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Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 7. Juni 2005 - Straßburg Ausgabe im ABl.

27. Schutz von Minderheiten und Antidiskriminierungsmaßnahmen in einem erweiterten Europa
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  Der Präsident. Nach der Tagesordnung folgt der Bericht von Herrn Moraes im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zum Schutz von Minderheiten und den Maßnahmen gegen Diskriminierung in einem erweiterten Europa (A6-0140/2005).

 
  
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  Claude Moraes (PSE), Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident, dieser Bericht über den Schutz von Minderheiten und Antidiskriminierungsmaßnahmen in einer erweiterten Europäischen Union ist äußerst weit reichend. Die Abgeordneten des Hohen Hauses können bereits an der Überschrift erkennen, dass wir es im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres mit zwei sehr großen Bereichen zu tun hatten.

Erstens haben wir uns mit der Erweiterung und Vertiefung der Definition von Personen, die in der erweiterten Europäischen Union als Minderheiten zu betrachten sind, befasst. Wir sind aber auch auf noch offenen Fragen eingegangen, und zwar auf die Reaktionen auf das Grünbuch zur Bekämpfung von Diskriminierungen. Jeder der beiden Bereiche ist extrem breit gefächert und würde wahrscheinlich einen eigenen Bericht erfordern. Wir haben uns jedoch bemüht, diese beiden Themen in einem Bericht zusammenzufassen, und ich hoffe, dass ich die wesentlichen Punkte angesprochen habe, wie schwierig diese auch gewesen sein mögen.

Da dies ein komplizierter Bericht war, möchte ich gleich zu Beginn den Schattenberichterstattern und anderen hier anwesenden Kollegen für all ihre Unterstützung danken, durch die es möglich war, die Ziele dieses Berichts zu erreichen. Es war schwierig, und ein oder zwei Probleme müssen vor der morgigen Abstimmung noch geklärt werden.

Lassen Sie mich nun aber zum Kern dieses Berichts zurückkehren. Mir liegt sehr viel daran zu definieren, was unter einer Minderheit in der neuen erweiterten Europäischen Union zu verstehen ist. Wir wissen, dass der Schutz von Minderheiten Teil der Kriterien von Kopenhagen für die Erweiterung der Europäischen Union ist, aber uns ist auch bekannt, dass es keinen richtigen Standard für Minderheitenrechte in der Gemeinschaftspolitik gab. Und eben wegen dieser vorhandenen Lücke wollten wir dafür sorgen, dass der Bericht dem Versuch einer Definition wenigstens einen Schritt näher kommt.

Diese Definition ist sehr weit reichend. Sie umfasst sämtliche traditionellen Definitionen, wie wir sie in den 15 bisherigen Mitgliedstaaten aufgegriffen und in Artikel 13 EG-Vertrag zusammengefasst haben, wo von Minderheiten aufgrund von Behinderungen, des Alters, der Religion, der sexuellen Ausrichtung, der Rasse und der ethnischen Herkunft die Rede ist. Doch in der erweiterten Union müssen wir auch begreifen, dass es um traditionelle Minderheiten geht: sprachliche Minderheiten und nationale Minderheiten.

Wichtig ist auch, dass man nachvollzieht, wie sich das Wesen der Europäischen Union verändert. Bei einer Aussprache, die unlängst in diesem Haus stattfand, wurde festgestellt, dass die Roma die wahrscheinlich größte Minderheit in der Europäischen Union sind und deren Probleme eine rasche und tief greifende Lösung erfordern.

Dieser Bericht setzt sich also mit zwei Bereichen auseinander. Ich werde auf beide eingehen. Zunächst ein Wort zu den Reaktionen auf das Grünbuch und zu Artikel 13. Ich stelle in meinem Bericht fest, dass die Anwendung und Umsetzung der von der Kommission vorgeschlagenen und vom Parlament verabschiedeten Richtlinien und die Stärkung von Regelungen in Bezug auf Diskriminierungen aus Gründen einer Behinderung, des Alters, der Religion, der sexuellen Ausrichtung, der Rasse oder der ethnischen Herkunft viel zu schleppend erfolgt. Zu viele Mitgliedstaaten haben es versäumt, die geltenden Richtlinien anzuwenden, und obwohl die Rechtsvorschriften sehr gut sind und einige Mitgliedstaaten sie umgesetzt haben, fehlt in der Europäischen Union der Wille, Regelungen umzusetzen, die es bereits gibt. Ich hoffe, dieser Bericht wird auch die Kommission einen Schritt voranbringen – und ich weiß, dass sich die Kommission konsequent bemüht, die Mitgliedstaaten zur Verantwortung zu ziehen, doch hoffe ich, dass die Mitgliedstaaten selbst erkennen, welche Vorzüge die Umsetzung dieser Rechtsvorschriften mit sich bringt.

Regelungen auf der Grundlage von Artikel 13, die Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft und die Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind deshalb wertvoll, weil sie sich in der gleichen Weise auf die Minderheit der Roma anwenden lassen wie auf ethnischen Minderheiten angehörende Migranten, die in zweiter oder dritter Generation in Großbritannien, Frankreich oder Italien leben. Und das ist das Schöne an diesen Rechtsvorschriften: Sie sind leicht umzusetzen. Doch dazu bedarf es des politischen Willens der Mitgliedstaaten.

Zur Definition von Minderheiten. Hier müssen wir die Frage von traditionellen, nationalen und sprachlichen Minderheiten ernst nehmen. Wir müssen verstehen, dass es viele Menschen in der Europäischen Union gibt, die die für sie typischen Merkmale schützen wollen, aber sie empfinden sich als Minderheit und damit als potenziell benachteiligt. Dieser Bericht setzt sich mit diesen Problemen auseinander. Er versucht nicht, den Mitgliedstaaten Lösungen zu verordnen, sondern er strebt einen Standard in der Europäischen Union an, demzufolge Angehörige von Minderheiten gleichzeitig Bürger der Europäischen Union sind, die Achtung verdienen und das Recht haben, ihre kulturellen Traditionen, ihre Sprache oder sonstige Merkmale zu pflegen.

Abschließend möchte ich noch einmal feststellen, dass es sich um einen einen schwierigen Bericht handelt. Wir müssen aber klarstellen, dass die Art und Weise, in der ein Mitgliedstaat seine Minderheiten behandelt, ein Maß für die Fortschrittlichkeit dieses Mitgliedstaates ist. Das ist ein sehr wichtiger Prüfstein. Wir haben das bei den Kopenhagener Kriterien gesehen, und wir sehen es heute: Ein Mitgliedstaat lässt sich daran messen, wie er seine Minderheiten schützt, wie er die Vielfalt in seiner Bevölkerung schützt. Wir in der Europäischen Union verfügen bereits über die dafür erforderlichen Rechtsvorschriften. Wir müssen sie anwenden, und wir müssen eine Definition für Minderheiten erarbeiten, die für jeden annehmbar ist. Der Bericht war problematisch, aber ich hoffe, dass diese Definition für alle Abgeordneten dieses Hauses akzeptabel ist.

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich Herrn Moraes für seinen ausgezeichneten Bericht und dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie dem Ausschuss für Beschäftigung für ihre unschätzbaren Beiträge danken.

Die Förderung der Grundrechte, die Bekämpfung der Diskriminierung und der Kampf für die Chancengleichheit stellen für die Europäische Kommission eine Priorität dar. Auf eigene Initiative hin hat der Präsident der Kommission, Herr Barroso, eine Gruppe von Kommissionsmitgliedern eingerichtet, die sich mit der Ausarbeitung einer politischen Agenda für die Europäische Union in diesem Bereich befassen soll. Ihr Bericht, Herr Moraes, hat unsere Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit gelenkt, weitere Schritte zur Lösung der Probleme der Diskriminierung und der Lage der Minderheiten in der Europäischen Union zu unternehmen. Die Kommission teilt mehrere der von Herrn Moraes und anderen Abgeordneten geäußerten Befürchtungen.

Heute zählen die Antidiskriminierungsbestimmungen der Europäischen Union zu den Fortschrittlichsten der Welt. Im Jahr 2000 wurden zwei bedeutende Richtlinien angenommen, die die Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters, von Behinderungen oder der sexuellen Orientierung verbieten. Diese Richtlinien erweiterten die breite Palette der Gemeinschaftsbestimmungen im Bereich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Wie in Ihrem Bericht richtig festgestellt wird, besteht unsere wesentliche Aufgabe nun darin, dafür zu sorgen, dass diese Bestimmungen im gesamten erweiterten Europa wirkungsvoll funktionieren; mit anderen Worten, dass der Umsetzungsprozess der Bestimmungen auf nationaler Ebene abgeschlossen werden muss. Jedoch haben bestimmte Mitgliedstaaten die festgesetzten Fristen nicht eingehalten. Die Kommission nimmt ihre Rolle als Hüterin der Verträge in diesem Bereich sehr ernst und hat in mehreren Fällen Maßnahmen gegen Mitgliedstaaten eingeleitet, die ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind.

Ebenso müssen wir sicherstellen, dass sich die Menschen ihrer Rechte bewusst sind und dass sie daraus den vollen Nutzen ziehen können. Die Sensibilisierung hat für die Kommission Vorrang, und deshalb schlagen wir vor, dass die Europäische Union 2007 zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle deklariert. Dieses Europäische Jahr stellt eine ausgezeichnete Gelegenheit dar, alle Beteiligten zu mobilisieren und die Vorzüge der europäischen Vielfalt sowohl für die Wirtschaft als auch für die gesamte Gesellschaft hervorzuheben. Ich hoffe, dass wir uns bei diesem Vorschlag auf die Unterstützung des Europäischen Parlaments und auf Ihre aktive Mitwirkung an diesem Europäischen Jahr verlassen können.

Im Jahr 2004 führte die Europäische Kommission eine große öffentliche Anhörung zum Grünbuch über die Gleichstellung sowie die Nicht-Diskriminierung in einer erweiterten Europäischen Union durch. Nationale Gremien, mit der Gleichstellung befasste Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Sozialpartner und die allgemeine Öffentlichkeit sandten über 1 500 Antworten ein. Wir berücksichtigen bei den im Grünbuch erwogenen Fragen gern die Ansichten und Reaktionen des Europäischen Parlaments.

Im Hinblick auf das Grünbuch nahm die Kommission eine Erklärung zum Diskriminierungsverbot und zur Gleichberechtigung für alle an. In dieser Erklärung wird eine Rahmenstrategie für künftige Aktivitäten in diesem Bereich beschrieben. Diese Strategie geht über den bloßen Schutz der Rechte des Einzelnen hinaus und untersucht, wie die Europäische Union positive Maßnahmen zur Unterstützung der Integration sozialer Gruppen befördern kann, deren Teilnahme an der Gesellschaft beträchtliche strukturelle Hindernisse gegenüberstehen.

Außerdem wird die Kommission die potenziellen Auswirkungen und die Durchführbarkeit neuer Maßnahmen zur Ergänzung der bestehenden Bestimmungen der Europäischen Union im Bereich der Diskriminierungsbekämpfung bewerten. Diese Studie wird den jeweiligen Vorteilen legislativer und nicht legislativer Maßnahmen sowie den Kosten und Nutzen der verschiedenen alternativen Politiken Rechnung tragen sowie der Notwendigkeit, darauf zu achten, dass es keine Diskussion über den bestehenden Rechtsrahmen gibt, da das den derzeitigen Schutz gegen die Diskriminierung schwächen könnte.

Insbesondere macht sich die Kommission Sorgen über die ungewöhnlich ernste Situation im Hinblick auf den Ausschluss und die Diskriminierung der Roma-Gemeinden in der gesamten Europäischen Union, darunter auch in den Beitritts- und Kandidatenländern. Gegenwärtig versucht die Europäische Union, diese Probleme zu lösen, beispielsweise durch Anwendung ihrer Antidiskriminierungsbestimmungen und den gezielten Einsatz der finanziellen Mittel der Europäischen Union. Jedoch kann die Union in diesem Bereich nicht alleine tätig werden. Hier sind gemeinsame Anstrengungen von internationalen Organisationen, nationalen Gremien der Mitgliedstaaten und Vertretern von Bürgergruppen vonnöten. Jedoch stimme ich zu, dass wir nach den wirksamsten Möglichkeiten der Anwendung der Unionspolitiken und der politischen Programme zur Unterstützung der Integration der Roma suchen sollten.

Wie der Präsident, Herr Barroso, bestätigt hat, wird eine Gruppe von Kommissaren, die sich mit Grundrechten, Antidiskriminierung und Chancengleichheit befasst, diese Frage auf einer künftigen Sitzung erörtern.

 
  
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  Maria Matsouka (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich meinem Kollegen, Herrn Moraes, zu seiner mutigen Herangehensweise an das Thema Diskriminierung gratulieren.

Als Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten wäre ich froh, wenn wir heute über Entwicklung, Zusammenarbeit, Solidarität, Toleranz sowie eine angemessene und gerechte Verteilung des erzeugten Reichtums sprechen könnten.

Leider stellt dies jedoch eher eine theoretische Annäherung an die Realität dar, die in beunruhigender Weise immer mehr Formen der Diskriminierung zum Vorschein bringt. Die Vision trifft überall auf einen mächtigen Feind.

Es ist eben gerade die Liberalisierung der Wirtschaft, die die Hauptursache für die Verschärfung der wirtschaftlichen Disparitäten darstellt und die individuellen Aktivitäten zu Lasten der sozialen Kollektivität fördert. Sie bildet den grundlegenden Faktor, der fremdenfeindliche Tendenzen stärkt, der die Arbeitsbeziehungen sprengt, ein neues Heer von Arbeitslosen schafft und der eine spezifische Form sozialen Rassismus gegen ältere Menschen und Behinderte hervorbringt. Deshalb ist die wirtschaftliche Liberalisierung der stärkste Verbündete der Diskriminierung, deren Bekämpfung wir in den Mittelpunkt unserer politischen Arbeit stellen müssen.

Auch die jüngste Ablehnung des Verfassungsentwurfs durch die französische und niederländische Bevölkerung birgt offensichtlich Gründe in sich, die in engem Zusammenhang mit einigen Formen der sozialen Diskriminierung, wie Arbeitslosigkeit, Armut und Angst um die Zukunft des Sozialstaats, stehen.

Schließlich müssen wir über die theoretischen Texte hinaus auch im substanziellen Bereich, in der Praxis vorankommen. Unsere Pflicht ist es, den kommenden Generationen eine Gesellschaft zu hinterlassen, in der die Rasse, die Religionszugehörigkeit, das Geschlecht, die Herkunft oder die sexuelle Orientierung keine Gründe für eine diskriminierende Behandlung darstellen. Wir müssen für ein soziales Europa kämpfen, das die Menschen an die erste Stelle stellt, ein Europa, an dem sich alle Bevölkerungsgruppen beteiligen und das in Bildung, Vollbeschäftigung, Lebensqualität und Armutsbekämpfung investiert. Das schulden wir den Kindern auf der ganzen Welt.

 
  
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  Edit Bauer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (HU) Die Arbeit des Berichterstatters war in diesem Fall bahnbrechend, und dafür möchte ich ihm danken. Es stimmt, dass die Antidiskriminierung in mehreren Berichten angesprochen wird, doch dieser geht einen Schritt weiter als die bisherigen Berichte. Der Schutz von Minderheiten umfasst mehr als einfach nur das Verbot der Diskriminierung; das politische Denken geht ein bisschen mehr in Richtung Schaffung von Chancengleichheit. Wenn jedoch die beiden Themen miteinander verknüpft werden, ergeben sich zahlreiche Probleme, und daher ist der Bericht letztendlich sehr umfangreich; das Thema ist komplex, und so werden im Bericht zahllose neue Zusammenhänge untersucht.

In erster Linie geht es im Bericht um den Schutz von Minderheiten. Da die Minderheitenrechte einen integralen Bestandteil der Menschenrechte bilden und diese zu den unbestreitbaren Grundwerten des europäischen Raums zählen, besteht kein Zweifel daran, dass das auf der Tagesordnung stehende Thema zweifelsohne wichtig und unvermeidlich ist. In einem sich erweiternden Europa ist es nur recht und billig, wenn bei einer solchen Frage das Problem des zweierlei Maßes aufkommt. In den Kopenhagener Kriterien wurden die Erwartungen der EU zum Schutz von Minderheiten zwar eindeutig festgelegt, jedoch sind die Mitgliedstaaten bisher nicht verpflichtet, ihre Minderheitenpolitik entsprechend anzupassen. In den neuen Mitgliedstaaten, die vor dem Beitritt ihre Minderheitenpolitik mit Europa in Einklang gebracht haben, besteht die Gefahr, dass eine Zunahme des Nationalismus diesen Prozess nicht nur zum Stillstand bringen, sondern auch zu einer Erhöhung der gegen die Minderheiten gerichteten Vorkommnisse führen könnte. Deshalb ist in der Tat ein Überwachungssystem erforderlich.

Die spezifischen Probleme, die sich bei der Erstellung des Berichts ergaben – Probleme, die auf die unterschiedlichen Situationen der verschiedenen Minderheiten einerseits und den universellen Charakter der Menschenrechte andererseits zurückzuführen sind –, lassen klar erkennen, dass wir in der Union eine solche Politik brauchen. Ich befürworte vor allem den Abschnitt des Berichts, in dem hervorgehoben wird, dass diese Politik auf den grundsätzlichen europäischen Prinzipien der Subsidiarität und Selbstverwaltung beruhen muss.

 
  
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  Martine Roure, im Namen der PSE-Fraktion. (FR) Herr Präsident! Eine der grundlegenden Erwartungen der Bürger der Europäischen Union ist, dass ihre Rechte besser geschützt werden. Wie wir alle wissen, kann das Recht, frei zu sprechen und zu schreiben, seine Vertreter zu wählen und so zu leben, wie man möchte, für diejenigen, die in ihrem Alltagsleben nicht über die nötigen materiellen Mittel zur Gewährleistung ihrer Würde verfügen, ohne eigentliche Bedeutung sein.

Die Aufnahme der Grundrechtecharta in den Verfassungsvertrag stellt für die europäischen Bürger einen erheblichen Fortschritt dar. Daran zeigt sich, dass der Schutz der Rechte der Bürger im Mittelpunkt des europäischen Aufbauwerks steht, und in Artikel 1 wird die vorrangige Bedeutung der Würde des Menschen erneut bekräftigt. Die Charta besitzt somit tatsächlich auch eine rechtliche Dimension. Hoffen wir, dass dies der Fall sein wird.

In dem Bericht meines Kollegen, Herrn Moraes, wird darauf hingewiesen, wie wichtig die Grundrechte und insbesondere der Schutz der Minderheiten in einem erweiterten Europa sind. Leider müssen wir feststellen, dass Artikel 13, der der Gemeinschaft die Aufgabe zuweist, alle Formen der Diskriminierung zu bekämpfen, sowie die europäischen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet von den Mitgliedstaaten unzureichend oder nur teilweise umgesetzt worden sind. Deshalb kommt es vor allem darauf an, unbedingt für eine bessere Umsetzung, für eine bessere Anwendung der einschlägigen EU-Vorschriften Sorge zu tragen. Im Übrigen sind wir der Auffassung, dass eine wirksame Bekämpfung der Diskriminierung mit einer gemeinsamen, kohärenten europäischen Integrationspolitik Hand in Hand geht.

Armut und soziale Ausgrenzung schließlich stellen eine Form der Diskriminierung dar, und die Ausmerzung der Armut muss Bestandteil der Politik zur Bekämpfung von Diskriminierungen bilden. Wir müssen Mechanismen einrichten, durch die von Ausschluss und Armut betroffene Personen einen angemessenen Zugang zu Beschäftigung und Wohnraum erhalten und ihre Vertretung in politischen Gremien sichergestellt wird.

 
  
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  Sophia in 't Veld, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, ich möchte den Berichterstatter zu einer immensen Leistung beglückwünschen, die mit bisweilen nervenaufreibender Arbeit verbunden war. Er hat sich mit einer hoch interessanten Thematik befasst. In unserer erweiterten Europäischen Union stellen sich vollkommenen neue Fragen. Mir persönlich ist klar geworden, dass die Europäische Union im Gegensatz zum Schmelztiegel USA ein unerschöpfliches, buntes und wunderschönes Mosaik der Vielfalt ist, etwas, worauf wir stolz sein und das wir hegen und pflegen sollten. Wir haben den ersten Schritt auf dem Weg einer sehr wichtigen Diskussion getan.

Die Europäische Union muss die Rechte von Minderheiten respektieren, aber wir dürfen nicht vergessen, dass letztlich jeder Bürger auch ein Individuum ist und dass jeder Bürger deshalb Anspruch auf dieselben Rechte hat. Zweitens sollte die Europäische Union die kulturelle Identität von Minderheiten respektieren, aber wir müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass dies nicht die umfassende Integration in die Gesellschaft und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verhindern darf.

Was die Frage der Nichtdiskriminierung betrifft, so ist es bedauerlich, dass wir nach so vielen Jahren noch immer diese Debatte führen müssen. Wie meine Vorrednerin sagte, gibt es noch immer viele Gruppen wie beispielsweise Frauen, die diskriminiert und in ihrer Entwicklung behindert werden.

Ich möchte speziell auf einen Absatz eingehen, den ich bedenklich finde, und zwar den Absatz über die Rechte homosexueller Bürger. Wir sollten uns gegenüber in diesem Punkt fair sein. Grundrechte sind für alle Bürger da, nicht nur für einige Gruppen. Wenn es uns mit der Charta der Grundrechte, in der es heißt, dass niemand aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung diskriminiert werden sollte, ernst ist, dann können wir morgen unmöglich für einen Änderungsantrag stimmen, der die Streichung eines Absatzes über Homophobie und Einschränkungen der Freizügigkeit fordert.

Wir haben heute Morgen über Terrorismus und das richtige Maß in Bezug auf Grundrechte gesprochen. Deshalb hoffe ich, dass dieses Haus diesem Bericht morgen von ganzem Herzen zustimmen wird.

 
  
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  Tatjana Ždanoka, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Immer dann, wenn der Prozess der europäischen Integration in die Krise gerät, denke ich an Yehudi Menuhin, der sinngemäß sagte, dass Europa untergehen wird, wenn es sich nicht zu einem Europa der kulturellen Vielfalt entwickelt. Er sagte das im Januar 1999 anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung über europäische Minderheiten. Wir alle kommen regelmäßig an dem Raum vorbei, in dem die Ausstellung stattfand und der jetzt seinen Namen trägt.

Wir diskutieren heute über den Bericht zum Schutz von Minderheiten und Maßnahmen gegen Diskriminierung, der für die Zukunft der Union von entscheidender Bedeutung ist und über den wir morgen abstimmen werden. Dieser Bericht stellt in der vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres angenommenen Form ein ausgezeichnetes Dokument dar und macht deutlich, dass sich die Union unter Berücksichtigung der darin enthaltenen Punkte zu einem Raum entwickeln kann, in dem die Grundrechte einschließlich der Rechte von Minderheiten effektiven Schutz genießen. Trotzdem wurde der Bericht nur von reichlich der Hälfte der Ausschussmitglieder befürwortet. Diese geteilte Meinung scheint sich im Parlament insgesamt fortzusetzen.

Woran liegt das? Vielleicht daran, dass viele von uns Minderheitenrechte unterschiedlich oder gar nicht verstehen. Merkwürdig ist, dass wir uns einig sind, wenn es darum geht, der übrigen Welt vorzuschreiben, wie Menschenrechte zu respektieren sind und die Demokratie zu entwickeln ist. Trotzdem sind wir nicht bereit, einen Text zu unterstützen, der uns zur Achtung dieser Rechte innerhalb der Union verpflichtet.

Wieso schweigen wir, wenn die Mitgliedstaaten den Geist internationaler Verträge für den Schutz der Menschenrechte wie des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten ignorieren?

Ich glaube, dass die Mehrheit der Abgeordneten morgen den Text in der vom Ausschuss angenommenen Fassung befürworten und damit einen Beitrag zur Förderung eines Europa der kulturellen Vielfalt leisten wird.

 
  
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  Giusto Catania, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Moraes für die gute Arbeit, die er bei der Ausarbeitung dieses Textes geleistet hat, danken, denn in Europa bedürfen wir ganz konkret des Schutzes von Minderheiten und der Entwicklung praktischer Maßnahmen gegen Diskriminierung. Ich vermute, dass alle EP-Mitglieder just in diesen Stunden Ziel regelrechter Lobbyarbeit von Bürgern der Europäischen Union waren, die von uns sogar die Streichung einiger Ziffern des Berichts Moraes verlangten.

Wir behaupten oft, die Minderheiten zu verteidigen, um dann jedoch ungeheure Scheinheiligkeit an den Tag zu legen, wenn es um die Religionsfreiheit oder die Anerkennung der Freizügigkeit und der Ehe gleichgeschlechtlicher Partner geht. Einige Themen sind tabu: beispielsweise erreichte uns heute die Nachricht, dass selbst in Catania, einer zivilisierten Stadt in Italien, einem italienischen Staatsbürger wegen seiner Homosexualität der Führerschein verwehrt wurde. Ich glaube, das sagt auch eine Menge darüber aus, wie hoch die Garantien sein müssen, die wir gegen die Diskriminierung aktivieren müssen, und dass es zudem sinnvoll wäre, eine Initiative auf den Weg zu bringen, die sicherstellt, dass gegenüber den Minderheiten nicht nur Toleranz geübt wird, sondern dass sie auch wirklich in die Gesellschaft einbezogen werden.

 
  
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  Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Ich habe damals die Aufnahme von Artikel 13 in den EG-Vertrag nicht befürwortet. Und zwar nicht deshalb, weil ich Diskriminierung dulde, ganz im Gegenteil, sondern weil ich es nicht für erstrebenswert halte, dies auf europäischer Ebene zu regeln. Es obliegt den Mitgliedstaaten, die richtigen Vorschriften zu erlassen. Es überrascht mich nicht, dass Herr Moraes in seinem Bericht feststellt, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Politik keine Eile haben. Das Vorgehen auf EU-Ebene bringt offensichtlich keinen Zugewinn. Religion ist keine persönliche Angelegenheit, sie muss in einer Gemeinschaft ausgeübt werden und in der Lebenseinstellung Ausdruck finden. In der Art und Weise, wie in Ziffer 22 angedeutet wird, im Bildungsbereich gebe es Diskriminierung aufgrund der Religion, wird über die Bedeutung religiöser Anschauungen für die Identität der Bildung hinweggegangen.

Ich bin zudem Frau in 't Veld für Änderungsantrag 4 dankbar. Diskriminierung von Christen sollte mit derselben Beharrlichkeit bekämpft werden wie andere Formen der Diskriminierung.

 
  
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  Romano Maria La Russa, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst beglückwünsche ich den Berichterstatter zu seinem großen Einsatz, den er bei der Erstellung dieses Berichts gezeigt hat, den ich allerdings noch für unvollständig und zweifellos wenig effizient halte. Der Schutz der Grundrechte, der ein Schlüsselelement des europäischen Einigungswerks war, und die im Jahr 2000 in Nizza proklamierte Charta der Grundrechte bestätigen die Bedeutung wie auch die Notwendigkeit einer kohärenten Integrationspolitik, die, insbesondere im Lichte der jüngsten EU-Erweiterung, auf den Minderheitenschutz und auf die Förderung der Integration von Drittstaatsangehörigen gerichtet ist.

Wir alle erklären übereinstimmend, dass die Diskriminierung eine Erscheinung ist, die bekämpft werden muss, dass alle Menschen die gleichen Rechte genießen müssen und dass sich niemand aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion usw. benachteiligt fühlen darf. Trotzdem glaube ich, dass die soziale Integration der Einwanderer, der Schutz der Minderheiten und der kulturellen Vielfalt – prioritäre Zielsetzungen der EU-Verfassung – nicht immer und um jeden Preis erreicht werden müssen. Gestatten Sie mir, meine Bedenken hinsichtlich jener Einwanderergemeinschaften zum Ausdruck zu bringen, in denen es klare Anzeichen für ihre Unduldsamkeit – um nicht zu sagen, Geringschätzung – gegenüber dem Aufnahmeland, seinen Traditionen, seiner Geschichte und seiner Kultur gibt; meine Bedenken hinsichtlich derjenigen, die eine unrechtmäßige Autonomie verlangen und es als ihr Recht ansehen, die Gesetze des Staates, in dem sie sich – oftmals illegal – aufhalten, zu missachten. Sie sind die Ersten, die sich nicht integrieren wollen.

Zweifellos muss Einwanderern ein legaler Status verliehen werden, so dass diejenigen, deren Situation in Ordnung ist, nicht diskriminiert werden dürfen, sofern sie eindeutig ihren Willen erkennen lassen, sich zu integrieren und aktiv zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung ihres Aufnahmelandes beizutragen. Wird indessen jedwedes Recht um jeden Preis – systematisch und bedingungslos – garantiert, entsteht die Gefahr, dass die Einzigen, die sich diskriminiert fühlen, die Unionsbürger sein werden, die alle steuerlichen und gesellschaftlichen Pflichten gegenüber dem Staat erfüllen und dessen Regeln einhalten.

Was schließlich die Passage anbelangt, in der es um Homophobie und homosexuelle Paare geht, so muss ich naturgemäß meine völlige Ablehnung bekunden, denn die „Familie“ gibt es für mich nur im traditionellen Sinne: einen männlichen Vater, eine weibliche Mutter und die Kinder, wie sie kommen, Jungen und Mädchen. Leider ist meine Redezeit vorüber, doch hätte ich diese Themen gern in diesem Hohen Haus ausführlicher behandelt, wie ich es für notwendig hielt.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (PSE). (FR) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Moraes zu seinem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen, und wenn Sie, Herr Moraes, von Nationalisten und Homophoben attackiert werden, seien Sie unbesorgt, denn dies wird ein Beweis sein, dass Sie einen hervorragenden Bericht erstellt haben.

Als Vorsitzender der Interfraktionellen Arbeitsgruppe für traditionelle nationale Minderheiten möchte ich folgende Punkte hervorheben. Erstens, die Europäische Union verfügt über kein System zum Schutz nationaler Minderheiten. Wie Frau Bauer in ihrer Stellungnahme vorgeschlagen hat, müssen rechtliche und politische Standards zum Schutz nationaler Minderheiten und für ein Überwachungssystem festgelegt werden.

Zweitens, zwischen den traditionellen nationalen Minderheiten im Bericht von Herrn Moraes und den Minderheiten mit Migrationshintergrund des Europarats muss ein Unterschied gemacht werden. Ich habe vorgeschlagen, die Minderheiten mit Migrationshintergrund als neue Minderheiten zu bezeichnen. Die Grundrechte sind unteilbar, der Staat hat aber unterschiedliche Pflichten: Im Falle der traditionellen Minderheiten muss der Schutz ihrer Identität und Sprache gewährleistet werden; bei den Minderheiten mit Migrationshintergrund geht es um die Gewährleistung ihrer Integration in die Gesellschaft.

Drittens, in der Europäischen Union muss das Verhältnis zwischen Nichtdiskriminierung und positiver Diskriminierung klargestellt werden. Wir haben einige Nichtdiskriminierungsbestimmungen, die aber nicht eindeutig sind. Welches Verhältnis besteht zwischen Gleichbehandlung und Vorzugsbehandlung? Ohne Vorzugsbehandlung oder positive Diskriminierung können die Rechte nationaler Minderheiten nicht garantiert werden. Werte Kolleginnen und Kollegen, ich fordere Sie auf, diesen exzellenten Bericht uneingeschränkt zu unterstützen.

 
  
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  Henrik Lax (ALDE). (SV) Herr Präsident! Die neuen Mitgliedstaaten haben neue sprachliche und nationale Minderheiten in die EU gebracht, die nun noch mehr von einer sprachlichen Vielfalt gekennzeichnet ist. Das stellt neue Anforderungen an die Minderheitenpolitik der Union, die in diesem Bericht lobend erwähnt wird.

Bereits jetzt haben 46 Millionen Einwohner der EU eine andere Muttersprache als die Hauptsprache ihres Landes. Die Tatsache, dass die Anzahl der Abgeordneten jedes Mitgliedstaates mit der EU-Erweiterung reduziert wurde, stellt ein Problem dar, denn es sind die sprachlichen und nationalen Minderheiten, die als erstes aus dem Europäischen Parlament herausfallen. Bei der letzten Erweiterung sind vier Minderheiten aus dem Parlament verschwunden, und wenn keine Maßnahmen dagegen ergriffen werden, wird sich dieser Prozess fortsetzen. Diese Frage berührt das Fundament der Demokratie, da jeder von dem Organ vertreten und anerkannt sein sollte, dessen Gesetzgebung er untersteht.

Wie der Berichterstatter ganz richtig erklärt hat, ist eine Voraussetzung für eine integrierende Minderheitenpolitik eine angemessene Vertretung bei der politischen Beschlussfassung. So wie die Erweiterungen jetzt geplant sind, werden so gut wie alle Minderheiten aus dem Parlament verschwinden, was nicht erstrebenswert ist.

Dieses Problem könnte beispielsweise dadurch gelöst werden, dass die EU 30 Parlamentssitze speziell für sprachliche Minderheiten reserviert. Natürlich wird es schwer, diese genau zu definieren, aber dieses Problem darf auch nicht überbewertet werden. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Volksgruppen, die in ihrem Land eine anerkannte Stellung haben und nicht anonym oder unsichtbar sind.

Europas Vielfalt muss sichtbar gemacht werden. Wenn man die europäischen Minderheiten der Möglichkeit einer noch so geringen Repräsentation beraubt, ist das eine ernste Angelegenheit, die Auswirkungen auf die Sicherung der Stabilität auf unserem Kontinent hat. Viele Kriege in Europa waren die Folge der Unterdrückung kleinerer Gruppen durch Mehrheiten. Ich hoffe, Parlament und Kommission werden sich dieser Frage annehmen.

 
  
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  Jean Lambert (Verts/ALE). (EN) Herr Präsident! Auch ich möchte Herrn Moraes für die Erarbeitung dieses ausgefeilten Berichts danken, der, wie einige meiner Vorredner bereits sagten, deutlich macht, dass die Europäische Union immer komplexer wird

Im Moment beschäftigen wir uns mit der Frage, wessen Europa wir da eigentlich gestalten, und so wie einige andere Berichte, mit denen wir uns heute Abend beschäftigen, geht aus diesem Bericht klar hervor, dass dies ein Europa ohne Ausgrenzung sein muss, dessen Bürger gleiche Chancen bei der Entfaltung ihrer Möglichkeiten genießen. Wir müssen sich immer deutlicher abzeichnende Entwicklungen bekämpfen, deren Grundlage Hass und Ausgrenzung bilden, Erscheinungen, die innerhalb dieser Europäischen Union für viele von uns völlig inakzeptabel sind.

Ich begrüße die Tatsache, dass der Bericht die Tätigkeit lokaler Gebietskörperschaften und anderer bürgernaher Gruppierungen anerkennt, denn vor unseren Augen vollzieht sich eine Art kultureller Umschwung, der die Europäische Union in die Breite wachsen lässt. Ich unterstütze die Feststellung von Herrn Moraes zu den Richtlinien auf der Grundlage von Artikel 13. Ich hoffe, dass der nächste Ratsvorsitz dieser Thematik Priorität einräumen wird, damit wir zumindest über die entsprechenden Regelungen verfügen, wenn wir 2007 das Jahr der Chancengleichheit begehen.

 
  
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  Mary Lou McDonald (GUE/NGL). (EN) Herr Präsident! Es klafft eine Lücke zwischen den schönen Worten der EU von Gleichheit, sozialer Eingliederung und Vielfalt und der erfahrbaren Realität in den Mitgliedstaaten. In diesem Bericht wird zu Recht festgestellt, dass die Frage der Minderheitenrechte bisher in der EU einen zu geringen Stellenwert hat. Der Bericht erwähnt zudem, wie viel noch zu tun bleibt, um die Kluft zwischen den schönen Worten und der Realität zu überbrücken. In der begrenzten mir zur Verfügung stehenden Zeit möchte ich zwei Forderungen unterstützen, die in dem Bericht gestellt werden.

Von entscheidender Bedeutung für die Durchsetzung und den Schutz von Minderheitenrechten ist der politische Wille. In diesem Zusammenhang wiederhole ich die Forderung des Berichts nach raschen Fortschritten in Bezug auf den Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Von wesentlicher Bedeutung ist ferner die Verfügbarkeit von umfassenden, zuverlässigen und aufgeschlüsselten Daten zur Diskriminierung. Der Bericht verweist zu Recht darauf, dass in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht, der keinen Aufschub duldet.

Ich beglückwünsche Herrn Moraes und begrüße die Feststellung, dass Gleichbehandlung ein Grundrecht darstellt und kein Privileg und dass Menschenrechte unteilbar und unveräußerlich sind. Unser aller Aufgabe besteht nun darin, Mechanismen einzurichten und vor allem Ressourcen bereitzustellen, damit diese Ziele erreicht werden können.

(Die Rednerin spricht Irisch.)

 
  
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  Ģirts Valdis Kristovskis (UEN). (LV) Meine Damen und Herren! Die im Bericht von Claude Moraes dargelegten Ziele sind wichtig, und der Berichterstatter hat bei der Suche nach der Wahrheit persönliches Verantwortungsbewusstsein gezeigt, doch gilt es gleichzeitig festzuhalten, dass sich bei der Erarbeitung des Berichts wieder einmal gezeigt hat, dass es bei der Schaffung einer gemeinsamen Minderheiten- und Antidiskriminierungspolitik in Europa absolut unerlässlich ist, die besondere, einzigartige, historische und politische Situation jedes Landes zu berücksichtigen. Es muss respektiert werden, dass es für ein Land wichtig ist, bei der Lösung der Probleme von Minderheiten und der gegen sie gerichteten Diskriminierung seine Identität und Rechtsprechung zu bewahren. Bei der Erarbeitung dieses Berichts wurde wiederholt festgestellt, dass einzelne Abgeordnete diese Regel in ihren Vorschlägen nicht beachtet haben; diese Abgeordnete sind der Sachlage unkundig oder tendenziell voreingenommen, was zu den ungerechten Beschwerden über die Minderheitenpolitik Lettlands und Estlands führt. Das ist absurd, denn die Haltung den Minderheiten gegenüber ist in Lettland keinesfalls weniger entgegenkommend als in anderen Ländern.

Meine Damen und Herren, unter Berücksichtigung dieser wiederholten offenen, ungerechtfertigten und ununterbrochenen Angriffe gegen die beiden Staaten, die unter dem totalitären Sowjetregime am meisten zu leiden hatten, fordere ich Sie auf, endlich zu verstehen und anzuerkennen, dass in verschiedenen Fällen nach einer Problemlösung gesucht werden muss, die nicht dem Standard entspricht, sondern dass eine Minderheitenpolitik geschaffen werden muss, die individuell auf die Verhältnisse in jedem einzelnen Land zugeschnitten ist. So hat beispielsweise unsere Kollegin Tatjana Ždanoka den Versuch unternommen, in jeden nur erdenklichen Text des Entschließungsantrags die Frage der Nichtstaatsangehörigen aufzunehmen, die speziell auf Lettland zutrifft: Sie versuchte, sie in den Vordergrund zu stellen und Europa mit den über 400 000 Nichtstaatsangehörigen zu erschrecken, und sie schuf eine Situation, in der in vielen Teilen der Schlussfolgerungen des Berichtstexts verschiedene rechtliche Begriffe und solch grundsätzlich unterschiedliche Konzepte wie beispielsweise ethnische Minderheiten, Einwanderer, Flüchtlinge, Staatenlose und Nichtstaatsangehörige, die nicht dasselbe bedeuten, durcheinander gebracht wurden. Im Ergebnis ist der Bericht weniger objektiv und von geringerer Qualität.

Es ist an der Zeit, sich daran zu erinnern, dass die Unterdrückung und Vernichtung der eingeborenen baltischen Völker und der Zustrom von Wirtschaftsmigranten der Grund dafür sind, dass sich während der Besatzung Estlands und Lettlands die ethnische Zusammensetzung der Einwohner dieser Staaten bedeutend verändert hat, was zu vergleichsweise vielen Nichtstaatsangehörigen mit fremden Ideologien führte. Lettland hat sich sehr fair verhalten, und die Legislative hat ihrerseits den Menschen, die während der Besatzungszeit dort angesiedelt wurden, Sonderrechte zugestanden – Rechte, sich jederzeit einbürgern zu lassen. Viele wollten das nicht, doch das sollte als Ausdruck ihres individuellen Wunsches und nicht als Beschwerde gegen diese Länder betrachtet werden. Nicht nur die Anzahl der Bürger, sondern auch ihre Loyalität, ihre Achtung für das Land, seine Sprache und Werte sollte das Kriterium für die Erlangung der Staatsbürgerschaft und die Festigung der Gesellschaft darstellen. Übertreibungen sollten vermieden werden, und man muss einsehen, dass zum Beispiel im Falle Lettlands eine abgewertete Gewährung der Staatsbürgerschaft unter dem Einfluss äußeren Drucks eine Diskriminierung gegen das einheimische Volk darstellen würde, und seine Identität sowie die Existenz des Staates stark gefährdet wären.

 
  
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  Panagiotis Beglitis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Der Schutz von Minderheiten sollte nicht nur eines der elementaren politischen Kriterien von Kopenhagen für die Kandidatenländer darstellen, sondern auch einen dynamischen Indikator für die Demokratisierung und Konsolidierung demokratischer Institutionen bilden. Deshalb muss die Europäische Union das Verhalten aller Kandidatenländer streng beurteilen und überwachen, und zwar ohne die selektiven Sensibilitäten und Berechnungen, die häufig von bestimmten Interessen und kurzfristigen politischen Zielsetzungen geleitet sind.

Das Thema Minderheiten sollte nicht dazu dienen, nationale Interessen zu propagieren bzw. andere Länder zu unterminieren. Die Philosophie der Eskalationsstrategie, die religiöse und ethnische Minderheiten als eine Brechstange benutzt, ist eine Quelle der Spannung, des Konflikts und der Kultivierung gegenseitigen Misstrauens, die letztendlich zu Lasten der Minderheiten geht.

Die Minderheiten in Europa können im Hinblick auf die Zusammenarbeit und die Konsolidierung der Sicherheit eine Vermittlerrolle spielen. Der Bericht Moraes bemüht sich, in Anlehnung an die Begriffserklärung des Europarats eine Definition der ethnischen Minderheit zu geben. Meiner Ansicht nach sollte der Bericht jedoch insbesondere in Ziffer 7, in der es um die Definition geht, einen klaren Bezug auf die internationalen Verträge enthalten, die die Belange religiöser und ethnischer Minderheiten regeln.

Ein internationaler Vertrag bildet eine feste Grundlage für den Schutz der Minderheitenrechte sowie einen sicheren Rahmen zur Überwindung von Politiken, mit denen Minderheiten für anderweitige Zwecke ausgebeutet werden.

Nach diesen Ausführungen möchte ich Herrn Moraes nun zu seinem exzellenten Bericht gratulieren, den wir meiner Meinung nach morgen annehmen sollten.

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE). (EN) Herr Präsident! Meiner Ansicht nach sagt die Art und Weise, wie wir mit unseren Minderheiten umgehen, etwas über die Stärke unserer Demokratie aus. Es ist ja wohl so, dass kein Mitgliedstaat in Bezug auf die Ausgestaltung der allgemeinen Menschenrechte ohne Fehler ist.

In Vielfalt geeint – das ist nicht nur ein Slogan. Dieser Leitsatz muss in die Tat umgesetzt werden, weil er für den menschlichen Fortschritt in unseren Mitgliedstaaten, und ich würde sogar sagen, für das Überleben der Europäischen Union überhaupt von wesentlicher Bedeutung ist. Herr Moraes war sehr fleißig und hat einen ausgewogenen und sehr guten Bericht erarbeitet. Wir haben in Irland in Bezug auf die Gleichberechtigung der Frau und die Rechte von Fahrenden und Homosexuellen noch immer nicht die Fortschritte erzielt, die erforderlich sind. Ich weiß auch, dass andere Mitgliedstaaten Versäumnisse hinsichtlich der Gewährung der vollen Staatsbürgerschaft für ihre Minderheiten aufweisen. Ich weiß, dass dies in Lettland und Estland ein besonders heikles Thema ist. Dem Berichterstatter geht es nicht darum, besonders kritisch zu sein, sondern die Probleme werden im Geiste der Solidarität angegangen, und es soll allen Staaten geholfen werden, die europäischen Werte umzusetzen.

Ich möchte alle Abgeordneten und Fraktionen dieses Parlaments auffordern, diesen Bericht zu unterstützen, der meines Erachtens von ausgezeichneter Qualität ist.

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Meine Damen und Herren! Ich habe Ihre Aussprache mit Interesse verfolgt. Wenn Sie gestatten, möchte ich nur noch kurz einige Punkte ansprechen.

Meines Erachtens ist es dringend geboten, die Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten zu unterstützen und durchzusetzen. Offensichtlich gibt es noch viel zu tun, und ich möchte eindeutig festhalten, dass die Kommission ihre Rolle als Hüterin der Verträge sehr ernst nimmt.

Außerdem möchte ich auf das Jahr der Chancengleichheit verweisen, das uns die Möglichkeit gibt, die Menschen für diese komplexen und heiklen Fragen zu sensibilisieren. Abschließend möchte ich sagen, dass meiner Überzeugung nach die von der Kommission neu angenommene Strategie einen geeigneten Rahmen für zukünftige Antidiskriminierungsmaßnahmen bieten wird. Es liegt auf der Hand, dass eine Kombination aller verfügbaren Instrumente, einschließlich der Rechtsvorschriften, vonnöten ist und dass es absolut notwendig ist, insbesondere die Gruppen in den Mittelpunkt zu stellen, die bisher leider keine Gelegenheit hatten, vollständig am Gesellschafts- und Wirtschaftsleben teilzuhaben.

Meine Damen und Herren, ich möchte Herrn Moraes noch einmal zu seinem Bericht beglückwünschen. Danke.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt.

 
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