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Ausführliche Sitzungsberichte
Montag, 21. Februar 2005 - Straßburg Ausgabe im ABl.

13. Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2005 (Fortsetzung der Aussprache)
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  Der Präsident. Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über das Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2005, eine Aussprache, die am 26. Januar 2005 in Brüssel begonnen wurde.

Das Wort hat Herr Barroso.

 
  
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  Barroso, Präsident der Kommission. (PT) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete des Europäischen Parlaments, meine Damen und Herren! Bevor ich mich im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2005 an alle wende, möchte ich Ihnen ganz kurz meine Freude über die Ergebnisse des gestrigen Referendums zur Europäischen Verfassung in Spanien mitteilen; und das werde ich in Spanisch tun.

(ES) Das spanische Volk hat Ja zur europäischen Verfassung gesagt, ein klares und vernehmliches Ja.

(Beifall)

Ich möchte Ihnen die Genugtuung der Europäischen Kommission über dieses Ergebnis zum Ausdruck bringen. Spanien hat zu einem in seiner Vielfalt vereinten Europa Ja gesagt. Ich möchte allen danken, die mit so großem Einsatz am Prozess des Referendums mitgewirkt haben, insbesondere allen Mitgliedern dieses Parlaments, die mit ihrer Stimme und Überzeugung dazu beigetragen haben, dieses wichtige Ergebnis zu erreichen. In diesem Zusammenhang habe ich gestern den spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero angerufen, um ihm zu gratulieren und ihm für das große Engagement zu danken, das seine Regierung während der Kampagne zum Referendum gezeigt hat.

Diese klare und vorbehaltlose Zustimmung öffnet den Weg für die anderen europäischen Bürger, die ebenfalls aufgerufen sind, in den kommenden Monaten ihre Meinung zur europäischen Verfassung zu äußern.

Dies war ein sehr wichtiger Schritt auf dem Wege zur Ratifizierung der europäischen Verfassung, die die Kommission als das einzige Instrument betrachtet, das uns Europäer in die Lage versetzen wird, unsere Vorstellungen von Frieden, Wohlstand, Solidarität und Sicherheit in Europa noch fester zu verankern.

(EN) Herr Präsident! Vor einem Monat habe ich die von der Kommission vorgeschlagenen strategischen Ziele vorgestellt, die als Leitfaden für die europäischen Maßnahmen bis zum Ende des Jahrzehnts gedacht sind. Dabei handelt es sich um einen politischen Fahrplan, der auf drei Säulen beruht: Wohlstand, Solidarität und Sicherheit. Diese verstärken sich gegenseitig und richten sich an die konkreten und größten Bedenken der Bürger Europas. Außerdem habe ich das erste Ergebnis der strategischen Ziele vorgestellt: das Gesetzgebungsprogramm für dieses Jahr. Gestatten Sie mir, Ihnen einige der wichtigsten Punkte ins Gedächtnis zurückzurufen.

Erstens ist dieses Programm in politischer Hinsicht stärker fokussiert. Die vorgeschlagenen Initiativen sind um die drei strategischen Ziele und deren externe Dimension herum strukturiert und stellen eine erste konkrete Umsetzung des von der Kommission verfolgten ausgewogenen Ansatzes dar. Dies bezieht sich sowohl auf neue Initiativen als auch auf Bereiche, in denen wir die Verstärkung einer bestehenden Maßnahme vorschlagen.

Zweitens setzt die Kommission alles daran, ihr Arbeitsprogramm zu erfüllen. Darum möchte die Kommission bis zum Ende dieses Jahres eine Liste mit knapp über 100 vorrangigen Initiativen annehmen.

Schließlich wollen wir nicht nur rechtzeitige, sondern auch bessere Ergebnisse liefern. Wir möchten die Grundsätze einer besseren Rechtsetzung ernst nehmen. Dazu gehört die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Rechtsetzung; die Achtung der Grundsätze der Proportionalität, der Subsidiarität und des Mehrwerts sowie die breite Anwendung der Wirkungskontrolle.

Zusätzlich zu diesem Arbeitsprogramm habe ich angekündigt, dass die Kommission das Parlament regelmäßig über ihre Planungsagenda für in Vorbereitung befindliche Legislativvorschläge informieren wird. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass dieser Informationskanal nun funktioniert.

Zwischenzeitlich hat die Kommission weiter an der Umsetzung ihrer Vorschläge gearbeitet. Am 2. Februar habe ich Ihnen unsere Vorschläge für eine Halbzeitbewertung der Lissabon-Strategie vorgelegt. Durch Konzentration auf Wachstum und Beschäftigung sollen die Bedingungen für einen angemessenen Lebensstandard, soziale Gerechtigkeit für alle und eine nachhaltige Umweltpolitik geschaffen werden. Am 6. Januar und am 2. Februar fand ein erster Gedankenaustausch statt.

Ich war erfreut zu hören, dass die Vorschläge der Kommission im Allgemeinen vielen der Erwartungen und Anliegen der Abgeordneten dieses Hauses entsprochen haben. Ich begrüße die ausführlichen Entschließungsanträge, die heute von den Fraktionen zum Arbeitsprogramm eingereicht wurden. Wenn wir über Partnerschaft, Dialog und Konsultation sprechen, dann wissen wir, dass wir nicht immer in allem einer Meinung sein werden. Wie in jeder Partnerschaft kommt es darauf an, klare Standpunkte auf dem Tisch liegen zu haben und zusammen an der Erreichung der gemeinsamen Ziele zu arbeiten.

Ich möchte kurz auf einige der wichtigen Punkte eingehen, die in den Anmerkungen und Entschließungsanträgen angesprochen wurden.

Erstens zählen Taten mehr als Worte. Die Europäische Union hat die Aufgabe, ihre Träume wahr werden zu lassen. Sie muss Wohlstand, Zusammenhalt und soziale Gerechtigkeit sowohl innerhalb der Gemeinschaft als auch über deren Grenzen hinaus befördern. Die Kommission hat sich voll und ganz dieser Aufgabe verschrieben. Mit der Umsetzung unseres Arbeitsprogramms für 2005 arbeiten wir bereits auf dieses Ziel hin: Wir befinden uns auf dem richtigen Weg.

Zweitens müssen Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Zusammenhalt Hand in Hand gehen. Wir wissen alle, dass es schwierig ist, das richtige Gleichgewicht zu finden. Ich möchte, dass die Kommission in dieser Hinsicht eine Hilfe ist. Dazu ist es erforderlich, Ihren Ansichten und Beiträgen aufmerksam zuzuhören.

Nehmen Sie z. B. die REACH-Initiative. Ich kann Ihnen versichern, dass wir die zum Ausdruck gebrachten Bedenken angemessen berücksichtigt haben. Wir stimmen alle darin überein, dass wir die Sicherheit des Einzelnen und die Umwelt angemessen schützen müssen. Andererseits sollten wir auch auf die Angst zu sprechen kommen, dass bestimmte Elemente des Vorschlags eine der europäischen Schlüsselindustrien in ernsthafte Schwierigkeiten bringen könnten, ohne den Bereichen Gesundheit und Umwelt einen echten Mehrwert hinzuzufügen. Während des Legislativprozesses werden wir auch weiterhin Möglichkeiten prüfen, wie wir das Gleichgewicht zwischen Regulierung und Wettbewerbsfähigkeit weiter verbessern können.

Was den Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie betrifft, verfolgen wir auch hier ein Ziel, das allgemeine Unterstützung erfordert – die Vollendung des Dienstleistungsbinnenmarkts bis 2010. Wiederum kann ich Ihnen versichern, dass wir die zum Ausdruck gebrachten Bedenken angemessen berücksichtigt haben. Ich bin voll und ganz davon überzeugt, dass wir uns über das Legislativverfahren auf ein Instrument einigen werden, mit dem das versteckte Potenzial des Binnenmarkts ohne die Gefährdung des legitimen Allgemeininteresses erschlossen werden kann.

Lassen Sie uns dies auf einer fundierten Grundlage bewerkstelligen und die Mythen zerstreuen. Unsere Vorschläge stellen weder die Verantwortung der Mitgliedstaaten in Frage, wenn es um die Organisierung und Finanzierung der für die gesellschaftlichen Bedürfnisse erforderlichen grundlegenden gemeinwirtschaftlichen Leistungen geht, noch unterminieren sie die in der Richtlinie festgelegten Regelungen zur Entsendung von Arbeitnehmern.

Abschließend möchte ich den Stabilitäts- und Wachstumspakt erwähnen. Die Kommission hat sich verpflichtet, zur Verbesserung des Pakts beizutragen und sicherzustellen, dass er in vollem Einklang mit dem Vertrag steht. Die von der Kommission vorgeschlagenen Verbesserungen sollen seine wirtschaftliche Logik erhöhen und die Umsetzung verbessern. Wir möchten stärkere Anreize bieten, in „guten Zeiten“ „gute Politiken“ zu fördern. Wir wollen eine bessere Definition der mittelfristigen finanzpolitischen Ziele erreichen, indem Elemente wie die Verschuldung und die Anfangskosten der Strukturreformen berücksichtigt werden. Wir wollen nicht wünschenswerte Sparauflagen in Phasen der Konjunkturabschwächung vermeiden, denn letztendlich soll mit unseren Haushaltsplänen durch zielgerichtete Ausgaben für wachstumsorientierte Sektoren und Investitionen in die Zukunft der Wohlstand erhöht werden.

Hier geht es nicht um theoretische Fragen – hier geht es um die Lebensqualität, die Chance der Menschen, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen und die Vorteile ihrer Ersparnisse und Renten zu genießen. Hier geht es um die Chance der jetzigen und der künftigen Generationen, ein so ausgefülltes Leben zu führen, wie sie es rechtmäßig erwarten können.

Als Teil dieses ausgewogenen Ansatzes hat die Kommission mit ihrem jüngst angenommenen Vorschlag zu einer revidierten sozialpolitischen Agenda für den Zeitraum bis 2010 Fortschritte erzielt. Dies zeigt das volle Engagement der Kommission für die Modernisierung und Weiterentwicklung der europäischen Sozialsysteme, die Lösung der Probleme der sozialen Ausgrenzung und der Armut sowie die Erreichung des Ziels von mehr und besseren Arbeitsplätzen.

Bei der Liberalisierung der Märkte dürfen der Einzelne nicht vergessen werden. Deshalb haben wir vergangene Woche zwei neue Vorschläge zur Stärkung der Fluggastrechte angenommen. Damit komme ich zu einem der wichtigsten Punkte: Die Europäische Union muss ausreichende finanzielle Mittel erhalten, damit sie handlungsfähig bleibt. Kern der Zielsetzungen der Union ist und bleibt die Kohäsionspolitik. Ohne Solidarität können wir niemals eins werden. Sie stellt eine wesentliche Ergänzung der Wettbewerbsfähigkeit und der Lissabon-Strategie dar – die Erhöhung des Wohlstands in den rückständigeren Regionen der Union wird der gesamten Union zum Vorteil gereichen.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir jetzt 25 Mitgliedstaaten sind. Die neuen Mitgliedstaaten warten auf greifbare Belege für unsere Solidarität. Deshalb sind unsere Vorschläge für eine neue Generation von Kohäsionspolitiken für die nächste Finanzielle Vorausschau von entscheidender Bedeutung für die Union – sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Wir können uns keine Abschwächung unserer Verpflichtungen auf diesem Gebiet leisten.

Ferner bereitet die Kommission gegenwärtig ihr drittes Vorschlagspaket für die nächste Finanzielle Vorausschau vor, das auf einer gründlichen Untersuchung seines europäischen Mehrwerts beruht, indem den Bürgern Möglichkeiten geboten werden, die die nationalen Ansätze ergänzen oder bestehende Lücken schließen. Zu diesem Arsenal an Instrumenten werden Vorschläge zum Siebten Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung, zum Verbraucherschutz und zur öffentlichen Gesundheit, zur Energie – einschließlich erneuerbare Energiequellen, zur Wettbewerbsfähigkeit und zur Innovation mit Blick auf Freiheit, Sicherheit und Recht gehören.

Die Kommission macht ihre Arbeit, doch hängt die Umsetzung dieser Vorschläge sehr stark von den erzielten Vereinbarungen zur im Juni erwarteten Finanziellen Vorausschau ab. Wie ich bereits sagte, weiß ich nicht, wie die Kommission ihren Beitrag zu einem Europa leisten kann, das mit weniger Mitteln mehr auf die Beine stellen möchte.

(FR) Meine Damen und Herren Abgeordneten, die nachhaltige Entwicklung und die Frage des Klimawandels sind feste Bestandteile der Arbeitspläne der Kommission. Wir freuen uns zwar über das In-Kraft-Treten des Kyoto-Protokolls, können aber nicht dabei stehen bleiben. Am 9. Februar haben wir eine Mitteilung zur nachhaltigen Entwicklung und eine weitere mit dem Titel „Strategie für eine erfolgreiche Bekämpfung der globalen Klimaänderung“ angenommen. Mit diesen Vorschlägen werden die Vorschläge zur Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie ergänzt. Neben dem wirtschaftlichen Grundpfeiler stellen die Strategie der nachhaltigen Entwicklung und die neue Sozialagenda zwei weitere zusätzliche Pfeiler unserer Strategie für die kommenden fünf Jahre dar.

Natürlich müssen wir unseren Blick auch über unsere Grenzen richten. In diesem Jahr haben wir Gelegenheit, eine Bilanz unserer bisherigen Fortschritte bei der Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele zu ziehen. Die Situation ist ohne Zweifel enttäuschend. Die Europäische Union kann und muss einen größeren Beitrag zur Verwirklichung der Millenniumsziele leisten. Im kommenden Monat werden wir unseren Beitrag zur laufenden Überprüfung veröffentlichen. Bei der Umsetzung der Verpflichtungen von Monterrey bedarf es mehr Schwung und Fantasie. In diesem Zusammenhang wird Afrika im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen, und wir wollen neue spezifische Initiativen zugunsten von Afrika vorschlagen.

Multilateralismus und eine verstärkte Nachbarschaftspolitik bilden weitere Schwerpunkte für die Kommission. Zu den zentralen Zielsetzungen gehören ferner ein erneuerter Beitrag zum Friedensprozess im Nahen Osten und eine Stärkung der transatlantischen Beziehungen. Wenn wir morgen mit Präsident Bush zusammentreffen, dann sind wir uns mit ihm darüber einig, dass wir alle einen wirksamen Multilateralismus anstreben und uns um Frieden und humanitäre Hilfe in den bedürftigen Ländern bemühen.

Wir alle sind der Überzeugung, dass unser Einsatz im Dienste der Unionsbürger unser tägliches Handeln legitimiert. Eine der Hauptaufgaben der Kommission besteht darin, mehr Bürgernähe herzustellen; dafür schlagen wir ein spezifisches Programm im Rahmen der Finanziellen Vorausschau vor. Durch das Angebot einfacher und transparenter Informationen über die Aufgaben der Europäischen Union wird es den Bürgern leichter fallen, diese nachvollziehen und sich eine Meinung zu bilden. Dieser Aufgabe haben sich alle Kommissionsmitglieder und an erster Stelle Vizepräsidentin Margot Wallström verschrieben, da es sich hier um ihren besonderen Zuständigkeitsbereich handelt.

Erlauben Sie mir abschließend, Ihnen zu sagen, wie die Kommission, deren Präsident zu sein ich die Ehre habe, diese gemeinsamen Aufgaben und Sorgen anzugehen gedenkt. Wir betrachten eine Partnerschaft insbesondere zwischen den europäischen Institutionen als geeignete Methode. Ich möchte an dieser Stelle wiederholen, worauf ich bereits bei mehreren Gelegenheiten in diesem Parlament verwiesen habe: ich möchte eine positive Partnerschaft zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament entwickeln. Mit Freude habe ich im Verlauf der Aussprache vom 26. Januar festgestellt, dass Ratspräsident Juncker und zahlreiche Abgeordnete dieses Hauses sich darin einig sind, dass die Zusammenarbeit zur Verwirklichung der strategischen Zielsetzungen der Kommission von großer Bedeutung ist. Dies wäre ein noch nie da gewesener Schritt im Sinne eines kohärenten Vorgehens der Gemeinschaft.

Schließlich ist die Kommission im Geiste der vorgeschlagenen Partnerschaft gewillt, sehr eng mit dem Parlament zusammenzuarbeiten. Die Vizepräsidentin Margot Wallström wird morgen auf der Konferenz der Ausschussvorsitzenden an einem Dialog teilnehmen, den die Kommission zu einer dauerhaften und regelmäßigen Einrichtung machen will und der sich mit für uns prioritären Fragen befasst, sowohl was die Programmplanung als auch die Festlegung der politischen Schwerpunkte betrifft.

Kurz gesagt, Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, wünsche ich mir, dass das Arbeitsprogramm für 2005 die erste Etappe einer Partnerschaft für die Erneuerung Europas darstellt, die ich ihnen vorschlage. Nun freue ich mich auf Ihre inhaltlichen Anmerkungen und Vorschläge.

 
  
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  Grossetête (PPE-DE), im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, wir sind sehr erfreut, dass Kommissionspräsident Barroso bei uns sein kann und wir gemeinsam mit ihm das Programm für 2005 prüfen können, das verspätet vorgelegt wurde, doch wir wissen warum.

Herr Barroso, wir wissen, dass Sie alles tun, um zu mehr Effizienz beizutragen. Ihr Programm ist ehrgeizig, und wir haben Vertrauen in Sie, ein Vertrauen, das wir Ihnen erneut aussprechen wollen, denn Sie waren für uns da: Sie haben die Initiative ergriffen, die Dienstleistungsrichtlinie zu überarbeiten, um unseren Belangen Rechnung zu tragen. Dasselbe trifft auf REACH zu, wie Sie uns soeben erläutert haben.

Wir müssen uns daher auf das Wesentliche konzentrieren: Wachstum und Beschäftigung. Weniger und bessere Rechtsetzung soll unsere Arbeit bestimmen. Mir ist bewusst, dass wir uns in dieser Frage einig sind. Im Übrigen haben Sie von Maßnahmen gesprochen. In den USA steigt das Produktivitätsniveau doppelt so schnell wie in Europa und der durchschnittliche Investitionszuwachs liegt in den USA bei jährlich 5,4 % gegenüber 1,7 % in Europa.

Unsere Mitbürger erwarten natürlich konkrete Veränderungen, die einfach in Worte zu fassen sind: eine Ende der Angst vor Unternehmensverlagerungen oder Arbeitslosigkeit und ein Anstieg der Kaufkraft. Wir erwarten daher voller Ungeduld Ihr Rahmenprogramm für Wettbewerb und Innovation, das genaue Zielsetzungen und Fristen enthält.

Zur Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung bedarf es einer Förderung von Innovation und Forschung und vor allem der besseren Vereinbarkeit von Umwelt- und Industriepolitik. Diese beiden Politikbereiche sind nicht unvereinbar, ganz im Gegenteil, sie ergänzen sich. Umweltbelange stellen keine Hindernisse oder Einschränkungen dar, sondern Vorteile und Chancen für unsere Wirtschaft. Europa muss daher die Möglichkeiten von ökologischen Innovationen und Spitzentechnologien nutzen, um die Nachfrage nach Produkten mit hoher Wertschöpfung zu erfüllen, die von unseren Wettbewerbern nicht befriedigt werden kann.

Dank strenger Umweltnormen betreibt die Europäische Union Innovationsförderung und verbessert die Wettbewerbssituation ihrer Industrie. Ich denke an die Entwicklung erneuerbarer Energien, darunter Wind- und Sonnenenergie, an Biokraftstoffe, umweltfreundliche Verkehrssysteme, alles Sektoren, in denen sich unseren Industrien ein großes Beschäftigungs- und Ausfuhrpotenzial eröffnet. Herr Kommissionspräsident, mit Interesse verfolgen wir Ihre Vorschläge in diesem Bereich, insbesondere die Verordnung über Maßnahmen gegen Luftverschmutzung.

Grundlage für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und eine Wiederbelebung des Wachstums sind vor allem gesunde Unternehmen, aber auch gesunde Männer und Frauen als Akteure unserer Wirtschaft. Wir freuen uns darüber, dass Ihr Programm einen Abschnitt enthält, der sich mit Gesundheit und Verbraucherpolitik befasst. Europa muss auch für mögliche Gefahren gerüstet sein, die von den großen Geißeln ausgehen, und neue Epidemien und Antibiotikaresistenzen bekämpfen. Wir erwarten daher mit großem Interesse den Richtlinienvorschlag zur Einführung von Maßnahmen der Gemeinschaft im Kampf gegen die Vogelgrippe. Wir müssen schnell und angemessen handeln.

Was die demographische Entwicklung in Europa anbelangt, müssen auf das Grünbuch unverzüglich konkrete Maßnahmen folgen: lebenslanges Lernen, Erhalt unserer Gesundheitssysteme, Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen. Mit Blick auf die Politik der Solidarität ist es richtig, dass die neuen Mitgliedstaaten in den Genuss dieser Programme kommen, aber vergessen Sie nicht, dass die dafür bereitgestellten Mittel auch das Bild der Europäischen Union in allen Mitgliedstaaten bestimmen. Daher müssen alle Länder uneingeschränkten Zugang zu diesen Strukturbeihilfen haben.

Wir fordern zudem eine wirksamere Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten, auch wenn wir in diesem Zusammenhang noch auf die Ergebnisse des in der Verfassung vorgesehenen Mitentscheidungsverfahrens warten. Uns ist bewusst, dass all dies zu einer besseren Mobilität der Europäer beitragen soll. Darüber hinaus müssen wir ganz besonders die Mobilität der Jugend unterstützen, indem wir Hochschulaustauschprogramme fördern und jungen Menschen die Möglichkeit eröffnen, Nutzen aus den wertvollen Erfahrungen der Berufsausbildungsgänge zu ziehen.

Wir sind ehrgeizig, Sie sind es auch. Wir möchten die Arbeitsbedingungen entwickeln und verbessern, um konkrete Maßnahmen ergreifen und die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben verbessern zu können. Auf diese Weise können wir die Zielvorgaben erfüllen, die sich die Union setzen muss, und die gesamte europäische Gesellschaft voranbringen. Die Europäische Kommission muss ihre Initiativrolle mit Weitblick erfüllen.

Im politischen Bereich messen wir den Europa-Mittelmeer-Beziehungen große Bedeutung bei. Die Europa-Mittelmeer-Politik muss mehr Gewicht erhalten und im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen. Ebenso müssen wir uns mit unseren Grenzen, den Grenzen Europas befassen.

Abschließend möchte ich Ihnen, Herr Kommissionspräsident, sagen, dass der politische Wille in einer Finanziellen Vorausschau zum Ausdruck kommen muss, die ihrerseits richtig bewertet werden muss. Die Mitgliedstaaten können nicht mehr von Europa verlangen und weniger geben. Demnach benötigen wir gegenwärtig politische Energie, um unseren Leistungsmotor in Gang zu bringen, der für die Beschäftigung von wesentlicher Bedeutung ist. Sie verfügen über diese Energie. Wir sind an Ihrer Seite, Herr Präsident, im Geiste der positiven Partnerschaft, von der Sie gesprochen haben.

 
  
  

VORSITZ: KAUFMANN
Vizepräsidentin

 
  
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  Schulz (PSE), im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Rede, die wir gerade gehört haben, war keine Rede der PPE, es war eine Rede der französischen Gaullisten. Frau Grossetête, ich lade Sie herzlich ein, sich mit den Inhalten Ihrer Rede uns anzuschließen, dann werden wir schnell Mehrheiten für eine sozial verantwortliche Politik in der Europäischen Union bekommen. Ich habe das tiefe Erschrecken in den Augen meines Kollegen Pöttering gesehen, und ich habe das auch mit Freude zur Kenntnis genommen.

Herr Präsident Barroso! Ich freue mich, dass Sie trotz der schwierigen terminlichen Situation, in der Sie sind, den Weg zu uns gefunden haben. Ich will das ausdrücklich sagen! Wir wissen alle, dass Sie in London noch Schwierigkeiten mit dem Flug hatten. Dass Sie hier sind, ist ein gutes Zeichen für die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament. Dies will ich hier ausdrücklich erwähnen. Damit habe ich Ihnen aber auch schon genug Freude gemacht, denn ich muss die eine oder andere Bemerkung machen, von der ich glaube, dass sie Sie nicht so fröhlich stimmen wird.

Ich will nicht mehr auf die Frage zurückkommen, ob es richtig war, dass Sie in einem Werbespot für die PSD in Portugal aufgetreten sind. Das ist jetzt vorbei. Aber ich möchte ernsthaft folgenden Vorschlag unterbreiten: Was die Verhandlungen zum Rahmenabkommen angeht, müssen wir uns entscheiden. Es gibt eine Regelung im Rahmenabkommen zwischen Parlament und Kommission, die klar ist. Den Kommissaren ist es nicht untersagt, sich in ihren Heimatländern politisch zu betätigen. Sie müssen dies – so sieht dieses Rahmenabkommen vor – mit dem Präsidenten der Kommission besprechen. Und der Präsident der Kommission gibt im Rahmen der Notwendigkeiten sein Einverständnis oder äußert seine Skepsis.

Es gibt aber keine Regel für den Präsidenten, wobei dieser natürlich eigentlich ein Vorbild sein müsste. Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, dass Kommissarinnen oder Kommissare, oder Sie als Kommissionspräsident, eine politische Linie haben und dies auch nach außen klar machen. Ich weiß ja eh, wo Sie politisch stehen. Sie brauchen ja nicht heuchlerisch rumzulaufen und so zu tun, als hätten Sie sich ab Ihrer Wahl zum Kommissionspräsident zum politischen Neutrum verwandelt. Also, stehen Sie zu Ihrer Meinung, ich finde das gut, dann aber alle, der Präsident wie die Kommissare, oder alle nicht. Aber mal ja und mal nein, das geht nicht. Deshalb schlage ich vor, dass wir diese Frage im Rahmenabkommen klären.

Eine zweite Bemerkung, Herr Präsident! Ich hatte in der letzten Diskussion, die wir über Ihr Arbeitsprogramm führten, im Namen unser Fraktion gesagt: Das Glas ist halb voll. Dies, weil wir positive Zeichen sehen hinsichtlich der Forderungen, die wir als Sozialdemokraten an Sie und Ihre Kommission stellen.

Dann schlage ich einige Tage später die Financial Times auf und sehe ein Interview mit Ihnen, das in eine absolut andere Richtung geht als die, die Sie in Ihrer Rede hier im Parlament vorgetragen hatten: Economy is in the front seat. Nein! Social coherence is in the front seat – jedenfalls für uns Sozialdemokraten, Herr Präsident, und aus dieser Forderung werden wir Sie nicht entlassen. Sie präsentieren Ihr Arbeitsprogramm mit sozialdemokratischen Elementen, geben aber dann in der Financial Times ein Interview, das genau in die entgegengesetzte Richtung geht. Später legt Herr Spidla ein Papier vor, mit dem wir Sozialdemokraten wunderbar leben können, doch dann bekommen wir wieder Äußerungen von Frau Hübner in der Presse zu lesen, die wir absolut nicht akzeptieren können.

Sie sind zwar im Berlaymont angekommen, Herr Präsident, aber ich habe den Eindruck, immer wenn Sie auf dem Schuman-Kreisel sind, wissen Sie nicht mehr, welche Ausfahrt Sie nehmen sollen. Deshalb mache ich Ihnen einen Vorschlag: Fahren Sie in Richtung unserer sozialdemokratischen Vorschläge, denn das Problem der Europäischen Union liegt darin, dass, wenn wir den Bürgerinnen und Bürgern nicht klarmachen, dass diese Union ihnen soziale Sicherheit bietet, sondern es länger zulassen, dass die Bürger den Eindruck haben, das, was in Brüssel geschieht, zerstöre die soziale Sicherheit, dies uns mehr Risiken als Chancen bringt. Solange wir das zulassen, werden sich die Bürger von Europa abwenden.

Dies hat damit zu tun, dass der neoliberale Ansatz – vielleicht nicht bei Ihnen, Herr Barroso, aber bei vielen Ihrer Kommissare, und was noch viel schlimmer ist, bei ganz vielen Ihrer Beamten in der Kommission – als alltägliche Selbstverständlichkeit dargestellt wird; dass Europa nur dann gut ist, wenn es dereguliert, flexibilisiert wird und in sozialer Hinsicht immer nur nach unten geht. Solange dies in Ihrer Kommission die Hauptintonation ist, solange wird sich die Atmosphäre nicht zugunsten der EU wenden. Wir Sozialdemokraten sind nicht gewählt worden, um eine neoliberale Politik, wie sie die Bolkestein-Richtlinie vorsah, zu unterstützen, sondern um die zwei Seiten der Medaille, über die wir schon lange diskutieren, auch zu garantieren. Auf der einen Seite brauchen wir Wettbewerb und Flexibilität, aber diese Steigerung von Wettbewerb und Flexibilität muss der anderen Seite dienen, nämlich der sozialen Stabilität.

Deshalb bitte ich Sie, bleiben Sie bei dem, was Sie in Ihren strategischen Leitlinien vorgetragen haben, und bei dem, was Sie uns gemeinsam mit Margot Wallström und Günther Verheugen in der Lissabon-Strategie vorgestellt haben, wo nämlich genau das formuliert ist. Flexibilisierung, mehr Wettbewerb: ja; aber immer unter Wahrung der sozialen Strukturen, die Europas Errungenschaft sind. Wenn Sie unsere Entschließung lesen, werden Sie sehen, dass wir zu einer sehr konstruktiven Zusammenarbeit mit Ihnen bereit sind, aber nur dann, wenn Sie auch Ihrerseits bereit sind, mit Ihrer Kommission das soziale Europa zu verwirklichen. Dann reichen wir Ihnen gerne die Hand.

(Beifall)

 
  
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  Duff (ALDE), im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Es ist grotesk, dass die Sozialdemokraten der Ansicht sind, sozialer Fortschritt könnte ohne Wirtschaftswachstum und Strukturreformen erreicht werden. Auch ist es unglaublich naiv, dass Martin Schulz den Präsidenten der Kommission kritisiert, weil sich dieser an der Innenpolitik beteiligt: In unseren Diensten stehen keine Staatenlosen – ihrer politischen Wurzeln entrissene Politiker. Das einzige, was ich an dem Artikel in der Financial Times auszusetzen hab, ist Präsident Barrosos Bemerkung zu den „naiven Föderalisten“. Ich habe keine Ahnung, was er damit beabsichtigt hat.

Meine Fraktion begrüßt die eindeutigeren Schwerpunkte des Arbeitsprogramms und dass dieses auf einer klaren politischen Strategie fußt. Jedoch erstaunt mich auch das enorme Ausmaß des Programms. Natürlich müssen in verstärktem Ausmaß Prioritäten gesetzt werden. Für meine Fraktion hat die Vollendung des Binnenmarkts Vorrang, insbesondere im Bereich der Finanzdienstleistungen.

Dies wird eine Überarbeitung und vielleicht eine genauere Überprüfung der Hinterlassenschaft der Prodi-Kommission erfordern als es bisher geschehen ist, mit Sicherheit im Hinblick auf die Softwarepatentierung und auch den Zugang zu Hafendiensten. Uns geht es nicht nur um eine Verbesserung der Qualität des Entwurfs, sondern auch um eine gewisse Reduzierung seines Umfangs.

Abschließen möchte ich mit einem Appell für einen Fokus auf ein Programm, das eingeleitet wurde, aber noch lange nicht beendet ist, insbesondere was die finanziellen und handelspolitischen Regelungen mit Nordzypern betrifft. Wir dürfen die türkischen Zyprer nicht in der Kälte stehen lassen.

 
  
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  Beer (Verts/ALE), im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Präsident Barroso! Sie haben gerade eine positive Komplizenschaft zwischen Kommission und Parlament angeboten. Für meine Fraktion, Die Grünen, möchte ich aus aktuellem Anlass zwei solche Möglichkeiten der Komplizenschaft benennen. Sie haben den aktuellen Anlass selbst genannt: Es sind die bevorstehenden Gespräche mit dem US-Präsidenten in Brüssel.

Ich denke, dass nach der Charme-Offensive von Condoleezza Rice in Europa sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen wird und zeigen muss – und zwar in der Iran-Frage –, ob wir nur ein gemeinsames Ziel haben und nach wie vor getrennte Wege gehen, oder ob wir es schaffen, multilaterale Schritte zu entwickeln, und die Gefahr eines Unilateralismus, wie wir ihn im Rahmen des Präventivschlages gegen den Irak erlebt haben, ausschalten können.

Ich möchte Sie im Namen meiner Fraktion ausdrücklich ermuntern und die Kommission eindringlich auffordern, alles Mögliche zu versuchen, um in den bevorstehenden Gesprächen die US-Regierung dazu zu bewegen, die europäische Verhandlungsstrategie der drei EU-Vertreter aktiv zu unterstützen.

Lassen Sie mich noch einmal die gemeinsamen Ziele sowohl der Amerikaner als auch der Europäer und der europäischen Mitgliedsländer nennen. Unser Ziel ist vollkommener Konsens. Wir müssen die weitere Verbreitung von Massenvernichtungswaffen im Nahen und Mittleren Osten verhindern. Wir müssen die Entwicklung einer politischen Strategie für den gesamten Weiteren Nahen und Mittleren Osten auf der Grundlage der europäischen Sicherheitsstrategie vorantreiben. Wir müssen den Verzicht von Iran auf eine militärische Nutzung des Atomprogramms verbindlich festschreiben können, und wir brauchen die unbegrenzte Zutrittsmöglichkeit der IAEO, um sämtliche Anlagen von Iran zu inspizieren. Das sind die Voraussetzungen, um auch für Israel ein sicheres Umfeld zu schaffen.

Ich bin überzeugt davon, dass der richtige Weg der europäischen Verhandlungen eine viel größere Chance hat, positiv zu verlaufen, wenn wir den US-Präsidenten überzeugen können, nicht nur stand by zu sitzen, nicht nur verbal mit dem Säbel zu rasseln, die Frage des Präventivschlages nicht offen zu lassen, sondern eine aktive Überprüfung der geltenden Wirtschaftssanktionen gegenüber Iran auf die Tagesordnung zu setzen und auch über Sicherheitsgarantien für Iran zu reden.

Ich denke, dass wir in diesem Bereich weiterkommen, wenn wir auch unserem Grundsatz der Wahrung der Menschenrechte treu bleiben. Ich appelliere ausdrücklich an die Kommission, den Menschenrechtsdialog mit Iran nicht zurückzustellen, solange die Verhandlungen laufen, sondern diesen zu intensivieren. Ich sage das mit größtem Bedauern, zumal ich feststellen musste, dass ausgerechnet die deutsche Regierung, die ja unsere Verhandlungen auf Seiten der EU aktiv unterstützt, ein Abschiebeverfahren gegen eine 26jährige Frau in die Wege geleitet hat, die sich von ihrem iranischen Mann hat trennen lassen und die zum christlichen Glauben übergetreten ist. Eine Abschiebung nach Iran in dieser Situation – und wir haben uns zweimal mit Entschließungen dagegen gewandt – bedeutet die Gefahr von Steinigung, von Verfolgung, sogar von Tötung.

Ich glaube, dass eine solche gespaltene Politik es schwierig macht, aber wir müssen es schaffen, in Europa eine kohärente Menschenrechtspolitik mehrheitsfähig zu machen. Dann sind wir auch, was Iran betrifft, glaubwürdig. Ich möchte nicht, dass Iran erfolgreich versucht, die Europäer gegen die Amerikaner auszuspielen, denn wir haben die gleichen Zielsetzungen. Dies will ich noch mal unterstreichen.

Einen Punkt des Konsens meiner Fraktion mit dem US-Präsidenten möchte ich hier auch zur Sprache bringen: Es ist die Frage der Aufrechterhaltung des Embargos gegen China. Wenn wir sagen, das Kriterium „Einhaltung der Menschenrechte“ ist Grundlage unserer europäischen Außenpolitik, dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Menschenrechtssituation in China nach wie vor fatal ist, und aus diesem Grund hat dieses Parlament vor wenigen Wochen eine Entschließung verabschiedet und den Vorstoß der Kanzler Schröder und Chirac zurückgewiesen. Wir erwarten, dass dieses Embargo aufrecht bleibt und nicht Wirtschaftsinteressen zu Lasten der Menschenrechtslage in den Vordergrund gerückt werden.

 
  
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  Markov (GUE/NGL), im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Frau Präsidentin! Herr Kommissionspräsident, Kolleginnen und Kollegen! Selbst wenn das Thema der Aussprache „Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2005“ lautet, lässt sich diese Debatte natürlich nur in einen gesamtstrategischen Rahmen einordnen, welcher durch die Lissabon-Strategie geprägt ist und leider vorrangig auf die Stärkung des Wettbewerbs zielt – und dies in meinen Augen auch noch mit den falschen Mitteln.

Die operationellen Gewinne der Großkonzerne der Europäischen Union haben sich 2004 um 78 % gesteigert. Das Verhältnis zwischen Erlös und Bruttoinlandsprodukt ist fast an den höchsten Wert der letzten 25 Jahre herangerückt. Die Handels- und Währungsbilanzen sind in den letzten zwölf Monaten wieder von einem starken Plus gekennzeichnet.

Selbst in der Bundesrepublik Deutschland, wo die großen Unternehmen permanent weinerlich erklären, sie hätten keine Chance im Standortwettbewerb, haben 46 der 50 im Dax geführten Unternehmen in den ersten drei Quartalen Gewinnzuwächse von ungeahnter Größe eingefahren.

Gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit. Die Debatten um Verlängerung der Arbeitszeit, egal in welcher Form, nehmen zu. Von den Arbeitnehmern wird Lohnzurückhaltung gefordert, was in Wirklichkeit ein Absinken des Realeinkommens darstellt. Sozialleistungen werden gekürzt bzw. drastisch verteuert, solidarisch aufgebaute Systeme immer mehr in Richtung Privatfinanzierung verlagert.

Dieses Agieren führt nicht zur Stärkung, sondern zu einer Schwächung der Nachfrage. Diese Tendenz halten wir für falsch! Jawohl, wir benötigen Wettbewerb – aber in Einklang mit den Göteborg-Kriterien, um die geringstmögliche Arbeitslosigkeit, hohen Verbraucherschutz, soziale Sicherheit der Bürger in einer gesunden Umwelt, soziale Kohäsion durch Solidarität und nachhaltige Entwicklung zu erreichen.

Deshalb können wir die Kommission nur auffordern: Stoppen Sie Ihre neoliberale Wirtschaftspolitik, ziehen Sie Ihre Richtlinien zu den Dienstleistungen im Binnenmarkt zurück, ebenso wie Ihre Arbeitszeitrichtlinie, und legen Sie stattdessen Richtlinien für verbesserten Arbeitsschutz oder für eine Harmonisierung von Sozialstandards vor! Schützen Sie den Klein- und Mittelstand, indem Sie die vom letzten Parlament verabschiedeten Richtlinien, z. B. für die Software-Patente, als Basis für einen neuen Vorschlag nehmen! Verändern Sie gemeinsam mit dem Rat den Stabilitätspakt, indem Ausgaben für Bildung und Ausbildung als Investition angerechnet und aus der Verschuldungsquote herausgerechnet werden! Setzen Sie sich für einen demokratischen und sozial gerechten Welthandel ein, indem Sie versuchen, die WTO zu reformieren und nach Hongkong nicht mit denselben Vorstellungen zu gehen, wie die alte Kommission dies in Cancún getan hat!

Setzen Sie sich nicht für eine Stärkung der militärischen Optionen ein, sondern ausschließlich für friedliche Lösungen! Setzen Sie sich für höheren Umweltschutz ein, wobei auch hier innerhalb der Europäischen Union durchaus noch Nachholbedarf besteht, wie z. B. auf dem Gebiet der biologischen Vielfalt, der Vermeidung und Verarbeitung von Abfall und der nachhaltigen Nutzung der Ressourcen! Verstärken Sie Ihre Einflussnahme beim Klimaschutz, da sowohl die USA als auch China, Indien und Brasilien hier stärker eingebunden werden müssen!

Dies wäre der richtige Weg für die Europäische Union, und dies würde die nachhaltige Entwicklung fördern, und dies würde Arbeitsplätze schaffen – und nicht die Fortführung bzw. Verstärkung der alten, längst überholten Wege, die sich als falsch herausgestellt haben.

 
  
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  Batten (IND/DEM), im Namen der IND/DEM-Fraktion. (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte Herrn Barroso einen guten Abend wünschen, aber oh je, oh je! Jetzt geht das schon wieder los! Dieses Gesetzgebungsprogramm ist stark von der jährlichen Strategieplanung geprägt, die die letzte Kommission im Februar 2004 veröffentlicht hat. Zwar ist die Europäische Kommission die nicht gewählte Regierung der EU, doch welche andere Regierung der Welt hätte ihr Gesetzgebungsprogramm von ihrem Vorgänger erarbeiten lassen? Die Independence Party des Vereinigten Königreichs hat sich schon vorher beschwert, dass die Kommission nicht verantwortlich ist, doch das zeigt nur, wie undemokratisch die Dinge liegen. Wir werden mit Politiken überhäuft, die von Personen ausgearbeitet wurden, die noch nicht einmal mehr im Amt sind!

Am 26. Januar sprach Herr Barroso in Brüssel vor dem Parlament über dieses Programm, doch Herr Prodi und seine Mitarbeiter haben es zusammengestellt. Das zentrale politische Ziel der neuen Kommission besteht im Wirtschaftswachstum. Dies war auch das zentrale Ziel des Dokuments der alten Kommission, das vergangenen Februar erarbeitet wurde. In der Tat hat auch Herr Prodi dies zu einem seiner zentralen Ziele erklärt, als er 1999 sein Amt antrat. Das hat ja zu einer Menge Gutem geführt, da das Wachstum in der EU jetzt niedriger ist als damals. Zu seinem Glück ist Herr Prodi wieder sicher in Rom und kann nicht länger für sein Versagen zur Rechenschaft gezogen werden.

Im Dokument wird dargelegt, dass aufgrund der institutionellen Veränderungen im Jahr 2004 ein einfacheres Verfahren als üblich für die Prüfung der politischen Strategie durch das Europäische Parlament angenommen wurde. Das Verfahren wurde im vergangenen April abgeschlossen – mit anderen Worten, noch vor den Wahlen zum jetzigen Europäischen Parlament. Wir wissen alle, dass es sich bei diesem Parlament um einen Schwindel handelt, doch dies zeigt, wie sinnlos das Ganze ist.

Die Europhilen haben sich beschwert, dass das britische Volk nicht ausreichend über die EU-Verfassung informiert werden wird. Die Spanier haben gerade über die Verfassung abgestimmt, doch Tatsache ist, dass 90 % der Spanier – die nach Ansicht der Europhilen gut über die Verfassung informiert waren – der staatlichen spanischen Wahlorganisation mitgeteilt haben, sie wüssten nur wenig oder gar nichts über diese, und weniger als die Hälfte der Spanier, machte sich nicht einmal die Mühe, zur Urne zu gehen.

Die Bürger Europas sollten nicht über die unergründliche Verfassung informiert werden, sondern über den Berg an EU-Rechtsvorschriften, der dieses Jahr die EU-Institutionen durchlaufen wird – Rechtsvorschriften, die von einer nicht mehr bestehenden Kommission erdacht und von einem nicht mehr existierenden Parlament angenommen wurden, beide können von den Menschen, auf die sich das Programm auswirken wird, nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Jedoch wachen die europäischen Bürger – insbesondere die Briten – langsam auf und erkennen, was vor sich geht. Bald wird nicht nur die letzte Kommission und das letzte Parlament nicht mehr bestehen, sondern das gesamte EU-Projekt wird es nicht mehr geben – und je eher, desto besser!

 
  
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  Ryan (UEN), im Namen der UEN-Fraktion. (EN) Frau Präsidentin! Diesmal handelt es sich bei der größten Herausforderung, der die Europäische Union gegenübersteht, um eine wirtschaftliche. Das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und die EU-Regierungen werden eng zusammenarbeiten müssen, wenn die Ziele der Lissabon-Strategie verwirklicht werden sollen. Das wird keine leichte Aufgabe – wir dürfen die vor uns liegenden Herausforderungen nicht unterschätzen.

Eines der Themen, das besonders sorgfältig untersucht werden muss, ist das des Regelungsrahmens in Europa – in Europa benötigen wir weniger Regulierung, nicht mehr. Das kam ganz klar in einem Bericht in der heutigen Financial Times über eine Studie des Centres for the Study of Financial Innovation zum Ausdruck. Darin wurde deutlich gemacht, dass die meisten Menschen, die mit Bank- und Finanzdienstleistungen zu tun haben, der Ansicht sind, es bestünden viel zu viele Regelungen und dass das gelöst werden müsse, damit die Wirtschaft wettbewerbsfähiger wird.

Diesmal gehören zu den wichtigsten Prioritäten der Europäischen Union: die Vollendung des Aktionsrahmens für Finanzdienstleistungen, damit für mehr Wettbewerb unter den in den 25 EU-Mitgliedstaaten tätigen Finanzinstituten gesorgt wird, was auch beinhaltet, dass allen EU-Bürgern in den 25 Mitgliedstaaten Bankdienstleistungen zur Verfügung stehen; Erleichterungen bei der Fusionierung der europäischen Banken und die Modernisierung der Rechtsvorschriften zur Vermögensverwaltung, damit die Vermögensverwalter die Vermögensfonds grenzüberschreitend handhaben können; die Einführung neuer Rechtsvorschriften zur Verringerung der Kosten des Clearing und der Abwicklung von Geschäften im Wertpapierhandel sowie die Einführung eines verschärften Wettbewerbs im Versicherungssektor.

Die Europäische Union muss für einen stärkeren Dialog mit Amerika eintreten, um die Regelungen zu den Gepflogenheiten in der Rechnungslegung miteinander in Einklang zu bringen. Die Europäische Union arbeitet mit einem System, das als IAS bekannt ist, dem System der International Accountancy Standards. Derweil arbeiten die amerikanischen Unternehmen nach der GAAP-Rechnungslegung. Dieses Jahr werden 8 000 Unternehmen an europäischen Börsen zugelassen sein, die nach dem IAS-System arbeiten. Es ist einfach falsch, wenn sich Amerika und Europa zweier verschiedener Rechnungslegungsmodelle bedienen. Um dies abzustellen, muss ein wesentlich intensiverer Dialog stattfinden.

Die Europäische Union muss die neue Dienstleistungsrichtlinie umsetzen. Sie muss garantieren, dass die Vorteile aller Technologien den europäischen Gemeinden sowohl in den Städten als auch auf dem Land zur Verfügung stehen.

Herr Barroso, Ihre jüngsten Erklärungen zur Lissabon-Strategie und zum wirtschaftlichen Weg nach vorn für Europa waren sehr positiv, und ich wünsche Ihnen alles Gute. Ich hoffe, Sie sind erfolgreich – Europa braucht diesen Erfolg.

 
  
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  Kirkhope (PPE-DE). (EN) Herr Präsident! Dieses Programm gibt echte Hoffnung auf eine Wiederbelebung und auf neue Akzente der Agenda von Lissabon. Da jedoch der Frühjahrgipfel im nächsten Monat immer näher rückt, ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass sich die nationalen Regierungen zusammennehmen und die Wirtschaftsreformen vorantreiben, die für den zukünftigen, im Programm geplanten Wohlstand entscheidend sind.

In den letzten Wochen haben mich die Erklärungen des Kommissionspräsidenten und sein klares Ziel, im vor uns liegenden Zeitraum das Wachstum und den Wohlstand in den Mittelpunkt seiner Strategie zu stellen, beeindruckt. Allerdings kann mich das leere Geschwätz von Sozialdemokraten wie Herrn Schulz über neue Schwerpunkte innerhalb des Lissabon-Prozesses überhaupt nicht beeindrucken. Die europäische Linke bleibt weiterhin der alten Methode der unflexiblen Arbeitsmärkte, der hohen Lohnnebenkosten und anderer Wachstumshindernisse verhaftet.

Können sie nicht erkennen, dass sich Europa heute eben aufgrund des alten Sozialmodells in einer relativen Rezession befindet? Können sie nicht begreifen, dass die hohe Arbeitslosigkeit in so vielen Teilen Europas eben von diesen verstaubten Vorschlägen herrührt, an die sie sich auf dem Gebiet der Wirtschaft klammern? Nichts von dem, was Herr Schulz gerade gesagt hat, könnte auch nur einem der gegenwärtig fünf Millionen Arbeitslosen in seinem Land helfen. Darum fordern wir den Kommissionspräsidenten auch weiterhin eindringlich auf, das Reformtempo aufrechtzuerhalten, und wir fordern die Regierungen eindringlich auf, die Gründe für das Scheitern der Agenda von Lissabon in den ersten fünf Jahren zu beherzigen.

Wir wollen ein erneutes Engagement für die Vollendung des Binnenmarkts. Herr Barroso weiß, dass die Lösung für die mangelnde wirtschaftliche Dynamik vielfach bei den Mitgliedstaaten selbst liegt. Zusätzlich zu der von ihm ergriffenen Initiative möchte ich ihn jedoch dazu ermutigen, große Anstrengungen für eine Verringerung der Anzahl der von der Kommission vorgebrachten Legislativvorschläge zu unternehmen.

Die Kommission muss genauso effizient sein, wie sie es von unseren Unternehmen und Bürgern verlangt. Zu Recht spricht er von besserer Rechtsetzung, doch die Betonung muss auf weniger Rechtsetzung liegen, und – was ganz entscheidend ist - diese Rechtsvorschriften müssen einer vollständigen Bewertung ihrer Auswirkungen unterzogen werden. Die britischen konservativen Abgeordneten des Parlaments haben sich als Erstes für weniger Rechtsetzung und die Durchführung solcher Bewertungen eingesetzt. Ich freue mich darauf, und ich bin zuversichtlich, dass schon bald zu all diesen Themen im Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie, die Herr Barroso glücklicherweise unterstützt, Fortschritte erzielt werden.

 
  
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  Swoboda (PSE). Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Sie von der Kommission und wir vom Parlament – zumindest die große Mehrheit in diesem Parlament – wollen die Bürgerinnen und Bürger für das Projekt Europa gewinnen. Wenn wir das wollen, müssen wir den Bürgern auch Inhalte bieten und ihnen vermitteln, worum es bei diesen Inhalten geht.

Für uns steht das soziale Europa an der Spitze der Hierarchie. Aber ein soziales Europa heißt, dass wir Arbeitsplätze brauchen. Für Arbeitsplätze brauchen wir Wachstum, für Wachstum brauchen wir Investitionen, wir brauchen vor allem Ausbildung, Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen, und ja, Herr Kirkhope, wir brauchen auch erhöhte Flexibilität. Aber jeder, der Flexibilität will, weiß, dass Flexibilität und soziale Sicherheit – wie am nordischen Modell sichtbar – kein Widerspruch sind, sondern dass im Gegenteil die Bürgerinnen und Bürger sogar bereit sind, mehr Flexibilität zu akzeptieren, wenn es ein soziales Netz der Sicherheit gibt. Und wenn es z. B. auch massive Maßnahmen zur Weiterbildung gibt, die den Menschen helfen, diese Flexibilität auch sozial bewältigen zu können.

Wir brauchen aber auch funktionierende öffentliche Dienstleistungen. Da hat mich Ihre Aussage, Herr Präsident, nicht ganz befriedigt, denn die Frage der Dienstleistungen ist nicht nur etwas, was die Frage des Marktes betrifft. Unsere öffentlichen Dienstleistungen sind unsere eigene Identität – ob es die Post oder der Nahverkehr ist, sie gehören zur europäischen Identität und diese wollen die Bürgerinnen und Bürger auch entsprechend verteidigt haben. Daher ist es nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine zutiefst emotionale Sache.

Zuletzt noch eine Bemerkung: Ich finde das, was die Vizepräsidentin Wallström vor kurzem mit den Flugpassagierrechten gemacht hat, sehr gut. Wir müssen nämlich an die Öffentlichkeit treten und das, was wir in diesem Parlament, auch auf Vorschlag der Kommission, erreichen, den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln. Wir müssen ihnen sagen, dass wir für sie da sind, und daher bitte ich Sie, bei all den Gesetzgebungsmaßnahmen nicht nur an better regulations im technischen Sinn zu denken, sondern immer auch an den Bürger, für den wir diese Gesetze machen und dem wir sie vermitteln möchten. Wenn die Kommission und das Europäische Parlament dies in Zukunft gemeinsam machen könnten, werden wir viele, viele Bürgerinnen und Bürger für dieses Europa gewinnen.

 
  
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  Brok (PPE-DE). Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident! Ich glaube, Sie haben es angesprochen: Dies ist ein guter Tag! Wir konnten das Ergebnis aus Spanien sehen, was uns alle in eine verbesserte Position bringt – nicht nur für die Kampagne des Referendums, sondern auch indem deutlich wird, dass sich eine große Nation mit einer großen Mehrheit für dieses politische Projekt entschieden hat. Hier haben wir auch einen Schritt für morgen, wenn Sie Präsident Bush sehen werden. Es ist uns allen klar geworden – und dies muss in unserer Politik zum Ausdruck kommen –, dass nur ein gemeinschaftliches Handeln uns zu einem Faktor macht. Und dieses Handeln ist wertvoll, denn anders kann ich es nicht verstehen, dass Condoleezza Rice erklärt hat, dass die Europäische Verfassung angenommen werden sollte. Dies ist auch ein völlig neuer Ton in der amerikanischen Politik. Gestatten Sie, Herr Präsident Barroso, dass ich mich auch noch einmal dafür bedanke, dass gerade Sie es mit möglich gemacht haben, dass unser Präsident morgen an den Treffen teilnehmen kann.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der damit zusammenhängt, nämlich die Frage der Nachbarschaftspolitik. Ich glaube, hier sind wir noch nicht ausreichend weit gekommen, und Präsident Juschtschenko wird am Mittwoch in diesem Parlament sein, damit wir einen neuen Weg zu dieser großartigen Herausforderung einer Demokratie in Osteuropa finden, damit wir Osteuropa zur Anbindung an die Europäische Union bringen. Das bedeutet, dass wir dringend mehr brauchen als die Nachbarschaftspolitik, weil sonst nur erhöhter Druck entsteht, zu schnell nur über Vollmitgliedschaft zu reden, die wir nicht sofort bewältigen können, weil dies zu einem Overstretching der Europäischen Union führen würde.

Wir müssen den Menschen in diesen Ländern eine Perspektive eröffnen, und deswegen ist es wirklich eine Überlegung wert, ob es nicht möglich ist, eine Option neben der Vollmitgliedschaft zu haben, die nicht ein Nein zur Vollmitgliedschaft bedeutet, sondern Perspektiven für später eröffnet, zugleich aber auch sofort etwas bringen kann, so wie dies in der Vergangenheit der Europäische Wirtschaftsraum war, aus dem Schweden, Finnland und Österreich in die Europäische Union gekommen sind.

Ich bitte die Kommission, hier wirklich eine Überlegung anzustellen, weil ich fürchte, dass wir ansonsten sehr schnell in eine schwierige Situation geraten. Denn es ist heute Nachmittag sehr deutlich geworden, dass wir diesen Ländern, die nicht nur Opfer des Zweiten Weltkrieges, sondern auch der späteren Diktatur waren, eine Perspektive geben, die Demokratie ermöglicht und uns gleichzeitig in einer Weise stärkt, dass diese Europäische Union handlungsfähig bleibt.

 
  
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  Goebbels (PSE). (FR) Herr Präsident, Herr Präsident Barroso, werte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir einige persönliche Überlegungen zum Arbeitsprogramm der Kommission. Es handelt sich um eine schöne Bestandsaufnahme, wie sie einst der Dichter Jacques Prévert machte. Doch wie sagte Wim Kok im Zusammenhang mit dem Prozess von Lissabon: „Lisbonne is about everything and therefore about nothing“. Dies trifft auch ein wenig auf das Kommissionsprogramm zu: man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Jedes Kommissionsmitglied hat versucht, seinen eigenen Weihnachtsbaum zu schmücken und mit etwas persönlichem Lametta zu versehen.

Meine Kritik gilt nicht Ihnen, Herr Präsident. Hätten Sie sich auf das Wesentliche beschränkt, dann wären die Abgeordneten die Ersten gewesen, die Sie darauf hingewiesen hätten, dass Sie diese oder jene für sie ausgesprochen wichtige Frage außer Acht gelassen haben. Dennoch fordere ich Sie auf, ihre Bemühungen auf das Wesentliche zu konzentrieren. Europa muss sein Sozial- und Umweltmodell verteidigen. Wir sind uns alle einig, dass Europa Reformen und in einigen Bereichen mehr Flexibilität benötigt. Sie werden jedoch nicht mit der Unterstützung der europäischen Bürger rechnen können, wenn Sie für das stimmen, was die Rechte mit dem morgigen Votum über meinen Bericht anstrebt, nämlich weniger Steuern für Reiche und mehr Arbeit für die Arbeitnehmer. Das funktioniert nicht.

Der Ausschuss für Wirtschaftspolitik formuliert in seinem Jahresbericht 2005, dass für Europa ein makroökonomischer Rahmen zur Unterstützung von Stabilität und Wachstum unverzichtbar sei und die Regierungen die Früchte von Strukturreformen in Bezug auf Wachstum und Beschäftigung in vollem Umfang nur unter entsprechenden makroökonomischen Rahmenbedingungen ernten würden. Die Stabilität haben wir bereits, nun benötigen wir Wachstum, Herr Kommissionspräsident.

 
  
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  Roure (PSE). (FR) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident! Wir wissen, dass das Legislativprogramm der Kommission den Weg ebnet, um die politischen Schwerpunkte des Rates in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Daher stellen wir mit Freude fest, dass der Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften Priorität eingeräumt wird, doch für die kommenden Jahre wünschen wir uns konkrete Verpflichtungen.

So steht die Stärkung der Sicherheit in Europa nach wie vor im Mittelpunkt. Dies darf jedoch auf keinen Fall zu Lasten der bürgerlichen Freiheiten gehen. Die Vorschläge für einen verbesserten Informationsaustausch und eine verstärkte operative Zusammenarbeit stellen einen Fortschritt für die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität dar, aber dem offenkundigen Gefühl der Unsicherheit der Europäer muss vor allem mit Hilfe einer aktiven Politik des Schutzes und der Förderung der Grundrechte begegnet werden. So müssen sich unsere Demokratien verteidigen und so werden sie auch gewinnen.

Wir fordern Initiativen im Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Einen Schwerpunkt bildet nach wie vor die Stärkung der justiziellen Zusammenarbeit, damit für die Unionsbürger überall in Europa dieselben Rechte und derselbe Zugang zum Recht garantiert werden können. Daher begrüßen wir ausdrücklich die Ausdehnung der justiziellen Zusammenarbeit auf einige Bereiche des Familienrechts. Wir fordern die Kommission auf, dieser Verpflichtung nachzukommen und Vorschläge gemäß dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in den Bereichen Bewertung und Verwendung von Beweisen sowie Verfahrensgarantien anzunehmen. Wir wollen, dass in Asyl- und Einwanderungsfragen ein geeigneterer Ansatz verfolgt wird, damit vor allem die Achtung der Rechte und eine Verteilung der Lasten und Zuständigkeiten möglich sind. Wir wünschen uns, dass legale Einwanderungsmöglichkeiten eröffnet werden, die den Belangen und Grundrechten der Einwanderer Rechnung tragen. Und schließlich fordern wir grundlegende Fortschritte bei der Festlegung der Mindestvorschriften für die Zu- und Aberkennung des Flüchtlingsstatus.

 
  
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  Lehne (PPE-DE). – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn eine kurze Anmerkung zu den politischen Inhalten machen, die hier insbesondere vom Kollegen Schulz vorgetragen wurden.

Ich glaube – und das zeigt ja auch die Debatte die wir im Augenblick über die Lissabon-Strategie führen – dass die Lissabon-Strategie nun einmal mehrere Pfeiler hat. Es gibt gar keinen Zweifel, dass all diese Pfeiler vom Grundsatz her gleichberechtigt Bestandteil dieser Strategie sind. Aber auf der anderen Seite ist es eine Binsenweisheit, dass ohne eine funktionierende Wirtschaft auch keine vernünftige Sozialpolitik und keine vernünftige Umweltpolitik betrieben werden kann. Dies ist sozusagen die Voraussetzung dafür, dass man die anderen Wohltaten auch tatsächlich in der Politik umsetzen kann. Darum muss man die Prioritäten auch in der richtigen Reihenfolge setzen, ohne dabei die Säulen zu vergessen. Vielleicht noch am Rande bemerkt: Eine bessere Sozialpolitik als das Schaffen von Arbeitsplätzen gibt es nicht. Ich denke, dies ist auch eine Binsenwahrheit, die man an dieser Stelle einfach einmal aussprechen sollte.

Vielleicht noch ein anderer dezenter Hinweis, weil ja in diesem Zusammenhang immer wieder auf den Kommissionspräsidenten geschimpft wird. Die beiden verantwortlichen Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, die sowohl das Papier in Lissabon als auch das Programm, über das wir heute hier beraten, mit unterzeichnet haben, sind Sozialisten. Vielleicht ist ein solcher Hinweis am Rande auch noch einmal angebracht. Von daher sollte das in der Kommission eigentlich in besten Händen sein, und ich verstehe gar nicht, was diese immer wieder hochgezogene Diskussion über angebliche Unterschiede, die es gar nicht gibt, eigentlich ausmacht.

Ich habe noch ein besonderes Anliegen in diesem Zusammenhang, und das ist, dass die Kommission auch im Rahmen dieses Gesetzgebungsprogramms besondere Priorität auf die Umsetzung der interinstitutionellen Vereinbarung mit Rat und Parlament legen muss. Dies ist von entscheidender Bedeutung! Einer der Gründe, warum die Dinge in der Vergangenheit nicht so funktioniert haben, wie sie funktionieren sollten, ist der Mangel an impact assessment, an Gesetzesfolgenabschätzung, gewesen, und die unzureichende Art und Weise, in der die Konsultation von stake holders durchgeführt worden ist.

Ich bitte Sie, Herr Kommissionspräsident, und Sie, Frau Kommissionsvizepräsidentin, insbesondere auch in Ihrer Arbeit in den nächsten Monaten darauf zu achten, dass die interinstitutionelle Vereinbarung diesbezüglich konsequent umgesetzt wird. Damit steht und fällt in vielen Bereichen auch der Erfolg, den Sie und wir alle gemeinsam haben wollen.

(Beifall)

 
  
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  Gebhardt (PSE). Frau Präsidentin! Herr Barroso, Sie haben Ihre heutige Rede unter ein schönes Motto gestellt: Wohlstand, Solidarität und Sicherheit! Das weckt natürlich sehr hohe Erwartungen bei uns Abgeordneten, und ich muss sagen, mir ging es genauso wie Herrn Swoboda: Was Sie über die Dienstleistungsrichtlinie in diesem Zusammenhang gesagt haben, war dann doch recht dürftig. Wenn Sie wirklich wollen, dass wir für die Bürgerinnen und Bürger Wohlstand, Solidarität und Sicherheit erreichen, müssen Sie sehr viel tiefgreifender an diese Dienstleistungsrichtlinie herangehen, als Sie es heute angedeutet haben.

Wenn Sie die Partnerschaft mit uns, mit allen Institutionen, ernst meinen, dann werden Sie noch viel weiter gehen müssen. Und eines, was noch wichtiger ist, Herr Barroso, dürfen wir auf keinen Fall vergessen: Partnerschaft mit den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union, und zwar mit allen 450 Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Für sie machen wir Politik, und sonst für niemanden.

 
  
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  Silva Peneda (PPE-DE).(PT) In den letzten Wochen hat die Europäische Kommission Beschlüsse zu zwei wesentlichen Themen gefasst: die strategischen Leitlinien für ihr Mandat und die Reform der Lissabon-Strategie. Beide Beschlüsse machen deutlich, was für die Europäische Union unter den gegenwärtigen Umständen höchste Priorität hat: die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, warum darüber diskutiert wird, was Vorrang besitzt: das Wirtschaftswachstum oder die Beschäftigung. Für mich liegt die Antwort auf der Hand. Arbeitsplätze werden in den Unternehmen geschaffen. Unternehmen entstehen und entwickeln sich, wenn ein Klima des Vertrauens herrscht und die generelle Bereitschaft zur Schaffung eines investitionsfreundlichen Umfelds vorhanden ist.

Diese Lebenseinstellung, diese Kultur wird zur Realität, wenn die Voraussetzungen für die Umsetzung der richtigen Wirtschaftspolitik gegeben sind. Je mehr sich die Mitgliedstaaten für die Verwirklichung der notwendigen Reformen engagieren, desto schneller kann sich eine derartige Kultur durchsetzen. Das ist der einzige Weg, der es uns ermöglichen wird, das europäische Sozialmodell beizubehalten und fortzuentwickeln. Wirtschaftliche Dynamik darf nicht als Feind der sozialen Sicherung angesehen werden, sie ist vielmehr ihr engster Verbündeter.

Mich bewegt jedoch etwas anderes, nämlich die Festlegung der Prioritäten und die klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten. Genau genommen war es das Fehlen dieser Elemente, das die Reform der Lissabon-Strategie auslöste. Es liegt nun in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, den von der Kommission vorgeschlagenen Reformkurs durch konkrete politische Maßnahmen umzusetzen.

Es besteht die zwingende Notwendigkeit, Reformen durchzuführen, die zwar mehrheitlich nicht auf breite Zustimmung treffen, die Europa aber braucht. Diese Reformen werden nur erfolgreich sein, wenn sie erläutert werden, gegebenenfalls bis ins letzte Detail. Nur so können sie verstanden und angenommen werden.

Abschließend möchte ich bemerken, dass es sich nach meinem Dafürhalten lohnen würde, darüber nachzudenken, ob es nicht angebracht wäre, einmal die Büros zu verlassen und sich auf die Straße zu begeben, angefangen bei uns, den europäischen Abgeordneten.

 
  
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  Grabowska, Genowefa (PSE). (PL) Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident! Wir sollten es begrüßen, dass die Kommission ihre Bemühungen auf drei Fragen konzentrieren möchte, nämlich Wirtschaftswachstum, soziale Fürsorge und Umweltschutz. Allerdings wird sich erst mit der Zeit zeigen, ob und wie diese lobenswerten Pläne tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden. Jegliche Unausgewogenheit, vor allem wenn Wirtschaftswachstum auf Kosten der sozialen Fürsorge und des Umweltschutzes erzielt werden soll, wäre eine Gefahr für Europa und seine Bürger und dabei insbesondere für die Bürger der neuen Mitgliedstaaten.

Die Europäische Kommission ist jedoch auch die Hüterin der Verträge und überwacht als solche die Anwendung der Rechtsvorschriften durch die Mitgliedstaaten. Ich rufe deshalb die Kommission dazu auf, diese Anwendung regelmäßig zu überwachen, insbesondere mit Blick auf die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung. Dieser Grundsatz, dessen Umsetzung bindend ist, hat im Zusammenhang mit der REACH-Verordnung und der Dienstleistungsrichtlinie bereits Bedenken ausgelöst. Befürchtet die Kommission nicht, dass die Versuche, Baudienstleistungen aus dieser Richtlinie herauszunehmen, von den neuen Mitgliedstaaten als Diskriminierung angesehen werden? Es gibt weitere Beispiele für solche Praktiken, weshalb ich Herrn Barroso auffordere, dafür zu sorgen, dass die Kommission die Anwendung von Rechtsvorschriften hinsichtlich des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung sehr genau überwacht.

 
  
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  Karas (PPE-DE). Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Wenn ich mir die Debatte so anhöre, dann muss ich wiederholen, dass wir eine stärkere Europäisierung des Denkens benötigen und nicht mehr nationalisieren oder parteipolitisieren sollten. Wir benötigen mehr Optimismus und Vertrauen, Ernsthaftigkeit und Klarheit, Überprüfbarkeit und den politischen Willen, das umzusetzen, wozu wir uns in Sonntagsreden laufend verpflichten. Wir benötigen mehr leadership, mehr leadership der politisch Handelnden, mehr leaderhip der Regierenden, mehr leadership der Kommission.

Ich möchte dazu aufrufen, dass wir uns ein bisschen besinnen. Wir alle sind hier, um die vier Freiheiten umzusetzen und zu verwirklichen. Und alles, was der Umsetzung der vier Freiheiten dient, ist richtige Politik. Wir haben uns darauf zu besinnen, was wir mit der Verfassung beschlossen haben. Ich verstehe heute die Auseinandersetzung eigentlich nicht. In der Verfassung steht: Wir bekennen uns zur sozialen Marktwirtschaft. Wir sagen damit deutlich, dass der Markt nicht Selbstzweck ist, sondern Mittel zum Zweck, dass wir einen effizienten Markt benötigen, der seiner sozialen und ökologischen Verantwortung gerecht wird. Wir haben uns als Ziel die Vollbeschäftigung gesetzt, wir haben uns als Ziel die Nachhaltigkeit gesetzt. Warum vermitteln wir hier den Bürgern laufend den Eindruck, als würden wir das eine gegen das andere ausspielen?

Wir wollen nicht mehr tagespolitischen Populismus, sondern wir wollen eine stärkere Verantwortung gegenüber der Zukunft. Und daher sage ich Ihnen, Herr Kommissionspräsident, machen Sie vor jedem Vorschlag die Subsidiaritätsprüfung! Legen Sie dem Bürger dar, welchen Mehrwert die europäische Regelung hat! Definieren Sie den Mehrwert für Wachstum, Wettbewerb und Beschäftigung! Definieren Sie die betroffene Zielgruppe! Machen Sie die Motive, die Ziele und die Auswirkungen klar und sagen Sie, wer was bis wann zu tun hat, damit wir unserer parlamentarischen Kontrolle gerecht werden können!

 
  
  

VORSITZ: MIROSLAV OUZKÝ
Vizepräsident

 
  
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  Brejc, Mihael (PPE-DE). (SL) Danke, Herr Präsident! Die Kommission hat ein umfangreiches und ehrgeiziges Programm aufgestellt. Sie hat vorrangige Aufgaben festgelegt, denen ich zustimme und die ich unterstütze. Mich freut auch der Ehrgeiz, die Energie und natürlich der Enthusiasmus des Kommissionspräsidenten. Doch wenn wir wollen, dass Europa effizient wird, wenn wir wollen, dass Europa bürgernäher wird, wenn wir die Ziele erreichen möchten, dann müssen auch wir selbst effizienter handeln als bisher. Die Effizienz der Europäischen Union beruht wesentlich auf ihren Verwaltungssystemen, ihrer öffentlichen Verwaltung. Sie erwähnen sie auf Seite vier der strategischen Ziele, Herr Präsident. Das ist sehr erfreulich. Doch gleichzeitig erinnere ich daran, dass die Prodi-Kommission mit der Reform der öffentlichen Verwaltung in der Europäischen Union begonnen hatte. Der damalige Kommissar Kinnock war dafür verantwortlich. Ich bin mir zwar nicht bewusst, wie die ganze Sache letztlich ausging, ja, ob sie überhaupt irgendwann begonnen wurde, doch steht fest, dass die Bürger der Europäischen Union dies als einen großen bürokratischen Apparat ansehen, fern von den Menschen, als einen Apparat, der ziemlich viel kostet und der für jede Kleinigkeit, ganz zu schweigen von größeren Projekten, einen riesigen Verwaltungsaufwand erfordert. Deshalb erwarten wir alle, nicht nur wir hier im Europäischen Parlament, sondern auch unsere Wähler, ganz zu Recht von der neuen Kommission, dass sie im Rahmen der von Ihnen dargelegten vorrangigen Aufgaben die Energie, die Zeit und den Willen findet, sich mit ihrem eigenen Verwaltungssystem, ihrer eigenen Bürokratie zu beschäftigen. In dieser Hinsicht erwarte ich sehr klare Antworten. Und noch etwas: Gute Rechtsvorschriften sind schön und gut, aber wichtiger ist, dass wir gute Rechtvorschriften auch in die Praxis umsetzen. Vielen Dank!

 
  
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  Zaleski (PPE-DE). (PL) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, Herr Vizepräsident der Kommission, meine Damen und Herren Abgeordneten! Meine Bemerkungen richten sich in erster Linie an Herrn Schulz.

Herr Schulz, nach unserem Gespräch über die Entschließung zu Auschwitz haben Sie Ihre Ansicht völlig geändert und so meinen ganzen Respekt gewonnen. Vielen Dank dafür! Aber jetzt möchte ich etwas zu Ihren kritischen Äußerungen gegenüber dem Papst sagen.

(PL) Meine Damen und Herren Abgeordneten! Was den Etat und die Finanzierung betrifft, die für das Treffen junger Menschen mit dem Papst in Köln vorgesehen sind, möchte ich klarstellen, dass ich, würde es jemand anderem gelingen, so viele junge Menschen für einen guten Zweck zusammenzubringen, auf jeden Fall dafür wäre, Mittel für das Treffen bereitzustellen. Ich würde dies tun, wenn die fragliche Person Herr Schulz oder der Vorsitzende irgendeiner anderen Fraktion oder Partei wäre, und ich würde dies nicht davon abhängig machen, ob eine Person Sozialist, Grüner, Katholik oder Anhänger irgendeiner anderen politischen Bewegung oder Religion wäre. Wenn die betreffende Veranstaltung zur sozialen und psychologischen Einheit und zur Schaffung eines gemeinsamen Europa beitragen würde, dann würde sie echten Respekt verdienen. Ich denke, Herr Schulz wird einräumen, dass dies der Fall ist, und ich sehe ihn in der Tat nicken. Dafür möchte ich ihm danken.

Ich möchte die Abgeordneten aus den zehn neuen Mitgliedstaaten, und nicht nur die aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, sondern auch diejenigen, die Sozialisten, Grüne, Kommunisten oder fraktionslos sind, auch daran erinnern, dass es dem Papst und seinem Wirken zu verdanken ist, dass wir heute zusammen über ein gemeinsames Europa beraten können. Ohne ihn wären wir noch immer nicht in der Lage, eine solche Sitzung abzuhalten, und ich möchte Herrn Schulz daran erinnern, dass es überwiegend das Werk des Papstes war und Herr Kovács allenfalls eine kleine Rolle dabei spielte. Wenn den Abgeordneten das nicht bewusst ist oder sie es vergessen haben, möchte ich sie nachdrücklich daran erinnern und sie dazu auffordern, diesem Zuschuss zuzustimmen, der es ermöglichen wird, dass das Treffen in angemessener Weise stattfindet und dass es ein großer Erfolg wird. Ich danke Ihnen.

 
  
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  Casa (PPE-DE).(MT) Herr Präsident! Lassen Sie mich Herrn Barroso, dem Präsidenten der Kommission, zum Gesetzgebungsprogramm der Kommission und zu dem von ihm vorgestellten Programm gratulieren. Das heutige Europa ist auf 25 Mitgliedstaaten angewachsen, und ich bin einer der Abgeordneten, die aus einem der Länder stammen, die sich Europa erst kürzlich infolge der Erweiterung angeschlossen haben. Europa ist das, was es zu Recht sein sollte: ein Europa mit einer gewichtigen Stimme in globalen Entscheidungsprozessen, und wir müssen das fortführen, indem wir die Fundamente, die einst von Schuman, De Gasperi und Monnet gelegt wurden, weiter festigen und uns dabei auf Grundsätze stützen, die es der Europäischen Union ermöglicht haben, so weit zu kommen, wie es heute der Fall ist. Die Grundsätze der Subsidiarität und Solidarität müssen sich in der Arbeit der Europäischen Union permanent widerspiegeln.

Es ist unerlässlich, dass das Wirtschaftswachstum alle europäischen Regionen gleichmäßig erfasst. Europa hat die Pflicht, denjenigen, die aus welchen Gründen auch immer im Rückstand sind, beim Aufholen und bei der Expansion ihrer Wirtschaft zu helfen. Eine stärkere Wirtschaft kann durch engere Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten erzielt werden, und genau hierbei möchte ich die Kommission zur Umsetzung einer neuen Wirtschaftsstrategie beglückwünschen, mit der über sechs Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Die Lissabonner Strategie muss für uns alle, die wir in den europäischen Institutionen wirken, an absolut erster Stelle stehen.

Wir müssen es verstehen, diese Strategie in Arbeitsplätze und Wohlstand umzusetzen, was nur erreicht werden kann, wenn es uns gelingt, übermäßige Bürokratie zu beseitigen und ein starkes wirtschaftliches Umfeld zu schaffen. Wir in diesem Parlament müssen Initiativen fördern, die auf dem ganzen Kontinent Arbeit schaffen. Die Bürger Europas erwarten von uns, dass wir den Lebensstandard in Europa verbessern, weshalb wir unser Bestes geben müssen. Das vorgestellte Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm lässt die Vision der Kommission für die nächsten Jahre klar erkennen. Wenn sie eng mit dem Parlament zusammenarbeitet, werden alle europäischen Bürger, so glaube ich, von diesem neuen Programm profitieren.

 
  
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  Barroso, Präsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, ich werde versuchen, auf einige konkrete Fragen zu antworten. Im Anschluss möchte ich auf eine allgemeinere politische Fragestellung eingehen, die mir für unsere künftige Arbeit von Bedeutung zu sein scheint.

Zunächst zu den konkreten Fragen, Herr Duff, Sie haben mich darauf hingewiesen, dass Sie das, was ich angeblich zum naiven Föderalismus gesagt haben soll, nicht richtig verstanden haben bzw. dass Sie diese Aussage nicht teilen. Ich möchte meine Aussage verdeutlichen, denn sie ist in dem Zusammenhang vielleicht nicht ganz klar gewesen. Wenn ich mich kritisch zum naiven Föderalismus äußere, dann gilt meine Kritik nicht dem Föderalismus an sich, ganz im Gegenteil. Ich hege großen Respekt für alle Föderalisten, für die Männer und Frauen, die unser großes europäisches Einigungswerk auf den Weg gebracht haben. Und ich bin nach wie vor der Ansicht, dass unser Europa auf dem Modell des Föderalismus beruhen muss. Im Übrigen handelt es sich bei der Gemeinschaftsmethode, oder zumindest bei der Methode, die wir gemeinhin so bezeichnen, um eine Form von Föderalismus. Meine Kritik galt also in Wirklichkeit dem naiven Föderalismus im Gegensatz zu einem Konzept, das ich als ausgeklügelteren, intelligenteren Föderalismus bezeichnen könnte, das heißt ein Konzept, das nicht darauf abzielt, unsere Europäische Union, eine immer enger werdende Union aller Europäer, auf Kosten der Legitimität der demokratischen Staaten zu errichten. Wir haben in unseren Ländern demokratische Staaten, demokratische Regierungen und demokratische Parlamente. Ich hatte die Ehre, in Genf mit einem großen Föderalisten wie Denis de Rougemont zusammenzuarbeiten, der bisweilen den Staat zum Schuldigen für alles Übel erklärte, als ob dieser selbst nicht auch eine demokratische Institution wäre. Ich befürworte die kontinuierliche Stärkung der Union, aber diese Stärkung darf nicht die Legitimität der demokratischen Staaten beeinträchtigen. Auf diesen feinen Unterschied möchte ich hinweisen, denn mir sind bereits kritische Stimmen zu dieser Bemerkung zu Ohren gekommen, die meine Gedanken und meine Einstellung zu Europa verfälscht wiedergegeben haben.

Die zweite Frage betrifft den Bereich Sicherheit und Recht. Wir haben viel von der Wirtschaft gesprochen, doch wir sollten nicht vergessen, dass wir über ein – im Übrigen ausgesprochen ehrgeiziges – Programm im Bereich Sicherheit und Recht verfügen, das von Vizepräsident Frattini umgesetzt werden soll. Darauf bezog sich eine der Fragen. Sicherheit, Recht und der Schutz der Grundrechte sind eine der Prioritäten der Kommission. Natürlich muss dem Bedürfnis der Bürger nach Sicherheit konkret Rechnung getragen werden. Daher werden wir 2005 dem Parlament insbesondere den Aktionsplan zur Umsetzung der in Den Haag angenommenen Strategie vorlegen, der Vorschläge zum Schutz der Opfer und vor allem der Frauen und Kinder vor organisierter Kriminalität enthält. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass das Programm eine neue Dimension von Maßnahmen umfasst: den Vorrang für den Schutz der Kinder. Wir vertreten die Auffassung – auch dies möchte ich hervorheben –, dass in diesem Bereich auf europäischer Ebene mehr unternommen werden kann. So können Vorschläge zur Förderung der gegenseitigen Anerkennung und des Vertrauens zwischen den Justizbehörden sowie ein Vorschlag für eine europäische Strategie im Bereich der legalen Einwanderung und der Bekämpfung des Menschenhandels erarbeitet werden. Sicherheit, Recht und der Schutz der Menschenrechte stellen eine wichtige Priorität dar, und ich möchte Ihnen versichern, dass die Kommission alles unternehmen wird, um diesem Erfordernis gerecht zu werden.

Einige von Ihnen, darunter Herr Karas, Herr Kirkhope, Herr Lehne, aber auf gewisse Weise auch Herr Goebbels, haben die Frage aufgeworfen, wie die Rechtsvorschriften zielgerichteter gestaltet werden können und ob sie verschärft oder eingeschränkt werden sollten. Und ich freue mich, dass dieses Anliegen im Europäischen Parlament, in der Kommission und im Rat gebührende Beachtung findet. Wenn ich von „besseren Rechtsvorschriften“ spreche, möchte ich damit nicht zwangsläufig sagen, dass wir weniger Rechtsvorschriften brauchen. In einigen Fällen sind, gerade weil wir eine Union sind, eine gewisse Harmonisierung und mehr Rechtsvorschriften notwendig, bisweilen sogar um die bestehenden Rechtsvorschriften zu harmonisieren oder zu vereinfachen. Doch ich möchte hervorheben, dass wir uns Sorgen über die Qualität der Rechtsvorschriften machen, und dies schlägt sich in unserem Programm nieder. Daher wird sich die Gewichtung der Faktoren wie Kosten, Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität, die wir bei der Folgenabschätzung berücksichtigen, wie ein roter Faden durch unsere gesamte Aktion ziehen.

Aus diesem Grund, und hier möchte ich ansatzweise auf die Anmerkungen des Herrn Abgeordneten Goebbels eingehen, mussten wir natürlich eine Liste mit unseren wichtigsten Zielsetzungen aufstellen. Dabei handelt es sich um ein Durchführungsprogramm für das laufende Jahr. Sie würden uns ohne Zweifel kritisieren, wenn ich nur vier oder fünf Schwerpunkte präsentieren würde. Die politische Linie ist eine Sache, und in diesem Zusammenhang handelt es sich um eindeutige und zielgerichtete Prioritäten, die wir im Zuge der Vorstellung der strategischen Zielsetzungen festgelegt haben. Eine andere Sache ist das konkrete Legislativ- und Arbeitsprogramm, das Sie kennen müssen, um unser Vorgehen kontrollieren zu können, denn die Kommission ist diesem Parlament zu Rechenschaft verpflichtet.

Zu einer weiteren konkreten Frage, dem Klimawandel, möchte ich Ihnen, Frau Beer, sagen, dass ich Präsident Bush morgen ganz sicher auf diese Frage ansprechen will und dass eines der Themen auf unserer Tagesordnung eine mögliche Zusammenarbeit mit den USA ist, auch mit Blick auf die Zeit nach Kyoto. Dies ist ein schwieriges Thema. Wir kennen die bisherigen Standpunkte der US-Regierung, aber meines Erachtens ist es angebracht, zu dieser Frage einen Dialog mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu führen. Ich werde vermutlich Gelegenheit haben, diese Frage gegenüber dem Präsidenten der Vereinigten Staaten anzusprechen.

Was gegenwärtig die Dienstleistungsrichtlinie anbelangt, möchte ich Ihnen sagen und ganz konkret auf die Frage von Herrn Swoboda antworten, dass ich Ihre Sorgen im Zusammenhang mit den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse teile. Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen: die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, einige öffentliche Dienstleistungen gehören in einigen Staaten zu einer Art Tradition und Organisationskultur. Und eben daher versuchen wir, diesen Bedenken, die wir als legitim erachten, Rechnung zu tragen.

Aus diesem Grund hat meine Kommission die Initiative ergriffen, einige Aspekte der Dienstleistungsrichtlinie zu überarbeiten, und ich denke, dies verdient Ihre Anerkennung. Doch genau das Gegenteil muss ich von Ihnen hören, wenn Sie die Kommission als neoliberal bezeichnen, obwohl nicht sie es war, die diese Richtlinie vorgelegt hat. Wir bemühen uns ganz eindeutig um Ausgewogenheit, ohne dabei das Ziel außer Augen zu lassen, einen wirklichen Binnenmarkt für Dienstleistungen zu errichten, da dieser für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa von grundlegender Bedeutung ist. Dieses Ziel, das wir nicht aufgeben können und auf das wir uns bereits bis 2010 geeinigt haben, muss unter Wahrung des nötigen Gleichgewichts verfolgt werden. Diese grundlegende politische Frage möchte ich unseren sozialdemokratischen Freunden in Europa und insbesondere Herrn Schultz stellen, der sie aufgeworfen hat.

Sie müssen sich entscheiden: entweder wollen Sie sich der Kommission widersetzen oder Sie wollen mit ihr zusammenarbeiten. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass die Kommission mit dem Parlament im Geiste der Kooperation und der positiven Partnerschaft zusammenarbeiten möchte, insbesondere mit all denen, die Europa wirklich voranbringen wollen, was kein neoliberales Konzept ist.

Zu diesen Vorschlägen, die ich hier vorgebracht habe, wurde Einvernehmen erzielt. In der Kommission sind Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale vertreten. Die Lissabonner Agenda wurde der Kommission durch mich und Vizepräsident Verheugen vorgestellt, der Ihrer politischen Familie angehört. Das heute von mir dargelegte Programm wurde von mir und von Vizepräsidentin Wallström vorgestellt, die Ihrer politischen Familie angehört.

Wir wollen nicht dogmatisch sein; wir wollen diejenigen Europäer zusammenbringen, die Reformen zugunsten von Europa anstreben, doch wir wollen die Reformen nicht aufgeben. Wenn es innerhalb der Kommission möglich war, all diese Entscheidungen einstimmig zu treffen – obgleich es Gegenstimmen und Meinungsverschiedenheiten hätte geben können –, wenn Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Unabhängige einen Konsens erzielt haben, warum ist dies hier im Europäischen Parlament nicht möglich und warum können wir uns nicht auf ein ehrgeiziges Reformprogramm für unser Europa verständigen, in dem soziale und ökologische Belange berücksichtigt werden? Zeichnen Sie doch nicht ein Zerrbild unserer Kommission. Das ist nicht fair.

(Beifall)

Wenn Sie die Liste unserer Zielvorgaben betrachten, werden Sie darin eine Reihe konkreter Vorschläge im Sozial- und Umweltbereich finden. Uns ist sehr wohl bewusst, dass Wachstum heute ohne Berücksichtigung von Umweltbelangen nicht möglich ist. Ganz im Gegenteil sind wir der Ansicht, dass die Umwelt zum Wachstum und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa beiträgt. Bitte rennen Sie keine offenen Türen ein, denn wir sind uns in dieser Frage einig. Unser Ziel ist es, zu vermitteln, dass der Status quo heute keine Option mehr ist und dass Europa im Vergleich zu anderen Regionen der Welt mit gravierenden Wettbewerbsproblemen zu kämpfen hat und wir unser Sozialmodell anpassen und erneuern wollen, indem wir es festigen. Daher hat die Kommission einen Präsidenten, der sich für eine Reform einsetzt, aber auch Mitglieder aus den Reihen der Sozialdemokraten, der Liberalen, der Christdemokraten, der Unabhängigen, die ebenfalls allesamt diese Reform befürworten, bei der Ausgewogenheit und Verhältnismäßigkeit gewahrt werden sollen.

Ich möchte daher die Sozialdemokraten auffordern, sich nicht in Opposition zur Kommission zu begeben: ganz im Gegenteil sollen sie mit uns zusammenarbeiten, und zwar kritisch, wie alle Fraktionen. Frau Grossetête, die der größten politischen Familie im Europäischen Parlament angehört, hat uns ebenfalls Erwartungen und Forderungen übermittelt, und dafür möchte ich ihr danken.

Als Europäer, die Sie sind und der ich bin, möchte ich Sie nun darauf aufmerksam machen, dass wir nicht irgendeinem Moment in der Geschichte Europas beiwohnen. Gestern haben wir das Ergebnis des Referendums in Spanien erfahren, und wir sind darüber sehr erfreut, aber auch in Frankreich wird es ein Referendum geben. In Großbritannien wird ein Referendum durchgeführt; ich habe heute mit Premierminister Tony Blair in London darüber gesprochen. Was denken Sie, erwarten die Europäer nun? Sie erwarten, dass die Institutionen zusammenarbeiten; sie kennen ich in den Feinheiten der Debatte oder der politischen Strategien der Fraktionen nicht so recht aus. Sie wollen wissen, ob die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat an einem Strang ziehen, ob sie sich tatsächlich für ihre Belange interessieren oder nicht.

In dieser Zeit, in der wichtige Referenden abgehalten werden, wäre es mehr als ungünstig, wenn die Bürger bei ihrem Blick auf Europa auf der einen Seite die Kommission, auf der anderen einige wichtige Fraktionen wie Ihre große europäische Familie der Sozialdemokraten sehen und ein Bild der Uneinigkeit erblicken! Dies ist der Appell, den ich bereits persönlich an einige von Ihnen gerichtet habe und wiederholen möchte. Natürlich geben wir nicht unsere Ideen auf, denn sie bedeuten uns viel, doch über diese Ideen hinaus ist es möglich, einen dynamischen Konsens zugunsten der Reformen zu erzielen, die Europa benötigt. Dies ist meines Erachtens tatsächlich möglich.

(Beifall)

Die letzte Frage bezieht sich auf die von Ihnen, Herr Schulz, formulierte Kritik an meiner Erklärung zu meinem Heimatland. In diesem Zusammenhang habe ich, wie Sie bereits eingeräumt haben, nicht gegen meine Verpflichtungen verstoßen, weil aus dem Verhaltenskodex der Kommission eindeutig hervorgeht, dass ihre Mitglieder in Parteien und Gewerkschaften aktiv sein können. Ich habe mich also korrekt verhalten. Ich habe mich darauf beschränkt, meine Solidarität mit der Partei auszudrücken, deren Vorsitzender ich mehrere Jahre lang war. In meiner Heimat wäre es ein politisches Ereignis gewesen, wenn ich geschwiegen hätte! Ich möchte Sie also bitten, diese Frage nicht als persönlichen Angriff auf den von mir vertretenen Standpunkt zu formulieren, der völlig legitim war.

Sie haben die Möglichkeit einer Überarbeitung des Verhaltenskodexes in der Interinstitutionellen Vereinbarung angesprochen. Ich möchte hervorheben, dass ich eindeutig gegen diesen Gedanken bin, denn unser Verhaltenskodex legt fest, dass die Kommissionsmitglieder an einem Wahlkampf teilnehmen können, wenn sie die Erlaubnis des Kommissionspräsidenten einholen. Ihre Frage lautet nun: was macht der Kommissionspräsident? Ich gehe davon aus, dass der Kommissionspräsident, wenn er die Beteiligung von Kommissionsmitgliedern ablehnen oder zulassen kann, dies auch für sich selbst tun kann. Dies geht eindeutig aus Artikel 217 des Vertrags hervor, den ich auf Englisch vorlesen muss:

(EN) The members of the Commission shall carry out duties devolved upon them by the President under his authority.

(FR) Der Vertrag legt also eindeutig den Grundsatz der politischen Führung des Kollegiums durch den Präsidenten und den Grundsatz der Autorität des Präsidenten fest. Demnach stünde eine Einschränkung der Autorität des Präsidenten auf dem Wege einer institutionellen Vereinbarung im Widerspruch zum Vertrag in seiner derzeitigen Form, und mit einer Einschränkung der Autorität des Kommissionspräsidenten würde auch die Autorität der Kommission geschwächt.

Wir benötigen eine starke Kommission. Aus diesem Grund halte ich Ihren Vorschlag nicht für gut. Ich möchte die Aufmerksamkeit aller politischen Familien auf die Tatsache lenken, dass wir, das Europäische Parlament und die Kommission, uns gegenseitig stärken müssen. Wir sind die europäischen Institutionen im eigentlichen Sinne, wir können gemeinsam große Dinge vollbringen und müssen uns daher gegenseitig achten. Ich persönlich bin darum bemüht, in all meinen öffentlichen Erklärungen die Rolle des Europäischen Parlaments zu würdigen, und nicht nur in meinen Erklärungen. Von Ihnen erwarte ich dasselbe, denn vor uns stehen große Aufgaben, die wir gemeinsam bewältigen müssen, und gemeinsam können wir erfolgreich sein. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn die Bedeutung der Kommission beschnitten wird, wenn man von den Kommissionsmitgliedern verlangt, dass sie als Beamte auftreten, gleichzeitig aber davon ausgeht, dass sie ihrer politischen Verantwortung gerecht werden, ihr Heimatland vertreten und ihre Meinung zum Ausdruck bringen, und all dies natürlich im Sinne Europas. Als Bürger ist es mein Recht, eine Meinung über meine Heimat zu äußern, ich habe wie alle Unionsbürger das Recht, auf der Grundlage meiner Überzeugungen zu wählen.

Als Kommissionspräsident nehme ich keine Diskriminierung vor. Übrigens habe ich auf Ihren Wunsch den Führer der Opposition empfangen, der in meiner Heimat Premierminister werden wird. Ich habe ihn einige Tage vor Wahlkampfbeginn empfangen, denn als Kommissionspräsident nutze ich meine Position nicht gegen eine Regierung, und ich mache keinen Unterschied zwischen linken und rechten Regierungen. Ich vertrete die Auffassung, dass die Kommission das Interesse der europäischen Allgemeinheit vertreten sollte.

Vor diesem Hintergrund sei gesagt, dass die Kommissionsmitglieder Politiker und Politikerinnen sind. Einigen in diesem Saal mag dies nicht gefallen. Doch als Bürger verfügen wir über Rechte, wir haben das Recht auf Meinungsäußerung, das ein Grundrecht ist. Daher kann ich Ihre diesbezügliche Kritik nicht akzeptieren. Ich möchte betonen, dass wir alle starke europäische Institutionen benötigen, und unsere Institution, die Kommission, muss stark sein und mit einem starken Parlament zusammenarbeiten, das sich mit Entschlossenheit um Veränderungen und Reformen bemüht und dabei das Gleichgewicht einhält, auf dem unser Europa gründet.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Ich habe zum Abschluss der Aussprache sechs Entschließungsanträge gemäß Artikel 103 der Geschäftsordnung erhalten.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt.

 
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