Der Präsident. (EN) Nach der Tagesordnung folgt der Bericht von Herrn Javier Moreno Sánchez im Namen des Ausschusses für internationalen Handel über die Bewertung der Doha-Runde nach dem Beschluss des Allgemeinen Rates der WTO vom 1. August 2004 (2004/2138(INI)) (A6-0095/2005).
Javier Moreno Sánchez (PSE), Berichterstatter. –(ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Kommissar! Ich möchte zunächst all jenen für ihre Mitwirkung danken, die zur Abrundung dieses Berichtes beigetragen haben, über den wir morgen abstimmen werden. Dieser Bericht zeugt einerseits davon, dass das Europäische Parlament nachdrücklich die Wahrung der Interessen der Union bei den gegenwärtigen Verhandlungen unterstützt, und andererseits von seinem Bestreben, den Erfolg dieser Entwicklungsrunde sicherzustellen, nämlich die umfassende Integration und Teilnahme der Entwicklungsländer an der Weltwirtschaft.
Mit diesem Bericht will das hohe Haus eine deutliche politische Botschaft zur Unterstützung von Fortschritten bei den Verhandlungen aussenden, in denen die Kommission eine wesentliche Rolle spielt, sein Engagement für die WTO und ihr multilaterales Handelssystem – den fraglos besten Mechanismus zur Förderung eines gerechten Handels – bekräftigen und Solidarität in einer für alle vorteilhaften Weise bekunden. Diese Botschaft kommt zu einem sehr passenden Zeitpunkt, da das Doha-Programm an einem Scheideweg angelangt ist und sich in einer entscheidenden Phase befindet, in der kein Rückschritt zugelassen werden darf.
Nach dem Scheitern der Ministerkonferenz in Cancún ist die Vereinbarung vom 1. August 2004 von unbestreitbar politischer Bedeutung, da sie die Verhandlungen auf den richtigen Weg geführt hat und auch die Notwendigkeit anerkennt, die Entwicklungsländer vollständig in die Weltwirtschaft zu integrieren. Doch dies ist nur eine Marschrichtung. Der Erfolg der Verhandlungen hängt vom festen politischen Willen aller Parteien ab, in Hongkong eine grundlegende Vereinbarung zu erzielen.
Wir müssen mit einem ehrgeizigen und ausgewogenen Vorschlag für die einzelnen Bereiche der Vereinbarung – Entwicklung, Landwirtschaft, Industrieprodukte (NAMA), Dienstleistungen und Handelserleichterungen – dorthin fahren, ohne zu vergessen, dass Entwicklung bei den Verhandlungen an erster Stelle stehen muss, obwohl Landwirtschaft mit Sicherheit der Motor hierfür ist. Zur Erreichung dieses Zieles müssen objektive, konkrete und spezifische Verpflichtungen erreicht werden, und zwar mit Ausführungsterminen und Fristen in einem transparenten, effektiven und umfassenden Verhandlungsprozess, an dem alle Mitgliedstaaten der WTO umfassend beteiligt sind.
Im Bereich Entwicklung müssen wir sicherstellen, dass sich die Verhandlungen mit den Problemen beschäftigen, die aus Armut, Unterernährung und Hunger in der Welt resultieren, um den Anteil der davon betroffenen Menschen bis zum Jahr 2015 – wie in der Millenniumsdeklaration festgelegt – durch ein engeres Zusammenwirken zwischen der WTO und den anderen internationalen Organisationen um die Hälfte zu verringern.
Sinnvoll wäre es auch, wenn die Kommission Vorschläge zur Schaffung von Handelsintegrationsmechanismen vorlegen würde, um Entwicklungsländer für Verluste zu entschädigen, die durch die Liberalisierung des Handels entstehen können.
Fortschritte in den Bereichen technische Hilfe und Kapazitätsaufbau und Förderung des Süd-Süd-Handels sind ebenfalls von besonderer Bedeutung, um die Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft zu gewährleisten und ihre Ausfuhrkapazität zu erhöhen.
Im Agrarbereich müssen die Mitglieder der WTO ihre Arbeiten bei den drei Pfeilern – Exportsubventionen, Inlandsförderung und Marktzugang – in ausgewogener Weise fortsetzen, um detaillierte Verhandlungsmodalitäten für Hongkong zu entwickeln und einen parallelen Abbau der Schranken bei allen WTO-Mitgliedern zu bewirken.
Beim Marktzugang für Nichtagrarerzeugnisse, NAMA, gilt es, den Weg zu Flexibilität und zur Anwendung des Prinzips der Nichtreziprozität auf Entwicklungsländer freizumachen und den Grundsatz der besonderen und differenzierten Behandlung auf diese Länder anzuwenden.
Für den Bereich Dienstleistungen sind im Laufe des Monats verbesserte Angebote vorzulegen, und was Dienste anbelangt, die die Grundversorgung der Bürger betreffen, meine ich, dass deren Liberalisierung von den Entwicklungsländern nicht verlangt werden sollte.
Meine Damen und Herren, Herr Kommissar, der Erfolg der Runde, die Legitimität und Glaubwürdigkeit der WTO, hängen zweifellos auch davon ab, dass die Zivilgesellschaft die Vorteile des internationalen Handels spürt.
In einem Prozess, an dem seit Seattle großes gesellschaftliches Interesse besteht, scheint es unverzichtbar, die Rolle hervorzuheben, die demokratische Parlamente spielen müssen, um die Ansichten der Bürger in internationalen Foren wie der WTO zum Ausdruck zu bringen; im Falle dieses Parlaments als einem für die demokratische Kontrolle der Handelspolitik der Union zuständigen Organ und künftigem Mitgesetzgeber auf diesem Gebiet, sobald die Europäische Verfassung in Kraft tritt. Wenn Sie mir gestatten, kurz ein hochaktuelles Thema anzusprechen: Dies ist ein weiteres Argument, das sich der langen Liste der Fortschritte hinzufügen lässt, die diese Verfassung verkörpert und die ein europäisches Ja-Votum rechtfertigen, sowohl in Frankreich als auch in anderen Ländern.
Meine Damen und Herren, Herr Kommissar, der spanische Dichter Antonio Machado sagte einmal: „Reisender, es gibt keinen Weg. Der Weg entsteht beim Gehen.“ Wir befinden uns auf halbem Weg zwischen Genf und Hongkong; zwischen nostalgischer Rückbesinnung auf das, was hinter uns liegt, und dem Willen, unser Ziel zu erreichen. Wir müssen mit einem ehrgeizigen und ausgewogenen Vorschlag nach Hongkong fahren, zu dem die Zivilgesellschaft und alle Mitgliedsländer der WTO Zugang finden können und der Ergebnisse bringt, mit denen sie zufrieden sind.
Peter Mandelson,Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Moreno Sánchez zu seinem ausgezeichneten Bericht gratulieren, der nicht nur ein gutes Licht auf den Verfasser, sondern auch auf das Hohe Haus insgesamt wirft. Ich begrüße diese Aussprache, da ich das Parlament als wichtigen Partner der Kommission bei der Durchführung unserer Handelspolitiken ansehe, insbesondere vor der Doha-Runde, die unsere Priorität Nummer 1 bleibt.
Herr Moreno Sánchez hat auf die Notwendigkeit verwiesen, in allen Fragen dieses breit gefächerten Programms Fortschritte zu erzielen, wobei ein klarer Akzent auf den Zielen Verringerung der Armut und nachhaltige Entwicklung liegt, was ich nachdrücklich unterstütze. Diese Ziele lagen der Gründungscharta dieser Runde zugrunde, und sie sind heute noch genau so aktuell wie zu der Zeit, als sie erstmals ausgesprochen wurden.
Seit meinem Amtsantritt habe ich alles Erdenkliche unternommen, um die Doha-Entwicklungsagenda voranzutreiben und nicht aus den Augen zu verlieren. Ich möchte, dass durch Doha erreicht wird, dass der Handel die Entwicklung unterstützt. Daran glaube ich, und das liegt der Politik zugrunde, die ich verfolge.
Allerdings schafft dies Europa nicht allein. Wie ich bereits an meinem ersten Tag als Handelskommissar in Genf sagte, kann die EU nicht der einzige Geldgeber für die WTO sein. Im vergangenen Sommer brachte Europa den Mut auf, seine Agrar-Ausfuhrsubventionen an den Verhandlungstisch zu bringen. Nun sind die anderen am Zug. Konkret muss diese Runde einen verbesserten Marktzugang erzielen und die Unternehmenschancen aller, nicht nur der Entwicklungsländer, sondern auch für unsere eigene Industrie und Dienstleister in Europa verbessern, wobei ich davon ausgehe, dass die Entwicklungsländer von dieser Runde am meisten profitieren werden. Das wird uns in die Lage versetzen, auf Europas Stärken in der wissensbasierten Wirtschaft aufzubauen, zum Nutzen und Wohlstand aller.
Die wichtigsten Themen der Runde sind der Marktzugang bei industriellen Erzeugnissen – NAMA – und auch bei Dienstleistungen. Ohne Fortschritt in diesen Fragen kann die Runde nicht abgeschlossen werden. Um dies zu erreichen, möchte ich sicherstellen, dass die fortgeschritteneren Entwicklungsländer sich stärker nicht-landwirtschaftlichen Fragen widmen. Bisher haben sie die Landwirtschaft völlig zu Recht in den Mittelpunkt gestellt, was ich auch erwarten würde. Jedoch haben sie kaum Bereitschaft gezeigt, in Bezug auf Nicht-Agrarerzeugnisse (NAMA) und auf Dienstleistungen wirkliche Fortschritte zu machen, obwohl selbst aus objektiven Analysen hervorgeht, dass dies in ihrem ureigenen wirtschaftlichen Interesse liegen müsste. Das muss sich ändern. Wir alle müssen unsere Bereitschaft zur Anpassung, zum Wandel und zur Berücksichtigung der Interessen anderer zeigen. Aus diesem Grunde haben wir das Thema Landwirtschaft angesprochen.
Die anderen wichtigsten Industrieländer sollten jetzt unserem Beispiel folgen und bei Dienstleistungen Initiative zeigen sowie ihre eigenen Agrarreformen voranbringen, um dem, was wir in Europa erreicht haben, etwas entgegensetzen zu können.
In der vergangenen Woche haben sich in Paris die WTO-Handelsminister auf mehreren inoffiziellen Treffen ausgetauscht. Ich habe meine starken Bedenken in Bezug auf das langsame Tempo der aktuellen Verhandlungen geäußert und alle Mitglieder aufgerufen, mit offeneren Karten zu spielen und sie langsam auf den Tisch zu legen. Dies gilt für uns alle, ich denke dabei nicht nur an andere. Wir alle sollten das tun, nicht nur Europa.
Ich habe ferner unsere Vorstellungen darüber erläutert, was bei einer ehrgeizigen Runde herauskommen sollte. Es sollten gleichzeitig in allen drei Säulen der Agrarverhandlungen – nicht nur bei den Ausfuhrsubventionen – Fortschritte erzielt werden, einschließlich bei den Zöllen und Quoten, die den Marktzugang beschränken. In allen Industrieländern – nicht nur in der EU – sollten sichtbare Erfolge bei der Reformierung der Agrarpolitik erzielt werden, ferner eine grundlegende und wirksame Reduzierung der Industriezölle – nicht nur auf dem Papier – in allen Ländern, die dazu in der Lage sind, einschließlich der fortgeschrittenen Entwicklungsländer, wobei die besonderen Umstände der Schwächeren stets zu berücksichtigen sind. Es sollten Dienstleistungen angeboten werden, die echte neue Geschäftschancen eröffnen, und das WTO-Regelwerk sollte entscheidend gestärkt werden, sei es nun in Bezug auf die Förderung des Handels, Anti-Dumping oder geografische Ursprungsbezeichnungen.
Außerdem habe ich erneut darum ersucht, die besonderen Interessen der Entwicklungsländer zu berücksichtigen, und insbesondere – natürlich nicht ausschließlich – die der armen und schwächsten, indem ihnen in der Runde besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird und sie anders behandelt werden und indem die wohlhabenderen Teile der Welt die Handelshilfe erheblich verstärken. Sie haben völlig zu Recht die Kapazitätenbildung angesprochen – die unerlässliche Unterstützung, die wir leisten müssen –, damit Handel stattfinden kann, um diese Anpassung zu ermöglichen, damit die Entwicklungsländer, insbesondere die schwächeren, wirklichen Nutzen aus den Handelsmöglichkeiten ziehen können, die wir durch diese Runde vorantreiben.
Wir haben in Paris Fortschritte gemacht. Wir haben eine Einigung zu der entscheidenden, jedoch recht technischen Frage der Umwandlung spezifischer Zölle – so und so viele Euro für ein Scheffel hiervon, so viele Euro pro Kilo davon – in den entsprechenden prozentualen Wertzolle erzielt. Es bleibt zwar noch die Hauptfrage zu klären, wie viel und auf welcher Grundlage diese Zolläquivalente reduziert werden – das folgt später –, aber wir verfügen jetzt über eine Grundlage, von der wir in der Landwirtschaft und davon ausgehend in allen anderen Aspekten der Doha-Entwicklungsagenda ausgehen können. In diesem Zusammenhang möchte ich Frau Fischer Boel für ihre Arbeit Dank und Anerkennung sagen. Landwirtschaft ist ein heikles Thema, und ich schätze ihr Herangehen an diese Frage sehr.
Ferner können wir für die kommenden Monate Bewegung in der Frage der Industriezölle erwarten. Viele Mitglieder haben ihre Absicht bekräftigt, bis zum Ende dieses Monats verbesserte Angebote zu Dienstleistungen vorzulegen. Wir rechnen bis zum Ministertreffen in China, das am 12.-13. Juli stattfinden wird, mit verstärkten Gesprächen zwischen den Hauptakteuren. Vor der Sommerpause dürfte eine erste Annäherung in der Frage zu erwarten sein, wie das Hongkong-Paket aussehen könnte. Wenn am Ende dieses Jahres in Hongkong ein ambitioniertes Ergebnis und somit eine ambitionierte Runde herauskommen soll, dann sollte bei dieser ersten Annäherung, die ich mir für Juli erhoffe, zumindest erst einmal eine zunehmende Konvergenz zwischen WTO-Mitgliedern in den einzelnen Fragen erzielt werden. Ferner sollte Klarheit über unsere gemeinsamen Ziele in den wichtigsten Marktzugangsfragen geschaffen werden, nämlich in Bezug auf die Landwirtschaft, NAMA und Dienstleistungen, sowie letztlich die Hauptproblembereiche benannt werden, zu denen eine Einigung erzielt werden muss, um einen Erfolg in Hongkong und einen Abschluss der Runde zu erreichen.
Ich bin froh, dass diese Ideen in der Zusammenfassung des Vorsitzes zum Ministertreffen in Paris enthalten sind. Seien Sie versichert, dass dies den ehrgeizigen Zielen entspricht, die die Kommission in Vorbereitung von Hongkong weiter verfolgen wird.
Die Kommission kann große Teile des Berichts uneingeschränkt unterstützen, ich möchte jedoch zwei konkrete Punkte herausgreifen. Hinsichtlich des besonderen Verweises auf Flexibilität in Bezug auf die Entwicklungsländer in Ziffer 6 des Berichts kann die Kommission der Aussage zustimmen. Wir sind bereit, den Entwicklungsländern durch besondere und differenzierte Behandlung Flexibilität zu gewähren, sowohl für die LDC als auch für andere schwache und wenig entwickelte Länder. Allerdings können wir das nur tun, wenn wir das Entwicklungsniveau berücksichtigen, was bedeutet, dass wir zwischen den Entwicklungsländern Punkt für Punkt differenzieren müssen. Eine „Lösung für alle“ geht einfach nicht.
Meine zweite Anmerkung betrifft den Vorschlag eines „Bereichs Entwicklung“ in den Agrarverhandlungen, der in Ziffer 9 erwähnt wird. Die Kommission stimmt zu, dass der Rahmen die EU-Interessen schützen kann und sollte. Allerdings ist es zu optimistisch zu sagen, dass „die EU diesen Abbau (der marktverzerrenden internen Stützungsmaßnahmen) problemlos bewältigen kann“. In Bezug auf den Marktzugang wird im Bericht davon ausgegangen, dass durch die äußerst positive Behandlung sensibler Erzeugnisse der EU ermöglicht wird, ihre Marktorganisationen zu schützen. Darauf hofft die EU zwar, doch werden bei einigen Produkten schwierige Zugeständnisse gemacht werden müssen, selbst unter günstigsten Voraussetzungen.
Hier möchte ich schließen. Ich möchte nun den Abgeordneten dieses Hauses zuhören und am Ende darauf eingehen, sofern ich Gelegenheit dazu erhalten sollte. Ich möchte Herrn Moreno Sánchez nochmals für seinen Bericht sowie dem Hohen Hause für die Gelegenheit zur Aussprache über dieses äußerst wichtige Thema danken.
Maria Martens (PPE-DE),Verfasserin der Stellungnahme des Entwicklungsausschusses. – (NL) Bei den Verhandlungen im Rahmen der Entwicklungsrunde von Doha geht es um die Ankurbelung der Wirtschaft der Entwicklungsländer sowie um ihre optimale Integration in die Weltwirtschaft. Ihr Ziel ist mehr Verteilungsgerechtigkeit in der Welt.
Zur Bekämpfung der Armut in der Welt haben wir die so genannten Millennium-Entwicklungsziele vereinbart. Vernünftige Handelsbedingungen für die Entwicklungsländer können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, und dafür sollten wir uns in Hongkong einsetzen. Lassen Sie mich nun auf verschiedene Punkte, von denen der Kommissar einige bereits erwähnt hat, eingehen.
In unserer Handelspolitik müssten wir stärker zwischen den einzelnen Entwicklungsländern differenzieren. Die Unterschiede sind zu groß, um einen einheitlichen Rahmen festlegen zu können. Wir haben es mit starken und schwachen, großen und kleinen Volkswirtschaften zu tun. Es gibt Länder mit viel und mit wenig Produktions- und Wachstumsmöglichkeiten. Unsere Politik sollte stärker auf den Einzelfall zugeschnitten sein. Deshalb muss eine besondere und differenzierte Behandlung der Entwicklungsländer zu den wichtigsten Punkten auf der Tagesordnung der Ministerkonferenz in Hongkong gehören.
Viel diskutiert wurde darüber, welche Folgen die Vereinbarungen in Hongkong für die Handelserleichterungen haben werden, die den Entwicklungsländern zugestanden wurden und deren Aushöhlung sie befürchten. Ich bitte den Kommissar, dieses Haus nach Abschluss der Verhandlungen darüber zu informieren, ob das tatsächlich eingetreten ist.
Drittens scheinen die Entwicklungsländer noch kaum in der Lage zu sein, aus den ihnen gebotenen Möglichkeiten wirklichen Nutzen zu ziehen, und so möchte ich denn darauf hinweisen, wie wichtig Kapazitätsaufbau und technische Hilfe sind. Mit diesen Aspekten müssen wir uns intensiv befassen, um die Export- und Handelskapazität dieser Länder zu verbessern. Ferner sollte im Falle von Länder, die von ein oder zwei Exportprodukten abhängig sind, unbedingt versucht werden, sie zur Diversifizierung zu ermutigen.
Ich komme nun zu den Exportsubventionen, die vom Herrn Kommissar bereits angesprochen wurden und die sich bekanntlich nachteilig auf die lokalen Märkte auswirken. Für den Abbau der Exportsubventionen muss dringend ein Zeitplan aufgestellt werden. Leider ist in dem Text kein Enddatum genannt.
Als Letztes sei bemerkt, dass die Europäische Union in Hongkong eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat. Wir alle wissen, wie die Verhandlungen in Cancún verlaufen sind. Dies darf nicht noch einmal passieren. Abschließend möchte ich dem Berichterstatter für seinen vorzüglichen Bericht sowie für die gute Zusammenarbeit danken.
Joseph Daul (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. –(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Die heutige Aussprache ist von besonderer Bedeutung, denn wir befinden uns in einer Phase, in der sich die Genfer Verhandlungen beschleunigen. Sie haben erklärt, dass auf dem Ministertreffen letzte Woche in Paris Fortschritte erzielt worden seien. Ich meinerseits möchte vier Anmerkungen machen, Herr Kommissar.
Erstens bin ich sehr besorgt über die Haltung zahlreicher Länder, die sich bei diesen Verhandlungen nicht wirklich engagieren. Als Beispiel sei das völlige Fehlen von wirklichen Fortschritten in den Themen außer der Landwirtschaft angeführt. Die Diskussionen über den Marktzugang bei Industrieerzeugnissen und Dienstleistungen sind festgefahren, was ebenfalls auf die Gespräche zu den Regeln zutrifft. Wir können keine solchen unausgeglichenen Verhandlungen akzeptieren, bei denen die Landwirtschaft für alle anderen Sektoren herhalten muss, obwohl die Europäische Union bereits enorme Zugeständnisse in diesem Sektor gemacht hat.
Zweiter Punkt: Voraussetzung für den Erfolg der Verhandlungsrunde ist, dass sich die Schwellenländer wie Brasilien, Indien und China in den Verhandlungen wirklich ihrer Verantwortung stellen. Diese Länder müssen ebenfalls ihre Märkte für die anderen Entwicklungsländer öffnen, denn die wirkliche Triebkraft für die Entwicklung wird in den kommenden Jahren in der Steigerung des Handels zwischen den Ländern des Südens bestehen.
Drittens: Die kürzliche Entscheidung des Berufungsgremiums hinsichtlich der Zuckerregelung hat uns vor Augen geführt, dass guter Glaube in den Verhandlungen zu nichts führt. Es ist daher von grundlegender Bedeutung, jeden Verhandlungspunkt im Hinblick auf das WTO-Recht zu überprüfen, um zu verhindern, dass in einigen Jahren der Kompromiss, den wir eingegangen sind, von einer Entscheidung der WTO-Richter wieder aufgehoben wird und damit wahrscheinlich auch die armen Länder benachteiligt werden, Herr Kommissar. Über diese Frage muss nochmals diskutiert werden.
Viertens und letztens, und dies ist der wichtigste Punkt, den ich Ihnen gegenüber hervorheben möchte, Herr Kommissar: Die Verhandlungsführer, die heute Entscheidungen treffen, tragen eine schwere Verantwortung für die Zukunft von Millionen Frauen und Männern. Es ist leicht, eine Verhandlung abzuschließen, doch ich möchte feststellen, dass sich Probleme vielleicht erst in einer ferneren Zukunft herausstellen, wenn Sie nicht mehr im Amt sind. Ich vertraue Ihnen. Doch überlassen Sie es vor allem nicht Ihren Nachfolgern, die Schwierigkeiten zu regeln. Ehe unterzeichnet und zugestimmt wird, sollten wir daher zusammen zweimal nachdenken, so dass Sie Ihren Nachfolgern ein einwandfreies Dossier übergeben können.
Georgios Papastamkos, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Die Herausforderung der Konferenz von Hongkong besteht darin, die Grenzen für die Glaubwürdigkeit, die operationelle Akzeptanz und die Dynamik der WTO festzulegen.
Meiner Ansicht nach behindern fünf strukturelle Gründe die Verhandlungen der Doha-Runde:
Erstens, die Unfähigkeit führender Handelspartner, sich darauf zu einigen, ihre innere finanzielle und politische Unabhängigkeit aufzugeben.
Zweitens, die Schwierigkeit, Beschlüsse zu fassen, die aus der enormen zahlenmäßigen Vergrößerung der WTO und der damit einhergehenden zunehmenden Heterogenität resultiert.
Drittens, die mangelnde Ausgewogenheit der stärker entwickelten Handelssysteme bei der Liberalisierung des Handels. Zieht man einen Vergleich, so hat die Union die größten Zugeständnisse eingeräumt, mit dem Ergebnis, dass der europäische Markt der offenste Markt der Welt ist.
Viertens, die mangelnde Bereitschaft der übrigen internationalen Akteure, bei den Verhandlungen ebenfalls eine führende Rolle zu übernehmen.
Fünftens, die defensive Haltung der Entwicklungsländer gegenüber den neuen Verhandlungsthemen.
Die Erweiterung und Stärkung des multilateralen regulativen Rahmens der WTO, der Bestandteil der EU-Strategie ist, werden durch das Prinzip der Spezialisierung internationaler Organisationen eingeschränkt. Aus diesem Prinzip ergeben sich auch die Grenzen für die weitere Entwicklung der WTO im Hinblick auf die globale Gestaltung der Sozialpolitik sowie die globale Gestaltung umweltpolitischer Themen.
Meiner Ansicht nach sollte daher eine neue globale „Dach“-Architektur errichtet werden, die die folgenden Säulen umfasst:
- die WTO, die in zufrieden stellender Weise die effiziente Verteilung von Ressourcen fördert;
- eine internationale Wirtschaftsorganisation, deren Aufgabe darin besteht, die globale wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten,
- eine internationale Entwicklungsorganisation, die für die globale Verteilung von Ressourcen und die Entwicklungshilfe für arme Länder zuständig ist;
- eine internationale Umweltorganisation, die für den Schutz und die Verbesserung der globalen Umwelt und der natürlichen Ressourcen verantwortlich ist.
Die im Zuge der Globalisierung entstandene Situation macht es erforderlich, auf der Grundlage der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft neue umfassende Regelungen für das globale Wirtschaftssystem einzuführen, die die Verteilung von Ressourcen, die Stabilität, die internationale Solidarität sowie den Umwelt- und Verbraucherschutz fördern.
Erika Mann, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar und verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eigentlich nur auf ein paar Punkte aufmerksam machen, die im Kontext dieses Berichts zu beachten sind. Es ist ja der erste Bericht, der in diesem Jahr von Seiten des Ausschusses vorgelegt wird. Wir werden in der zweiten Jahreshälfte einen zweiten erstellen, der dann auch die Reflexionen und die Verhandlungen der Kommission verfolgen, beobachten und kommentieren wird.
Die Frage, die sich daraus ergibt, stellt sich zumindest für den Ausschuss und meine Fraktion wie folgt: Was kann man tun, um erstens tatsächlich sicherzustellen, dass wir unterstützend hilfreich sind, dass es in Hongkong zu einem positiven Ergebnis kommt – es wird ja kein endgültiger Abschluss sein, aber gut wäre immerhin ein positives Ergebnis –, so dass die Verhandlungen dann gut weitergeführt werden können, um zweitens aber auch sicherzustellen, dass unser großer Anspruch, der sich im Titel „Entwicklungsrunde“ ausdrückt, tatsächlich umgesetzt wird, und um drittens zu gewährleisten, dass die Interessen der Europäischen Union vertreten werden?
Das ist natürlich sehr komplex, wenn man sich vor Augen hält, dass Cancún nicht gerade sehr gut ausgegangen ist, wir einen sehr schwierigen Start haben und die Verhandlungen im Moment auch nicht auf sehr soliden Füßen stehen. Hinzu kommt das Problem, dass die Schwellenländer darum kämpfen, dass sie ihre Vorreiterrolle, ihre globale Rolle in der Welt einnehmen können. Das sehen wir sehr deutlich an China – wir haben ja morgen die Debatte zu China –, das sehen wir aber auch an Brasilien und natürlich auch an Indien. Also eine sehr schwierige, komplexe Situation.
Hinzu kommt noch ein Aspekt, den wir bedenken müssen. Ich würde Sie bitten, Herr Kommissar, noch einmal darauf einzugehen, wie sich im Verlauf dieses Jahres eigentlich das Zusammenspiel zwischen dem Europäischen Parlament und dem Ausschuss für internationalen Handel und Ihnen gestalten wird. Wenn wir den neuen Vertrag denn nun hätten, hätte das Parlament sehr viel mehr Macht, wir hätten direktere Konsultationsmechanismen. Wir haben sehr gute, etablierte Mechanismen, aber sie haben alle eher informellen Charakter.
Gleichzeitig ist es aber so, dass die Bürger wünschen, dass wir direkter beteiligt sind, dass wir also in einem Prozess, in dem es um Verhandlungen zur Landwirtschaft, aber auch um Dienstleistungsbereiche geht, mehr Macht und mehr Befugnisse haben. Das sind sehr sensible Bereiche, die auch sehr kontrovers diskutiert werden und bei denen es weder in unserer Fraktion noch in diesem Haus oder in der Bevölkerung schon eindeutige Positionen gibt.
Wie können wir also gewährleisten, dass wir in diesem Jahr diesen kritischen Prozess zwischen Kommission, Ausschuss und Europäischem Parlament insgesamt so gestalten, dass wir zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit kommen, die über das hinausgeht, was wir bereits etabliert haben, und die eben auch die kritischen Bereiche umfasst?
Wenn Sie dann tatsächlich Verhandlungsveränderungen vornehmen müssen, wenn Dispositionsveränderungen vorgenommen werden müssen – das wird ja mit Sicherheit auf Sie zukommen, Herr Kommissar –, wie kann dann gewährleistet werden, dass die Kooperation so eng ist, dass wir tatsächlich der Verantwortung, die wir den Bürgern gegenüber tragen, gerecht werden können?
Johan Van Hecke,im Namen der ALDE-Fraktion. –(NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Berichterstatter zu seinem Bericht beglückwünschen, der meines Erachtens einen ausgezeichneten Überblick über den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen nach den im Rahmen der WTO in Genf erzielten Vereinbarungen und am Vorabend der Konferenz in Hongkong bietet. Ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Verhandlungsrunde ist für die weitere Liberalisierung des Welthandels eindeutig von fundamentaler Bedeutung. Nach dem Scheitern in Cancún steht nämlich die Glaubwürdigkeit des multilateralen Handelssystems auf dem Spiel. Ein Erfolg in Hongkong ist essenziell, um das weltweite Wirtschaftswachstum zu fördern, es wird aber auch ein gewichtiger Test für die Legitimität der WTO sein. Ich teile die Ansicht von Kommissar Mandelson, dass die Doha-Runde primär als eine Entwicklungsrunde angesehen werden sollte. Handel und Entwicklung müssen Hand in Hand gehen, und eine stärkere Einbindung der Entwicklungsländer in einen fairen Welthandel stellt eine wesentliche Voraussetzung für die Bekämpfung des Hungers und der Armut in der Welt dar.
Der in der vergangenen Woche erzielte Kompromiss in der Frage der Einfuhrzölle auf Agrarerzeugnisse, wodurch die Gefahr eines Scheiterns der Doha-Runde abgewendet werden konnte, stimmt zuversichtlich. Die Umwandlung linearer Einfuhrzölle in auf dem Wert der Produkte beruhende gemeinsame prozentuale Zölle stellt einen vorsichtigen, aber dennoch wichtigen Schritt in die Richtung eines Generalabkommens über den Handel mit Agrarerzeugnissen dar.
Meine Fraktion ist jedoch nach wie vor der Überzeugung, dass letzten Endes sämtliche Exportsubventionen in der Landwirtschaft abgeschafft werden müssen, denn es ist und bleibt inakzeptabel, dass durch die derzeitige EU-Agrarpolitik einer europäischen Durchschnittsfamilie Mehrkosten in Höhe von ca. 100 Euro monatlich entstehen und es den Entwicklungsländern erschwert wird, sich aus der Armutsfalle zu befreien. Nach neuesten Berechnungen der Weltbank kann der Erfolg bei dieser Handelsrunde zu einem Anstieg des weltweiten Einkommens um 385 Milliarden Euro jährlich führen. Wenn Afrika seinen Anteil am Welthandel von 2 auf 3 % anzuheben vermag, erhöht es sein Jahreseinkommen um 70 Milliarden US-Dollar. Das ist weitaus mehr, als es jetzt an Entwicklungshilfe erhält. Schon allein aus diesem Grund können wir es uns nicht leisten, ein weiteres Mal zu scheitern.
Caroline Lucas, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Moreno Sánchez für seine Arbeit zu diesem Thema danken, aber ich denke, es wird für ihn keine Überraschung sein, dass unsere Fraktion seinen Bericht in dieser Form leider nicht unterstützen kann. Er enthält zwar einige gute Abschnitte, in denen die Ziele der nachhaltigen Entwicklung und der Beseitigung der Armut unterstrichen werden, jedoch werden diese bedauerlicherweise durch die allgemeine Ausrichtung dieses Berichts, nämlich eine unkritische Zustimmung zum liberalisierten Freihandel als Hauptmittel zur Erreichung dieses Ziels, untergraben.
Es wird offenbar noch immer vermutet, dass mehr Handel automatisch mehr Wachstum bedeutet, was wiederum automatisch einer weiteren Verringerung der Armut gleichkommt. Doch die Tatsachen sehen ganz anders aus, und wie aus dem kürzlich veröffentlichten UNDP-LDC-Bericht klar hervorgeht, hat eine stärkere Integration einiger der ärmsten Länder in das internationale Handelssystem die Armut unter den ärmsten Menschen generell nicht verringert.
Eine weitere dem Bericht innewohnende Vermutung lautet, wenn die WTO-Kritiker die Einrichtung nur besser verstünden, dann würden wir uns schon irgendwie in sie verlieben, oder, wie es im Bericht heißt: „dass die WTO die Zivilgesellschaft [...] angemessen informieren und aufklären muss, um zu vermeiden, dass der Globalisierungsprozess und die damit verbundene Rolle der WTO weitgehend missverstanden und falsch dargestellt werden“. Offen gesagt, ist dies nutzloser, arroganter Schwachsinn. Immer mehr Angehörige der Zivilgesellschaft wissen ganz genau, was die WTO darstellt, und sie wissen auch ganz genau, wie schädlich der Prozess der wirtschaftlichen Globalisierung sein kann. Wir brauchen keine Übung in kosmetischer Öffentlichkeitsarbeit, sondern eine grundlegende, durchgreifende Reform der Einrichtungen sowie der Regeln des Welthandels, damit Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit tatsächlich wörtlich genommen werden können.
Nun zu einigen Details: Unsere Fraktion hat ihren ursprünglichen Änderungsantrag zu Rohstoffpreisen erneut eingereicht. Sinkende Rohstoffpreise sind mit einer der Hauptgründe dafür, weshalb ärmere Länder im Welthandel nicht fairer behandelt werden. Genau 43 Entwicklungsländer sind bei mehr als 20 % ihrer gesamten Exporteinnahmen von einem einzigen Rohstoff abhängig. Wären die Preise für die 10 wichtigsten von Entwicklungsländern exportierten Agrarerzeugnisse in gleichem Umfang wie die Inflation seit 1980 gestiegen, dann hätten diese Exporteure im Jahre 2002 ca. 112 Milliarden USD mehr erhalten als es tatsächlich der Fall war. Dies entspricht der doppelten Menge der offiziellen Entwicklungshilfen. Offen gesagt, finde ich es höchst merkwürdig, dass der Ausschuss für internationalen Handel, der stolz darauf verweist, dass der Handel einen Beitrag zur Beseitigung der Armut leisten sollte, einen Änderungsantrag abgelehnt hat, der Maßnahmen zur Stabilisierung der Rohstoffpreise gefordert hat. Ich hoffe, dass wir morgen im Plenum Unterstützung dafür erhalten werden.
Ferner haben wir einen Änderungsantrag zum Mandat der Kommission eingereicht. Es ist schwer vorstellbar, welche Rechtfertigung die Kommission vorweisen könnte, mit einem sechs Jahre alten Mandat zu arbeiten und das aus diesem Grunde jegliche wichtigen Änderungen, die sich seit seiner Verabschiedung ereignet haben, nicht widerspiegelt. Vielleicht könnte uns Herr Mandelson sagen, wie diese Rechtfertigung lautet, da wir nach dem Scheitern von zwei der drei letzten Ministerkonferenzen aus institutioneller Sicht nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen können. Wir dürfen den Widerstand so vieler südlicher Länder, dass der WTO immer mehr neue Kompetenzen verliehen werden, nicht ignorieren.
Nun, da eine neue Kommission im Amt ist und das nächste WTO-Ministertreffen vor der Tür steht, sollten wir der internationalen Gemeinschaft ein Zeichen geben, dass Europa diese Veränderungen wahrnimmt und in der Lage ist, aus den in Seattle und Cancún gemachten Fehlern zu lernen.
Vittorio Emanuele Agnoletto, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.– (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich war wirklich verblüfft, in diesem Haus zu hören, dass die WTO ein Instrument zur Verbesserung und Förderung eines faireren und solidarischeren Handels sei. Wie kann man denn etwas Derartiges behaupten?
Wir brauchen uns nur die konkreten Ergebnisse der Verhandlungsrunden anzusehen, die geführt wurden oder noch geführt werden. Wie können wir von Gegenseitigkeit zwischen einem Riesen und einem Zwerg, zwischen David und Goliath, sprechen? Wie können wir hoffen, die Entwicklungsländer seien die Gewinner dieser Runde, wenn wir unsere Politik nicht ändern?
Warum sehen wir uns die Ergebnisse nicht im Kern an? Warum wird nicht erwähnt, dass die Subventionen für 25 000 Baumwollerzeuger in den Vereinigten Staaten Millionen Menschen in Zentralafrika zum Hunger verurteilt haben? Warum wird nichts dazu gesagt, dass aufgrund des TRIPS-Übereinkommens (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) 30 Millionen Menschen – überwiegend in Afrika – Arzneimittel gegen AIDS vorenthalten wurden und weiterhin vorenthalten werden, und dass dadurch, dass das TRIPS-Übereinkommen Indien aufgezwungen wurde, weltweit nur noch halb so viele Menschen der Dritten Welt wie vorher Zugang zu AIDS-Medikamenten haben?
Warum wird nicht über das Desaster gesprochen, das die von Europa und von den USA für die intensive Landwirtschaft gezahlten Subventionen ausgelöst haben? Während der Ministerkonferenz in Cancún führte dieses Desaster dazu, dass sich Brasilien, Indien und die Länder des Südens gegen Europa und die Vereinigten Staaten zusammenschlossen.
Und weiter, wie bereiten wir uns auf die nächste WTO-Ministerkonferenz in Hongkong vor? Offenbar will man dort die Liberalisierung der Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitsbereich durchsetzen, im Namen eines Wirtschaftsliberalismus, der letztendlich dazu führen würde, dass diese Dienstleistungen – kontrolliert von den großen Multis – in den südlichen Ländern gegen Bezahlung erbracht werden, wodurch einem Großteil der Bevölkerung der Zugang dazu versagt würde.
Warum sprechen wir nicht über die Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft? Wir haben auf der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU in Bamako darüber diskutiert und gesehen, welche dramatischen Auswirkungen sie haben. Durch die Forderung nach einer vollständigen Liberalisierung des Handels mit den Ländern im Süden – insbesondere in Afrika – und die Abschaffung der Importzölle in diesen Ländern haben diese Abkommen dazu beigetragen, sie wirtschaftlich zu vernichten, da sie nicht die Möglichkeit hatten, selbständig ihre Strategien für eine andersartige Entwicklung zu wählen.
Ich glaube, dass wir uns stattdessen für eine Verringerung der Rolle der Welthandelsorganisation einsetzen sollten. Wir sollten darauf hinwirken, dass eine Reihe von Produkten unter die Zuständigkeit anderer Agenturen, beispielsweise der Spezialorganisationen der Vereinten Nationen, fällt, angefangen bei Agrarerzeugnissen und Arzneimitteln. Aus diesen Gründen bringt unsere Fraktion ihre gänzlich negative Haltung zu dem in diesem Haus vorgestellten Bericht zum Ausdruck.
Seán Ó Neachtain, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Trotz der fehlgeschlagenen Konferenz in Cancún im September 2003 werden multilaterale Handelsgespräche in der WTO noch immer vom Doha-Programm bestimmt. Durch das im August 2004 vom Allgemeinen Rat der WTO erzielte Abkommen wurden diese Verhandlungen wieder aufgenommen, was ich begrüße.
Lassen Sie mich zu Beginn sagen, dass ich ebenfalls den Bericht begrüße, und ich beglückwünsche den Berichterstatter zu seiner Arbeit. Besonders freut mich, dass der Vorschlag im Namen des Ausschusses für internationalen Handel eine beträchtliche Verbesserung des ursprünglichen Dokuments darstellt, insbesondere in der Frage, wie die Entwicklungsländer in das Welthandelssystem eingegliedert werden können, ferner in Bezug auf die Bedeutung, die der Liberalisierung von Leistungen beigemessen wird, die nicht der unmittelbaren Daseinsvorsorge dienen, sowie auf die vorgeschlagenen Lösungen zur Verringerung des Agrarschutzes.
Durch die im Ausschuss angenommenen Kompromissänderungsanträge wurde der Text meiner Meinung nach verbessert. Dieser Bericht stellt eine faire Analyse dar, in der die europäischen Erwartungen und Interessen in einer voraussichtlich schwierigen Verhandlungsrunde gebührend berücksichtigt werden.
Im Zusammenhang mit den WTO-Verhandlungen interessiert mich vor allem die Landwirtschaft, insbesondere die Zukunft der kleinen Familienbetriebe in meinem eigenen Land, die, so kann man sagen, das Rückgrat der irischen Gesellschaft darstellen. Die Änderung des europäischen Landwirtschaftsmodells sowie der Übereinkunft von Luxemburg über die Reform der GAP steht außer Frage. Soweit europäische Landwirte betroffen sind, haben sie sich einer Reform verpflichtet, die meiner Meinung nach unwiderruflich ist und die bis zum Jahr 2013 gültig sein wird. Mit dieser Reform sollte die GAP in Übereinstimmung mit der WTO gebracht werden, und das Abkommen zieht gewaltige Umbrüche in diesem Sektor nach sich. Unsere Landwirte brauchen politische Stabilität, um für die Zukunft ihrer Betriebe und das Einkommen ihrer Familien planen zu können. Es steht außer Frage, auch nur von einer dieser Verpflichtungen abzurücken. Herr Kommissar, ich muss sagen, dass Ihre Äußerungen zu diesem Punkt mich ermutigt haben, und ich hoffe, dass Sie unsere Interessen leidenschaftlich verteidigen werden.
Ferner denke ich, dass wir alle darin übereinstimmen, dass die WTO das beste Forum ist, in dem die Rechte aller Staaten – reich und arm, Entwicklungs- oder Industrieland – geschützt werden können. Außerdem bin ich der Meinung, dass der Multilateralismus der Weg nach vorn ist, und ich freue mich, dass die Kommission diesen Standpunkt beibehalten hat. Ich freue mich auf die Hongkong-Konferenz im Dezember dieses Jahres.
Daniel Caspary (PPE-DE).– Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen bei dieser Verhandlungsrunde, bei dieser Reform und Liberalisierung unbedingt vorankommen. Nach Berechnungen der Weltbank, die Herr Van Hecke gerade angesprochen hat, könnte ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Runde die weltweiten Einkommen um bis zu 500 Milliarden Euro im Jahr erhöhen! Ein Erfolg von Doha steht also für die Bekämpfung der Armut, für eine große und wirksame Entwicklungshilfe und somit für eine Chance auf Wohlstand und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen auf dieser Erde. Diese Chance müssen wir im Interesse der Menschen in Europa und im Interesse der Menschen in der Welt nutzen.
Ich möchte ein Thema aufgreifen, das Frau Mann und Frau Lucas gerade angesprochen haben, nämlich die Bürgerbeteiligung. Wir kennen die Bilder der Battle of Seattle noch sehr genau. Wir erleben, dass das Stichwort Globalisierung von immer mehr Menschen als Gefahr und nicht als Chance angesehen wird. Wir erleben, wie in Europa ganze Schülergenerationen die Schulen abschließen, ohne die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft und des Welthandels gelernt zu haben, weshalb sie offen für Fehlinformationen und unwahre Kampagnen sind. Wir erleben, dass auch in unseren Medien fast ausschließlich über Produktionsverlagerungen und nicht über die Schaffung neuer Arbeitsplätze oder zusätzlichen Wohlstand durch den Welthandel berichtet wird. Wir erleben, wie dies zu immer größerer Verunsicherung der Menschen führt, und wir erleben, dass radikale Gruppierungen wie Attac etc. europäische Gelder erhalten und mit diesem Geld gegen die Gemeinschaftsinteressen arbeiten und die Menschen desinformieren und verängstigen.
Geschätzter Kommissar Mandelson, ich bitte die Kommission daher, ein Konzept zu erarbeiten, mit dem parallel zu den Verhandlungen bei unseren Bürgern offensiv für einen freien und fairen Welthandel geworben werden kann, damit wir die Menschen in Europa und weltweit von den Vorteilen des Welthandels überzeugen und sie mit auf diesen richtigen und notwendigen Weg nehmen können.
(Beifall)
Kader Arif (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Seit ihrer Gründung steht die WTO im Feuer der Kritik. Heute könnten wir anlässlich des 10. Jahrestages des Bestehens dieser Organisation Bilanz ziehen und uns fragen: Brauchen wir die WTO?
Vor dem Hintergrund einer ständig zunehmenden Globalisierung müssen wir zweifellos anerkennen, dass wir eine multilaterale Organisation brauchen. Doch auf die andere Frage „Brauchen wir diese Organisation so, wie sie gegenwärtig arbeitet?“ fällt meine Antwort deutlich reservierter aus, denn die Welt ist heute immer noch nicht in der Lage, ihren Reichtum in einer ausgeglicheneren Weise zu verteilen. Dem Handel kommt zur Erreichung dieser Ausgeglichenheit eine große Rolle zu, doch seine gegenwärtigen Regeln berücksichtigen die Forderungen und Bedürfnisse eines großen Teils unseres Planeten bisher kaum. Angesichts dieser Feststellung habe ich zuweilen die naive Hoffnung, dass die für Ende des Jahres geplante Konferenz von Hongkong diesen Zustand ändern und vor allem endlich die Hoffnungen erfüllen wird, die durch die Einleitung der Entwicklungsagenda von Doha geweckt wurden.
Im vergangenen Monat, vom 10. bis 16. April, haben überall in der Welt hunderte von NRO und Vereinigungen ihre Stimme erhoben und einen gerechteren Handel gefordert. Ich teile deren Meinung, dass ein Handel, der allein auf dem simplistischen Grundsatz des Laisser-faire beruht, ganz und gar nicht zu einer gerechteren Verteilung des Reichtums führt.
Unsere Priorität muss in der Neuorientierung des internationalen Handels bestehen, um ihm eine wirkliche wirtschaftliche und sozial gerechte Dimension zu verleihen. Wenn wir den armen Ländern wirklich helfen wollen, aus der Globalisierung Nutzen zu ziehen, dann müssen wir die Welthandelsregeln insgesamt in einem gerechteren Sinne neu durchdenken, wobei wir in unseren Überlegungen eine Verbindung zwischen Handel und nachhaltiger Entwicklung herstellen müssen. Meiner Meinung nach müssten die Mitglieder der WTO diese Grundsätze in ihre Zielstellungen aufnehmen, doch vor allem die Folgen der Praktiken und der aufgestellten Regeln bedenken, um so in der Lage zu sein, die durchgeführten Politiken im Sinne von mehr Gerechtigkeit und Fairness umzugestalten.
Ich wünsche mir ebenfalls eine transparente WTO, eine glaubhafte und legitimierte Organisation, deren Entscheidungen von ihren Mitgliedern und von der Zivilgesellschaft mitgetragen werden könnten. Als von den europäischen Bürgern gewählter Europaabgeordneter kann ich nur feststellen und vor allem bedauern, dass der gegenwärtige Informationsmangel verhindert, dass ich meine demokratische Kontrollfunktion ordnungsgemäß ausführen kann. Noch bedauerlicher ist, dass wir als Europaabgeordnete keinen Einfluss auf die Festlegung des Verhandlungsmandats der Kommission haben. Obwohl es dabei um unsere Zukunft geht.
Ich bin bereits über die Folgen und Auswirkungen beunruhigt, die die Dienstleistungsrichtlinie auf die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Europa haben wird, doch empören mich die Auswirkungen einer Liberalisierung der Dienstleistungen auf weltweiter Ebene immer wieder, welche die - oft öffentlichen - Dienstleistungen in Frage stellen könnten, die sich auf die Grundbedürfnisse der Bürger in Ländern beziehen, die diese am dringendsten brauchen. Es besteht unter uns zwar weitgehende Einigung darüber, dass die Dienstleistungen, die sich auf Gesundheitsfürsorge, Bildung, den kulturellen und audiovisuellen Sektor beziehen, einen Ausnahmestatus in den Verhandlungen erhalten müssen, doch dürfen wir auch die Dienstleistungen nicht vergessen, die zur Befriedigung von Grundbedürfnissen dienen, wie Wasser- und Energieversorgung, denn wir können von den Entwicklungsländern keine Liberalisierung verlangen, die zu ihrer Zerschlagung führen würde.
Ich möchte daran erinnern, dass wir uns im Jahr 2000 in New York zur Unterstützung von acht Millenniums-Entwicklungszielen verpflichtet haben. Diese Entwicklungsziele können nicht von der Doha-Agenda und den laufenden Verhandlungen abgekoppelt werden. Wir können nicht an einem Tag Versprechen abgeben, und sie am nächsten Tag schnell wieder vergessen. Die Philippinen sind ein Beispiel unter vielen für die verhängnisvollen Auswirkungen der Liberalisierung der Wasserversorgung. So ist infolge der Liberalisierung nicht nur der Wasserpreis um 600 % gestiegen, sondern auch die Qualität des Wassers ist so schlecht geworden, dass es heute Krankheiten hervorruft.
Ich befürchte stark, dass es uns bis 2015 niemals gelingen wird, den Prozentsatz der Menschen, die keinen ständigen Zugang zu Wasser haben, zu halbieren. Doch ohne Zugang zu Wasser gibt es kein Leben.
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Verts/ALE).– Herr Präsident! Wir haben heute Nacht schon viel von gerechtem und solidarischem Handel gehört. Der Berichterstatter will ihn zum Nutzen aller – Herr Caspary rechnet uns vor, wie 500 Milliarden alle reich und glücklich machen. Auch bei Kommissar Mandelson habe ich den Eindruck, dass er meint, wenn wir die hiesige landwirtschaftliche Produktion aufgeben, würde in den Ländern der Dritten Welt der Wohlstand ausbrechen.
Ich teile diese idealistischen Positionen nicht. Handel macht nicht satt und die Armen auch nicht reich, und wenn am Handel verdient wird, sind es vor allem die Interessensgruppen, die den freien Handel fordern, die einseitig an diesem Handel verdienen wollen. Wenn Herr Caspary dann so flott sagt „freien und fairen Handel“, so sage ich, freier und fairer Handel sind möglicherweise Gegensätze. Das müsste man noch näher betrachten. Das möchte ich tun.
Herr Mandelson hat davon gesprochen, dass wir den beschränkten Marktzugang vor allen Dingen für Ernährungsgüter beenden müssen. Herr Mandelson, die Europäische Union ist das größte Importgebiet für Nahrungsmittel der Welt, also ist es nicht eine Frage des Marktzuganges, sondern eine Frage der Bedingungen, zu denen die Produkte hier auf den Markt kommen. Wenn die Europäische Union den am wenigsten entwickelten Ländern einen freien Marktzugang gegeben hat, dann macht dieser freie Marktzugang sie doch nicht automatisch reich, sondern man muss nach den Bedingungen fragen, die für diesen freien Marktzugang gelten. Erzielen sie für ihre Produkte Preise, die unserem Preisniveau entsprechen, dann können sie ihre Volkswirtschaften entwickeln. Wird aber in diesen Ländern von den Multis der Welt unter der Armutsgrenze eingekauft, dann gehen sie daran zugrunde! Sie kommen mit Preisen auf unseren Markt, die dann unsere Landwirtschaft zerstören.
Sie haben davon gesprochen, dass man proaktiv in Richtung Dienstleistung gehen sollte. Herr Mandelson, wir können uns nicht alle gegenseitig die Haare schneiden, sondern wir müssen auch irgendetwas produzieren! Im Bereich Landwirtschaft brauchen wir Dienstleistungen durch Erzeugung. Wir erbringen eine große Dienstleistung für die Gesellschaft Europas in Form der Kulturlandschaft, und dafür müssen die Bauern zu den hiesigen Bedingungen bezahlt werden.
Auf dem Weltmarkt kann man Professoren, Banker und auch Kommissare billiger kaufen als die Produkte im Agrarbereich. Daher müssen wir uns über die Bedingungen unterhalten, und das heißt dann Ausgleich und faire Bedingungen. Das ist nicht einfach. Den Begriff „frei“ quantitativ zu bestimmen, ist einfach, aber ihn qualitativ zu bestimmen, darum müssen wir uns bemühen!
Es war ein richtiger Schritt, in einem Gebiet, das zu den größten Importgebieten gehört, Exportsubventionen abzuschaffen. Aber zu sagen, nun lasst mal die Welt zu uns kommen und wir geben unsere Produktion auf, das ist schlichtweg Blödsinn! Wir müssen einen qualifizierten Außenschutz haben, wo die Bedingungen, die der Produktion hier und unseren Bäuerinnen und Bauern auferlegt werden, auch in diesen Ländern gelten. Und wir müssen die Bedingungen, die Preise und das Niveau so gestalten, dass diese Länder ihre Volkswirtschaften entwickeln können und nicht unter die Armutsgrenze gedrängt werden und die Bauern hier kaputtgehen!
Herr Mandelson, ich hoffe, dass wir das bald im Landwirtschaftsausschuss etwas länger und intensiver mit Ihnen besprechen können.
Helmuth Markov (GUE/NGL).– Herr Präsident, Herr Kommissar! Das Mandat, das der Kommission im Jahre 1999 erteilt worden ist, hat sich sowohl bei den Verhandlungen in Seattle als auch in Cancún als nicht durchsetzbar erwiesen. Ich glaube, dass dies auch zu Recht geschehen ist. Die Schlussfolgerung daraus hätte also sein müssen, der Kommission ein verändertes Mandat auszustellen, das nicht auf mehr Liberalisierung und Marktöffnung setzt, sondern auf die Organisation eines tatsächlich fairen Handels zwischen den höchst unterschiedlich entwickelten Ländern dieser Erde.
Fairer Handel bedeutet, ein System einzuführen, in dem alle Beteiligten tatsächlich Entwicklungschancen sehen und nutzen können. Dies mag für bestimmte Länder den Schutz ihrer Märkte bedeuten, bis sich die regionale Wirtschaft so weit gestärkt hat, dass sie auch gegen ausländische Konkurrenz bestehen kann. In anderen Regionen kann dies eine Marktöffnung bedeuten, um auch anderen Anbietern Exportmöglichkeiten zu schaffen. Das hieße aber, den permanent ausgeübten Druck in Richtung auf mehr Marktöffnung abzubauen, statt noch mehr aufzusatteln. Abkommen wie GATS oder NAMA können Entwicklungsländern die Chance nehmen, eigenständig Industrie- und Dienstleistungsstrukturen aufzubauen und dabei hohe Umwelt- und Sozialstandards zu entwickeln.
Was Marktöffnung andererseits auch für die Industrieländer bedeutet, sehen wir jetzt an der Debatte um die Textilimporte. Wenn wir über die Entwicklungsagenda von Doha reden, dann sagt der Begriff schon, dass es um Entwicklung gehen muss, und die kann nicht ausschließlich aus Marktöffnung bestehen. Fragen wie Gesundheitsvorsorge, Bildung, Sozialschutz, umweltfreundliche Produktion gehören unbedingt dazu.
Dies ist uns wichtiger als die Singapur-Themen, selbst wenn es so scheint, als hätte man sie von vier auf zwei reduziert. Es geht um die Schaffung von Handelssystemen, die es ermöglichen, stabile Preise für Kaffee, Kakao, Textilien, Bananen, Baumwolle, Zucker und viele, viele andere Erzeugnisse zu erzielen. Die richtige Herangehensweise ist meines Erachtens nicht ein Mehr an Wettbewerb, sondern ein Mehr an Kooperation.
Die Exportsubventionen für die großen Agrokonzerne müssen gestrichen werden. Versuche der Liberalisierung von öffentlichen Diensten, insbesondere Wasser, darf es nicht geben. Neben der WTO müssen auch die entsprechenden UN-Institutionen ein stärkeres Gewicht bekommen, wenn es um die Entwicklung geht, wie zum Beispiel die UNCTAD oder die ILO. Die Europäische Union muss eine andere Antwort auf die Forderungen der Entwicklungsländer zur Durchsetzung des „Mode4“ geben, als sie es bisher getan hat.
Es hat nichts mit Gleichberechtigung zu tun, von den Entwicklungsländern zu fordern, sie sollen ihre Märkte für Waren, Dienstleistungen und Kapital öffnen, wenn die Europäische Union gleichzeitig ihre Märkte der Arbeitnehmerfreizügigkeit, insbesondere für weniger qualifizierte Arbeitskräfte, geschlossen hält. Wer Welthandel will, muss vorher für eine ausbalancierte Entwicklung sorgen, sonst fördert Handel nicht Fortschritt, sondern vergrößert die Diskrepanzen zwischen Arm und Reich.
Herr Caspary, den Satz will ich Ihnen wirklich noch sagen: Wer Attac als radikale Gruppierung bezeichnet, der hat nicht begriffen, dass Demokratie von dem Vorhandensein unterschiedlicher Auffassungen lebt!
Paul Rübig (PPE-DE).– Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten uns auch fragen, was Hongkong und die Doha-Runde zur Erreichung der Lissabonziele beitragen können? Wachstum und Beschäftigung sind unsere prioritären Anliegen, und wir wissen, die Gewerkschaften, die Pensionistenvereine, die Kinder verlangen mehr Taschengeld. Wachstum ist ein substanzielles Bedürfnis dieser Gesellschaft, und ich möchte nicht wissen, welche Diskussion wir hier führen würden, wenn wir sagen, wir wollen das Gegenteil von Lissabon erreichen. Wir sind uns einig, dass die Lissabonziele wichtig sind, und deshalb geht es auch um eine gute Vorbereitung der WTO-Runde. Wir brauchen eine bessere interne Organisation innerhalb der WTO, aber wir müssen auch sicherstellen, dass wir bereits mit einem gesunden Minimalkompromiss nach Hongkong kommen. Das hat das letzte Mal in Cancún gefehlt. Wenn von unseren Spezialisten in Genf nicht ein Minimalkompromiss erarbeitet wird, besteht wiederum die Gefahr, dass wir zu keinen guten Ergebnissen kommen.
Für die Entwicklungsagenda ist das zentrale Thema, dass der Wohlstand erarbeitet werden muss. Verteilen kann man ihn nur einmal. Wenn man ihn auf Dauer haben will, muss man ihn selbst erarbeiten. Hier brauchen wir gerade für die kleinen und mittleren Betriebe den Marktzugang. Wir brauchen Darlehen für Betriebsgründungen, für Bildung, für Infrastruktur. Wir müssen uns überlegen, wie wir in dieser Runde erreichen können, dass der Wohlstand in den Ländern steigen kann, und zwar nicht durch Umverteilung, sondern durch Hilfe zur Selbsthilfe mit den klassischen Strukturen des Familienbetriebs, mit dem, was die Länder gewohnt sind. Wir müssen diesen ärmsten Ländern einen Marktzugang im lokalen Bereich, im regionalen Bereich, aber auch im globalen Bereich ermöglichen. Hier brauchen wir auch die parlamentarische Dimension. Herr Kommissar, wir brauchen nicht mehr Macht, wir brauchen ganz einfach den Wettbewerb der besten Ideen. Hier sind wir als Parlamentarier bereit, Ihnen zu helfen, mit Ihnen in einen Dialog einzutreten, um gemeinsam das Beste für Europa zu erreichen.
Katerina Batzeli (PSE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wir alle begrüßen das positive Ergebnis der im August 2004 erzielten Vereinbarung, die zum großen Teil durch die Initiativen der Gemeinschaft zustande gekommen ist. Wir hoffen, dass das Endergebnis diesen gemeinschaftlichen Bemühungen und Initiativen Kontinuität verleihen wird.
Die Landwirtschaft bildete schließlich das wichtigste Verhandlungskapitel, und dies trotz der Tatsache, dass wir von Anfang an auf einer ausgewogenen Behandlung aller Aspekte in der Runde bestanden haben, durch die faire Ergebnisse für alle Sektoren und Handelspartner erreicht werden können.
Die endgültige Vereinbarung darf jedoch keinen Aspekt der kürzlich durchgeführten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in Frage stellen, sie muss gewährleisten, dass alle Handelspartner gleichwertige Verpflichtungen eingehen.
Die Frage des Zugangs zum Markt für Agrarerzeugnisse und vor allem die technischen Aspekte der Methode zur Berechnung von Wert-Äquivalenten erwiesen sich als Schlüsselpunkt der Verhandlungen. Die technischen Verpflichtungen sollten dazu dienen, die Nachhaltigkeit der gemeinschaftlichen Erzeugnisse sicherzustellen.
Der Schutz der Agrarindikatoren und die Einbeziehung nichtkommerzieller Aspekte sollten nicht nur ein Ziel, sondern auch eine Voraussetzung für die endgültige Vereinbarung darstellen. Diese Elemente bestimmen auch die multifunktionale Rolle der europäischen Landwirtschaft.
Baumwolle wurde im Hinblick auf die Förderung von Verhandlungen mit den schwächer entwickelten Ländern zu einem Schwerpunkthema erklärt. Wir hoffen, dass die zusätzlichen Verpflichtungen in Bezug auf dieses Produkt auch für andere Handelspartner gelten werden. Javier Moreno Sánchez ist es in seinem Bericht gelungen, ausgewogene Vorschläge für die WTO-Verhandlungen zu unterbreiten.
Herr Kommissar! Ich würde Ihnen vorschlagen, dem „poetischen Prinzip“ des Berichterstatters zu folgen. Danach stellt die Interimsvereinbarung einen Schritt auf einem Weg dar, den es noch gar nicht gibt: Der Weg entsteht erst beim Gehen. Die Zielsetzungen stehen jedoch schon fest, und die Möglichkeiten, davon abzuweichen, können nicht unbegrenzt sein.
Antolín Sánchez Presedo (PSE).–(ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Kommissar! Ich möchte Herrn Moreno Sánchez zu seinem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen, der Weitblick und die Fähigkeit beweist, in einer so breit gefassten und komplizierten Problemdiskussion wie den Doha-Verhandlungen gemeinsame Ziele auszumachen.
Zweck dieser Runde, die von Anfang an – seit 2001 – „Entwicklungsrunde“ genannt wird, ist die Stärkung der Grundprinzipien des multilateralen Handelssystems und ein entsprechendes Eingehen auf die Probleme der Entwicklungsländer.
Erfolgreiche Verhandlungen sollen ihnen ermöglichen, den Handel zu einem festen Bestandteil ihrer nationalen Entwicklungspolitik zu machen, und deshalb müssen wir ausreichend flexibel sein, um mit der prekären Lage der am wenigsten entwickelten Länder umzugehen, die neue Rolle der aufstrebenden Länder zu erkennen und die besonderen Folgen des Prozesses der Liberalisierung auf die ärmsten unter ihnen anzugehen.
Angesichts dieser Probleme spricht der Berichterstatter zu Recht von der Notwendigkeit technischer Hilfe und des Kapazitätenaufbaus in den Entwicklungsländern; der Möglichkeit der Aufnahme eines „Bereichs Entwicklung“ für die am wenigsten entwickelten Länder in die Agrarverhandlungen; der Förderung des Süd-Süd-Handels und der Notwendigkeit für die Schwellenländer, mit der Öffnung ihrer Märkte für die am wenigsten entwickelten Länder fortzufahren; sowie der Anerkennung der Tatsache, dass der Grundsatz der besonderen und differenzierten Behandlung das Rückgrat darstellen muss, was Nichtreziprozität in Handelsrunden einschließt und die Möglichkeit der Anpassung an die Besonderheiten des jeweiligen Entwicklungslands voraussetzt.
Seine Anwendung muss dem Internationalen Währungsfonds und anderen Organisationen die Verwirklichung eines Handelsintegrationsmechanismus gestatten, der es ermöglichen soll, die Verluste auszugleichen, die diesen Ländern durch die Liberalisierung des Handels entstehen können.
Als Verfasser des Berichts über das Schema allgemeiner Zollpräferenzen freue ich mich sehr über die Unterstützung des Berichterstatters für meinen Vorschlag, der möglichen Aushöhlung der Zollpräferenzen im Ergebnis der Runde Aufmerksamkeit zu widmen, und die Erneuerung der Bitte an die Kommission, einen Sonderbericht zur Untersuchung der Auswirkungen vorzulegen und zu ergreifende Maßnahmen vorzuschlagen.
Der Bericht von Herrn Moreno Sánchez trägt in hervorragender Weise dazu bei, Vorbehalte auszuräumen und eine Runde voranzubringen, die den Bestrebungen aller Beteiligten um Fortschritte gerecht wird.
Saïd El Khadraoui (PSE).–(NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter für seine großartige Leistung und seinen ausgezeichneten Bericht danken, und ich möchte drei mir wichtig erscheinende Punkte herausgreifen.
Erstens Transparenz, die von anderen Abgeordneten bereits angesprochen wurde. Der Inhalt der Verhandlungen sowie – unter der Voraussetzung ihres erfolgreichen Abschlusses – die tatsächlich gefassten Beschlüsse werden ganz ohne Zweifel für sehr viele Menschen erhebliche Folgen haben. Deshalb muss ein demokratisch gewähltes Parlament wie das unsrige unbedingt ständig und ausführlich über die Verhandlungen informiert und daran beteiligt wird. Die Verfassung wird uns in dieser Hinsicht zwar mehr Möglichkeiten bieten, doch möchte ich Sie, Herr Kommissar, dringend ersuchen, in den kommenden Monaten und Jahren mehr zu tun, als Sie streng genommen tun müssen, um das Parlament und – im weiteren Sinne – die Zivilgesellschaft mit einzubeziehen.
Zweitens muss der Welthandel fair sein. Alle sollten davon profitieren, insbesondere jedoch die Entwicklungsländer. Eines der Hauptziele sollte darin bestehen, mit einer neuen und maßgeschneiderten Handelspolitik die Armut in der Welt auszumerzen. Dazu müssen wir zunächst einmal sicherstellen, dass diese Länder bei den Verhandlungen die notwendige technische Hilfe erhalten, um ihren Verhandlungsspielraum zu erweitern und den Kapazitätsaufbau voranzubringen. Des Weiteren sollte das Ergebnis der Verhandlungen „entwicklungsländerfreundlich“, wie ich es bezeichnen möchte, sein. Dazu werden wir einigen politischen Mut aufbringen und Zugeständnisse machen müssen. Ich denke beispielsweise an den schrittweisen Abbau unserer Exportsubventionen, wofür meines Erachtens ein präziser Zeitplan aufgestellt werden muss.
Mein dritter und letzter Punkt betrifft die Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen, die wichtig ist und wodurch erhebliche Möglichkeiten geschaffen werden, doch müssen die Grenzen genau abgesteckt werden. Bestimmte Dienstleistungen, beispielsweise Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, sollten nämlich am besten nicht dem freien Markt überlassen werden. Sie sollten von den Verhandlungen ausgenommen werden und betreffen meiner Ansicht nach nicht nur Bildung und Gesundheit, sondern beispielsweise auch Wasser, die Quelle allen Lebens, wie vorhin schon gesagt wurde. Leider ist in einigen Entwicklungsländern heute zu sehen, welche verheerenden Folgen die Privatisierung der Wasserversorgung hatte. Deshalb hoffe ich, Herr Kommissar, dass Sie diese Ansicht teilen.
Peter Mandelson,Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich den Äußerungen meines Vorredners vorbehaltlos anschließen. Ich habe genau verstanden, wie er das mit dem Wasser und anderen wesentlichen öffentlichen Dienstleistungen gemeint hat. Seien Sie versichert: Nichts, was in dieser Runde geschieht, und schon gar nicht vonseiten der Politik, die die Kommission verfolgt, wird diese Grundinteressen und Erfordernisse des Lebens gefährden.
Wenn ich noch einmal auf Herrn Rübig zurückkommen darf: Wenn er sagt, dass die Runde mit einem gesunden Minimalkompromiss schließen sollte, dann hat er völlig recht. Es klingt so, als ob er sich auf eine Runde freut, die ohne ein Ziel endet. So hat er das nicht gemeint. Einen gesunden Minimalkompromiss zu erreichen, ist das Schwerste überhaupt. Zum Zeitpunkt dieser Aussprache heute Abend ist dieses Ende noch sehr weit entfernt. Aber wir nähern uns ihm an. Das sage ich aus zwei Gründen. Zum einen werden die Verhandlungsbefugnis und das Verhandlungsmandat der Vereinigten Staaten nicht endlos bestehen, um diese Runde aufrechtzuerhalten. Das dürfen wir nicht vergessen. Zweitens gibt es so etwas wie Verhandlungsmüdigkeit. Ich sehe bereits erste Anzeichen davon, eine Ungeduld, ein Verlangen danach, zum Ende zu kommen, um weitermachen zu können. Ich halte Ungeduld für förderlich. Ich hoffe, sie ist förderlich, und ich hoffe, dass diese Art von einsetzender Verhandlungsmüdigkeit die Menschen ermutigt, mit etwas offeneren Karten zu spielen, um sich auf die Endphase dieser Runde einzustellen, und nachdem alle Teile sich zu einem Ganzen gefügt haben, eine Runde zu sehen, aus der alle Menschen wirklich als Gewinner hervorgehen, jedoch nicht zuletzt und insbesondere jene Mitglieder der WTO, die am meisten auf ein erfolgreiches und ehrgeiziges Ende dieser Runde angewiesen sind.
Wenn ich an einige der heutigen Beiträge denke, so z. B. von Caroline Lucas und Herrn Graefe zu Baringdorf, so respektiere ich den Hintergrund Ihrer Äußerungen vorbehaltlos, doch weise ich Ihre Ablehnung der Prämissen und Grundprinzipien des internationalen Handelssystems entschieden zurück. Ich hoffe, Sie verzeihen mir, wenn ich an den enormen Nutzen erinnere, den die reicheren und besser gestellten Länder aus dem internationalen Handelssystem gezogen haben. Da wir nun solchen Erfolg hatten und es den entwickelten Ländern so gut geht und es uns in Europa nach Jahrzehnten des Freihandels so gut geht, kommt mir Ihr Ansatz so vor, als ob Sie die Leiter vor der restlichen Welt wegstoßen wollen, damit sie nicht aufschließen kann. Und das weise ich zurück. Ich sehe diesen Ansatz eher als Selbstverteidigung an. Natürlich ist der Handel nicht so etwas wie ein Zauberstab. Er ist natürlich auch keine Antwort auf die Entwicklungsbedürfnisse und –erfordernisse aller armen und schwachen Länder. Doch zugleich müssen wir anerkennen, dass kein Land sich verbessert hat oder zu Wohlstand gelangt ist, indem es sich vom Rest der Welt isoliert hat. Das liegt Ihrem Konzept zugrunde.
Ich stimme Ihnen zu, dass der Zugang zu Märkten allein nicht ausreicht. Man muss den armen Ländern helfen, Erzeugnisse zu produzieren, und zwar zunehmend Produkte mit größerer Wertschöpfung, um sie in die Lage zu versetzen, auf dem Weltmarkt mit Gewinn zu agieren. Nur Ihre Märkte zu öffnen bringt nichts. Der entscheidende Punkt besteht darin, den Menschen zu ermöglichen, in diesen Märkten zu produzieren und an diese zu liefern, und dieser Aspekt lag auch den Äußerungen von Frau Martens zu Beginn dieser Aussprache zugrunde. Ich stimme ihr voll und ganz zu, wenn sie die Aushöhlung der Präferenzen für viele von einem einzigen Rohstoff abhängigen Entwicklungsländer als ein großes Problem ansieht. Das ist eine äußerst schwierige Angelegenheit, und für uns in Europa stellt es eine enorme Herausforderung dar, den von einzelnen Produkten abhängigen Ländern effektive Hilfe und Unterstützung anzubieten.
Wenn wir über die Zuckerreform sprechen, um die es vorhin in der Aussprache ging, dann wissen wir um unsere Verantwortung, diese Reform nicht nur im Interesse der Menschen, die wir vertreten, bzw. der Menschen, die Sie im Parlament vertreten und deren Interessen ich ebenfalls vertrete, zu verwalten und voranzubringen. Jedoch müssen wir auch sicherstellen, dass die Anpassungs- und Aufbauhilfe, die wir den ärmeren, schlechter gestellten Entwicklungsländern zukommen lassen, für die der Zucker von absolut zentraler Bedeutung ist, nicht nur ihrer Wirtschaft, sondern auch der Struktur ihrer Gesellschaft nutzt. Solche Rohstoffe sind das Herzblut dieser Länder, und wir wissen um unsere Verpflichtungen und Verantwortung ihnen gegenüber.
Die Landwirtschaft ist zweifellos das komplizierteste und herausforderndste Verhandlungsthema in dieser Runde. Ich stimme Herrn Daul zu, dass wir nicht das ganze Gewicht dieser Runde auf die Landwirtschaft legen können. Ich denke, das habe ich in meinen einführenden Worten deutlich gemacht, und ich bin ganz seiner Meinung, dass die Landwirtschaft nicht die Zeche für die ganzen anderen Sektoren bezahlen darf. Ich möchte sicherstellen, dass wir in dieser Runde langfristig denken – ja, auch für die Zeit nach meiner Mitgliedschaft in der Kommission. Ich glaube zwar nicht, dass das bald sein wird, aber eines Tages werden andere übernehmen und Sie haben völlig Recht. Mit unseren jetzigen Maßnahmen und den Verhandlungen in dieser Runde müssen wir für Europas Landwirtschaft eine nachhaltige Zukunft sicherstellen. Wir dürfen sie nicht gefährden oder aufs Spiel setzen, und nichts, was ich oder die Kommission im Verlauf dieser Runde unternehmen, wird solch ein Risiko darstellen. Das heißt auch, dass Anpassungen verwaltet und Reformen und Wandel in Angriff genommen werden müssen, natürlich müssen wir das. Ich bin mir einer Sache ganz sicher: Man kann die Landwirtschaft nicht einfach dem freien Markt überlassen. Dies kann man schon allein im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit nicht tun, aber auch nicht im Hinblick auf die Bedeutung und das Gewicht, das wir ländlichen Gemeinschaften beimessen, die ein grundlegender Bestandteil unseres Lebensstils und der europäischen Zivilisation sind.
Wenn wir über Landwirtschaft und die Interessen jener Menschen debattieren, die im ländlichen Raum leben, ihrer Interessen in dieser Runde, dann unterstreicht das für mich die Bedeutung allen Erklärens, Rechtfertigens – Sie verwendeten, glaube ich, den Begriff „Werbens“ – in dieser Runde. Werben im wörtlichen Sinne ist das, was wir tun müssen. Wir müssen für den riesigen potenziellen Nutzen und Gewinn werben, der uns nach einem erfolgreichen und ehrgeizigen Abschluss dieser Runde in Aussicht steht. Wir müssen für das logische Grundprinzip unserer Verhandlungen werben; sie sind kompliziert, sie sind für den normalen Bürger schwer zu erfassen – weiß der Himmel, auch für mich sind sie manchmal schwer verständlich, und ich bin der Handelskommissar. Es sollte nicht als selbstverständliche Voraussetzung angesehen werden, dass wir im Rahmen dieser Runde einfach etwas verhandeln, hinter verschlossenen Türen beschließen und am Schluss einer dankbaren Öffentlichkeit vorlegen können, als ob dies das A und O der Einbeziehung der Zivilgesellschaft wäre.
Dies sage ich nicht nur, weil mir die Sensibilitäten, Ängste und Befürchtungen, die diese Verhandlungen mit sich bringen, äußerst bewusst sind – Handel ist wirklich ein sehr politisches Thema –, sondern weil damit auch die wichtige Rolle der Abgeordneten betont wird: Daran sind auch Parlamentsabgeordnete nicht nur dieses Parlaments, sondern aller Länderparlamente beteiligt. Und zwar aus zwei Gründen, zum einen wird durch die Parlamente in ihrer Arbeit und zum anderen durch deren genaue Überprüfung, Druck auf Leute wie mich ausgeübt, ihr Handeln zu erklären und zu rechtfertigen. Das halte ich für sehr wichtig. Und zweitens vertreten Sie die Zivilgesellschaft in repräsentativer und authentischer Weise, was für Nichtregierungsorganisationen nicht immer umfassend zutrifft. Durch Ihre genaue Überprüfung und Ihre Repräsentativität verleihen Sie diesem Prozess gewissermaßen Legitimität, die er ansonsten nicht hätte, wenn er einfach im Stillen und ohne transparente Arbeitsweise durchgeführt würde, ohne Rechenschaftspflicht darüber, was wir im Verlauf dieser Verhandlungen tun oder sagen. Daher schließe ich mich jenen Abgeordneten an, die auf die Notwendigkeit verwiesen haben, dass das Parlament und seine Abgeordneten eine Rolle spielen müssen. Es ist wahr, wenn wir eine Verfassung hätten, dann wären die Rolle und der Zugang der Abgeordneten dieses Hauses in eine offizielle Form gegossen. Doch auch ohne Verfassung ist unser Verhältnis schon sehr gut, wir haben es geschafft, informell alles Mögliche zu erreichen, und ich hoffe und sage voraus, dass wir mit der Zeit das auch in eine offizielle Form bringen können.
Was Dienstleistungen wie die Wasserversorgung und andere öffentliche Dienste anbelangt, die insbesondere unter der Bevölkerung Ängste hervorrufen, so ist es richtig, dass die Allgemeinheit, die Bürger, erleben, dass in ihrem demokratischen Forum, in diesem Parlament, ihre Ängste und Befürchtungen exakt zur Sprache gebracht und vertreten werden. Aus diesem Grunde bin ich jenen dankbar, die heute Abend das Thema Dienstleistungen so konstruktiv angesprochen haben. Ich hoffe, das trifft die Meinung derer, die, völlig zu Recht, die Rolle der Zivilgesellschaft dabei betont haben. Das betrifft auch die künftige Rolle und Leistung der WTO selbst, wie Herr Papastamkos in seinem Beitrag erwähnte, und was ich absolut akzeptiere.
Allen, die die WTO schärfer angreifen, möchte ich sagen: Ich kenne keine internationale Einrichtung und keine bessere Form einer globalen Regierung in unserer heutigen Welt, die der WTO in Sachen Demokratie gleichkommt – ja, jedes WTO-Mitglied, ob groß oder klein, stark oder schwach, hat eine Stimme und zwar genau eine. Die WTO trifft Entscheidungen und befindet über die Mächtigsten der Welt. Sie ist die einzige mir bekannte internationale Einrichtung, das einzige Organ der Weltordnungspolitik, das sich der Herrschaftsgewalt der Vereinigten Staaten entgegenstellen und diese herausfordern kann und damit durchkommt. Es ist die einzige Organisation, die ich kenne, die ihre Entscheidungen durchsetzen und zwischen Staaten vermitteln kann, unabhängig von deren Machtposition in der internationalen Gemeinschaft. Ich denke, das kann man begrüßen und feiern, und das ist meiner Ansicht auch etwas, worauf wir aufbauen sollten, statt es zu verurteilen.
Leider habe ich nicht auf alle gestellten Fragen eingehen können. Aber ich möchte abschließend Folgendes betonen: Wir müssen dringend dafür sorgen, die Entwicklung zum Herzstück der Runde zu machen; es ist für Doha und seine Grundwerte absolut zwingend. Wenn manche Redner heute Abend argumentiert haben, dass die Handelskapazität entscheidend ist, dann kann ich ihnen vorbehaltlos zustimmen. Das bedeutet, Hürden in Häfen zu überwinden, damit Handel ermöglicht werden kann. Aus diesem Grunde spielt dieser Teil unserer Verhandlungen meiner Meinung nach eine so wichtige Rolle. Es geht um die Fähigkeit, Waren auf den Markt zu bringen, die den Standards entsprechen, weshalb die Handelsunterstützung so entscheidend ist. In der Tat sind die Standards unserer gesundheitspolitischen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen, die der Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der europäischen Bürger und Verbraucher dienen, äußerst wichtig, und wir sollten an ihnen festhalten. Das erwarten unsere Bürger – die Menschen, die Sie vertreten – von uns. Doch zugleich müssen wir verstehen, dass diese Standards in den Augen vieler Entwicklungsländer große Hürden darstellen. Diese hohen Standards des Gesundheits- und Verbraucherschutzes sehen für Außenstehende wie Protektionismus aus. Sie sind es nicht, doch erlegen sie uns eine große Verpflichtung auf, nicht nur die Integrität unserer Standards zu bewahren, sondern auch aktiv auf die ärmeren Länder zuzugehen, um ihnen Unterstützung anzubieten und zu geben und sie in die Lage zu versetzen, diese Standards und Anforderungen zu erfüllen, anstatt davor zurückzuschrecken und dabei ihre Waren und ihre Angebote für unsere Märkte mitzunehmen.
Lassen Sie mich mit diesem Punkt zum Ende kommen. Ich stimme zu, dass die Gemeinsame Agrarpolitik in mancher Hinsicht etwas problematisch ist, doch kommt ihr eine hohe Notwendigkeit zu, sie ist Lebensgrundlage und Unterhaltsquelle und in vielerlei Hinsicht äußerst wichtig für die Erhaltung unserer ländlichen Gemeinschaften. Doch worin bestehen die Probleme? Die GAP ist wirklich nicht verantwortlich für die Probleme der Weltarmut heute. Europa hat weltweit die offensten Märkte zu bieten. Die Tendenz mancher, die Gemeinsame Agrarpolitik in eine Art Inkarnation des Bösen zu verwandeln, soweit die Entwicklungsländer betroffen sind, ist falsch verstanden und fehl am Platze. Natürlich ist sie reformbedürftig, und wenn ich kurz auf die von Herrn Ó Neachtain erwähnten Familienbetriebe eingehen darf - ich möchte auch kleine Landwirte schützen, aber ich möchte im Rahmen unserer Überlegungen über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik daran erinnern – und ich denke, das kann ich zu Recht sagen –, dass 75 % der GAP-Zahlungen an Landwirte mit über dem Durchschnitt liegenden Einkommen gehen. Wenn wir also über den Schutz von kleinen Landwirten sprechen und auch über den Schutz der Einkommen und des Lebensunterhalts einiger der schlechter gestellten Menschen, die Sie im Parlament vertreten, dann lassen Sie uns daran denken, das sie ebenfalls auf eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik angewiesen sind. Ja, das europäische Modell der Landwirtschaft soll geschützt, doch die Gemeinsame Agrarpolitik nicht für alle Zeiten in Aspik gegossen werden. Sie kann und sollte viel besser für jene Menschen funktionieren, die am dringendsten Hilfe benötigen.
Abschließend möchte ich sagen, wenn in Doha, in Hongkong und danach ein breiter Konsens erzielt werden kann, dann wird dies eine große Errungenschaft für die ganze Welt bedeuten. Wir würden eine Runde abschließen, die nicht nur eine oder zwei, sondern drei Kommissionen überdauert hat. Es ist ein großer Preis, ein wertvoller Preis, der in greifbare Nähe gerückt ist. Daher sollten wir meiner Meinung nach auf keinen Fall aufgeben, wie schwierig und anstrengend diese Runde auch sein mag, und wir werden es auch nicht tun. Für die Bedürftigsten und Ärmsten dieser Welt, aber auch zahllose Millionen unserer Mitbürger ist eine Menge zu erreichen. Es steht viel auf dem Spiel, der Einsatz ist hoch, und wir werden auf dieser Grundlage weitermachen, bis wir endlich Erfolg haben.
(Beifall)
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Verts/ALE).– Herr Präsident! Eine kurze Erklärung: Es ist eine falsche Interpretation von Herrn Mandelson, wenn er mir unterstellt, ich wolle die Armut in der Welt nicht angehen. Richtig ist, dass ich und auch unsere Fraktion uns Gedanken machen, wie wir die Menschen, die in Armut leben, an unserem Wohlstand teilhaben lassen können. Wir haben auch klare Vorstellungen, wie wir das machen. Herr Mandelson, ich hoffe, dass wir noch etwas stärker in die Auseinandersetzung kommen, damit Sie unsere Vorstellungen besser interpretieren können.