19. Menschenrechtsverletzungen, insbesondere im Bereich der Religionsfreiheit, in China
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über sieben Entschließungsanträgen zu Menschenrechtsverletzungen in China, insbesondere hinsichtlich der Religionsfreiheit (1).
Marios Matsakis (ALDE), Verfasser. –(EN) Herr Präsident! Religionsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht und ein wichtiger Indikator für den Stand der Zivilisation einer Gesellschaft. Dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass Religion in einigen Fällen für politische und wirtschaftliche Zwecke ausgenutzt wurde und wird. Ebenso wenig lässt sich leugnen, dass religiöser Fanatismus in einigen Fällen zu vielen extremistischen Ausfällen gegen unsere demokratischen Institutionen geführt hat. Das Gleichgewicht zwischen Religionsfreiheit und angemessenem Schutz der Bürger ist im Wesentlichen sehr empfindlich und verlangt große Umsicht bei der Formulierung von Rechtsvorschriften wie auch eine aufrichtige Bereitschaft, diese korrekt anzuwenden.
Es überrascht nicht, dass diese Bereitschaft in totalitären Staaten fehlt, wo Religion nur als potenzielle Bedrohung für die politische Stabilität des herrschenden Regimes angesehen wird. Das ist offenbar bei China der Fall. In jüngster Zeit hat die chinesische Regierung auf internationalen Druck hin neue Rechtsvorschriften zu Religionsangelegenheiten in Kraft gesetzt, aber es ist schon mehr als offensichtlich, dass diese Veränderungen nicht weit genug gehen und Maßnahmen zur Beschränkung der Religionsfreiheit weiter bestehen. Zahlreiche Beispiele für die Verfolgung und Schikanierung religiöser Gruppen und Personen in China sind gut dokumentiert und müssen nicht noch einmal angeführt werden. Wir fordern die chinesische Regierung auf, die Unterdrückung von Religionen im Land endgültig zu beenden und zudem alle Personen, die von den staatlichen Behörden wegen ihrer religiösen Anschauungen und Praktiken verfolgt wurden, aus der Haft zu entlassen und ihre Verfolgung einzustellen.
Ich bitte Sie dringend, diesem Gemeinsamen Entschließungsantrag zuzustimmen.
Józef Pinior (PSE), Verfasser. –(PL) Herr Präsident! Wir sollten die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China in den Bereichen Handel, Wirtschaft, Kultur und Politik begrüßen. China sollte in dem Bemühen, eine neue Weltordnung zu schaffen, ein strategischer Partner für die Union werden. Allerdings sollte man beachten, dass eine echte Partnerschaft auf dem Fundament gemeinsamer Werte errichtet werden muss. Unser positives Herangehen an China darf nicht bedeuten, dass wir Verletzungen der Menschenrechte in der Volksrepublik China außer Acht lassen oder Angriffe auf die politische Freiheit und die Freiheit der Gewerkschaften hinnehmen. Wir dürfen auch nie vergessen, dass China keine Demokratie ist.
In seinem Entschließungsantrag wirft das Europäische Parlament ein Schlaglicht auf Verletzungen grundlegender Menschenrechte in China, insbesondere der Religionsfreiheit, und dabei vor allem in Bezug auf christliche Kirchen und Konfessionen. Wir fordern die chinesische Regierung auf, die strengen Kontrollen, die Repressionen und die Verfolgung religiöser Gruppen - christlicher und anderer - einzustellen. Ich denke dabei auch an den tibetischen Buddhismus und an den Islam.
Die römisch-katholische Kirche wurde weiterhin in den Untergrund getrieben. Das bereitet uns große Sorge, ebenso die Situation der protestantischen Kirchen. Darüber hinaus fordern wir Erklärungen für das Schicksal einiger römisch-katholischer Bischöfe und vermisster Priester. Wir fordern die Freilassung von katholischen Priestern und protestantischen Geistlichen, die festgenommen und inhaftiert wurden, sowie die Freilassung aller Laien, die wegen ihrer religiösen Praktiken bestraft wurden.
Die chinesische Regierung muss gewährleisten, dass Artikel 36 der Verfassung der Volksrepublik China, der die Religionsfreiheit in China vorsieht, eingehalten wird. Ich möchte dieses Hohe Haus auch auf die Informationen aufmerksam machen, die die Organisation Reporter ohne Grenzen über die Verurteilung von Herrn Shi Tao, einem Internet-Benutzer, mitgeteilt hat. Am 30. April 2005 verurteilte ihn ein Gericht in Changsha zu zehn Jahren Haft wegen der Weitergabe von Staatsgeheimnissen. Herr Shi Tao arbeitete als Journalist für die Wirtschaftszeitung „Dangdai Shang Bao“, und sein Verbrechen bestand darin, über das Internet Informationen aus einem vertraulichen Dokument des zentralen Propagandabüros zu veröffentlichen, das vor dem 15. Jahrestag des Tiananmen-Massakers an die Redaktion weitergeleitet worden war. Die Offenlegung der Nutzerdaten von Herrn Shi Tao an das Gericht durch das Internetportal Yahoo sollte ebenfalls Gegenstand einer Untersuchung sein.
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE), Verfasser. – (ES) Herr Präsident! China ist wiederum Gegenstand der Debatte in diesem Haus, und ich fürchte, es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir dieses Thema erörtern.
Die wachsenden Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China bieten eine großartige Chance für beide Seiten, und ich würde so weit gehen zu sagen, sogar für die Welt allgemein.
Allerdings darf dieses Verhältnis nicht nur auf der Verbesserung der kommerziellen Beziehungen jeder Seite beruhen. Wenn die Europäische Union will, dass ihre Politik gegenüber China glaubwürdig ist, muss sie viel deutlicher fordern, dass China seine Menschenrechtspolitik grundlegend verbessert.
Der Menschenrechtsdialog EU-China stellt dafür ein vorzügliches Instrument dar, das aber, wie ich fürchte, viel zu wenig genutzt wird. Es gibt verschiedene Probleme, mit denen China in Anbetracht seiner Rolle in einer durch zunehmende Interdependenz gekennzeichneten Welt nicht verantwortungsvoll umgeht: Gewerkschaftsfreiheit, Recht auf freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit sowie Religionsfreiheit.
Ich gehöre zu jenen, die dafür eintreten, dass Regierungs- und öffentliche Institutionen weltlichen Charakter tragen müssen und dass die Trennung von Staat und Religion zu gewährleisten ist, gleichzeitig muss jedoch meines Erachtens der wirkliche Säkularismus die Freiheit der Religionsausübung im privaten Bereich garantieren. Deshalb bin ich besorgt angesichts der ständigen Klagen verschiedener Gruppen über die Schwierigkeiten, mit denen sie bei der Ausübung ihrer Religion in China konfrontiert sind.
Ebenso wie ich dagegen bin, dass ein Staat eine bestimmte Religion stärker als andere finanziert oder unterstützt – vor einigen Tagen beispielsweise habe ich die Tatsache verurteilt, dass die Kommission so viel Geld für die von der katholischen Kirche geförderten Weltjugendtage bereitgestellt hat –, halte ich es für inakzeptabel, dass Institutionen das individuelle Recht auf Religionsfreiheit, bei der es sich um eine Frage der Menschenrechte handelt, verletzen, was von uns beklagt und verurteilt werden muss.
Zusammengefasst gesagt, fordern wir die chinesische Regierung in dieser Entschließung auf, jeglicher Unterdrückung aus religiösen Gründen unverzüglich ein Ende zu setzen und dafür zu sorgen, dass sie die internationalen Menschenrechtsstandards achtet und die Demokratie, das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit, die Pressefreiheit sowie, wie es in der Entschließung heißt, die Religionsfreiheit im gesamten, unter Kontrolle der chinesischen Behörden stehenden Territorium zu gewährleisten.
Erik Meijer (GUE/NGL), Verfasser.–(NL) Herr Präsident! Das heutige China wird noch von einer Partei regiert, die sich zwar kommunistisch nennt, die aber – und das gilt auf jeden Fall für die Parteiführung – schon seit vielen Jahren nicht mehr kommunistisch ist. Heutzutage geht es nur noch um das Ziel des wirtschaftlichen Wachstums und der Exportvorteile auf dem Weltmarkt, das durch Niedriglöhne, unhaltbare Arbeitsbedingungen und die Behinderung unabhängiger Gewerkschaften erreicht wird. All dies erinnert in starkem Maße an das diktatorische Modell, das Südkorea in den vergangenen Jahren praktizierte, um eine Industrienation zu werden. Inwiefern die große Mehrheit der Bevölkerung irgendwelchen Nutzen daraus zieht, wird sich erst in einigen Jahrzehnten erweisen. Unterdessen ist eine Gesellschaft entstanden, in der erhebliche Mitbestimmungs- und Einkommensunterschiede zwischen den Bevölkerungsteilen bestehen und in der Natur, Landschaft und Umwelt sträflich vernachlässigt werden. Von dem Schutz von Mensch und Natur, der für uns Sozialisten einen so hohen Stellenwert hat, ist dies weit entfernt.
Obwohl die chinesischen Führer keine Kommunisten mehr sind, haben sie die schlimmsten Merkmale kommunistischer Staatstradition leider bewahrt. Sie dulden keine unabhängigen Organisationen und andere Machtzentren neben sich. Zwar dürfen sich die Bürger zu einer Religion bekennen, es ist ihnen aber nicht gestattet, sich ernsthaft zu organisieren. Die Führung befürchtet, unabhängige Kirchen könnten zu einer Quelle des Widerstands werden, und so entscheidet die Regierung nach einer Mischung aus atheistischer Tradition und Machtpolitik, welche Glaubensgemeinschaften erlaubt sind und unter welchen Umständen.
Es ist allgemein bekannt, dass nicht die offizielle katholische Kirche zugelassen ist, sondern eine national kontrollierte Variante. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass die jüdische Religion – die vor der Revolution von 1949 vor allem in den Großstädten an der Ostküste über eine starke Anhängerschaft verfügte – völlig verboten ist. Diesem China sollten wir keine Gelegenheit geben, Nachbarländer zu bedrohen oder die Opposition im eigenen Land gewaltsam zu unterdrücken. Deshalb muss es eine Selbstverständlichkeit sein, das Waffenembargo aufrechtzuerhalten.
Auf keinen Fall sollte es EU-Mitgliedstaaten gestattet sein, Waffen an China zu verkaufen. Jeglicher Versuch, das Waffenembargo aufzuheben, wäre verwerflich. Es läge in niemandes Interesse, einen neuen kostspieligen Rüstungswettlauf in Gang zu setzen und neue Gefahren heraufzubeschwören. Aus genau diesem Grund sollte auch Europa auf Abrüstung drängen.
Bernd Posselt (PPE-DE), Verfasser.– Herr Präsident! Ich gratuliere dem Kollegen Meijer zu seiner hervorragenden und sehr präzisen Rede, muss aber sagen, dass ich vorher einige Kollegen gehört habe, über die ich mich nur wundern kann. Wir dürfen nicht staunen, dass Christen derart brutal entrechtet und verfolgt werden, wie das derzeit der Fall ist, wenn wir das Verhalten eines Teils der europäischen Führungsschicht betrachten. Es gibt selbst hier im Haus Redner, die nicht die brutalen Menschenrechtsverletzungen gegenüber Christen in China verurteilen können, ohne dass sie vorher kirchenfeindliche Äußerungen machen, die mit diesem Thema überhaupt nichts zu tun haben, die den Weltjugendtag kritisieren müssen in einer Debatte, in der es um das existenzielle Recht verfolgter Menschen geht.
In dieser Europäischen Union gibt es selbstverständlich kein christliches Monopol, und das ist gut und richtig so. Aber in der EU leben 85 % Christen, 56 % Katholiken. Das sind Menschen, die auch Anspruch auf angemessene politische Repräsentanz haben. Wer soll sich für die verfolgten winzigen christlichen Minderheiten, aber auch für die Juden, Muslime und Buddhisten in China einsetzen, wenn nicht wir dies tun? Die islamische Welt tritt für die muslimischen Glaubensbrüder und Glaubensschwestern ein, die etwa in China verfolgt werden. Nur wir Europäer müssen das immer wieder relativieren oder kritisieren. Dadurch machen wir uns an diesen Menschenrechtsverletzungen mitschuldig.
Wenn ich jetzt beim EU-China-Gipfel die Bilder von Herrn Blair gesehen habe, dann denke ich daran, dass Herr Blair uns gesagt hat, die EU sei für ihn mehr als eine Freihandelszone. Davon merke ich nichts, denn wenn sie für ihn wirklich eine Wertegemeinschaft wäre, dann würde er eine menschenrechtsorientierte Außenpolitik auch in dieser Frage gegenüber einem großen Land wie China vertreten. Dasselbe gilt für Herrn Schröder, dessen einsamen Versuch, das Waffenembargo zu lockern, wir Gott sei Dank gestoppt haben. Wir sollten über die Parteien hinweg endlich zu einer Geschlossenheit finden, um auch gegenüber einem großen Land wie China eindeutig für Menschenrechte und Glaubensfreiheit einzutreten.
Bastiaan Belder (IND/DEM), Verfasser.–(NL) Herr Präsident! Ich möchte einen kurzen, aufschlussreichen Auszug aus dem Brief eines anonymen chinesischen Protestanten zitieren: „Ich sehne mich wirklich nach geistiger Nahrung“, etwas, das ihm zufolge in der offiziellen evangelischen Kirche Mangelware ist, weil sie vom Staat am ideologischen Gängelband geführt wird.
Gerade diese Verletzung der Religionsfreiheit durch die Regierung der Volksrepublik China hat zu einem wachsenden Strom und zu einem Erstarken nicht registrierter protestantischer Hauskirchen geführt. Angesichts der am 1. März dieses Jahres in Kraft getretenen neuen Vorschriften Chinas über die religiösen Angelegenheiten sind sie einer Welle willkürlicher Repressionen durch die Regierung ausgesetzt, zu denen gewaltsame Auflösungen von Gottesdiensten, hohe Geldstrafen, Verhaftungen, Zerstörung von Privathäusern sowie Prügel oder Maßregelungen nach dem Grundsatz „Lehrer dürfen nicht an das Christentum glauben“ gehören. Besonders schockierend war der Bericht über die Razzia gegen eine protestantische Hauskirche in der Provinz Shenyang am 7. August dieses Jahres. Unter den dreißig Kirchgängern befanden sich etwa 10 Frauen, die gezwungen wurden, sich auszuziehen und dann nackt zu posieren. Frauen, die Widerstand leisteten, wurden brutal geschlagen.
Bei einer unlängst erfolgten Untersuchung der Frage, ob die Zentralregierung oder lokale Behörden für die Verletzungen der Religionsfreiheit in China verantwortlich sind, kam ein entscheidender Punkt ans Tageslicht. Einige Kommunalbehörden stehen christlichen Mitbürgern wohlwollend gegenüber und unterstützten sie aktiv aufgrund des loyalen Beitrags, den sie zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung leisten. Die chinesische Zentralregierung täte gut daran, diesem praktischen Beispiel zu folgen, wird doch stets von ihr bestimmt, was normale religiöse Tätigkeiten genau sind, und nur diese sind gesetzlich zugelassen.
Herr Kommissar, ich ersuche Sie, Ihre Kollegen in der Kommission oder auch den Rat, den chinesischen Behörden dieses bedenkliche Kriterium für das Grundrecht der Religionsfreiheit unmissverständlich klar zu machen. Was sind normale religiöse Aktivitäten? Vor allen Dingen hoffe ich, dass Sie und der Rat sich für die Freilassung all derer einsetzen, die, welchen Glaubens auch immer, inhaftiert sind oder darunter leiden, dass in China keine Religionsfreiheit besteht.
Marcin Libicki (UEN), Verfasser. –(PL) Herr Präsident! Leider wird für uns schon zur Tradition, den Donnerstagnachmittag der Aussprache über Aktionen der chinesischen Regierung gegen ihre eigene Bevölkerung und gegen alle anderen, die sie unterworfen hat, zu widmen. Ich möchte dieses Hohe Haus daran erinnern, dass wir ja vor kurzem über Menschenrechtsverletzungen in Tibet debattierten. Der Begriff Menschenrechtsverletzungen ist gleichsam ein Euphemismus, wenn es sich bei den betreffenden Taten um Mord, Verhaftungen, Massenverschleppungen handelt, wenn Menschen an der Ausübung ihrer Religion gehindert werden und von Freiheit in welcher Form auch immer keine Rede sein kann. Wir müssen das Kind beim Namen nennen. Dies sollte als kriminelle Aktivität bezeichnet werden, nicht als Menschenrechtsverletzung.
Wir haben die Ereignisse in China während der letzten 60 Jahre verfolgt. Diejenigen unter uns, die aus den ehemaligen kommunistischen Staaten stammen, wissen nur zu gut, wie kommunistische Regierungen sich üblicherweise verhalten, ob sie nun ideologisch dem Kommunismus zuneigen oder nicht. Das ist nebensächlich. Ich spreche aus persönlicher Erfahrung und erinnere mich noch gut an die frühen Jahre des Kommunismus in Polen. Dies ist ganz einfach ein Fall einer bösen kommunistischen oder postkommunistischen Diktatur.
Jeder wird verfolgt. Moslems, Buddhisten, Juden ... alle werden gejagt. Diejenigen, die am grausamsten verfolgt werden ... nun, vielleicht auch nicht, denn Buddhisten in Tibet wurden ebenso brutal verfolgt, aber man muss sagen, dass Christen und vor allem Katholiken verfolgt werden. Insbesondere werden diejenigen Katholiken zur Zielscheibe, die einem Grundsatz der katholischen Kirche anhängen, nämlich der Einheit mit der Großkirche, personifiziert durch den Papst. Gewisse Schismen wurden gefördert, und es ist eine nationale Kirche entstanden, obwohl das natürlich nie anerkannt werden könnte.
Die Lage wird nicht besser, sondern schlechter. Wie in unserem Entschließungsantrag festgestellt, nimmt die Zahl der Verhaftungen zu, ebenso die Fälle von Folter, von unerklärlichem Verschwinden, von Inhaftierung durch das Strafsystem und auch die Zahl der Isolationslager. Allein schon der Begriff „Isolationslager“ sollte uns doch das Blut in den Adern gefrieren lassen. Wir Europäer haben die Schrecken, die unter deutscher Nazi- und russischer Kommunistenherrschaft begangen wurden, noch gut in Erinnerung.
Die Europäische Union unterhält seit dreißig Jahren diplomatische Beziehungen mit China. Es war viel die Rede von Dialog. Ich frage mich nur, welcher Art dieser Dialog ist und worum es dabei geht. Es scheint darum zu gehen, dass dieses Hohe Haus am Donnerstagnachmittag, wenn die meisten Abgeordneten schon auf dem Heimweg sind, eine Entschließung nach der anderen annimmt.
Andere dagegen, die erheblichen Einfluss auf das Geschehen in China haben könnten, plädieren für eine Lockerung des Embargos. Frankreich und Deutschland tun dies ausgesprochen beredt und behaupten, das Embargo zeige keine Wirkung. All dies geschieht vor dem Hintergrund einer Situation, in der wir China so weit wie möglich isolieren sollten. Hier geht es nicht nur um Wirtschaft, sondern vor allem um moralische Grundsätze. Die Europäische Union sollte mehr als deutlich zu verstehen geben, dass es keine Geschäfte und keinen Dialog irgendeiner Art mit China geben kann. China ist ohne Wenn und Aber zu verurteilen.
Filip Andrzej Kaczmarek, im Namen der PPE-DE-Fraktion. –(PL) Herr Präsident! Vergangene Woche sagte Tang Jaixuan, ehemaliger Außenminister der Volksrepublik China, dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte, jedes Land sollte die Menschenrechte auf seine Weise fördern und schützen und es sollte dabei keine Einmischung von außen geben. Wir können uns dieser Aussage keinesfalls anschließen. Die Achtung der Menschenrechte, einschließlich der Religionsfreiheit, ist keine innere Angelegenheit Chinas. Sie ist Angelegenheit all derer, die keine Egoisten oder Opportunisten sind.
Wir sollten nicht vergessen, dass Religionsfreiheit auch in nichtdemokratischen Ländern möglich ist. Tschechen, Juden und Menschen aus den Niederlanden emigrierten im 16. Jahrhundert ja nicht deshalb nach Polen, weil unser Land eine Demokratie war, sondern weil alle Religionen in Polen völlig frei ausgeübt werden konnten. Wir sollten uns jedoch auch daran erinnern, dass es politische Systeme gab und gibt, die religiöse Führer verschiedener Glaubensrichtungen nur dann anerkennen, wenn sie die Theorie unterstützen, dass jede Obrigkeit, auch die grausamste, gottgegeben ist.
China sollte nicht nur die Religionsfreiheit respektieren, sondern auch die Unabhängigkeit von Kirchen und religiösen Vereinigungen. Es darf weltlichen Obrigkeiten nicht erlaubt sein, Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen, wer katholischer Bischof, der 15. Dalai Lama oder der 12. Panchen Lama werden könnte. Tibetische Mönche dürfen nicht dazu gezwungen werden, an ideologischen Schulungen teilzunehmen. Der 87-jährige Gongola Lama hat angegeben, dass bei derartigen Schulungen die Ausbilder den Mönchen beibringen, worauf die Liebe zum gemeinsamen chinesischen Vaterland beruht, und sie dazu erziehen, sich dem Gesetz zu unterwerfen. Sie lehren die Mönche auch, der Dalai Lama sei eine Gefahr. Einige Mönche werden gezwungen, ein Papier zu unterzeichnen, das besagt, dass sie nicht länger die spirituelle und politische Führung des Dalai Lama anerkennen.
Die Weltgeschichte ist voll von Berichten über Unterdrückung aus religiösen Gründen. Man sollte sich aber daran erinnern, dass diese Unterdrückung auch unter den grausamsten Regimes wirkungslos geblieben ist. Sie wird sich auch in China als wirkungslos erweisen. Es ist unerheblich, ob einem Menschen die Arbeit oder sein Eigentum weggenommen wird, ob er ins Gefängnis geworfen, vertrieben, gekreuzigt oder vergast wird. Weder der Papst noch der Dalai Lama kann eine so genannte Abspaltung heraufbeschwören, denn die Quelle religiöser Kraft liegt nicht bei den Gläubigen oder beim Klerus, sondern in der Natur der Religion selbst. Für die meisten Religionen bedeutet der Tod kein tragisches Ende, sondern der Beginn eines neuen Daseins.
Catherine Stihler, im Namen der PSE-Fraktion. –(EN) Herr Präsident! Die Religionsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht, wie einer meiner Vorredner sagte, und die chinesische Verfassung behauptet in Artikel 36, die Freiheit des religiösen Glaubens zuzulassen. Die Praxis sieht jedoch anders aus.
Ein Beispiel, das von Amnesty International angeführt wird, ist der Fall von Zhang Rongliang, einem der bekanntesten Hauskirchenleiter in China. Er wurde in seinem Dorf verhaftet; die Polizei durchsuchte jedes Haus in diesem Dorf, beschlagnahmte das gesamte christliche Material; seine Frau und sein Kind halten sich versteckt; er ist fünf Mal verhaftet worden und hat insgesamt 12 Jahre im Gefängnis verbracht, wo er schweren Folterungen ausgesetzt war.
Von diesem Hohen Haus ist auch der Fall Tenzin Delek Rinpoche, dem tibetanischen Mönch, angeführt worden, der von den chinesischen Behörden in einem unfairen Prozess zum Tode verurteilt wurde. Dieses Urteil wurde inzwischen in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt, aber niemand weiß, wo er festgehalten wird, und seine Familie möchte es wissen.
Solange China die Religionsfreiheit nicht ernst nimmt, müssen wir in diesem Parlament auf die Missachtung von Menschenrechten dort aufmerksam machen. Wir müssen unsere Stimme für diejenigen erheben, die nicht die Freiheit haben, selbst für sich zu sprechen.
Luca Romagnoli (NI).–(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist eine feststehende Tatsache, dass sich China durch die seine Geringachtung der Menschenrechte auszeichnet. Jede weitere Hervorhebung dieser Tatsache wäre euphemistisch.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, was den Entschließungen dieses Parlaments – einschließlich fraktionsübergreifendender Entschließungen wie der vorliegenden – fehlt, ist ein wenig intellektuelle Redlichkeit.
Ziffer 3, in der gefordert wird, gegenüber den chinesischen Behörden klar zum Ausdruck zu bringen, dass sich eine echte Partnerschaft nur entwickeln kann, wenn gemeinsame Werte in vollem Umfang geachtet und in die Praxis umgesetzt wurden, ist letzten Endes Heuchelei.
Lächerlich wird die Entschließung dann, wenn, nach Aufzählung einer beklagenswerten Reihe von Verletzungen und der Formulierung der üblichen Forderungen, begrüßt wird, dass es einen strukturierten Menschenrechtsdialog EU-China gibt. Nicht ein Wort strenger Verurteilung, ganz zu schweigen von Vorschlägen für Sanktionen.
Sich diesem Entschließungsantrag anzuschließen bedeutet, sich selbst der Lächerlichkeit preiszugeben und sich moralisch zu Komplizen der brutalsten Kombination aus freier Marktwirtschaft und kommunistischen Vorstellungen zu machen, die es jemals gab. Ich appelliere an meine Kolleginnen und Kollegen, diesen Entschließungsantrag nicht anzunehmen.
Bogusław Sonik (PPE-DE).–(PL) Herr Präsident! Die Volksrepublik China erfüllt nicht den Grundsatz der Wahrung der grundlegenden Menschenrechte des Individuums. Seit vielen Jahren respektiert das kommunistische China nun schon nicht die elementarsten universellen Standards und Ansprüche hinsichtlich der Freiheit der Meinungsäußerung, der Gedanken, des Handelns und Schaffens.
Beim letzten Ministertreffen EU-China im Mai 2005 brachte die Union ihre Sorge über vier Aspekte der Menschenrechte zum Ausdruck. Insbesondere forderte sie die Freilassung der nach der Demokratiebewegung 1989 noch immer Inhaftierten, die Reduzierung der Medienzensur, die Reform des Systems der „Umerziehung durch Arbeit” sowie die Ratifizierung der Internationalen Konvention über zivile und politische Rechte. Wir sollten auch die Beendigung der Repressionen gegen die römisch-katholische Kirche verlangen, die von der Regierung nicht anerkannt wird.
Mehr als 126 Familien haben 1989 Angehörige beim Massaker auf dem Tiananmen-Platz verloren, und die Umstände rund um dieses Ereignis sind nach wie vor unklar. Amnesty International zufolge wurden allein bis Ende letzten Jahres mehr als 50 Personen wegen der Veröffentlichung von Informationen im Internet, die der Regierung schaden könnten, festgenommen. Amnesty International berichtet außerdem, dass 2004 in China 3400 Menschen hingerichtet und mehr als 6000 zum Tode verurteilt wurden. Diese Zahlen sind wahrhaftig alarmierend.
Die chinesische Regierung löscht das tibetische Volk gnadenlos aus. Sie greift zu falschen Anklagen wegen Gesetzesverstößen, legt den Ausgang der Verfahren im Vorhinein fest und organisiert Massendeportationen von Tibetern aus Gebieten, die dann mit ethnischen Chinesen neu besiedelt werden. Über 100 tibetische religiöse Führer werden in chinesischen Gefängnissen unter dem Vorwurf subversiver Aktivitäten festgehalten. Die Welt sieht untätig zu, wie eine der ältesten und bedeutendsten Kulturen aller Zeiten vor ihren Augen untergeht.
Wie viele Tragödien und Statistiken sind noch nötig, bis die Welt beginnt, die Menschenrechtsverletzungen in China wahrzunehmen? Die Diplomatie wird das erforderliche Ergebnis nicht hervorbringen. Die Union muss sich einer enormen Herausforderung stellen. Ihr Handeln wird entscheidend dafür sein, ob es China gelingt, konkrete Maßnahmen als Antwort auf die Forderungen, seine Politik gegen sein eigenes Volk zu ändern, zu ergreifen.
John Bowis (PPE-DE).–(EN) Herr Präsident! China ist eine große Nation und stets eine große Kultur gewesen, doch Name und Ansehen des Landes werden durch die dortige Missachtung der Menschenrechte beeinträchtigt.
Ich will, dass die Chinesen auf die Worte meiner Kollegen und diese Entschließung über die Religionsfreiheit hören. Ich will, dass sie die im Gefängnis sitzenden Katholiken und Christen freilassen. Ich will, dass sie den Moslems, den Uiguren in Xinjiang Gerechtigkeit zuteil werden lassen. Ich will, dass sie den Tibetern Gerechtigkeit widerfahren lassen und ihre Drohung mit der Einsetzung ihres Panchen Lama zurückziehen. Ich will, dass sie mit dem Missbrauch der Psychiatrie aufhören. Ich will, dass sie der Stimme von Frau Fen Yang zuhören, die festgenommen wurde, als sie Freunde besuchte, und ohne Prozess zu zwei Jahren in einem Frauen-Arbeitslager verurteilt wurde, wo sie misshandelt und einer Gehirnwäsche unterzogen wird. Ich will, dass sie der Mutter von Wang Nan zuhören, die auf dem Platz des Himmlischen Friedens gestorben ist. Ihre Mutter wurde verhaftet, weil sie ein Paket mit T-Shirts erhalten hat. Das sind die Verletzungen, die wir nicht hinnehmen können. Nur wenn China zuhört, handelt und diesen Missachtungen eine Ende setzt, wird es unseren Respekt gewinnen und verdienen.
Louis Michel,Mitglied der Kommission. (FR) Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde im Namen meiner Kollegin Frau Benita Ferrero-Waldner antworten.
Obwohl in China in den Fragen der Menschenrechte, insbesondere im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Rechte, während der letzten Jahre bedeutende Fortschritte erzielt wurden, ist die Europäische Union nach wie vor besorgt über die Lage der Menschenrechte in diesem Land insgesamt und speziell über die Einschränkungen der bürgerlichen und politischen Rechte.
Die Achtung der Menschenrechte ist wohlgemerkt eine zentrale Komponente der Außenpolitik der Union. Diese Frage wurde von ihr regelmäßig bei den chinesischen Behörden klar und deutlich zur Sprache gebracht, und zwar sowohl über den politischen Dialog – auch auf höchster Ebene, wie es erst kürzlich auf dem letzten bilateralen Gipfel am 5. September in Peking der Fall war – als auch über den bilateralen, speziell auf die Menschenrechte bezogenen Dialog.
Im Rahmen des Menschenrechtsdialogs EU-China stand die Frage der Religions- und Glaubensfreiheit, des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit stets an vorderster Stelle der Prioritäten der Europäischen Union. Die Union hat immer wieder besonders ihre tiefe Sorge über die Lage von Menschen geäußert, die wegen der öffentlichen Ausübung ihres Glaubens verfolgt bzw. ihrer Grundfreiheiten beraubt werden, übrigens unabhängig von deren Religion oder Glauben. Einige der von den Abgeordneten genannten inhaftierten Geistlichen stehen auf der Liste der Einzelfälle, welche die Union im Rahmen des Menschenrechtsdialogs ihren chinesischen Gesprächspartnern regelmäßig übergibt. Darüber hinaus hat die Europäische Union über ihre Vertreter in Peking wiederholt offizielle Schritte bei den chinesischen Behörden unternommen. Tenzin Deleg Rinpoche oder Pastor Zhang Rongliang – um die jüngsten Beispiele zu nennen – gehören zu denen, die Gegenstand derartiger Schritte waren.
Die Abschaffung der Todesstrafe oder zumindest die Aussetzung ihrer Anwendung, die rasche Ratifizierung des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte durch China und die Zusammenarbeit mit den UN-Mechanismen gehören ebenfalls zu den vorrangigen Themen, die mit den chinesischen Behörden regelmäßig erörtert werden. Im Zusammenhang mit dem letztgenannten Punkt hat die Europäische Union während der letzten Sitzung im Rahmen des Menschenrechtsdialogs vom 24. und 25. Februar dieses Jahres in Luxemburg mit besonderem Nachdruck darauf bestanden, dass sich der UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit baldmöglichst nach China begeben kann.
Es ist sicher im Sinne der Europäischen Union, den Menschenrechtsdialog mit Peking durch Seminare fortzusetzen, die mit diesen Fragen im Zusammenhang stehen und die es in Ergänzung dieses Dialogs ermöglichen, auch bestimmte wichtige Akteure der chinesischen Zivilgesellschaft zu sensibilisieren. Wir hoffen, dass es das bevorstehende Menschenrechtstreffen vom 24. und 25. Oktober ermöglichen wird, bedeutende Fortschritte zu erzielen.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet im Anschluss an die Aussprache von heute Nachmittag statt.