreichen konnten. Wir brauchen den Verfassungsvertrag, weil es uns ohne ihn kaum gelingen dürfte, wirksame Reformen im erweiterten Europa durchzuführen oder dessen wirksames Funktionieren zu gewährleisten. Obwohl das Kapitel über Politikbereiche häufig kritisiert wird, muss ich als Schattenberichterstatter feststellen, dass es mich sehr freut, dass im Bereich Sozialpolitik und Beschäftigung sehr konkrete Pflichten für die Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten vorgesehen sind, einschließlich der Einrichtung eines Ausschusses für Sozialschutz. Mit der Annahme des Berichts über den Verfassungsvertrag sendet das Europäische Parlament ein klares Signal an die Bürger Europas, dass die Zeit für eine transparente und umfassende Umgestaltung unserer verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Grundlagen gekommen ist. Damit gewährleisten wir, dass sich Europa zu einem Kontinent des Friedens, des Wohlstands, der Solidarität und der Sicherheit entwickelt.

Abschließend möchte ich anmerken, dass das slowenische Parlament den Verfassungsvertrag in diesem Monat ratifizieren wird. Ich bin davon überzeugt, dass dies mit großer Mehrheit geschehen wird.

 
  
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  Záborská (PPE-DE). (SK) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich lehne totalitäre Regime ab. Die Familie meiner Großmutter ist in den Gaskammern der Nazis umgekommen. Mein Vater wurde unter dem kommunistischen Regime eingekerkert. Wir haben mit unserem Blut für unser Eintreten für die Gewissensfreiheit gezahlt, die in unseren Augen durch Europa verkörpert wurde, mit dem sich unsere Hoffnungen auf Demokratie, Gedankenfreiheit, Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit verbanden.

Ich denke, dass mich keiner von Ihnen als Europagegner betrachten wird, wenn ich einige Fragen stelle. Warum befindet das Europäische Parlament über den Verfassungsvertrag vor den Bürgern der einzelnen Staaten? Muss Europa von einer Verfassung regiert werden? Die Souveränität der Mitgliedstaaten darf nicht beeinträchtigt werden. Wenn jedoch die Verfassung die Rolle des Parlaments verstärkt, aber nicht die Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofs festlegt, wird dann nicht die Ausgewogenheit zwischen den Institutionen beeinträchtigt? Die Entscheidungen des Gerichtshofs werden für die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten unmittelbare Geltung haben, ohne dass ein Recht auf Berufung vorgesehen ist. Der Europäische Gerichtshof wird über jeder Kritik stehen.

Können wir behaupten, dass dies nicht eintritt? Der Verfassungsentwurf enthält keine Garantien, die verhindern würden, dass der Europäische Gerichtshof bestimmte ausschließliche Zuständigkeiten der souveränen Staaten selbst im Gegensatz zu den nationalen Verfassungen beschneidet. Auch wenn die Mehrheit dieses Parlaments nach Wahlen wechselt und die Zusammensetzung des Rates sich ändert, wird eine doppelte Mehrheit erforderlich sein, um einen Politikwechsel herbeizuführen. Und ich frage mich auch, wird eine solche Union entwicklungsfähig sein, wenn ihre Richtung durch diese Verfassung bereits vorgegeben ist? Unsere Zivilisation hat sich aus christlichen Wurzeln heraus entwickelt. Wenn die Verfassung die Anerkennung dieser historischen Tatsache unterlässt, dann wird dadurch Unruhe im Leben der Gesellschaft entstehen. Unter der Maske der Toleranz wird sich eine neue Ideologie herausbilden. Soll das europäische Haus auf der Grundlage einer Verfälschung der Geschichte aufgebaut werden. Trifft es wirklich zu, dass ohne diese Verfassung das Konzept eines einigen Europas zu Grabe getragen werden muss? Ich denke nicht. Meine Wähler haben ihren Glauben in mich gesetzt, und ich möchte, dass Europa so gestaltet wird, dass alle, auch die Kleinsten, Schwächsten und Ärmsten, in ihm akzeptiert werden und ihren Platz finden. Meine Damen und Herren, ich fordere, dass in einem demokratischen Europa bei Abstimmungen die Gewissensfreiheit geachtet wird.

 
  
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  Lehtinen (PSE). (FI) Herr Präsident, trotz aller Meinungsverschiedenheiten, zu denen die zu dieser Frage geführte Debatte geführt hat, sind wir einmal mehr dabei, europäische Geschichte zu schreiben. Dieser Vertrag ist als solcher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ich bin sicher, dass die Begründer der Integrationsbewegung stolz und erfreut wären, wenn sie jetzt mitverfolgen könnten, wie viele grundlegende Fragen zu solchen Kompromissen geführt haben, über die das Parlament jetzt debattiert und abstimmt.

Bedauerlich ist, dass die Debatte über den Vertrag in einigen Ländern losgelöst von den Sachzusammenhängen geführt und dazu benutzt worden ist, den innen- und parteipolitischen Streit anzuheizen. Die schlechtesten Merkmale der Europäisierung, Intoleranz und Nationalismus, sind nur allzu oft in solchen Zeiten zu sehen und zu hören, obwohl versucht wird, die Lügen als edle Bestrebungen zu kaschieren. Wenn dieser Vertrag einmal in Kraft ist, wird er keineswegs zur Bildung eines europäischen Superstaates führen, im Gegenteil: sein Geist und Wortlaut werden mögliche selbstsüchtige Bestrebungen einzelner Staaten, Staatengruppen oder extremistischer Bewegungen wirksam durchkreuzen.

Im Rahmen des Vertrages kann die Wirtschaft durchaus die Rolle spielen, für die sie in der Zusammenarbeit auf dem Kontinent am besten geeignet ist. Die Dynamik der gegenseitigen wirtschaftlichen Tätigkeit und die einheitliche Währungspolitik sind auch Voraussetzungen für die politische Zusammenarbeit. Ohne Demokratie gibt es keine soziale Dimension, und es gibt keine Demokratie ohne Marktwirtschaft. Ich bin stolz darauf, dass wir in meinem Heimatland, in Finnland, Einigung darüber erzielen konnten, dass das Parlament auf nationaler Ebene über die Ratifizierung des Vertrages entscheidet.

 
  
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  Paleckis (PSE).(LT) Ich billige den vorgelegten Bericht und möchte noch einmal wiederholen, dass Litauen auf Beschluss seines Parlaments als erstes Land diese Verfassung ratifiziert hat. Nach den jüngsten Wahlen haben sich die in der Regierungsverantwortung bestätigten litauischen Sozialdemokraten aktiv an der Vorbereitung des Verfassungsvertrages beteiligt. Als die Länder aufgefordert wurden, in Rechtsbegriffen darzulegen, worauf sich nach Beratungen alle allgemein geeinigt hätten, sind wir dem unverzüglich nachgekommen. Wir hatten eine gute Basis dafür. In einem Referendum vor anderthalb Jahren sprachen sich die Litauer am deutlichsten von allen neuen Mitgliedstaaten für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union aus. Die Unterstützung für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union wächst in Litauen weiter und hat 82 % erreicht. Die Menschen sehen, dass sich ihre mit der Europäischen Union verbundenen Hoffnungen erfüllen, deshalb wollen sie sie stärken. Das Scheitern eines Referendums zur Verfassung in einem Land der Europäischen Union würde meiner Ansicht nach den Hoffnungen der Mehrheit der Europäer, so auch der Litauer, einen schmerzlichen Schlag versetzen.

Heute fahren auf dem Schiff Europäische Union schon 25 Mitgliedstaaten, aber sein Motor – der Vertrag von Nizza – ist für eine solche Fracht viel zu schwach. Wenn er nicht gegen einen viel leistungsfähigeren Motor – den Verfassungsvertrag – ausgetauscht wird, verliert unser gemeinsames Schiff an Geschwindigkeit und könnte beginnen, aus dem Ruder zu laufen. Mit dem alten Motor Nizza werden wir niemals die in der Strategie von Lissabon definierten Ziele erreichen und die neue Nachbarschaftspolitik effektiv umsetzen können. Das ist besonders für die neuen Länder der Europäischen Union von Belang.

Eine starke demokratische Europäische Union, die sich nach vorn bewegt, ist wichtig, nicht nur im Interesse unseres Landes. Hierzu trägt der Verfassungsvertrag bei – welch komplizierten Kompromiss er auch darstellen mag. Litauen hat ihn entschlossen ratifiziert, und vielleicht strahlen die Energie und der Optimismus der neuen Länder ja auf die alten Mitglieder der Europäischen Union aus. Vielen Dank.

 
  
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  Wuermeling (PPE-DE). Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr über die Vorlage dieses gehaltvollen Berichts der Kollegen Corbett und Méndez de Vigo, und als früheres stellvertretendes Mitglied des Konvents muss ich zugeben, dass ich vielleicht dem einen oder anderen eher die Lektüre dieses Berichts als jene der Verfassung selbst empfehlen würde, weil der Bericht ausgezeichnet lesbar und in der Sache sehr überzeugend ist.

Ich möchte heute ein Wort an diejenigen richten, die sich hier auch kritisch mit der Verfassung auseinandergesetzt haben. Sie warnen vor einem europäischen Superstaat, sie prangern Missstände an, sie wenden sich gegen Fehlentwicklungen in der Vergangenheit. Ich glaube, wir sollten ihnen sehr deutlich sagen, dass genau diese europäische Verfassung ein Mittel ist, um diese Missstände abzubauen.

Die europäische Verfassung schafft Abhilfe für vieles von dem, was uns allen heute am real existierenden Europa nicht gefällt. Diese europäische Verfassung schafft eine Kompetenzordnung, sie schafft Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente. Europa wird so weniger zentralistisch, weniger bürokratisch. Sie schafft die volle Mitsprache des Europäischen Parlaments, Europa wird deshalb demokratischer, als es bisher gewesen ist. Sie stärkt auch die Rechte der Bürger, vor allen Dingen durch die Grundrechtecharta, weil der Bürger sich gegenüber Entscheidungen Europas unmittelbar auf die Verfassung berufen kann. Und schließlich schafft diese Verfassung eine Wertebasis für dieses Europa, sodass sie ein Mittel gegen die technokratische Herangehensweise an politische Probleme darstellt. Deswegen müssten eigentlich gerade die Europaskeptiker für diese Verfassung sein, denn nur mit der Verfassung ändert sich etwas an den Zuständen, an denen wir hier alle etwas ändern wollen.

Heute jährt sich der Geburtstag von Alexander Hamilton. Er ist einer der Väter der amerikanischen Verfassung. Heute ziert sein Bild den Zehn-Dollar-Schein. Wenn ich mir unsere Väter und Mütter der europäischen Verfassung anschaue, hoffe ich, dass man sich in 200 Jahren auch an sie so dankbar erinnern wird.

 
  
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  Mikko (PSE). (ET) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst die Berichterstatter zu ihrem sehr gründlichen Bericht beglückwünschen. Dieses Dokument fasst die wesentlichsten Punkte der Europäischen Verfassung überaus treffend zusammen.

Gleichzeitig würde ich mir bei den Informationen über die Verfassung ein etwas anders gelagertes Schwergewicht wünschen.

In seinen Schlussfolgerungen konzentriert sich der vorliegende Bericht auf schriftliches Material über die Verfassung. Aus öffentlichen Umfragen und eigener Erfahrungen wissen wir jedoch, dass die Bürger Europas Informationen vor allem über das Fernsehen erwarten und empfangen, das gilt auch für Informationen über die EU.

Der Bericht unterstreicht die Notwendigkeit, deutlich zwischen in den bisherigen Verträgen bereits geltenden Elementen und durch die Verfassung eingeführten neuen Bestimmungen zu unterscheiden. Dies ist jedoch eher ein Thema für eine wissenschaftliche Untersuchung als eine Information, die jedem Bürger Europas mitzuteilen ist. Der dreihundertseitige Vertrag über eine Verfassung für Europa ist umfangreich genug, und demzufolge auch komplizierter als die Verfassungen der Mitgliedstaaten.

Es gibt noch keine einheitliche öffentliche Meinung in Europa, aber in meinem Heimatland Estland zum Beispiel hat die Unterstützung für die EU seit dem Beitritt Estlands mit jedem Monat zugenommen. Gleichzeitig sinkt die Unterstützung in vielen Mitgliedstaaten. Trotzdem gilt sowohl für den Journalismus als auch für die Information der Öffentlichkeit in ganz Europa: Die Menschen müssen bekommen, was sie haben wollen.

In alten und neuen Mitgliedstaaten, in Städten und auf dem Land interessiert die Menschen vor allem, was die Europäische Verfassung für ihren Alltag bedeuten wird. Ich meine, wir sollten uns bei der Vorstellung der Verfassung auf die Charta der Grundrechte konzentrieren. Zum Beispiel, was bedeutet das in der Charta festgelegte Recht auf gute Verwaltung für jeden einzelnen Bürger? Inwiefern wird eine solche Forderung Bürokraten oder Politiker zwingen, ihre Entscheidungen zu begründen oder Offenheit zu praktizieren? Antworten auf solche Fragen sollten fester Bestandteil der Information der Öffentlichkeit über die Verfassung sein.

Abschließend möchte ich sagen, von einer Information der Bürger Europas kann keine Rede sein, solange das Fernsehen nicht eingebunden ist. Die Generaldirektion Information des Parlaments sollte dies bei ihren Informationsbemühungen berücksichtigen. Ich wünsche ihr und allen europäischen Fernsehnetzen Erfolg bei der Übertragung der komplexen Formulierungen der Verfassung in ein für die Öffentlichkeit annehmbares Format. Vielen Dank.

 
  
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  Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Die morgige Abstimmung ist von historischer Bedeutung. Die beträchtlichen Fortschritte, die die Europäische Verfassung mit sich bringt und die Vorteile, die sich aus ihren Bestimmungen ergeben, sind bereits in dem umfassenden Bericht der Kollegen Corbett und Méndez de Vigo dargelegt und in diesem Hause erörtert worden. Da also nahezu alle Fragen erschöpfend behandelt worden sind, möchte ich mich auf eine entscheidende Frage beschränken.

Morgen beginnt, was die Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten betrifft, ein neuer Marathon. Aber was wird geschehen, wenn es bei der Ratifizierung durch einen Mitgliedstaat irgendein Problem gibt? Die Verfassung enthält keine konkrete Bestimmung darüber, wie in diesem Fall zu verfahren ist. In den Erklärungen zu den Verfassungsbestimmungen wird festgestellt, dass, wenn nach Ablauf von zwei Jahren nach der Unterzeichnung der Verfassung vier Fünftel der Mitgliedstaaten den betreffenden Verfassungsvertrag ratifiziert haben und in einem oder mehr Mitgliedstaaten Schwierigkeiten bei der Ratifizierung aufgetreten sind, sich der Europäische Rat mit der Frage befasst. Aber halten Sie diese Regelung für zufrieden stellend? Meiner Ansicht nach sollte sie klarer formuliert sein. Leider resultiert diese Regelung aus einer Reihe von Kompromissen, die notwendig waren, um dahin zu gelangen, wo wir heute sind. Es genügt daher nicht, über die Ratifizierung der Verfassung zu reden und sie uneingeschränkt zu unterstützen. Wenn wir eine neue Ära in der Geschichte unseres Kontinents beschreiten wollen, dann müssen alle Regierungen, dann muss jeder Einzelne von uns dafür Sorge tragen, solch eine unglückselige Entwicklung abzuwenden.

 
  
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  Sousa Pinto (PSE).(PT) Herr Präsident! Mit der Annahme des Berichts Corbett und Méndez de Vigo wird das Europäische Parlament seinen letzten großen Beitrag zur Annahme eines Verfassungsvertrages für Europa leisten. Die Existenz eines solchen Vertrages wird den historischen Übergang von einer Gemeinschaft von Völkern und Ländern, die durch immer engere Wirtschaftsbeziehungen verbunden sind, zu einer durch den gemeinsamen Wunsch eines gemeinsamen Schicksals verbundenen, echten politischen Gemeinschaft besiegeln.

Fünfzig Jahre einer Politik vorsichtiger kleiner Schritte haben den Weg zu einer neuen Realität geebnet, die auf gemeinsamen Werten beruht, auf Werten der Zivilisation, die Ausdruck einer auf Frieden, Demokratie, Menschenrechten und wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt gründenden gemeinsamen europäischen Identität ist.

Europa wird nicht im Widerspruch zur sekulären Realität der Nationen auf unserem Kontinent aufgebaut. Europa gründet sich auf den freien und erklärten Willen, eine Wiederholung der Vergangenheit nicht zuzulassen und seinen Völkern die Garantie dafür zu geben, Herr ihres Schicksals in einer Zukunft voller Herausforderungen zu sein.

Alle, die sich so nachdrücklich für die Erhaltung der Souveränität einsetzen, die Europa anklagen, an der Untergrabung der Souveränität ihrer Länder zu arbeiten und in dieser Verfassung die Verwirklichung ihres Alptraums von einem Superstaat sehen, analysieren die Lage völlig falsch. Die wirtschaftliche, finanzielle und technologische Globalisierung, die Herausbildung neuer, globaler politischer und wirtschaftlicher Mächte, wie wir sie gegenwärtig beobachten und wie es sie sicherlich auch in Zukunft geben wird, zwingen Europa, nach Antworten zu suchen, die es auf nationaler Ebene nicht mehr gibt, um das im vergangenen Jahrhundert durch den sozialen Rechtsstaat der Nachkriegszeit in Gang gesetzte humanistische Projekt zu verteidigen, zu stärken und anderen nahe zu bringen.

In einer von Unsicherheit, Chaos und Deregulierung gekennzeichneten Welt muss Europa sich zunehmend zu Wort melden und eine aktive Rolle spielen, und das sowohl für uns als auch für andere, die von uns eine Vorbildrolle erwarten und erwarten, dass wir in Angelegenheiten von internationaler Bedeutung tätig werden. Diejenigen unter uns, die die Souveränität auf ihre Fahne geschrieben haben, sind nicht die einzigen Gegner dieses Vertrags. Andere haben Kritik angebracht, weil er ihnen nicht weit genug geht, weil die Ergebnisse zu bescheiden sind oder die Ziele nicht hoch genug gesteckt wurden. Das ist der Personenkreis, der die bedeutenden Fortschritte nicht anerkennen will, weil er sich auf die sinnlose Übung versteift, den vorliegenden Verfassungsvertrag mit den idealisierten Versionen ihrer Träume anstatt mit dem derzeitigen Vertrag und insbesondere mit dem Nizza-Prozess zu vergleichen.

 
  
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  Nicholson (PPE-DE). (EN) Herr Präsident, obwohl das Europäische Parlament formell nicht am Verfahren der Ratifizierung beteiligt ist, freue ich mich, dass wir, die gewählten Volksvertreter aus 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, heute diese Aussprache führen, zu einem Zeitpunkt also, an dem der Prozess der Ratifizierung auf Parlamentsebene gerade angelaufen ist und auf der Ebene der Volksabstimmungen gerade in Gang gebracht wird.

An dem Tag, an dem die Staats- und Regierungschefs die Verfassung in Rom unterzeichneten, war ich zufällig in Bratislava in der Slowakei, wo ich die Ehre hatte, an der feierlichen Eröffnung des Europahauses teilzunehmen. Das war das erste Europahaus, das in einem der neuen Mitgliedstaaten eröffnet wurde. Im Dezember folgte die Eröffnung des Europahauses in Prag.

Es laufen Maßnahmen zur Einrichtung von Europahäusern in allen Mitgliedstaaten. Die Hauptfunktion dieser Europahäuser besteht darin, den Bürgern die Europäische Union näher zu bringen. Sie dienen den Bürgern als zentraler, sichtbar in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat gelegener Anlaufpunkt. Europahäuser sollen über die Europäische Union informieren und, indem sie den Fraktionen eine Heimstatt bieten, gewährleisten, dass die Bürger die Ansichten dieses Parlaments kennen lernen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Europäische Union nur dann funktioniert, wenn wir die Beziehungen zwischen diesem Parlament und den nationalen Parlamenten stärken und vertiefen. Anders lässt sich langfristig keine Zusammenarbeit herstellen. Es sollte kein Gegeneinander sein, sondern wir sollten uns alle gemeinsam für die Verbesserung der Lebensverhältnisse aller Menschen in den 25 – oder möglicherweise sogar 27 – Mitgliedstaaten einsetzen. Darin besteht die Herausforderung für die Zukunft; die Herausforderung, der wir als Demokraten uns stellen müssen.

Für eine Debatte braucht es zwei Seiten. Nur weil jemand nicht in jeder Frage einer Meinung mit jemand anderem ist, heißt das nicht, dass er sich nicht äußern darf. Ich glaube an die Rechte aller Menschen, ich glaube an die Demokratie. Ich glaube, dass diejenigen, die anderer Meinung sind als ich, ein Recht auf ihre Meinung haben. Die Mehrheit wird sich letztlich durchsetzen, aber diejenigen, die anderer Meinung sind, können diese Aussprache bereichern, und sie sollten dazu ermutigt und nicht des Rechtes auf ihren Standpunkt beraubt werden.

 
  
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  Obiols i Germà (PSE). – (ES) Herr Präsident! Wie dieser Bericht sehr gut darlegt, haben wir es im Verfassungsentwurf mit drei Hauptaspekten zu tun: erstens, den Werten und Zielen der Union, der Einheit und Gleichheit ihrer Völker sowie dem Schutz der Vielfalt ihrer Kulturen, Identitäten und Sprachen; zweitens, den Rechten, Interessen und Pflichten der Bürger und drittens, den Regeln für die Organe und das europäische politische Leben.

Die ersten beiden Aspekte – die Werte und Rechte – definieren die von uns angestrebte europäische Demokratie, die auf der Vielfalt und Freiheit der Völker, ihrem Fortschritt und ihrer Gleichheit beruht. Der dritte Aspekt - das muss deutlich gesagt werden: die Spielregeln - ist das Ergebnis von Kompromissen zwischen Linken und Rechten, zwischen Verfechtern des Föderalismus und Verfechtern der Zwischenstaatlichkeit; es muss klar sein, dass dieser Aspekt sich auf diese Regeln bezieht, nicht auf die Politik im Einzelnen, die realisiert werden soll.

In dieser Hinsicht bildet die Verfassung kein Endziel, sondern einen Ausgangspunkt, um die sozioökonomische Lethargie Europas, seine mangelnde Innovations-, Forschungs- und Entwicklungsfähigkeit und sein ungenügendes Gewicht auf der Weltbühne zu überwinden.

Wir müssen auf dem Weg zu einer europäischen Regierung vorankommen und die derzeit dominierende Methode der zwischenstaatlichen Koordination mit all ihrem Unvermögen hinter uns lassen, einem Unvermögen, das sich mit der fehlgeschlagenen Umsetzung der Strategie von Lissabon und der Spaltung angesichts der Invasion des Irak offenbart hat.

Mit dieser Sicht auf den künftigen Fortschritt rufen wir dazu auf, für die europäische Verfassung zu stimmen.

 
  
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  Jeggle (PPE-DE). Herr Präsident! Ein langjähriger Traum dieses Parlaments und besonders auch ein Traum vieler Bürgerinnen und Bürger Europas wird Wirklichkeit. Wir haben lange und intensiv für diese Verfassung gearbeitet. Auf das jetzt Erreichte können wir stolz sein, und hier gilt mein Dank heute Herrn Méndez de Vigo und ebenso Herrn Corbett.

Als Schattenberichterstatterin meiner Fraktion im Landwirtschaftsausschuss kann ich sagen, wir stimmen diesem Verfassungsentwurf zu. Zweifellos wurde für den Landwirtschaftsausschuss ein Zugewinn erreicht. Zu Beginn der gemeinsamen Agrarpolitik 1958 waren wir nur Anhörungsinstanz. Erst der Vertrag von Amsterdam brachte uns die Mitentscheidung in den Bereichen Umwelt, Verbraucherschutz sowie Lebensmittelsicherheit. Das trotzdem immer noch bestehende Demokratiedefizit wird nun durch die Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens auf alle agrarpolitischen Grundsatzentscheidungen behoben.

Doch es gibt auch Schatten. Zukünftig soll der Rat über die Festsetzung von Quoten, Preisen und mengenmäßigen Beschränkungen alleine entscheiden können. Denn der Verfassungsentwurf trägt den neuen Zielen der gemeinsamen Agrarpolitik nach der Agrarreform nicht Rechnung. Dies stellt durchaus auch einen Rückschritt gegenüber dem Status quo dar und gibt uns für die Zukunft Arbeit.

Aber auch als Vertreterin meines Bundeslandes Baden-Württemberg sehe ich durchaus wichtige Ziele erreicht: Die nationalen Verfassungen werden gestärkt, Regionen und Kommunen bekommen mehr Gewicht, der Subsidiaritätsgrundsatz wird beachtet. Dieser Verfassungsentwurf ist die Grundlage eines gemeinsamen Wirtschaftens und – für mich persönlich auch ganz wichtig – wir bekommen eine gemeinsame Wertegrundlage, die uns verbindet. Vor uns liegt ein Werk, das eine Verpflichtung ist für alle, die Verantwortung für Europa tragen.

 
  
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  Kreissl-Dörfler (PSE). Herr Präsident! Ich begrüße die Europäische Verfassung sehr und gratuliere den Berichterstattern zu ihrem hervorragenden Bericht. Gerade der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wird durch die Verfassung gestärkt. Mit ihr haben wir einen Meilenstein auf einem Weg gesetzt, der zu einem sichereren und gerechteren Europa führt. Mit ihr haben wir einen riesigen Schritt hin zu einem Europa der Bürgerinnen und Bürger gesetzt. Denn mit der Aufnahme der Charta der Grundrechte, dem Beitritt der Union zur Europäischen Konvention für Menschenrechte und dem vereinfachten Zugang zur Justiz werden die Bürgerrechte massiv gestärkt. Zudem haben wir nun bessere Möglichkeiten, koordiniert z. B. Kriminalität, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa zu bekämpfen.

Ich begrüße es, dass die CSU-Abgeordneten hier zustimmen werden. Leider haben viele CSU-Abgeordnete im deutschen Bundestag, der ja den Vertrag noch ratifizieren muss, die Bedeutung und die Tragweite der Verfassung anscheinend nicht einmal im Ansatz verstanden, denn sie haben angekündigt, dort dagegen stimmen zu wollen. Dies zeigt wieder einmal das Doppelspiel, das die CSU so gerne spielt: Hier in Europa fortschrittlich sein und nach außen die Fahne hochhalten, doch zu Hause prophylaktisch schon einmal dagegen sein. Aber das ist die Tradition der CSU, denn bereits 1949 hat sie gegen das Grundgesetz in Deutschland gestimmt.

 
  
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  Novak (PPE-DE). (SL) Meine Damen und Herren, der Rahmen der Europäischen Union ist zu eng geworden; er ist der Union in ihrer neuen, erweiterten Form nicht mehr angemessen. Deshalb ist es gut, dass die neue Verfassung die derzeit geltenden Verträge ablösen und eine effizientere Funktionsweise der Europäischen Union bewirken wird. Sie wird ferner die Rolle des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente stärken und damit den Bürgern der Europäischen Union mehr Gehör verschaffen.

Als Mitglied des Ausschusses für Kultur und Bildung unterstütze ich vor allem die Artikel der Verfassung, die sich auf diese Bereiche beziehen. Meines Erachtens ist es wichtig, dass die Präambel die Bedeutung der kulturellen Tradition Europas, des humanistischen Erbes Europas und der Werte, die das Wesen Europas und seiner Bürger ausmachen, unterstreicht. Eines unserer wichtigsten Ziele besteht in der Achtung unserer reichen kulturellen und sprachlichen Vielfalt und in unserem Engagement für den Schutz und die Entwicklung des europäischen Kulturerbes.

Die Verfassung garantiert Freiheit in den Bereichen Kunst und Wissenschaft, das Recht auf allgemeine und berufliche Bildung, gleiche Rechte für Mann und Frau sowie das Recht behinderter Bürger auf umfassende Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Artikel 92 garantiert den Schutz der Jugendlichen am Arbeitsplatz, und gemäß Artikel 93 wird der rechtliche, wirtschaftliche und soziale Schutz der Familie gewährleistet.

Die Artikel bilden in ihrer jetzigen Form eine gute Grundlage für ihre Umsetzung. Dennoch muss die Europäische Union weit mehr tun, als die Verfassung nur zu akzeptieren und zu ratifizieren. Vor allem muss sie Bedingungen schaffen, unter denen die Familie als etwas Wertvolles anerkannt wird und junge Ehepaare die Möglichkeit haben, eine Familie zu gründen und Kinder aufzuziehen. Wenn wir die Einwanderung als wichtigstes Mittel zur Lösung unserer demografischen Probleme einsetzen, gefährden wir damit unser kulturelles Erbe, die europäischen Sprachen, unsere Kultur, unseren Glauben, die Europäische Union und die europäische Zivilisation im Allgemeinen – kurz all die Werte, die wir mit der Verfassung bewahren und stärken wollen. Da wir uns in den 25 Mitgliedstaaten für diese Gemeinschaft entschieden haben, sollten wir auch alles in unseren Kräften Stehende tun, um ihr möglichst gutes und effektives Funktionieren zu gewährleisten.

 
  
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  Moreno Sánchez (PSE). – (ES) Herr Präsident, ich möchte den Berichterstattern für ihre ausgezeichnete Arbeit danken und meine volle Zustimmung zu dem Bericht ausdrücken, den wir heute diskutieren.

Morgen wird dieses Hohe Haus seine Unterstützung für den Text zum Ausdruck bringen, der einen Prozess der Verfassungsgebung abschließen wird, der über mehrere Jahrzehnte andauerte. Dennoch darf unsere Arbeit hier nicht stehen bleiben. Die schwierigste Aufgabe liegt noch vor uns: ihre Annahme und Ratifizierung durch die europäischen Bürgerinnen und Bürger. Ohne ihren Rückhalt macht die Verfassung keinen Sinn.

Wie die Abgeordneten wissen, tragen wir Spanier eine besondere Verantwortung in diesem Prozess, da das erste Referendum unter den europäischen Bürgern am 20. Februar in meinem Land stattfindet.

Deshalb ist es unser aller Aufgabe, den europäischen Bürgern den Verfassungstext zu erläutern, was in meinem Fall jene Spanier einschließt, die außerhalb Spaniens und sogar außerhalb der Europäischen Union leben. Deshalb freue ich mich, dass die Mehrheit der politischen Parteien, Gewerkschaften und anderen Vertreter der Zivilgesellschaft in meinem Land mit uns übereinstimmen und vollkommen in diese Aufgabe der Aufklärung über den Inhalt und die Tragweite der Verfassung einbezogen sind, denn das ist der einzige Weg, um eine breite Beteiligung und eine positive Antwort auf diese historische Aufgabe zu gewährleisten.

 
  
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  Caspary (PPE-DE). Herr Präsident! Es war ein langer und schwieriger Weg bis zu diesem Verfassungsvertrag. Einige gute Vorschläge sind dabei über Bord gegangen. Dennoch brauchen wir diese Verfassung jetzt. Sie muss in den Mitgliedstaaten schnell ratifiziert werden.

Die Gründerväter wie Schuman und Adenauer haben das Fundament des europäischen Hauses gelegt. Ihre Nachfolger haben Wände errichtet, Regale gekauft und Aktenordner hineingestellt. Mittlerweile stapelt sich das Inventar bis unter den Dachboden. Es ist die große Aufgabe, dieses Haus zu entrümpeln und fit für die Zukunft zu machen, und dazu dient die Europäische Verfassung. Sie stellt einen Kompromiss dar, der mehr Öffentlichkeit und greifbare Verbesserungen für die europäischen Bürger bringt.

Das bestehende Gemeinschaftsrecht wird in einem Vertrag festgehalten und macht Europa leichter verständlich. Die gemeinsame Handelspolitik wird künftig beispielgebend für das äußere Gesicht unseres Binnenmarktes sein. Die Verkleinerung der Kommission und der neue europäische Außenminister stärken die Handlungsfähigkeit der erweiterten Union. Es gibt mehr Rechte für die Menschen. Die unter Roman Herzog erarbeitete Grundrechtecharta wird in die Verfassung integriert. Das Europäische Parlament wird gestärkt. Der Kommissionspräsident wird von uns gewählt. Es wird künftig hoffentlich Spitzenkandidaten der europäischen Parteien für dieses Amt geben.

Über den Verfassungskonvent haben auch wir Einfluss auf die Verfassung genommen, und Europa wird kein zentralistischer Monsterstaat, sondern subsidiär aufgebaut sein. Auch die Handschrift und das Leitbild der stärksten Fraktion in diesem Haus, der EVP-ED, sind dabei durchaus zu erkennen. Leider konnten wir nicht alle Punkte durchsetzen, für die wir teilweise hart gekämpft haben. Ich bedauere außerordentlich den fehlenden Gottesbezug und die komplizierten Formeln für die qualifizierte Mehrheit im Rat, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Ich wünsche uns allen aber, dass diese Verfassung ein Fundament ist, auf dem wir Europa weiter aufbauen können: ein Europa in Frieden, Freiheit und Wohlstand.

 
  
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  Pīks (PPE-DE). (LV) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte als Erstes Herrn de Vigo und Herrn Corbett für das ausgezeichnet vorbereitete Dokument danken, denn es ist klar formuliert und hebt die wichtigsten Aspekte hervor.

Meine Damen und Herren, der Entwurf der Verfassung entspricht der historisch gewachsenen Situation im modernen Europa und der Welt heute. Unabhängig von unserem Willen sind überall in der Welt Globalisierungsprozesse im Gange, zunächst jedoch beschränkt auf Waren- und Kapitalbewegungen, also materielle Werte. Der Austausch geistiger und moralischer Werte geht weitaus langsamer vor sich. Einen der Gründe für viele Konflikte in der heutigen Welt sehe ich darin, dass zwischen dem weltweiten Austausch materieller Werte und dem geistiger Werte ein starkes Missverhältnis und ein Ungleichgewicht herrschen. Der neue Vertrag über eine Verfassung ist ein Schritt zum Abbau dieses Missverhältnisses. Er wird uns nicht nur helfen, besser zu verstehen, wer wir sind und wohin wir uns bewegen, sondern auch unseren Partnern in der Welt deutlicher zeigen, von welchen Zielen und Werten wir uns in unserem Handeln leiten lassen. Deshalb sage ich noch einmal, diese Verfassung kommt zur rechten Zeit und ist notwendig, trotz gewisser Unzulänglichkeiten. Eine dieser Unzulänglichkeiten besteht darin, Herr Pöttering und andere Abgeordnete erwähnten es bereits, dass sie keinen Bezug auf christliche Werte enthält.

Meine Damen und Herren, ob wir es uns eingestehen oder nicht, wir sind nun einmal Christen, Atheisten, Muslime oder anderen Glaubens. Was von uns als gemeinsame europäische Werte bezeichnet wird, hat sich über Jahrhunderte entwickelt und beruht auf christlichen Wertvorstellungen.

Meine Damen und Herren, wir alle – auch jene, die am Entwurf der Verfassung oder an der Analyse und den Diskussionen beteiligt waren – stehen in der Pflicht, den Bürgern unserer Länder die Bedeutung dieses Dokuments zu erklären, da wir nicht erwarten können, dass jeder Bürger der Europäischen Union es gelesen hat. Leider muss ich vor der in den Mitgliedstaaten zu beobachtenden Tendenz warnen, den Vertrag für kurzfristige Diskussionen über die Innenpolitik zu nutzen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns dieser Versuchung widerstehen und unseren Parteimitgliedern ebenfalls davon abraten. Hier geht es um ein langfristiges Dokument, das wir, unsere Kinder und auch unsere Nachbarn brauchen.

 
  
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  De Poli (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, heute wird der Verfassungsvertrag – die Europäische Verfassung – Realität. Das Ergebnis der Arbeiten des Konvents, über das wir morgen abstimmen, zeugt von dem Willen, die europäischen Institutionen mit mehr Demokratie, Transparenz und Effektivität auszustatten, indem sie gestärkt werden und der Entscheidungsprozess effektiver gestaltet wird. Die eigentlichen Gewinner sind die Bürger, denn durch die Verfassung werden unsere gemeinsamen Werte und Grundsätze gefestigt.

Die Charta der Grundrechte, die die Europäische Union – wie alle wertvollen Bücher in der Geschichte – auch als Miniaturausgabe herausgegeben hat, wurde in den Verfassungsvertrag aufgenommen. Meiner Ansicht nach ist das ein wichtiges Zeichen der Transparenz, Solidarität und Demokratie der Rechte: der Rechte des Menschen, der Kinder, der älteren Menschen, der Menschen mit Behinderungen. Diesmal werden diese Grundsätze gerade dazu angenommen, unsere Institution den Bürgern näher zu bringen, sie in ihre Mitte zu stellen, damit wir die Antworten geben können, die sie genau jetzt besonders brauchen. Deshalb ist meines Erachtens der wichtigste Aspekt unseres Handelns in diesen Tagen, die Hindernisse in der Gesellschaft zu beseitigen, damit die Bürger an unserem vereinten Europa uneingeschränkt teilhaben können.

(Beifall)

 
  
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  Hannan (PPE-DE). (EN) Herr Präsident, ich will kein Spielverderber sein, aber in den nächsten 48 Stunden wird dieses Parlament Hunderttausende von Euro ausgeben, um die Verfassung zu feiern. Es wird Luftballons geben, eine Laser-Show, ein Orchester; aber ist das nicht alles etwas voreilig? In mindestens zehn Ländern muss vor der Ratifizierung eine Volksabstimmung durchgeführt werden. Wir können das Ergebnis dieser Abstimmungen nicht vorwegnehmen. Bisher wurde noch nicht eine Stimme abgegeben. Wenn es nur um eine voreilige Party ginge, wäre es kleinlich von mir, etwas dagegen einzuwenden, aber wir nehmen die Verfassung auch in anderer, wesentlicher wichtigerer Hinsicht vorweg. So arbeiten wir zügig an der Bildung eines diplomatischen Dienstes der EU. Das ist ein Vorschlag, der, solange die formelle Ratifizierung noch aussteht, jeder Rechtsgrundlage entbehrt. Im Bereich Justiz und Inneres sind wir sogar noch weiter gegangen und sind zahlreichen Bestimmungen der Verfassung zuvorgekommen, und zwar insbesondere jenen, die die Schaffung einer gesamteuropäischen Rechtsordnung und die Einsetzung einer europäischen Staatsanwaltschaft betreffen. Noch bevor die Verfassung unterzeichnet war, geschweige denn ratifiziert ist, deutete der europäische Gerichtshof an, dass er die Charta der Grundrechte als einklagbar behandeln wird.

Auf eine offizielle Frage dieses Hauses, welche Teile der Verfassung die Kommission, ohne die offizielle Ratifizierung abzuwarten, umzusetzen gedenke, antworteten lediglich fünf der derzeitigen Kommissare, dass es falsch wäre, das Ergebnis der nationalen Volksabstimmungen vorwegzunehmen. Die anderen 20 Kommissare erwiderten alle in dieser oder jener Form, dass sie beabsichtigten, sofort an die Umsetzung zu gehen, ohne das Ergebnis der nationalen Abstimmungen abzuwarten.

Dieses Haus ist als demokratische Einrichtung gedacht, aber seine Haltung erinnert bisweilen an Bertolt Brechts berühmtes Gedicht, in dem der Regierung nahe gelegt wird, das Volk aufzulösen und ein anderes zu wählen. Ich hoffe, mein Land wird gegen die Verfassung stimmen, und dafür setzte ich mich ein, aber wenn ich verliere, dann werde ich das Ergebnis anstandslos akzeptieren. Ich möchte diejenigen unter Ihnen, die die Verfassung befürworten, auffordern, dem demokratischen Prozess ebenso viel Respekt entgegenzubringen und nicht zu versuchen, große Teile dieser Verfassung umzusetzen, obwohl ein oder mehrere Mitgliedstaaten dagegen gestimmt haben. Nein bedeutet nein.

 
  
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  Karas (PPE-DE). Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich möchte mich zum Ersten an die Bürger Europas wenden: Machen Sie die Verfassung zu Ihrem Thema! Wir müssen alles daran setzen, dass die Bürger Europas diese Verfassung annehmen, weil diese Verfassung Europa bürgernäher, transparenter, demokratischer, klarer und effizienter macht.

Ich habe den Eindruck, dass wir alle zu schnell wieder zur Tagesordnung übergehen. Die Verfassung liegt auf dem Tisch, aber sie ist noch nicht ratifiziert. Diese Verfassung ist ein politischer Meilenstein für die Europäische Union, ein politischer Meilenstein für mehr Bürgernähe, Transparenz und Demokratie in der Europäischen Union.

Diese Verfassung ist aber bis zur Stunde ein kommunikatives Desaster, und ich mahne daher ein: Wir benötigen ein europäisches Informations- und Kommunikationskonzept aller europäischen Institutionen, der Mitgliedstaaten und der nationalen Parlamente. Ich mahne ein: Wir benötigen eine Woche der europäischen Verfassung in allen Mitgliedstaaten. Ich mahne ein: Wir benötigen die Beseitigung der Einstimmigkeit im Rat und damit die Stärkung des gemeinschaftlichen, transparenten und demokratischen Europa im Sinne des Verfassungsvertrags.

Ich rufe den Regierungschefs zu: „Sorgen Sie dafür, dass der Geist des Konvents, der Geist der Unterzeichnungsfeier in Rom und nicht Kritik- und Sprachlosigkeit, Distanziertheit und Teilnahmslosigkeit die innenpolitischen Debatten bestimmen!“ Wir benötigen eine Europäisierung der Verfassungsdebatte und keine Nationalisierung des Ratifizierungsprozesses. Die Verfassung ist nicht bloß eine Handlungsanleitung für die EU-Institutionen, sondern betrifft alle Bürger Europas.

Machen wir jedoch eines klar: Die Arbeit beginnt mit der Abstimmung morgen von neuem; die Abstimmung muss nur ein deutliches Signal setzen.

 
  
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  Ventre (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, mein Dank gilt Herrn Corbett und Herrn Méndez de Vigo, die wirklich ein Meisterwerk vollbracht haben und uns die Auslegung der Verfassung erleichtern.

Bei den Juristen der römischen Antike hieß es „ex facto oritur ius“ (aus dem Faktischen entsteht das Recht). Nun, die Gründungsväter Europas stellten sich vom ersten Tag an, als sie zu träumen begannen, dieses gemeinsame Gebilde vor – ein einheitliches Gebilde, das Jahrtausende der Geschichte, Geografie, Gesellschaft und gemeinsamer Werte zusammenführt, nun, von diesem Moment an dachten die Gründungsväter an gemeinsame Regeln, an das, was wir heute die Verfassung nennen.

Deshalb bin ich heute Morgen sehr enttäuscht, wenn ich höre, wie bekannte Mitglieder des Europäischen Parlaments, deren Meinungsfreiheit ich selbstverständlich respektiere, ihre Ablehnung zum Verfassungsentwurf erklären. Man kann ja gegen diese Form der Verfassung, gegen die Inhalte des Verfassungsvertrags sein, aber nicht gegen gemeinsame Regeln, denn die Aufstellung solcher Regeln stärkt die Souveränität.

Heute müssen wir zu einer Einigung gelangen in einer Welt, die tief greifende Veränderungen durchläuft, auch hinsichtlich ihrer Systeme und neuen Begriffe. Wer sich die Souveränität so vorstellt, wie sie im 18. und 19. Jahrhundert aufgefasst wurde, der irrt. Das neue Konzept der Souveränität fußt auf der Subsidiarität. Sie ist die Souveränität der lokalen Identitäten, die Souveränität der Bürger, die Souveränität derer, die beim Aufbau einer Rechtsordnung mitwirken müssen, um den immer unterschiedlicheren und komplexeren Bedürfnissen in einer sich entwickelnden Gesellschaft bestmöglich Ausdruck zu verleihen. Wir dürfen nicht davon ausgehen, die Terminologie zu verwenden, die uns die Juristen gelehrt haben: Föderalstaat, Bundesstaat, souveräner Staat. Europa ist ein neues Gebilde, eben eine Union, mit der wir uns alle identifizieren müssen.

Abschließend möchte ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass ein Hinweis nicht nur auf unsere christlichen Wurzeln, sondern auch auf die Demokratie von Perikles – der Ursprung des eigentlichen Wesens der Demokratie –, auf das Römische Reich und auf das karolingische Europa fehlt. Hoffen wir, dass man sich dieser Dinge bei der Gestaltung Europas erinnern wird.

 
  
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  Casa (PPE-DE).(MT) Fast 50 Jahre nach Unterzeichnung des Vertrags von Rom zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wird Europa endlich seine eigene Verfassung haben. Zum ersten Mal werden 450 Millionen Bürger und 20 Nationen durch dieses Dokument, das die Werte und Prinzipien dieser Europäischen Union definiert, verbunden sein.

Die Ratifizierung dieser Verfassung wird uns zu einem demokratischeren Europa führen. Die Charta der Grundrechte ist in diese Verfassung aufgenommen worden, damit sind die Rechte jedes Einzelnen aufgeführt und jeder Bürger kann sich auf die Charta berufen, wenn er meint, seine Rechte seien verletzt worden.

Die sozialen Rechte stellen ebenfalls einen Schwerpunkt dar, und zwar durch gesetzliche Verordnung. Das Recht auf Bildung, das Recht aller Bürger auf Zugang zu Informationen, Schutz vor unrechtmäßiger Ausweisung sowie das Recht auf Sanktionierung von Revisionsanträgen im Falle von Diskriminierung auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe – all dies wurde definiert und kann umgesetzt werden.

Die Rolle des Europäischen Parlaments ist somit erheblich gestärkt worden und das Parlament wird gemeinsam mit dem Rat für die Ratifizierung fast aller Dokumente verantwortlich sein.

Auch die Rolle der nationalen Parlamente wird gestärkt, indem sie für die Überwachung der Einhaltung der zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten bestehenden Verträge zuständig sein werden. Daher werden die nationalen Parlamente über genügend Macht verfügen, Druck auf die Europäische Kommission auszuüben, ihre Vorschläge zu revidieren.

Anders gesagt, die Europäische Verfassung wird uns helfen, Europa effizienter zu machen. Ein Europa, dass nach und nach aufgebaut worden ist und auf Verträgen gegründet, die im Laufe der Jahre geschlossen wurden; von jetzt an werden wir tatsächlich ein Europa haben. Die Aufnahme der Charta der Grundrechte, die klare Anerkennung europäischer Werte und Ziele erlauben uns jetzt, als Bürger Europas, dieses Dokument „die Europäische Verfassung“ zu nennen. Ich werde dafür stimmen. Ich appelliere an meine Kollegen, es mir gleich zu tun, zum Wohle der Bürger Europas.

 
  
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  Corbett (PSE), Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident, ich möchte in Erwiderung auf das Gesagte zunächst all jenen danken, die die Arbeit des Ausschusses für konstitutionelle Fragen und dessen Bericht gewürdigt haben.

Klar ist, dass diese Verfassung breite Unterstützung genießt, die sich durch das gesamte politische Spektrum und sämtliche Mitgliedstaaten zieht. Ich hoffe, dass in der morgigen Abstimmung mindestens zwei Drittel für die Verfassung stimmen werden. Wenn sich mehr als 400 Abgeordnete in diesem Parlament für die Verfassung aussprechen, dann setzen sie damit ein kraftvolles Zeichen.

Lassen Sie mich auch auf die kritischen Bemerkungen zur Verfassung eingehen. Hier scheint es zwei Richtungen zu geben. Da sind erstens diejenigen, die die Verfassung ablehnen, weil sie ihnen nicht weit genug geht. Ihrer Ansicht nach trägt die Verfassung zwar zu mehr Demokratie und sozialer Gerechtigkeit bei, aber eben nicht genug. Meine Antwort darauf lautet, dass wir im Moment die Wahl haben zwischen der neuen Verfassung und der alten – unseren jetzigen Verträgen. Wenn die neue Verfassung Verbesserungen enthält, dann sollten wir uns für die neue Verfassung entscheiden, anstatt die alte beizubehalten.

Damit würde ich auch gegenüber denjenigen argumentieren, die sich darüber beklagen, dass die neue Verfassung keinen Verweis auf das Christentum enthält. Auch in den derzeitigen Verträgen findet sich kein solcher Verweis, obwohl sie von dem Heiligen Schuman entworfen wurden. Die neue Verfassung enthält jedoch einen Verweis auf unser religiöses und sonstiges Erbe, und bei den Werten handelt es sich um christliche Werte, aber auch um viele andere Werte. Das sind Werte, die Christen, Nichtchristen, Anhänger anderer Religionen und Atheisten teilen.

Viele Gegner dieser Verfassung schüren Ängste in Bezug auf einen Superstaat; viele lehnen die Europäische Union grundsätzlich ab. Das wird deutlich am Beispiel jener, die die Vormachtstellung des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten, so ist die derzeitige Lage nun einmal, ablehnen. Wozu europaweit gemeinsame Gesetze vereinbaren, wenn man diese dann nicht in ganz Europa anwenden will? Das ist Sinn und Zweck der Vereinbarung gemeinsamer europäischer Rechtsakte in den Bereichen, in denen wir dies wünschen wie Umwelt und gemeinsamer Markt. Derartige Regelungen haben keinen Sinn, wenn man sie von vornherein ablehnt. An die Adresse dieser Personen sage ich: Seien Sie ehrlich und setzen Sie sich dafür ein, woran Sie wirklich glauben, und zwar den Austritt Ihres Landes aus der Europäischen Union, und verstecken Sie sich nicht hinter Angriffen auf die Verfassung. Was für ein Unsinn zu behaupten, diese neue Verfassung würde einen zentralisierten Superstaat schaffen! Zentralisiert, die Europäische Union? Wenn dieser eine Verfassung zugrunde liegt, die der Europäischen Union Befugnisse mit Zustimmung jedes einzelnen Mitgliedstaats durch Ratifizierung der Verträge überträgt? Das sind die einzigen Befugnisse, die die Union hat. Selbst bei der Ausübung seiner Befugnisse spielt der Rat – also die Mitgliedstaaten – bei der Entscheidungsfindung die wichtigste Rolle, während die zentrale Verwaltung – also die Europäische Kommission – weniger Mitarbeiter als der Stadtrat von Leeds, meinem Wahlkreis, hat. Von wegen Superstaat!

Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass diese Debatte zum Teil auch ein Kampf der Gerüchte gegen die Realität ist. Ich bin sicher, dass wir durch die Verbreitung der Tatsachen und die Ermöglichung einer echten Analyse des Vertrags zu einer ehrlichen Debatte beitragen werden, die die Menschen davon überzeugen wird, dass die Verfassung ein lohnenswertes Ziel darstellt.

 
  
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  Schmit, Rat. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst möchte ich das Parlament zu dieser konstruktiven und in hohem Maße positiven Debatte beglückwünschen. Ich kann mich weitgehend dem anschließen, was von einem der Berichterstatter sowohl zur Qualität dieser Debatte als auch zu den Schlussfolgerungen, die es daraus zu ziehen gilt, gesagt wurde. Im Übrigen liegt die Vaterschaft für diesen Verfassungsgebungsprozess bei diesem Parlament. Von hier aus nahm, wie heute Vormittag jemand anmerkte, dieser Prozess seinen Anfang, und ich möchte im Namen des Ratsvorsitzes Altiero Spinelli Tribut zollen, der mit seinem Entwurf für eine europäische Verfassung im Jahr 1984 diesen Prozess initiiert und mit einer ersten Etappe eingeleitet hat, der so genannten Einheitlichen Akte, über die im Übrigen unter der luxemburgischen Ratspräsidentschaft verhandelt wurde.

Denen, die diesen Verfassungsentwurf attackiert und kritisiert haben, möchte ich sagen, dass wir natürlich in einer demokratischen Debatte ihre Position respektieren. Aber mit Argumenten aus dem 19. Jahrhundert bietet man den europäischen und anderen Völkern von heute, das heißt der Welt des 21. Jahrhunderts, keine Perspektive. Abkapselung und die Rückkehr zu überholten Souveränitätsmustern sind in einer globalisierten Welt keine Antwort. Sie bieten weder den Europäern noch den Anderen eine Lösung für Wohlstand, Demokratie und Frieden.

Außerdem möchte ich denen, die einen subtilen Unterschied zwischen einem proeuropäischen und einem antieuropäischen „Nein“ machen, sagen, dass es sich um ein „Nein“ schlechthin handelt, denn die Ablehnung der Verfassung bedeutet schlichtweg eine Niederlage für Europa, eine Niederlage für ein offeneres, transparenteres, demokratischeres Europas, das Perspektiven nach innen und außen öffnet, eines stärkeren Europas. Ich glaube also, man sollte sich nicht in solchen Subtilitäten verlieren. Natürlich ist, wie der Berichterstatter feststellte, in dieser Verfassung nicht alles perfekt. Wir alle hätten uns Verbesserungen in diesem oder jenem Punkt gewünscht. Aber gehört eine gewisse Unvollkommenheit nicht zum Wesen der Demokratie, denn die Demokratie lebt doch vom Kompromiss, und müssen wir daher nicht in der Lage sein, heute einen Kompromiss für den Fortschritt zu akzeptieren, um morgen weiter gehen zu können?

Die Verfassung bietet ein solides Fundament für unsere gemeinsamen Werte, das wurde von mehreren Rednern gesagt. Sie bietet einen demokratischen Rahmen, der es der Europäischen Union gestattet, dort wo nach dem Subsidiaritätsprinzip ihr Handeln erforderlich ist, effizienter zu handeln. Die Devise der Union „In Vielfalt geeint“ macht, wie hier gesagt wurde, das Wesen dieses Europas aus. Das Gleichgewicht zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten, die Gleichheit zwischen den Bürgern, die Achtung der nationalen Identitäten, die von mehreren Rednern hervorgehoben wurde, das ist das Wesen unserer Union, das von diesem Verfassungstext sehr gut widergespiegelt wird.

Es gibt Fortschritte. Sie mögen unzureichend sein. Wir wären gern im Bereich Justiz und Inneres oder auf dem Gebiet der Außenpolitik besser vorangekommen, aber ich glaube, der Verfassungsentwurf ist eine äußerst wichtige erste Etappe. Man sollte auch nicht bereits jetzt an Überarbeitungen denken. Gewiss muss jede Verfassung Überarbeitungsmechanismen vorsehen, wie auch diese es tut; sie sieht übrigens Mechanismen verschiedener Art vor. Die Verbesserungen werden im Laufe der Jahre kommen, vorausgesetzt, diese Verfassung wird angenommen und wir sind in der Lage, sie umzusetzen und mit ihrer Hilfe eine echte europäische Demokratie aufzubauen.

Dieser Text wurde unter breiter Mitwirkung nicht nur von nationalen und europäischen Parlamentariern und weiteren Vertretern der Mitgliedstaaten, sondern auch von Vertretern der Zivilgesellschaft ausgearbeitet. Es wurde eine Debatte in der Zivilgesellschaft geführt, auch wenn diese unzureichend war. Diese Debatte gilt es zu fördern und zu unterstützen, vor allem mithilfe der Ratifizierungsverfahren, die, wie bereits erwähnt, in zwei Ländern bereits abgeschlossen wurden und in anderen demnächst beginnen werden. In dieser Hinsicht stellt Artikel I-47 über die partizipative Demokratie ein Novum dar, das in unseren nationalen Verfassungen kaum zu finden ist. Nun geht es darum, dies mit Leben zu erfüllen und ihm einen konkreten Inhalt zu geben. Die Debatte über die Annahme der Verfassung hat also begonnen und muss ausgeweitet werden. Der Bürger muss voll einbezogen werden, unabhängig davon, ob ein Referendum durchgeführt wird oder nicht.

Ich schließe mich den Worten der Vizepräsidentin der Kommission zur Kommunikation, zur Aufklärung, zu den Anstrengungen, die es zu unternehmen gilt, um Europa verständlicher zu machen, voll an. Der Vorsitz macht sich diese Feststellung zu Eigen. Diese Arbeit muss – wie ich unterstreichen möchte – in erster Linie in den Mitgliedstaaten geleistet werden, denn dort bauen die Bürger Europa auf. Sie setzt das Engagement aller voraus: zunächst der Regierungen und der Parlamentarier, aber auch – lassen Sie mich das wiederholen – der Vertreter der Zivilgesellschaft. In den nächsten Monaten wird die Präsidentschaft überall, wo sie kann und wo sie muss, an diesem Prozess mitwirken und diese Debatte fördern.

 
  
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  Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident, ich möchte Ihnen allen für diese lange und anregende Aussprache danken. Die große Mehrheit der Redner hat den ausgezeichneten Bericht und die Arbeit der Koberichterstatter zu Recht gewürdigt. Bleibt zu hoffen, dass der Bericht auch morgen die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit des Hauses erhält.

Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass der Bericht und die Verfassung von großer historischer Bedeutung sind. Das ist das erste Mal, dass das Europäische Parlament keine lange Liste von Kritikpunkten bezüglich des Ergebnisses einer Regierungskonferenz vorgelegt hat, und das kann einer der alten Hasen in Bezug auf diese Arbeit bestätigen. Wenn ich beispielsweise diesen Bericht mit den Berichten Planas, Méndez de Vigo und Tsatsos vergleiche, dann stellt dieser Bericht die positivste Einschätzung des Ergebnisses einer Regierungskonferenz dar.

Ich schließe mich all jenen an, die eine umfassende und ehrliche Debatte fordern. Ohne Debatte haben wir keine Demokratie und ohne Debatte kommen wir der Wahrheit kein Stück näher. Deshalb ist es unsere Aufgabe, anhand von Beispielen zu demonstrieren, wie sich die Verfassung auf den Alltag der europäischen Bürger auswirkt.

Das Wort „perfekt“ wurde gebraucht. Ich bin erst seit fünf Jahren Kommissionsmitglied, und das „perfekte“ Dokument ist mir bisher noch nicht begegnet. Schauen Sie sich um. Wie soll ein perfektes Dokument entstehen? Wir müssen auch künftig Kompromisse schließen, denn wir haben es mit 25 Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Traditionen, Sprachen, politischen Beschlussfassungsverfahren und Ansichten zu tun. Wir müssen deutlich machen, dass wir willens und in der Lage sind, Kompromisse zu schließen. Dies ist ein Kompromiss und muss auch ein Kompromiss sein.

Wir sollten uns einige der heute Morgen gebrauchten Worte ins Gedächtnis zurückrufen. Die Mehrzahl ist – positiv oder negativ – politisch befrachtet. Viele erwähnten Rechte, Demokratie, Offenheit, Wirksamkeit und Werte. Herr Méndez de Vigo erinnerte uns heute Morgen daran, dass die Verfassung die einzigartige Möglichkeit bietet, die Werte der Union zu garantieren. Uns eint die Vielfalt, deren Grundlage aber gemeinsame soziale und Grundrechte bilden. Das sind die Werte, die wir nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kinder garantieren.

Andere haben versucht, der Verfassung Bestrebungen zur Bildung eines Superstaats, zum Verlust der nationalen Souveränität oder der Schwächung der Rolle der nationalen Parlamente zu unterstellen. Darauf hat Herr Corbett bereits geantwortet.

Während ich davon ausgehe, dass wir die Vorzüge der Verfassung im Vergleich zum Vertrag von Nizza anhand von konkreten Fakten und Beispielen verdeutlichen sollten, erwarte ich auch von denjenigen, die über die nationale Souveränität oder nationale Parlamente sprechen, dass sie einige Fakten vorlegen. Wurde die Rolle der nationalen Parlamente geschwächt? Kann man sich klammheimlich und ohne Prüfung durch die Mitgliedstaaten und die nationalen Parlamente an einem europäischen Gesetz vorbeischmuggeln? Wir müssen in der Lage sein, diese Fragen zu beantworten. Lassen Sie uns auf der Grundlage der Tatsachen und des Textes der Verfassung agieren. Diese sollten unseren Bürgern in allen Mitgliedstaaten zugänglich gemacht werden und nicht nur die Horrorgeschichten oder falschen Vorstellungen.

Wir müssen ferner dafür sorgen, dass wir auf das In-Kraft-Treten der Verfassung vorbereitet sind, nachdem sie von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Wir werden uns unserer Verantwortung stellen und erwarten von den Mitgliedstaaten das Gleiche. Es reicht nicht aus zu hoffen, dass die Annahme in einem Mitgliedstaat automatisch die Akzeptanz im nächsten Land zur Folge hat. Deshalb habe ich mich im Rat sehr energisch für die Erarbeitung konkreter nationaler Strategien eingesetzt.

Wie Herr Brok andeutete, sind die Vorarbeiten für das In-Kraft-Treten der Verfassung und die Schaffung eines europäischen auswärtigen Dienstes, der den europäischen Außenminister unterstützen wird, bereits angelaufen. Wir schreiten nicht eben mit Riesenschritten voran, aber wir müssen uns vorbereiten. Wir können nicht einfach abwarten und zwei weitere Jahre verstreichen lassen, bevor wir mit der Umsetzung der Bestimmungen beginnen können. Wir müssen möglichst gut vorbereitet sein und das richtige Maß finden. Ich teile die Ansicht, dass wir den Text der Verfassung unbedingt respektieren müssen.

Die Beiträge von Abgeordneten aus den neuen Mitgliedstaaten haben den historischen Wert des europäischen Projekts und die Prinzipien und Werte, die es garantiert, veranschaulicht. Ganz gleich, ob wir ein größeres Boot, einen größeren Bus oder ein größeres Kleid brauchen, uns allen ist klar, dass wir Verantwortung tragen. Ich freue mich darauf, mich an der gemeinsamen Debatte zu beteiligen.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt.

 

11. Grünbuch über die Einreise zwecks Ausübung einer Erwerbstätigkeit
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  Der Präsident. Nach der Tagesordnung folgt die Mitteilung der Kommission: Grünbuch über die Einreise zwecks Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, Herr Schmit, meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe die Ehre, das Parlament darüber zu informieren, dass das Grünbuch zur Wirtschaftsmigration, das ich nach Abstimmung mit meinem Kollegen Kommissar Spidla vorgelegt habe, heute durch das Kollegium angenommen wurde.

Mit diesem Grünbuch will die Kommission einen Beitrag zu der aktuellen Debatte über den geeignetsten Ansatz für die Zulassung von Wirtschaftsmigranten und den Zusatznutzen der Verabschiedung eines solchen gemeinsamen Rahmens leisten, die mit dem Mandat von Tampere angestoßen wurde. Im Rahmen des Haager Programms hat der Europäische Rat die Kommission aufgefordert, bis Ende 2005 einen Vorschlag für einen gemeinsamen europäischen Ansatz der legalen Zuwanderung aus wirtschaftlichen Gründen vorzulegen. Die Kommission hatte vor drei Jahren dem Rat einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet, der aber aufgrund der mangelnden Bereitschaft mehrerer Mitgliedstaaten, dieses Problem unter einem gemeinschaftlichen Blickwinkel anzugehen, kein Echo fand. Jedoch haben die Veränderungen auf der internationalen Bühne, die Notwendigkeit für Europa, das Migrationsphänomen und seine zahlreichen politischen, sozialen und sicherheitspolitischen Folgen auf ausgewogene Weise zu behandeln, sowie schließlich die Unterzeichnung des Verfassungsvertrages, der einen klaren Unterschied zwischen den Fragen macht, die in die nationale Zuständigkeit fallen, und denen, die auch oder ausschließlich eine gemeinschaftliche Dimension aufweisen, den Rat zu zweckmäßigen Überlegungen bewogen und dieses Problem wieder auf die Tagesordnung gesetzt.

Die Haager Strategie definiert Ziele und legt einen Zeitplan fest, den die Kommission einzuhalten gewillt ist. Es versteht sich, dass die Erarbeitung eines Vorschlags in diesem Bereich eine breite, globale und transparente Debatte und vor allem die Einbeziehung der institutionellen und sozialen Akteure in die Suche nach Bewertungen, Vorschlägen und Beiträgen erforderlich macht. Schließlich können die Ermittlungsbehörden und die Polizeikräfte nicht über alle erforderlichen Fakten verfügen, um ein Bild von den lokalen Situationen, den Migrationsströmen aus den verschiedenen Regionen der Welt in jedes europäische Land sowie über die bereits gegebenen oder noch zu schaffenden Integrationsbedingungen für außergemeinschaftliche Bevölkerungsgruppen, die bereits in der Union ansässig sind oder sich dort niederlassen, zu zeichnen.

Das Anliegen des Grünbuchs besteht also darin, neue Daten und aktuelle Informationen zusammenzutragen, indem eine öffentliche Debatte angestoßen wird, an der möglichst viele Akteure auch aus der Zivilgesellschaft teilnehmen, die an einer neuen europäischen Strategie im Bereich der Wirtschaftsmigration interessiert sind. Einer Strategie, die die Kommission bis Ende 2005 vorschlagen soll und die wir als das Kernstück eines umfangreicheren politischen Projekts ansehen müssen, das geeignet ist, Intoleranz, Gewalt und Extremismus jeder Art vorzubeugen, sie zu bekämpfen und auszurotten. Das sind die Ursachen für das Gefühl der Verunsicherung, das unsere Mitbürger empfinden, und diese Ursachen gilt es zu bekämpfen, ohne dass wir uns auf rein militärische oder polizeiliche Reaktionen beschränken. Im Gegenteil, wir müssen zugleich politische Aktionen einleiten und damit beginnen, Initiativen in die Wege zu leiten, um den Strom einer zunehmenden Wirtschaftsmigration zu steuern, der sich unausweichlich in unsere Länder ergießt und der vielfach einen unbestreitbaren Vorteil für die europäische Wirtschaft darstellt.

Schließlich wird die öffentliche Debatte, die die Kommission mit ihrem Grünbuch anstößt, ihr die Möglichkeit eröffnen, eine Fülle von Daten und Informationen zusammenzutragen, auf deren Grundlage sie die Vorschläge erarbeiten kann, die der Rat von ihr fordert und die wir zu den vorgegebenen Fristen vorlegen werden.

 
  
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  Bourlanges (ALDE). (FR) Herr Präsident, als ich Herrn Frattini zuhörte, kam mir die Devise des berühmten belgischen Dichters Henri Michaux in den Sinn: „Abwarten und Tee trinken“. Ich glaube, wir sollten der Kommission hoch anrechnen, dass sie nicht verzweifelt und eine ebenso notwendige wie nützliche Debatte erneut anstößt. Bleiben Sie, Herr Vorsitzender Schmit, das ist Ihr Ressort. Wir sind in der Tat sehr darauf bedacht, dass das Vorhaben der Kommission gelingt. In dieser Frage sind Sie bei einem früheren Versuch trotz der Initiative der Kommission und trotz des Engagements des Parlaments gescheitert: damals konnte sich der Rat nicht einigen.

Ich möchte Sie fragen, Herr Frattini, – ja, ich meine Sie – aus welchen objektiven Gründen Sie annehmen – die Frage richtet sich im Grunde auch an Herrn Schmit – dass die Blockaden, zu denen es im Rat im Zusammenhang mit der vorangegangenen Initiative kam, heute aufgehoben werden könnten. Darüber freuen wir uns natürlich, sind aber zugegebenermaßen doch ein klein wenig skeptisch.

 
  
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  Roure (PSE). (FR) Herr Kommissar, natürlich freue ich mich ebenso wie mein Kollege Bourlanges, dass die Kommission und das Europäische Parlament ihre gemeinsamen Anstrengungen zur Öffnung legaler Einwanderungswege fortsetzen. Gestatten Sie mir jedoch, Ihnen drei Fragen zu stellen.

Die erste Frage deckt sich mit der von Herrn Bourlanges: welche konkreten Legislativmaßnahmen gedenken Sie zu ergreifen, und was werden Sie tun, damit der Rat nicht wieder blockiert wie bei Ihrem ersten Versuch im Jahr 2001? Die zweite Frage betrifft Ihren Vorschlag für sektorale Rechtsvorschriften für die legale Zuwanderung: Werden durch diesen Ansatz nicht die Rechte der Migranten gefährdet, indem für jede einzelne Gruppe unterschiedliche Regelungen geschaffen werden? Und schließlich meine dritte Frage: welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um diese Zuwanderungspolitik mit einer europäischen Integrationspolitik zu verbinden?

 
  
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  Schroedter (Verts/ALE). Herr Präsident! Meine Fragen schließen sich direkt an das an, s was die Kollegin bereits vorgebracht hat. Zunächst begrüßen wir es, dass die Kommission die Initiative ergriffen hat, und ich hoffe, dass der Rat sie diesmal nicht wieder blockiert. Ich glaube, dass die europäische Dimension dieser Aufgabe wichtiger ist als die Einzelinteressen der Mitgliedstaaten. Deshalb ist es wichtig, dass wir europäische Regeln finden. Wir können keinen Binnenmarkt entwickeln, wenn wir nicht auch für diesen Bereich europäische Regeln haben.

Allerdings wäre es jetzt natürlich interessant zu erfahren, wie diese europäischen Regeln denn aussehen sollen. Ich habe bisher in Ihrer Erklärung vermisst, Herr Frattini, dass Sie wichtige Regularien, die bereits existieren – wie z. B. die ILO-Konvention –, als Grundlage aufnehmen.

Welche Rolle werden die Schlüsselfragen, die in der ILO-Konvention für Migrationsarbeiter angeführt sind, in Ihrem Dokument haben? Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass das Europäische Parlament bei der Kommission auch angemahnt hat, diese Regeln mit einzubeziehen.

 
  
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  Der Präsident. – Herr Frattini, wir haben beschlossen, die Fragen in drei Gruppen zu unterteilen. Möchten Sie nun zu den Erklärungen der drei Redner etwas sagen?

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. (IT) Herr Präsident, ich kann die drei Fragen, die ja alle ein und dasselbe Grundproblem betreffen, beantworten.

Ich danke Herrn Bourlanges und den Abgeordneten, die das Wort ergriffen haben. Der erste Grund, der mich zu Recht optimistisch stimmt, dass es gelingen wird ein konkretes Resultat, nämlich die Annahme einer europäischen Initiative zu erreichen, ist der, dass es anders als 2001 der Europäische Rat war – just das Organ, das 2001 die Verabschiedung einer ähnlichen Initiative vereitelt hatte –, der die Kommission im November 2004 aufforderte, bis 2005 eine europäische Initiative anzunehmen. Die Kommission wurde im Rahmen der Haager Strategie von den Staats- und Regierungschefs, also von höchster politischer Ebene, dazu angehalten, tätig zu werden, und zwar umgehend. Das zeugt meiner Ansicht nach von einem neuen Bewusstsein dafür, dass nur Europa den zusätzlichen Nutzen für eine Strategie für legale Einwanderung bieten kann.

Der zweite Grund ist, dass wir uns anders als bisher für einen Ansatz entschieden haben, den ich eher als Bottom-up- denn als Top-down-Ansatz bezeichnen würde. Wir haben uns dafür entschieden, eine Debatte mit diesem Parlament, mit dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, mit Unternehmerverbänden und Gewerkschaften aufzunehmen, sodass wir erst bereit sein werden, einen Vorschlag einzubringen, wenn wir Anregungen gesammelt haben.

Ich bin überzeugt, dass diese Methode erstens die Transparenz der Debatte erhöhen, zweitens den Akteuren der Zivilgesellschaft eine aktivere Beteiligung als bisher an dieser Diskussion ermöglichen und drittens die Mitgliedstaaten in die Lage versetzen wird, den Vorschlag, den die Kommission dann unterbreitet, anhand der vorliegenden Stellungnahmen ihrer Arbeitgeberverbände, ihrer Gewerkschaften und des Europäischen Parlaments anzunehmen oder abzulehnen. Diese Elemente werden der Arbeit förderlich sein.

Deshalb kann ich nicht vorab sagen, welche konkreten Maßnahmen in der Initiative der Kommission enthalten sein werden, weil wir eben heute erneut eine europaweite Debatte starten, um Informationen und Vorschläge zusammenzutragen, die wir dann etwa Mitte dieses Jahres in einer öffentlichen Anhörung vorlegen wollen, damit wir bis Ende 2005 einen Vorschlag unterbreiten können. Zu diesem Zeitpunkt werden wir besser wissen, wie die konkreten Maßnahmen aussehen werden.

Ich kann Ihnen nur jetzt schon sagen, dass wir vorhaben, einen Rahmen mit Mindeststandards zu beschließen, um denjenigen, die legal arbeiten wollen, diese Möglichkeit zu geben, und gleichzeitig eine Vorschau auf die Bestimmungen mit möglichst geringem bürokratischem Aufwand zu geben – derzeit gibt es 25 verschiedene Vorschriften für die Zulassung von Migranten zwecks Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, für jedes Land eine. Wir wollen einen europäischen Rahmen schaffen, mit dem sich jeder außerhalb Europas im Vorfeld vertraut machen kann. Das wird unseres Erachtens auch mithelfen, illegale Einwanderung zu verhindern.

 
  
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  Fava (PSE).(IT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Es ist unserer Meinung nach sicher lobenswert, dass Einwanderer wenigstens nicht mehr als Problem, sondern als Ressource betrachtet werden – wie es ausdrücklich in dem Grünbuch heißt – und dass ein ständiger Dialog zwischen den vielfältigen Kulturen und Religionen angestrebt wird. Sorge bereitet uns jedoch der produktivitätsbezogene Ansatz, wie Sie ihn zudem selbst in einem Interview für eine italienische Tageszeitung nannten, also die Entscheidung, Migrationsströme von den Anforderungen des europäischen Arbeitsmarkts abhängig zu machen.

Das Grünbuch neigt zu der Möglichkeit – nur einer Möglichkeit, auf die wir aber dennoch eingehen wollen –, die Zulassung eines Einwanderers von einem freien Arbeitsplatz abhängig zu machen, der nicht anderweitig durch einen Arbeitnehmer aus der Europäischen Union besetzt werden kann, oder aber von speziellen Erfordernissen der Mitgliedstaaten in bestimmten Beschäftigungsbereichen.

Sind Sie nicht auch der Meinung, Herr Kommissar, dass die Anwendung dieses Grundsatzes das Ende einer gemeinsamen europäischen Einwanderungspolitik bedeuten könnte und auch ein Rückschritt wäre gemessen an dem, was viele Mitgliedstaaten bereits erreicht haben?

 
  
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  Hennis-Plasschaert (ALDE). (NL) Herr Präsident! Herr Kommissar, vielen Dank für das Grünbuch. Da dringender Handlungsbedarf bestand und noch besteht, freue ich mich darüber. Das Grünbuch ist mir erst jetzt zugegangen, so dass ich noch keine Gelegenheit hatte, das Gesamtdokument zu lesen, sondern nur die ersten Seiten. Sofort fiel mir auf der Seite 5 eine Stelle auf, wo zur Form der künftigen EU-Gesetzgebung im Hinblick auf die geplante Harmonisierung drei Vorschläge unterbreitet werden. Jedenfalls wird der Eindruck erweckt als seien noch drei Optionen offen, nämlich der horizontale Ansatz, der sektorale Ansatz und das so genannte Schnellverfahren.

Haben wir uns nun aber aufgrund jahrelanger Unschlüssigkeit seitens des Rates insgeheim nicht bereits für den sektoralen Ansatz entschieden? Der Bericht Peillon über die Zulassung von Wissenschaftlern und Forschern aus Drittstaaten ist meines Erachtens ein anschauliches Beispiel. Vom Rat wird dies unterstützt, und damit erklärt sich wohl in gewisser Weise Ihr Optimismus.

 
  
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  Moraes (PSE). (EN) Herr Präsident, Herr Kommissar, viele Abgeordnete haben das Grünbuch zwar noch nicht gesehen, doch wir sollten bereits jetzt einige Grundsätze für eine sehr begrüßenswerte Diskussion festlegen.

Erstens muss die Integrationspolitik, wie meine Kollegin Frau Roure sagte, fester Bestandteil jeder vorgeschlagenen Regelung sein. Wir wissen, dass wir auf bewährte Praktiken setzen wollen, aber unser Standpunkt zur Integrationspolitik ist noch immer sehr vage.

Zweitens versteht jeder Abgeordnete in diesem Haus etwas anderes unter gesteuerter Migration. Für einige bedeutet es vielleicht Kontrolle, für andere vielleicht das Recht auf Familienzusammenführung. Das ist ein großer Unterschied, und wir müssen im Rahmen dieser Diskussion definieren, was gesteuerte Migration tatsächlich bedeutet. Wir haben es dabei mit Menschen zu tun, die aus Drittstaaten kommen, um in der Europäischen Union zu arbeiten, und nicht mit Waren. Wir werden ein Bündel von Grundsätzen und Gesetzen haben, die diesen Umstand berücksichtigen müssen.

Abschließend möchte ich feststellen, dass ich die verstärkte Mitwirkung der Zivilgesellschaft sehr begrüße, aber wir müssen der Zivilgesellschaft, den Gewerkschaften und der Wirtschaft dann auch zuhören. Sie haben einige gute Ideen, und wir dürfen zu diesen Ideen nicht nur ein Lippenbekenntnis ablegen, sondern müssen eine Politik der gesteuerten Migration erarbeiten, die sowohl der Europäischen Union als auch den Menschen und ihren Familien zugute kommt, die in unsere Länder kommen, weil sie besser leben wollen.

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. (IT) Herr Präsident! Die drei Wortmeldungen kann ich hier zusammen beantworten. Erstens – und ich wende mich insbesondere an Herrn Fava, der das bereits sehr wohl weiß – ist der Präferenzgrundsatz für Arbeitnehmer aus der Gemeinschaft gegenüber jenen aus Drittländern im Verfassungsvertrag der Europäischen Union nicht zum ersten Mal niedergelegt, sondern wird dort lediglich als ein akzeptierter, gemeinsamer, verbreiteter, allgemein bekannter Grundsatz wiederholt. Gerade um eine willkürliche und unausgewogene Anwendung dieses Grundsatzes zu vermeiden, sollte unseres Erachtens mit Unterstützung der Zivilgesellschaft, der Gewerkschaften und der Unternehmen ergründet werden, welche Beschäftigungsmöglichkeiten es gibt, bei denen keine unmittelbare Gefahr besteht, den Bürgern unserer Länder Arbeit wegzunehmen. Denn wenn eine derartige Gefahr bestünde, hätte die Zuwanderung gewiss keine positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft, während wir doch dafür Sorge tragen müssen, dass die legale Zuwanderung zu einer wirklichen Integration führt. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmer in der Zivilgesellschaft akzeptiert und in die Bildung aufgenommen und wirklich in die Gesellschaft integriert werden. Natürlich wird dieses Thema nicht im Grünbuch behandelt, sondern ist Gegenstand der Integrationspolitik, die 2005 im Mittelpunkt einer Aktion der Kommission stehen wird.

Dies sind Bereiche, die die Kommission in diesem Jahr in enger Zusammenarbeit mit dem Parlament und dem Ratsvorsitz ausbauen wird. Die Integration ist ein unverzichtbares Element des Prozesses. An dieser Stelle geht es uns jedoch eher darum, Vorschläge darüber zu hören, wie wir die europäische Politik zur Aufnahme drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer einheitlicher gestalten können. Das ist das Ziel.

Für diejenigen, die erneut danach gefragt haben, wiederhole ich noch einmal, dass ich Ihnen heute keine Optionen oder Präferenzen bei den möglichen abstrakten Lösungen nennen kann. Jemand hat mich gefragt, ob es möglich wäre, eine Green Card nach amerikanischem Vorbild einzuführen. Die Antwort darauf wird die beginnende öffentliche Diskussion, wird dieses Parlament, werden die von uns anzuhörenden gesellschaftlichen Akteure geben.

In einer Frage bestätige ich selbstverständlich eine Verpflichtung, die Sie schon erahnen: Die Kommission wird sich nicht darauf beschränken, Ratschläge entgegenzunehmen, aber sie wird die Einschätzungen und Vorschläge berücksichtigen, die bei ihr eingehen werden.

Alles in allem verfolgt die Kommission demnach zwei Handlungsstrategien: eine bisher nationale Herangehensweise europäisch auszurichten, um eine ausgewogenere Politik zu fördern, aber vor allem durch einen positiven Ansatz im Rahmen unserer Gesellschaft die illegale Einwanderung einzudämmen. Dieser Ansatz ist für eine wirkliche Integration unerlässlich, sie wäre ohne ihn schwer zu verwirklichen.

 
  
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  Lambrinidis (PSE). (EN) Herr Präsident, ich danke der Kommission für ihre sehr begrüßenswerte Initiative. Ich möchte einen neuen Aspekt in die Diskussion einbringen. Zigmillionen von Europäern leben außerhalb von Europa und profitieren von der Einwanderungspolitik anderer Länder, nicht nur der USA, sondern auch von Australien, Südafrika, Neuseeland und vielen anderen Ländern. Diese Menschen – bzw. ein sehr interessanter Querschnitt dieser Personengruppe – kam erstmals im Juni 2003 während des griechischen Ratsvorsitzes in Thessaloniki zusammen. Einige der überaus erfolgreichen Italiener, Griechen, Tschechen, Rumänen usw., die über den ganzen Erdball verstreut leben, kamen, um uns von ihren Erfahrungen zu berichten. Ihre Erfahrungen als europäische Bürger, die in diese Länder integriert wurden, könnten für uns äußerst nützlich sein, Herr Kommissar. Ich war an diesem Treffen beteiligt und wäre gern bereit, Ihre Mitarbeiter bei der Planung eines Treffens mit diesen Bürgern zu unterstützen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns hier der Ansicht ist, dass die Verwandten, die wir in Drittländern haben, diesen schaden. Ebenso wenig sind die Aufnahmeländer der Ansicht, dass diese Menschen ihnen schaden. Daher steht für uns als Europäer die Furcht vor dem Konzept der legalen Migration in völligem Widerspruch zu unseren persönlichen Erfahrungen. Hören wir uns die Erfahrungen dieser Menschen an. Deren Erfahrungen könnten dazu beitragen, dass unsere eigenen Bürger – die sich ja mit diesen Menschen identifizieren – besser verstehen, welche Vorzüge die legale Migration für Europa hat.

 
  
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  Zaleski (PPE-DE). (PL) Ich habe eine Bemerkung oder, besser gesagt, eine Frage an Kommissar Frattini. Ich bin mit dem Grünbuch nicht vertraut, aber ich würde mir wünschen, dass dieses Dokument Bestimmungen enthält, die gewährleisten, dass Europa künftig nicht – wie mitunter die Vereinigten Staaten – verdächtigt oder beschuldigt wird, Wissenschaftler aus armen Ländern abzuwerben. Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die zum Studium oder zur Ausbildung an Universitäten oder wissenschaftliche Einrichtungen in Europa kommen, nicht hier bleiben, sei es, um zu arbeiten, oder aus welchen Gründen auch immer, weil das für ihre Herkunftsländer einen Verlust bedeutet. Oft handelt es sich dabei um arme Länder, deren Entwicklung weitgehend von der Ausbildung einer derartigen Elite abhängt. Es muss eine Politik entwickelt werden, die sicherstellt, dass es einerseits möglich ist, für einen bestimmten Zeitraum hier zu arbeiten, andererseits aber auch Instrumente vorhanden sind, die die Menschen nicht zur Rückkehr in ihr Land zwingen, sondern vielmehr dazu ermutigen, das erworbene Wissen und die Erfahrungen zur Entwicklung ihrer eigenen Kulturen und Gesellschaften einzusetzen.

 
  
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  Lambert (Verts/ALE). (EN) Herr Präsident, als Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zu einer Reihe von gleichgeordneten Problemen kommt mir das alles recht bekannt vor. Ich habe einige Fragen.

Inwiefern wird die vom Parlament auf diesem Gebiet bereits geleistete Arbeit berücksichtigt? Wir haben eine beträchtliche Anzahl von Vorschlägen vorgelegt, die wir mit der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und der Wirtschaft diskutiert haben. Die Gewerkschaften werden die Gleichbehandlung von Drittstaatsangehörigen fordern, die in die Europäische Union kommen, um hier zu arbeiten, um so zu verhindern, dass sie schlecht bezahlt werden und die Arbeitskräfte hier unterbieten. Vertreter der Wirtschaft werden Ihnen sagen, dass sie an Einreiseerleichterungen interessiert sind, damit sie nicht als paralleles Zuwanderungssystem fungieren.

Eine Sache, die sich geändert hat, seit sich das Parlament das letzte Mal mit dieser Thematik beschäftigte, ist die Zahl der Mitgliedstaaten. Wir haben zehn neue Mitgliedstaaten. Was die Hierarchie des Zuzugs zum Zweck der Erwerbstätigkeit betrifft, so prüft die Kommission doch sicherlich im Rahmen dieser Veränderung des Hierarchiesystems der Einreise zum Zweck der Erwerbstätigkeit die Aufhebung der Übergangsfristen für diese neuen Mitgliedstaaten.

 
  
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  Alvaro (ALDE). Herr Präsident! Ich wollte vor allen Dingen auch an das anknüpfen, was Frau Lambert bezüglich der Übergangsfristen gesagt hat. Es ist schon paradox und es sollte tunlichst vermieden werden, dass wir uns bemühen, Drittstaatsangehörige zu Arbeitszwecken in die Europäische Union oder in den europäischen Arbeitsmarkt zu bitten, dann aber die Arbeitszugangsmöglichkeiten für EU-Mitglieder weiterhin beschränkt lassen. Hier muss irgendwo ein Ausgleich gefunden werden. Ich bin dabei zuversichtlich, dass eine solche Möglichkeit im Rahmen der weiteren Arbeit auch gefunden wird.

Grundsätzlich möchte ich aber schon Herrn Frattini und seinen Mitarbeitern für ihren Ansatz danken, dies weiterzuführen, vor allen Dingen, weil Arbeit – und das ist mir in vielen Gesprächen mit Gruppen und Betroffenen aufgefallen – tatsächlich die beste Integration ist, die wir für die Bevölkerung haben können.

Ein anderer Ansatz vielleicht: Ich sehe, das Grünbuch ist mit sehr vielen Fragen gespickt. Vielleicht könnte man einige dieser Fragen auch zur Seite schieben, wenn man gerade ein so komplexes Thema wie Arbeitsmigration nach dem Prinzip behandelt: Keep it simple, keep it stupid.

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. (EN) Ich danke allen Abgeordneten des Parlaments für ihre Vorschläge und Stellungnahmen.

Grundanliegen dieses Vorschlags ist es, dazu beizutragen, dass in der legalen Migration kein Problem, sondern eine Chance für uns alle und insbesondere für Europa gesehen wird. Wir werden in diesem Zeitraum eine öffentliche Debatte einleiten. Wir werden die vom Parlament insbesondere in den Bereichen Gleichberechtigung und Chancengleichheit für legale Migranten bereits geleistete Arbeit berücksichtigen. Wir werden Anregungen und konkrete Vorschläge in Betracht ziehen, und wir werden alle Vorschläge als einen sehr positiven Beitrag im Geiste der offenen und freimütigen Zusammenarbeit prüfen.

Ich möchte die wichtige Frage des Braindrain ansprechen. Dieses Problem und die Frage, was in diesem Zusammenhang unternommen werden kann, werden eines der Hauptthemen einer Mitteilung über Migration und Entwicklung sein, die die Kommission im Frühjahr 2005 vorlegen wird. Ich kann Ihnen bereits jetzt versichern, dass sich die Kommission des akuten Charakters dieses Problems insbesondere in einigen Ländern und Bereichen wie der Gesundheitsfürsorge sehr wohl bewusst ist. Die Kommission beabsichtigt, eine auf die konkreten Bedingungen abgestimmte Strategie vorzuschlagen, die Entscheidungen ermöglicht, welche dem Umfang dieses sehr wichtigen und sensitiven Problems angemessen sind. Dadurch legen wir die Betonung auf die positive Wirkung, die die Migration auf die Ursprungsländer haben kann.

Ich kann Ihnen abschließend versichern, dass sich die Kommission eingehend mit diesem Problem auseinander setzen wird.

 
  
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  Der Präsident. Damit ist der Tagesordnungspunkt Mitteilung der Kommission: Grünbuch über die Einreise zwecks Ausübung einer Erwerbstätigkeit geschlossen. Ich danke Kommissar Frattini und den anderen Rednern. Herr Ortuondo Larrea hat um das Wort gebeten, um eine persönliche Erklärung abzugeben.

 
  
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  Ortuondo Larrea (ALDE). – (ES) Herr Präsident, wenn ich den Geist des Verfassungsvertrags zu definieren hätte, würde ich erstens sagen, dass er Integrationscharakter trägt; zweitens, dass er auf freiem Anschluss basiert; drittens, dass er die verschiedenen Identitäten, Kulturen, Sprachen und institutionellen Strukturen respektiert und eine europäische Bürgerschaft begründet, die die Staatsbürgerschaften der Mitgliedstaaten nicht ausschließt, sondern mit ihnen koexistiert.

Im Baskenland hat unser Parlament gerade mit absoluter Mehrheit ein neues Statut für die Koexistenz mit dem spanischen Staat angenommen, das, darauf möchte ich verweisen, vom Gemeinschaftsmodell inspiriert ist; es enthält eben diese Prinzipien, die ich genannt habe, und respektiert den Verfassungsvertrag. Trotzdem bezeichnete es ein Abgeordneter heute Vormittag als Angriff auf die europäische Verfassung und sagte, dass sich der baskische Präsident und die Baskische Nationalistische Partei mit den Feinden Europas verbündet haben. Das ist völlig falsch.

Wir werden mit Ja stimmen und wir treten für ein Ja zum europäischen Verfassungsvertrag im bevorstehenden Referendum ein. Außerdem wollen wir in Frieden und Freundschaft mit den anderen Völkern des spanischen Staates zusammenleben können, auf der Grundlage gegenseitiger Achtung der unterschiedlichen Identitäten und Sprachen, des freiwilligen Beitritts und der gemeinsamen Arbeit in einem vereinten Europa.

Wir Basken haben die europäische Integration von Anfang an unterstützt, wir wollen europäischer sein und arbeiten für eine gemeinsame Zukunft mit allen Europäern unter dem neuen Verfassungsvertrag.

 
  
  

VORSITZ: SYLVIA-YVONNE KAUFMANN
Vizepräsidentin

 

12. Fragestunde (Kommission)
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  Die Präsidentin. Nach der Tagesordnung folgt jetzt die Fragestunde mit Anfragen an die Kommission (B6-0001/2005).

Teil I

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 26 von Jacky Henin (H-0505/04)

Betrifft: Wegfall der Quoten auf dem Textilsektor

Im Anschluss an den Vorschlag, den die Kommission am 26. Oktober angenommen hat, fallen mit 1. Januar 2005 die Quoten für die Einfuhr von Textilerzeugnissen.

Diese Entscheidung wird in der Europäischen Union schwerwiegende Auswirkungen in Bezug auf eine Umstrukturierung der Branche und auf die Arbeitsplätze haben. Wirtschaftsexperten der Region Nord-Pas-de-Calais gehen bereits davon aus, dass allein in dieser Region 9.000 der 29.000 Arbeitsplätze, die direkt mit dieser Branche verknüpft sind, verschwinden werden.

Es sind menschliche Tragödien, die sich daraus für die betroffenen Arbeitnehmer und ihre Familien ergeben werden.

Welche konkreten Unterstützungsmaßnahmen wird die Kommission ergreifen, um in jenen Regionen der Europäischen Union, in denen die Textilindustrie eine wichtige Rolle spielt, die Arbeitsplätze zu erhalten und die Beschäftigungsmöglichkeiten auszubauen, insbesondere mit Hilfe der Strukturfonds und im Hinblick auf den Kampf gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen innerhalb und außerhalb Europas?

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Verehrte Abgeordnete, ich beantworte diese Frage im Namen meines Kollegen Herrn Mandelson, der heute nicht hier sein kann, weil er gegenwärtig auf dem Weg nach Indien ist.

Das WTO-Abkommen über Textilwaren und Bekleidung, das eine Frist von zehn Jahren für die Abschaffung von Quoten vorsah, lief am 31. Dezember 2004 aus. Damit gelten für den Handel mit Textilien und Bekleidung ab jetzt die allgemeinen WTO-Vorschriften.

Der Wegfall der Quoten dürfte beträchtliche Veränderungen für den Export von Textilwaren und Bekleidung sowie für globale Fremdbeschaffungstendenzen mit sich bringen. Bei den Lieferanten könnte eine Umorientierung auf Länder stattfinden, die eine umfassende Produktpalette, Größenvorteile, wettbewerbsfähige Preise und einen effizienten Service bieten können. Der Wegfall der Quoten wird tatsächlich schwer wiegende Auswirkungen haben, die sich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht im Einzelnen absehen lassen. Sie werden zudem maßgeblich von den Bedingungen in den einzelnen Ländern abhängen, davon, wie es ihnen gelingt, Wettbewerbsvorteile in Produktionssegmenten mit höherer Wertschöpfung zu erzielen und innenpolitisch auf die Veränderungen zu reagieren. Es müssen nachhaltige Maßnahmen ergriffen werden, um die Arbeitskräfte zu qualifizieren, die Qualität ihrer Arbeitsplätze zu verbessern und die Sozialpartner auf allen Ebenen in die Lage zu versetzen, nach Lösungen für die zahlreichen Probleme des Sektors zu suchen.

Was Europa betrifft, so sind die Zukunftsaussichten der Branche durchaus positiv. Dank Investitionen, einem Wechsel in die gehobene Preisklasse und der weltweiten Führung in der Modeindustrie konnte sich Europa zum weltweit größten Exporteur von Textilwaren und zweitgrößten Exporteur von Bekleidung entwickeln.

Nach Ansicht der Kommission ist hier ein dreigleisiger Ansatz erforderlich: Es gilt, den Umfang der Einfuhren in die EU zu überwachen, den Sektor bei der Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen und ihm zu helfen, seine Position als Schlüsselindustrie in der EU zu behaupten, und stets die ärmsten und schwächsten Entwicklungsländer im Auge zu behalten. Ein Schlüsselelement dieser Strategie ist die Mitteilung der Kommission vom 13. Oktober 2004 mit dem Titel „Der Textil- und Bekleidungssektor nach 2005“. Mit der Mitteilung ging die Kommission auf Empfehlungen der hochrangigen Gruppe für den Textil- und Bekleidungssektor, in der auch Gewerkschaften vertreten waren, ein.

Was Hilfe aus den Strukturfonds und die Verlagerung von Arbeitsplätzen betrifft, so sollte die Beteiligung des Textil- und Bekleidungssektors an multisektoralen Programmen einen effizienten Rahmen für die Unterstützung des Sektors bieten, eine Diversifizierung der Produktion ermöglichen und letztlich den wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Regionen dienen.

Die Kommission schlägt ferner vor, dass die Mitgliedstaaten in allen künftigen Programmen einen Betrag von 1 % des Jahresbeitrags zum Strukturfonds für das Ziel „Konvergenz“ und 3 % des Beitrags zum Ziel „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ reservieren sollten, um unvorhergesehene lokale oder sektorale Krisen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen oder sozialen Umstrukturierung oder den Folgen der handelspolitischen Öffnung abzudecken.

 
  
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  Henin (GUE/NGL). (FR) Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, hier meine aufrichtige Solidarität mit den Millionen Arbeitnehmern zum Ausdruck zu bringen, deren Leben in die Brüche geht, um einmal mehr eine Minderheit von Vermögenden zu befriedigen.

Ja, die die Wirtschaftsexperten des Internationalen Gewerkschaftsbundes – wenn die Kommission es nicht weiß, so wissen sie es doch – sprechen von der Vernichtung von dreißig Millionen Arbeitsplätzen, in Europa, in den Maghreb-Ländern, in Sri Lanka, in Indonesien werden es eine Million sein. Als ob das, was einige dieser Länder unlängst erlebt haben, noch nicht genügte, werden sie noch ein wenig tiefer ins Unglück gestoßen. Die Kommission, der Rat und das Parlament haben, das sage ich mit aller Entschiedenheit, die Verantwortung und die Aufgabe, diesem sozialen Desaster Einhalt zu gebieten.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 27 von Robert Evans (H-0509/04)

Betrifft: Sklaverei bei der Schokoladeherstellung

Der Kommission muss das Problem der illegalen Zwangsarbeit von Kindern im Kakaoanbau bekannt sein.

Der Großteil der Weltproduktion an Kakao stammt aus Westafrika, wo davon ausgegangen wird, dass über 200.000 Kinder unter gefährlichen Bedingungen auf Kakao-Farmen arbeiten (Internationales Institut für tropische Landwirtschaft, Juli 2002). Die europäischen Verbraucher sind mit der Möglichkeit konfrontiert, dass ein Teil der von ihnen verzehrten Schokolade unter Rückgriff auf Zwangsarbeit hergestellt worden ist.

Kann die Kommission mitteilen, welche Initiativen ergriffen worden sind, um zu gewährleisten, dass in Europa verzehrte Nahrungsmittel vom Geschmack der Sklaverei befreit werden?

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Verehrte Abgeordnete, ich beantworte diese Frage im Namen meines Kollegen Herrn Michel, der heute Nachmittag verhindert ist, weil er an einer Geberkonferenz für die Tsunami-Opfer teilnimmt.

Die Kommission verfolgt in dieser Frage einen zweiseitigen Ansatz. Einerseits unterstützen wir die Initiativen und Programme der IAO. Zweitens stärken wir die Handlungskompetenz der Länder in der Region, um sie in die Lage zu versetzen, die entsprechenden Bestimmungen des Cotonou-Abkommens und die verschiedenen Protokolle und Initiativen der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten im Bereich des Kinderschutzes umzusetzen.

Im Rahmen ihres Internationalen Programms zur Abschaffung der Kinderarbeit hat die Internationale Arbeitsorganisation im Jahre 2000 eine neue Initiative zur Bekämpfung des Handels mit Kindern zwecks Ausbeutung ihrer Arbeitskraft in West- und Zentralafrika ins Leben gerufen. Im Jahre 2003 kam ein Programm zur Bekämpfung der auf Ausbeutung ausgerichteten Kinderarbeit und der damit verbundenen Gefahren hinzu, das speziell für den Kakaoanbau in Westafrika entwickelt wurde und die Bezeichnung „West Africa Cocoa/Commercial Agricultural Programme to Combat Hazardous and Exploitative Child Labour“ trägt.

Die Kommission unterhält eine strategische Partnerschaft mit der IAO, bei der die Bekämpfung der Kinderarbeit einen Schwerpunkt bildet. In diesem Zusammenhang wird derzeit ein Programm im Wert von 15 Millionen Euro im Rahmen des AKP-Programms geprüft. Ziel ist es u. a., einen nachhaltigen Mechanismus einzurichten, mit dessen Hilfe verhindert werden soll, dass Kinder zu allen möglichen Arbeiten in der Landwirtschaft und in anderen Sektoren herangezogen werden. Zweitens geht es darum, die Handlungskompetenz von Agenturen und Organisationen auf nationaler und Gemeinschaftsebene in Bezug auf die Planung, Einleitung, Durchführung und Evaluierung von Maßnahmen zu stärken, deren Ziel es ist, Kinderarbeit zu unterbinden und nach und nach ganz zu beseitigen. Drittens sollen alle im Kakaosektor tätigen Kinder aus diesem Bereich entfernt und entsprechend gefährdete Kinder daran gehindert werden, eine solche Arbeit aufzunehmen. Ferner sollen die Verdienstmöglichkeiten erwachsener Familienmitglieder, vor allem von Frauen, durch Sozialschutzprogramme verbessert werden.

Die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten ECOWAS führt als regionale Organisation den Kampf gegen Kinderarbeit. In Ergänzung zu den Bestimmungen des Cotonou-Abkommens über Handel und Arbeitsnormen haben die Staatschefs der ECOWAS eine Erklärung sowie einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Ausbeutung von Kindern beschlossen. Ferner hat die ECOWAS kürzlich auf der Ebene ihres Sekretariats ein Referat für den Kinderschutz eingerichtet. Das Regionale Richtprogramm im Rahmen des 9. EEF wird Mittel zum Ausbau der Handlungskompetenz dieses neuen Referats der ECOWAS bereitstellen, um die Wirksamkeit seiner Arbeit zu fördern.

 
  
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  Evans, Robert (PSE). (EN) Ich danke dem Kommissar für die Informationen über die IAO und verschiedene andere Organisationen und Aktivitäten, die im Wesentlichen bekannt sind. Ich wüsste gern, ob die Kommission ein entschiedeneres Vorgehen in Bezug auf Unternehmen in Betracht zieht, die derzeit auf diese Weise Profit machen. Beispielsweise könnte man darauf bestehen, dass europäische Unternehmen – und wir sollten nicht vergessen, dass die Europäer und die Nordamerikaner die meisten dieser Kakaoerzeugnisse konsumieren – garantieren, dass ihre Produkte nicht mittels Kinderarbeit hergestellt und keine Profite durch die Ausbeutung von Kindern erzielt wurden. Andernfalls könnte man die Einfuhr nach Europa verbieten. Hat die Kommission derartige Maßnahmen in Betracht gezogen und wird sie derartige Maßnahmen in Betracht ziehen?

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Nach Ansicht der Kommission bietet der Rahmen des Cotonou-Abkommens zwischen der EU und den 77 AKP-Ländern echte Möglichkeiten, um über den politischen Dialog und die Unterstützung des verantwortungsvollen Regierungshandelns in den AKP-Ländern die menschlichen und sozialen Aspekte dieser Praxis sowie das damit potenziell in Verbindung stehende Element der Korruption aufzugreifen. Sie ist ferner der Ansicht, dass in der Armut und fehlenden Möglichkeiten auf lokaler Ebene einige der Hauptursachen für die Ausbeutung von Kindern und den Kinderhandel zu suchen sind. Die von der EU im Rahmen ihrer Entwicklungszusammenarbeit verfolgte Strategie der Armutsminderung bildet eine solide Grundlage für die Bekämpfung des Problems, da sie den Schwerpunkt auf gerechtes Wachstum und besseren Zugang zu Bildung legt.

Und schließlich stellt das Cotonou-Abkommen einen wichtigen Fortschritt in Bezug auf die Förderung von Kernarbeitsnormen in bilateralen Abkommen dar. Artikel 50 enthält eine konkrete Bestimmung in Bezug auf Handel und Arbeitsnormen, die das Engagement beider Seiten für die internationalen Kernarbeitsnomen, wie sie in den entsprechenden IAO-Übereinkommen definiert werden, bekräftigt.

 
  
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  Harbour (PPE-DE). (EN) Ist der Kommission bekannt, dass die Chocolate Manufacturers Association 2001 eine Vereinbarung abgeschlossen hat, die sich mit eben dieser Problematik beschäftigt? Würde die Kommission sich daher verpflichten, den Mitte des Jahres von den internationalen Schokoladeherstellern zu erwartenden Bericht zu prüfen, ihre Arbeit zu würdigen und ihre Bemühungen um die Entwicklung ihres Zertifizierungsprogramms zu unterstützen?

Ich begreife nicht, weshalb in diesem Zusammenhang gerade die Schokolade herausgegriffen wurde, denn es gibt zahlreiche andere Lebensmittel, die wir aus der Dritten Welt beziehen und auf die dieselben Probleme zutreffen. Kennzeichnungsfragen und Qualitätsnormen sind für den gesamten Sektor von sehr großer Bedeutung.

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Ich werde Herrn Harbours Bemerkungen selbstverständlich an Herrn Michel weiterleiten.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 28 von Bogusław Sonik (H-0572/04)

Betrifft: Unterbrechung der Ausfuhr von Lebensmitteln aus den neuen Mitgliedstaaten nach Russland

Im Zusammenhang mit der Drohung, die Ausfuhr von Lebensmitteln aus Polen und den anderen neuen Mitgliedstaaten nach Russland zu unterbrechen und zu erschweren, sollte die Europäische Kommission unverzüglich Unterredungen mit der Russischen Föderation aufnehmen. Die Aufnahme von Gesprächen sollte dazu dienen, die Kontrollen zu erleichtern, zu normalisieren, zu beschleunigen und die zugehörigen Kriterien zu präzisieren. Der Standpunkt der Europäischen Kommission, das Problem der tierärztlichen Kontrolle durch die Dienste der Russischen Föderation sei eine interne Angelegenheit der genannten Staaten, ist empörend. Eine solche Behauptung bedeutet eine Diskriminierung der neuen Mitgliedstaaten in den internen Beziehungen der Union, denn die Mitgliedstaaten haben keine Möglichkeit, in veterinärrechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Einfuhr von Waren aus Drittländern selbstständig zu entscheiden. Insofern wird ohne eine Verständigung mit allen Partnern eine Lösung des Problems unmöglich sein. Diese Situation ist der Europäischen Kommission nicht unbekannt, denn sie „unterstützte“ schon Gespräche Frankreichs mit den Vereinigten Staaten in einer ähnlichen Angelegenheit.

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Ich beantworte diese Frage im Namen meines Kollegen Herrn Kyprianou, der heute aus Krankheitsgründen verhindert ist.

Die Kommission hat alle vertretbaren Anstrengungen unternommen, um eine Unterbrechung der Ausfuhren tierischer und pflanzlicher Erzeugnisse aus der Europäischen Union nach Russland zu verhindern. Diese potenzielle Unterbrechung ist auf das Beharren Russlands zurückzuführen, dass die EU-Ausfuhren bestimmte Vorgaben für Einfuhren erfüllen müssen.

Im Falle tierischer Erzeugnisse bestand die konkrete Befürchtung, dass der Handel ab dem 1. Januar 2005 vollkommen blockiert sein würde. Russland besteht darauf, dass ab diesem Zeitpunkt ein einheitlicher Satz veterinärhygienischer Bescheinigungen für Einfuhren vorzulegen ist. Dank der Verhandlungen, die die Kommission im Namen der EU führte, konnte diese Gefahr jedoch abgewendet werden.

Im Hinblick auf pflanzliche Produkte, für die ab dem 1. April 2005 eine ähnliche Gefahr bestehen könnte, beabsichtigte die Kommission, sofort, als sich diese Gefahr abzeichnete, Verhandlungen aufzunehmen, und bat den Rat um seine Zustimmung. Im Anschluss an eine Diskussion zwischen den Mitgliedstaaten auf der Grundlage dieses Ersuchens gab der Rat „Landwirtschaft“ im Dezember 2004 seine Zustimmung, und die Kommission nahm im Namen der EU unverzüglich Verhandlungen in dieser Angelegenheit auf. Die Kommission ist von einem erfolgreichen Verhandlungsergebnis überzeugt.

Ich kann dem verehrten Abgeordneten daher versichern, dass die Kommission, auch wenn sie in Bezug auf die Exportanforderungen in Drittstaaten in ihrer Zuständigkeit stark eingeschränkt ist, ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht und sich frühzeitig für eine Lösung dieses Problems eingesetzt hat. Unmittelbar nachdem der Rat grünes Licht gegeben hatte, nahm sie die Verhandlungen auf.

Während der Verhandlungen wurde nicht zwischen neuen und alten Mitgliedstaaten unterschieden. Russland bestand jedoch darauf, sämtliche Einrichtungen in den neuen Mitgliedstaaten zu inspizieren, die eine Ausfuhrgenehmigung beantragt haben. Die Kommission betonte, dass dieselben Einrichtungen im Zuge der Erweiterung für den innergemeinschaftlichen Handel bestätigt worden waren. Sie drang ferner darauf, dass die Inspektionen möglichst rasch durchgeführt werden.

Insgesamt hat diese Situation zweifellos zu Beeinträchtigungen des Handels dieser Mitgliedstaaten mit Russland geführt, zumal Russland auch nicht der WTO angehört und demzufolge der Meinung ist, dass die Regeln der WTO für Russland nicht gelten.

Der Herr Abgeordnete kann sich darauf verlassen, dass die Kommission alle Mitgliedstaaten in ihre Bemühungen um die Vermeidung entsprechender Behinderungen des Handels einbezogen hat, vor allem die neuen Mitgliedstaaten. Diese Bemühungen dauern an, und die Kommission wird sich auch weiterhin für die Interessen der Gemeinschaft einsetzen.

 
  
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  Sonik (PPE-DE). (PL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Die Situation ist dramatischer als die Antwort des Kommissars vermuten lässt. Seit dem 1. Mai treibt Russland ein Spiel und nimmt keine Waren aus Polen an, als Vergeltung für die Weigerung einiger Länder wie der baltischen Staaten, russische Einfuhren zu akzeptieren, weil diese nicht den Hygienevorschriften der EU entsprechen. Die Mitgliedstaaten können jedoch bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus Drittländern in Fragen der Tiergesundheit keine unabhängigen Entscheidungen treffen. Ich möchte Sie bitten, in dieser Angelegenheit dringend tätig zu werden.

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) wie ich bereits sagte, hat die Kommission, als wir den Rat um grünes Licht baten und als wir die Verhandlungen aufnahmen, die Angelegenheit mit großer Dringlichkeit behandelt. Der Herr Abgeordnete hat mit seiner Feststellung Recht, dass dies für einige dieser Länder mit beträchtlichen Schwierigkeiten verbunden ist, und die Kommission wird sich nach Kräften um eine zufrieden stellende Lösung bemühen. Ich muss jedoch auf die Grenzen des Erreichbaren hinweisen. Bleibt zu hoffen, dass die Angelegenheit mit gutem Willen beider Seiten in naher Zukunft zu einem zufrieden stellenden Abschluss gebracht werden kann.

 
  
  

Teil II

Anfragen an Kommissar McCreevy

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 29 von Proinsias De Rossa (H-0515/04)

Betrifft: Dienstleistungen im Binnenmarkt

Es gibt weitverbreitete Besorgnis darüber, dass der Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen – insbesondere die Bestimmung über das „Herkunftsland“ – zu Sozialdumping und zu zunehmenden Verschlechterungen bei der Erbringung von Dienstleistungen führen könnte.

Wird die Kommission ihren Richtlinienvorschlag jetzt zurückziehen und einen Konsultationsprozess einleiten, der darauf abzielt, auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer Rahmenrichtlinie, mit der die Erbringung von qualitativ hochwertigen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse/öffentlichen Dienstleistungen ermöglicht wird, einen ausgewogeneren Vorschlag vorzulegen?

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Die Kommission möchte betonen, dass der Abbau von Binnenmarkthemmnissen nicht gleichbedeutend ist mit einer Verschlechterung der Qualität oder dass die Dienstleistungsrichtlinie zu Sozialdumping führen wird. Ganz im Gegenteil.

Was den Schutz der Arbeitnehmer betrifft, so wirkt sich die vorgeschlagene Richtlinie nicht nachteilig auf die geltende Regelung, nämlich die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern von 1996, aus. Diese Richtlinie sieht vor, dass für entsandte Arbeitnehmer, einschließlich Leiharbeiter, unabhängig von dem auf das Beschäftigungsverhältnis anwendbaren Recht, eine Reihe von wichtigen Schutzbestimmungen bezüglich der in dem Land, in das der Arbeitnehmer entsandt wurde, üblichen Arbeitsbedingungen gelten. Dieser Vorschlag kann daher von Unternehmen nicht dazu benutzt werden, um sich in Niedriglohnländern niederzulassen und damit den sozialen Schutz des Gastmitgliedstaates zu umgehen.

Außerdem unterstützt die vorgeschlagene Richtlinie die Kontrolle der entsandten Arbeitnehmer, indem es ein System der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten vorsieht und das Ursprungsland des Dienstleistungserbringers verpflichtet, die Behörden des Gastmitgliedstaates bei der Überwachung der Arbeitsbedingungen zu unterstützen. Die vorgeschlagene Richtlinie wird uns dabei helfen, Sozialdumping zu verhindern.

Die Kommission kann der Befürchtung, die Richtlinie könne zu massiven Verschlechterungen bei der Erbringung von Dienstleistungen führen, nicht teilen. Erstens gilt das Herkunftslandprinzip nur für die zeitweilige grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen. Für Dienstleistungen, die über eine Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden – beispielsweise ein Krankenhaus oder ein Seniorenheim – muss der Dienstleistungserbringer sämtliche in diesem Mitgliedstaat geltenden Regeln einhalten.

Zweitens ist das Herkunftslandprinzip eingebettet in die Harmonisierung und die verstärkte administrative Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Ausnahmeregelungen für das Herkunftslandprinzip, die sich beispielsweise auf die geltenden Arbeitsbedingungen in Bezug auf die Entsendung von Arbeitnehmern, Verbraucherverträge, Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen sowie die öffentliche Gesundheit erstrecken.

Die Kommission möchte abschließend betonen, dass die vorgeschlagene Richtlinie keine Liberalisierung oder Privatisierung von Dienstleistungen erfordert, die derzeit durch den öffentlichen Sektor oder öffentliche Einrichtungen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene erbracht werden. Ebenso wenig wirkt sich der Vorschlag auf das Ermessen der Mitgliedstaaten aus zu definieren, was ihrer Ansicht nach unter Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu verstehen ist und wie diese zu organisieren oder zu finanzieren sind.

Ferner hindert der Vorschlag die Mitgliedstaaten nicht daran, geeignete Regelungen bezüglich der Qualität, Verfügbarkeit und Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge oder andere Regelungen zum Schutz von Verbraucher- oder Nutzerrechten zu erlassen und umzusetzen. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass der Vorschlag keinesfalls der Arbeit an oder dem Ergebnis von speziellen Gemeinschaftsinitiativen vorgreift. Das gilt insbesondere für Folgemaßnahmen zum Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.

Die Kommission ist in ihrem Bemühen um Lösungen für spezielle problematische Bereiche an einem echten Dialog mit den Mitgesetzgebern sowie auch anderen interessierten Parteien interessiert. Bislang wurden keine gültigen Argumente vorgebracht, die gegen weitere notwendige Maßnahmen zugunsten der Öffnung des Binnenmarktes sprechen.

Ich bin sicher, dem Herrn Abgeordneten ist daran gelegen, dass Unternehmen, Verbraucher und Arbeitnehmer die Vorzüge eines einheitlichen offenen und wettbewerbsfähigen Dienstleistungsmarktes genießen können. Wir alle sind uns der wirtschaftlichen und sozialen Probleme bewusst, vor denen die Europäische Union steht. Angesichts der Bedeutung des Dienstleistungssektors wird die vorgeschlagene Richtlinie maßgeblich dazu beitragen, dass eine Lösung für diese Probleme gefunden werden kann.

 
  
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  De Rossa (PSE). (EN) Zunächst möchte ich den Kommissar zu seiner ersten Fragestunde im Parlament begrüßen. Ich freue mich auf weitere.

Die Antwort des Kommissars hat mich ein wenig verwirrt. Seine Antwort deutet darauf hin, dass diese Richtlinie nichts vorsehen wird, was sich nicht auf die Bereiche auswirken wird, bezüglich derer wir Befürchtungen geäußert haben. Er sagt, sie werde lediglich für die zeitweilige grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen gelten. Aber wie soll diese Richtlinie denn dann einen einheitlichen wettbewerbsfähigen Dienstleistungsmarkt bewirken? Wenn es lediglich darum geht, die zeitweilige grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen zu regeln, wie soll das zu einem wettbewerbsfähigen einheitlichen Dienstleistungsmarkt führen?

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Wie ich in meiner Erwiderung sagte, gilt das Herkunftslandprinzip lediglich für die zeitweilige grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen. Der Rest der Richtlinie erstreckt sich auf alle übrigen Bereiche. Werden Leistungen über eine Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat erbracht, muss sich der Leistungserbringer an alle entsprechenden Vorschriften in diesem Mitgliedstaat halten.

Herr Abgeordneter, ich räume ein, dass die Dienstleistungsrichtlinie hoch gesteckte Ziele verfolgt, nämlich die Schaffung eines umfassenden Rahmens. Ich bin mir der Bedenken vieler Abgeordneter dieses Parlaments und vieler Menschen außerhalb dieses Hauses bewusst. Ich weiß, dass dies in einigen Mitgliedstaaten die politische Debatte angeheizt hat. Ich habe den offenen und konstruktiven Dialog mit den Abgeordneten aufgenommen und werde ihn fortsetzen. Ich sehe künftigen Mitteilungen von Ihrem Berichterstatter zu den Ansichten der Abgeordneten im zuständigen Ausschuss mit Interesse entgegen.

 
  
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  Harbour (PPE-DE). (EN) Ist der Kommissar nicht auch der Ansicht, dass es für die Abgeordneten dieses Hauses immens wichtig ist zu wissen, dass einige Mitgliedstaaten gegenwärtig eine enorme Vielfalt von diskriminierenden und wettbewerbswidrigen Praktiken gegen Dienstleistungserbringer anwenden? Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie diese etwas ausführlicher für all jene Abgeordneten erläutern könnten, die diese Richtlinie völlig zu Unrecht mit Begriffen wie „Sozialdumping“ und „massive Verschlechterungen bei der Erbringung entsprechender Leistungen“ in Verbindung bringen, die Sie in Ihrer Antwort bereits überzeugend widerlegt haben. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es zu diesen Erscheinungen kommen wird, und es wäre hilfreich, wenn besser über das dieser Richtlinie innewohnende Potenzial in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen informiert werden würde.

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Da stimme ich dem Herrn Abgeordneten auf jeden Fall zu. Die Öffnung der Dienstleistungsmärkte in ganz Europa bietet enorme Möglichkeiten für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Es wurden verschiedene Studien eingeleitet und festgestellt, dass große Möglichkeiten für die Schaffung von Arbeitsplätzen bestehen. Ausgehend davon, dass weit über 60 % des BIP der Union auf den Dienstleistungssektor entfallen, ist klar, dass jede Verbesserung im Dienstleistungsbereich mehr Wohlstand und Arbeitsplätze für die Menschen in der Union schaffen wird.

Ich teile die Ansicht des Herrn Abgeordneten, dass in etlichen Mitgliedstaaten eine Vielzahl von wettbewerbswidrigen Praktiken existiert, die eine echte Öffnung des Dienstleistungsmarktes verhindern. Anliegen der Dienstleistungsrichtlinie ist es, den Dienstleistungssektor zum Nutzen aller Bürger in Europa zu öffnen. Trotzdem bin ich mir der konkreten Befürchtungen der Abgeordneten bewusst, um die frühere Frage von Herrn de Rossa zu beantworten. Ich hoffe, dass es uns im Verlaufe des parlamentarischen Prozesses und anderer Prozesse gelingen wird, diese Befürchtungen zunehmend auszuräumen.

 
  
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  Martin, David (PSE). (EN) Nimmt man die Einschränkungen, die der Kommissar bei der Beantwortung der ersten Frage erwähnt hat, für bare Münze, so wird deutlich, dass diese Richtlinie nicht für das britische Gesundheitswesen gelten würde, das auf dem Grundsatz des kostenlosen Zugangs zur Gesundheitsfürsorge für alle beruht. Wenn stimmt, was er sagt, warum klammert er den Bereich Gesundheit nicht einfach vom Geltungsbereich dieser Richtlinie aus?

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Gegenüber dem Europäischen Parlament und anderen, die Bedenken geäußert haben, vertrete ich den Standpunkt, dass diese Bedenken und Probleme auf den Tisch gelegt und in einem Dokument zusammengefasst werden sollten. Ich möchte nicht mit einer Liste von Positionen anfangen, die meiner Ansicht nach entfernt werden sollten. Das wäre nicht der richtige Weg.

Ich akzeptiere, dass es sich bei der Richtlinie um ein sehr ehrgeiziges Dokument handelt. Das Ziel lohnt aber den Aufwand. Die Abgeordneten dieses Hauses vertreten zu verschiedenen Themen unterschiedliche Standpunkte, verfügen über ganz eigene Erfahrungen sowie politische und ökonomische Philosophien. Wir alle müssen aber akzeptieren, dass Europa den Herausforderungen der Zukunft nur dann gewachsen sein wird und dass wir das Modell des sozialen Schutzes und andere Dinge, die wir anstreben und in Europa haben wollen, nur dann erhalten können, wenn wir für mehr europäisches Wirtschaftswachstum sorgen. Stillstand ist keine Option. Ziel der Dienstleistungsrichtlinie ist es, diesen speziellen Markt zu öffnen. Wie ich in Erwiderung auf Herrn Harbours Bemerkungen sagte, machen die Dienstleistungen den Großteil der Wirtschaftstätigkeit der Europäischen Union aus. Deshalb lohnt es sich, für dieses Ziel zu kämpfen.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 30 von Brian Crowley (H-0528/04)

Betrifft: Zielvorgaben von Lissabon

Zu Beginn des Jahres 2004 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen als wichtigen Beitrag zur Verwirklichung der Strategie von Lissabon vorgelegt. Dieser Vorschlag hat eine umfassende Debatte ausgelöst, wobei sowohl entschiedene Unterstützung als auch energischer Widerstand seitens bestimmter Kreise geäußert wird.

Welche Schlussfolgerungen zieht die Kommission aus den Reaktionen, die der Vorschlag ausgelöst hat?

Könnte die Kommission erklären, warum sie sich dafür entschieden hat, einen Vorschlag mit einem derart breiten Anwendungsbereich vorzulegen, und warum sie ein so großes Gewicht auf die Rolle des Landes der Niederlassung des Dienstleistungserbringers legt? Warum hat sich die Kommission nicht für einen Ansatz nach einzelnen Sektoren entschieden?

Welche Rolle spielt der Dienstleistungssektor für die Wirtschaft der EU, und welcher Anteil entfällt auf grenzüberschreitende Dienstleistungen? Welche konkreten Ergebnisse, die für die Zielvorgaben von Lissabon relevant sind, hofft die Kommission mit diesem Vorschlag zu erzielen?

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Wie der Herr Abgeordnete ausführte, steht der Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt im Mittelpunkt unserer Bemühungen um die Reformierung der europäischen Wirtschaft. Annähernd 70 % des BIP und der Beschäftigung in der EU entfallen auf den Dienstleistungssektor. Der in diesem Vorschlag vorgesehene Abbau der Binnenmarktschranken im Dienstleistungsbereich ist eine der Voraussetzungen dafür, dass die Wachstums- und Beschäftigungsvorgaben, die den Kern der Agenda von Lissabon bilden, erreicht werden können. Die sich aus diesem Vorschlag ergebenden potenziellen wirtschaftlichen Möglichkeiten sind in der Tat riesig. Unterstrichen wurde dies durch wirtschaftliche Untersuchungen, die unlängst in den Niederlanden durchgeführt wurden und aus denen hervorgeht, dass die Umsetzung des Vorschlags in seiner jetzigen Form eine Steigerung des bilateralen Handels und der ausländischen Direktinvestitionen in gewerbliche Dienstleistungen um 15 % bis 35 % nach sich ziehen könnte.

Die Kommission hat aus mehreren Gründen eine horizontale Richtlinie vorgeschlagen. Erstens erstreckt sich der Vorschlag auf eine breite Palette von Dienstleistungen, weil viele der ermittelten Hemmnisse für verschiedene Dienstleistungsaktivitäten kennzeichnend sind.

Am effizientesten lassen sich diese Hemmnisse horizontal angehen. Zweitens wäre ein umfangreicher und detaillierter Harmonisierungsprozess mittels sektoraler Richtlinien überflüssig und unrealistisch und stünde im Widerspruch zum Subsidiaritätsprinzip und den Grundsätzen der besseren Rechtsetzung. Drittens berücksichtigt der Richtlinienvorschlag den spezifischen Charakter bestimmter Tätigkeiten. Er schlägt eine spezifische Harmonisierung dort vor, wo sie für erforderlich gehalten wird, und sieht eine schrittweise Umsetzung vor.

Klar ist, dass der Vorschlag lebhafte Diskussionen ausgelöst hat. Doch das ist genau das, was von einem derart ehrgeizigen und weit reichenden Vorschlag erwartet werden kann. Das macht deutlich, dass der Vorschlag einige sehr wichtige Fragen thematisiert. Gleichzeitig bedeutet das, dass es noch erheblicher Anstrengungen bedarf, bis das gemeinsame Ziel erreicht ist.

Das Herkunftslandprinzip ist, was die Erbringung von grenzüberschreitenden Leistungen betrifft, ein zentrales Element des Vorschlags. Es sorgt dafür, dass grenzüberschreitende Leistungen nicht mehr einer Vielzahl unterschiedlicher Vorschriften unterliegen und dürfte das Angebot grenzüberschreitender Leistungen stimulieren und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft verbessern.

Das Herkunftslandprinzip ist vor allem für KMU von wesentlicher Bedeutung, die nicht über die Mittel zur Einrichtung einer Niederlassung oder eines Büros in einem anderen Mitgliedstaat verfügen und ihr Know-how deshalb lediglich im Rahmen der zeitweiligen Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen exportieren können. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass das Herkunftslandprinzip nicht für Dienstleistungen gilt, die durch eine feste gewerbliche Präsenz im Gastland erbracht werden.

Ich möchte gleichzeitig wiederholen, dass das Herkunftslandprinzip nicht isoliert gilt. Zusätzlich zu der speziellen Harmonisierung, die für bestimmte Aktivitäten vorgesehen ist, sieht der Vorschlag die Weiterentwicklung der administrativen Zusammenarbeit zwischen Behörden und Verwaltungen der Mitgliedstaaten vor. Die Harmonisierung und Zusammenarbeit wird das Maß an Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten schaffen, das für eine effektive Anwendung des Herkunftslandprinzips erforderlich ist.

Abschließend sei noch erwähnt, dass für bestimmte Dienstleistungen, die aufgrund der Notwendigkeit des Schutzes von Verbrauchern, der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sicherheit als besonders sensibel gelten oder bei denen die derzeitigen Unterschiede in der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten eine Anwendung des Herkunftslandprinzips nicht zulassen, eine Reihe von Ausnahmeregelungen vorgesehen ist.

Wie ich vorhin bereits sagte, ist die Kommission davon überzeugt, dass dieser Vorschlag der beste Weg ist, um das ökonomische Potenzial des Dienstleistungssektors im Interesse unserer Arbeitnehmer, unserer Verbraucher und unserer Unternehmen zu erschließen.

 
  
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  Crowley (UEN). (EN) Auch ich möchte Kommissar McCreevy zu seiner ersten Fragestunde im Parlament begrüßen und eingangs erneut betonen, dass ich die Lissabon-Strategie und die damit verbundenen Ziele umfassend unterstütze, weil sie mehr Wohlstand und Beschäftigung in der Europäischen Union schaffen können.

Um jedoch auf seine Antwort zurückzukommen: Eines der größten Hindernisse für den grenzüberschreitenden Handel und den Schutz des Herkunftslandprinzips ist die Idee der Registrierung eines Unternehmens in einem einzigen Verfahren, d. h. wenn ein Mitgliedstaat ein Unternehmen für die Erbringung einer bestimmten Leistung in diesem Mitgliedstaat zulässt, dann sollte in allen Mitgliedstaaten das Prinzip der Gegenseitigkeit greifen, denn gemäß Binnenmarktvorschriften sollte in allen Mitgliedstaaten die gleiche Grundlage für Entscheidungen gelten.

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Das Herkunftslandprinzip, das den Kern der Dienstleistungsrichtlinie bildet, wird die von Herrn Crowley genannten Umstände berücksichtigen. Wie ich in meiner Erwiderung ausführte, wird sie Unternehmen die Tätigkeit in anderen Ländern ermöglichen, ohne dass die Unternehmen eine Vielzahl weiterer Prüfungen absolvieren müssen. Das ist die Grundlage des Herkunftslandprinzips, wie es unter den genannten Umständen zur Anwendung käme.

 
  
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  Mitchell (PPE-DE). (EN) Auch ich möchte den Kommissar zu seiner ersten Fragestunde in diesem Haus begrüßen.

Ich möchte ihn im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Kapazität, also Aspekte der Lissabonner Agenda, fragen, ob er bestätigen würde, dass er meine Ansicht dahingehend teilt, dass strukturelle Arbeitsmarktprobleme in Angriff genommen werden müssen, vor allem wenn man Europa mit den USA vergleicht. Würde der Kommissar unter diesem Gesichtspunkt der Feststellung zustimmen, dass etwas in Bezug auf den Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt unternommen werden muss, der in der EU im Vergleich zu den USA teilweise aufgrund fehlender bezahlbarer Möglichkeiten der Kinderbetreuung stark eingeschränkt ist? Wird die Kommission diesbezüglich etwas unternehmen?

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Ich begrüße Herrn Mitchells Beitrag, möchte aber darauf hinweisen, dass die von ihm angesprochenen Probleme in die Zuständigkeit meines Kollegen Herrn Spidla fallen. Herr Mitchell ist auf weitere Probleme im Zusammenhang mit dem Wachstum innerhalb der Europäischen Gemeinschaft eingegangen. Genau darum geht es beim Lissabon-Prozess, und wie Ihnen bekannt ist, hat Herr Barroso die Lissabonner Agenda zum Hauptschwerpunkt unserer Amtszeit erklärt.

Ich nehme zur Kenntnis, was der Herr Abgeordnete in Bezug auf den Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt und die Kinderbetreuung gesagt hat. Ich bin sicher, dass sich andere Kollegen in der Kommission dieser Problematik annehmen werden.

 
  
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  Cederschiöld (PPE-DE). (SV) Ich möchte Kommissar McCreevy ebenfalls willkommen heißen. Was die Dienstleistungsrichtlinie betrifft, so zeigt sich deutlich, dass nicht alle verstanden haben, warum sie erforderlich ist. Daher wäre es meines Erachtens angebracht - und ich möchte auch den Kommissar fragen, ob dies nicht zweckmäßig wäre - eine Liste von Beispielen zusammenzustellen, die deutlich zeigen, wie Unternehmen ganz konkret daran gehindert wurden, einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten. Ein Beispiel dafür ist der Fall eines französischen Unternehmens, das Grabsteine herstellen will und von den Deutschen unter Bußgeldandrohung daran gehindert wird.

Kann der Herr Kommissar uns eine konkrete Liste zu der Unmenge an Problemen vorlegen, die wir im SOLVIT-Netz sowie auch in anderen Zusammenhängen gesehen haben - Probleme, denen Unternehmen gegenüberstehen und die die Wirtschaftsentwicklung behindern?

 
  
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  McCreevy, Kommission. (EN) Wir haben ein solches Dokument erarbeitet, und ich werde der verehrten Abgeordneten gern ein Exemplar zuschicken.

 
  
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  Martin, David (PSE). (EN) Frau Präsidentin, ich weiß, wie schwierig der Vorsitz bei diesen Sitzungen ist, aber ich frage mich, welche Relevanz die Zusatzfrage für die ursprüngliche Frage von Herrn Mitchell hat. Es scheint, als sei Frau Cederschiöld zu der vorhergehenden Frage zurückgekehrt. Ich weiß, dass mein Kollege Herr de Rossa eine echte Zusatzfrage zur vorhergehenden Frage hatte, aber er hat nicht das Wort erhalten.

 
  
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  Die Präsidentin. Das Thema, Herr Kollege, ist offensichtlich von hohem Interesse für das gesamte Haus. Es hatten sich sehr viele Kolleginnen und Kollegen gemeldet und ich kann bei der Aufrufung der Fragestellerin oder des Fragestellers natürlich nicht vorher wissen, worauf sich eine Nachfrage bezieht. Vielleicht diskutieren sie das doch noch einmal mit der Kollegin.

Wir haben diesen zweiten Teil der Anfragen an die Kommission ohnehin schon überzogen, sodass die Anfragen 31 bis 33 nicht mehr erörtert werden können. Sie werden schriftlich beantwortet, und wir kommen dann zum nächsten Block unserer Anfragen.

Anfragen an Kommissarin Ferrero-Waldner

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 34 von Luis Yañez-Barnuevo García (H-0506/04)

Betrifft: Bildungsprogramme in Lateinamerika nach dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Costa Rica

Auf dem ibero-amerikanischen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs wurde in San José de Costa Rica vergangenen November beschlossen, die Bildungsprogramme als Schlüssel für die Entwicklung der Länder Lateinamerikas zu fördern.

Ist dies auch eine günstige Gelegenheit für die Kommission in den Beziehungen der Europäischen Union zu Lateinamerika?

 
  
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  Ferrero-Waldner, Kommission. Frau Präsidentin! Ich darf auch sagen, dass es meine erste Fragestunde ist, aber ich freue mich darauf. Es ist immer gut, wenn man in die Details gehen kann.

Ich spreche jetzt Englisch.

 
  
  

(EN) Diese Frage betraf die Bildung, die tatsächlich ein sehr wichtiger Sektor im Rahmen der Beziehungen der Kommission zu Lateinamerika ist. Die Bedeutung dieses Sektors wurde von den Staats- und Regierungschefs beider Regionen in Rio, in Madrid, in Guadalajara und auf verschiedenen weiteren Gipfeln unterstrichen, wobei insbesondere zur Vertiefung der regionalen Zusammenarbeit in der Hochschulbildung aufgerufen wurde.

Die Kommission führt derzeit im Bereich der Bildung Kooperationsprogramme auf nationaler, subregionaler und regionaler Ebene im Umfang von 300 Millionen Euro durch. Insbesondere finanziert die Kommission zwei regionale Programme im Bereich der Hochschulbildung. Dabei handelt es sich zum einen um das Programm Alfa – América Latina-Formación Académica und zum anderen um das Programm Alban – América Latina-Becas de Nivel.

Das Programm Alfa fördert die Zusammenarbeit zwischen Hochschuleinrichtungen und anderen einschlägigen Organisationen in den beiden Regionen mit dem Ziel der Entwicklung der personellen und institutionellen Handlungskompetenz und der Mobilisierung der Zivilgesellschaft sowohl der EU als auch Lateinamerikas insgesamt, um damit zur Herausbildung und Vertiefung dauerhafter Beziehungen beizutragen. Alfa 1 lief von 1994 bis 1999 und Alfa 2 umfasst den Zeitraum 2000 bis 2005.

Was die Ausstattung angeht, so sind für Alfa 1 32 Millionen Euro und für Alfa 2 42 Millionen Euro vorgesehen.

Das Programm Alban wurde 2002 auf dem EU/Lateinamerika-Gipfel in Madrid in Umsetzung der Empfehlungen des Gipfeltreffens in Rio de Janeiro auf den Weg gebracht. Das Programm vergibt Stipendien an lateinamerikanische Bürger für ein Aufbaustudium zum Erwerb des Magister- oder Doktortitels an Hochschuleinrichtungen der EU sowie an Experten aus Lateinamerika für ein Studium an Einrichtungen in der Union.

Auf regionaler und nationaler Ebene werden derzeit verschiedene Bildungsprojekte durchgeführt, und zwar vor allem im Bereich der allgemeinen Grundbildung. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass im Mittelpunkt des mit 74,6 Millionen Euro ausgestatteten Programms die Bildung im Rahmen des Wiederaufbauprogramms zur Beseitigung der von Hurrikan Mitch im Jahre 1998 verursachten Verwüstungen steht.

In Nicaragua leistet die Kommission einen Beitrag zur Entwicklung des Bildungssektors in Form von Budgethilfe in Höhe von 62,5 Millionen Euro.

 
  
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  Yañez-Barnuevo García (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, zunächst möchte ich die Kommissarin, Frau Ferrero, willkommen heißen, die einen spanischen Namen in ihrem Nachnamen führt, das Spanische beherrscht und über Lateinamerika gut unterrichtet ist. Ihre Antwort hat mich zufrieden gestellt. Sie hat mir gesagt, was ich wissen wollte über die Unterstützung der Kommission für die Bildungsprogramme und insbesondere für das Instrument, auf das ich mich in meiner Anfrage bezogen habe, das iberoamerikanische Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs, zu dem die spanisch- und portugiesischsprachigen Länder Lateinamerikas sowie Spanien und Portugal zusammenkommen.

Ich danke Ihnen nochmals, Frau Kommissarin. Wir werden Gelegenheit haben, diese Fragen in der Zukunft weiter zu diskutieren.

 
  
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  Ferrero-Waldner, Kommission. (EN) Da dies bereits beantwortet wurde, habe ich nichts hinzuzufügen.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 35 von Bart Staes (H-0510/04)

Betrifft: Entscheidet der Zufall über die Entwicklungszusammenarbeit?

Durch die Kampagne „Überlässt Du dem Zufall die Entscheidung? – Europa nicht!“ gibt die Kommission den Europäern zu verstehen, dass Europa viel Geld für Entwicklungszusammenarbeit aufbringt. Die Erklärung von Kommissionsmitglied Ferrero-Waldner zu dieser Kampagne zeigt, dass die Welt ein besserer Ort werden soll, offensichtlich in erster Linie für die Europäer, und dass die Entwicklungszusammenarbeit in erster Linie zu Stabilität in „unmittelbaren Nachbarländern“ führen soll. Die Armutsbekämpfung wird diesem Ziel untergeordnet.

Kann die Kommission mitteilen, ob diese Vorgehensweise, die in erster Linie auf eine bessere Sicherung Europas abzuzielen scheint, statt nachhaltige Lösungen für die Entwicklung der Dritten Welt zu bieten, mit der Entwicklungsagenda der Entwicklungsländer und mit Artikel 177 des Vertrags in Einklang steht, ferner mit den Zielsetzungen des Millennium-Projekts der Vereinten Nationen?

 
  
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  Ferrero-Waldner, Kommission. (EN) Wie die Kommission bei Anlauf der Poster-Kampagne erläuterte, setzt die Europäische Kommission in ihrer Entwicklungszusammenarbeit folgende Schwerpunkte: Minderung und schließlich Ausrottung der Armut; Förderung der nachhaltigen Entwicklung; Aufbau von Demokratien; Beitrag zur Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft; Unterstützung der verantwortungsbewussten Staatsführung und Förderung der Achtung der Menschenrechte.

Die Kommission hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Entwicklungsländern bei der Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele zu helfen. Es gibt jedoch wichtige Ziele und Aktivitäten, die weit über die Millenniums-Entwicklungsziele hinausreichen. Dazu zählen die Förderung von Frieden und Sicherheit und die Unterstützung des Verwaltungsaufbaus.

Grundvoraussetzung für die nachhaltige Entwicklung ist daher ein umfassender und einheitlicher Ansatz, wie bereits in Artikel 3 des EU-Vertrags deutlich gemacht wird, der die Bedeutung der Kohärenz aller außenpolitischen Maßnahmen und Instrumente im Rahmen der Außenbeziehungen, der Sicherheits-, Entwicklungs-, Wirtschafts- und Handelspolitik betont. Darauf wird auch ganz klar im Jahresbericht 2004 zur Entwicklungspolitik der Gemeinschaft verwiesen.

Die Außenbeziehungen der Gemeinschaft einschließlich der Unterstützung werden zudem weiter auf die Vielfalt unserer Partnerregionen und -länder abgestimmt. Die europäische Nachbarschaftspolitik ist Ausdruck einer solchen umfassenden und einheitlichen Partnerschaftsstrategie. In ähnlicher Weise verfolgen wir auch in unseren Beziehungen vor allem zu den größeren Entwicklungsländern in Asien und Lateinamerika eine breite Palette von Zielsetzungen. In diesem Zusammenhang ist klar, dass wir durch den konkreten Nutzen, den unsere Maßnahmen unseren Partnern bringen, die Welt verbessern, und zwar nicht nur für die Menschen, denen die EU-Hilfe direkt zugute kommt, sondern auch für europäische Bürger. Das ändert jedoch nichts am übergeordneten Ziel der von der Europäischen Kommission verfolgten Entwicklungspolitik – der Ausrottung der Armut.

 
  
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  Staes (Verts/ALE). (NL) Frau Präsidentin! Über die Antwort der Frau Kommissarin bin ich erfreut, denn ich muss sagen, ich war etwas schockiert, als ich ihre Erklärung vom 2. Dezember gelesen habe. Es wäre durchaus verzeihlich gewesen anzunehmen, die von ihr genannten Ziele stünden mit den Milleniumzielen nicht im Einklang.

Frau Kommissarin, im Ausschuss für Haushaltskontrolle ist darüber schon diskutiert worden. Auch hier haben Sie sich auf das Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit begeben. Der für den Entwicklungsbereich zuständige Kommissar ist Herr Michel, und ich halte eine sorgfältige Abstimmung, auch bei den Aussagen, die gemacht werden, für angezeigt, damit das, was Sie in dem umfassenderen Kontext der Milleniumziele erklärt haben, nicht falsch verstanden wird. Ich darf Sie bitten, sich in dieser Frage sehr sorgfältig mit Herrn Michel abzusprechen.

 
  
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  Ferrero-Waldner, Kommission. (EN) Ich danke Ihnen für die Bestätigung, dass diese Kampagne auf die richtigen Entwicklungsziele abstellt. Sie unterstreicht die Schlüsselsektoren der Außenhilfepolitik, wie sie in der Mitteilung der Kommission zur Entwicklungspolitik und in den Entwicklungszielen definiert werden.

Die sieben Schwerpunkte der Intervention der Europäischen Kommission umfassen sieben Elemente. Erstens Wohlstand, der durch den Handel und den privaten Sektor erzielt werden soll; zweitens Sicherheit im Ergebnis von Gerechtigkeit und regionaler Zusammenarbeit; drittens Freiheit auf der Grundlage der Menschenrechte und der verantwortungsbewussten Staatsführung; viertens Lebensmittel dank Ernährungssicherheit und ländlicher Entwicklung; fünftens Wasser dank Wasserinitiative zum Schutz der nachhaltigen Entwicklung; sechstens Bildung, die Bildungssysteme und Zugang zu Schulen umfasst, und siebtens verweist das Motto von EuropeAid - „partnerships improving lives worldwide“ – auf das Wie und Warum der Außenhilfe. Diese Kampagne erstreckt sich auf über 150 Länder weltweit. Ziel ist der Aufbau langfristiger Partnerschaften, wobei die Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Partnerländer im Mittelpunkt stehen. Von besonderer Bedeutung sind zudem die Ergebnisse in Schwerpunktgebieten: Die Maßnahmen müssen sich nachweisbar auf das Leben der Menschen auswirken. Diese Kampagne zielt auf den Kern dessen ab, was wir erreichen wollen, und ist Teil der übergeordneten Ziele.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 36 von David Martin (H-0553/04)

Betrifft: Anhaltende Verstöße Israels gegen die EU-Israel-Protokolle

Wird die Kommission angesichts der anhaltenden Verstöße Israels gegen die EU-Israel-Protokolle die Aussetzung dieser Abkommen in Erwägung ziehen?

In dem Assoziationsabkommen werden „dem Grundsatz der wirtschaftlichen Freiheit und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen“ Bedeutung als „eigentliche Grundlage der Assoziation“ beigemessen.

Im regelnden Teil wird in Artikel 2 eindeutig festgestellt, dass „die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien ebenso wie alle Bestimmungen des Abkommens … auf der Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie, von denen die Vertragsparteien sich bei ihrer Innen- und Außenpolitik leiten lassen und die ein wesentliches Element dieses Abkommens sind“, beruhen.

 
  
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  Ferrero-Waldner, Kommission. (EN) In Erwiderung auf Ihre Forderung nach Aussetzung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens ist festzustellen, dass nach Ansicht der Kommission Maßnahmen wie beispielsweise Sanktionen die israelischen Behörden veranlassen würden, auf die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um eine dauerhafte Lösung eher weniger entgegenkommend zu reagieren. Zumal sich die EU derzeit bemüht, auf sehr konstruktive Weise zu gewährleisten, dass der Rückzug aus Gaza in einem positiven Klima und in Zusammenarbeit mit der neuen und nunmehr demokratisch gewählten palästinensischen Führung stattfindet. Ich weiß sehr wohl um die Frustrationen bei all jenen, die den Friedensprozess fördern wollen und sich dabei Israels Expansion seiner Siedlungsaktivitäten gegenübersehen.

Die Europäische Kommission hat regelmäßig ihre Besorgnis nicht nur über den anhaltenden Terrorismus und die Gewalt zum Ausdruck gebracht, sondern auch über den Verlauf des Grenzzauns und den Ausbau der Siedlungen. Wir möchten im Rahmen eines Dialogs nach einer Lösung für diese Probleme suchen. Die Kommission ist bestrebt, die Beziehungen mit Israel und den Palästinensern auf der Grundlage der Europäischen Nachbarschaftspolitik, durch die Unterstützung palästinensischer Reformen und die Entwicklung des politischen Dialogs mit Israel zu entwickeln.

Der für Israel beschlossene Aktionsplan umfasst Maßnahmen zur Vertiefung des Dialogs und der Zusammenarbeit im Hinblick auf die Bedeutung der Einhaltung des Völkerrechts. Ferner geht es darum, das Ziel einer machbaren umfassenden Lösung nicht aus dem Auge zu verlieren, die u. a. auf eine möglichst geringe Beeinträchtigung des Lebens der Zivilbevölkerung durch Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und zur Terrorismusbekämpfung ausgerichtet ist.

Die Kommission vertritt die Ansicht – die meines Wissens von den Mitgliedstaaten geteilt wird -, dass Maßnahmen zur Aussetzung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens daher kontraproduktiv wären.

 
  
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  Martin, David (PSE). (EN) Ich akzeptiere voll und ganz, was die Kommissarin über die veränderten Bedingungen sagte. Seit Vorlage meiner Frage wurde Herr Abbas zum Palästinenserführer gewählt, und Herr Peres ist Mitglied der israelischen Regierung geworden. Das gibt Anlass zur Hoffnung für den Dialog zwischen beiden Seiten.

Ich möchte Sie jedoch bitten, in Ihrer neuen Rolle dieses Protokoll ständig im Auge zu behalten und Israel immer wieder nachdrücklich auf die Einhaltung dieses Protokolls hinzuweisen. Ich weiß, dass die Kommission in der Vergangenheit Maßnahmen in Bezug auf Produkte ergriffen hat, die aus Ostjerusalem, von den Golanhöhen, aus dem Westjordanland oder dem Gazastreifen kamen. Ich bitte Sie, die Situation weiter zu überwachen, um zu gewährleisten, dass Produkte aus diesen Gebieten nicht als israelische Produkte gekennzeichnet sind.

 
  
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  Ferrero-Waldner, Kommission. (EN) Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission das auf jeden Fall tun wird, denn kurz vor Weihnachten hatten wir eine entsprechende Ratstagung. Das war natürlich eines der wichtigen Themen im Rat. Wir werden also tun, was wir können, um beide Seiten zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen zu bewegen.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 37 von Justas Vincas Paleckis (H-0559/04)

Betrifft: Die neue Nachbarschaftspolitik und Belarus

Am 9. Dezember erklärte das für die Außenbeziehungen und die Europäische Nachbarschaftspolitik zuständige Kommissionsmitglied anlässlich der Billigung der ersten Aktionspläne der neuen Europäischen Nachbarschaftspolitik durch die Kommission, dass das Ziel die Schaffung eines Freundeskreises um die Grenzen der erweiterten Union herum sei. Von den sieben Ländern, mit denen die ersten Aktionspläne geschlossen wurden, verfügt lediglich die Ukraine über unmittelbare Landesgrenzen mit dem erweiterten Europa. Belarus dagegen, das gemeinsame Grenzen mit drei neuen Mitgliedstaaten der EU hat, ist nach Aussagen des Kommissionsmitglieds zu undemokratisch, um in dieses Programm aufgenommen werden zu können.

Gedenkt die Kommission, interne Maßnahmen zu ergreifen, um das Problem Belarus zu lösen? Beabsichtigt sie, Vorschläge zur Schaffung eines horizontalen Hilfsprogramms der EU zugunsten der Menschenrechte und der Demokratie zu berücksichtigen oder Funk- und Fernsehsendungen von den Nachbarländern aus auszustrahlen? Ist vorgesehen, eine Delegation der EU in Minsk einzurichten und einen Beauftragten der EU für Belarus zu ernennen? Solche Initiativen würden zur Bildung einer Zivilgesellschaft in Belarus beitragen und ermöglichten es, zugunsten einer Demokratisierung Einfluss zu nehmen, ohne einen Zusammenstoß mit dem dortigen Regime zu riskieren.

 
  
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  Ferrero-Waldner, Kommission. (EN) Die Kommission betont, dass die Europäische Nachbarschaftspolitik einen sehr wichtigen Mechanismus darstellt, der auf den Ausbau der Beziehungen zwischen der erweiterten Europäischen Union und ihren Nachbarn einschließlich Belarus ausgerichtet ist.

Schlüsselprinzip des „Freundeskreises“ ist die Entwicklung des gemeinsamen Engagements. Die Union kann ihre Politik niemandem aufzwingen, aber sie ist bereit, ihre Nachbarn von den Vorzügen der Europäischen Nachbarschaftspolitik, der ENP, zu überzeugen. Die Kommission bietet für die gesamte Bandbreite der Beziehungen – vom politischen Dialog bis zur wirtschaftlichen Integration - eine Vertiefung der Zusammenarbeit an. Voraussetzung dafür ist das Bekenntnis zu gemeinsamen Werten. Dieses Angebot gilt im Prinzip auch für Belarus.

Die Union ist im Rahmen der ENP bereit, ihr langfristiges Engagement für die Unterstützung der demokratischen Entwicklung in Belarus zu verstärken. Sobald grundlegende politische und ökonomische Reformen stattfinden, kann Belarus umfassend und mit all den potenziell damit verbundenen Vorteilen in die ENP einbezogen werden. Unter den derzeitigen Bedingungen kann es für Belarus jedoch keinen umfassenden Aktionsplan im Rahmen der ENP geben. Die Parlamentswahlen von Oktober 2004 und das Referendum waren für Belarus im Hinblick auf die ENP wichtige Meilensteine, die Belarus aber leider verpasst hat. Dennoch bestehen ganz klar Aussichten für eine Vertiefung der Beziehungen – auch im Rahmen der ENP -, vorausgesetzt, es finden grundlegende Reformen statt.

Gegenwärtig stellt die Unterstützung der Zivilgesellschaft und des Demokratisierungsprozesses ein Schlüsselelement dar – das auch Bestandteil der EU-Politik gegenüber Belarus ist. Hinzu kommt, dass Belarus auch weiterhin die Möglichkeit haben wird, von den entsprechenden regionalen, grenzüberschreitenden und thematischen Programmen zu profitieren. Die Kommission verstärkt ihre Anstrengungen zur Koordinierung der Unterstützung für die Demokratisierung und die Zivilgesellschaft.

Ferner prüft die Kommission derzeit – und an dieser Stelle möchte ich etwas konkreter werden – Möglichkeiten für eine flexible Unterstützung der Zivilgesellschaft und des Demokratisierungsprozesses. Die Unterstützung sollte in erster Linie in dem entsprechenden Land durchgeführt und verwaltet werden. Die Kommission schließt jedoch nicht von vornherein Situationen aus, in denen ein Projekt hauptsächlich außerhalb von Belarus durchgeführt würde. Die Modalitäten dafür müssen vor dem Hintergrund der entsprechenden Regeln und Vorschriften sorgfältig geprüft werden.

Unterstützung für unabhängige Medien und Informationsmaßnahmen zählt zu den Schwerpunkten der Unterstützung durch die EU. Die Ausstrahlung von Rundfunk- oder Fernsehsendungen für Belarus von außerhalb des Landes ist eine interessante Idee, wobei allerdings zu klären ist, ob die geltenden Bestimmungen die Finanzierung einer solchen Initiative aus EU-Mitteln zulassen.

Was die Frage der Einrichtung einer Delegation in Belarus betrifft, so muss berücksichtigt werden, dass der EU für den Ausbau ihres Netzes von eigenständigen Delegationen nur begrenzt Mittel zur Verfügung stehen. Für Belarus ist die Delegation der Europäischen Kommission in Kiew zuständig, die über ein Büro für technische Hilfe in Minsk verfügt. Die Kommission wird prüfen, inwiefern im Rahmen der bestehenden Strukturen zusätzliches Personal für die Arbeit in Belarus bereitgestellt werden kann. Gegenwärtig ist jedoch nicht vorgesehen, eine Delegation der Europäischen Kommission in Minsk einzurichten.

 
  
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  Paleckis (PSE). Frau Kommissarin! Ich gratuliere Ihnen auch herzlich zu Ihrer ersten Fragestunde. Aus Ihren ausführlichen Antworten ziehe ich die Schlussfolgerung, dass die Kommission wirklich ziemlich aktiv in Belarus arbeiten wird. Eine Frage: Glauben Sie, dass es möglich ist, auch unter jetzigen Umständen mit den derzeitigen Behörden in Belarus zu kooperieren?

 
  
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  Ferrero-Waldner, Kommission. Frau Präsidentin! Mit den Behörden können wir derzeit sicher nicht kooperieren. Aber was wir können, ist eben – und das habe ich ausgeführt –, die Zivilgesellschaft besonders fördern, aber auch vor allem mit der akademischen Gesellschaft arbeiten. Ich darf Ihnen sagen, dass wir drei Workshops mit nichtstaatlichen Organisationen und auch mit möglichst vielen Nachbarstaaten planen, um zu sehen, was wir im Detail tun können. Denn wir glauben auch, dass die Förderung der Zivilgesellschaft derzeit die einzige Möglichkeit ist, die uns bleibt, um in Belarus eine Änderung herbeizuführen.

 
  
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  Kudrycka (PPE-DE).   (PL) Vielen Dank! Herr Kommissar, es scheint in der Tat wichtig, die Nachbarstaaten von Belarus in die Bemühungen einzubeziehen, die Entwicklung der Zivilgesellschaft in diesem Land zu unterstützen. Akademische Programme sowie Programme für die unabhängigen Medien können nur in Zusammenarbeit mit den Nachbarländern umgesetzt werden. Meiner Ansicht nach könnte mit Projekten, die eventuell zusätzliche Mittel für solche Maßnahmen bringen, am besten sichergestellt werden, dass wir künftig mit einer wahrhaft demokratischen Regierung in Belarus zusammenarbeiten können.

 
  
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  Ferrero-Waldner, Kommission. (EN) Zunächst möchte ich feststellen, dass ich die Frage zu den Medien im Prinzip bereits beantwortet habe. Ich habe eindeutig den derzeitigen Standpunkt der Kommission dargelegt. Ich kann Ihnen jedoch in Bezug auf Projekte und Gelder einige Beispiele nennen. Die Unterstützung der EU für die Zivilgesellschaft soll ausgebaut werden. Das TACIS-Programm der EU, aus dem 2005 und 2006 10 Millionen Euro für Belarus bereitgestellt werden, wird seine Unterstützung auf folgende Bereiche konzentrieren: die Zivilgesellschaft, unabhängige Medien, also genau das, worum es Ihnen ging; Zusammenarbeit in der Hochschulbildung, einschließlich des Austauschs von Studenten und Professoren, sowie die Linderung der Folgen der Katastrophe von Tschernobyl. Die Information der Öffentlichkeit über die Europäische Union und die Europäische Nachbarschaftspolitik soll ebenfalls ausgebaut werden. Ferner werden aus dem Tempus-Programm Auslandsaufenthalte für junge belarussische Studenten, die Lehrplanentwicklung im Bereich Europawissenschaften und der Aufbau von Kapazitäten an den Universitäten des Landes finanziert werden.

Wie ich schon sagte, hat Belarus tatsächlich Anspruch auf Unterstützung im Rahmen der Programme der neuen Nachbarschaftspolitik. Deshalb wird das Instrument der Europäischen Nachbarschaftspolitik ab 2007 dem Land zugute kommen.

In den kommenden Jahren wird die Europäische Initiative zur Förderung der Demokratie und zum Schutz der Menschenrechte – die EIDHR – eine aktivere Rolle in Belarus spielen. In den Jahren 2005 und 2006 werden belarussische Antragsteller die Möglichkeit haben, im Rahmen der beiden folgenden Kampagnen Unterstützung zu beantragen: „Förderung einer Kultur der Menschenrechte“ und „Förderung demokratischer Prozesse“.

 
  
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  Onyszkiewicz (ALDE).   (PL) Ich möchte gern wissen, ob der Europäischen Kommission bewusst ist, dass diese dringend erforderlichen Bildungsprogramme von den belarussischen Behörden kontrolliert werden und daher nicht als echte Unterstützung des Demokratisierungsprozesses in Belarus angesehen werden können. Vor dem Hintergrund der Ausführungen der Kommissarin möchte ich die Frage stellen, ob im Rahmen des Programms Europäische Initiative für Demokratie und Menschenrechte EIDHR ein bestimmter Betrag für die Unterstützung unabhängiger Initiativen in Belarus bereitgestellt werden wird, wobei ich darauf verweisen möchte, dass in den letzten Jahren nicht ein einziger Euro dafür vorgesehen wurde.

 
  
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  Ferrero-Waldner, Kommission. (EN) Wie ich bereits sagte, planen wir drei Workshops. Der letzte davon wird in Litauen stattfinden. Litauen hatte die Kommission eingeladen, zusammen mit einigen Nachbarstaaten an neuen Ideen und Strategien zu arbeiten und zu prüfen, wie man mit NRO und anderen zusammenarbeiten könnte. Ich werde diesen Vorschlag bei diesen Workshops auf jeden Fall aufgreifen und sehen, was sich machen lässt. Aber alle potenziellen Maßnahmen müssen sich in den vorhandenen Regelungsrahmen einfügen. Wir werden das jedoch prüfen.

 
  
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  Die Präsidentin. Die Anfragen 38 - 41 werden schriftlich beantwortet, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass die Anfragen 39 und 40 hinfällig sind, weil sie Gegenstand der Tagesordnung der Sitzung sein werden.

Anfragen an Kommissar Frattini

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 42 von Dimitrios Papadimoulis (H-0511/04)

Betrifft: Telefonabhörungen ohne Richterbeschluss

Nach Berichten der seriösen Tageszeitung „Vima“ vom 5. und 7.12.2004 ist ein Abhörnetz italienischer Dienste entdeckt worden, die Gespräche über Mobil- und Festnetztelefone griechischer Bürger in Griechenland abgehört haben. Dies wird auch in dem Dokument der Staatsanwaltschaft von Bari (Italien) bestätigt, das von der Zeitung wiedergegeben wird. Es hat sich gezeigt, dass das Abhörnetz eingerichtet worden ist, ohne dass ein entsprechender richterlicher Beschluss der griechischen Justizbehörden vorlag, wobei führende Vertreter der griechischen Polizei und der Dienststelle für die Verfolgung der Finanzkriminalität erklären, dass „sie nachträglich davon unterrichtet wurden, dass ein solches Abhörnetz von italienischen Behördenvertretern eingerichtet worden war.“

Gedenkt die Kommission, die italienischen und die griechischen Behörden um Informationen in dieser Angelegenheit zu ersuchen? Ist ihr bekannt, ob bislang irgendein Protest der griechischen Behörden wegen der – ohne Richterbeschluss – durchgeführten Abhörung griechischer Bürger durch italienische Behörden vorliegt? Ist die Abhörung von Telefongesprächen von Bürgern eines Mitgliedstaats durch die Behörden eines anderen Mitgliedstaates ohne vorherigen richterlichen Beschluss des erstgenannten Staates zulässig?

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. (EN) Der Kommission liegen keinerlei Aussagen seitens der griechischen Behörden über die von dem verehrten Abgeordneten angesprochenen Fakten vor. Da bei Telefonabhörungen stets die Verhältnismäßigkeit der potenziellen Verletzung von Grundrechten im Vergleich zum öffentlichen Interesse, dem derartige Maßnahmen dienen, abgewogen werden muss, bedürfen Telefonabhörungen als ein Mittel der polizeilichen Ermittlung in den meisten Fällen der richterlichen Anordnung. Wenn die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats im Rahmen polizeilicher Ermittlungen in ihrem Land Telefone oder Telekommunikationsdienste in einem anderen Mitgliedstaat abhören müssen, müssen sie sich an die dafür vorgesehenen Verfahren halten.

Die Europäische Kommission ist natürlich nicht in der Lage, das Verhalten unabhängiger Justizbehörden zu beurteilen. Das wichtigste europäische Instrument für solche Fälle ist das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus dem Jahre 2000. Solange das Übereinkommen noch nicht in Kraft ist, können sich die Mitgliedstaaten auf das Übereinkommen des Europarates über die Rechtshilfe in Strafsachen von 1959 sowie die Empfehlung des Europarates (85)10 in Bezug auf Rechtshilfeersuchen um Überwachung des Telekommunikationsverkehrs berufen.

 
  
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  Papadimoulis (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich begrüße Sie, muss aber sagen, dass Sie mich in Erstaunen versetzen. Es ist unverständlich, dass die Kommission sich nicht zu einem schweren Verstoß gegen die elementaren Datenschutzvorschriften äußern möchte. In Griechenland wurden Telefongespräche griechischer Bürger durch italienische Behörden abgehört, ohne dass daran irgendwelche griechischen Behörden beteiligt waren. Herr Kommissar, vor wenigen Wochen waren Sie noch Minister der italienischen Regierung. Warum können Sie nicht zum Telefon greifen und die italienische und die griechische Regierung fragen, was da passiert ist?

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Papadimoulis möge mir verzeihen, doch ich kann nur wiederholen, dass die Kommission keinerlei Informationen über diesen Fall erhalten hat. Jedenfalls besitzt die Kommission keine rechtliche Befugnis, eine Rechtsverletzung zu beurteilen, die, wenn überhaupt, doch von einer unabhängigen Justizbehörde und nicht von einer Regierungsbehörde eines Mitgliedstaats begangen wurde. Es stehen die Rechtsinstrumente zur Verfügung, die ich genannt habe, insbesondere die Empfehlungen des Europarates und das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, ebenfalls vom Europarat.

 
  
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  Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich glaube, es hat noch ein weiterer Fehler vorgelegen bzw. dass Ihnen etwas entgangen ist. Im Dezember letzten Jahres haben die Zeitungen „Repubblica“ und „Corriere della Sera“ ausführlich über Telefonabhörungen berichtet; sie druckten sogar spezielle Darstellungen eines Apparates ab, mit dem, man kann hier Anführungszeichen setzen oder nicht, dieses Verbrechen begangen wurde. Dieser Apparat befindet sich irgendwo in Mailand oder in Süditalien. Ich frage mich also, wie es möglich ist, dass nicht auch Sie das herausgefunden haben, denn dann wären Sie in der Lage gewesen, heute dazu die entsprechenden Ausführungen zu machen.

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Was Herr Mavrommatis sagt, ist sicher richtig. Die italienischen Zeitungen haben einiges darüber berichtet, aber trotzdem kann und darf sich die Kommission nur im Rahmen ihrer rechtlichen Befugnisse bewegen, zu denen es eben nicht gehört, das Vorgehen von Justizbehörden zu untersuchen oder darüber zu richten. Es gibt Instrumente, auch innerhalb der Nationalstaaten, die es ermöglichen, ein Verfahren gegen einen Richter anzustrengen, der gegen das Gesetz verstoßen hat, doch das kann ganz klar nicht auf Antrag der Kommission geschehen.

 
  
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  Martin, David (PSE). (EN) Herr Kommissar, könnten Sie unabhängig von den Fakten dieses Falls bei Ihrem nächsten Zusammentreffen mit den Justizministern klarstellen, dass es nach den verschiedenen internationalen Übereinkommen, die Sie erwähnt haben, nicht hingenommen werden kann, wenn die Behörden eines Mitgliedstaats – ob nun politische oder Justizbehörden – Telefone in einem anderen Mitgliedstaat ohne dessen ausdrückliche Zustimmung abhören, was auch dem Geist der Mitgliedschaft in der Europäischen Union zuwiderläuft.

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Sie haben völlig Recht, Herr Martin, das ist sicher der richtige Weg. Wie Sie wahrscheinlich wissen, obliegt es in Italien zum einen dem Justizminister und zum anderen dem Selbstverwaltungsorgan der Richterschaft, gegen Richter vorzugehen, die das Gesetz gebrochen haben. Diese Anregung habe ich selbstverständlich an den italienischen Justizminister weitergegeben.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 43 von Claude Moraes (H-0522/04)

Betrifft: Jahresbericht der Kommission über Migration

Welche Ansicht vertritt die Kommission in bezug auf die Reaktionen auf den Jahresbericht der Kommission über Migration (Juli 2004), wie u. a. der Auffassung von Sachverständigen – beispielsweise von SOLIDAR (Katrin Hugendubel) und der Sozialen Plattform von NRO –, wonach es schwierig sei, „bewährte Verfahren“ im Bereich der Integrationspolitik zu ermitteln, da sich die Gegebenheiten in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten so stark voneinander unterschieden?

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. (EN) Es ist sicherlich richtig, dass sich die Ansätze der einzelnen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Integration unterscheiden. Strategie und Praxis variieren in Abhängigkeit von einer Reihe von Faktoren. Zwei Beispiele dafür sind Unterschiede in der Einwanderungsgeschichte und im Hinblick auf die Rolle, die Regierung und Zivilgesellschaft in der Integrationspolitik spielen.

Die Kommission hat stets betont, dass die Integrationspolitik ihrem Wesen nach ein Bereich ist, bei dem die Subsidiarität zur Debatte steht. Andererseits halten sich alle Mitgliedstaaten an die Menschenrechtsnormen und haben gemeinsame Werte wie Gleichheit, Antidiskriminierung, Solidarität, Toleranz usw.

Dank des kontinuierlichen Austauschs von Informationen und Erfahrungen, und zwar vor allem durch die Arbeit der nationalen Kontaktstellen für Integrationsfragen, zeichnet sich bei den Ansätzen, Zielen und Strategien in diesem Bereich eine gewisse Annäherung ab. Das fand im Dezember mit der Verabschiedung gemeinsamer Integrationsgrundsätze durch den Rat seine Bestätigung.

Das im November 2004 von der Kommission veröffentlichte Handbuch zur Integration für Entscheidungsträger und Praktiker, das Beispiele für gute praktische Lösungen in den Bereichen Einführungsprogramme, Bürgerbeteiligung und Integrationsindikatoren aus der gesamten Union zusammenträgt, macht deutlich, dass es zahlreiche gemeinsame Probleme gibt und wie viel wir voneinander lernen können. Bewährte Methoden müssen als das gesehen werden, was sie sind: Ideen, zu ziehende Lehren und Vorschläge, die Entscheidungsträgern bei der Erarbeitung der erforderlichen Politiken als Inspiration und Information dienen können.

 
  
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  Moraes (PSE). (EN) Ich danke dem Kommissar für diese klare Antwort. Ich weiß aus der vorhergehenden Debatte, dass Sie die Integrationsproblematik ernst nehmen.

Die Kommission hat maßgeblichen Einfluss auf die Integrationspolitik und spielt eine direkte Rolle beispielsweise bei der Durchsetzung von Richtlinien, die für die Integration von entscheidender Bedeutung sind. Ich beziehe mich hierbei konkret auf die Beschäftigungsrichtlinie und die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse. Die Kommission setzt sich konsequent für die Durchsetzung dieser Richtlinien ein, die, soweit mir bekannt ist, in mindestens zwei Mitgliedstaaten noch nicht umgesetzt wurden. Werden Sie sich mit der Kraft Ihres Amtes für die Durchsetzung derartiger Richtlinien einsetzen, die für den Integrationsprozess von so entscheidender Bedeutung sind? Sie verfügen über die entsprechenden Befugnisse.

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. (EN) Ja, natürlich verfügt die Kommission über diese Befugnisse, und ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission alles in ihren Kräften Stehende tun wird, um bei den Mitgliedstaaten entsprechende Überzeugungsarbeit zu leisten und dafür zu sorgen, dass alle Richtlinien im gemeinsamen europäischen Interesse umgesetzt werden.

 
  
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  Muscat (PSE). (IT) Herr Kommissar, ich werde in Ihrer Muttersprache sprechen, um Sie direkt auf ein altes Problem anzusprechen: die illegale Einwanderung. Diejenigen, die illegal auf dem Seeweg einreisen, werden doch gewiss nicht abwarten, bis wir eine gemeinsame Strategie haben, ehe sie weiter über das Mittelmeer fahren. Sicher, der einzige Grund, warum sie momentan auch nicht weiterfahren, ist der, dass die armen Teufel auf dem Meeresgrund liegen. Deshalb möchte ich fragen, was die Kommission derzeit unternimmt und was für die nächste Zukunft vorgesehen ist, um Ländern an den Außengrenzen der Europäischen Union – ich denke vor allem an mein Land, Malta – Hilfestellung zu geben und die illegalen Einwanderer anständig aufzunehmen? In welcher Höhe werden Mittel dafür bereitgestellt?

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Die illegale Einwanderung gehört zu den Themen, die von der Kommission als vorrangig betrachtet werden. Während wir politische Aktionen und gemeinsame europäische Lösungen vorbereiten, müssen wir uns, wie Sie zu bedenken gaben, auch mit dem täglichen Drama verzweifelter Menschen befassen. Die Kommission kann, muss und wird handeln, um zu gewährleisten, dass die Grundrechte der in das Hoheitsgebiet der Union einreisenden Personen, selbstverständlich auch der illegal einreisenden, geachtet werden. Das Recht auf Achtung des menschlichen Lebens und der Menschenwürde ist nicht von rechtlichen Unterschieden abhängig.

Deshalb müssen die strategischen Politikmaßnahmen schneller vorangebracht werden. Wir können uns keine Verzögerung leisten und weiter einen illegalen Zustrom zulassen, sondern müssen die Grundrechte der Menschen jetzt achten und gleichzeitig gemeinsame Politikmaßnahmen zur Aufnahme einerseits und Verhütung der illegalen Einwanderung andererseits vorbereiten.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 44 von Ignasi Guardans Cambó (H-0523/04)

Betrifft: Terrorismus

Im Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung wurden die Mitgliedstaaten aufgefordert, in bestimmten Bereichen, die mit der Terrorismusbekämpfung zu tun haben, Rechtsvorschriften zu erlassen, um angesichts der bestehenden Gefahren gemeinsame Definitionen festzulegen. Gemäß Artikel 11 dieses Rahmenbeschlusses hatten die Kommission und der Rat bis Ende 2003 zu prüfen, welche spezifischen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten gegen den Terrorismus getroffen wurden.

Diese Texte wurden schließlich von der Kommission am 8. Juni 2004 (KOM(2004)0409/endgültig) und vom Rat am 12. Oktober 2004 (11687/2/04/rev. 2) vorgelegt. In beiden Berichten wird sehr klar und sachlich festgestellt, dass die Mitgliedstaaten untätig geblieben sind und die im Rahmenbeschluss des Rates festgelegten Ziele nicht umgesetzt wurden.

Die Kommission verfügt über keine verbindlichen Instrumente, um die Umsetzung der Rahmenbeschlüsse durch die Mitgliedstaaten einzufordern. Wie will die Kommission jedoch, um die Glaubwürdigkeit Europas bei der Terrorismusbekämpfung zu gewährleisten, eine echte europäische Politik der Terrorismusbekämpfung vorantreiben und erreichen und daher sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten ihre Zusagen in Bezug auf Maßnahmen im legislativen Bereich erfüllen?

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. (EN) Gemäß Artikel 34 des Vertrages über die Europäische Union sind Rahmenbeschlüsse für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, sie überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form oder der Mittel. Rahmenbeschlüsse sind jedoch „nicht unmittelbar wirksam“.

Während die Kommission im Rahmen der ersten Säule die Möglichkeit hat, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat einzuleiten, sieht der Vertrag über die Europäische Union diese Möglichkeit nicht vor. Die von dem Herrn Abgeordneten beschriebene Situation erleichtert der Kommission zwar nicht die Arbeit, hindert sie aber auch nicht daran, eine Vielzahl politischer Initiativen zu ergreifen, die die Grundlage für die Politikgestaltung der Union im wichtigen Bereich der Terrorismusbekämpfung bilden.

Die Kommission hat in diesem Bereich sehr aktive Arbeit geleistet, die von der Verabschiedung des überarbeiteten Aktionsplans zur Terrorismusbekämpfung im Juni 2004 über dessen Aktualisierung im Dezember 2004 bis hin zur Umsetzung von mehr als der Hälfte der entsprechenden Maßnahmen reicht. Weitere Beispiele dafür sind die Vorlage von vier Mitteilungen im Oktober 2004, die verschiedene Aspekte der Prävention, Abwehrbereitschaft und Reaktionsfähigkeit bei terroristischen Anschlägen umfassen, und die Verabschiedung einer Mitteilung im gleichen Jahr über den gegenseitigen Zugang zu Daten, die für die Terrorismusbekämpfung von Bedeutung sind, sowie verschiedener geheimer Dokumente im Bereich der Folgenbewältigung und des Schutzes kritischer Infrastrukturen.

Die Kommission im Allgemeinen und Präsident Barroso und ich im Besonderen sind entschlossen, bei der Fortsetzung des Kampfes gegen den Terrorismus eng mit dem jeweiligen Ratsvorsitz zusammenzuarbeiten. Darin sieht der Rat einschließlich des Rates für Justiz und Inneres und des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs eine seiner Schwerpunktaufgaben.

 
  
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  Guardans Cambó (ALDE). – (IT) Ich kenne den Rechtsrahmen gut, in dem sich die europäische Politik zur Terrorismusbekämpfung bewegen kann, was die Kommission angeht, und Sie haben Ihn sehr gut beschrieben. Doch wenn wir keine kollektive Heuchelei betreiben wollen, müssen wir die Dinge beim Namen nennen. Und es sieht doch so aus, dass große Tagungen stattfinden, auf denen alle Regierungschefs zusammenkommen, und im Anschluss geben sie eine Pressekonferenz und präsentieren einen Beschluss, und nach diesem Beschluss geschieht gar nichts. Die Kommission hat das am 8. Juni 2004 selbst zugegeben. Meine Frage lautet deshalb: Was wird die Kommission in politischer Hinsicht unternehmen, damit diese Politik in die Tat umgesetzt wird?

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. (IT) Die Kommission wird Ende des Monats auf der informellen Tagung der Innen- und Justizminister mit der Erörterung des Aktionsplans für die Umsetzung der Haager Strategie beginnen. Der Aktionsplan wird im Mai dieses Jahres vorgelegt, und ich hoffe, dass er im Juni vom Europäischen Rat gebilligt wird.

Der Aktionsplan zur Terrorismusbekämpfung wird konkrete Maßnahmen und Empfehlungen enthalten, genaue Zeitvorgaben für die Mitgliedstaaten und bindende Verpflichtungen für eine gemeinsame Politik zur Verbesserung der Zusammenarbeit, des Informationsaustauschs und des Schutzes von Opfern terroristischer Anschläge. Diese Maßnahmen beabsichtigen wir zuvor diesem Parlament zu unterbreiten, was wir wohl Anfang Februar tun werden, also lange bevor wir unseren Vorschlag formulieren. Dann werden wir hören, was dieses Hohe Haus zu den konkreten Vorschlägen zu sagen hat.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 45 von Bill Newton Dunn (H-0524/04)

Betrifft: Weitergabe und Sammeln von Daten über Verbrechen in der Union

Wie weit sind die Vorschläge der Kommission für standardisierte Kriterien für die Weitergabe und das Sammeln von Statistiken über Verbrechen in der Europäischen Union gediehen?

Solange es kein derartiges System gibt, ist es für die Strafverfolgungsbehörden schwer, sich ein klares Bild über das Ausmaß der Tätigkeit der organisierten Bandenkriminalität zu machen, und daher ist es sehr schwierig, wirksam gegen diese Banden vorzugehen.

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. (EN) Die Kommission teilt die Ansicht, dass das Fehlen vergleichbarer Verbrechensstatistiken die Entwicklung einer wirksamen EU-Strafverfolgungspolitik erschwert.

Die Kommission arbeitet derzeit an einem Entwurf für einen Aktionsplan zu Verbrechensstatistiken in der EU. Zurzeit finden Konsultationen zu diesem Entwurf für einen Aktionsplan mit Experten aus den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Verbrechensstatistik statt, der im Frühjahr 2005 in Form einer Mitteilung der Kommission vorgelegt werden wird. Der Aktionsplanentwurf umfasst zwei Hauptelemente: Erstens die Einrichtung geeigneter Koordinierungsmechanismen, um zu gewährleisten, dass Mitgliedstaaten, Kommission und andere Hauptakteure auf der Grundlage gemeinsamer Methoden der Datenerfassung und harmonisierter Definitionen vorgehen. Das zweite Element betrifft die eigentliche Entwicklung vergleichbarer Statistiken. Dazu gehört eine Vielzahl verschiedener Komponenten, die über einen bestimmten Zeitraum zu erarbeiten sind, wie Definitionen für Straftattypen sowie ein Verzeichnis von Definitionen, bei denen bereits Einvernehmen auf der Ebene der EU besteht.

Die Kommission setzt dieses Vorhaben in enger Zusammenarbeit mit Europol und anderen Anbietern und Nutzern von kriminalstatistischen Informationen auf EU-Ebene um und orientiert sich dabei daran, wie es den Mitgliedstaaten gelingt, die entsprechenden Daten bereitzustellen. Im September 2004 fand eine Diskussion mit den in Europa für Sozialstatistik zuständigen Direktoren über den Entwurf des Aktionsplans der Kommission statt. Man kam überein, eine Taskforce zur Prüfung geeigneter statistischer Methoden für die Verbrechensüberwachung zu bilden. Diese Taskforce wird im Mai 2005 ihre Arbeit aufnehmen.

Ich möchte ferner erwähnen, dass die Kommission Maßnahmen zur statistischen Ermittlung der Qualität und Wirksamkeit des gerichtlichen Verfahrens unterstützt. Das italienische Justizministerium war im Oktober 2004 in Rom Gastgeber eines durch das EU-Programm AGIS kofinanzierten Seminars zu diesem Thema.

 
  
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  Newton Dunn (ALDE). (EN) Vielen Dank, Herr Kommissar, dass Sie zur Beantwortung der Frage hier geblieben sind. Ich bin sehr dankbar, dass Sie die Dringlichkeit des Problems erkennen, denn angesichts unionsweit offener Grenzen kann das organisierte Verbrechen ungehindert agieren und florieren, während unsere Polizeikräfte einzelstaatlicher Natur sind und die Grenzen nicht überschreiten können. Das ist also ein echtes Problem. Ich freue mich, dass Sie dieses Problem mit einiger Dringlichkeit behandeln.

Könnten Sie uns sagen, wer für die Koordinierungsmechanismen zuständig sein wird? Wird dies über Europol oder die Kommission erfolgen – oder vielleicht eine neue Agentur?

 
  
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  Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Ich glaube nicht, dass wir neue Einrichtungen schaffen können oder müssen; ich denke, zum einen sollte die Kommission diesem Bereich eine strategische oder besser politische Orientierung geben und zum anderen sollte dieser Sektor die Möglichkeit haben, neue Wege für den Einsatz von Europol zu finden, das, wie wir alle wissen, gegenwärtig versucht, seine Funktionen und Aufgaben zu erweitern. Die Kommission hat vor, diese Fortentwicklung, diese Erweiterung der Aufgaben von Europol zu unterstützen. Das ist ohne Zweifel einer der Bereiche, in denen etwas getan werden kann.

 
  
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  Sbarbati (ALDE). (IT) Herr Präsident! Gestatten Sie mir einige Bemerkungen. Einige meiner Kollegen hier sind wie ich seit Beginn der Sitzung anwesend, haben schriftliche Anfragen eingereicht und keine Möglichkeit gehabt, eine Antwort im Plenum zu erhalten, um darauf mit einer Zusatzfrage zu reagieren, ob sie nun zufrieden waren oder nicht.

Das Präsidium und der juristische Dienst sollten sich wirklich mit dem Thema Fragestunde beschäftigen und sich Gedanken darüber machen, wie viel Zeit zur Verfügung steht und wie viele Anfragen in dieser Zeit beantwortet werden können, denn wir können doch einen Abgeordneten nicht zwingen, die ganze Zeit über im Saal zu bleiben und dann nicht durch eine unmittelbare und direkte Antwort des zuständigen Kommissionsmitglieds dafür entschädigt zu werden.

Diese Situation muss unbedingt von den Diensten des Parlaments geprüft werden. Ein solcher Zustand kann auf keinen Fall hingenommen werden.

 
  
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  Die Präsidentin. Frau Kollegin! Für das Abhalten der Fragestunde haben wir in der Geschäftsordnung ganz klare Regeln. Vorhin haben sich sehr viele Kolleginnen und Kollegen zu einem Themenbereich zu Wort gemeldet, da konnte ich nicht allen das Wort erteilen. Das Hauptproblem scheint mir zu sein, dass viele Kolleginnen und Kollegen sehr lange nachfragen, die 30 Sekunden nicht einhalten und wir dadurch natürlich oft in Zeitverzug geraten. Ich werde an das denken, was Sie gesagt haben. Ich möchte mich recht herzlich bei Ihnen allen bedanken, insbesondere noch einmal bei Herrn Kommissar Frattini, dass er bereit war, so lange mit uns gemeinsam hier im Plenum die Fragestunde abzuhalten.

Die Anfragen Nr. 46 bis 76 werden schriftlich beantwortet.

 

13. Tagesordnung der nächsten Sitzung (siehe Protokoll)

14. Schluss der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 19.28 Uhr geschlossen.)

 
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