Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zum Schuldenerlass für Entwicklungsländer.
Schmit,Rat.(FR) Herr Präsident, diese Debatte über den Schuldennachlass kommt zum richtigen Zeitpunkt. In diesen Tagen finden in Paris Beratungen über einen Schuldennachlass für die von der Katastrophe im Indischen Ozean am schwersten betroffenen Staaten statt. Ein solcher Nachlass muss umfangreich sein und unverzüglich umgesetzt werden. Der Pariser Club tritt übrigens heute zusammen, um über ein Schuldenmoratorium für die Länder, die einen solchen Nachlass wünschen, zu beraten.
Wir müssen jedoch anerkennen, dass die Situation im Irak, die der Auslöser für diese Frage und für diese Debatte war, eine ganz besondere, eine Ausnahmesituation ist. Der Schuldennachlass, und ich sage der bedeutende Schuldennachlass, der durch den Pariser Club im November letzten Jahres zugunsten der Republik Irak beschlossen wurde, ist zweifellos ein Erfordernis für den wirtschaftlichen Wiederaufbau dieses Landes sowie für die Wiedergeburt eines souveränen Irak, der mit demokratischen und legitimen Institutionen ausgestattet ist.
Aber die Frage des notwendigen Schuldennachlasses im Irak, wie ich ihn erwähnte, stellt sich auch mit gleicher Dringlichkeit im Falle der am wenigsten entwickelten Länder. Es wäre unverständlich, ja absurd, dass ein Schuldennachlass nur einem Land gewährt wird, das Opfer einer Naturkatastrophe oder eines Konflikts ist. Die absolute Armut bringt täglich wahre Katastrophen hervor, unter anderem in Form von Unterernährung, chronischem Analphabetentum, hoher Kindersterblichkeit, Aids. Sie blockiert die Entwicklung und begünstigt alle Arten von Konflikten, die oftmals im Stillen und von den Medien unbemerkt Tausende, ja Millionen Menschen das Leben kosten.
Der Schuldennachlass für die ärmsten Länder steht also im Mittelpunkt der Armutsbekämpfung sowie der Unterstützung einer Politik der Ausrottung der Armut und der Wiederankurbelung eines Entwicklungsprozesses gemäß den Millenniumszielen.
Ein hoher Schuldenstand und eine Schuldenlast, die nicht im Verhältnis zu den Wirtschaftskapazitäten eines Landes steht, blockieren jede Entwicklungsperspektive und führen paradoxerweise nicht zu dem ursprünglich angepeilten Wirtschaftsaufschwung, sondern zu einer schleichenden Verarmung der Bevölkerung der ärmsten Länder.
Angesichts dieser Situation ist die Europäische Union nicht untätig geblieben und wird dies auch in Zukunft nicht tun. Auf der Konferenz von Monterrey wurden konkrete Verpflichtungen eingegangen. Der Rat „Allgemeine Angelegenheiten und auswärtige Beziehungen“ wird auf seiner Tagung im April über eine eventuelle Revision dieser Verpflichtungen beraten. Die Bemühungen um einen Schuldennachlass zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder nahmen besonders in der von der Weltbank und dem IWF im Jahr 1996 vorgeschlagenen und 1999 verstärkten HIPC-Initiative zugunsten der High Indebted Poor Countries, der hoch verschuldeten armen Länder, konkrete Gestalt an. Dabei handelt es sich um einen koordinierten Ansatz zur Absenkung der Schulden in den ärmsten Ländern auf ein tragbares Niveau: öffentliche, bilaterale und multilaterale Schulden, aber auch Handelsschulden. Potenziell sind 42 Länder von dieser Initiative betroffen, darunter 38 Länder im subsaharischen Afrika. Bislang wurden positive Ergebnisse erzielt, die jedoch noch nicht ausreichen. Die kommerziellen Schulden wurden kaum gemindert. Die Europäische Union stellte etwa 60 % der Finanzmittel für die HIPC-Initiative bereit. Einige Gläubiger haben noch keinen Nachlass gewährt.
Die bevorstehende britische Präsidentschaft der G8, aber auch der Union, hat die Schuldenerleichterung für die am wenigsten entwickelten Länder zu einem prioritären Ziel erhoben. Wir wollen eng mit dem Vereinigten Königreich zusammenarbeiten, damit die Europäische Union auf diesem Gebiet einen kohärenten und ambitionierten Ansatz entwickeln kann.
Die Schuldenerleichterung muss ein vorrangiges Ziel der Politik der Entwicklungszusammenarbeit der Union bleiben. Sie kann nicht losgelöst von den übrigen Politikfeldern betrachtet werden, so der Handelspolitik, vor allem der Annahme eines neuen allgemeinen Präferenzsystems, dem positiven Abschluss des Doha-Zyklus zugunsten der Entwicklungsländer, einer Aufstockung der Entwicklungshilfe mit Schwerpunkt Armutsbekämpfung, der Unterstützung für die gute Regierungsführung sowie für die Konfliktbeilegung und -prävention.
Potočnik,Kommission. (EN) Herr Präsident, wir stimmen alle überein, dass Auslandsverschuldung für einige Entwicklungsländer ein großes Hindernis für Wachstum und Entwicklung darstellt. Wir sollten die Vorteile des derzeit angewendeten Mechanismus zur Verringerung der Schuldenlast – des von der Weltbank 1996 eingeführten HIPC-Verfahrens für den Abbau der Schulden der hoch verschuldeten armen Länder – anerkennen. Es handelt sich um die umfassendste Entschuldungsinitiative, die jemals eingeleitet wurde. Sie wird zu einem Abbau der Schuldenlast der hoch verschuldeten armen Länder um etwa zwei Drittel beitragen und das Engagement für die Armutsbekämpfung deutlich machen.
Die Kommission und die Mitgliedstaaten sind über die Anforderungen des HIPC-Verfahrens hinausgegangen. Die Mehrzahl der Mitgliedstaaten hat sich dazu verpflichtet, auf alle bilateralen Forderungen zu verzichten. Die Kommission hat dies ebenfalls für alle Sonderdarlehen an am wenigsten entwickelte Länder vorgesehen, für die der HIPC-Entschuldungsmechanismus in Frage kommt. Mittlerweile ist jedoch allgemein anerkannt, dass es mit dem HIPC-Verfahren nicht möglich sein wird, die Schulden auf lange Sicht tragbar zu machen. Es muss ganz eindeutig mehr für die armen Länder unternommen werden, die in den Genuss der HIPC-Initiative kommen. Es gibt immer mehr Druck, die Schuldenerleichterung auch auf andere Entwicklungsländer auszuweiten.
Weltbank und IWF entwickeln einen neuen Rahmen zur Verwirklichung des Ziels, die Schulden für Länder mit geringem Einkommen auf lange Sicht tragbar zu machen. Dies sollte dazu beitragen, die Anhäufung von Neuschulden zu vermeiden. Die Kommission verfolgt diese Debatte aufmerksam, um die Transparenz der Entscheidungsfindung sicherzustellen. Der Pariser Club der Gläubigerstaaten hat das so genannte „Evian-Verfahren“ für Länder entwickelt, die nicht durch die Entschuldungsinitiative HIPC begünstigt sind. Es berücksichtigt Überlegungen zur Schuldentragbarkeit und ermöglicht so dem Pariser Club, seine Reaktion an die finanzielle Situation des Schuldners anzupassen und die Krisenbewältigung koordinierter, zeitgerechter und vorhersehbarer zu gestalten. Diese neuen Regeln kamen beispielsweise im Irak zur Anwendung.
Die Kommission spricht sich nicht von vornherein gegen einen Schuldenerlass für Länder mit mittlerem Einkommen aus. Sie unterstützt das Evian-Verfahren des Pariser Clubs, bei dem keine Standardbedingungen aufgestellt werden, sondern die finanzielle Situation der einzelnen Länder berücksichtigt wird, wie es im Falle des Irak geschehen ist. Der Irak ist kein Schuldner der Kommission, aber die Kommission hat als Zeichen der Solidarität mit dem irakischen Volk auf der Madrider Konferenz einen Beitrag in Höhe von 200 Millionen Euro für den Wiederaufbaufonds für Irak zugesagt. Sie will jedoch verhindern, dass eine Unterstützung des Irak in Form eines Schuldenerlasses oder anderer Mechanismen auf Kosten der ärmsten Länder geht.
Sowohl das Vereinigte Königreich als auch die USA haben kürzlich einen vollständigen Erlass der multilateralen Schulden von Ländern mit geringem Einkommen gefordert, allerdings unterscheiden sich die Finanzierungsansätze voneinander. Der Vorschlag eines vollständigen Erlasses mag attraktiv erscheinen, doch birgt er Gefahren im Bereich der Zuweisung von Hilfsleistungen.
Aus der Finanzierungsstudie der Kommission geht hervor, dass die HIPC-Initiative bereits zu einer Verzerrung der Zuweisung von Hilfsleistungen geführt hat, da die Höhe des Schuldenerlasses weder etwas über die Armut eines Landes aussagt noch – und dies ist besonders entscheidend – seine Bemühungen um Armutsbekämpfung widerspiegelt. Diejenigen Staaten, die am meisten von dieser Initiative profitieren, unternehmen bei weitem nicht die größten Anstrengungen und sind nicht die ärmsten Staaten der Gruppe.
Diese Aussage lässt sich anhand einiger Beispiele veranschaulichen. Das Land, dem die HIPC-Entschuldungsmechanismen pro Kopf betrachtet am meisten zugute kommen, ist Guyana, das pro Kopf 769 US-Dollar erhalten hat. Im Index zur menschlichen Entwicklung nimmt das Land Rang 92 ein. Dagegen erhält Niger, das sich in diesem Index auf Rang 174 befindet, pro Kopf lediglich einen Schuldenerlass in Höhe von 48 US-Dollar.
Legt man die jeweilige Armutsgrenze zugrunde, so würde ein vollständiger Schuldenerlass für alle afrikanischen Staaten zu einem deutlichen Ungleichgewicht bei der Vergabe von Hilfsleistungen führen. Eines der ärmsten Länder Afrikas – Eritrea – würde pro Kopf 56 US-Dollar erhalten, während die Seychellen als eines der reichsten Länder des Kontinents pro Kopf 2 572 US-Dollar erhielten, und das ist schon ein großer Unterschied.
Ein weiterer Schuldenerlass könnte zu zusätzlichen Verzerrungen bei den Hilfszahlungen führen. In einer Welt mit begrenzten Mitteln sollte ein Schuldenerlass für Länder mit mittlerem Einkommen nicht die Beträge beeinträchtigen, die den bedürftigsten Ländern zur Verfügung gestellt werden.
Dies führt dazu, dass Schuldenerlass zwar ein schlechtes Verteilungssystem darstellt, jedoch eine gute Möglichkeit bieten kann, Hilfe zu leisten, da es eine schnelle Auszahlung und einen vorhersehbaren Mittelfluss direkt in den Haushalt bei geringen Transaktionskosten gewährleistet.
Er könnte ferner genutzt werden, gefährdete Länder mit niedrigem Einkommen vor Fremdeinwirkungen zu schützen. In diesen Fällen könnte eine Form des vorübergehenden Schuldenerlasses dazu beitragen, die nachteiligen Folgen von Fremdeinwirkungen auf die Armutsbekämpfungsstrategien der Empfängerländer zu mildern. Dies trifft auch auf die Moratorien zu, die der Rat, wie bereits erwähnt wurde, heute in Paris im Zusammenhang mit den von der Flutkatastrophe betroffenen Ländern erörtert hat.
Zusammenfassend sei gesagt, dass der Schuldenerlass weder ein Allheilmittel ist, aus dem ohne weiteres Zutun neue Mittel erwachsen, noch trägt er zwangsläufig zum Wohlergehen armer Menschen oder zum Wirtschaftswachstum bei. Er mag jedoch eine wirksame Möglichkeit der Unterstützung und eine gute Form der Soforthilfe im Anschluss an Krisen sein. Wenn wir tatsächlich die Armut bekämpfen und die Millennium-Entwicklungsziele verwirklichen wollen, müssen wir jedoch Entwicklungshilfe in ausreichender Höhe leisten. Wir müssen uns bis 2009 auf neue und ausreichend ehrgeizige Zielvorgaben für die offizielle Entwicklungshilfe einigen, damit wir diese Ziele auch wirklich erreichen können. Bei diesen Bemühungen kann der Schuldenerlass ein nützliches Instrument, auf keinen Fall jedoch eine umfassende Lösung darstellen.
Martens (PPE-DE),im Namen der Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Die Schuldenlast ist ein enormes Problem, und ihr gilt als möglichem Hilfsinstrument bei dem Wiederaufbau nach dem Tsunami abermals besonderes Augenmerk. Zu meiner Freude steht die Schuldenlast ganz oben auf der Tagesordnung. Schuldenerleichterung ist eines der Millennium-Entwicklungsziele. Die Zinsbelastung drückt oft enorm auf die Haushalte der Entwicklungsländer und lähmt mitunter die weitere Entwicklung.
Zwar müssen wir prüfen, was wir dagegen unternehmen können, jedoch ist das Thema vielschichtig und eignet sich nicht zu impulsivem Handeln. Ich kann mir vorstellen, dass den vom Tsunami betroffenen Ländern ein Moratorium für die Zinszahlung und Tilgung gewährt wird, aber im Allgemeinen sollte eine Entschuldung nicht von zufälligen tragischen Ereignissen abhängen.
Zwischen dem Erlass und der Erleichterung von Schulden besteht ein Unterschied. Unsere Fraktion hält nichts von einem generellen Erlass sämtlicher Schulden, für den einige in diesem Haus eintreten. Zur Schuldenerleichterung sagen wir „ja“, aber nur dort, wo es nötig ist, nur für die ärmsten Länder und stets unter bestimmten Bedingungen. Wir als Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten haben in einen Entschließungsantrag eine Erklärung eingebracht, auf die sich der Kommissar auch schon bezogen hat: Schuldenerleichterung ist kein Allheilmittel gegen Armut.
Wir müssen uns bewusst werden, dass der Betrag, der eventuell erlassen wird, von den Beträgen in Abzug gebracht wird, die für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen. Schuldenerleichterung allein bietet einem Land keine neuen Einkommensquellen, baut keine Schulen oder Krankenhäuser, mindert die Armut in diesen Ländern nicht; von allein fördert sie die weitere Entwicklung nicht. Die dafür bereitstehenden Mittel werden nach dem Schuldenerlass erheblich geringer ausfallen. Wo es um die Entwicklung eines Landes geht, kommt auch den Ländern selbst eine nicht unwesentliche Verantwortung zu. Schuldenerleichterung ist nur dann sinnvoll, wenn sie mit vernünftiger Staatsführung, Demokratie, Achtung der Menschenrechte, Investitionen in die eigene Bevölkerung einhergeht; kurzum, wenn das Geld tatsächlich bei den Ärmsten landet. Schuldenerleichterung kann also nicht Selbstzweck sein, sondern ergibt nur dann einen Sinn, wenn sie tatsächlich ein Anreiz für die Entwicklung ist. Dann können wir großzügig sein, aber – wie es bei allen Formen der Entwicklungshilfe der Fall ist – bedingungslose Großzügigkeit gibt es nicht.
VORSITZ: SYLVIA-YVONNE KAUFMANN Vizepräsidentin
Carlotti (PSE), im Namen der Fraktion.–(FR) Die Europäische Union und die internationale Gemeinschaft bereiten sich darauf vor, einen Teil der irakischen Schulden sowie gerade heute die Schulden der vom Tsunami verwüsteten Länder zu erlassen. Ich begrüße das natürlich, aber das sind doch übereilte Reaktionen, die aus einer Notsituation heraus geboren wurden. Nun müsste aber die Gesamtproblematik der Verschuldung des Südens mit der gleichen Dringlichkeit und dem gleichen Eifer behandelt werden, denn in dieser erschreckenden Realität, mit der wir konfrontiert sind, besteht schon Dringlichkeit.
Der jährliche Rückzahlungsbetrag der Schulden des Südens übersteigt bei weitem den jährlichen Betrag der öffentlichen Entwicklungshilfe, und der Süden finanziert den Norden. In zwanzig Jahren haben die Länder des Südens pro geliehenen Euro bereits sechs Euro zurückgezahlt und man verlangt noch einmal vier von ihnen. Damit der Süden vorankommen kann, müssen diese Schulden zurückgeführt werden, und heute fehlt es noch an konkreten Antworten. Ich begrüße die Initiative Großbritanniens, das ankündigt, es werde seinen Anteil an den Schulden der ärmsten Länder bei der Weltbank streichen. Ich warte ungeduldig darauf, dass alle OECD-Länder ebenso handeln. Wenn alle diese Länder dem britischen Beispiel folgen würden, so könnten 45 Millionen Kinder mehr zur Schule gehen und 140 Millionen Menschen Zugang zur Trinkwasser erhalten, vorausgesetzt natürlich, dass der Schuldenerlass auf die bestehende Entwicklungshilfe aufgeschlagen wird und dass der Norden nicht weiterhin mit der einen Hand nimmt, was er mit der anderen gibt.
Heute muss unbedingt eine globale, gerechte und dauerhafte Lösung für die Schuldenproblematik gefunden werden, und die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament ist überzeugt, dass die Europäische Union und die Mitgliedstaaten sich an die Spitze dieser Initiative stellen können. Dies ist möglich durch die völlige Entschuldung der ärmsten Länder, Maßnahmen zum Schuldennachlass für die Schwellenländer, Verzicht auf Bedingungen von der Art der „Strukturanpassungen“, und natürlich müssen wir, wie bereits gesagt wurde, dieses Instrument in eine globale Politik der Hilfe einbauen und sehr rasch nach neuen Finanzierungsquellen suchen.
Hall (ALDE), im Namen der Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin, ich bin erfreut, dass wir heute diese Aussprache zum Schuldenerlass führen. Auch wenn es derzeit notwendig und richtig ist, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf die Tsunami-Hilfe richten, dürfen wir auf keinen Fall das umfassendere und langfristigere Problem der Armutsbekämpfung sowie die Millennium-Entwicklungsziele außer Acht lassen.
Schuldenerlass ist der Schlüssel zur Verwirklichung der Millennium-Entwicklungsziele. In der Vergangenheit wurde als Maßzahl für eine tragfähige Schuldenlast der Schuldendienst den Exporteinnahmen gegenüber gestellt, doch wirklich entscheidend ist, welcher Anteil des nationalen Haushalts für den Schuldendienst verwendet wird. In zahlreichen afrikanischen Staaten übertrifft der Anteil der Schuldendienstzahlungen am Haushalt nach wie vor den der Ausgaben für das Gesundheitssystem. So fließen beispielsweise in Ghana 11 % der staatlichen Ausgaben in den Schuldendienst, während lediglich 9 % dem Gesundheitssystem zugute kommen.
Wenn wir wollen, dass der Schuldenerlass zur Erreichung der Millennium-Entwicklungsziele beiträgt, müssen wir einräumen, dass Schulden immer dann nicht tragfähig sind, wenn sie ein Land darin hindern, seine Armutsbekämpfungsprogramme zu finanzieren. Daraus folgt, dass internationale Mittel zur Finanzierung eines Schuldenerlasses nur eine Ergänzung und kein Ersatz für Hilfszahlungen sein dürfen. Es bereitet mir große Sorgen, dass die USA ihre Entwicklungshilfe senken wollen, um den Schuldenerlass zu finanzieren. Schuldenerlass muss eigentlich mit einer Erhöhung der Entwicklungshilfe Hand in Hand gehen, und die Entschließung der ALDE-Fraktion enthält erneut die Forderung, dass Mitgliedstaaten 0,7 % des BIP für Entwicklungshilfe ausgeben.
Daraus folgt auch, dass ein Schuldenerlass nur dann zur Verwirklichung der Millennium-Entwicklungsziele beitragen kann, wenn die Regierung verantwortungsvoll handelt. Nichts wird erreicht, wenn die durch den Schuldenerlass eingesparten Finanzmittel von einem korrupten Diktator in teure Paläste oder schlimmstenfalls in Kampfhubschrauber gesteckt werden, um einen Teil der Bevölkerung zu terrorisieren.
Die Regierungen der Entwicklungsländer haben die Pflicht, in ihre eigene Bevölkerung zu investieren, doch wir in den Gemeinschaftsinstitutionen sind dafür verantwortlich, flexible Mechanismen des Schuldenerlasses bereitzustellen.
Schmidt, Frithjof (Verts/ALE), im Namen der Fraktion. – Frau Präsidentin! Wir haben eine umfassende und andauernde Schuldenkrise in der Welt. Diese Schuldenkrise ist nach wie vor ein zentrales Hindernis dafür, dass es in den Ländern des Südens zu einer selbstständigen dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung kommen kann, jedenfalls in vielen Ländern. Man kann dies an zwei Zahlen deutlich machen: Sehr viele der ärmsten Länder müssen über 40 % ihres Bruttosozialprodukts für den Schuldendienst aufwenden. Unter solchen Bedingungen ist eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung jedoch praktisch nicht mehr möglich. Deswegen brauchen wir eine umfassende Entschuldungsinitiative.
Wir haben eine weitere Zahl: Für jeden Euro, den wir jetzt an Entwicklungshilfe an die Länder des Südens geben, gehen durchschnittlich ein Euro und fast 50 Cent an Zinszahlung zurück in die Länder des Nordens. Deswegen brauchen wir eine umfassende Entschuldungsinitiative. Denn es ist völlig klar: Im Fall von Indonesien – wir diskutieren das ja gerade – wären das in diesem Jahr vier Milliarden Euro, die Indonesien zurückzahlen müsste. Das würde jede Art von Entwicklungs- und Katastrophenhilfe sofort neutralisieren.
Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass der Ratspräsident heute gesagt hat, er sei für einen vollständigen Schuldenerlass für Indonesien. Wir brauchen eine internationale Konferenz zur Entschuldung. Das kann nicht der Pariser Club leisten, denn der Pariser Club ist eine reine Veranstaltung der Gläubiger. Wir brauchen eine internationale Konferenz, in der Gläubigerländer, Schuldnerländer und die betroffenen Zivilgesellschaften als Kontrollinstanzen gleichberechtigt beteiligt sind. Dafür sollten sich die Europäische Union und dieses Parlament einsetzen!
Markov (GUE/NGL), im Namen der Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Niemand kann guten Gewissens von den Entwicklungsländern verlangen, dass sie ihre Schulden weiterhin zurückzahlen, denn sie haben ihre Schulden bereits siebenfach zurückgezahlt, und ihre Verbindlichkeiten sind viermal so hoch wie zu Beginn. Deswegen, Herr Potočnik, würde ich Ihnen in einem Punkt widersprechen: Sie haben absolute Zahlen pro Einwohner genannt. Das ist nicht das Ausschlaggebende. Jeder Einwohner Brandenburgs, wo ich herkomme, ist mit 16 000 Euro verschuldet. Unsere Volkswirtschaft ist aber so, dass wir das verkraften können. Die Volkswirtschaften der Entwicklungsländer können das aber nicht verkraften. Deshalb geht es meiner Ansicht nach nicht primär darum, ob man eine Schuldenstundung vornimmt, eine Schuldenreduzierung, ein Schuldenmoratorium, was auch immer, sondern es geht darum, die Schulden zu erlassen, weil diese Länder das Geld, das sie gegenwärtig fast ausschließlich für den Zins aufbringen und nicht einmal für die Tilgung, brauchen, um ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme zu lösen. Das ist Hilfe zur Selbsthilfe.
Wer glaubt, dass die reichen Industrienationen daran kaputtgehen würden, dem möchte ich eine Zahl nennen: Der Krieg im Irak kostet die USA täglich 150 Millionen Dollar. Präsident Bush hat jetzt beim Kongress um weitere 80 Milliarden Dollar angesucht. Die Schulden Pakistans betragen 11 Milliarden Dollar. Vergleichen Sie diese Zahlen, und Sie werden sehen, dass es möglich ist, eine komplette Entschuldung vorzunehmen. Das muss auch Sinn und Zweck der Angelegenheit sein.
Eine zweite Bemerkung: Es wird sehr häufig argumentiert – und das habe ich auch hier wieder gehört –, dass die Entschuldung mit der Entwicklungshilfe gegengerechnet wird. Nein, wenn der politische Wille da ist, wenn man diesen Ländern wirklich helfen will, dann muss es eine komplette Entschuldung der ärmsten Länder geben. Zusätzlich müssen sich die reichen Länder endlich an ihre Selbstverpflichtung halten, 0,7 % ihres Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben. Ein solches Zeichen sollte für diese Länder und für die Europäische Union wirklich gesetzt werden.
Kristovskis (UEN) im Namen der Fraktion. (LV)Meine Damen und Herren! Die Europäische Union hat sich vorgenommen, die Millennium-Entwicklungsziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen – ein ehrgeiziges Unterfangen von großer Bedeutung. Die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer stellt ein unüberwindbares Problem dar. Sie macht es unmöglich, den Anteil der Bevölkerung zu verringern, der in absoluter Armut lebt. Da der Europäischen Union dies klar ist, hat sie bereits eine Million US-Dollar für den Schuldenerlass vorgemerkt.
Die HIPC-Initiative umfasste 42 der ärmsten Länder der Welt. 26 dieser Länder sollen um 50 % oder 25 Milliarden US-Dollar entschuldet werden. Auch andere finanzielle Instrumente werden genutzt.
Jedoch sind diese und andere Maßnahmen immer noch nicht ausreichend, um die Auslandsverschuldung der armen Länder zu verringern. Daher muss nach neuen Möglichkeiten und gezielten Maßnahmen gesucht werden. Ein breiteres Spektrum an Ländern sollte die Chance erhalten, sich für den Schuldenerlass zu qualifizieren, ähnlich wie der Irak. Debt Relief International sollte stärker einbezogen werden, und es müsste eine echte Möglichkeit geschaffen werden, der wirtschaftlichen Stagnation zu entgehen und sich so entschlossen in Richtung einer Erreichung der Millennium-Entwicklungsziele zu bewegen.
Battilocchio (NI).–(IT) Frau Präsidentin! Im Namen der neuen Sozialistischen Partei Italiens möchte ich der Europäischen Union, den Regierungen der Mitgliedstaaten, den internationalen Agenturen, den humanitären Organisationen und jedem einzelnen Unionsbürger großen Dank und Anerkennung für die gigantische Solidarität aussprechen, die sie in den letzen Wochen gezeigt haben.
Ich begrüße den vor zwei Stunden von den Mitgliedern des Pariser Clubs gefassten Beschluss zur Gewährung eines Schuldenmoratoriums für drei der von der Tsunami-Katastrophe betroffenen Länder. Er folgt auf die im November 2004 geschlossene Vereinbarung zur Verringerung der Schulden Iraks um 80 %, mit der ein konkretes Signal für die Unterstützung des Wiederaufbaus in diesem Land gesetzt wurde. Darüber hinaus führte die auf der Sondertagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ in der vergangenen Woche vorgenommene Prüfung der Begleitmaßnahmen – unterstützende Handelsmaßnahmen und bilaterale Partnerschaften – für die betroffenen Ländern zu einem positiven Ergebnis.
Mein größter Wunsch wäre jedoch der, dass nicht nur bei Kriegen oder Naturkatastrophen, sondern fortdauernd ein solcher Einsatz gegenüber all jenen Ländern an den Tag gelegt wird, für die Konflikte, Epidemien und Hunger leider an der Tagesordnung sind. Laut UNO sind nämlich 14 Krisen in Vergessenheit geraten, von denen die meisten afrikanische Länder betreffen, für welche die Vereinten Nationen um Unterstützung in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar ersucht haben.
Für diese und für andere Entwicklungsländer ist es erforderlich, auf die volle Verwirklichung der Millennium-Entwicklungsziele zu setzen, von denen wir noch weit entfernt sind. Dies muss möglichst auch über einen teilweisen oder vollständigen Schuldenerlass führen. Das ist eine angebrachte, notwendige, dringend gebotene Verpflichtung.
Scheele (PSE).– Frau Präsidentin! Ich möchte mich wie mein Vorredner auch beim Ratspräsidenten Schmit bedanken, dass er unser Anliegen in Bezug auf eine neue Entschuldungsinitiative von vorne herein auf eine breitere Basis gestellt hat. Ich bin allerdings ein bisschen enttäuscht über die doch sehr restriktiven Aussagen der Kommission.
Ich gebe dem Herrn Ratspräsidenten Schmit Recht, dass man, wenn man über die Auswirkungen der Auslandsverschuldung spricht, nicht nur die Länder in Betracht ziehen kann, die von der schrecklichen Naturkatastrophe betroffen sind. Nicht nur Naturkatastrophen machen betroffen, sondern auch die verheerenden Auswirkungen der weltweit ansteigenden Armut. Es macht betroffen, dass in vielen Ländern die Ausgaben für den Schuldendienst ein Vielfaches der sozialen Ausgaben betragen. Und es macht betroffen, dass wir von der Erfüllung der Millenniumsentwicklungsziele, die alle UNO-Mitglieder beschlossen haben, meilenweit entfernt sind.
Wir sind zur Zeit sehr stolz auf eine nie da gewesene Spendenfreudigkeit und Hilfsbereitschaft. Ich glaube, wir sind zu Recht stolz darauf, aber – und das richte ich jetzt an die Kommission – wir dürfen nicht mit der einen Hand ein bisschen geben und mit der anderen sehr viel nehmen. Die Zahlen wurden schon genannt. Wir müssen uns auch die Frage stellen, ob es moralisch vertretbar und mit good governance vereinbar ist, dass die armen Länder das Siebenfache ihrer in den 80er Jahren entstandenen Schulden zurückbezahlt haben. Wir stellen in der Entschließung des Europäischen Parlaments auch ganz klar fest, dass die HIPC-Initiative, die von Herrn Kommissar Potočnik als die umfassendste Entschuldungsinitiative genannt wurde, nur einen kleinen Schritt darstellt, der selbstverständlich nicht ausreichend ist.
Ich möchte wissen, welche konkreten Ziele die Ratspräsidentschaft in diesem Bereich hat, auch in Zusammenarbeit mit den anderen internationalen Partnern, weil ich aufgrund Ihrer Erläuterungen das Gefühl habe, dass die treibende Kraft hier der Rat und nicht die Kommission sein wird.
Cornillet (ALDE).–(FR) Frau Präsidentin, ich glaube, man sollte sich davor hüten zu meinen, dass die Reduzierung oder Streichung der Schulden ein Selbstzweck ist. Dies ist vielmehr eines der zahlreichen Mittel zur Entwicklungshilfe, über die wir verfügen. Dazu gehören zinsverbilligte und zinslose Darlehen und das Allgemeine Präferenzsystem, das wir in Europa praktizieren.
Da nun dieser Schuldenabbau kein Selbstzweck, sondern ein Mittel ist, sollten wir meiner Meinung nach auch soviel Anstand aufbringen, anzuerkennen, dass dieses Mittel einer Anstrengung der Steuerzahler in unseren Ländern entspringt und man es natürlich von Ergebnissen abhängig machen muss. Unsere Partner, hauptsächlich unsere afrikanischen Partner von der NEPAD, haben im Übrigen voll verstanden dass sie Anstrengungen unternehmen müssen, besonders hinsichtlich der verantwortungsvollen Staatsführung und der Achtung unserer gemeinsamen Werte, um ihre Länder voranzubringen. Erkennen wir in diesem Zusammenhang also ehrlicherweise an, dass die besten Schüler belohnt werden müssen.
Wenn wir uns einig sind, dass der Abbau der Schulden ein Vorgang für sich ist, müssen wir auch an die Schulden denken, die dann folgen, denn kein Land kann natürlich seine Entwicklung ohne Verschuldung fortsetzen. Wir müssen eine vorausschauende Sicht haben und nicht unser Gewissen beruhigen, indem wir sagen: wir reduzieren oder streichen die Schulden, und dann sollen sie sehen, wie sie klar kommen.
Aubert (Verts/ALE).–(FR) Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Entschuldung der ärmsten Länder ist für uns eine absolute Notwendigkeit, wenn wir das Problem der Ungleichheiten zwischen Nord und Süd, der falschen Entwicklung sowie der Unterentwicklung wirklich angehen wollen.
Sie muss allerdings einhergehen mit einem verstärkten Kampf gegen Korruption, Steuerparadiese und weltweite Finanzkriminalität. Sie kann auch nicht dazu dienen, all denen Absolution zu erteilen, die sich bis in höchste Staatskreise hinein auf skandalöse Weise und auf Kosten ihres Volkes sowie eines Minimums an guter Haushaltsführung persönlich bereichert haben.
Die Entschuldung wäre im Übrigen ein erster Schritt mit Blick auf eine tief greifende Reform unserer Entwicklungshilfe. Eine neu durchdachte Politik der Nord-Süd-Zusammenarbeit müsste sich somit auf sehr viel anspruchsvollere Ziele stützen, vor allem in den Bereichen Energie, Wasser, Gesundheitswesen und Bildung, und den Begriff des weltweiten öffentlichen Wohls bestätigen und präzisieren.
Wir brauchen diesbezüglich dringend ein starkes Engagement der Union sowie eindeutigere Zielsetzungen und sehr viel umfangreichere Mittel. Einen Plan vom Umfang des Marshallplans der Nachkriegszeit, jedoch mit einem entschieden europäischen Namen und Rahmen.
Fava (PSE).–(IT) Frau Präsident, Herr Kommissar! Ich wende mich vor allem an den Rat, weil wir soeben erfahren haben, dass der Pariser Club vor wenigen Stunden beschlossen hat, die Schulden einiger der von der Tsunami-Katastrophe betroffenen Länder einzufrieren. Wir halten das für eine kurzsichtige Entscheidung, weil wir glauben, dass diese Länder keines Moratoriums, sondern des vollständigen Erlasses ihrer Schulden bedürfen, wie er von nahezu allen humanitären Organisationen - Oxfam, ActionAid usw., Sie werden besser informiert sein als ich, Herr Minister – gefordert wurde.
In folgender Hinsicht stimme ich mit dem Herrn Kommissar überein: es ist eine andere Handelspolitik vonnöten. Thailand forderte eine Senkung der Zinsen auf den Weltmärkten, doch in dieser Frage bleibt der Westen unerbittlich: die protektionistischen Handelsbarrieren dürfen nicht angetastet werden.
Zum letzten Punkt, der auf der Tagesordnung steht: Es ist dringend erforderlich, nicht nur die Schulden des Irak und der von dem Seebeben betroffenen Länder zu erlassen. Es wäre nämlich fatal, käme bei der internationalen Gemeinschaft die Botschaft an, man müsse erst von einem Krieg oder einer 200 000 Todesopfer fordernden Naturkatastrophe heimgesucht werden, um Anspruch auf die Solidarität des Westens zu haben.
Mulder (ALDE). – (NL) Frau Präsidentin! Gegen den Erlass von Schulden ist nichts einzuwenden, mit Sicherheit dann nicht, wenn es Länder betrifft, die akute Not leiden, wie es derzeit in Südostasien der Fall ist. Wie mehrere Redner erklärt haben, kann man jedoch nicht alles über einen Kamm scheren. Manche Länder werden vernünftig, andere schlecht regiert, und wir können nicht allen die Zusage geben, dass wir ihre Schulden erlassen und ihre Probleme über Nacht lösen werden. Praktisch ist es beispielsweise nicht hinnehmbar, dass wir Simbabwe auf dieselbe Weise behandeln wie Uganda. Bei jedem Aspekt, jedem Land ist zu prüfen, wie aus politischer Sicht die beste Lösung aussieht, und der Schuldenerlass ist eine Möglichkeit, die zur Entwicklung des Landes beitragen kann.
Der Entschließungsantrag ist außerordentlich vage. Wie sehen beispielsweise die praktischen Auswirkungen für den Haushalt der EU aus? Wie ich meine, gewährt lediglich die Europäische Investitionsbank Kredite, und der europäische Haushalt bürgt für diese Kredite. Was wird geschehen, wenn wir diese Kredite erlassen? Wie viel wird dies kosten? Vielleicht kann sich die Kommission dazu äußern?
Schmit,Rat. (FR) Frau Präsidentin, der Rat kann einen Großteil dessen, was hier gesagt wurde, unterstützen. Wir haben alle die Dringlichkeit und den Ausnahmecharakter der Situation begriffen, der sich einige Länder gegenüber sehen, vor allem die von der Naturkatastrophe betroffenen Länder. Hinsichtlich des Irak bezweifelt, glaube ich, niemand die Notwendigkeit, dieses Land beim Wiederaufbau zu unterstützen. Aber natürlich stellt sich die Frage, was man für alle anderen Entwicklungsländer tun kann.
Zunächst kann man sich – und da schließe ich mich den Worten des Kommissars an – nicht damit zufrieden geben, für alle auf die gleiche Art und Weise vorzugehen. Die Entwicklungsländer sind nicht alle gleich. Es gibt sehr unterschiedliche Situationen. Meiner Meinung nach sollten wir uns zunächst im Wesentlichen auf die ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder konzentrieren und uns fragen, was man für sie tun kann.
Erstens kann man ihre Schulden mindern oder auch streichen. Ich glaube, da handelt es sich um eine Initiative, die unterstützt und gefördert werden muss. In welchem Rahmen soll man handeln? Da sind die Aussprachen im Rahmen der nächsten Ratstagungen – ich habe besonders die Ratstagung im April erwähnt, die sich auf eine Analyse und möglicherweise eine Revision der Verpflichtungen der Europäischen Union zur Umsetzung der Millenniumsziele konzentrieren wird. Dann ist da die Unterstützung der Europäischen Union für die Initiativen im Rahmen der G8, vor allem des Vorsitzes der G8 bei dem nächsten Gipfel im Vereinigten Königreich. Europa muss also diese Idee der Entlastung oder sogar der Entschuldung fördern. Aber es kann das nicht undifferenziert tun, sonst würde es an Glaubwürdigkeit verlieren.
Zweitens hat die Schuldenentlastung oder Entschuldung nur Sinn, wenn die reichen Länder ihre Entwicklungshilfe aufstocken. Die Europäische Union ist diesbezüglich Verpflichtungen eingegangen, die es umzusetzen gilt.
Drittens schließlich muss die Verschuldung, so hoch sie auch sein mag, in einen breiteren politischen Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit eingebunden werden. Es hat keinen Sinn, die Schulden zu streichen, wenn man parallel dazu unsere Grenzen für bestimmte Einfuhren aus den Entwicklungsländern schließt. Es hat keinen Sinn, die Schulden zu streichen, wenn auf diese Weise bestimmte Produkte bei uns subventioniert werden und somit die Entwicklung der gleichen Produkte in den Entwicklungsländern blockiert wird.
Zusammenfassend glaube ich, dass die Entschuldung ein wichtiges, aber nicht das einzige Element einer Entwicklungsstrategie ist, einer echten Entwicklungspartnerschaft, der die Europäische Union sich verschreiben muss.
Potočnik,Kommission. – (EN) Frau Präsidentin, die Kommission hat die Aussprache zum wichtigen Thema Schuldenerlass aufmerksam verfolgt. Es wurden heute einige wichtige und nützliche Vorschläge und Anmerkungen gemacht. Darauf möchte ich folgende Antwort geben.
Erstens ist dringend darauf hinzuweisen, dass es bei der Frage der Armut nicht nur um Schuldenerlass geht. Tatsächlich geht es darum, angemessene Entwicklungshilfe zu leisten. Zweitens muss unbedingt ein Unterschied zwischen den Staaten und insbesondere zwischen den am wenigsten entwickelten Ländern und anderen Entwicklungsländern gemacht werden.
Drittens wurden Ihnen die Zahlen zum Schuldenerlass pro Einwohner nicht mit dem Ziel vorgelegt, die Hilfszahlungen zu verringern, ganz im Gegenteil: Dieses Kriterium soll genutzt werden, um die Schuldenlast für diejenigen Länder zu mindern, die dies am dringendsten benötigen.
Viertens werden die UNO und die Kommission ihre Bemühungen im Rahmen der HIPC-Initiative und anderer Initiativen mit anderen internationalen Organisationen koordinieren.
Fünftens erkennen Weltbank und IWF in ihrem neuen Rahmen für langfristige Schuldentragfähigkeit an, dass die bestehenden Bemühungen um einen Schuldenerlass unzureichend sind. In dem neuen Rahmen werden erstens annähernde länderspezifische Schuldenerlassgrenzen festgelegt, zweitens Außeneinwirkungen berücksichtigt, drittens mehr Transparenz und Dialog bei der Bewertung dieser Tragfähigkeit gewährleistet. Dies ist der Inhalt des neuen Rahmens für Schuldentragfähigkeit.
Und schließlich sollte der Schuldenerlass zugunsten des Irak nicht auf Kosten der ärmsten Länder gehen, und ein Schuldenmoratorium für die von dem Tsunami betroffenen Länder wäre angemessen.
Die Kommission wird sich ausführlich mit der Frage der Auslandsschulden der Entwicklungsländer und vor allem der am wenigsten entwickelten Länder befassen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist zudem ein möglicher Schuldenerlass für die Länder Südostasiens, die von dem Erdbeben und dem Tsunami betroffen sind. Die Kommission wird in allen oben genannten Aktionsbereichen einen kontinuierlichen Dialog mit dem Europäischen Parlament führen.
Wir sind uns einig, dass die Außenverschuldung für einige Entwicklungsländer ein wesentliches Wachstums- und Entwicklungshemmnis darstellt. In der Tat kann der Schuldenerlass einen nützlichen Beitrag, nicht jedoch eine umfassende Lösung liefern. Entscheidend sind Entwicklungshilfe, Sozial- und Wirtschaftspolitik, Handelspolitik usw., um die langfristige Tragfähigkeit der Schulden dieser Länder zu gewährleisten. Das ist es, was sie sich wünschen würden und auch verdienen.
Die Präsidentin. Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 GO 6 Entschließungsanträge eingereicht.(1)