Index 
 Zurück 
 Vor 
 Vollständiger Text 
Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 7. Juli 2005 - Straßburg Ausgabe im ABl.

25. Textil- und Bekleidungssektor nach 2005
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Die Aussprache über den Bericht von Frau Saïfi im Namen des Ausschusses für internationalen Handel über die Zukunft des Textil- und Bekleidungssektors nach 2005 (2004/2265(INI)) (A6-0193/2005) wird fortgesetzt.

 
  
MPphoto
 
 

  Hélène Flautre (Verts/ALE). (FR) Herr Präsident! Gestatten Sie mir zunächst, da wir unsere Aussprache unter äußerst beklagenswerten Bedingungen wieder aufnehmen, den Familien der Opfer der Anschläge in London, über deren schreckliche Folgen wir von Minute zu Minute mehr erfahren, mein Beileid auszusprechen.

Nun zu unserer Aussprache, deren Bedeutung ja heute Vormittag unterstrichen wurde. Meine Fraktion hat in dem Redebeitrag von Caroline Lucas deutlich gemacht, wie sehr sie die vorgeschlagenen Übergangsmaßnahmen unterstützt. Heute möchte ich das Schwergewicht auf einige Punkte legen, die ich für wesentlich halte. Der erste betrifft zwei Absätze dieses Berichts, die darauf abzielen, die Reichweite der REACH-Richtlinie herunterzuspielen und die für uns vollkommen inakzeptabel sind. So empfehlen diese beiden Absätze ganz klar, den Anwendungsbereich der Richtlinie zu beschränken, um angeblich die verheerenden Folgen für die Textilindustrie und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu vermeiden. Ich erinnere daran, dass der Entwurf der REACH-Richtlinie, über den derzeit im Parlament beraten wird, vorschlägt, die Verwendung chemischer Produkte, die für unsere Gesundheit und unsere Umwelt schädlich sein könnten, zu registrieren, zu bewerten und zu kontrollieren.

Diese Bezugnahme ist also vollkommen inakzeptabel, denn wir glauben nicht, dass man die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie auf Kosten der Gesundheit, der Umwelt und der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer erhöhen kann. Das ist umso weniger hinnehmbar als beispielsweise in meiner Region, der Region Nord-Pas-de-Calais, die von den Umstrukturierungen hart betroffen ist, diese Art von Argumentation leider gut bekannt ist, die bei den Umweltforderungen Mäßigung fordert, um angeblich Arbeitsplätze zu erhalten. Das hat systematisch eine soziale und umweltpolitische Katastrophe zur Folge. Ich denke natürlich an die zahlreichen Arbeitnehmer, die durch Asbest vergiftet wurden. Ich denke auch an die Affäre Métaleurop, die Gegenstand einer breiten Debatte in diesem Haus war und die bewirkte, dass die Bewohner der Region ihre Arbeitsplätze, ihre Gesundheit und ihren Boden verloren, welcher auf Jahre hinaus nicht mehr genutzt werden konnte.

Dieser Angriff auf die REACH-Richtlinie ist also vollkommen unangebracht, zumal anzunehmen ist, dass ihre Auswirkungen auf die Textilindustrie und die chemische Industrie im Allgemeinen die Innovationsfähigkeit fördern und voranbringen werden. Unsere Diskussion sollte sich eher auf den Wettbewerbsvorteil konzentrieren, der sich aus den niedrigen Produktionskosten für Textilerzeugnisse in China ergibt. Dabei muss man wissen, dass diese niedrigen Produktionskosten auf die Ausbeutung der chinesischen Arbeitnehmer und die gewaltsame Unterdrückung ihrer Forderungen zurückzuführen sind.

Gestatten Sie mir, mich auf einen Auszug aus einem Bericht von Amnesty International zu beziehen, der aus dem Jahr 2002 stammt, also relativ aktuell ist. Darin wird ganz klar festgestellt, dass in den Privatunternehmen in China Überstunden nicht nur obligatorisch sind, sondern zudem nicht vergütet werden, dass bestimmte Betriebe von Arbeitnehmern, die sich weigern, Überstunden zu machen oder verspätet zur Arbeit erscheinen, Bußgelder erheben. Die chinesischen Arbeitnehmer arbeiten zwischen zehn und zwölf Stunden täglich, und die Kosten für Nahrung und Unterkunft werden vielfach direkt vom Lohn abgezogen. Nicht selten blockieren die Unternehmen die Löhne manchmal zwei Monate lang oder sie behalten den Personalausweis bestimmter Arbeitnehmer für mehrere Monate ein. Kurz, die Gewerkschaften werden in enormem Ausmaß unterdrückt.

Da wir mit China einen strukturierten Dialog über die Menschenrechte führen – ein solcher Dialog fand im Übrigen in der vergangenen Woche statt – sollten wir meiner Meinung nach das Schwergewicht auf die gewerkschaftlichen Freiheiten legen. Die zahlreichen Gewerkschafter, die heute in chinesischen Gefängnissen inhaftiert sind, sollten in den Genuss von Schutzmaßnahmen kommen, wie sie in den Leitlinien der Europäischen Union für Menschenrechtsaktivisten vorgesehen sind. Das ist ein ganz wesentliches Element der Debatte, das man, wie ich meine, zu Unrecht verschleiert hat.

 
  
MPphoto
 
 

  Jacky Henin (GUE/NGL). (FR) Herr Präsident! Seit dem 1. Januar landeten Hunderte Arbeitnehmer aus der Textilindustrie auf der Straße. Dutzende mittelständische Unternehmen sind samt ihrem Know-how verschwunden. Es mag hart klingen, aber was man zählen muss, sind nicht die aus China importierten Hosen und T-Shirts, sondern die zerstörten Arbeitsplätze und die ruinierten Leben.

Wenn aus der Kommission und dem Ministerrat zu vernehmen ist, man wisse nicht, man habe nicht gewusst, man habe nicht wissen können, es sei die Schuld Chinas, kann ich nur ausrufen: Wen will man eigentlich für dumm verkaufen? Die Entscheidung über die Abschaffung der Quoten wurde vor zehn Jahren mit Zustimmung aller Regierungen getroffen. China gehört der WTO seit fast vier Jahren an. In den letzten beiden Jahren wurden neun von zehn hergestellten Textilmaschinen durch China gekauft. Ultramoderne Fabriken wurden dort mit der direkten oder indirekten Beteiligung von Kapital errichtet, das auch aus Europa kam. All das wussten die europäischen Regierungen und Institutionen genau und haben nichts oder sehr wenig getan. Sie sind also voll und gemeinsam verantwortlich.

Daran wird auch die jämmerliche Vereinbarung nichts ändern, die Kommissar Mandelson mit den Pekinger Behörden geschlossen hat. Der unsägliche Kommissar Mandelson gleicht dem Arzt bei Molière: Er wartet den Tod des Patienten ab, um seine Krankheit feststellen zu können. Lassen sich aber das allgemeine europäische Interesse und das Partikularinteresse der City, in China, in der Türkei oder anderswo zu investieren, miteinander vereinbaren?

Heute ist es der Textilsektor, aber morgen wird es die Automobilindustrie oder vielleicht die Luft- und Raumfahrtindustrie sein. Denn China produziert bereits Türen für den Airbus und baut Regionalflugzeuge, die mit den europäischen, kanadischen oder brasilianischen Erzeugnissen konkurrieren. Sie waren erstaunt, dass Ihre ultraliberale Verfassung auf die entschiedene Ablehnung der Mehrheit der wenigen europäischen Völker stieß, die dazu befragt wurden! Aber diese massive Ablehnung ist eine Abstrafung Ihrer Politik, einschließlich derer im Textilsektor, durch die Bürger. Diese wollen nicht, dass eine solche Politik zum Grundgesetz der Union wird.

Um unsere Textilindustrie zu retten und weiterzuentwickeln, ist es an der Zeit, die Politik zu ändern. Nach der Einführung eines Moratoriums zur Aufhebung der Quoten ist die Kommission es sich schuldig, in diesem Sektor die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung und Ausbildung zu fördern und zu unterstützen. Die Europäische Zentralbank müsste die Einführung zinsvergünstigter Kredite für die mittelständischen Unternehmen dieses Sektors fördern, um so Beschäftigung, Forschung und Ausbildung voranzubringen. Die Union muss Maßnahmen ergreifen, um die Einfuhr von Erzeugnissen zu untersagen, die durch Kinder- oder Zwangsarbeit oder durch ihrer gewerkschaftlichen Freiheit beraubte Arbeitnehmer hergestellt werden, und um das Sozialdumping zu besteuern. Schließlich gilt es, die Entwicklung der Inlandsmärkte in den Schwellenländern zu unterstützen.

 
  
MPphoto
 
 

  Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Nachdem ich der Berichterstatterin, Frau Saïfi gratuliert habe, möchte ich mit Blick auf die Kommission auf spezifische Punkte eines Dialogs, einer Übereinkunft und/oder Uneinigkeit über den strategisch wichtigen europäischen Textil- und Bekleidungssektor eingehen.

Ich befürworte die Öffnung der Märkte; ich bin gegen Neoprotektionismus, unterstütze jedoch das Gegenseitigkeitsprinzip. Zudem plädiere ich für die Abschaffung der Kontingente, die allerdings mit ausgewogenen Verpflichtungen in Bezug auf zollrechtliche und technische Beschränkungen einhergehen muss.

Darüber hinaus spreche ich mich für den internationalen Wettbewerb, jedoch gegen jegliche Form von Wettbewerbsverzerrung aus, ich bin für freien, aber ausgewogenen Handel, verurteile jedoch die Verletzung geistiger und industrieller Eigentumsrechte, die Nachahmung und Produktpiraterie und die aggressiven Praktiken von Wirtschafts-, Sozial- und Ökodumping.

Ich begrüße die mit China vereinbarten Lösungen und Memoranden zu erzielten Übereinkünften, bemängele aber gleichzeitig die unzureichende Auseinandersetzung mit den aggressiven chinesischen Exporten nach Europa. Ich stehe dem nach wie vor im hohen Maße geschlossenen und undurchsichtigen Markt in China kritisch gegenüber und spreche mich gegen die Aufrechterhaltung hoher Einfuhrbeschränkungen sowie die Anwendung unfairer Praktiken aus und verurteile zugleich den Mangel an ausreichender Kooperation bei elementaren Untersuchungen von Dumpingpraktiken.

Ich befürworte die unverzügliche Einführung der Europa-Mittelmeer-Handelszone auf der Grundlage des Gegenseitigkeitsprinzips. Und ich spreche mich für eine angemessene gemeinschaftliche Finanzierung zur Stärkung von Forschung und Innovation, insbesondere in den schwächer entwickelten Regionen der Europäischen Union, aus.

Diese Für und Wider – und es sind nicht alle – stellen aktuelle Parameter einer reellen Herausforderung in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China sowie einer generellen Herausforderung für das Welthandelssystem dar.

Abschließend möchte ich mein Mitgefühl für die Familien der Todesopfer von London zum Ausdruck bringen und den Vertretern des Ratsvorsitzes sagen, dass auch ich diesen Vorfall verabscheue.

 
  
MPphoto
 
 

  Jörg Leichtfried (PSE). Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der drastischen Auswirkungen der letzten Liberalisierungsstufe im Textilsektor vom 1. Januar 2005 war dringender Handlungsbedarf gegeben, und ich begrüße es sehr, dass die Kommission Schritte unternommen hat. Es ist äußerst lobenswert, dass rasch Verhandlungen aufgenommen und Maßnahmen eingeleitet wurden. Doch hätten diese Maßnahmen auf jeden Fall noch intensiver sein und noch rascher kommen können.

Ich möchte diesbezüglich die wichtige Rolle des Europäischen Parlaments hervorheben. Gerade aufgrund unserer Aktivitäten war die Kommission noch viel mehr genötigt, diese Maßnahmen zu ergreifen. Das hätte sie vielleicht von sich aus nur in geringerem Ausmaß getan. Die europäische Politik muss aber auf diese Herausforderungen reagieren.

Wir haben in Europa einen ganz großen Vorteil, nämlich, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher – und darüber bin ich froh – sicher zu den mündigsten Verbraucherinnen und Verbrauchern der Welt zählen. Daher sollte ihnen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Entscheidung, was und wie sie kaufen, viel fundierter und leichter treffen zu können. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir nicht ein Label schaffen sollten, ein Label „made in Europe“ mit gewissen, ganz strikten Kriterien, die eingehalten werden müssen, um dieses Label führen zu dürfen. Bei diesen Kriterien gehören natürlich an oberste Stelle die Einhaltung der internationalen Arbeitsnormen, die Beachtung von Sozial- und Umweltschutzstandards und die Unzulässigkeit von Kinderarbeit.

Sollte so etwas gelingen, können wir auch auf eine andere Art auf diese Entwicklung reagieren und die Welt dann etwas sozialer und schöner machen.

 
  
MPphoto
 
 

  Patrizia Toia (ALDE). (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich halte diese Aussprache, die leider in einem ziemlich verlassenen Saal stattfindet, für bedeutsam, weil sie einen der Sektoren betrifft, die für die europäische Industrie und damit für die Wirtschaft und für die Bürger Europas am wichtigsten sind.

Es handelt sich um einen Industriezweig, der seit Jahren eine schwere Krise erlebt, die nun durch die Einführung neuer Handelsvereinbarungen und den Wegfall vieler Zollschranken beschleunigt wurde, wobei dieser Sektor allerdings schon seit langem mit großen Problemen zu kämpfen hatte.

Es ist ein Industriezweig, der in Bezug auf Umsatz, Beschäftigtenzahl, seine Verteilung auf die verschiedenen europäischen Länder und seine besondere Konzentration in einigen Regionen von Bedeutung ist. Demzufolge bewirkt eine Krise in diesem Bereich in einigen Fällen geradewegs eine Krise der Wirtschafts- und Produktionssysteme auf lokaler Ebene.

Wie wir bereits bei anderen Gelegenheiten betont haben, waren auch wir der Auffassung, dass das Eingreifen der Kommission ziemlich spät erfolgt ist. In Anbetracht dessen, was bei den Einfuhren und ihrem Umfang vor sich ging, war sie, die die Daten griffbereit hatte, bereits seit langem von der Bevölkerung darum ersucht worden.

Gleichwohl nehmen wir trotz dieser Kritik das Vorgehen von Kommissar Mandelson mit Befriedigung zur Kenntnis und fordern ihn auf, nicht nur die getroffene Vereinbarung und deren Umsetzung zu überwachen, sondern auch die Geschehnisse im Zusammenhang mit anderen Erzeugnisgruppen. Tatsächlich ist das Problem noch nicht endgültig gelöst, und was in Bezug auf einige Produktgruppen unternommen wurde, wo man die Lage gewissermaßen in den Griff bekommen hat, könnte sich in den nächsten Monaten schon für andere als notwendig erweisen.

Vorerst dürfen wir die Zeit, die wir gewonnen haben, nicht sinnlos verstreichen lassen und müssen uns die Empfehlungen, die von der hochrangigen Gruppe, aus der Zusammenarbeit mit den Unternehmern und den gesellschaftlichen Kräften sowie aus dem laufenden Dialog stammen, zunutze machen. Es müssen Maßnahmen zur Förderung der Umstrukturierung und Neuorganisation der Branche ergriffen werden, um eine tief greifende Strukturkrise zu überwinden. Ich beziehe mich dabei insbesondere auf Beschäftigung, berufliche Weiterbildung, Hilfe bei der Kreditbeschaffung und all die Neuerungen, die einem Sektor, der so wichtig für Europa ist, dabei helfen können, dies auch zu bleiben.

 
  
MPphoto
 
 

  Luca Romagnoli (NI).(IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunft des Textil- und Bekleidungssektors wird durch dunkle Wolken überschattet, seit Europa und die Nationalstaaten der Willkürherrschaft der Welthandelsorganisation unterworfen sind, zu Sklaven des freien Marktes und der Herrschaft der Finanzen über die Politik wurden und sich somit auf die Globalisierung, die auch in diesem Hohen Haus oft verherrlicht wurde, eingelassen haben. Infolgedessen haben sie auf den Schutz der Industrie, der Produktion und der nationalen Beschäftigung verzichtet.

Gegenwärtig sind die Exportaussichten vieler europäischer Waren und Dienstleistungen quasi gleich Null, da es unmöglich ist, mit der Konkurrenz der so genannten „Tiger Asiens“ gegenüber den Märkten der Entwicklungsländer mitzuhalten. Hinzu kommt die Tatsache, dass wir auf den Binnenmärkten einem unaufhaltsamen Wettbewerb ausgesetzt sind, sowohl aufgrund der aus den genannten Ländern importierten Waren, als auch wegen des teuflischen Mechanismus, der es den europäischen Herstellern, deren Tätigkeit mitunter sogar mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde, ermöglicht, ihre Produktion zu verlagern und die Erzeugnisse in die Ursprungsländer der Marken zu importieren und dort zu vermarkten.

Im Lichte der erschreckenden Prognosen der Branchenorganisationen und in Anbetracht dessen, dass aufgrund des durch dieses bürokratische Europa erzwungenen Mangels an nationaler Souveränität keine Initiativmaßnahmen auf der Ebene der einzeln Mitgliedstaaten ergriffen werden können, muss die Kommission politische Maßnahmen und Richtlinien zur Unterstützung der europäischen Unternehmen und Arbeitnehmer des Sektors auf den Weg bringen und die Vermarktung von Erzeugnissen der „Tiger Asiens“, die von unseren Märkten Besitz ergreifen, in der Europäischen Union verhindern. Im Übrigen handelt es sich dabei um Erzeugnisse, die ohne jede Garantie für den Verbraucher in punkto Produktionsverfahren und verwendete Materialien hergestellt werden, oft in Verbindung mit einer hohen Umweltbelastung und ohne Rücksicht auf die sozialen Garantien oder die Würde der Arbeitnehmer sowie im krassen Widerspruch zu den Festlegungen der Welthandelsorganisation.

 
  
MPphoto
 
 

  Jean Louis Cottigny (PSE). (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Was heute im Handel zwischen China und Europa mit dem Textilsektor passiert, ist aus unserer Sicht das Vorspiel dessen, was in den nächsten Jahren in zahlreichen Bereichen auf uns zukommt. Wir befinden uns erst in der ersten Etappe. Deshalb werden die Antworten, die wir heute auf diese Fragen finden, morgen anderen Bereichen unserer Industrie zugute kommen. Wir können eine Deregulierung des internationalen Handels nicht hinnehmen, ohne uns um die damit verbundenen menschlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Konsequenzen zu sorgen. Ein Beispiel dafür ist die Textilindustrie, wo die Abschaffung der Quoten falsch eingeschätzt wurde und es zu zahllosen Umstrukturierungen von Unternehmen, ja schlichtweg zu Schließungen in den Regionen kam, in denen dieser Wirtschaftszweig noch sehr präsent ist. Wir sehen uns mit einer gewissen Ohnmacht menschlichen Tragödien gegenüber.

Die Einführung von Schutzklauseln, die Forschungs- und Informationsbeihilfen, der Kampf gegen Produktfälschungen sind gute Wege, aber wir dürfen uns nicht darauf beschränken. Frau Saïfi unterstreicht in den Ziffern 18 und 24 ihres Berichts zu Recht die Notwendigkeit, alle Formen der modernen Sklaverei und Zwangsarbeit sowie der Ausbeutung von Kindern zu bekämpfen. Unsere moderne Wirtschaft, die sich unter anderem auf die Achtung der Menschenwürde gründet, wird die Konkurrenz mit solchen Fehlentwicklungen niemals bestehen. Aber die Vorschläge von Frau Saïfi zur Bekämpfung dieser Geißel sind unzureichend, man muss dort ansetzen, wo es wirklich wehtut.

Deshalb haben wir zusammen mit 50 Kollegen, die vier Fraktionen vertreten, einen Änderungsantrag eingebracht, der die Kommission auffordert, über die Einführung einer Ethiksteuer für Erzeugnisse nachzudenken, die erwiesenermaßen unter Verletzung aller Regeln der Menschenwürde, vor allem durch die Ausbeutung von Kindern hergestellt werden. Es kommt vorrangig darauf an, dass eine Institution wie die unsere sich in den Dienst der Generationen stellt und als Hoffnungsträger wirkt.

 
  
MPphoto
 
 

  Anne Laperrouze (ALDE). (FR) Herr Präsident! Ich begrüße die Ergebnisse der Verhandlungen der Europäischen Kommission mit den chinesischen Behörden, die den von dem massiven Anstieg der Importe betroffenen Unternehmen zu einer Atempause in dieser ernsten Krisensituation für den Textil- und Bekleidungssektor verhelfen. Nun kommt es darauf an, die Umsetzung der Schutzklauseln zu kontrollieren und die Wirkung dieser Maßnahmen zu bewerten.

Ich möchte dem Kommissar drei Fragen stellen. Wie werden Sie auf diese Entschließung des Europäischen Parlaments zur Zukunft des Textil- und Bekleidungssektors reagieren? Wie werden Sie die Empfehlungen der hochrangigen Gruppe umsetzen, die vom Parlament sehr positiv aufgenommen wurden? Welche Maßnahmen gedenken Sie einzuleiten, um den Unternehmen den Marktzugang zu ermöglichen? Könnte die Europäische Union beispielsweise gemeinsame handelspolitische Strategien der europäischen KMU unterstützen, die Konsortien bilden wollen, um neue Märkte zum Beispiel in China zu erobern?

Wie einige Vorredner bereits sagten, war die aktuelle Krise des Textilsektors vorhersehbar, und im Kontext einer globalisierten Wirtschaft sind Krisen in anderen Industriebereichen zu erwarten. Wir müssen alle mit Klugheit und Beharrlichkeit daran arbeiten, die Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie zu erhalten, denn die Lehren, die wir aus dieser Krise ziehen, werden uns längerfristig helfen, andere Sektoren der europäischen Wirtschaft zu erhalten und weiterzuentwickeln.

 
  
MPphoto
 
 

  Antonio Tajani (PPE-DE). (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht über die Zukunft des Textil- und Bekleidungssektors nach 2005 gibt zweifellos einen vollständigen Überblick über die neue Wirtschafts- und Handelssituation auf globaler Ebene. Der Textil- und Bekleidungssektor ist ein Schlüsselsektor für die Europäische Union, und deshalb schließe ich mich Frau Saïfi an, wenn sie dagegen protestiert, dass die zuständigen Kommissionsmitglieder bei dieser Debatte durch Abwesenheit glänzen.

Der großteils aus kleinen und mittleren Unternehmen bestehende Sektor befindet sich heute aufgrund der chinesischen Produkte, die extrem billig hergestellt und verkauft werden und unseren Markt überschwemmt haben, in großen Schwierigkeiten. Die Einfuhren aus China sind, vor allem infolge der endgültigen Abschaffung der Einfuhrkontingente im Januar 2005, besorgniserregend gestiegen. Infolgedessen steht der Textil- und Bekleidungssektor der Europäischen Union unter beispiellosem Druck. Immer häufiger kommt es bei uns zu Betriebsschließungen und werden Tausende von Arbeitnehmern arbeitslos. In Italien wurden 2004 24 000 Arbeitsplätze vernichtet, und innerhalb der letzten drei Jahre waren es über 66 000.

Es muss hervorgehoben werden, dass dieses Problem auch alle Entwicklungsländer betrifft, die ihre Waren nach Europa exportierten und nun nicht mehr in der Lage sind, mit der chinesischen Konkurrenz mitzuhalten. Folglich werden nicht nur in Europa Betriebe stillgelegt, sondern auch in Sri Lanka, Pakistan, Marokko und im gesamten Mittelmeerraum.

Was können wir tun? Das Erscheinen neuer, aggressiver Global Players auf der internationalen Handelsbühne, insbesondere Chinas und Indiens, macht ein Überdenken der traditionellen Ziele der gemeinschaftlichen Handelspolitik erforderlich, die geprägt waren durch die maximale Öffnung der Märkte, um die weltweite Absatzförderung der europäischen Industrie zu unterstützen. Das gegenwärtige Szenario und seine voraussichtliche Entwicklung gebieten indessen einen vorsichtigeren Ansatz, der auf den Schutz der europäischen Industrie vor unausgewogenem und destruktivem Wettbewerb abzielt.

Die folgenden Maßnahmen müssen dringend umgesetzt werden: unverzügliche Annahme – wie Kommissar Michel heute Vormittag in diesem Hohen Haus erklärt hat – des Vorschlags für eine Verordnung zur obligatorischen Ursprungskennzeichnung der in die Europäische Union eingeführten Waren; Festlegung gezielter industriepolitischer Maßnahmen zur Unterstützung der dem internationalen Wettbewerb am stärksten ausgesetzten Sektoren, auch mit Hilfe der Strukturfonds; Ausbau der den europäischen Unternehmen zur Verfügung stehenden handelspolitischen Schutzinstrumente, darunter Antidumping-Maßnahmen – wie sie für Lederschuhe angewandt wurden – und Antisubventionsmaßnahmen sowie Schutzklauseln; die Bekämpfung der Nachahmung zu einer Priorität der EU erklären und Unterstützung der Initiativen von Kommissar Frattini; Ausrichtung der Entscheidungen der Kommission auf bilaterale Abkommen. Falls Hongkong ebenso scheitern sollte wie Cancún, wird keine Zeit mehr sein, die multilateralen Verhandlungen wieder aufzunehmen.

Abschließend fordere ich dazu auf, den Standpunkt zu der neuen Chemikalienpolitik – der REACH-Richtlinie – zu überdenken, vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen zu gewährleisten.

 
  
MPphoto
 
 

  Anna Záborská (PPE-DE). (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Zunächst ein großes Dankeschön an unsere Kollegin Frau Saïfi für ihre ausgezeichnete Initiative und ihren Bericht.

Lassen Sie mich die Bedeutung dieses Themas unterstreichen. Ein gemeinsamer europäischer Markt erfordert auch gemeinsame Regeln. Für alle Marktteilnehmer des Textilmarktes in Europa müssen die gleichen Wettbewerbsregeln gelten. Das gehört zur Einhaltung des Wettbewerbs. China verkörpert die Ideologie der Staatsunternehmen. Es ist nicht hinnehmbar, dass den chinesischen Unternehmen Vorteile gewährt werden. Unsere nationalen Regierungen haben nicht das Recht, den nationalen Unternehmen Vorteile einzuräumen. Die Kommission würde sofort ein Verbot verhängen. Es wäre aber ein Fehler, wenn unsere nationalen Industrien gegenüber China tatenlos blieben. Deshalb befürworte ich die Anwendung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit in den Handelsbeziehungen, denn draus könnten alle Nutzen ziehen. Folglich kommt es vor allem darauf an, auf die strikte Anwendung der Empfehlungen der hochrangigen Gruppe zu achten und die korrekte Durchführung der Vereinbarungen von Schanghai genau zu überwachen.

 
  
MPphoto
 
 

  Panagiotis Beglitis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Das kürzlich zwischen der EU und China abgeschlossene Abkommen stellt eine positive Entwicklung dar, und wir müssen dabei den bedeutenden Beitrag anerkennen, den Kommissar Mandelson geleistet hat, um dieses Endresultat zu erreichen. Dieses Abkommen gibt der europäischen Textilindustrie etwas Luft zum Atmen, und es bietet vor allem die Möglichkeit, gerade zum jetzigen Zeitpunkt, da der europäische Textilsektor umstrukturiert und modernisiert wird, entscheidende strategische Entscheidungen zu treffen.

Die derzeitigen internationalen Entwicklungen im Bereich des Wettbewerbs zwingen die Unternehmen, sprunghafte Fortschritte zu machen, technologische Modernisierungen vorzunehmen und sich in der Innovation, der Forschung, der Technologie und dem lebenslangen Lernen zu engagieren. Deshalb ist es Aufgabe der Europäischen Union, die Strukturpolitiken und Strukturfonds für die Textilindustrie zu entwickeln, das Siebente Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung voranzutreiben, ein spezielles Gemeinschaftsprogramm für die Entwicklung des Textil- und Bekleidungssektors einzurichten, die von der WTO gebotenen Möglichkeiten zur Überwindung des von China praktizierten Sozial- und Umweltdumpings zu nutzen und dynamisch weiterzuentwickeln sowie das Problem der Kinderarbeit zu bekämpfen, indem sie, wo dies erforderlich ist, spezielle defensive Handelsmaßnahmen ergreift, den freien und gleichberechtigten Zugang zu Märkten von Drittländern sowie den uneingeschränkten Wettbewerb für europäische Produkte sicherstellt und verteidigt, die Verbraucherrechte schützt, Produktpiraterie und Nachahmung bekämpft, geistige Eigentumsrechte schützt und Initiativen für ein neues integriertes Kooperationsabkommen mit China ergreift, das an die Stelle des aufgrund internationaler Entwicklungen im Wesentlichen überholten Kooperationsabkommen von 1985 treten soll.

Ich möchte die Gelegenheit, dass Kommissar Michel heute hier anwesend ist, ergreifen, um abschließend darauf hinzuweisen, dass die Kommission auch ihre Untersuchungen unkontrollierter Einfuhren von chinesischen Schuhen verstärken muss, die in einigen europäischen Ländern, wie Griechenland, zu ernsthaften Probleme geführt haben.

 
  
MPphoto
 
 

  Louis Michel, Kommissionsmitglied. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich im Namen der Kommission und in meinem eigenen Namen den Opfern und ihren Angehörigen nach den grausamen und barbarischen Anschlägen von London unser aufrichtiges Mitgefühl aussprechen. Zugleich bekunde ich meine uneingeschränkte Solidarität mit den britischen Behörden.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass hinter einigen unvermeidlichen und zweifellos notwendigen Kritiken der allgemeine Ton der Redebeiträge eher positiv gegenüber dem Ansatz der Kommission ist. Gleiches gilt bereits für den Entschließungsentwurf, wenngleich einige der Auffassung sind, man könne noch weiter gehen, beispielsweise im Bereich der Sozialnormen, des Schutzes gegenüber China oder der industriellen Umstellung.

Trotzdem möchte ich auf einige der geäußerten Besorgnisse noch einmal zurückkommen. Über die Vereinbarung mit China machen sich unter anderem Herr Silva Peneda, Herr Guerrero, Herr Caspary, Herr Allister und Frau Martens Sorgen. Ich würde sagen, Frau Martens hat das Kind beim Namen genannt. Wie die meisten derjenigen, die sich mit diesen Fragen befassen, ist sie der Auffassung, dass die Vereinbarung mit den Chinesen der europäischen Industrie zu einer Atempause bis 2008 verhelfen wird und dass diese Vereinbarung also an sich eine gute Sache ist. Weiterhin möchte ich präzisieren, dass diese Vereinbarung strikt angewandt wird und dass die importierten Mengen im Rahmen wirklicher Selbstbeschränkungsquoten genauestens erfasst werden.

Was die in der Beitrittsakte Chinas zur WTO vorgesehenen Schutzklauseln betrifft, so ist zu präzisieren, dass die Europäische Union darauf nicht formell verzichtet hat, aber selbstverständlich ist die Vereinbarung mit den Chinesen globaler Art und soll eben gerade Konflikte im Umgang mit diesem Sektor vermeiden helfen, die aus drastischen Maßnahmen, wie sie diese Klauseln darstellen, entstehen könnten. Diese Klauseln sollen also nur angewandt werden, wenn dies wirklich gerechtfertigt ist, was mir nicht der Fall zu sein scheint, gerade weil das Abkommen mit China die sensibelsten Produkte abdeckt, das heißt etwa die Hälfte der im Januar 2005 liberalisierten Textilwaren. Herr Allister, dessen insgesamt positive Bewertung dieser Vereinbarung ich zur Kenntnis genommen habe, wird verstehen, dass die auf diese Weise eingeführte Flankierung des chinesischen Handels die von ihm verfochtenen Antidumping-Maßnahmen überflüssig macht.

Schließlich möchte ich Herrn Caspary beruhigen: Die Vereinbarung mit China ermöglicht eine Stabilisierung der Umfänge mit einer vernünftigen jährlichen Steigerungsrate von 8 bis 12 %. Sie gewährleistet also die Verteidigung der europäischen Erzeuger und stabilisiert gleichzeitig die Versorgung der Importeure bis 2008. Im Rahmen der laufenden Verhandlungen mit den Chinesen sind Flexibilitätsklauseln vorgesehen, um die Begrenzungsmaßnahmen zugunsten der Importeure abzumildern.

Ein Wort zur Einhaltung der Sozialnormen in den Entwicklungsländern. Ich möchte Herrn Silva Peneda antworten, dass die Europäische Union und die Kommission in dieser Frage aktiv sind und wir uns dafür die Kritik der Entwicklungsländer zuziehen, die diese Forderungen als einen verschleierten Protektionismus interpretieren. Die Dinge sind also nicht immer so einfach, wie es aussieht. So machen die Entwicklungsländer die große Mehrheit der Mitglieder der ILO aus und lehnen die Verbindung zwischen Handel und Sozialnormen ab. Dennoch gibt die Kommission nicht auf und schlägt vor, systematisch in jede Verhandlung über präferenzielle Freihandelsabkommen eine Klausel aufzunehmen, die besagt, dass die Präferenzen im Falle der Nichteinhaltung dieser Normen rückgängig gemacht werden. Zugleich verfolgt sie auch einen positiven Ansatz. Beispielsweise schloss sich der Rat am 27. Juni 2005 der Kommission an, als wir vorgeschlagen haben, gegenüber Sri Lanka neue Handelskonzessionen zu machen, nachdem dieses Land die acht wichtigsten Konventionen der ILO ratifiziert hatte. Verbot der Kinderarbeit als Gegenleistung für die Aufhebung der Zölle auf Exporte in die Europäische Union: Die Linie ist ziemlich eindeutig. Es geht darum, eine Verbindung zwischen den multilateralen Handelsverhandlungen und den Sozialnormen herzustellen. Wir können nicht vorhersagen, was im Dezember in Hongkong beschlossen wird, aber man kann immerhin daran erinnern, dass die Kommission auf diese Verbindung sehr viel Wert legt. Mein für Handelsfragen zuständiger Kollege Peter Mandelson hätte, wenn er heute Vormittag unter uns gewesen wäre, sicher erläutert, wie er in Turin am 26. Mai 2005 im Rahmen einer gemeinsamen Tagung mit der ILO in diesem Sinne gesprochen hat. In diesem wie in anderen Bereichen sind zahlreiche Maßnahmen möglich, so wird beispielsweise eine Struktur der Partnerschaft und des sozialen Dialogs im Textilsektor mit China ernsthaft ins Auge gefasst.

Nun ein Wort zu den Prioritäten der Handelspolitik der Europäischen Union, um unter anderem Herrn Belder zu antworten. Der Entschließungsentwurf schlägt im Einzelnen vor, dass dem Euro-Mittelmeerraum Priorität eingeräumt werden soll, vor allem gegenüber Asien. Die Kommission teilt diesen Standpunkt weit gehend. Die Entwicklung des Handels zwischen beiden Ufern des Mittelmeers soll zur Entwicklung dieser Region beitragen und zum Teil die ernsten Probleme regeln, die über die Probleme des Textilsektors hinaus im Norden und im Süden dieses Gebiets bestehen, wie beispielsweise die Zuwanderung.

Es gibt noch weitere Prioritäten: Afrika, ich verweise auf die G8, die heute in Schottland zusammentreten, die am wenigsten entwickelten Länder, die armen Länder Asiens. In diesem Punkt schließt sich die Kommission Frau Saïfi an: Man muss gewisse komparative Vorteile zugunsten derer aufrechterhalten, denen die Europäische Union eine Vorzugsbehandlung einräumen möchte. Aus diesem Grund unterstützt sie beispielsweise entschieden die Pan-Euro-Mittelmeer-Ursprungskumulierung, die vom Rat im kommenden Herbst verabschiedet werden soll. Bei dieser Gelegenheit möchte ich das Parlament ersuchen, die Kommission dabei zu unterstützen, Druck auf den Rat auszuüben, um die Annahme der entsprechenden Protokolle zu beschleunigen.

Was schließlich die Handelspräferenzen betrifft, so ist zu sagen, dass die Europäische Union seit diesem Jahr den größten Teil ihrer Handelspräferenzen für China zurückgezogen hat. Diese negative Priorität entspricht voll dem Geist des Entschließungsentwurfs.

Herr Zingaretti hat insbesondere die kommerziellen Schutzmaßnahmen angesprochen. Wenn Drittländer ihre Exporte subventionieren, gibt es Antworten. Die Europäische Union verfügt über ein ganzes Arsenal hiervon. Es gibt die Antidumpingzölle oder Antisubventionsmaßnahmen. So hat die Kommission beispielsweise vor einer Woche eine Antidumping-Untersuchung für bestimmte Arten von chinesischen und indischen Schuhen eröffnet. Darüber wurde bereits gesprochen; wir bewegen uns also hier nicht im Bereich frommer Wünsche. Diese Maßnahmen werden durch diese beiden Länder sehr ernst genommen, das kann ich Ihnen versichern.

In der Frage der Produktnachahmung, die das Anliegen von Frau Muscardini ist, welches von der Kommission geteilt wird, hat die Europäische Union Fortschritte zu verzeichnen. Seit Juli 2004 ist ein neues Instrument in Kraft, das es den Unternehmen ermöglicht, für Waren, die vermutlich eine Nachahmung sind, die Beschlagnahme durch die Zollbehörden zu beantragen. Es handelt sich um ein einheitliches Gemeinschaftsverfahren, das kostenlos und einfach ist, denn es ist zum Teil für die kleineren Textilunternehmen bestimmt, die – wie ein Abgeordneter zu Recht sagte – 90 % des Sektors ausmachen. Muss man aber nicht vor allem das europäische Zollwesen stärker integrieren, um die Effizienz zu erhöhen? Seit 1992 gibt es einen europäischen Zollkodex, der jedoch durch 25 nationale Zollbehörden angewandt wird, zwischen denen die Koordinierung zuweilen schwierig ist. Diese Situation wird vielfach von Betrügern geschickt ausgenutzt. Auf diesem Gebiet bleibt also noch viel zu tun.

Auf dem Gebiet des geistigen Eigentums, das im Textilsektor ein höchst sensibles Thema ist, waren die letzten Jahre von einer wahren Explosion der Statistiken gekennzeichnet.

Es sei daran erinnert, dass China mit seinem WTO-Beitritt nunmehr bestimmte Verpflichtungen eingegangen ist und dass damit auch die Europäische Union über verstärkte Aktionsmittel verfügt, wenn dieses Land sich nicht an das halten sollte, was es unterschrieben hat. Ich möchte daher den Vertretern der europäischen Linken, die sich dagegen aussprechen, dass die Europäische Union Produktionsverlagerungen finanziert, sagen, dass wir diese Auffassung vollkommen teilen. Es sei lediglich daran erinnert, dass es keinerlei Klausel in diesem Sinne in irgendeinem präferenziellen Handelsabkommen gibt. Ich glaube, man sollte nicht Dinge andeuten oder in den Raum stellen, die es gar nicht gibt.

Herr Rull und auch Herr Karim haben sich zur industriellen Umstrukturierung des Textilsektors geäußert. Ich glaube, Herr Karim hat Recht: Die europäische Industrie erwartet seit Anfang 2005 und der Liberalisierung des chinesischen Textilsektors von der Kommission dringend ein Wunder. Es wurde bereits gesagt, aber ich möchte es nachdrücklich wiederholen: Die Liberalisierung wurde vor zehn Jahren beschlossen, im Jahr 1994. Einige Mitgliedstaaten haben es im Übrigen verstanden, sich darauf vorzubereiten. Die Krise des Textilsektors existiert also nicht europaweit, sie betrifft nur die Mitgliedstaaten, die nicht vorbereitet waren.

Es sei weiterhin daran erinnert, dass die Maßnahmen zur industriellen Umstrukturierung weit gehend in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. In ihrem Zuständigkeitsbereich hat die Kommission vorgeschlagen, einen Teil der Strukturfonds für die Sektoren vorzusehen, die sich nach Krisensituationen in der Phase der industriellen Umstellung befinden, wie beispielsweise die Textilindustrie, was derzeit im Rat diskutiert wird.

Im Dezember 2004 haben die Kommission, speziell Kommissar Potocnik, und Euratex (der europäische Dachverband der Textil- und Bekleidungsindustrie) eine Initiative angekündigt, die unter dem Namen „Europäische Plattform der Textiltechnologie“ bekannt wurde und darauf abzielt, beispielsweise technologische Innovationen anzuregen, um so der chinesischen Konkurrenz höherwertige Erzeugnisse entgegensetzen zu können. Es stimmt, dass die wahren Opfer der Liberalisierung des Textilsektors, wie Frau Lucas richtig sagte, die ärmsten Länder, die am wenigsten entwickelten Länder sind, weil diese Erzeugnisse mit geringem technologischen Gehalt, wie Baumwoll-T-Shirts produzieren. Europa verfügt über die Mittel, hochwertigere Erzeugnisse herzustellen und sich in den Textilsektoren zu spezialisieren. Ich denke an Gewebe mit hohem technologischem Gehalt, bei denen die chinesische Konkurrenz begrenzter ist. Gewiss sind zeitweilig Schutzmaßnahmen erforderlich, aber liegt die wahre Lösung nicht in der Innovation?

Ich bedauere, dass diese Entschließung nicht bereits heute angenommen wird, denn im Namen der Kommission teile ich weit gehend den darin vorgeschlagenen Ansatz. Gestatten Sie noch einige Bemerkungen. Herr Leichtfried und Frau Toia sagen, dies seien gute Lösungen, aber die Kommission hätte rascher reagieren sollen. Die Kommission hat innerhalb von fünf Monaten reagiert, nachdem sie überprüft hat, dass tatsächlich Schaden entsteht. Es kann nicht darum gehen, den Chinesen leichtfertig Quoten aufzuerlegen.

Herr Romagnoli, ich möchte an meine vorherigen Worte erinnern. Bitte erklären Sie uns, durch welchen Mechanismus die Kommission Produktionsverlagerungen begünstigen soll. Das trifft nicht zu.

Frau Laperrouze begrüßt die Vereinbarung, und ich glaube, sie hat Recht. Was die hochrangige Gruppe betrifft, so wurde dieser Gruppe am 14. Juni von der Kommission ein Plan zur Ermittlung von Handelsbeschränkungen vorgelegt. Daran waren mehrere Kommissare beteiligt: Herr Mandelson und Herr Verheugen; und auch Frau Saïfi war anwesend.

Was den Beitrag von Herrn Tajani betrifft, der von der Ursprungskennzeichnung sprach, so bereitet die Kommission einen Entwurf für eine Verordnung vor, die diese Kennzeichnung bei Importen verbindlich vorschreiben soll, aber Sie sollten wissen, dass die Mitgliedstaaten in dieser Frage geteilter Meinung sind, was natürlich Fortschritte behindert.

Mit der Gegenseitigkeit, die im Beitrag von Frau Lienemann angesprochen wurde, bin ich einverstanden, aber darüber muss in der WTO beraten werden.

Gestatten Sie mir noch zwei kurze Bemerkungen, die nicht unangebracht sind. Ein Airbus entspricht 20 Millionen chinesischen Shirts. Das sollte man sich vergegenwärtigen und bedenken, dass Handel keine einseitige Sache ist. Der Handel funktioniert in alle Richtungen, und manchmal kann man, wenn man sich auf ein Erzeugnis konzentriert, bei einem anderen viel verlieren. Das wollte ich in Erinnerung rufen.

Nun noch eine Bemerkung zu dem äußerst ideologischen Angriff, den ich gegen das liberale Europa vernommen habe, dem man so viel Schlechtes nachsagt. Ich möchte nur daran erinnern, dass dieses liberale Europa es war, das den Frieden möglich gemacht hat, das dafür gesorgt hat, dass der geschaffene Reichtum hier in Europa zweifellos besser verteilt ist als überall sonst. Das kollektivistische oder marxistische Europa, dem einige anscheinend nachtrauern, kann, wie ich meine, gewiss nicht die gleiche Bilanz aufweisen wie das so genannte liberale Europa.

Was die gewerkschaftliche Freiheit betrifft, um die es im gleichen Zusammenhang ging, so ist sie überall in den liberalen Staaten gewährleistet, während ich noch nicht erlebt habe, dass sie in totalitären Staaten, einschließlich der linksorientierten, wirklich garantiert ist. Ich sage das einfach nur, weil ich ein Liberaler bin, und von Zeit zu Zeit sollte daran erinnert werden.

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet im September statt.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
MPphoto
 
 

  Bogdan Golik (PSE). (PL) Angesichts des Vordringens Chinas auf den EU-Markt reicht dieser Bericht nicht aus, und außerdem kommt er zu spät. Es geht um die Zukunft von 170 000 Unternehmen und 2,5 Millionen Arbeitnehmern in Europa und um einen Markt mit einem Wert von 185 Milliarden Euro. Ein gutes Beispiel dafür, wie man in dieser Frage falsche Entscheidungen trifft – und da braucht man nicht erst lange zu suchen –, liefern die USA. Nachdem im Jahr 2002 die Kontingente abgeschafft wurden, hat China in den Vereinigten Staaten innerhalb von zwei Jahren einen Marktanteil von 65 % erreicht. Das Problem China besteht nicht nur in der Einfuhr billiger Bekleidung, sondern auch in unlauteren Praktiken wie staatlichen Subventionen, Steuerfreijahren, Verteilung von Land sowie Subventionierung im Energie- und Transportsektor. Wenn wir China aufhalten und Arbeitsplätze in Europa erhalten wollen, sollten wir eine außerordentliche WTO-Sitzung einberufen und darüber beraten, wie verhindert werden kann, dass ein einziger Anbieter den Welthandel beherrscht. Außerdem müssen wir das Notverfahren einleiten, das in den Leitlinien für die Anwendung der Schutzklausel vorgesehen ist, und ein neues Finanzierungsprogramm für die Regionen auflegen, in denen Menschen, die ansonsten arbeitslos wären, in diesem Sektor Arbeit finden, ein Programm, das auch sichergestellt, dass Frauen nicht in minderwertige Jobs gedrängt werden. Wir müssen Mittel für Umstrukturierungsmaßnahmen im Rahmen der neuen Finanziellen Vorausschau sowie für neue Lösungen und die Umsetzung von Forschungsergebnissen im KMU-Sektor im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms bereitstellen. Ziel der EU-Politik muss es sein, die Industrie zu modernisieren, denn sonst bleibt das EPT allenfalls eine verrückte Idee. Für die Regierungen hoch industrialisierter Mitgliedstaaten sollte es Ausnahmeregelungen in Bezug auf das Subventionsverbot geben, und für REACH muss eine Folgenabschätzung vorgenommen werden, um sicherzustellen, dass es nicht zu einem Bremsklotz für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie wird. Im Rahmen der Abkommen zwischen der EU und den Ländern des Mittelmeerraums muss ein konsolidierter Markt geschaffen werden, und eine ähnliche Plattform brauchen wir auch in der Ostseeregion.

 
Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen