Der Präsident. Königliche Hoheiten, es ist eine große Ehre für mich, als Präsident des Europäischen Parlaments heute hier das Staatsoberhaupt jenes Landes begrüßen zu dürfen, das gegenwärtig die Präsidentschaft der Europäischen Union innehat.
Majestät, im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten und in meinem eigenen Namen begrüße ich Sie auf das Herzlichste. Ihre Anwesenheit in unserem Haus beweist Ihr Interesse an europäischer Integration und der wichtigen Rolle Ihres Landes in diesem Prozess. Ihr Besuch ist historisch verbunden mit dem Besuch Ihres Vaters, Großherzog Jean, hier am 22. November 1990, vor nunmehr fast fünfzehn Jahren.
Damals gehörten der Europäischen Union zwölf Mitgliedstaaten an, und 340 Millionen Bürger. Heute sind es mehr als doppelt so viele, nämlich 25 Länder und 455 Millionen Europäer. Diese Zahlen zeigen, welch langen Weg wir zurückgelegt haben, und in diesem Zeitraum ist es uns gelungen, einen Kontinent wiederzuvereinen und die gemeinsamen Werte zu teilen.
Ihr Land Luxemburg ist stets ein loyaler und engagierter Befürworter der europäischen Integration gewesen, und seine Präsidentschaft hat erneut bewiesen, dass die so genannten „kleinen“ Länder – klein von der Fläche, aber groß von Ihrer Geschichte her – große Präsidentschaften abgeben und zusätzliche Gewandtheit in die Integration der Gemeinschaft einbringen können, dank der Arbeit intelligenter Politiker, die sich diesem Parlament ständig zur Verfügung stellen.
Blicken wir auf die Vergangenheit zurück, fällt uns sofort ein, dass der Name Ihres Landes, Luxemburg, mit wichtigen Momenten der europäischen Geschichte verbunden ist, so dem Luxemburger Kompromiss von 1966, mit dem es gelang, Frankreich zurück an den Tisch der Gemeinschaft zu bringen. Das ist ein großartiger Augenblick in der Geschichte Europas, und er trägt den Namen Ihres Landes. Heute, nachdem drei Viertel ihres Mandats erfüllt sind, ist der luxemburgische Vorsitz bereits sehr erfolgreich gewesen, und ich bin sicher, dass dies für die verbleibende Zeit Ihrer Präsidentschaft erst recht gilt.
(Beifall)
Majestät, die Regierung Ihres Landes hat während ihrer Präsidentschaft der Union eine Einigung über den Stabilitätspakt erreicht, die dessen Grundprinzipien respektiert; sie hat die Lissabon-Strategie neu ausgerichtet, und gerade haben wir in Luxemburg die Beitrittsverträge mit Rumänien und Bulgarien unterzeichnet. Es soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass die schwierigste Aufgabe, die Finanzielle Vorausschau für 2007-2013, noch zu lösen ist. Vertrauen wir auf die Anstrengungen des luxemburgischen Ratsvorsitzes, sie zu einem guten Abschluss zu bringen.
Königliche Hoheit, seit Sie im Oktober 2000 zum Großherzog ernannt wurden, haben Sie stets Ihre Sorge für alle Einwohner Ihres Landes zum Ausdruck gebracht, insbesondere, in dem Sie die vollständige Integration der verschiedenen dort lebenden Nationalitäten gewährleisteten und jegliche Art von sozialer Ausgrenzung verhindern. Wir wissen, dass Ihnen bei dieser Aufgabe Ihre Gattin Großherzogin María Teresa zur Seite steht, und es ist uns eine Ehre, sie heute hier ebenfalls zu begrüßen.
(Beifall)
Gemeinsam bewahren Sie die Bindungen Ihrer Familie zu Ihrem Volk und setzen den von Ihrem Vater begonnenen Weg der Zusammenführung von Tradition und Moderne fort. So lässt sich vielleicht am Treffendsten beschreiben, was Luxemburg heute darstellt: die beste Verbindung aus Tradition und Moderne, die Menschen je hervorgebracht haben.
Majestät, Sie haben das Wort.
(Beifall)
Henri de Luxembourg, SKHHenri Großherzog von Luxemburg. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Vor fünfzehn Jahren, 1990, hatte mein Großvater, Großherzog Jean, anlässlich einer bevorstehenden luxemburgischen Präsidentschaft die Ehre, vor diesem Hohen Haus zu sprechen. Einige von Ihnen waren damals bereits Mitglieder des Europäischen Parlaments. Es ist mir ein Bedürfnis, ihnen besonders für ihr beständiges Wirken im Dienste Europas zu danken.
Herr Präsident, die liebenswerten Worte, die Sie vorhin an mein Land gerichtet haben, berühren mich zutiefst. Gemeinsam mit der Großherzogin wie auch im Namen aller, die uns auf dieser Reise begleiten, danke ich Ihnen für diesen sehr herzlichen Empfang.
1990 – 2005: wie viele Veränderungen, ja sogar Umwälzungen hat es in diesem Zeitraum, auch in der wunderschönen Stadt Straßburg gegeben! Das neue großartige Gebäude, in dem wir uns befinden, das Ausmaß der Sitzreihen in diesem Saal sind ein konkreter Ausdruck der historischen Veränderungen, die auf unserem Kontinent vor sich gegangen sind. Erinnern wir uns nur der immensen Hoffnungen, die das Ende des Kommunismus und die Aussöhnung auf unserem Kontinent bei den einen hervorgerufen haben, und der großen Ängste, die andere angesichts der damit verbundenen Herausforderungen empfinden. Es ist daher wohl an der Zeit, den seither zurückgelegten Weg einzuschätzen und dabei auch unsere unbestreitbaren Erfolge anzuerkennen.
Des Weiteren erinnern wir uns in diesen letzten Monaten anlässlich der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs häufig daran, dass die Entwicklung unseres gemeinsamen Projekts auf den Wunsch zurückging, den Krieg zwischen uns künftig unmöglich zu machen.
Ebenso wie Sie, Herr Präsident, habe auch ich mich nach Auschwitz begeben, wo wir mit zahlreichen Staats- und Regierungschefs in Trauer der Millionen unschuldiger Opfer gedachten, die unter grausamsten Bedingungen umkamen oder Schäden an Leib und Seele davontrugen. Hervorheben möchte ich ebenfalls die äußerst bedeutsame Anwesenheit der Fraktionsvorsitzenden dieses Hohen Hauses an jenem Tag.
Es war die Pflicht zur Erinnerung, die uns an jenem Tag zusammenführte, und diese Pflicht muss mit stets erneuerter Wachsamkeit, damit die Geschichte sich nicht wiederholt, weiterhin unser Engagement für die europäische Integration beflügeln. Vor diesem Hintergrund ist es mir eine große Freude, Ihnen heute einige Überlegungen vorstellen zu dürfen, die aus offensichtlichen Gründen über das Programm unserer Präsidentschaft hinausgehen.
Herr Präsident, meine Überlegungen veranlassen mich zunächst zu einem sachlichen Rückblick auf unsere Errungenschaften. Jeder Beobachter wird anerkennen, dass der in diesen fünfzehn Jahren zurückgelegte Weg reich an unbestreitbaren Erfolgen war, die von einigen sogar als spektakulär bezeichnet werden. So erweist sich Europa heute als stärker denn je, da es durch gemeinsame Werte geeint, in der Welt als Beispiel zu gelten vermag. Gemeinsam gelang es uns, die Gefahr abzuwenden, dass unsere Union auf das Niveau einer bloßen Feihandelszone absinkt. Nach der deutschen Wiedervereinigung, die kurze Zeit nach der Einheitlichen Akte erfolgte, der wiederum eine höchst erfolgreiche Erweiterung nach Süden vorausgegangen war, haben wir gemeinsam trotz aller Schwierigkeiten eine gemeinsame Währung geschaffen, die heute Achtung und Bewunderung hervorruft.
Unsere Union hat sich nach Osten erweitern können. Lassen Sie mich zum Ausdruck bringen, welch freudige Erregtheit kürzlich in Luxemburg herrschte, als die höchsten Vertreter Bulgariens und Rumäniens ihrerseits die Beitrittsverträge ihrer Länder unterzeichneten. Europa ist damit den legitimen Bestrebungen dieser Völker nachgekommen, die schwer unter einer Ideologie gelitten haben, die ihnen vierzig Jahre lang die Anerkennung ihrer elementarsten Rechte verweigerte.
(Beifall)
Wir haben unsere Binnengrenzen abgeschafft und damit 450 Millionen europäischer Bürger einen gemeinsamen Raum der Freiheit und der Sicherheit eröffnet.
Unter Achtung ihrer Bündnisse haben die Mitgliedstaaten einen autonomen Einsatz in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) durchgeführt. Unsere Truppen haben die NATO in Bosnien und Herzegowina abgelöst. In Afghanistan ist die europäische Präsenz von wesentlicher Bedeutung, um den Wandel des Landes zu einer wirklichen Demokratie zu gewährleisten.
Angesichts der Globalisierung waren wir stets bemüht, Europa zu einem Exzellenzzentrum im Vergleich zu den wirtschaftlichen Riesen wie die USA, Japan, China, Indien und Brasilien zu machen. Parallel dazu haben wir vermocht, uns nach der Devise „Einigkeit macht stark“ in der Welt als ein glaubwürdiges Modell im Hinblick auf Demokratie und Solidarität gegenüber den Entwicklungsländern zu erweisen. Ich könnte weiterhin die auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit erreichten enormen Fortschritte nennen. Nach langen und schwierigen Verhandlungen gelten für die 450 Millionen Verbraucher dieselben Standards für die Lebensmittelhygiene.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, wie Sie wissen, könnte ich die Reihe der Beispiele noch weiter fortsetzen. Lassen Sie mich hier feststellen, dass der Anteil des Europäischen Parlaments bei der Erringung dieser Erfolge in vielerlei Hinsicht ausschlaggebend war. Dank seiner ermutigenden und anspornenden Rolle hat Ihr Parlament einen hervorragenden Platz in dem institutionellen Gefüge unserer Union zu erringen vermocht. Dabei ist das Europäische Parlament dem Ausspruch von Jean Monnet gefolgt, der einmal sagte: „Wir haben nur die Wahl zwischen den Veränderungen, in die wir hineingezogen werden, und denen, die wir bewusst selbst gestalten“.
Die Aufzählung dieser unbestreitbaren Erfolge und die damit verbundene Würdigung der Europaabgeordneten hindern mich jedoch nicht daran, ganz objektiv festzustellen, dass zahlreiche Mitbürger, darunter auch viele Jugendliche, so etwas wie Unbehagen gegenüber dem europäischen Einigungswerk verspüren. Hingegen ist festzustellen, dass in den neuen Mitgliedstaaten die Lebendigkeit des Gefühls der Zugehörigkeit zu dieser großen Familie und die Begeisterung darüber noch ungebrochen sind.
Es besteht jedoch die Tendenz, dass egoistische Überlegungen den Schwung verdrängen, der die Gründerväter Europas beseelte. Die in den Mitgliedstaaten stattfindenden Debatten zur Ratifizierung des Verfassungsvertrags sind in dieser Hinsicht bezeichnend. Viele der daran Beteiligten erwecken den Eindruck, als fühlten sie sich in Bezug auf die Herausforderungen des Integrationsprozesses an den Rand gedrängt. Sie zeigen sich enttäuscht über die europäischen Verantwortlichen. Allerdings hat bisher aufgrund des Fehlens einer glaubwürdigen Alternative niemand vermocht, ein anderes Modell vorzuschlagen.
(Beifall)
Der Glaube in dieses Aufbauwerk hat zweifellos nachgelassen. Ein sehr kluger Kommentator traf dazu folgende Feststellung: „Die Grundlagen der Nachkriegszeit – die Wiederversöhnung, die Solidarität angesichts der kommunistischen Gefahr, der Wiederaufbau – sind heute nur noch bloßes Beiwerk.“ Angesichts dieser allgemeinen Verdrossenheit vermitteln unsere demokratischen Strukturen oft den Eindruck von Stagnation und Ohnmacht.
Wie sind diese Zweifel, diese Verunsicherung, diese negativen Urteile zu erklären? Bestimmte Philosophen wie der Franzose Marcel Gauchet erklären uns, dass dies an unserer Zeit liege, die durch einen Paradigmenwechsel gekennzeichnet sei.
Wenn Veränderungen relativ langsam ablaufen, wie in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, erfolgt die Anpassung ohne große Schwierigkeiten. Tritt hingegen eine völlige Umwälzung der herkömmlichen Orientierungspunkte ein, wie dies durch die Globalisierung der Fall ist, dann verhält sich die Sache ganz anders! Dann ist es erforderlich, die Brüche zu verdauen, neue Wegmarken zu bestimmen, das Instrumentarium neu zu gestalten. Kurz gesagt, es müssen neue Perspektiven und Zielvorstellungen festgelegt werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich einen Ausspruch von Michel Rocard zitieren, der lautet: „Eines der Dramen Europas besteht darin, dass es verurteilt ist, sich mit wirtschaftlichen und materiellen Fragen zu befassen“. Man muss dem ehemaligen Premierminister wohl zustimmen, dass es für unsere Mitbürger und insbesondere für die jungen Menschen traurig und daher wenig ermutigend ist, dass die Union in erster Linie die Domäne des Geldes, des Kapitals, der Investitionen, der Normen und der Subventionen ist.
Unbestreitbar handelt es sich dabei um Bereiche, die zwar wichtig, aber sehr schwer verständlich sind und daher kaum große Gefühle hervorzurufen vermögen. Doch wir sollten uns daran erinnern, dass von Beginn des europäischen Einigungswerkes an keine Erfolge möglich gewesen wären ohne die Verbindung zwischen einer Vision des Herzens und Sachverstand.
Mit der Herausbildung dieses großen Europas ist zweifellos die Zeit gekommen, sich die zentrale Frage zu stellen, die immer dieselbe bleibt: Warum wollen wir zusammenleben und unser Schicksal teilweise oder gänzlich gemeinsam gestalten?
Die Antwort ist keinesfalls selbstverständlich. Geht es doch dabei in Wirklichkeit um 450 Millionen Menschen mit ihren eigenen Vorstellungen und Zielen, mit ihren Schwächen und Leidenschaften, doch vor allem mit ihren Stärken und ihren großartigen Fähigkeiten. Und diese Menschen sollen ein und dasselbe historische Schicksal auf ein und demselben Territorium – unserem Europa – teilen.
Das europäische Projekt kann nur mit Völkern und Nationen gedeihen, dem Ausdruck unserer großen Vielfalt. Jede dieser Nationen vertritt ein Territorium mit seinen Schönheiten und Reichtümern, aber auch mit seinen Narben, die die Zeit uns ins Gedächtnis gebrannt hat.
In der Unterscheidung zwischen dem, was zu bewahren ist, und dem, was als veraltet anzusehen ist, besteht die wichtigste Aufgabe unserer Union darin, das Erbe der Vergangenheit mit den Herausforderungen der Zukunft in Einklang zu bringen. Sie muss heute ausgehend von ihrem Wesen, von der ihr eigenen Art, voranzuschreiten und sich neu zu gestalten, ihre Legitimität neu bestimmen.
Wie können angesichts leistungsfähiger Entwicklungszentren die Gefahren eines Niedergangs überwunden werden, die keiner allein bewältigen kann? Und vor allem, wie können unter Wahrung der Solidarität die Bedingungen für einen neuen Aufschwung geschaffen werden? Die so verstandene Erneuerung Europas, der unsere gemeinsame Ambition gelten muss, sollte das Gesellschaftsprojekt der Generationen sein, die sich anschicken, unsere Nachfolge zu übernehmen.
Wenn wir unsere Bürger überzeugen wollen, müssen wir daran denken, dass der Wohlstand und das Wohlergehen eines Volkes sich nicht nur mithilfe des BIP erfassen lassen. Wir müssen darauf achten, kein Europa entstehen zu lassen, das nur für einen Teil Vorteile bringt, in dem sich aber gleichzeitig die Fälle von sozialer Ausgrenzung, von Gewalt in all ihren Formen, von Arbeitslosigkeit und Desinteresse an dem Erhalt unserer Umwelt mehren.
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die beste Wachstumskurve nur wenig Wert hat, wenn sie nicht zu einem besseren Zugang zu den elementarsten Gütern wie Bildung, Kultur, Gesundheitsversorgung, soziale Gerechtigkeit und vor allem Arbeit führt!
(Beifall)
Das beste Verfahren zur Festlegung dieses Gesellschaftsprojekts bleibt die demokratische Debatte. Diese kann sich auf keinen Fall nur auf dieses Parlament beschränken, wie Sie dies im Übrigen mit großer Klarsicht in Ihrer Entschließung zum Vertrag über eine Verfassung für Europa zum Ausdruck gebracht haben.
Wie es darin heißt, muss mithilfe der Organisationen der Zivilgesellschaft und unserer Gesellschaften die aktive Teilnahme der Bürger an den Debatten über die Ratifizierung gefördert werden. Ich freue mich, feststellen zu können, dass Ihre Botschaft nicht ungehört geblieben ist. Es muss ganz im Gegenteil anerkannt werden, dass die Debatten sehr lebhaft sind. Allerdings nehmen in den vorgebrachten Argumenten und vertretenen Meinungen Demagogie oder gar Unwahrheiten zuweilen einen unverhältnismäßig großen Raum ein.
(Beifall)
Ich kann nur wünschen, dass die geschätzten Mitglieder dieses Hohen Hauses sich direkt engagieren und dass ungeachtet der politischen Zugehörigkeit sich ein und derselbe Wille manifestiert: Europa zum Gestalter seiner eigenen Geschichte zu machen. Ich wiederhole nur, was mein Vater Ihnen dazu im Jahr 1990 sagte: ‚Sie sind die gewählten Vertreter Ihrer Länder. Möge es Ihnen gelingen, alle schöpferischen Kräfte zu mobilisieren und mitzureißen’.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, um zusammenleben zu können, müssen wir uns besser verstehen. Dazu müssen wir unsere Verschiedenheit nutzen.
Das luxemburgische Volk ist angesichts seiner soziologischen Spezifik quasi dazu „verurteilt“, auf die anderen zuzugehen. Dies trifft auch auf seinen Wohlstand zu. Auf den unzähligen Reisen, die ich in den letzten 25 Jahren auf allen Kontinenten unternommen habe, habe ich sehr schnell begriffen, dass das Großherzogtum als solches allein das Interesse potenzieller Investoren nicht hervorzurufen vermag.
Hingegen war die Tatsache, dass mein Land mit seiner zwar bescheidenen Größe sich im Zentrum der Union befindet und fest in diesem privilegierten Raum verankert ist, oft ausschlaggebend bei unseren Bestrebungen zur Modernisierung und Diversifizierung unserer Wirtschaft.
Für Luxemburg bleibt die Entscheidung für Europa daher eine selbstverständliche Entscheidung. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass die Existenz unserer Nation, wenn sie auf sich allein gestellt wäre, jederzeit in Frage gestellt werden könnte, dass sie hätte untergehen können, und das weiß sie. Wir sind uns der Bedeutung des Privilegs, ein Gründungsmitgliedstaat des europäischen Einigungswerkes zu sein, wohl bewusst.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie mich zum Abschluss einen Ausspruch von Milan Kundera zitieren, der kurz nach dem Ende des Kommunismus sagte: ‚Mir scheint oft, dass sich hinter der bekannten europäischen Kultur eine andere, unbekannte Kultur verbirgt: die der kleinen Nationen. [...] Man nimmt an, dass die Kleinen notwendigerweise die Großen nachahmen. Doch das ist eine Illusion, denn sie sind ganz anders. [...] Das Europa der kleinen Nationen ist ein anderes Europa, es hat eine andere Sichtweise, und sein Denken stellt oft das wahre Gegengewicht zum Europa der Großen dar.
(Beifall)
Es war heute auch meine Absicht, diese Besonderheit in Erinnerung zu rufen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Die Mitglieder des Parlaments erheben sich und spenden Seiner Königlichen Hoheit Henri Großherzog von Luxemburg Beifall.)
Der Präsident. Majestät, im Namen des Europäischen Parlaments möchte ich Ihnen für Ihre Worte danken, die Ihre gründliche Kenntnis unserer politischen Integration bewiesen haben, an der Ihr Land in hervorragender Weise beteiligt ist.
Ihre Worte haben uns auch in unserer täglichen Arbeit in dieser Institution bestärkt, und mir bleibt nur noch, Ihnen und Ihrer Gattin für die restliche Zeit Ihres Besuches bei uns einen angenehmen Aufenthalt in Straßburg zu wünschen.
(Beifall)
(Die feierliche Sitzung wird um 12.30 Uhr geschlossen.)