Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt der Bericht von Frau Bozkurt im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter über die Rolle der Frauen in der Türkei im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben (2004/2215(INI)) (A6-0175/2005).
Emine Bozkurt (PSE),Berichterstatterin. – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der ländlichen Türkei sollte eine Frau gegen ihren Willen verheiratet werden. Von Frauenrechtsorganisationen erfuhr sie jedoch, nach der neuen türkischen Gesetzgebung könne sie das Gericht anrufen und ihre Ehe für ungültig erklären lassen. Als sie ihren Eltern erzählte, sie beabsichtige genau das zu tun, erkannten sie, dass es überhaupt keinen Sinn hat, sie zu verheiraten, und die Hochzeit wurde abgesagt. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie die Türkei derzeit die Lage der Frauen verbessert.
Im Bericht über die Rolle der Frauen in der Türkei im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben hat der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter den neuen türkischen Rechtsvorschriften Anerkennung gezollt. Im Bereich der Frauenrechte hat sich in der Türkei in Bezug auf die neue Verfassung, das Arbeitsrecht und das neue Strafrecht eine Menge zum Besseren gewendet. Nunmehr gilt es, das, was auf dem Papier steht, in die Praxis umzusetzen. Obgleich die Türkei bereits damit begonnen hat, muss sie unermüdlich weitermachen. Die Achtung der Rechte der Frau ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der EU. In dem Bericht wird die Europäische Kommission aufgefordert, die Frage der Rechte der Frau an vorderer Stelle auf die Tagesordnung für die Verhandlungen mit der Türkei zu setzen.
Gestern hat Kommissar Rehn dem Parlament erläutert, wie die Verhandlungen mit der Türkei ausgestaltet werden. Es stimmt mich froh, dass er hinzufügte, die Rechte der Frau würden zu den wichtigsten Prioritäten zählen und im jährlichen Bericht über die Fortschritte der Türkei eine Rolle spielen. Außerdem hat die türkische Regierung zu verstehen gegeben, sie werde den Bericht sehr ernst nehmen. Als Reaktion auf frühere Diskussionen über diesen Bericht in der Türkei hat sie beispielsweise schon jetzt die Einrichtung eines Ausschusses für die Rechte der Frau im türkischen Parlament beschlossen und hat bereits den Bau weiterer Häuser für Frauen zugesagt, die Opfer von Gewalt geworden sind.
Eine große Mehrheit der türkischen Frauenrechtsorganisationen steht hinter dem Ergebnis meines Berichts. Im Europäischen Parlament fand der Bericht während der Abstimmung im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter ebenfalls breite Unterstützung. Allen, die an diesem Bericht mitgewirkt haben, bin ich zu Dank verpflichtet. Mein besonderer Dank gilt der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten für die exzellente Zusammenarbeit im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter.
Selbstverständlich bedeutet die breite Unterstützung für den Bericht nicht, dass wir uns in allem einig sind. Ich möchte einige Dinge herausgreifen, die möglicherweise für die morgige Abstimmung von Bedeutung sind. In der Türkei ist die politische Mitwirkung der Frauen äußerst gering. Als mögliche Lösung wird im Bericht ein Quotensystem angeregt, das dazu beitragen kann, die Beteiligung der Frauen an der Politik kurzfristig zu verbessern. Die Quoten werden als mögliche Problemlösung vorgeschlagen und nicht zur Bedingung gemacht, denn die Europäische Union kann von der Türkei natürlich nichts fordern, was in den eigenen Mitgliedstaaten noch nicht allgemein anerkannt ist.
Gemeinsam mit den Frauenorganisationen in der Türkei bitte ich Sie in diesem Punkt um Ihren Beistand. Die Liberalen haben dazu einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem ich mich identifizieren kann, sofern die türkische Regierung über ihre Verantwortung zur Rechenschaft gezogen wird. Ich darf Sie um Unterstützung für meinen mündlichen Änderungsantrag bitten, den ich dem Plenum übermorgen vorstellen werde und dem die Liberalen nach eigenem Bekunden zustimmen können.
Dann wäre da noch das Kopftuchproblem. In der Türkei ist es infolge der strengen Trennung von Kirche und Staat verboten, an Universitäten und in öffentlichen Funktionen religiöse Kleidung zu tragen. Wenn sich die Frauen weigern, das Kopftuch abzulegen, können sie keine Universität besuchen und nicht im öffentlichen Dienst arbeiten. In meinem Bericht bekräftige ich den Appell aus dem Bericht Eurlings an die türkische Regierung zu gewährleisten, dass alle Mädchen und Frauen unabhängig von ihrem Hintergrund in den Genuss ihres Rechts auf Bildung kommen. Ich befürworte den Änderungsantrag von Herrn Szymánski von der Fraktion Union für das Europa der Nationen, in dem unmittelbar zur Aufhebung des Kopftuchverbots aufgerufen wird. Und zwar nicht deshalb, weil ich mir der negativen Folgen dieses Verbots nicht bewusst bin, sondern weil Europa selbst keine einheitliche Politik gegenüber dem Tragen von Kopftüchern verfolgt. Wir können der Türkei schwerlich etwas auftragen, über das wir uns selbst noch nicht im Klaren sind. Zudem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kürzlich entschieden, dass die Türkei mit diesem Verbot die Rechte der Frau nicht verletze. Jedes Land darf hinsichtlich religiöser Symbole eine eigenständige Politik verfolgen. Die Türkei sollte also selbst eine vernünftige Lösung für die Kopftuchproblematik finden. Ich möchte gern bei der Suche nach dieser Lösung helfen, vorausgesetzt, das Problem kann beispielsweise zunächst ausgiebig im Gemischten Parlamentarischen Ausschuss EU-Türkei erörtert werden. Sowohl in der Türkei als auch in Europa muss dieses Thema diskutiert werden. Selbstverständlich können wir als Parlament dieses Problem nicht selbst aus der Welt schaffen, einen Diskussionsbeitrag können wir jedoch durchaus liefern.
Zum Schluss möchte ich an alle appellieren, für diesen Bericht zu stimmen – verständlicherweise, denn er stammt aus meiner Feder. Allerdings habe ich mich bei diesem Bericht besonders um eine konstruktive Zusammenarbeit mit anderen Parteien bemüht, weil die Türkei unbedingt erkennen muss, dass der Aufruf, mit aller Kraft für die Rechte der Frau einzutreten, vom gesamten Europäischen Parlament ausgeht. Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Unterstützung und für Ihre Aufmerksamkeit und sehe Ihren Beiträgen während dieser Aussprache mit Interesse entgegen.
Olli Rehn,Kommission. (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich war bereits vor zweieinhalb Stunden einmal hier, und es ist ärgerlich, dass es wieder einmal zu einer ziemlich unzumutbaren Verzögerung gekommen ist, bevor wir mit dieser Aussprache beginnen können, zumal es sich hier um eine solch wichtige Angelegenheit handelt. Ich muss sagen, dass es kein Wunder ist, dass die europäische Wettbewerbsfähigkeit auf einem solch wackligen Fundament steht, wenn sich Menschen nicht an eine so einfache Regel wie einen Zeitplan halten können. Ich hoffe, dass sich das Präsidiummit dieser Sache befassen und hier für die Zukunft etwas unternehmen wird.
(EN) Ich begrüße diese Gelegenheit zu einer Diskussion über die Rechte der Frau in der Türkei auf der Grundlage des ausgezeichneten Berichts von Frau Bozkurt, die zu einem für die Beziehungen EU-Türkei besonders wichtigen Zeitpunkt stattfindet.
Vergangene Woche legte die Kommission den Mitgliedstaaten den Verhandlungsrahmen für die Türkei vor, und es ist die strengste Rahmenvorgabe, die sie je präsentiert hat. Danach erwartet die Union von der Türkei, dass sie den Reformprozess fortsetzt und seine entschlossene Umsetzung sicherstellt, um die uneingeschränkte Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte in allen Lebensbereichen und allen Teilen des Landes zu gewährleisten.
Ich habe gesagt, dass bei den Verhandlungen mit der Türkei der Weg mindestens ebenso wichtig ist wie das Ziel, aber um einen sinnvollen Weg zu gehen, braucht man ein Ziel, und es ist ja gerade die Aussicht auf den EU-Beitritt, die der Türkei ein solches Ziel gibt und für die Europäische Union ein seriöses Druckmittel zur Einflussnahme auf solche Fragen wie die Rechte der Frauen in der Türkei darstellt.
Seien wir einmal ehrlich. Keine andere Perspektive wäre für die Türkei ein ebensolcher Anreiz zur Übernahme und Umsetzung europäischer Werte in Bezug auf die Geschlechtergleichstellung, wie es die Aussicht auf Mitgliedschaft in der Union ist. Darin liegt das Erfolgsgeheimnis unserer Erweiterungspolitik, und dieses Geheimnis wollen wir nicht vergessen.
Ich möchte die Berichterstatterin zu ihrem Bericht beglückwünschen. Es handelt sich um einen gut recherchierten und umfassenden Bericht, der auf viele der Probleme eingeht, die die Kommission in ihren regelmäßigen Berichten angeführt hat. Die in diesem Bericht gegebenen Empfehlungen sollten von allen Beteiligten befürwortet werden. Besonders begrüße ich die im Bericht enthaltenen Forderungen nach einer stärkeren Eingliederung der Frauen in das Berufsleben, nach einer verstärkten Mitwirkung der Frauen an Entscheidungsprozessen, nach der Bekämpfung der häuslichen Gewalt gegen Frauen und insbesondere nach mehr Frauenhäusern für die Gewaltopfer.
Wie die Berichterstatterin zolle auch ich der türkischen Regierung Anerkennung für ihre Bemühungen um Verfassungs- und Legislativreformen, zum Beispiel das Strafgesetzbuch, das sich der Situation der Frauen annimmt und die Gleichstellung der Geschlechter fördert. Das neue Strafgesetzbuch wurde in mehrerer Hinsicht kritisiert, doch insgesamt stellt es eine eindeutig positive Entwicklung dar, die das Strafrechtssystem modernisiert, da es viele Verbesserungen für Frauen enthält.
Ich möchte einige ganz konkrete Beispiele nennen. Das Strafgesetzbuch stellt die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe, schafft die Diskriminierung von nicht jungfräulichen und unverheirateten Frauen ab, stellt die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz unter Strafe, schafft das patriarchalische Konzept des Familienoberhaupts ab und begründet gleiche Rechte für außerehelich geborene Kinder. All das ist im neuen Strafgesetzbuch enthalten. Jetzt heißt es: umsetzen, umsetzen, umsetzen.
Abschließend möchte ich unterstreichen, dass die Rechte der Frau für die Kommission auch weiterhin ein Schwerpunktthema bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sein werden und dass wir die Lage der Frauenrechte in unserem nächsten regelmäßigen Bericht, den die Kommission am 9. November dieses Jahres verabschiedet, eingehend untersuchen werden.
Doris Pack, im Namen der PPE-DE-Fraktion.– Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer wichtigen deutschen Monatszeitschrift habe ich in der vergangenen Woche einen wunderschönen Bericht über drei türkische business women gelesen. Wenn man dann den heutigen Bericht liest, kann man sehen, wie groß das Gefälle in der Türkei ist.
Unser Hauptanliegen ist es, den Menschenrechten, d. h. hier explizit den Frauenrechten, zum Durchbruch zu verhelfen. Gewalt gegen Frauen, auch die häusliche Gewalt, die so genannten Ehrenmorde, die Zwangsverheiratung, die hohe Rate von Analphabetinnen, all das ist alarmierend. Viele Hunderttausend Mädchen dürfen gar nicht zur Schule gehen aus Gründen der Rückständigkeit ihrer Eltern oder wegen nicht vorhandener Infrastruktur. All dies trifft insbesondere gerade auch die kurdischen Frauen. Gesetze sind verabschiedet – der Kommissar hat es gerade gesagt –, aber auf ihre Umsetzung müssen wir warten. Ich hoffe sehr, dass die Kommission darauf pocht.
Aber Ehrenmorde und Zwangsverheiratung sind auch und gerade ein Problem, das zu uns immigrierte Türkinnen betrifft und damit auch unsere eigene Gesellschaft. Die Unterrepräsentanz von Türkinnen in Parlamenten sollte ebenfalls mit entsprechenden Mitteln durch die Parteien geändert werden. Der Türkei aber die Quoten und ein Reißverschlusssystem aufzuzwingen, ist, gelinde gesagt, Humbug. Das müsste man zunächst einmal in unseren eigenen Ländern versuchen.
Ich hoffe, dass die Frauenverbände in der Türkei mit der Entschließung, die wir gemeinsam verabschieden werden, ein Hilfsmittel in die Hand bekommen, um mit ihren politischen Vertretern dort Tacheles zu reden. Die Änderungen sind notwendig, weil diese Rechtsverletzungen Menschenrechtsverletzungen sind, deren Unterbindung unabhängig von einer angestrebten Mitgliedschaft in der Europäischen Union selbstverständlich sein müsste. Ich hoffe, dass dies allmählich auch den Politikern in der Türkei einleuchtet.
Lissy Gröner, im Namen der PSE-Fraktion.– Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Für die Sozialdemokratische Fraktion möchte ich der Berichterstatterin gratulieren. Der Bericht ist ein sehr fundierter Bericht. Er kommt zur richtigen Zeit, und wir haben unzählige Gespräche geführt, sowohl mit dem Frauenausschuss in der Türkei als auch hier im Europäischen Parlament. Wir haben mit den NGO gesprochen, wir haben mit der politischen Klasse und mit den Sozialpartnern gesprochen. Das Ergebnis war eine breite Debatte im Frauenausschuss und ein Bericht, der von fast allen Fraktionen mitgetragen wurde.
Der Bericht sagt sehr klar, dass es in der Türkei viel Bewegung gab, um dem acquis der Europäischen Union zu entsprechen. Am 1. Juni ist das neue Strafgesetz in Kraft getreten. Das muss natürlich umgesetzt werden, und der Druck muss aufrechterhalten werden. Aber die Türkei muss auch etwas Zeit bekommen, das zu tun. Vergewaltigung in der Ehe ist ab jetzt strafbar, und wir haben die Verbrechen im Namen der Ehre als das gebrandmarkt was sie sind, nämlich sehr unehrenhafte und strafbare Handlungen.
Jetzt ist es an der Türkei, den nächsten Schritt zu tun und Frauen in politische Ämter einzusetzen. Eine Quote von 4 % Frauen im türkischen Parlament ist untragbar, eine Quote von 1 % in den kommunalen Parlamenten ist verschwindend gering. Da brauchen die Frauen unsere Hilfe und der eindringliche Appell der Frauenorganisationen zielt darauf ab, hier im Parlament klare Worte zu finden und zu sagen: Bitte unterstützt uns mit Quoten, unterstützt uns auch mit Best-Practice-Methoden, aber schreibt es in die Entschließung! Und ich denke, das sollten wir tun. Wir sollten auch die Gewalt an Frauen immer wieder anprangern und auf die Tagesordnung setzen. Am 3. Oktober sollen die Verhandlungen beginnen, und dieser Bericht ist ein wichtiger Baustein dazu.
Anneli Jäätteenmäki,im Namen der ALDE-Fraktion. – (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind schnell dabei, Ländern außerhalb der Union Ratschläge in Angelegenheiten zu erteilen, in denen wir möglicherweise selbst noch viel zu tun haben. Der vorliegende Bericht zu den Rechten der Frau in der Türkei weist darauf hin, dass der Anteil von Frauen im türkischen Parlament nur 4,4 % beträgt. Dieses Problem muss angesprochen werden, mit dem Ziel, hier eine Änderung zum Besseren herbeizuführen. Allerdings können wir nicht vorschlagen, zur Verbesserung der Beteiligung von Frauen in der türkischen Politik ein festes Quotensystem einzuführen, wenn wir nicht gleichzeitig unsere eigenen Mitgliedstaaten auffordern, ihre Gesetzgebung auf genau die gleiche Art und Weise zu ändern. Wir können von der Türkei nicht mehr verlangen, als was wir selbst zu tun bereit sind. Aus diesem Grunde hat die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa Änderungsantrag 3 eingebracht.
Ich möchte mich an unsere türkischen Kollegen wenden und sie auffordern: Ermutigen Sie Frauen, sich stärker in der Politik zu engagieren; seien Sie mutiger als die Führer vieler der gegenwärtigen Mitgliedstaaten der Union! Der Frauenanteil im nationalen Parlament Frankreichs beispielsweise liegt bei ungefähr 12 %, und in Italien ist er noch geringer. Ich habe noch von keinem der führenden Politiker dieser Länder oder der Europäischen Union gehört, dass sie ob dieser Situation und der geringen Beteiligung von Frauen in diesen Ländern besorgt seien. Hier hätten wir genug zu tun. Wir sollten nicht unsere eigenen Probleme verstecken und mit dem Finger gerade auf die Türkei zeigen, sondern das Problem der geringen Anzahl von Frauen im politischen Leben sowohl in der Türkei als auch in der EU sowie, in der Tat, auch bei den Auswahlverfahren in der Union selbst ansprechen.
Abschließend möchte ich dem Berichterstatter danken, der eine ausgezeichnete Arbeit geleistet hat. Gleichzeitig sei auch Herrn Kommissar Rehn gedankt, der, was ihn ehrt, die Frage der Rechte von Frauen in diesen Beitrittsverhandlungen aufgeworfen hat.
Hiltrud Breyer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.– Herr Präsident! Auch im Namen der Verts/ALE-Fraktion möchte ich der Berichterstatterin für diesen Bericht herzlich danken. Ich hoffe, dass morgen nicht nur seitens des Parlaments ein klares Signal gegeben wird. Ich wünsche mir, dass auch die Kommission die Gleichstellungspolitik stärker in den Mittelpunkt rückt. Ich finde, dass diese in der Vergangenheit leider nur ein Schattendasein geführt hat.
Wir müssen eindeutig klarstellen, dass wir uns nicht mit Fortschritten auf dem Papier zufrieden geben, sondern eine konkrete Umsetzung der Frauenrechte in der Praxis fordern.
Ich freue mich, dass wir die Quote vorgeschrieben haben. Mehr noch: Wir sollten uns in der Tat überlegen, das auch für die Europäische Union zu fordern. Wenn wir nur 4% Frauenanteil im nationalen Parlament und 1% auf lokaler Ebene haben, dann ist dies wirklich ein politischer Offenbarungseid, ein Armutszeugnis. Dem muss dringend gegengesteuert werden, und mit etwas anderem als Quoten kann man das nicht erreichen.
Wir haben uns als Parlament bereits in der Entschließung vom 8. März ganz klar gegen die Zwangsehe ausgesprochen. Daher bitte ich nochmals um Unterstützung für unseren Antrag einer unmittelbaren Registrierung von Neugeborenen, um damit zu unterbinden, dass minderjährige Mädchen für volljährig erklärt werden und somit die Zwangsverheiratung de facto legitimiert wird.
Feleknas Uca, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.– Herr Präsident! Wir als die GUE/NGL-Fraktion unterstützen den Bericht von Frau Bozkurt und werden ihn auch morgen bei der Abstimmung unterstützen. Der Bericht stellt klar, dass trotz der Verbesserung der Situation der Frau in der Türkei, wie sie unter anderem in der Gesetzgebung zu den so genannten Ehrenmorden und zur Vergewaltigung in der Ehe deutlich wird, im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereich doch noch viel getan werden muss. Uns, der GUE/NGL-Fraktion, ist es wichtig, dass eine politische Lösung für den Südosten der Türkei gefunden und die Benachteiligung in den kurdischen Gebieten beendet wird. Es ist uns ein Anliegen, dass die Frauen in den rückständigen ländlichen Regionen mehr Chancen auf Arbeit und Bildung erhalten, und dass Projekte gefördert werden, die genau dies unterstützen. Daher habe ich in dem Bericht die Aufforderung an die türkische Regierung eingebracht, mit Bürgermeistern der kurdischen Region zusammenzuarbeiten und Programme zur Chancengleichheit und für die Rechte der dort ansässigen Frauen gezielt zu fördern. Eine Verbesserung der Lage der Frauen in der Türkei ist ein wichtiger Schritt für die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.
Georgios Karatzaferis, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Ich spreche als Autor des Buches „Frauen heute“, ein Buch, das in meinem Land ein Bestseller geworden ist, und ich wende mich an meine weiblichen Kollegen. Wenn sie die Frauen der Türkei lieben und sie Frauen gegenüber wirkliche Solidarität empfinden, dann sollten sie nicht für den Bericht stimmen.
Wie sieht die Situation tatsächlich aus? Sie wird in einem Artikel beschrieben, der vor einigen Monaten erschienen ist: ein 14 Jahre altes Mädchen wurde von ihrem Onkel vergewaltigt, sie sagte es ihrer Familie, es wurde ein Familienrat abgehalten, und sie töteten das Mädchen. Die Mörder sind auf freiem Fuß. Das ist die Realität. So sieht es aus.
Wir können keine Berichte von Brüssel aus verfassen. Dies können wir nur tun, wenn wir nach Diyarbakir gehen und uns anschauen, wie die Frauen dort leben. In mittelalterlichen Verhältnissen. Vorurteile gegenüber Frauen sind an der Tagesordnung. Das Bildungssystem in der Türkei kultiviert dies. Die patriarchalische Struktur der Familie schreibt das Vergewaltigen und Verprügeln von Frauen vor.
Wenn wir denn Achtung vor Frauen auf der ganzen Welt demonstrieren wollen, dann können wir nicht für diesen Bericht stimmen. Herr Erdogan, der türkische Ministerpräsident, hat für die Frauen in der Türkei die Uhr um zehn Jahre zurückgestellt. Nach einer Zeit, da in diesem Land eine Frau Ministerpräsidentin war, läuft die Ehefrau des Ministerpräsidenten heute mit einem Schleier herum. Das ist der Rückschritt der Frauen in der Türkei.
Koenraad Dillen (NI).–(NL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielehen, Zwangsehen, Analphabetismus, Ehrenmorde, häusliche Gewalt, Diskriminierung in der Politik und so weiter: Dieser Bericht über die Rolle der Frauen in der Türkei ist zwar inhaltlich recht erschöpfend und fundiert, aber wer die politische Situation in der Türkei aus nächster Nähe beobachtet, weiß nicht erst seit heute, dass sich der beitrittswillige Staat, der so genannte „säkulare Modellstaat Türkei“, um es mit Herrn Michels Worten auszudrücken, „was die Menschenrechte anbelangt, in einem sehr schlechten Zustand befindet“, insbesondere was die Rechte der Frau in einer islamischen Gesellschaft betrifft.
Dennoch empfinde ich es als hilfreich, dass uns die Berichterstatterin einige Monate vor dem offiziellen Beginn der Beitrittsverhandlungen noch einmal einige Fakten vor Augen führt. Für jene, die nichts daraus gelernt haben, als die türkische Polizei friedlich demonstrierende Frauen zusammenschlug, kommt der Bericht gerade zum rechten Zeitpunkt. Sollten hier übrigens Berichte über die Rolle der religiösen Minderheiten, über die Besatzung Zyperns, über die Rechte der Armenier oder über die Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit in der Türkei präsentiert werden, wäre man ebenso wenig voll des Lobes. Mindestens einmal pro Woche berichten unabhängige Quellen über gravierende Mängel auf dem Gebiet, das wir feierlich als Grundrechte bezeichnen. Von Besserung ist auf keiner Ebene etwas zu spüren, und im Übrigen steht dieser ganze Bericht in krassem Widerspruch zu den optimistischen Tönen, die wir im vergangenen Jahr aus dem Munde von Kommissar Verheugen und Romano Prodi vernehmen durften, als die Kommission voll und ganz der Wahrheit zuwider versuchte, uns weiszumachen, dass in der Türkei nur noch minimale Menschenrechtsprobleme bestehen. Und das nur, um der Türkei grünes Licht zu geben.
Selbstverständlich stellt sich die Frage, und damit komme ich zum Schluss, ob wir den politischen Mut aufbringen und die einzig nahe liegende Schlussfolgerung ziehen sollten, die da lautet, Ankara offen und ehrlich zu sagen, dass sich das Wertemuster der türkischen Gesellschaft zu sehr von dem unsrigen unterscheidet, um die Türkei an dem vorgesehenen Datum der Europäischen Union beitreten zu lassen, denn das ist die einzig vernünftige Lehre, die wir aus diesem Bericht ziehen können.
Edit Bauer (PPE-DE). – (HU) Nicht nur in der Türkei ist die Lage der Frauen ein Maßstab für die demokratische Entwicklung. In dieser Hinsicht hat die Türkei enorme Fortschritte erzielt, und dies gilt auch, obwohl wir wissen, dass rechtliche Lücken bestehen. Niemand stellt in Frage, dass die Verfassungsänderungen und das neue Strafgesetzbuch einen großen Schritt nach vorn darstellen, nicht nur was die Rechte der Frauen, sondern auch was die universalen Menschenrechte betrifft. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Anwendung der Gesetze bei der Umsetzung dieser Rechte langsam und inkonsequent vonstatten geht. Das Problem besteht nicht nur darin, dass es schwieriger ist, Traditionen und Gepflogenheiten zu ändern als Gesetze. Im Bericht wird die türkische Regierung aufgefordert, bei ihren Bemühungen zur Änderung der Situation konsequenter vorzugehen.
Es ist gut, dass laut Verfassung die Verantwortung für die Schaffung von Chancengleichheit in die Zuständigkeit der Regierung fällt, doch ist keine zugrunde liegende Strategie ersichtlich, wie die Regierung dieses Ziel zu erreichen gedenkt. Es ist gut, dass Männer legal nur eine Ehe schließen können, doch in der Praxis halten Imams immer noch Trauzeremonien für Zweit- und Drittfrauen ab. Es ist gut, dass ca. 40 % der Hochschullehrer Frauen sind, doch ändert dies nichts daran, dass beinahe ein Viertel der Frauen Analphabetinnen sind. Wo sich die Regierung engagiert, sind Ergebnisse ersichtlich. In den vergangenen Wochen wurden im Rahmen einer Regierungskampagne über 20 000 bis dahin nicht registrierte Kinder im Laufe eines einzigen Tages offiziell registriert. Das Ziel des vorgelegten Berichts sowie der vorgeschlagenen Änderungen besteht darin sicherzustellen, dass die tatsächlich gemachten Fortschritte dazu beitragen, die oft enorme Kluft zwischen der De-jure- und der De-facto-Menschenrechtssituation zu schließen.
Zita Gurmai (PSE).–(EN) Herr Präsident! Es war gewiss eine langwierige und schwierige Arbeit, alle einschlägigen Informationen und Daten zusammenzutragen, um einen so ausführlichen Bericht über die tatsächliche Lage der türkischen Frauen erstellen zu können. Wir haben zahllose Probleme auf dem Gebiet der Frauenrechte und der Geschlechtergleichstellung erörtert, von denen viele in allen Bereichen des Lebens in der Türkei auftreten. Obwohl die Türkei begonnen hat, diesen Problemen auf rechtlicher Grundlage entgegenzutreten, steht die praktische Umsetzung dieser Grundsätze im täglichen Leben noch aus. Die Türkei, die sich um die EU-Mitgliedschaft beworben hat und sich selbst als potenziellen Kandidaten betrachtet, sollte die grundlegenden Menschenrechte und den gemeinschaftlichen Besitzstand auf dem Gebiet der Menschenrechte und der Geschlechtergleichstellung achten.
Die türkische Regierung hat ihr starkes Engagement für europäische Grundsätze und Werte unter Beweis gestellt, indem sie ein neues Strafgesetzbuch schuf, das die Rechte der Frau schützt. Dazu möchte ich sie beglückwünschen. Es sei daran erinnert, dass wir vorgeschlagen haben, das Jahr 2006 zum europäischen Jahr der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu erklären. Die Türkei sollte sich dem anschließen, und zwar sowohl vom Prinzip her als auch in der Praxis durch konkrete und sichtbare Maßnahmen, die sich nicht nur gegen Gewalt richten, sondern auch auf die Verwirklichung der Geschlechtergleichheit in anderen Bereichen abzielen.
Ein starker politischer Wille zur Verwirklichung von Gleichstellungsmaßnahmen garantiert für sich genommen noch keinen Erfolg. Dazu müssen noch viele andere Hindernisse überwunden werden, zum Beispiel Traditionen, patriarchalische Sozialstrukturen, religiöse Aspekte, Gepflogenheiten, Wertvorstellungen in Bezug auf Bildung, Beschäftigung und Familie, Normen und Klischees, die sämtlich den Fortschritt behindern. Das ist eine große Herausforderung, da diese Strukturen im Laufe von Jahrhunderten entstanden sind und es nicht leicht ist, Reformen auf einen Schlag durchzuführen, aber wenn sich die Türkei an Europa annähern und Mitglied werden will, sollte sie auch europäische Werte achten.
Wir sind fest überzeugt, dass die türkische Regierung Maßnahmen zur Umsetzung unserer Empfehlungen ergreifen wird. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, die erzielten Fortschritte zu beobachten, damit wir uns ein zutreffendes Bild von der Lage machen können.
Cem Özdemir (Verts/ALE).– Herr Präsident! Auch ich möchte Emine Bozkurt recht herzlich für den exzellenten Bericht danken, den sie vorgelegt hat. Ich glaube, das Thema Gleichberechtigung von Frauen in der Türkei ist nicht ein, sondern DAS zentrale Thema im Zusammenhang mit der von der Türkei gewünschten Mitgliedschaft in der Europäischen Union.
Als Erzieher und Sozialpädagoge möchte ich aber auch nicht vergessen, etwas Positives zu sagen: Wenn beispielsweise die türkische Tageszeitung Milliyet eine Kampagne unter dem Slogan „Papa, schick mich in die Schule!“ begonnen hat, dann ist dies auch etwas, das wir uns auf unsere Fahne schreiben können. Dies geschieht vor dem Hintergrund der EU-Beitrittspläne. Wenn sich beispielsweise die türkische Mediengruppe Dogan gegen innerfamiliäre Gewalt einsetzt, dann ist auch das etwas, das wir begrüßen sollten.
Ich glaube, dass die Türkei in den nächsten Jahren auch einen neuen innergesellschaftlichen Konsens in der Kopftuchfrage finden muss. Es kann nicht richtig sein, dass in der osttürkischen Stadt Erzurum Mütter mit Kopftüchern nicht auf den Universitätscampus gelassen werden, wenn sie an der Feier ihrer Kinder teilnehmen wollen. Ich bin für ein klares Nein zum Kopftuchzwang. Nein aber auch zu einem pervertierten Laizismus, der Müttern verbietet, ihre Kinder in der Schule zu besuchen!
Jan Tadeusz Masiel (NI).– (PL) Herr Präsident! Aus dem Bericht, der Gegenstand der heutigen Aussprache ist, können wir schließen, dass die Türkei für den Beitritt in die Europäische Union und die Mitwirkung an einem System, das auf christlichen Werten beruht, noch nicht bereit ist und auch gar nicht bereit sein will. Ich schlage vor, dass die Beitrittsverhandlungen mit diesem Land, die eigentlich in drei Monaten beginnen sollen, nicht aufgenommen werden, und sei es nur deshalb, weil die Rechte der Frauen in der Türkei nicht geachtet werden. Dies stellt jedoch nur einen von vielen Gründen dar. Am wichtigsten sind wohl die kulturellen Unterschiede.
Ich schlage vor, die Verhandlungen erst aufzunehmen, wenn in der Türkei ähnliche Verhältnisse wie in Europa herrschen, was wahrscheinlich nie eintreten wird. Wir haben nicht das Recht, von der Türkei zu verlangen, dass sie ihren eigenen Kulturkreis und ihr eigenes Wertesystem sowie ihre eigene Religion aufgibt, denn die Religion stellt das Fundament einer jeden Zivilisation dar.
Werden Frauen in der Türkei wirklich diskriminiert? Werden sie heutzutage stärker diskriminiert als früher? Vielleicht verfügt die Türkei ja auch einfach über andere Normen und kulturelle Modelle, die mit dem europäischen Verhaltensmodell nicht in Einklang gebracht werden können. Es könnte vielleicht sogar sein, dass die zunehmende Gewalt gegenüber Frauen Ausdruck von Angst und Abneigung ist, die die traditionelle türkische Gesellschaft gegenüber der europäischen Integration empfindet.
Wenn die türkischen Bürger ihren eigenen Frauen und nationalen Minderheiten keine Achtung entgegenbringen können, dann werden sie uns Europäer, die wir in einem anderen Kulturkreis und Wertesystem aufgewachsen sind, erst recht nicht respektieren können.
Katerina Batzeli (PSE). – (EL) Herr Präsident! Eine der elementarsten Fragen, auf deren Grundlage der Fortschritt der Türkei auf ihrem Wege nach Europa während der nächsten Jahre beurteilt wird, betrifft die Verbesserungen beim Schutz der Menschenrechte. In diesem Rahmen kommt den Verbesserungen bezüglich der Lage der Frauen in allen Bereichen in der Türkei entscheidende Bedeutung zu, und zwar insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Gleichstellung der Geschlechter und die Achtung der Menschenrechte sowie vor allem der Rechte der Frauen heute Bestandteil des gemeinschaftlichen Besitzstandes sind. Die Europäische Union muss die Türkei bei ihren Anpassungsbemühungen unterstützen.
Es sei jedoch auf einige Punkte hingewiesen, die auch von Frau Bozkurt in ihrem Bericht hervorgehoben werden:
Erstens, ist es erforderlich, dass die für die Rechte der Frauen zuständige Regierungsbehörde eine integrierte Politik entwickelt, die ausreichend finanziert ist.
Das erhebliche Problem der Gewalt gegen Frauen, sei es in Form von Ehrenverbrechen oder häuslicher Gewalt, muss beseitigt und die Frauen müssen durch jedwede Politik der Regierung geschützt werden. Die Beteiligung von Frauen am politischen Leben in der Türkei ist minimal. Sie muss durch die Anhebung der Quoten bzw. durch die aktivere Beteiligung der Frauen in demokratischen Parteien bzw. an der Regierung verbessert werden.
Abschließend möchte ich meine Unterstützung für den Bericht von Frau Bozkurt zum Ausdruck bringen, in dem sie sich in der Tat darum bemüht hat, realisierbare und substanzielle Vorschläge zu formulieren, um den Vorbeitrittsprozess dieses Landes auf dem Weg in die Europäische Union zu unterstützen.
Olli Rehn,Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich danke den Abgeordneten für ihre Bemerkungen, die einige sehr wichtige Hinweise enthielten, denen Rechnung getragen werden muss. Ich will nur auf zwei oder drei Fragen eingehen, die von den meisten Rednern angesprochen wurden.
Erstens: Wie die Berichterstatterin, Frau Pack und viele andere gesagt haben, ist die Umsetzung tatsächlich das zentrale Thema, ebenso wie ein Mentalitätswechsel. Die Gesetzesänderungen sind wichtig und ihre Umsetzung unerlässlich, aber mindestens genauso wichtig ist ein Wandel in der Mentalität und in der geistigen Einstellung. Deshalb unterstützen wir – und werden dies künftig noch stärker tun – bewusstseinsfördernde Maßnahmen zur Förderung eines Wandels in der Mentalität und der geistigen Einstellung, was die praktische Anwendung der Frauenrechte betrifft, und in der Einstellung der Sicherheitskräfte, beispielsweise zu den Menschenrechten im Allgemeinen.
Darin besteht auch das Ziel des zivilgesellschaftlichen Dialogs, den wir letzte Woche eingeleitet haben, der die Verhandlungen begleiten und sich parallel zu den eigentlichen Verhandlungen weiterentwickeln soll. Wir wollen langfristige Partnerschaften aufbauen, so beispielsweise zwischen Frauenorganisationen in der Europäischen Union und der Türkei, um das gegenseitige Verständnis zu verbessern und die Zivilgesellschaft in der Türkei zu stärken, die eine ihrer Schwachstellen ist. Das wird gewiss die Mitsprache der Frauen und europäische Wertvorstellungen in Bezug auf Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte fördern.
Was die Quoten anbetrifft, die Frau Jäätteenmäki und die Berichterstatterin angesprochen haben, so stimmt die Kommission mit der Berichterstatterin darin überein, dass wir von der Türkei nicht mehr verlangen können, als wir selbst zu tun bereit sind. Tatsache ist, dass es in einigen Mitgliedstaaten Quoten gibt und in anderen nicht. Ich erinnere mich, dass der Mitgliedstaat, den ich am besten kenne, seit geraumer Zeit Quoten zur Förderung der Beteiligung von Frauen an öffentlichen Entscheidungsprozessen anwendet. Ich erinnere mich, dass 1991, als ich ein junger Abgeordneter war – zusammen mit Frau Jäätteenmäki – eine Abstimmung über Gleichstellungsquoten bevorstand. Damals hatte ich ein Treffen mit anderen Abgeordneten unter 35 und stellte fest, dass ich eine Minderheit von 12,5 % war, weil die anderen sieben Abgeordneten unter 35 Frauen waren. Natürlich habe ich für die Quoten gestimmt, um künftig eine ausgewogene Vertretung beider Geschlechter zu gewährleisten.
Am 3. Oktober werden wir uns auf einen langen und zweifellos mühevollen Weg begeben. Wichtig ist die Einsicht, dass es gerade die Aussicht auf den Beitritt ist, die der Türkei einen Anreiz zur Stärkung der Rechte der Frauen bietet. Sie bietet außerdem ein sehr starkes Druckmittel für Aktivisten und Bürger, denen das am Herzen liegt und die sich für diese bedeutenden europäischen Werte einsetzen wollen.
Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission im Verlauf dieser Beitrittsverhandlungen für eine objektive und strenge Überwachung sorgen wird. Es ist eine sehr gute Idee, die Entwicklung jährlich zu prüfen und so die Fortschritte hinsichtlich der Frauenrechte in der Türkei mitzuverfolgen.
Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt.